droht in Deutschland die Zwangsstilllegung von mehr als acht Millionen alter Diesel-Pkw? Ein anstehender EuGH-Entscheid könnte das unter Umständen mit sich bringen, behauptet Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Damit es so weit nicht kommt, hat die Autoindustrie jetzt einen Vorschlag vorgelegt, wie das juristisch vermieden werden könnte. Was dieser beinhaltet, analysiert Markus Grabitz.
Der Critical Raw Materials Act legt fest, dass bis 2030 nicht mehr als 65 Prozent eines kritischen Rohstoffs aus einem einzigen Land bezogen werden darf. Und auch in Deutschland sind in den vergangenen Jahren einige Kooperationen dazu vereinbart worden. Dennoch: Die Rohstoffpartnerschaften in der Wirtschaft kommen nicht so richtig in Schwung. In ihrer Analyse berichtet Leonie Düngefeld über die Ursachen – und wie sich das ändern könnte.
Lobbyisten gehören schon immer zu Brüssel dazu. Doch eine neue Auswertung von Table.Briefings zeigt: Die Zahl der registrierten Lobbygruppen ist seit Jahresbeginn noch einmal deutlich gestiegen. Die genauen Zahlen und Hintergründe lesen Sie bei Manuel Berkel.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag!
Es liegt ein Entwurf vor, mit dem die EU-Kommission für eine rechtliche “Klarstellung” bei den Messbedingungen von Schadstoffemissionen für ältere Dieselfahrzeuge sorgen könnte. Der Vorschlag stammt aus der Automobilwirtschaft. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte in einem Schreiben an die EU-Kommission Ende letzter Woche eine solche Klarstellung gefordert.
Ansonsten, so Wissings Befürchtung, könnte im Nachgang zu einem EuGH-Verfahren gegen den Hersteller Mercedes-Benz allein in Deutschland die “Außerbetriebsetzung” von 8,2 Millionen von älteren Dieselfahrzeugen drohen. In der gesamten EU wäre ein Vielfaches von Fahrzeugen betroffen. 2017 waren EU-weit rund 250 Millionen Pkw der betroffenen Schadstoffklassen zugelassen.
Nach Informationen von Table.Briefings soll die rechtliche Klarstellung in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erfolgen. Es soll dort festgehalten werden, dass die Hersteller die Schadstoffgrenzwerte ausschließlich im Rahmen der seinerzeit festgelegten Prüfverfahren einhalten müssen. Dafür soll folgender Zusatz in den Gesetzestext eingefügt werden: …“in den in diesen Durchführungsmaßnahmen festgelegten Prüfverfahren”. Damit soll verhindert werden, dass durch ein mögliches EuGH-Urteil nachträglich neue, schärfere und von den Autos nicht erfüllbare Messverfahren eingeführt werden.
Hintergrund ist, dass ein Verfahrensvertreter des juristischen Dienstes der EU-Kommission am 10. Juli in einem EuGH-Termin die Auffassung vertreten hat, auch die älteren Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro IV, V und teilweise VI müssten in allen Fahrsituationen die Schadstoffgrenzwerte einhalten. Bislang müssen diese Fahrzeuge die Grenzwerte nur auf dem Rollenprüfstand einhalten. Experten gehen davon aus, dass die Grenzwerte etwa bei Stickstoffdioxid bei Testverfahren im realen Fahrbetrieb (RDE) unter keinen Umständen einzuhalten sind.
Die Antwort, die Industriekommissar Thierry Breton am Wochenende in der Sache an Wissing geschickt hat, hat die Bedenken der Hersteller und Wissings keineswegs zerstreut. Breton hatte die Warnung von Wissing, Millionen von Euro-V- und Euro-VI-Fahrzeugen allein in Deutschland könne die Außerbetriebsetzung drohen, als “irreführend” bezeichnet.
Die Kommission habe, so Breton in dem Schreiben weiter, nicht die Absicht, “rückwirkende Änderungen vorzunehmen, den Automobilherstellern zusätzlichen Verwaltungsaufwand oder zusätzliche Anforderungen aufzuerlegen oder Maßnahmen zu ergreifen oder zu fördern, die Bürger, die Autos in gutem Glauben gekauft haben, in irgendeiner Weise benachteiligen würden”.
Die Zeit für die von Wissing geforderte rechtliche Klarstellung drängt. Am 21. November will der Generalanwalt des EuGH, Athanasios Rantos, in der Sache eine Stellungnahme abgeben. Mit dem Urteil wird Anfang 2025 gerechnet. In der Industrie heißt es, Rantos sei kritisch gegenüber den Herstellern eingestellt.
Wie in Brüssel zu hören ist, will die Kommission die von Wissing geforderte rechtliche “Klarstellung” nicht anstoßen. Es wird auf das anstehende EuGH-Urteil verwiesen. Zudem habe die Vorgängerin von Breton, Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska, bereits 2016 auf die schriftliche Frage eines Europaabgeordneten hin eine Klarstellung gegeben: “Es ist zu beachten, dass nach dieser Definition die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte unter ‘normalen Betriebsbedingungen’ nicht bedeutet, dass sie zu jedem Zeitpunkt und unter allen Umständen eingehalten werden (dies wäre technisch nicht möglich). Es bedeutet, dass die Grenzwerte im Durchschnitt eingehalten werden, wobei ein möglichst breites Spektrum von Fahrbedingungen abgedeckt wird, die in der Realität auftreten können.”
Unter Juristen sind die Folgen eines möglichen Urteils, das nachträglich neue Testverfahren für längst gebaute Autos ermöglichen könnte, umstritten. Im deutschen Recht gebe es den Grundsatz des Rückwirkungsverbots, heißt es bei Juristen von Branchenvertretern. Dies gebe Verbrauchern und Unternehmen Rechtssicherheit. Sie könnten nicht nachträglich durch staatliches Handeln schlechter gestellt werden. Ob dieses Rückwirkungsverbot allerdings in allen EU-Staaten gilt, das ist nicht klar.
Unklar ist zudem, wer die Folgen eines EuGH-Urteils zu tragen hätte. Wären es die Halter der Fahrzeuge, für die es dann möglicherweise keine Typgenehmigung mehr gäbe, oder die Hersteller, die dafür haften, dass ihre Fahrzeuge die Schadstoffregulierung einhalten? Eine Befürchtung ist, dass Umweltorganisationen nach einem entsprechenden EuGH-Urteil neue Klagen initiieren.
In dem konkreten Fall hat ein Messgerätehersteller vor dem Landgericht Duisburg gegen die Mercedes-Benz-Gruppe geklagt. Der Vorwurf lautet, dass der Hersteller bei seinen Fahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen verbaut habe. Das Duisburger Gericht hat den Fall zur Klärung an den EuGH abgegeben.
Deutsche Unternehmen haben bisher weniger in Rohstoffprojekte in Partnerländern investiert, als die Bundesregierung es sich von den strategischen Kooperationen erhofft hatte. Die Dringlichkeit, die Rohstoffimporte zu diversifizieren, sei in den vergangenen zwei Jahren wieder enorm gesunken, erfuhr Table.Briefings von Insidern.
Für die Transformation ihrer Wirtschaft müssen sich Deutschland und die EU kritische Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel sichern. Zwar soll auch der heimische Abbau und die Weiterverarbeitung hierzulande gestärkt werden. Doch den größten Teil der Rohstoffe und Zwischenprodukte müssen sie weiterhin importieren. Über Partnerschaften und andere Formen der Kooperation mit gleichgesinnten Ländern versuchen Bundesregierung und EU-Kommission, die Abhängigkeit insbesondere von China zu reduzieren, das in wichtigen Teilen der Wertschöpfungsketten beinahe eine Monopolstellung hat. Der EU Critical Raw Materials Act legt fest, dass bis 2030 nicht mehr als 65 Prozent eines kritischen Rohstoffs aus einem einzigen Land bezogen werden darf.
Auf der Grundlage ihrer ersten Rohstoffstrategie von 2010 beschloss die Bundesregierung bereits 2011 eine Kooperation mit der Mongolei, 2012 mit Kasachstan und 2014 mit Peru. 2013 unterschrieb sie außerdem gemeinsam mit Chile eine völkerrechtlich nicht bindende Absichtserklärung. Der Erfolg dieser Partnerschaften blieb aus Sicht verschiedener Akteure jedoch bereits damals hinter den Erwartungen zurück.
In einer Analyse des Thinktanks Adelphi im Auftrag des Umweltbundesamts von 2016 hieß es: “Es zeigte sich, dass ein einheitliches Instrument mit der gleichen bzw. einer sehr ähnlichen Zielsetzung für alle Partnerländer eine große Herausforderung bei der Umsetzung darstellt.” Das anfänglich große Interesse der deutschen Unternehmen hätte über die Jahre immer weiter abgenommen, unter anderem aufgrund von sinkenden Rohstoffpreisen. “So konnte die Politik nur flankieren, aber von den deutschen und partnerländischen Unternehmen keine Kooperationen einfordern.”
Heute, mehr als zehn Jahre später, beschreibt Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), eine sehr ähnliche Erfahrung: Seit der Corona-Krise und des Angriffs auf die Ukraine sei zwar das Bewusstsein wieder gewachsen, dass man in die Resilienz seiner Lieferketten investieren müsse. “Diese Bereitschaft droht wieder zu sinken, unter anderem durch einen klar durch China gesteuerten Preisverfall.” Das Problem seien die zyklischen Entwicklungen der Rohstoffpreise. “Vor zehn oder 15 Jahren hatten wir eine ähnliche Situation: Rohstoffe waren teuer, alle wurden zusammengetrommelt in der deutschen Rohstoffallianz”, erklärte Brantner im Gespräch mit Table.Briefings. “Dann gingen die Preise wieder runter und de facto wurde weiter in China gekauft.” So gehe es dann weiter – bis zur nächsten Krise.
Unter Brantners Ägide sollte das Instrument der Rohstoffpartnerschaften in dieser Legislaturperiode frischen Rückenwind erhalten. Im Eckpunktepapier zur Novellierung der Rohstoffstrategie formulierte das BMWK Anfang 2023 das Ziel, bi- und multilaterale Abkommen zur Rohstoffsicherung abzuschließen, insbesondere mit Ländern, die als “Wertepartner” für die Bundesregierung gelten.
Inzwischen bestehen enge Kooperationen mit Australien, Brasilien, Chile, Ghana und Kanada. Die dem BMWK untergeordnete Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe arbeitet mit geologischen Diensten wie der japanischen Rohstoffagentur JOGMEC. Auch die EU-Kommission hat diverse neue Rohstoffpartnerschaften abgeschlossen, neben Serbien zuletzt etwa mit Usbekistan, Argentinien, Namibia und der DR Kongo. Darüber hinaus bestehen multilaterale Kooperationen, etwa über das Minerals Security Partnership.
Die Kooperation zwischen dem deutschen Kupferkonzern Aurubis und dem staatlichen Bergbaukonzern Codelco in Chile bezeichnet Brantner als Erfolgsprojekt: Dort sei es den Regierungen gelungen, die Kooperation über eine umweltverträglichere Kupferweiterverarbeitung und gleichzeitig über die Abnahme der Zwischenprodukte zu flankieren. “Das ist eines der Projekte, wo ich sagen würde, da passiert etwas im gegenseitigen Interesse.“
In den meisten Partnerländern laufen die Investitionen deutscher Unternehmen jedoch kaum an. “Uns Deutschen stehen in den Partnerländern durchaus die Türen offen“, beschreibt Brantner ihre Erfahrung. Über eine Arbeitsgruppe zu kritischen Rohstoffen schicken etwa kanadische Ministerien detaillierte Informationen zu einzelnen Projekten; das BMWK spiele diese über die Verbände den deutschen Unternehmen zu. “Aber es ist dann natürlich eine Frage der Unternehmensentscheidung, ob man investiert und Off-take-Agreements abschließt und in Joint Ventures einsteigt.”
Hat der Druck, zu diversifizieren, inzwischen wieder nachgelassen? “Ja und Nein”, sagt Matthias Wachter, Abteilungsleiter für Internationale Zusammenarbeit und Rohstoffe beim BDI. “Die Sensibilität ist weiterhin hoch. Die Umsetzung gestaltet sich schwieriger und langwieriger, als viele Unternehmen es gehofft haben.” Zahlreiche Unternehmen hätten gesehen, wie kritisch solche Abhängigkeiten sich im Worst-Case-Szenario auswirken können, und arbeiteten daran, diese zu reduzieren. In der Praxis gestalte sich das Diversifizieren nicht ganz so einfach.
“Um sich Rohstoffe zu sichern, müssen Unternehmen am besten langfristig eng mit Minen kooperieren“, erklärt Wachter. Solche kapitalintensiven Vorhaben scheiterten jedoch oftmals an der Finanzierung. Viele Unternehmen könnten die Risiken nicht vollständig privatwirtschaftlich finanzieren und absichern. Deshalb sei wichtig, dass der geplante Rohstofffonds der Bundesregierung endlich komme, so Wachter. Auch der politische Kontext spiele eine Rolle: Viele Rohstoffe würden in politisch schwierigen Ländern gefördert, etwa Kobalt in der Demokratischen Republik Kongo. “Rahmenbedingungen wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erschweren zudem ein verstärktes Engagement in rohstoffreichen Entwicklungs- und Schwellenländern.”
Hinter den Rohstoffpartnerschaften stehe eine gute politische Absicht, sagt Wachter, sie hätten aber bisher nicht den erhofften Erfolg gebracht. Die Kooperationen schienen auf den ersten Blick wie ein “ziemlich gutes Match”: Rohstoffreiche Länder wollen ihre Rohstoffe verkaufen, und wir können Technologie und Infrastruktur einbringen. “Wie das dann im Detail aussieht, bleibt aber offen“, erklärt Wachter. Zudem seien in der Praxis die deutschen Unternehmen, die die Rohstoffe brauchen, oft nicht die gleichen Unternehmen, die Technologie und Infrastruktur liefern könnten.
Ähnlich lautet auch die Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung: Die bisherigen Partnerschaften zwischen der EU bzw. einzelnen Mitgliedstaaten und Drittländern würden überwiegend auf Absichtserklärungen beruhen. “Eine kontextspezifische Analyse scheint nicht ausreichend erfolgt zu sein”, heißt es in dem Papier von Mai 2024. Ebenso sei unklar, “ob und inwieweit Expertise von Vertreter_innen von Zivilge sellschaft,
Gewerkschaften und Wirtschaft eingeflossen ist.” Eine auf das jeweilige Land zugeschnittene Strategie sei erforderlich, die in Zusammenarbeit mit allen relevanten Stakeholdern, auch der Wirtschaft, entwickelt werde.
In ihren Empfehlungen nennen die Autorinnen unter anderem zwei Aspekte:
Die Zahl der Einträge ins EU-Transparenzregister ist seit Jahresanfang um 12 Prozent gestiegen. Bis Ende Juli hatten sich 1.378 Organisationen erstmals ins Lobbyregister der EU-Institutionen eingetragen. Das ergab eine Auswertung von Table.Briefings. Insgesamt sind aktuell demnach 12.811 Organisationen registriert. Zu den neuen Organisationen aus Deutschland zählen Unternehmen wie die Würth-Gruppe, der Energieversorger EWE, der Wärmepumpenhersteller Vaillant, die Molkerei Deutsches Milchkontor und die staatliche Mautgesellschaft Toll Collect.
Die Zahl der Lobbyisten in Brüssel wächst von Jahr zu Jahr. Erstaunlich ist aber, dass sich die Entwicklung zuletzt beschleunigt hat. Hatten sich von Januar bis Juli des vergangenen Jahres 1.128 Organisationen neu registriert, kamen in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres 1.378 neue hinzu. Das entspricht einem Anstieg um 22 Prozent.
Eine eindeutige Erklärung für die Zunahme haben Lobbywächter nicht. Möglich ist, dass die EU-Wahlen das Interesse an der europäischen Gesetzgebung haben steigen lassen. Allerdings könnte es auch sein, dass sich in jüngster Zeit bloß mehr Lobbyisten tatsächlich registrieren. Der relativ junge CO₂-Speicherverband CCS Europe zum Beispiel hat seine erste Pressemitteilung bereits im März 2023 verschickt, sich jedoch erst im Juli 2024 ins Transparenzregister eingetragen.
“Der Anstieg ist wohl darauf zurückzuführen, dass eine Registrierung notwendig ist, um sich zum Beispiel mit EU-Kommissaren zu treffen oder einen Zugangsausweis für das Europäische Parlament zu erhalten, und darauf auch immer mehr geachtet wird”, sagt Aurel Eschmann von LobbyControl.
“Genau deshalb wäre es auch wichtig, dass die Kommission die Verpflichtung, sich nur mit registrierten Lobbyisten zu treffen, auf all ihre Beamten ausweitet“, fordert Eschmann. “Allerdings können solche Instrumente zwar die Menge der Eintragungen erhöhen, jedoch nicht ihre Qualität. Leider werden die Angaben im Transparenzregister weiterhin kaum kontrolliert und Falschangaben haben fast nie Konsequenzen.” ber
Der Rat hat am Dienstag grünes Licht für Geld an Kiew aus der Ukraine-Fazilität der EU gegeben. Insgesamt knapp 4,2 Milliarden Euro sollen in der ersten regulären Zahlung in Form von Zuschüssen und Darlehen an die Ukraine fließen.
Mit den Finanzhilfen will die EU es dem ukrainischen Staat etwa ermöglichen, weiter Löhne und Renten zu zahlen. Zudem soll der Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und Notunterkünften für umgesiedelte Menschen garantiert werden. Darüber hinaus kann das Geld auch genutzt werden, um durch den russischen Angriffskrieg zerstörte Infrastruktur wiederherzustellen. Dazu gehören etwa Stromleitungen, Wassersysteme sowie Straßen und Brücken.
Die Ukraine habe die im Ukraine-Plan vorgesehenen notwendigen Bedingungen und Reformen erfüllt, um die Mittel zu erhalten, hieß es im Ratsbeschluss. Diese Bedingungen sahen unter anderem vor, dass die Regierung in Kiew mit neuen Gesetzen einen effektiveren Kampf gegen Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität ermöglicht. Zudem mussten Grundsätze für die Leitung staatseigener Unternehmen angepasst und ein nationaler Energie- und Klimaplan angenommen werden.
Die am 1. März 2024 in Kraft getretene Ukraine-Fazilität sieht bis zu 50 Milliarden Euro an Finanzierung in Form von Zuschüssen und Darlehen vor, um den Wiederaufbau und die Modernisierung der Ukraine für den Zeitraum 2024 bis 2027 zu unterstützen. Davon sind bis zu 32 Milliarden Euro zur Unterstützung der im Ukraine-Plan festgelegten Reformen und Investitionen vorgesehen. Die Ukraine muss dazu die vereinbarten Kriterien erfüllen.
Seit ihrem Inkrafttreten der Ukraine-Fazilität wurden bereits sechs Milliarden Euro als Überbrückungsfinanzierung und 1,89 Milliarden Euro als Vorfinanzierung ausgezahlt. Dafür hat die Ukraine ebenfalls Reformanstrengungen nachweisen müssen. lei/dpa
Klimawandel und anthropogene Einflüsse können die Grundwasserspiegel vor allem in Südwesteuropa zwar gefährden, jedoch sind die Vorräte wohl stabiler als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniertes internationales Forschungsteam. Dafür haben sie über 12.000 Grundwasserbrunnen in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien untersucht.
Die Daten zeigten, dass die Brunnen in Regionen mit gemäßigtem Klima und ganzjährig hohen Niederschlägen wie zum Beispiel in Nordfrankreich über mehrere Jahrzehnte hinweg stabil seien. In anderen Regionen wie etwa dem unteren Po-Einzugsgebiet bei Ravenna steige der Grundwasserspiegel sogar an.
In semiariden Regionen mit häufigen Dürreperioden und nur kurzzeitigen Niederschlägen sowie in gemäßigten Regionen mit großen Städten sinken dagegen die Grundwasserpegel. Mitentscheidend sei auch die intensive Landwirtschaft. “Die vier Mittelmeerländer sind für einen großen Teil der Obst-, Gemüse- und Getreideproduktion in der EU verantwortlich”, sagt UFZ-Hydrologe und Studienautor Seifeddine Jomaa. Das Grundwasser liefere zwischen 30 und 50 Prozent des Wassers, das für die Bewässerung in der Landwirtschaft, beispielsweise in Tarbes (Frankreich) und Medina del Campo (Spanien), eingesetzt werde.
Die Forscher empfehlen, in gefährdeten Regionen lokale Wassernutzervereinigungen zu gründen, um mit einer Kombination aus Monitoring, Fernerkundung und Wassernutzungsplänen den Rückgang des Grundwasserstands zu stoppen. Dies habe sich in anderen Regionen bewährt, in denen die Grundwasserspiegel schon seit vielen Jahrzehnten sinken, sagen die Forscherinnen und Forscher.
Auch Deutschland könne von den Erfahrungen in Südwesteuropa profitieren, sagt Seifeddine Jomaa. “Zum Beispiel, wie Grundwasser optimal genutzt werden kann, welche Bewässerungsmethoden in der Landwirtschaft wirksam sind, wie sich Stakeholder stärker engagieren lassen und welche Fehler in Zukunft vermieden werden können.” luk
Die US-Vizepräsidentin hat sich ihren Wunsch-Vizepräsidenten ausgesucht. Kamala Harris, Präsidentschaftsbewerberin der US-Demokraten, will mit Tim Walz an der Seite in den Wahlkampf gegen Donald Trump ziehen. Der Gouverneur des US-Bundesstaates Minnesota soll bei der Wahl im November weiße Wähler aus der Arbeiterschicht in wichtigen Swing States ansprechen, die in den letzten Jahren Trump unterstützt haben.
Der 60 Jahre alte Walz war politisch bereits in traditionell konservativen Regionen erfolgreich. Im Jahr 2006 gewann der ehemalige Highschool-Lehrer einen republikanischen Kongressbezirk in Minnesota, bevor er 2018 Gouverneur wurde. Sein schneller Aufstieg auf die nationale Bühne zeige auch die Macht der sozialen Medien, schrieb CNN: Walz’ jüngste Angriffe gegen die Republikaner – er nannte die Partei “seltsam” – gingen viral. Wegen seiner jovialen Haltung wird er von Anhängern aber auch “Midwestern Dad” genannt. Walz sah sich Angriffen von Trump und anderen Republikanern ausgesetzt, die ihm vorwarfen, zu liberal zu sein. Trump nannte ihn einen “Möchtegern-Westküstenpolitiker”.
Was die Außenpolitik angeht, dürfte Walz auf der Seite von Harris und Präsident Joe Biden stehen. Er war nach dem Anschlag vom 11. September 2001 als Soldat sieben Monate in Italien stationiert und hat sich danach in den USA für die Belange von Veteranen eingesetzt. Kürzlich sagte er, der Rest der Welt brauche die USA. Die Republikaner seien auf einem isolationistischen Kurs: “Diese Typen werfen unsere Nato-Verbündeten vor den Bus.” Kurz nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 unterzeichnete Walz ein Gesetz, das staatliche Investitionen Minnesotas in Russland untersagt.
Harris hat zwar die Chancen der Demokraten auf den Einzug ins Weiße Haus wiederbelebt. Jüngste Umfragen zeigen, dass Harris den Rückstand von Joe Biden in den Umfragen aufgeholt hat und nun gleichauf mit Trump liegt. Doch die Entscheidung für Walz als Vizepräsidentschaftskandidat könnte möglicherweise nicht wahlentscheidend sein. Traditionell füllen Vize-Kandidaten programmatische Lücken der eigentlichen Präsidentschaftsbewerber, sollen diese aber im Wahlkampf vor allem gut aussehen lassen.
Die US-Medien loben Harris für die Nominierung von Walz. Die Washington Post spricht von einer großartigen Entscheidung und sieht in Walz einen aufgeweckten Kandidaten, der frischen Wind in die eigentlich so homogenen demokratischen Reihen bringen kann. Das Wall Street Journal sieht in Walz einen Bündnispartner, der sich in den besonders umkämpften Bundesstaaten Michigan und Wisconsin als nützlich herausstellen könnte. Und die New York Times berichten von einer geschickten Auswahl, denn Walz spreche aufgrund seiner nicht elitären Lebensgeschichte auch die Wähler in ländlichen Gebieten an.
Auch die den Republikanern nahestehenden Fox News halten den ehemaligen Lehrer als clevere Wahl, weil er in der innerhalb der einflussreichen Lehrer-Gewerkschaften populär ist. Außerdem gehört zu den höchst-dekorierten Veteranen im Kongress und wird als Football-Trainer respektiert. Und dann, so heißt es bei Fox, sei der Mann aus Minnesota auch noch frei von Skandalen und durch seine zugewandte und moderierende Art so etwas wie die sicherste Bank für Harris. Von J.D. Capelouto und Arthur Fiedler
J.D. Capelouto ist Reporter der News-Website Semafor in New York. Im Rahmen des Arthur F. Burns-Austauschprogramms für Journalisten arbeitet er bis Ende September bei Table.Briefings.
Am 17. Juli berichtete Table.Briefings über ein Positionspapier mit der Forderung, den EU-Verbrenner-Kompromiss für 2035 zu kippen. Leider halten die Ergebnisse der Autor:innen um Verbrenner-Experte Thomas Koch einem kritischen Blick nicht stand.
Koch und seine Kolleg:innen argumentieren, dass die Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen eigentlich viel höher seien, als von Wissenschaft und EU angenommen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, nimmt Kochs Team zwei unzulässige Vereinfachungen vor. Zum einen suggeriert Kochs Gruppe, dass die zusätzliche Stromnachfrage für Produktion und Betrieb von E-Autos mit fossilen Brennstoffen bedient werden wird. Zum anderen offenbaren die Autor:innen des Positionspapiers mangelndes Verständnis der Funktionsweise und des Zusammenspiels verschiedener Teile der EU-Klima-Regulatorik.
Zur Berechnung der CO₂-Emissionen des verwendeten Stroms nutzt das Positionspapier einen sogenannten Marginalansatz. Dieser Ansatz geht davon aus, dass für jedes E-Auto, das gebaut oder geladen wird, ein Kohle- oder Gaskraftwerk zusätzlichen Strom erzeugt. Diese Annahme ist irreführend, weil sie die bereits stattfindende Energiewende und Planungen der Stromindustrie unterschlägt.
Tatsächlich planen Netzbetreiber und Energieanbieter bereits heute die zu erwartende Stromnachfrage durch E-Autos ein (siehe z. B. ENTSOE-Energiebedarfsprognose). Dadurch wird der Ausbau der erneuerbaren Energien so dimensioniert, dass die Kraftwerkskapazitäten den von der E-Auto-Flotte benötigten Strom liefern können. Darüber hinaus laden E-Autos oft zu Zeiten, an denen sehr viel erneuerbarer Strom im Netz ist (z. B. nachts oder in den Mittagsstunden am Arbeitsplatz). Dieses netzdienliche Laden wird in Zukunft durch innovatives Lade- und Netzmanagement noch verbessert werden.
Statt des von Kochs Gruppe verwendeten Marginalansatzes, sollte der durchschnittliche Strommix eines Landes oder einer Region verwendet werden, um die Emissionsintensität von Produktion und Betrieb eines E-Autos zu berechnen.
Mit dieser Methode zeigen die Modellierungen von T&E, dass ein mittelgroßes E-Auto, das mit dem durchschnittlichen EU-Strom-Mix produziert und aufgeladen wurde, über die gesamte Lebenszeit 75 gCO2/km emittieren würde, falls es 2022 gekauft wurde, und 46 gCO2/km, falls es 2030 gekauft wird. Studien des ICCT und der IEA kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die im Positionspapier berechneten Werte von 157 gCO2/km liegen also um ein Vielfaches daneben.
Neben diesen falschen Berechnungsgrundlagen weist das Positionspapier einen schwerwiegenden Fehler im Verständnis der Regulierungs-Logik der EU-Klimagesetzgebung auf. Das Papier suggeriert, dass die “realen” Emissionen von E-Autos deutlich höher seien, weil lediglich die Emissionen am Auspuff der Fahrzeuge in die Berechnung einfließen. Da E-Autos beim Fahren selbst keine Emissionen verursachen, der produzierte Strom jedoch je nach Stromquelle schon, sei dies eine unzulässige Bevorteilung von E-Mobilität. Was auf den ersten Blick plausibel erscheint, unterschlägt, wie Klimaschutz in Europa funktioniert.
Die Methodik der von der EU beschlossenen Flottengrenzwerte berücksichtigt aus einem guten Grund nur die direkten Auspuffemissionen: Weil die Hersteller der Fahrzeuge Regulierungsgegenstand sind, kann nur reguliert werden, worauf die Autobauer selbst direkten Einfluss nehmen können. Emissionen aus vorgelagerten Sektoren wie der Stromerzeugung werden explizit durch andere Regulierungen adressiert (z. B. EU-Emissionshandel). Es ist gerade das Zusammenspiel verschiedener Regulierungen innerhalb des Green Deals, das sicherstellen soll, dass Europa das Ziel der CO₂-Neutralität erreicht.
Der EU-Verbrenner-Kompromiss für 2035 ist hierbei die wichtigste Maßnahme zur Senkung der Verkehrsemissionen. Wenn Europa seinen Spitzenplatz in der Automobilindustrie verteidigen will, braucht es Vorschläge, wie wir E-Mobilität made in Europe voranbringen und keine methodisch fragwürdigen Scheindebatten über die Verbrenner-Technologie der Vergangenheit.
Sebastian Bock ist Geschäftsführer beim Umweltdachverband Transport & Environment Deutschland
droht in Deutschland die Zwangsstilllegung von mehr als acht Millionen alter Diesel-Pkw? Ein anstehender EuGH-Entscheid könnte das unter Umständen mit sich bringen, behauptet Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Damit es so weit nicht kommt, hat die Autoindustrie jetzt einen Vorschlag vorgelegt, wie das juristisch vermieden werden könnte. Was dieser beinhaltet, analysiert Markus Grabitz.
Der Critical Raw Materials Act legt fest, dass bis 2030 nicht mehr als 65 Prozent eines kritischen Rohstoffs aus einem einzigen Land bezogen werden darf. Und auch in Deutschland sind in den vergangenen Jahren einige Kooperationen dazu vereinbart worden. Dennoch: Die Rohstoffpartnerschaften in der Wirtschaft kommen nicht so richtig in Schwung. In ihrer Analyse berichtet Leonie Düngefeld über die Ursachen – und wie sich das ändern könnte.
Lobbyisten gehören schon immer zu Brüssel dazu. Doch eine neue Auswertung von Table.Briefings zeigt: Die Zahl der registrierten Lobbygruppen ist seit Jahresbeginn noch einmal deutlich gestiegen. Die genauen Zahlen und Hintergründe lesen Sie bei Manuel Berkel.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag!
Es liegt ein Entwurf vor, mit dem die EU-Kommission für eine rechtliche “Klarstellung” bei den Messbedingungen von Schadstoffemissionen für ältere Dieselfahrzeuge sorgen könnte. Der Vorschlag stammt aus der Automobilwirtschaft. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte in einem Schreiben an die EU-Kommission Ende letzter Woche eine solche Klarstellung gefordert.
Ansonsten, so Wissings Befürchtung, könnte im Nachgang zu einem EuGH-Verfahren gegen den Hersteller Mercedes-Benz allein in Deutschland die “Außerbetriebsetzung” von 8,2 Millionen von älteren Dieselfahrzeugen drohen. In der gesamten EU wäre ein Vielfaches von Fahrzeugen betroffen. 2017 waren EU-weit rund 250 Millionen Pkw der betroffenen Schadstoffklassen zugelassen.
Nach Informationen von Table.Briefings soll die rechtliche Klarstellung in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 erfolgen. Es soll dort festgehalten werden, dass die Hersteller die Schadstoffgrenzwerte ausschließlich im Rahmen der seinerzeit festgelegten Prüfverfahren einhalten müssen. Dafür soll folgender Zusatz in den Gesetzestext eingefügt werden: …“in den in diesen Durchführungsmaßnahmen festgelegten Prüfverfahren”. Damit soll verhindert werden, dass durch ein mögliches EuGH-Urteil nachträglich neue, schärfere und von den Autos nicht erfüllbare Messverfahren eingeführt werden.
Hintergrund ist, dass ein Verfahrensvertreter des juristischen Dienstes der EU-Kommission am 10. Juli in einem EuGH-Termin die Auffassung vertreten hat, auch die älteren Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro IV, V und teilweise VI müssten in allen Fahrsituationen die Schadstoffgrenzwerte einhalten. Bislang müssen diese Fahrzeuge die Grenzwerte nur auf dem Rollenprüfstand einhalten. Experten gehen davon aus, dass die Grenzwerte etwa bei Stickstoffdioxid bei Testverfahren im realen Fahrbetrieb (RDE) unter keinen Umständen einzuhalten sind.
Die Antwort, die Industriekommissar Thierry Breton am Wochenende in der Sache an Wissing geschickt hat, hat die Bedenken der Hersteller und Wissings keineswegs zerstreut. Breton hatte die Warnung von Wissing, Millionen von Euro-V- und Euro-VI-Fahrzeugen allein in Deutschland könne die Außerbetriebsetzung drohen, als “irreführend” bezeichnet.
Die Kommission habe, so Breton in dem Schreiben weiter, nicht die Absicht, “rückwirkende Änderungen vorzunehmen, den Automobilherstellern zusätzlichen Verwaltungsaufwand oder zusätzliche Anforderungen aufzuerlegen oder Maßnahmen zu ergreifen oder zu fördern, die Bürger, die Autos in gutem Glauben gekauft haben, in irgendeiner Weise benachteiligen würden”.
Die Zeit für die von Wissing geforderte rechtliche Klarstellung drängt. Am 21. November will der Generalanwalt des EuGH, Athanasios Rantos, in der Sache eine Stellungnahme abgeben. Mit dem Urteil wird Anfang 2025 gerechnet. In der Industrie heißt es, Rantos sei kritisch gegenüber den Herstellern eingestellt.
Wie in Brüssel zu hören ist, will die Kommission die von Wissing geforderte rechtliche “Klarstellung” nicht anstoßen. Es wird auf das anstehende EuGH-Urteil verwiesen. Zudem habe die Vorgängerin von Breton, Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska, bereits 2016 auf die schriftliche Frage eines Europaabgeordneten hin eine Klarstellung gegeben: “Es ist zu beachten, dass nach dieser Definition die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte unter ‘normalen Betriebsbedingungen’ nicht bedeutet, dass sie zu jedem Zeitpunkt und unter allen Umständen eingehalten werden (dies wäre technisch nicht möglich). Es bedeutet, dass die Grenzwerte im Durchschnitt eingehalten werden, wobei ein möglichst breites Spektrum von Fahrbedingungen abgedeckt wird, die in der Realität auftreten können.”
Unter Juristen sind die Folgen eines möglichen Urteils, das nachträglich neue Testverfahren für längst gebaute Autos ermöglichen könnte, umstritten. Im deutschen Recht gebe es den Grundsatz des Rückwirkungsverbots, heißt es bei Juristen von Branchenvertretern. Dies gebe Verbrauchern und Unternehmen Rechtssicherheit. Sie könnten nicht nachträglich durch staatliches Handeln schlechter gestellt werden. Ob dieses Rückwirkungsverbot allerdings in allen EU-Staaten gilt, das ist nicht klar.
Unklar ist zudem, wer die Folgen eines EuGH-Urteils zu tragen hätte. Wären es die Halter der Fahrzeuge, für die es dann möglicherweise keine Typgenehmigung mehr gäbe, oder die Hersteller, die dafür haften, dass ihre Fahrzeuge die Schadstoffregulierung einhalten? Eine Befürchtung ist, dass Umweltorganisationen nach einem entsprechenden EuGH-Urteil neue Klagen initiieren.
In dem konkreten Fall hat ein Messgerätehersteller vor dem Landgericht Duisburg gegen die Mercedes-Benz-Gruppe geklagt. Der Vorwurf lautet, dass der Hersteller bei seinen Fahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen verbaut habe. Das Duisburger Gericht hat den Fall zur Klärung an den EuGH abgegeben.
Deutsche Unternehmen haben bisher weniger in Rohstoffprojekte in Partnerländern investiert, als die Bundesregierung es sich von den strategischen Kooperationen erhofft hatte. Die Dringlichkeit, die Rohstoffimporte zu diversifizieren, sei in den vergangenen zwei Jahren wieder enorm gesunken, erfuhr Table.Briefings von Insidern.
Für die Transformation ihrer Wirtschaft müssen sich Deutschland und die EU kritische Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel sichern. Zwar soll auch der heimische Abbau und die Weiterverarbeitung hierzulande gestärkt werden. Doch den größten Teil der Rohstoffe und Zwischenprodukte müssen sie weiterhin importieren. Über Partnerschaften und andere Formen der Kooperation mit gleichgesinnten Ländern versuchen Bundesregierung und EU-Kommission, die Abhängigkeit insbesondere von China zu reduzieren, das in wichtigen Teilen der Wertschöpfungsketten beinahe eine Monopolstellung hat. Der EU Critical Raw Materials Act legt fest, dass bis 2030 nicht mehr als 65 Prozent eines kritischen Rohstoffs aus einem einzigen Land bezogen werden darf.
Auf der Grundlage ihrer ersten Rohstoffstrategie von 2010 beschloss die Bundesregierung bereits 2011 eine Kooperation mit der Mongolei, 2012 mit Kasachstan und 2014 mit Peru. 2013 unterschrieb sie außerdem gemeinsam mit Chile eine völkerrechtlich nicht bindende Absichtserklärung. Der Erfolg dieser Partnerschaften blieb aus Sicht verschiedener Akteure jedoch bereits damals hinter den Erwartungen zurück.
In einer Analyse des Thinktanks Adelphi im Auftrag des Umweltbundesamts von 2016 hieß es: “Es zeigte sich, dass ein einheitliches Instrument mit der gleichen bzw. einer sehr ähnlichen Zielsetzung für alle Partnerländer eine große Herausforderung bei der Umsetzung darstellt.” Das anfänglich große Interesse der deutschen Unternehmen hätte über die Jahre immer weiter abgenommen, unter anderem aufgrund von sinkenden Rohstoffpreisen. “So konnte die Politik nur flankieren, aber von den deutschen und partnerländischen Unternehmen keine Kooperationen einfordern.”
Heute, mehr als zehn Jahre später, beschreibt Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), eine sehr ähnliche Erfahrung: Seit der Corona-Krise und des Angriffs auf die Ukraine sei zwar das Bewusstsein wieder gewachsen, dass man in die Resilienz seiner Lieferketten investieren müsse. “Diese Bereitschaft droht wieder zu sinken, unter anderem durch einen klar durch China gesteuerten Preisverfall.” Das Problem seien die zyklischen Entwicklungen der Rohstoffpreise. “Vor zehn oder 15 Jahren hatten wir eine ähnliche Situation: Rohstoffe waren teuer, alle wurden zusammengetrommelt in der deutschen Rohstoffallianz”, erklärte Brantner im Gespräch mit Table.Briefings. “Dann gingen die Preise wieder runter und de facto wurde weiter in China gekauft.” So gehe es dann weiter – bis zur nächsten Krise.
Unter Brantners Ägide sollte das Instrument der Rohstoffpartnerschaften in dieser Legislaturperiode frischen Rückenwind erhalten. Im Eckpunktepapier zur Novellierung der Rohstoffstrategie formulierte das BMWK Anfang 2023 das Ziel, bi- und multilaterale Abkommen zur Rohstoffsicherung abzuschließen, insbesondere mit Ländern, die als “Wertepartner” für die Bundesregierung gelten.
Inzwischen bestehen enge Kooperationen mit Australien, Brasilien, Chile, Ghana und Kanada. Die dem BMWK untergeordnete Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe arbeitet mit geologischen Diensten wie der japanischen Rohstoffagentur JOGMEC. Auch die EU-Kommission hat diverse neue Rohstoffpartnerschaften abgeschlossen, neben Serbien zuletzt etwa mit Usbekistan, Argentinien, Namibia und der DR Kongo. Darüber hinaus bestehen multilaterale Kooperationen, etwa über das Minerals Security Partnership.
Die Kooperation zwischen dem deutschen Kupferkonzern Aurubis und dem staatlichen Bergbaukonzern Codelco in Chile bezeichnet Brantner als Erfolgsprojekt: Dort sei es den Regierungen gelungen, die Kooperation über eine umweltverträglichere Kupferweiterverarbeitung und gleichzeitig über die Abnahme der Zwischenprodukte zu flankieren. “Das ist eines der Projekte, wo ich sagen würde, da passiert etwas im gegenseitigen Interesse.“
In den meisten Partnerländern laufen die Investitionen deutscher Unternehmen jedoch kaum an. “Uns Deutschen stehen in den Partnerländern durchaus die Türen offen“, beschreibt Brantner ihre Erfahrung. Über eine Arbeitsgruppe zu kritischen Rohstoffen schicken etwa kanadische Ministerien detaillierte Informationen zu einzelnen Projekten; das BMWK spiele diese über die Verbände den deutschen Unternehmen zu. “Aber es ist dann natürlich eine Frage der Unternehmensentscheidung, ob man investiert und Off-take-Agreements abschließt und in Joint Ventures einsteigt.”
Hat der Druck, zu diversifizieren, inzwischen wieder nachgelassen? “Ja und Nein”, sagt Matthias Wachter, Abteilungsleiter für Internationale Zusammenarbeit und Rohstoffe beim BDI. “Die Sensibilität ist weiterhin hoch. Die Umsetzung gestaltet sich schwieriger und langwieriger, als viele Unternehmen es gehofft haben.” Zahlreiche Unternehmen hätten gesehen, wie kritisch solche Abhängigkeiten sich im Worst-Case-Szenario auswirken können, und arbeiteten daran, diese zu reduzieren. In der Praxis gestalte sich das Diversifizieren nicht ganz so einfach.
“Um sich Rohstoffe zu sichern, müssen Unternehmen am besten langfristig eng mit Minen kooperieren“, erklärt Wachter. Solche kapitalintensiven Vorhaben scheiterten jedoch oftmals an der Finanzierung. Viele Unternehmen könnten die Risiken nicht vollständig privatwirtschaftlich finanzieren und absichern. Deshalb sei wichtig, dass der geplante Rohstofffonds der Bundesregierung endlich komme, so Wachter. Auch der politische Kontext spiele eine Rolle: Viele Rohstoffe würden in politisch schwierigen Ländern gefördert, etwa Kobalt in der Demokratischen Republik Kongo. “Rahmenbedingungen wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erschweren zudem ein verstärktes Engagement in rohstoffreichen Entwicklungs- und Schwellenländern.”
Hinter den Rohstoffpartnerschaften stehe eine gute politische Absicht, sagt Wachter, sie hätten aber bisher nicht den erhofften Erfolg gebracht. Die Kooperationen schienen auf den ersten Blick wie ein “ziemlich gutes Match”: Rohstoffreiche Länder wollen ihre Rohstoffe verkaufen, und wir können Technologie und Infrastruktur einbringen. “Wie das dann im Detail aussieht, bleibt aber offen“, erklärt Wachter. Zudem seien in der Praxis die deutschen Unternehmen, die die Rohstoffe brauchen, oft nicht die gleichen Unternehmen, die Technologie und Infrastruktur liefern könnten.
Ähnlich lautet auch die Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung: Die bisherigen Partnerschaften zwischen der EU bzw. einzelnen Mitgliedstaaten und Drittländern würden überwiegend auf Absichtserklärungen beruhen. “Eine kontextspezifische Analyse scheint nicht ausreichend erfolgt zu sein”, heißt es in dem Papier von Mai 2024. Ebenso sei unklar, “ob und inwieweit Expertise von Vertreter_innen von Zivilge sellschaft,
Gewerkschaften und Wirtschaft eingeflossen ist.” Eine auf das jeweilige Land zugeschnittene Strategie sei erforderlich, die in Zusammenarbeit mit allen relevanten Stakeholdern, auch der Wirtschaft, entwickelt werde.
In ihren Empfehlungen nennen die Autorinnen unter anderem zwei Aspekte:
Die Zahl der Einträge ins EU-Transparenzregister ist seit Jahresanfang um 12 Prozent gestiegen. Bis Ende Juli hatten sich 1.378 Organisationen erstmals ins Lobbyregister der EU-Institutionen eingetragen. Das ergab eine Auswertung von Table.Briefings. Insgesamt sind aktuell demnach 12.811 Organisationen registriert. Zu den neuen Organisationen aus Deutschland zählen Unternehmen wie die Würth-Gruppe, der Energieversorger EWE, der Wärmepumpenhersteller Vaillant, die Molkerei Deutsches Milchkontor und die staatliche Mautgesellschaft Toll Collect.
Die Zahl der Lobbyisten in Brüssel wächst von Jahr zu Jahr. Erstaunlich ist aber, dass sich die Entwicklung zuletzt beschleunigt hat. Hatten sich von Januar bis Juli des vergangenen Jahres 1.128 Organisationen neu registriert, kamen in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres 1.378 neue hinzu. Das entspricht einem Anstieg um 22 Prozent.
Eine eindeutige Erklärung für die Zunahme haben Lobbywächter nicht. Möglich ist, dass die EU-Wahlen das Interesse an der europäischen Gesetzgebung haben steigen lassen. Allerdings könnte es auch sein, dass sich in jüngster Zeit bloß mehr Lobbyisten tatsächlich registrieren. Der relativ junge CO₂-Speicherverband CCS Europe zum Beispiel hat seine erste Pressemitteilung bereits im März 2023 verschickt, sich jedoch erst im Juli 2024 ins Transparenzregister eingetragen.
“Der Anstieg ist wohl darauf zurückzuführen, dass eine Registrierung notwendig ist, um sich zum Beispiel mit EU-Kommissaren zu treffen oder einen Zugangsausweis für das Europäische Parlament zu erhalten, und darauf auch immer mehr geachtet wird”, sagt Aurel Eschmann von LobbyControl.
“Genau deshalb wäre es auch wichtig, dass die Kommission die Verpflichtung, sich nur mit registrierten Lobbyisten zu treffen, auf all ihre Beamten ausweitet“, fordert Eschmann. “Allerdings können solche Instrumente zwar die Menge der Eintragungen erhöhen, jedoch nicht ihre Qualität. Leider werden die Angaben im Transparenzregister weiterhin kaum kontrolliert und Falschangaben haben fast nie Konsequenzen.” ber
Der Rat hat am Dienstag grünes Licht für Geld an Kiew aus der Ukraine-Fazilität der EU gegeben. Insgesamt knapp 4,2 Milliarden Euro sollen in der ersten regulären Zahlung in Form von Zuschüssen und Darlehen an die Ukraine fließen.
Mit den Finanzhilfen will die EU es dem ukrainischen Staat etwa ermöglichen, weiter Löhne und Renten zu zahlen. Zudem soll der Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und Notunterkünften für umgesiedelte Menschen garantiert werden. Darüber hinaus kann das Geld auch genutzt werden, um durch den russischen Angriffskrieg zerstörte Infrastruktur wiederherzustellen. Dazu gehören etwa Stromleitungen, Wassersysteme sowie Straßen und Brücken.
Die Ukraine habe die im Ukraine-Plan vorgesehenen notwendigen Bedingungen und Reformen erfüllt, um die Mittel zu erhalten, hieß es im Ratsbeschluss. Diese Bedingungen sahen unter anderem vor, dass die Regierung in Kiew mit neuen Gesetzen einen effektiveren Kampf gegen Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität ermöglicht. Zudem mussten Grundsätze für die Leitung staatseigener Unternehmen angepasst und ein nationaler Energie- und Klimaplan angenommen werden.
Die am 1. März 2024 in Kraft getretene Ukraine-Fazilität sieht bis zu 50 Milliarden Euro an Finanzierung in Form von Zuschüssen und Darlehen vor, um den Wiederaufbau und die Modernisierung der Ukraine für den Zeitraum 2024 bis 2027 zu unterstützen. Davon sind bis zu 32 Milliarden Euro zur Unterstützung der im Ukraine-Plan festgelegten Reformen und Investitionen vorgesehen. Die Ukraine muss dazu die vereinbarten Kriterien erfüllen.
Seit ihrem Inkrafttreten der Ukraine-Fazilität wurden bereits sechs Milliarden Euro als Überbrückungsfinanzierung und 1,89 Milliarden Euro als Vorfinanzierung ausgezahlt. Dafür hat die Ukraine ebenfalls Reformanstrengungen nachweisen müssen. lei/dpa
Klimawandel und anthropogene Einflüsse können die Grundwasserspiegel vor allem in Südwesteuropa zwar gefährden, jedoch sind die Vorräte wohl stabiler als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniertes internationales Forschungsteam. Dafür haben sie über 12.000 Grundwasserbrunnen in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien untersucht.
Die Daten zeigten, dass die Brunnen in Regionen mit gemäßigtem Klima und ganzjährig hohen Niederschlägen wie zum Beispiel in Nordfrankreich über mehrere Jahrzehnte hinweg stabil seien. In anderen Regionen wie etwa dem unteren Po-Einzugsgebiet bei Ravenna steige der Grundwasserspiegel sogar an.
In semiariden Regionen mit häufigen Dürreperioden und nur kurzzeitigen Niederschlägen sowie in gemäßigten Regionen mit großen Städten sinken dagegen die Grundwasserpegel. Mitentscheidend sei auch die intensive Landwirtschaft. “Die vier Mittelmeerländer sind für einen großen Teil der Obst-, Gemüse- und Getreideproduktion in der EU verantwortlich”, sagt UFZ-Hydrologe und Studienautor Seifeddine Jomaa. Das Grundwasser liefere zwischen 30 und 50 Prozent des Wassers, das für die Bewässerung in der Landwirtschaft, beispielsweise in Tarbes (Frankreich) und Medina del Campo (Spanien), eingesetzt werde.
Die Forscher empfehlen, in gefährdeten Regionen lokale Wassernutzervereinigungen zu gründen, um mit einer Kombination aus Monitoring, Fernerkundung und Wassernutzungsplänen den Rückgang des Grundwasserstands zu stoppen. Dies habe sich in anderen Regionen bewährt, in denen die Grundwasserspiegel schon seit vielen Jahrzehnten sinken, sagen die Forscherinnen und Forscher.
Auch Deutschland könne von den Erfahrungen in Südwesteuropa profitieren, sagt Seifeddine Jomaa. “Zum Beispiel, wie Grundwasser optimal genutzt werden kann, welche Bewässerungsmethoden in der Landwirtschaft wirksam sind, wie sich Stakeholder stärker engagieren lassen und welche Fehler in Zukunft vermieden werden können.” luk
Die US-Vizepräsidentin hat sich ihren Wunsch-Vizepräsidenten ausgesucht. Kamala Harris, Präsidentschaftsbewerberin der US-Demokraten, will mit Tim Walz an der Seite in den Wahlkampf gegen Donald Trump ziehen. Der Gouverneur des US-Bundesstaates Minnesota soll bei der Wahl im November weiße Wähler aus der Arbeiterschicht in wichtigen Swing States ansprechen, die in den letzten Jahren Trump unterstützt haben.
Der 60 Jahre alte Walz war politisch bereits in traditionell konservativen Regionen erfolgreich. Im Jahr 2006 gewann der ehemalige Highschool-Lehrer einen republikanischen Kongressbezirk in Minnesota, bevor er 2018 Gouverneur wurde. Sein schneller Aufstieg auf die nationale Bühne zeige auch die Macht der sozialen Medien, schrieb CNN: Walz’ jüngste Angriffe gegen die Republikaner – er nannte die Partei “seltsam” – gingen viral. Wegen seiner jovialen Haltung wird er von Anhängern aber auch “Midwestern Dad” genannt. Walz sah sich Angriffen von Trump und anderen Republikanern ausgesetzt, die ihm vorwarfen, zu liberal zu sein. Trump nannte ihn einen “Möchtegern-Westküstenpolitiker”.
Was die Außenpolitik angeht, dürfte Walz auf der Seite von Harris und Präsident Joe Biden stehen. Er war nach dem Anschlag vom 11. September 2001 als Soldat sieben Monate in Italien stationiert und hat sich danach in den USA für die Belange von Veteranen eingesetzt. Kürzlich sagte er, der Rest der Welt brauche die USA. Die Republikaner seien auf einem isolationistischen Kurs: “Diese Typen werfen unsere Nato-Verbündeten vor den Bus.” Kurz nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 unterzeichnete Walz ein Gesetz, das staatliche Investitionen Minnesotas in Russland untersagt.
Harris hat zwar die Chancen der Demokraten auf den Einzug ins Weiße Haus wiederbelebt. Jüngste Umfragen zeigen, dass Harris den Rückstand von Joe Biden in den Umfragen aufgeholt hat und nun gleichauf mit Trump liegt. Doch die Entscheidung für Walz als Vizepräsidentschaftskandidat könnte möglicherweise nicht wahlentscheidend sein. Traditionell füllen Vize-Kandidaten programmatische Lücken der eigentlichen Präsidentschaftsbewerber, sollen diese aber im Wahlkampf vor allem gut aussehen lassen.
Die US-Medien loben Harris für die Nominierung von Walz. Die Washington Post spricht von einer großartigen Entscheidung und sieht in Walz einen aufgeweckten Kandidaten, der frischen Wind in die eigentlich so homogenen demokratischen Reihen bringen kann. Das Wall Street Journal sieht in Walz einen Bündnispartner, der sich in den besonders umkämpften Bundesstaaten Michigan und Wisconsin als nützlich herausstellen könnte. Und die New York Times berichten von einer geschickten Auswahl, denn Walz spreche aufgrund seiner nicht elitären Lebensgeschichte auch die Wähler in ländlichen Gebieten an.
Auch die den Republikanern nahestehenden Fox News halten den ehemaligen Lehrer als clevere Wahl, weil er in der innerhalb der einflussreichen Lehrer-Gewerkschaften populär ist. Außerdem gehört zu den höchst-dekorierten Veteranen im Kongress und wird als Football-Trainer respektiert. Und dann, so heißt es bei Fox, sei der Mann aus Minnesota auch noch frei von Skandalen und durch seine zugewandte und moderierende Art so etwas wie die sicherste Bank für Harris. Von J.D. Capelouto und Arthur Fiedler
J.D. Capelouto ist Reporter der News-Website Semafor in New York. Im Rahmen des Arthur F. Burns-Austauschprogramms für Journalisten arbeitet er bis Ende September bei Table.Briefings.
Am 17. Juli berichtete Table.Briefings über ein Positionspapier mit der Forderung, den EU-Verbrenner-Kompromiss für 2035 zu kippen. Leider halten die Ergebnisse der Autor:innen um Verbrenner-Experte Thomas Koch einem kritischen Blick nicht stand.
Koch und seine Kolleg:innen argumentieren, dass die Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen eigentlich viel höher seien, als von Wissenschaft und EU angenommen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, nimmt Kochs Team zwei unzulässige Vereinfachungen vor. Zum einen suggeriert Kochs Gruppe, dass die zusätzliche Stromnachfrage für Produktion und Betrieb von E-Autos mit fossilen Brennstoffen bedient werden wird. Zum anderen offenbaren die Autor:innen des Positionspapiers mangelndes Verständnis der Funktionsweise und des Zusammenspiels verschiedener Teile der EU-Klima-Regulatorik.
Zur Berechnung der CO₂-Emissionen des verwendeten Stroms nutzt das Positionspapier einen sogenannten Marginalansatz. Dieser Ansatz geht davon aus, dass für jedes E-Auto, das gebaut oder geladen wird, ein Kohle- oder Gaskraftwerk zusätzlichen Strom erzeugt. Diese Annahme ist irreführend, weil sie die bereits stattfindende Energiewende und Planungen der Stromindustrie unterschlägt.
Tatsächlich planen Netzbetreiber und Energieanbieter bereits heute die zu erwartende Stromnachfrage durch E-Autos ein (siehe z. B. ENTSOE-Energiebedarfsprognose). Dadurch wird der Ausbau der erneuerbaren Energien so dimensioniert, dass die Kraftwerkskapazitäten den von der E-Auto-Flotte benötigten Strom liefern können. Darüber hinaus laden E-Autos oft zu Zeiten, an denen sehr viel erneuerbarer Strom im Netz ist (z. B. nachts oder in den Mittagsstunden am Arbeitsplatz). Dieses netzdienliche Laden wird in Zukunft durch innovatives Lade- und Netzmanagement noch verbessert werden.
Statt des von Kochs Gruppe verwendeten Marginalansatzes, sollte der durchschnittliche Strommix eines Landes oder einer Region verwendet werden, um die Emissionsintensität von Produktion und Betrieb eines E-Autos zu berechnen.
Mit dieser Methode zeigen die Modellierungen von T&E, dass ein mittelgroßes E-Auto, das mit dem durchschnittlichen EU-Strom-Mix produziert und aufgeladen wurde, über die gesamte Lebenszeit 75 gCO2/km emittieren würde, falls es 2022 gekauft wurde, und 46 gCO2/km, falls es 2030 gekauft wird. Studien des ICCT und der IEA kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die im Positionspapier berechneten Werte von 157 gCO2/km liegen also um ein Vielfaches daneben.
Neben diesen falschen Berechnungsgrundlagen weist das Positionspapier einen schwerwiegenden Fehler im Verständnis der Regulierungs-Logik der EU-Klimagesetzgebung auf. Das Papier suggeriert, dass die “realen” Emissionen von E-Autos deutlich höher seien, weil lediglich die Emissionen am Auspuff der Fahrzeuge in die Berechnung einfließen. Da E-Autos beim Fahren selbst keine Emissionen verursachen, der produzierte Strom jedoch je nach Stromquelle schon, sei dies eine unzulässige Bevorteilung von E-Mobilität. Was auf den ersten Blick plausibel erscheint, unterschlägt, wie Klimaschutz in Europa funktioniert.
Die Methodik der von der EU beschlossenen Flottengrenzwerte berücksichtigt aus einem guten Grund nur die direkten Auspuffemissionen: Weil die Hersteller der Fahrzeuge Regulierungsgegenstand sind, kann nur reguliert werden, worauf die Autobauer selbst direkten Einfluss nehmen können. Emissionen aus vorgelagerten Sektoren wie der Stromerzeugung werden explizit durch andere Regulierungen adressiert (z. B. EU-Emissionshandel). Es ist gerade das Zusammenspiel verschiedener Regulierungen innerhalb des Green Deals, das sicherstellen soll, dass Europa das Ziel der CO₂-Neutralität erreicht.
Der EU-Verbrenner-Kompromiss für 2035 ist hierbei die wichtigste Maßnahme zur Senkung der Verkehrsemissionen. Wenn Europa seinen Spitzenplatz in der Automobilindustrie verteidigen will, braucht es Vorschläge, wie wir E-Mobilität made in Europe voranbringen und keine methodisch fragwürdigen Scheindebatten über die Verbrenner-Technologie der Vergangenheit.
Sebastian Bock ist Geschäftsführer beim Umweltdachverband Transport & Environment Deutschland