es soll keine Generalkritik sein, heißt es. Ein wichtiger Hinweis, denn die Mitglieder der Nationalen Akademie der Wissenschaften halten sich mit Kritik nicht gerade zurück: Der Kabinettsentwurf für das Medizinforschungsgesetz, dessen erste Lesung am Donnerstag im Bundestag ansteht, sei nicht ausreichend. Die Leopoldina liefert in ihrer Ad-hoc-Stellungnahme direkt eine Art Mängelliste mit. Kritisiert wird auch der einseitige Einfluss des Bundesgesundheitsministeriums. Während viel Karl Lauterbach in dem Gesetz stecke, seien “auffällig wenig Akzente des Bundesforschungsministeriums zu erkennen”, heißt es. Was ist mit Bettina Stark-Watzinger? Mein Kollege Tim Gabel berichtet.
TU Berlin-Präsidentin Geraldine Rauch ist unter Druck. Wegen ihrer Likes von Tweets mit antisemitischem Inhalt und trotz einer Entschuldigung fordert die Berliner CDU ihren Rücktritt. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegener hält diesen für die einzige Lösung. Die TUB selbst will den Fall nun intern klären. Markus Weisskopf fasst die jüngsten Ereignisse zusammen.
Die Studentenproteste seien “Ausdruck einer beispiellosen Radikalisierung postkolonialistischen Denkens”, erklärte der Oldenburger Philosoph Ingo Elbe kürzlich in einem Interview mit der Zeit. Inmitten der Debatten über den Umgang mit Israel-Kritik an Universitäten und das weitere Schicksal der TU-Präsidentin entwickelt sich der Begriff offenbar zum Synonym für linksextreme, antisemitische Überzeugungen. Meine Kollegin Anne Brüning wollte mehr wissen und hat Historiker Jürgen Zimmerer befragt.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht,
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hält den Kabinettsentwurf für das Medizinforschungsgesetz für nicht weitgehend genug. Das neue Gesetz – dessen erste Lesung am Donnerstag im Bundestag ansteht – könne nur ein erster Schritt “zur Entwicklung einer Gesamtstrategie für den biomedizinischen Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland darstellen”. Das schreibt die Leopoldina in einer Ad-hoc-Stellungnahme, die am Montag veröffentlicht wurde.
Es seien deutlich umfassendere Maßnahmen notwendig, um einerseits die Forschung und Versorgung für Patienten besser zu verzahnen und andererseits die drohende Abwanderung exzellenter Wissenschaftler und pharmazeutischer Unternehmen zu verhindern, heißt es in dem Papier. Die Leopoldina hat der Bundesregierung eine Art Mängelliste mitgeliefert. Aus Sicht der Experten wären folgende Punkte zentral, um eine Gesamtstrategie für die Stärkung der biomedizinischen Forschung in Deutschland zu erarbeiten:
“Grundsätzlich wird durch das, was im jetzigen Entwurf steht, bereits vieles vereinfacht und harmonisiert, was in den letzten Jahrzehnten dazu geführt hat, dass die klinische Forschung vielfach um Deutschland herum stattgefunden hat”, sagt Stefan Pfister, Leopoldina-Experte und Direktor des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ) im Gespräch mit Table.Briefings. Das betreffe vor allem die Veröffentlichung von Muster- bzw. Standardvertragsklauseln sowie eine bessere Koordination von Institutionen, Ethikkommissionen und Strahlenschutzbehörden.
Das Leopoldina-Papier sei dementsprechend auch nicht als Generalkritik zu verstehen. “Wir haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass neue Gesetze nicht sofort wieder angepackt werden, wenn sie einmal verhandelt sind. Die Bedarfe, die wir formuliert haben, können aber nicht weitere ein oder zwei Legislaturperioden liegen bleiben, wenn die klinische Forschung in Deutschland wieder wettbewerbsfähig werden soll”, sagt Stefan Pfister. Es seien auffällig wenig Akzente des Bundesforschungsministeriums zu erkennen, die in eine Gesamtstrategie aber dringend integriert werden müssen, sagt Pfister.
Verpasst habe der Gesetzgeber etwa, die Rahmenbedingungen im Bereich Translation und Transfer zu prüfen, die dafür verantwortlich sind, ob Innovationen zügig bei den Patienten ankommen. “Wir sind bei der wirtschaftlichen und medizinischen Verwertung von Innovationen global gesehen höchstens im Mittelfeld, obwohl wir bei den Innovationen immer noch in der Spitzengruppe liegen”, sagt Pfister. Akademisch incentiviert sei in Deutschland die präklinische Proof-of-Concept-Studie einer neuen Therapieoption, für die man Applaus aus der Community bekomme. Für alle weiteren Schritte bis zur klinischen Studie, die eher “unsexy” seien, gebe es viel zu wenig Anreize. “Viele Initiativen sind zu regional, wenn wir die überregionalen Gesundheitszentren stärken wollen, braucht es nationale Transferanstrengungen.”
Auch mit Blick auf die sogenannten “Sonstigen Studien”, die nicht klinisch interventioneller Natur seien, greife das Gesetzesvorhaben zu kurz. Dabei gehe es zum Beispiel um neue diagnostische, endoskopische oder andere technologische Anwendungen, die aber nicht direkt einen therapeutischen Charakter haben. “Hier sind bislang gar keine Änderungen vorgesehen, sodass für diese Studien die Effizienzprobleme, etwa im Bereich der dezentral organisierten Ethikkommissionen bestehen bleiben”, sagt Pfister. Diese und weitere Punkte der Leopoldina Stellungnahme entsprechen auch den Statements der universitätsmedizinischen klinischen Forschung sowie der Initiative Studienstandort Deutschland.
Der umstrittenste Punkt im neuen Gesetzesvorhaben bleibt die Einführung einer neuen spezialisierten Ethikkommission auf Bundesebene. Zwar hatte die Bundesregierung nach Kritik von vielen Seiten entschieden, diese nicht als Bundesethikkommission auszugestalten, die über dem System steht – sie soll nun auch in den Arbeitskreis der bislang 49 Medizinischen Ethikkommissionen aufgenommen werden. Aber auch die Leopoldina bittet die Bundesregierung, die Notwendigkeit der Einrichtung einer zusätzlichen Ethikkommission auf Bundesebene noch einmal zu hinterfragen.
“Meine persönliche Meinung ist, dass eine solche Kommission gerade für komplexe Studiendesigns, mit denen sich regionale Ethikkommissionen nicht häufig beschäftigen, eine gute Expertise aufbauen könnte”, sagt Stefan Pfister. Insgesamt müsse aber die Harmonisierung, Vereinheitlichung und Vereinfachung des Vorgangs im Vordergrund stehen. Die Initiative Studienstandort Deutschland (ISD), die Bundesärztekammer und Organisationen der universitätsmedizinischen klinischen Forschung hatten sich in ihren Statements dafür ausgesprochen, im bestehenden System der registrierten Ethikkommissionen der Länder die vorhandene Fachkompetenz für besondere und komplexe Studientypen durch Spezialisierung zu bündeln.
Aus dem Bundesgesundheitsministerium gab es am Montag auf Anfrage von Table.Briefings keine Stellungnahme zum Leopoldina-Papier. Eine Sprecherin des Bundesforschungsministeriums sagte, das BMBF begrüße das MFG-Vorhaben und den im März im Kabinett beschlossenen Entwurf des MFG. Das zentrale Ziel sei, Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen zu vereinfachen, zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Als wesentliche Maßnahmen seien dazu die Einrichtung einer spezialisierten Ethikkommission für besondere Verfahren und eine Überarbeitung der Zulassungsverfahren der für die Zulassung von Arzneimitteln zuständigen Bundesoberbehörden BfArM und PEI geplant.
Deutschland nimmt bei der Pro-Kopf-Anzahl von klinischen Studien im europäischen Vergleich seit vielen Jahren einen hinteren Rang ein: Das EU Clinical Trial Register (EUCTR) weist für Deutschland mit Stand vom 8. Mai 2024 insgesamt 3.355 laufende klinische Studien zu Arzneimitteln aus, und damit 44 Studien pro eine Million Einwohner. Im Vergleich mit anderen wirtschaftlich starken Ländern (EU-15, ohne Großbritannien)
steht Deutschland auf dem letzten Platz.
Im Zuge der propalästinensischen Proteste an Hochschulen entwickelt sich der Begriff “Postkolonialismus” zum Synonym für linksextreme, antisemitische Überzeugungen. Der Oldenburger Philosoph Ingo Elbe wertete in einem Interview mit der Zeit die Studentenproteste als “Ausdruck einer beispiellosen Radikalisierung postkolonialistischen Denkens”. Auch in einer ZDF-Talkrunde bei Maybrit Illner brachten kürzlich gleich mehrere Gäste – etwa der Grünen-Politiker Omid Nouripour, der SZ-Journalist Ronen Steinke und der Psychologe Ahmad Mansour – Postkolonialismus in Zusammenhang mit Antisemitismus von Links. Mansour legte am Wochenende in einem FAZ-Gastbeitrag nach.
“Unberechtigt, undifferenziert und bedenklich” findet das der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer. Dass es immer salonfähiger wird, Postkolonialismus als Schreckensgebilde darzustellen, zeuge zum einen von Unkenntnis. “Es zeigt aber auch, dass der Kulturkampf, der aus einer bestimmten Richtung geführt wird und sich insbesondere gegen die Postcolonial und Gender Studies richtet, zunehmend wirkt”, sagt der Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg.
Eine Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff “Postkolonialismus” ist nach Ansicht von Zimmerer, dass meist unklar ist, was überhaupt gemeint ist. “Darunter subsummieren sich drei Bedeutungen, die leider im öffentlichen Diskurs ständig vermischt werden.”
Zwei Mythen halten sich besonders hartnäckig in der öffentlichen Debatte, sagt der Hamburger Historiker.
Der Kulturkampf mit dem Ziel, diese Forschungsansätze systematisch in Verruf zu bringen, ist auf den US-Amerikaner Christopher Rufo zurückzuführen, neurechter Stratege und Berater von Donald Trump und Ron DeSantis. Eine Woche nach den Anschlägen der Hamas am 7. Oktober 2023 erklärte Rufo seinen Followern auf der Plattform X: “Konservative müssen in den Köpfen der Öffentlichkeit eine starke Assoziation zwischen Hamas, Black Lives Matter, den amerikanischen Sozialdemokraten und der akademischen ‘Dekolonialisierung’ schaffen.”
Auf diese Taktik, “in einem Zug zu attackieren, zu delegitimieren und zu diskreditieren”, wies kürzlich auch Stefan Ouma, Professor für Wirtschaftsgeographie und Co-Direktor des Instituts für Afrikastudien an der Universität Bayreuth, in einem Beitrag für die taz hin. Rufos Strategie sei in den USA bereits bestens aufgegangen. Der Begriff “Postkolonialismus” könne beliebig zu Themen mit links-progressivem Bezug eingestreut werden, um einen Punkt gegen “woke” Eliten zu erzielen, schreibt er. Auch in Deutschland tappten selbst Stimmen, die sich als liberal verstehen, en masse in die Diskursfalle der Neuen Rechten.
Als Beispiel für ein “Zerrbild der postkolonialen Studien” führt Ouma einen vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit am 27. Oktober 2023 an alle Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz versendeten offenen Brief an. Darin warnt das Netzwerk vor dem vermeintlichen Versuch einer Dekolonisierung von Wissenschaft und Forschung.
Universitätsseminare über postkoloniale Theorie als Keimzellen der propalästinensischen Proteste zu sehen, greift aus Sicht des Hamburger Historikers Zimmerer zu kurz. “In der postkolonialen Theorie geht es gar nicht primär um Israel.” Zweierlei räumt er jedoch ein:
Zimmerer hält es für erforderlich, dass sich die postkoloniale Theorie selbstkritisch damit auseinandersetzt, wo sie rassistisch, antisemitisch oder diskriminierend ist. Sonst wachse die Gefahr, dass die Postcolonial Studies durch politische Äußerungen von bestimmten aktivistischen Akteuren unter Generalverdacht geraten.
Genauso notwendig sei es aber auch, die Wissenschaftsfreiheit gerade auch für emanzipatorische Bewegungen wie die Postcolonial und die Gender Studies zu verteidigen und die anti-postkoloniale Kampagne zu demaskieren. “Das ist eine Aufgabe, der sich auch politische und journalistische Akteur*innen stellen müssen.”
4. Juni 2024, 10 bis 15 Uhr, Villa Elisabeth, Invalidenstr. 3, 10115 Berlin
12. Nationaler MINT-Gipfel Krise als Chance: MINT-Kompetenzen für eine starke Gesellschaft Mehr
5. Juni 2024, 17:30 bis 19:00 Uhr, online
Web-Event des Deutschen Ethikrats Macht und Bilder: KI und politische Meinungsbildung Mehr
5. bis 7. Juni 2024, Berlin und online
Veranstaltung zur (digitalen) Zukunft der akademischen Bildung University Future Festival: “Tales of Tomorrow” Mehr
7. Juni 2024, 9:30 bis 18:00 Uhr, Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
Workshop der Leopoldina Überregulierung der Wissenschaft Mehr
12. Juni 2024, 16 bis 18 Uhr, Fraunhofer ENIQ, Berlin
Konferenz (Allianz der Wissenschaftsorganisationen) Ukraine: Research and Development for sustainable reconstruction – The examples of energy and agriculture Mehr
15. Juni 2024, Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt, 10117 Berlin
Leibniztag 2024 Festsitzung Mehr
TU Berlin-Präsidentin Geraldine Rauch steht weiterhin aufgrund ihrer Likes von Tweets mit antisemitischem Inhalt oder Ursprung in der Kritik. Trotz ihrer Entschuldigung fordert die Berliner CDU weiterhin ihren Rücktritt. Das bestätigte die Generalsekretärin der Berliner CDU, Ottilie Klein, am vergangenen Freitag. Kultursenator Joe Chialo verlangt Konsequenzen und der Regierende Bürgermeister Kai Wegener hält einen Rücktritt für unausweichlich.
Auch Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) forderte die TU Berlin zum Handeln auf. Diese und auch ihre Präsidentin müsse sich nun in ihren Gremien zur Sache verhalten. Die TU müsse klären, wie sie sich aufstellen könne, um Vertrauen in die Institution TU herzustellen. Für ein Eingreifen des Senats oder der Wissenschaftsverwaltung gebe es jedoch keine Rechtsgrundlage, betonte die Senatorin.
Die zuständigen Gremien der Hochschule werden ab dieser Woche über eine mögliche Abwahl der seit 2022 amtierenden TU-Präsidentin beraten. Dies kündigte TU-Kanzler Lars Oeverdieck im RBB-Inforadio an. Am morgigen Mittwoch wird sich der Akademische Senat mit dem Thema befassen. Dieser habe vor zwei Jahren die Präsidentin gewählt und wäre berechtigt, sie abzuwählen.
Für eine Abwahl bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Diese müsste dann mit dem gleichen Quorum im Erweiterten Senat und im Kuratorium der TU Berlin bestätigt werden. Das Kuratorium wird sich am Montag, 10. Juni, in einer Sondersitzung mit dem Thema beschäftigen.
Von Studierenden- und Bedienstetenseite erhielt Geraldine Rauch “kritische” Unterstützung. Der Asta hat ein Statement veröffentlicht, in dem er die Rücktrittsforderungen zurückweist. Gleichzeitig fordern die Studierenden, das Präsidium solle die Kritik der jüdischen Verbände ernst nehmen. Die aktuellen Probleme sollten allerdings innerhalb der Universität in der politischen Auseinandersetzung geklärt werden. “Ein autoritäres Reinregieren von außen wird die Gräben an den Hochschulen nur weiter aufreißen und diejenigen, die sich verloren fühlen, in die Arme von Populist*innen treiben, die sich auf Kosten jüdischer Studierender auf dem Campus profilieren wollen.”
Am gestrigen Montag wurde ein Brief von TUB-Bediensteten auf der Plattform X öffentlich, die sich “kritisch” hinter das TU-Präsidium stellen. Laut Informationen von Table.Briefings sind zu den ursprünglich 129 Unterzeichnern im Laufe des Montags weitere hinzugekommen. Wichtig sei den Unterzeichnenden, dass zwischen “berechtigter Kritik und ungerechtfertigter Hetze” unterschieden werde. Die Universität solle keinen Raum für Diffamierungen gegen einzelne Personen, insbesondere nicht durch rechte Netzwerke bieten. Gleichwohl könne die Entschuldigung von Geraldine Rauch nur ein erster Schritt für die Aufarbeitung sein. mw
Einige europäische Universitäten kündigten an, ihre Beziehungen zu Israel wegen der Militäraktion im Gazastreifen auszusetzen oder zu überprüfen. Dazu kommen immer neue Proteste und Campus-Besetzungen. Diese Entwicklung bedroht auch Israels Integration in das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe, aus dem es Hunderte von Millionen Euro erhalten hat.
Am 26. Mai kündigte die israelische Wissenschaftsministerin Gila Gamliel umgerechnet 22 Millionen Euro für einen Fonds zur Bekämpfung des Boykotts in Europa und anderswo an. Das Land werde gemeinsame Seminare, eine Kampagne der öffentlichen Diplomatie und sogar Schulungen für israelische Forscher finanzieren, wie man “in feindlichen Umgebungen agiert”, schrieb sie in der Jerusalem Post.
Und auch die EU reagiert. Nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs zur Offensive in Rafah, haben die EU-Außenminister eine Sitzung des Assoziationsrates einberufen. Dieser regelt die Beziehungen zwischen der EU und Israel. Die Entscheidung wurde auf einer Sitzung des EU-Rates für Auswärtige Angelegenheiten am 27. Mai getroffen. Sie könnte ein erster Schritt auf dem Weg zu Sanktionen der EU gegen Israel sein. “Zum ersten Mal habe ich bei einem EU-Treffen wirklich eine signifikante Diskussion über Sanktionen gesehen”, meinte der irische Außenminister Micheál Martin.
Der Assoziationsrat wird sich mit der Lage in Gaza befassen und mit der Frage, ob Israel die Menschenrechtsverpflichtungen erfüllt, die in seinem Assoziationsabkommen mit der EU verankert sind. Dort sind auch die Beziehungen in Wissenschaft und Technologie festgehalten. Wann der Rat zusammentreten wird und ob wissenschaftliche Sanktionen auf den Tisch kommen, ist allerdings noch unklar. David Matthews, Science Business, und mw
Marcus Altfeld ist neuer wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Virologie (LIV) in Hamburg. Er folgt auf Thomas Dobner, der sich aus dem Vorstand zurückzieht, aber noch bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2025 die LIV-Abteilung Virale Transformation leitet.
Peter Baum und seine Physik-Arbeitsgruppe an der Universität Konstanz erhalten den diesjährigen Helmholtzpreis im Bereich Grundlagenforschung. Es ist ihnen gelungen, die extrem schnellen Bewegungen von Atomen und Elektronen wie in einem Film abzulichten. Den Helmholtzpreis für angewandte Forschung erhalten die Teams um Bernhard Roth von der Leibniz Universität Hannover und Steffen Emmert von der Universitätsmedizin Rostock. Sie werden geehrt für ihre Innovationen bei der optischen Biopsie in der Hautkrebsdiagnostik. Die Helmholtzpreise werden alle zwei Jahre im Gebiet der Präzisionsmessungen in Physik, Chemie und Medizin verliehen und sind mit je 20.000 Euro dotiert.
Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin, wurde zur neuen Präsidentin der Allianz Circle U. gewählt. Zu Circle U. gehören neben der HU Berlin acht weitere europäische Universitäten, darunter das King’s College London, die Université Paris Cité und die Universität Wien. Von Blumenthal folgt auf Vincent Blondel, Rektor der UCLouvain in Belgien.
Maurie McInnis, derzeitige Präsidentin der Stony Brook University, soll zum 1. Juli neue Präsidentin der Yale University werden. Das meldet die Washington Post.
Sanaz Mostaghim ist neue Institutsleiterin des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI in Dresden. In ihrer Position wirkt sie gemeinsam mit dem langjährigen Institutsleiter Matthias Klingner, der noch bis Ende des Jahres die Geschäftsführung innehat. Mostaghim ist seit 2014 Universitätsprofessorin am Lehrstuhl für Computational Intelligence der Fakultät für Informatik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Gwendolyn Sasse ist vom BMBF in den Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) berufen worden. Sie ist wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin und Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Katharina Stummeyer hat das Amt der Administrativen Geschäftsführerin der GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH und der Facility for Antiproton and Ion Research in Europe GmbH (FAIR GmbH) übernommen. Sie war zuvor Leiterin des Projektträgers der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH.
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Berlin.Table. Verwaltungsmodernisierung: Fachleute fordern Aufbruch von Strukturen. Eine acatech-Studie zeigt, dass Deutschlands Verwaltung im europäischen Vergleich den höchsten Anteil an Juristen und wenige Beschäftigte mit Privatwirtschaftserfahrung hat, was die Innovationsfähigkeit hemmt. Die Autoren empfehlen, bei Ausschreibungen mehr auf Fachkompetenzen zu achten. Mehr
Bildung.Table. Abitur: Wie NRW seine Oberstufe reformiert. Mit einer weitreichenden Reform möchte das Schulministerium in NRW die gymnasiale Oberstufe “zukunftsfest” machen. Dabei sollen auch Entwicklungen im Bereich KI eine Rolle spielen. Mehr
China.Table. Tesla: Warum der US-Autobauer in China auf automatisiertes Fahren setzt. Tesla will Insidern zufolge seine Full Self Driving-Software (FSD) zum autonomen Fahren in China anmelden. Das würde dem E-Auto-Bauer eine neue Einnahmequelle eröffnen, nachdem die Verkäufe dort bis Ende April deutlich zurückgegangen sind. Mehr
Climate.Table. ExxonMobile: So kämpft der Ölkonzern gegen seine Klimaaktionäre. Bei der jährlichen Aktionärsversammlung von ExxonMobile kam es zur Machtprobe um die Klimapolitik des Ölkonzerns: Einige Aktionäre hatten auf mehr Klimaschutz gedrängt und waren deshalb vom Konzern verklagt worden. Jetzt bestätigte die Mehrheit der Anteilseigner den harten Kurs der Firmenspitze. Mehr
ESG.Table. Wieso Subventionen keine Garantie für den grünen Umbau sind. Mit sieben Milliarden Euro fördert der Staat die Dekarbonisierung der Stahl-Konzerne. Doch deren Bereitschaft, hierbei mitzuziehen, ist sehr unterschiedlich. Fraglich ist, ob alle Unternehmen die Fördermittel abrufen, zu denen sie in etwa die gleiche Summe aus Eigenmitteln auflegen müssen. Mehr
Europe.Table. Wirtschaftliche Sicherheit: Welchen Kurs die EU einschlägt. Das Thema wirtschaftliche Sicherheit wird im nächsten Mandat Bedeutung gewinnen. Doch Uneinigkeit zwischen Mitgliedstaaten und fehlende Kompetenzen in den Verwaltungen erschweren einen eigenständigen EU-Ansatz. Die Impulse werden weiterhin aus den USA kommen. Mehr
Sie lagen unter dem Schutt einer Mauer, wo sie im Mittelalter verloren oder versteckt wurden. Bei Grabungen in einer bislang unbekannten Burganlage im Landkreis Reutlingen in Baden-Württemberg kamen sie wieder ans Tageslicht: Teile einer mittelalterlichen Spielesammlung, darunter Spielsteine, ein Würfel und eine hervorragend erhaltene Springerfigur aus einem Schachspiel.
“Die Entdeckung einer ganzen Spielesammlung des 11./12. Jahrhunderts kam für uns völlig überraschend, und die Pferdefigur ist ein echtes Highlight”, sagt Lukas Werther vom Deutschen Archäologischen Institut. Typische Nutzungsspuren wiesen darauf hin, dass der Springer schon damals beim Zug angehoben wurde. Dies verweise auf eine erstaunliche Kontinuität der Spielregeln.
“Das Schachspiel zählte im Mittelalter zu den sieben Fähigkeiten, die ein guter Ritter beherrschen sollte. Insofern verwundert es nicht, dass bekannte Funde meist von Burganlagen stammen”, sagt Jonathan Scheschkewitz vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart.
Neben der Schachfigur wurden vier blütenförmige Spielsteine gefunden, außerdem ein Würfel, alle aus Geweih geschnitzt. Von der weiteren Auswertung der Funde erhoffen sich die Forscher Einblicke in die Spielewelt des mittelalterlichen Adels und die Wurzeln des europäischen Schachspiels.
Doch auch die Öffentlichkeit kann die Funde bestaunen. Schon jetzt kann man ihre 3D-Modelle online drehen und wenden, ab dem 13. September 2024 sind sie Teil der Landesausstellung “THE hidden LÄND – Wir im ersten Jahrtausend” im Kunstgebäude Stuttgart. Anne Brüning
es soll keine Generalkritik sein, heißt es. Ein wichtiger Hinweis, denn die Mitglieder der Nationalen Akademie der Wissenschaften halten sich mit Kritik nicht gerade zurück: Der Kabinettsentwurf für das Medizinforschungsgesetz, dessen erste Lesung am Donnerstag im Bundestag ansteht, sei nicht ausreichend. Die Leopoldina liefert in ihrer Ad-hoc-Stellungnahme direkt eine Art Mängelliste mit. Kritisiert wird auch der einseitige Einfluss des Bundesgesundheitsministeriums. Während viel Karl Lauterbach in dem Gesetz stecke, seien “auffällig wenig Akzente des Bundesforschungsministeriums zu erkennen”, heißt es. Was ist mit Bettina Stark-Watzinger? Mein Kollege Tim Gabel berichtet.
TU Berlin-Präsidentin Geraldine Rauch ist unter Druck. Wegen ihrer Likes von Tweets mit antisemitischem Inhalt und trotz einer Entschuldigung fordert die Berliner CDU ihren Rücktritt. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegener hält diesen für die einzige Lösung. Die TUB selbst will den Fall nun intern klären. Markus Weisskopf fasst die jüngsten Ereignisse zusammen.
Die Studentenproteste seien “Ausdruck einer beispiellosen Radikalisierung postkolonialistischen Denkens”, erklärte der Oldenburger Philosoph Ingo Elbe kürzlich in einem Interview mit der Zeit. Inmitten der Debatten über den Umgang mit Israel-Kritik an Universitäten und das weitere Schicksal der TU-Präsidentin entwickelt sich der Begriff offenbar zum Synonym für linksextreme, antisemitische Überzeugungen. Meine Kollegin Anne Brüning wollte mehr wissen und hat Historiker Jürgen Zimmerer befragt.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht,
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hält den Kabinettsentwurf für das Medizinforschungsgesetz für nicht weitgehend genug. Das neue Gesetz – dessen erste Lesung am Donnerstag im Bundestag ansteht – könne nur ein erster Schritt “zur Entwicklung einer Gesamtstrategie für den biomedizinischen Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland darstellen”. Das schreibt die Leopoldina in einer Ad-hoc-Stellungnahme, die am Montag veröffentlicht wurde.
Es seien deutlich umfassendere Maßnahmen notwendig, um einerseits die Forschung und Versorgung für Patienten besser zu verzahnen und andererseits die drohende Abwanderung exzellenter Wissenschaftler und pharmazeutischer Unternehmen zu verhindern, heißt es in dem Papier. Die Leopoldina hat der Bundesregierung eine Art Mängelliste mitgeliefert. Aus Sicht der Experten wären folgende Punkte zentral, um eine Gesamtstrategie für die Stärkung der biomedizinischen Forschung in Deutschland zu erarbeiten:
“Grundsätzlich wird durch das, was im jetzigen Entwurf steht, bereits vieles vereinfacht und harmonisiert, was in den letzten Jahrzehnten dazu geführt hat, dass die klinische Forschung vielfach um Deutschland herum stattgefunden hat”, sagt Stefan Pfister, Leopoldina-Experte und Direktor des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ) im Gespräch mit Table.Briefings. Das betreffe vor allem die Veröffentlichung von Muster- bzw. Standardvertragsklauseln sowie eine bessere Koordination von Institutionen, Ethikkommissionen und Strahlenschutzbehörden.
Das Leopoldina-Papier sei dementsprechend auch nicht als Generalkritik zu verstehen. “Wir haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass neue Gesetze nicht sofort wieder angepackt werden, wenn sie einmal verhandelt sind. Die Bedarfe, die wir formuliert haben, können aber nicht weitere ein oder zwei Legislaturperioden liegen bleiben, wenn die klinische Forschung in Deutschland wieder wettbewerbsfähig werden soll”, sagt Stefan Pfister. Es seien auffällig wenig Akzente des Bundesforschungsministeriums zu erkennen, die in eine Gesamtstrategie aber dringend integriert werden müssen, sagt Pfister.
Verpasst habe der Gesetzgeber etwa, die Rahmenbedingungen im Bereich Translation und Transfer zu prüfen, die dafür verantwortlich sind, ob Innovationen zügig bei den Patienten ankommen. “Wir sind bei der wirtschaftlichen und medizinischen Verwertung von Innovationen global gesehen höchstens im Mittelfeld, obwohl wir bei den Innovationen immer noch in der Spitzengruppe liegen”, sagt Pfister. Akademisch incentiviert sei in Deutschland die präklinische Proof-of-Concept-Studie einer neuen Therapieoption, für die man Applaus aus der Community bekomme. Für alle weiteren Schritte bis zur klinischen Studie, die eher “unsexy” seien, gebe es viel zu wenig Anreize. “Viele Initiativen sind zu regional, wenn wir die überregionalen Gesundheitszentren stärken wollen, braucht es nationale Transferanstrengungen.”
Auch mit Blick auf die sogenannten “Sonstigen Studien”, die nicht klinisch interventioneller Natur seien, greife das Gesetzesvorhaben zu kurz. Dabei gehe es zum Beispiel um neue diagnostische, endoskopische oder andere technologische Anwendungen, die aber nicht direkt einen therapeutischen Charakter haben. “Hier sind bislang gar keine Änderungen vorgesehen, sodass für diese Studien die Effizienzprobleme, etwa im Bereich der dezentral organisierten Ethikkommissionen bestehen bleiben”, sagt Pfister. Diese und weitere Punkte der Leopoldina Stellungnahme entsprechen auch den Statements der universitätsmedizinischen klinischen Forschung sowie der Initiative Studienstandort Deutschland.
Der umstrittenste Punkt im neuen Gesetzesvorhaben bleibt die Einführung einer neuen spezialisierten Ethikkommission auf Bundesebene. Zwar hatte die Bundesregierung nach Kritik von vielen Seiten entschieden, diese nicht als Bundesethikkommission auszugestalten, die über dem System steht – sie soll nun auch in den Arbeitskreis der bislang 49 Medizinischen Ethikkommissionen aufgenommen werden. Aber auch die Leopoldina bittet die Bundesregierung, die Notwendigkeit der Einrichtung einer zusätzlichen Ethikkommission auf Bundesebene noch einmal zu hinterfragen.
“Meine persönliche Meinung ist, dass eine solche Kommission gerade für komplexe Studiendesigns, mit denen sich regionale Ethikkommissionen nicht häufig beschäftigen, eine gute Expertise aufbauen könnte”, sagt Stefan Pfister. Insgesamt müsse aber die Harmonisierung, Vereinheitlichung und Vereinfachung des Vorgangs im Vordergrund stehen. Die Initiative Studienstandort Deutschland (ISD), die Bundesärztekammer und Organisationen der universitätsmedizinischen klinischen Forschung hatten sich in ihren Statements dafür ausgesprochen, im bestehenden System der registrierten Ethikkommissionen der Länder die vorhandene Fachkompetenz für besondere und komplexe Studientypen durch Spezialisierung zu bündeln.
Aus dem Bundesgesundheitsministerium gab es am Montag auf Anfrage von Table.Briefings keine Stellungnahme zum Leopoldina-Papier. Eine Sprecherin des Bundesforschungsministeriums sagte, das BMBF begrüße das MFG-Vorhaben und den im März im Kabinett beschlossenen Entwurf des MFG. Das zentrale Ziel sei, Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen zu vereinfachen, zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Als wesentliche Maßnahmen seien dazu die Einrichtung einer spezialisierten Ethikkommission für besondere Verfahren und eine Überarbeitung der Zulassungsverfahren der für die Zulassung von Arzneimitteln zuständigen Bundesoberbehörden BfArM und PEI geplant.
Deutschland nimmt bei der Pro-Kopf-Anzahl von klinischen Studien im europäischen Vergleich seit vielen Jahren einen hinteren Rang ein: Das EU Clinical Trial Register (EUCTR) weist für Deutschland mit Stand vom 8. Mai 2024 insgesamt 3.355 laufende klinische Studien zu Arzneimitteln aus, und damit 44 Studien pro eine Million Einwohner. Im Vergleich mit anderen wirtschaftlich starken Ländern (EU-15, ohne Großbritannien)
steht Deutschland auf dem letzten Platz.
Im Zuge der propalästinensischen Proteste an Hochschulen entwickelt sich der Begriff “Postkolonialismus” zum Synonym für linksextreme, antisemitische Überzeugungen. Der Oldenburger Philosoph Ingo Elbe wertete in einem Interview mit der Zeit die Studentenproteste als “Ausdruck einer beispiellosen Radikalisierung postkolonialistischen Denkens”. Auch in einer ZDF-Talkrunde bei Maybrit Illner brachten kürzlich gleich mehrere Gäste – etwa der Grünen-Politiker Omid Nouripour, der SZ-Journalist Ronen Steinke und der Psychologe Ahmad Mansour – Postkolonialismus in Zusammenhang mit Antisemitismus von Links. Mansour legte am Wochenende in einem FAZ-Gastbeitrag nach.
“Unberechtigt, undifferenziert und bedenklich” findet das der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer. Dass es immer salonfähiger wird, Postkolonialismus als Schreckensgebilde darzustellen, zeuge zum einen von Unkenntnis. “Es zeigt aber auch, dass der Kulturkampf, der aus einer bestimmten Richtung geführt wird und sich insbesondere gegen die Postcolonial und Gender Studies richtet, zunehmend wirkt”, sagt der Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg.
Eine Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff “Postkolonialismus” ist nach Ansicht von Zimmerer, dass meist unklar ist, was überhaupt gemeint ist. “Darunter subsummieren sich drei Bedeutungen, die leider im öffentlichen Diskurs ständig vermischt werden.”
Zwei Mythen halten sich besonders hartnäckig in der öffentlichen Debatte, sagt der Hamburger Historiker.
Der Kulturkampf mit dem Ziel, diese Forschungsansätze systematisch in Verruf zu bringen, ist auf den US-Amerikaner Christopher Rufo zurückzuführen, neurechter Stratege und Berater von Donald Trump und Ron DeSantis. Eine Woche nach den Anschlägen der Hamas am 7. Oktober 2023 erklärte Rufo seinen Followern auf der Plattform X: “Konservative müssen in den Köpfen der Öffentlichkeit eine starke Assoziation zwischen Hamas, Black Lives Matter, den amerikanischen Sozialdemokraten und der akademischen ‘Dekolonialisierung’ schaffen.”
Auf diese Taktik, “in einem Zug zu attackieren, zu delegitimieren und zu diskreditieren”, wies kürzlich auch Stefan Ouma, Professor für Wirtschaftsgeographie und Co-Direktor des Instituts für Afrikastudien an der Universität Bayreuth, in einem Beitrag für die taz hin. Rufos Strategie sei in den USA bereits bestens aufgegangen. Der Begriff “Postkolonialismus” könne beliebig zu Themen mit links-progressivem Bezug eingestreut werden, um einen Punkt gegen “woke” Eliten zu erzielen, schreibt er. Auch in Deutschland tappten selbst Stimmen, die sich als liberal verstehen, en masse in die Diskursfalle der Neuen Rechten.
Als Beispiel für ein “Zerrbild der postkolonialen Studien” führt Ouma einen vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit am 27. Oktober 2023 an alle Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz versendeten offenen Brief an. Darin warnt das Netzwerk vor dem vermeintlichen Versuch einer Dekolonisierung von Wissenschaft und Forschung.
Universitätsseminare über postkoloniale Theorie als Keimzellen der propalästinensischen Proteste zu sehen, greift aus Sicht des Hamburger Historikers Zimmerer zu kurz. “In der postkolonialen Theorie geht es gar nicht primär um Israel.” Zweierlei räumt er jedoch ein:
Zimmerer hält es für erforderlich, dass sich die postkoloniale Theorie selbstkritisch damit auseinandersetzt, wo sie rassistisch, antisemitisch oder diskriminierend ist. Sonst wachse die Gefahr, dass die Postcolonial Studies durch politische Äußerungen von bestimmten aktivistischen Akteuren unter Generalverdacht geraten.
Genauso notwendig sei es aber auch, die Wissenschaftsfreiheit gerade auch für emanzipatorische Bewegungen wie die Postcolonial und die Gender Studies zu verteidigen und die anti-postkoloniale Kampagne zu demaskieren. “Das ist eine Aufgabe, der sich auch politische und journalistische Akteur*innen stellen müssen.”
4. Juni 2024, 10 bis 15 Uhr, Villa Elisabeth, Invalidenstr. 3, 10115 Berlin
12. Nationaler MINT-Gipfel Krise als Chance: MINT-Kompetenzen für eine starke Gesellschaft Mehr
5. Juni 2024, 17:30 bis 19:00 Uhr, online
Web-Event des Deutschen Ethikrats Macht und Bilder: KI und politische Meinungsbildung Mehr
5. bis 7. Juni 2024, Berlin und online
Veranstaltung zur (digitalen) Zukunft der akademischen Bildung University Future Festival: “Tales of Tomorrow” Mehr
7. Juni 2024, 9:30 bis 18:00 Uhr, Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
Workshop der Leopoldina Überregulierung der Wissenschaft Mehr
12. Juni 2024, 16 bis 18 Uhr, Fraunhofer ENIQ, Berlin
Konferenz (Allianz der Wissenschaftsorganisationen) Ukraine: Research and Development for sustainable reconstruction – The examples of energy and agriculture Mehr
15. Juni 2024, Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt, 10117 Berlin
Leibniztag 2024 Festsitzung Mehr
TU Berlin-Präsidentin Geraldine Rauch steht weiterhin aufgrund ihrer Likes von Tweets mit antisemitischem Inhalt oder Ursprung in der Kritik. Trotz ihrer Entschuldigung fordert die Berliner CDU weiterhin ihren Rücktritt. Das bestätigte die Generalsekretärin der Berliner CDU, Ottilie Klein, am vergangenen Freitag. Kultursenator Joe Chialo verlangt Konsequenzen und der Regierende Bürgermeister Kai Wegener hält einen Rücktritt für unausweichlich.
Auch Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) forderte die TU Berlin zum Handeln auf. Diese und auch ihre Präsidentin müsse sich nun in ihren Gremien zur Sache verhalten. Die TU müsse klären, wie sie sich aufstellen könne, um Vertrauen in die Institution TU herzustellen. Für ein Eingreifen des Senats oder der Wissenschaftsverwaltung gebe es jedoch keine Rechtsgrundlage, betonte die Senatorin.
Die zuständigen Gremien der Hochschule werden ab dieser Woche über eine mögliche Abwahl der seit 2022 amtierenden TU-Präsidentin beraten. Dies kündigte TU-Kanzler Lars Oeverdieck im RBB-Inforadio an. Am morgigen Mittwoch wird sich der Akademische Senat mit dem Thema befassen. Dieser habe vor zwei Jahren die Präsidentin gewählt und wäre berechtigt, sie abzuwählen.
Für eine Abwahl bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Diese müsste dann mit dem gleichen Quorum im Erweiterten Senat und im Kuratorium der TU Berlin bestätigt werden. Das Kuratorium wird sich am Montag, 10. Juni, in einer Sondersitzung mit dem Thema beschäftigen.
Von Studierenden- und Bedienstetenseite erhielt Geraldine Rauch “kritische” Unterstützung. Der Asta hat ein Statement veröffentlicht, in dem er die Rücktrittsforderungen zurückweist. Gleichzeitig fordern die Studierenden, das Präsidium solle die Kritik der jüdischen Verbände ernst nehmen. Die aktuellen Probleme sollten allerdings innerhalb der Universität in der politischen Auseinandersetzung geklärt werden. “Ein autoritäres Reinregieren von außen wird die Gräben an den Hochschulen nur weiter aufreißen und diejenigen, die sich verloren fühlen, in die Arme von Populist*innen treiben, die sich auf Kosten jüdischer Studierender auf dem Campus profilieren wollen.”
Am gestrigen Montag wurde ein Brief von TUB-Bediensteten auf der Plattform X öffentlich, die sich “kritisch” hinter das TU-Präsidium stellen. Laut Informationen von Table.Briefings sind zu den ursprünglich 129 Unterzeichnern im Laufe des Montags weitere hinzugekommen. Wichtig sei den Unterzeichnenden, dass zwischen “berechtigter Kritik und ungerechtfertigter Hetze” unterschieden werde. Die Universität solle keinen Raum für Diffamierungen gegen einzelne Personen, insbesondere nicht durch rechte Netzwerke bieten. Gleichwohl könne die Entschuldigung von Geraldine Rauch nur ein erster Schritt für die Aufarbeitung sein. mw
Einige europäische Universitäten kündigten an, ihre Beziehungen zu Israel wegen der Militäraktion im Gazastreifen auszusetzen oder zu überprüfen. Dazu kommen immer neue Proteste und Campus-Besetzungen. Diese Entwicklung bedroht auch Israels Integration in das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe, aus dem es Hunderte von Millionen Euro erhalten hat.
Am 26. Mai kündigte die israelische Wissenschaftsministerin Gila Gamliel umgerechnet 22 Millionen Euro für einen Fonds zur Bekämpfung des Boykotts in Europa und anderswo an. Das Land werde gemeinsame Seminare, eine Kampagne der öffentlichen Diplomatie und sogar Schulungen für israelische Forscher finanzieren, wie man “in feindlichen Umgebungen agiert”, schrieb sie in der Jerusalem Post.
Und auch die EU reagiert. Nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs zur Offensive in Rafah, haben die EU-Außenminister eine Sitzung des Assoziationsrates einberufen. Dieser regelt die Beziehungen zwischen der EU und Israel. Die Entscheidung wurde auf einer Sitzung des EU-Rates für Auswärtige Angelegenheiten am 27. Mai getroffen. Sie könnte ein erster Schritt auf dem Weg zu Sanktionen der EU gegen Israel sein. “Zum ersten Mal habe ich bei einem EU-Treffen wirklich eine signifikante Diskussion über Sanktionen gesehen”, meinte der irische Außenminister Micheál Martin.
Der Assoziationsrat wird sich mit der Lage in Gaza befassen und mit der Frage, ob Israel die Menschenrechtsverpflichtungen erfüllt, die in seinem Assoziationsabkommen mit der EU verankert sind. Dort sind auch die Beziehungen in Wissenschaft und Technologie festgehalten. Wann der Rat zusammentreten wird und ob wissenschaftliche Sanktionen auf den Tisch kommen, ist allerdings noch unklar. David Matthews, Science Business, und mw
Marcus Altfeld ist neuer wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Virologie (LIV) in Hamburg. Er folgt auf Thomas Dobner, der sich aus dem Vorstand zurückzieht, aber noch bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2025 die LIV-Abteilung Virale Transformation leitet.
Peter Baum und seine Physik-Arbeitsgruppe an der Universität Konstanz erhalten den diesjährigen Helmholtzpreis im Bereich Grundlagenforschung. Es ist ihnen gelungen, die extrem schnellen Bewegungen von Atomen und Elektronen wie in einem Film abzulichten. Den Helmholtzpreis für angewandte Forschung erhalten die Teams um Bernhard Roth von der Leibniz Universität Hannover und Steffen Emmert von der Universitätsmedizin Rostock. Sie werden geehrt für ihre Innovationen bei der optischen Biopsie in der Hautkrebsdiagnostik. Die Helmholtzpreise werden alle zwei Jahre im Gebiet der Präzisionsmessungen in Physik, Chemie und Medizin verliehen und sind mit je 20.000 Euro dotiert.
Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin, wurde zur neuen Präsidentin der Allianz Circle U. gewählt. Zu Circle U. gehören neben der HU Berlin acht weitere europäische Universitäten, darunter das King’s College London, die Université Paris Cité und die Universität Wien. Von Blumenthal folgt auf Vincent Blondel, Rektor der UCLouvain in Belgien.
Maurie McInnis, derzeitige Präsidentin der Stony Brook University, soll zum 1. Juli neue Präsidentin der Yale University werden. Das meldet die Washington Post.
Sanaz Mostaghim ist neue Institutsleiterin des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI in Dresden. In ihrer Position wirkt sie gemeinsam mit dem langjährigen Institutsleiter Matthias Klingner, der noch bis Ende des Jahres die Geschäftsführung innehat. Mostaghim ist seit 2014 Universitätsprofessorin am Lehrstuhl für Computational Intelligence der Fakultät für Informatik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Gwendolyn Sasse ist vom BMBF in den Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) berufen worden. Sie ist wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin und Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Katharina Stummeyer hat das Amt der Administrativen Geschäftsführerin der GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH und der Facility for Antiproton and Ion Research in Europe GmbH (FAIR GmbH) übernommen. Sie war zuvor Leiterin des Projektträgers der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH.
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Berlin.Table. Verwaltungsmodernisierung: Fachleute fordern Aufbruch von Strukturen. Eine acatech-Studie zeigt, dass Deutschlands Verwaltung im europäischen Vergleich den höchsten Anteil an Juristen und wenige Beschäftigte mit Privatwirtschaftserfahrung hat, was die Innovationsfähigkeit hemmt. Die Autoren empfehlen, bei Ausschreibungen mehr auf Fachkompetenzen zu achten. Mehr
Bildung.Table. Abitur: Wie NRW seine Oberstufe reformiert. Mit einer weitreichenden Reform möchte das Schulministerium in NRW die gymnasiale Oberstufe “zukunftsfest” machen. Dabei sollen auch Entwicklungen im Bereich KI eine Rolle spielen. Mehr
China.Table. Tesla: Warum der US-Autobauer in China auf automatisiertes Fahren setzt. Tesla will Insidern zufolge seine Full Self Driving-Software (FSD) zum autonomen Fahren in China anmelden. Das würde dem E-Auto-Bauer eine neue Einnahmequelle eröffnen, nachdem die Verkäufe dort bis Ende April deutlich zurückgegangen sind. Mehr
Climate.Table. ExxonMobile: So kämpft der Ölkonzern gegen seine Klimaaktionäre. Bei der jährlichen Aktionärsversammlung von ExxonMobile kam es zur Machtprobe um die Klimapolitik des Ölkonzerns: Einige Aktionäre hatten auf mehr Klimaschutz gedrängt und waren deshalb vom Konzern verklagt worden. Jetzt bestätigte die Mehrheit der Anteilseigner den harten Kurs der Firmenspitze. Mehr
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Sie lagen unter dem Schutt einer Mauer, wo sie im Mittelalter verloren oder versteckt wurden. Bei Grabungen in einer bislang unbekannten Burganlage im Landkreis Reutlingen in Baden-Württemberg kamen sie wieder ans Tageslicht: Teile einer mittelalterlichen Spielesammlung, darunter Spielsteine, ein Würfel und eine hervorragend erhaltene Springerfigur aus einem Schachspiel.
“Die Entdeckung einer ganzen Spielesammlung des 11./12. Jahrhunderts kam für uns völlig überraschend, und die Pferdefigur ist ein echtes Highlight”, sagt Lukas Werther vom Deutschen Archäologischen Institut. Typische Nutzungsspuren wiesen darauf hin, dass der Springer schon damals beim Zug angehoben wurde. Dies verweise auf eine erstaunliche Kontinuität der Spielregeln.
“Das Schachspiel zählte im Mittelalter zu den sieben Fähigkeiten, die ein guter Ritter beherrschen sollte. Insofern verwundert es nicht, dass bekannte Funde meist von Burganlagen stammen”, sagt Jonathan Scheschkewitz vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart.
Neben der Schachfigur wurden vier blütenförmige Spielsteine gefunden, außerdem ein Würfel, alle aus Geweih geschnitzt. Von der weiteren Auswertung der Funde erhoffen sich die Forscher Einblicke in die Spielewelt des mittelalterlichen Adels und die Wurzeln des europäischen Schachspiels.
Doch auch die Öffentlichkeit kann die Funde bestaunen. Schon jetzt kann man ihre 3D-Modelle online drehen und wenden, ab dem 13. September 2024 sind sie Teil der Landesausstellung “THE hidden LÄND – Wir im ersten Jahrtausend” im Kunstgebäude Stuttgart. Anne Brüning