Table.Briefing: Climate

Öl und Gas: Gewinne statt Klimaziele + Senegal: Mit Öl zur Nachhaltigkeit + Antarktis: „Hitzewelle“ im Winter

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Great Barrier Reef erlebt gerade das heißeste Jahr seit 400 Jahren, der Juli bleibt extrem warm und auch die Antarktis macht gerade extrem hohe Temperaturen durch – mitten im Winter. Mit ein Grund dafür: das Verbrennen von fossilen Energien. Weltweit streichen Öl- und Gaskonzerne unterdessen weiter hohe Gewinne ein und schütten dutzende Milliarden US-Dollar an ihre Aktionäre aus, statt das Geld in die Energiewende zu investieren. Und viele Staaten vergeben hunderte neue Bohrlizenzen, wie Nico Beckert für Sie analysiert hat.

Neben den üblichen Verdächtigen wie der USA, Russland und Norwegen weitet auch der Senegal die Ölproduktion aus. Vor der Küste soll das 5-Milliarden-Dollar-Projekt “Sangomar” die Wirtschaft des Landes ankurbeln und für Wohlstand sorgen. Gleichzeitig verspricht das Land mit Partnerschaft für eine Gerechte Energiewende (JETP) und Milliardenhilfen einen Übergang zu klimafreundlichen Strukturen. Ob das zusammenpasst, dazu hat Samuel Ajala recherchiert.

Weiter lesen Sie bei uns, warum sich die “Letzte Generation” in Österreich auflöst, wie es dem Grundwasserspiegel in Europa geht, wie günstig Strom bereits aus Photovoltaik und Batteriespeicher ist und wie sich gemeinwohlorientierte Unternehmen fördern lassen können.

Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!

Ihr
Lukas Bayer
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Analyse

Öl- und Gasindustrie: Wie die Gewinne steigen und Klimaziele fallengelassen werden

BP will im Golf von Mexiko noch mehr Erdöl fördern. Förderplattform vor der Küste Louisianas.
BP will im Golf von Mexiko noch mehr Erdöl fördern.

Die aktuellen Quartalszahlen der größten Öl- und Gaskonzerne zeigen, wie weit politische Ziele und wirtschaftliche Realität voneinander entfernt sind: Auf der letzten Weltklimakonferenz hatten sich die Staaten auf eine Abkehr von den fossilen Energien (“transitioning away from fossil fuels in the energy system”) geeinigt. Doch die Öl- und Gaskonzerne vermelden im ersten Halbjahr 2024 erneut hohe Gewinne und schütten dutzende Milliarden US-Dollar an ihre Aktionäre aus, statt das Geld in die Energiewende zu investieren. Eine nennenswerte Reduktion der Öl- und Gasproduktion ist nicht absehbar, denn Staaten wie die USA, Russland, Norwegen und Brasilien vergeben hunderte neue Bohrlizenzen.

Auch westliche Staaten vergeben hunderte neue Öl- und Gaslizenzen

Laut Thinktank International Institute for Sustainable Development (IISD) haben die USA, Kanada, Australien, Norwegen und Großbritannien seit 2020 zwei Drittel aller neuen Öl- und Gasbohrlizenzen vergeben. Das sind zwar häufig Lizenzen für kleinere Vorkommen, die aber bei vollständiger Nutzung mehrere hundert Millionen Tonnen CO₂ zusätzlich emittieren würden. Ähnliches gilt für die neuen Bohrrechte, die Russland, Brasilien, Mosambik, Ägypten und Angola vergeben haben, wie neue Daten zeigen. Zusammen könnten die neuen Lizenzen zu fast zwei Milliarden Tonnen zusätzlichen CO₂-Emissionen führen.

Insgesamt haben Unternehmen in den letzten zwölf Monaten über 26 Milliarden Dollar “für die Suche nach mehr Öl und Gas in neu vergebenen und entdeckten Feldern” ausgegeben, wie die IISD-Daten zeigen. Westliche Firmen wie Shell, BP und Equinor gaben demnach mit 4,8 Milliarden Dollar am meisten für die Exploration aus.

Ein baldiges Ende des Öl- und Gaszeitalters ist demnach nicht in Sicht. Die globale Ölnachfrage wird laut jüngsten Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) bis zum Jahr 2030 mit jährlich 106 Millionen Barrel um 3,2 Millionen Barrel höher liegen als derzeit. Das Angebot soll sogar noch schneller steigen. Erst danach rechnet die IEA mit einem Absinken der Nachfrage. Die Gasnachfrage soll sogar noch länger auf hohem Niveau bleiben.

Hohe Gewinne und dutzende Milliarden für die Aktionäre

Das sind gute Nachrichten für die Bilanzen der Öl- und Gasmultis. Sie fahren hohe Gewinne ein und treiben ihre eigenen Aktienkurse durch Aktienrückkäufe in die Höhe:

  • Shell hat für das zweite Quartal einen Gewinn von 6,3 Milliarden US-Dollar vermeldet. In den ersten drei Monaten des Jahres lag der Gewinn bei 7,7 Milliarden Dollar. Für Shell-CEO Wael Sawan ist der Aktienkurs seines Unternehmens einer der wichtigsten Gradmesser. Er will dort investieren, wo die “höchsten Renditen” zu erwarten sind. Bis 2025 sollen 40 Milliarden in die Öl- und Gasproduktion investiert werden. Im nächsten Quartal will Shell die Aktienrückkäufe weiter vorantreiben und von seinen Aktionären Anteilsscheine im Wert von 3,5 Milliarden zurückkaufen, um den Kurs zusätzlich in die Höhe zu treiben.
  • BP hat im zweiten Quartal einen Gewinn von 2,76 Milliarden US-Dollar gemacht. In den Jahren 2024 und 2025 will das Unternehmen Aktien in Höhe von jeweils mindestens sieben Milliarden US-Dollar zurückkaufen. Auch BP-Boss Murray Auchincloss legt einen großen Fokus auf den Aktienkurs.
  • ExxonMobil hat im 2. Quartal sogar 9,24 Milliarden Dollar Gewinn verbucht und will die Aktienrückkäufe um 15 Prozent auf 20 Milliarden Dollar pro Jahr anheben.
  • TotalEnergies hat im zweiten Quartal einen Gewinn von 4,7 Milliarden US-Dollar vermeldet, nach 5,1 Milliarden im 1. Quartal. Das französische Unternehmen will im 3. Quartal Aktien im Wert von zwei Milliarden US-Dollar von seinen Aktionären zurückkaufen. Total investierte zuletzt in neue Vorkommen in Namibia und Guyana und hat einen Anteil an einem Schiefergasvorkommen in Texas erworben.
  • Der weltweit größte Ölkonzern Saudi-Aramco hat für das zweite Quartal einen Gewinn von 29 Milliarden US-Dollar ausgewiesen – eine Milliarde weniger als im Vorjahreszeitraum.

Zurückgeschraubte Klimapläne der Öl- und Gasmultis

Während die Öl- und Gasunternehmen viele Milliarden Dollar ausgeben, um ihre Aktienkurse künstlich in die Höhe zu treiben, haben viele der Konzerne ihre Klimaziele aufgeweicht und Investitionen in grüne Energien zurückgeschraubt.

  • Shell hat seine Klimaziele Stück für Stück aufgeweicht. Eigentlich sollte die Ölförderung bis 2030 um 20 Prozent sinken. Shells CEO Sawan kassierte diese Zielmarke im Sommer 2023. Auch seine CO₂-Intensität will Shell bis 2030 nur noch um 15 bis 20 Prozent im Vergleich zu 2016 reduzieren. Vorher lag die Zielmarke bei 20 Prozent. Das Ziel von minus 45 Prozent bis 2035 wurde komplett fallengelassen. Im Dreijahreszeitraum von 2023 bis 2025 will das Unternehmen zehn bis 15 Milliarden US-Dollar in CO₂-arme Energien investieren.
  • BP hat seine Klimaziele schon letztes Jahr zurückgeschraubt. Das britische Unternehmen will bis 2030 25 Prozent weniger Öl und Gas fördern als 2019. Vorher lag die Zielmarke bei einer Reduktion von 40 Prozent. Laut eigenen Angaben hat BP im Jahr 2023 3,8 Milliarden Dollar außerhalb des Öl- und Gasgeschäfts investiert, was “rund 23 Prozent der gesamten Investitionsausgaben” sind – und etwa die Hälfte der Summe, die in Aktienrückkäufe fließen soll. Im zweiten Quartal 2024 hat BP die Investitionen in grüne Energien zurückgefahren. Stattdessen wurde der Bau einer weiteren Ölförderanlage im Golf von Mexiko beschlossen, die zehn Millionen Barrel Öl erschließen soll.
  • ExxonMobils CEO Darren Woods sagt sogar, die Energiewende werde noch “viele Jahrzehnte” brauchen. Das Unternehmen hat jüngst 63 Milliarden Dollar in die Übernahme eines Schiefergasunternehmens investiert. In erneuerbare Energien investiert das Unternehmen kaum. Bis 2027 sollen zwar 17 Milliarden Dollar in “kohlenstoffarme Lösungen” fließen, aber dazu gehört auch der Kauf des größten CO₂-Pipelinenetzes in den USA für 4,9 Milliarden. Exxon setzt dabei auf die Abscheidung und Speicherung von CO₂ (CCS), Wasserstoff und Biokraftstoffe.
  • Auch TotalEnergies hat sein Klimaziel zurückgeschraubt. Ursprünglich sollten die CO₂-Emissionen aus der eigenen Produktion bis 2030 noch um 35 bis 40 Prozent sinken. Jetzt zielt das französische Unternehmen nur noch auf eine Reduktion von 20 bis 30 Prozent. Im Vergleich zu Shell, BP und Exxon setzt Total aber stärker auf den Aufbau eines alternativen Geschäftsmodells. Bis 2028 sollen die Investments in die Energiewende Gewinne abwerfen. Allerdings betont auch der Total-Chef Patrick Pouyanné, man müsse weiter in das Öl- und Gasgeschäft investieren.
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Senegal: So soll neue Ölförderung die nachhaltige Entwicklung sichern

Bald steigt die Nachfrage: Öltanker im Hafen von Dakar.

Der Senegal ist mit dem “Sangomar-Projekt” in die Produktion von Offshore-Öl eingestiegen. Das 5-Milliarden-Dollar-Vorhaben des australischen Unternehmens Woodside soll die Wirtschaft des Landes ankurbeln und unabhängiger von Energieimporten machen, stellt aber auch Senegals Klimaschutz-Verpflichtungen infrage. Gleichzeitig soll die Energiepartnerschaft JETP das Land in Richtung Erneuerbare und Gas bewegen.

Die Ölproduktion im Sangomar-Feld begann im Juni nach vier Jahren Vorarbeit. Das Feld vor der Küste etwa 100 Kilometer südlich der Hauptstadt Dakar ist ein Tiefseeprojekt und wird auf 1,3 Milliarden Barrel Öl geschätzt. Die Anlage kann 100.000 Barrel pro Tag produzieren, und die Unterwasserinfrastruktur ist für einen weiteren Ausbau ausgelegt.

Meg O’Neill, CEO von Woodside, erwartet, dass das Sangomar-Projekt im Rahmen des Production-Sharing-Vertrags “einen Mehrwert für die Aktionäre generiert.” Die staatliche Ölfirma Petrosen ist mit 18 Prozent an dem Projekt beteiligt.

Allerdings hat die neue Regierung von Präsident Diomaye Faye angekündigt, die Öl- und Gasverträge neu verhandeln zu wollen. Mit Woodside gibt es derzeit auch Reibung: Das Unternehmen widerspricht juristisch einer Steuernachforderung des senegalesischen Staates in Höhe von etwa 69 Millionen US-Dollar. Die Angelegenheit soll vor Gericht geklärt werden.

Öl, Gas, Erneuerbare und Hilfe durch die JETP

Der Beginn der Ölproduktion fällt zusammen mit dem Umbau der Energiewirtschaft des Landes. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) will der Senegal seine Stromerzeugung von Schweröl auf Erdgas umstellen. Das soll die Abhängigkeit von Brennstoffimporten verringern und die Stromkosten und CO₂-Emissionen senken. Die Energiepolitik sei “das Herz der Strategie 2035 für Senegal, dem ‘Plan Senegal Emergent’ (PSE), um nachhaltige Entwicklung und Wirtschaftswachstum zu beschleunigen”, so die IEA 2023.

Im Juni letzten Jahres hat das Land außerdem eine Partnerschaft für eine gerechte Energiewende (JETP) mit Deutschland, Frankreich und der Europäischen Union unterzeichnet. Ziel ist es, den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix bis 2030 auf 40 Prozent zu erhöhen. Derzeit machen Erneuerbare 30 Prozent der Stromproduktion aus. Nur 65 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu Strom, die Emissionen des Landes aus der Energieversorgung liegen bei neun Millionen Tonnen CO₂. Bis Ende 2024 will das Land eine Langzeit-Strategie (LTS) für die Entwicklung der Emissionen präsentieren. Für die Partnerschaft sagten die Geberländer die Mobilisierung von Finanzmitteln in Höhe von 2,5 Milliarden Euro über drei bis fünf Jahre zu.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte bei einem Besuch im Senegal im Frühjahr 2022 vorgeschlagen, Deutschland könne beim Ausbau von Offshore-Gasfeldern helfen. Das Projekt traf vor allem beim grünen Koalitionspartner und in der Umweltbewegung auf Kritik. Inzwischen ist eine solche Kooperation offenbar eingeschlafen, das Projekt wird von anderen Partnern entwickelt. Das Land hat laut einer Studie auch große Potenziale für die Entwicklung erneuerbarer Energien und möglicherweise auch von grünem Wasserstoff für heimischen Gebrauch und Export. 

Als Unterzeichner des Pariser Abkommens hat sich Senegal auch verpflichtet, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den Übergang zu einer nachhaltigen, kohlenstoffarmen Wirtschaft zu vollziehen. Experten fürchten aber, die neue Ölförderung könne die Verpflichtung des Landes zur Kohlenstoffneutralität behindern.

“Ölgeld für die Entwicklung”

Souleymane Thiam, Projektentwicklungskoordinator bei der NGO-Plattform ONG Senegal, sagte zu Table.Briefings, das Geld aus dem Verkauf von fossilen Brennstoffen – einschließlich des Anteils des Landes an den Gewinnen der Petrosen und der Steuern -, könnten die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln. Auch gebe es Chancen für lokale Unternehmen: “2019 hat der Senegal ein Gesetz zu ‘Local Content’ eingeführt, das die Einstellung von lokalem Personal und Unternehmen sicherstellt.” Das habe lokalen Unternehmen einen Umsatz von über 250 Millionen Dollar eingebracht.

Laut des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist Senegal eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Subsahara-Afrika, mit Wachstumsraten von 8,3 Prozent für 2024 und das auch “wegen der Öl- und Gasprojekte, die anlaufen”. Allerdings bleibt der Beitrag des Öl- und Gassektors zum BIP mit unter fünf Prozent gering, warnen Experten laut Medienberichten. Daher könnten auch gut gemanagte Einkünfte aus dem Sektor nur in kleinem Umfang zur Transformation der Wirtschaft beitragen. Und möglicherweise erziele Senegal weniger Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung, als geplant. Bei einem weltweiten Übergang zu sauberer Energie werde die Nachfrage nach Öl und Gas längerfristig sinken, prognostiziert der World Energy Outlook der IEA. Das könnte das Land “in ein ökonomisches Modell einsperren, das nicht mehr funktioniert”, so die Ölanalystin und IPCC-Autorin Yamina Saheb.

Ndeye Fatou Sy, Programmleiterin bei der NGO Lumière Sunergie pour le Développement (LSD Senegal), sagte zu Table.Briefings, dass sich das Land der Dynamik der Energiewende verschrieben habe. Auf der Grundlage der “Gas to Power”-Strategie setze der Senegal auf Erdgas als “Übergangskraftstoff”, um sowohl seinen Energiebedarf als auch seine Emissionsreduktionsziele bis 2030 zu erfüllen.

Es gehe um “wirtschaftliche Gerechtigkeit”

Es gehe auch um “wirtschaftlichen Gerechtigkeit”, weil die Länder des Südens im Vergleich zu den Industrieländern nur einen geringen Anteil am Klimawandel haben. “Deshalb hat die frühere Regierung sehr früh ihre Entscheidung verteidigt, die Öl- und Gasressourcen zur Deckung des Energiebedarfs des Landes zu nutzen.”

Bei der JETP habe Senegal auch die Stromerzeugung aus Gas vorgeschlagen. Das bringe auch Probleme mit dem Klimaschutz, da die Unternehmen das Gas abfackeln und Methan ausstoßen. “Die Herausforderung für das Land wird darin bestehen, aus Beispielen wie Nigeria zu lernen, damit es nicht in dieselbe Situation gerät”. Trotz der JETP mit Europa hat Senegal seine erste Rohöllieferung in die Niederlande und nach Deutschland exportiert. Und auch die JETP lasse noch Fragen offen: “Die JETP befindet sich im Prozess mit dem Ministerium für Erdöl, Energie und Bergbau. Dem JETP-Konzept ‘fair’ mangelt es jedoch an Konkretheit und es ist noch nicht klar definiert, an wen es sich richtet.”

Für Fatou Sy arbeitet die derzeitige Regierung von Präsident Diomaye Faye erst an einem Programm zur Energiewende. Der Präsident habe sich aber verpflichtet, eine nationale Strategie für den ökologischen Übergang zur nachhaltigen Entwicklung (SNTEDD) und einen nationalen Fonds zur Förderung der grünen Wirtschaft (FNPEV) einzurichten.

“Leider wurde die Debatte über die gerechte Energiewende außer von den gesellschaftlichen Akteuren und den betroffenen Gemeinden noch nicht von der breiten Öffentlichkeit aufgegriffen. Dabei sind die Nebeneffekte der Erdöl- und Erdgasförderung für die Masse der Menschen von größerem Interesse”, sagt Sy. Mitarbeit: Lucia Weiß, Dakar

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Termine

12. August, 19 Uhr, Online
Diskussion Zukunft des Autos – Autos der Zukunft
Rund drei Viertel aller Wegstrecken legen Deutsche mit dem Auto zurück. Doch die Bekämpfung der Klimakrise erfordert auch eine Diskussion über nachhaltige Mobilität und die Zukunft des Automobils. Auf dieser Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung wird darüber diskutiert, wie eine nachhaltige Zukunft des Autos aussehen kann. Info

13. August, 10 Uhr, Online
Webinar Werkzeuge für die treibhausgasneutrale Kommune
In diesem “Werkzeuge-Webinar” der Agentur für kommunalen Klimaschutz werden Lösungsansätze zur Überwindung des Fachkräftemangels im Bereich des kommunalen Klimaschutzes vorgestellt. Info

13. August, 12 Uhr, Online
Kongress Ressourceneffizienz durch Digitalisierung
Das Bundesministerium Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und die Community Nachhaltige Digitalisierung laden ein. Passend zu den hohen Temperaturen wird gezeigt, was Digitalisierung und Eis gemeinsam haben. Info

13. August, 16 Uhr, Online
Webinar On Extreme Heat: Opportunities to Mitigate Risks in Cities
Das World Resources Institute und der Thinktank Urban Shift diskutieren in diesem Webinar darüber, mit welchen Strategien Städte heruntergekühlt werden können. Info

14. August, 10 Uhr, Online
Webinar Integrierte Stadtentwicklungskonzepte – Informelle Instrumente für die Klimaanpassung nutzen
Das Zentrum für Klimaanpassung diskutiert mit Vertreterinnen der Stadt Chemnitz darüber, wie sich Integrierte Stadtentwicklungskonzepte (INSEK) als informelle Instrumente für die Klimaanpassung einsetzen lassen. Info

14. August, 20 Uhr, Göttingen
Gespräch Raus aus der AUTOkratie
In ihrem Buch “Raus aus der AUTOkratie ­- rein in die Mobilität von morgen” (S. Fischer 2024) widmet sich Katja Diehl der gesellschaftlichen und systematischen Ebene der Verkehrswende. Auf der Veranstaltung der Stiftung Leben & Umwelt und der Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen spricht Diehl mit Vertretern der Stadt Göttingen über die Verkehrswende. Info

17. August, 17 Uhr, Kiel
Spaziergang Stadtentwicklung in Zeiten der Klimakrise – Wie Grünflächen schützen?
Am Beispiel des Vieburger Gehölz werden auf diesem Spaziergang der Rosa-Luxemburg-Stiftung Einflüsse der Klimakrise auf Wälder und Grünflächen erklärt. Info

News

Klima in Zahlen: So groß ist die “Hitzewelle” im Antarktis-Winter

An den Polgebieten der Erde gehen die Temperatur-Rekorde weiter. Mitten im südpolaren Winter messen die Wetterstationen in der östlichen Antarktis Höchststände am Boden: Im Schnitt lagen im Juli die Temperaturen um etwa 10 Grad Celsius über dem Normalwert für die Jahreszeit. An der Messstation am Südpol wurden statt des Durchschnittswerts von etwa minus 47 Grad Celsius im Juli mehr als sechs Grad höhere Werte gemessen. In manchen Regionen des eisigen Kontinents zeigte das Thermometer bis zu 28 Grad höhere Temperaturen als im langjährigen Mittel.

Die Polregionen sind von der Erderhitzung besonders betroffen. Studien zeigen, dass sich die Arktis über die letzten 43 Jahre etwa viermal so schnell erwärmt hat wie der Rest des Planeten. Bereits im März 2022 war die Antarktis Ort einer “Hitzewelle”, die dort bis zu 40 Grad Celsius über den Mittelwerten lag – allerdings immer noch bei minus 12 Grad. Experten erwarten, dass die aktuell relativ hohen Temperaturen auch einen erneuten Niedrigstand bei der Ausdehnung des antarktischen Meereises nach sich ziehen könnten. Schon im Oktober 2023 hatte die Fläche ein Rekordminus aufgewiesen.

Die Hitzerekorde an den Polen entsprechen den Modellen und Erwartungen aus der Wissenschaft. Vor allem die Störung der Luftströmungen um die Pole (“Polarwirbel”) durch die erwärmte Luft können zum Einbruch von warmen Luftmassen in die Polgebiete führen. Die in den letzten Monaten extrem hohen Meerestemperaturen und Klimaphänomene wie das gerade verklungen “El Niño” tragen ebenfalls zur Erwärmung bei. bpo

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Verkehr und Gebäude: Warum die DUH die Bundesregierung erneut verklagt

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine weitere Klimaklage gegen die Bundesregierung erhoben – diesmal auf Basis von EU-Regeln und bezogen auf die Emissionen der Sektoren Verkehr, Gebäude und Landnutzung. Unter Berufung auf die EU-Klimaschutzverordnung und die LULUCF-Verordnung beantragt die Organisation in ihrer Klageschrift, das Gericht möge die Bundesregierung dazu verpflichten, einen Plan mit “zusätzlichen Aktionen” vorzulegen, die ausreichten, um diese Emissionen gemäß der EU-Vorgaben zu senken. Daneben fordert die DUH “umgehende Sofortmaßnahmen wie ein Tempolimit, eine Sanierungsoffensive bei öffentlichen Gebäuden und eine massive Reduktion des Holzeinschlags in Wäldern”.

In den sogenannten ESR-Sektoren (Effort Sharing Regulation) sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, gemeinsam ihre Emissionen in den Bereichen Verkehr, Gebäude, Kleinindustrie, Abfall und Landwirtschaft bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Deutschlands Beitrag liegt sogar bei einer Halbierung der Emissionen. Bleibe Deutschland auf dem derzeitigen Kurs, werde es das Ziel “krachend verfehlen”, so die DUH, “insbesondere wegen der massiv überhöhten Emissionen in den Sektoren Verkehr und Gebäude”. Kein anderes Mitgliedsland stehe derart schlecht da. Das Umweltbundesamt schätzt den Umfang der Zielverfehlung bis 2030 in seinem aktuellen Treibhausgasprojektionsbericht auf 126 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente.

Deutschland droht Milliarden-Zahlung

Hält Deutschland die ESR-Ziele nicht ein, müsste es ab 2030 zum Ausgleich Emissionszertifikate aus anderen EU-Staaten erwerben. Der DUH zufolge könnte das Zahlungen “in zweistelliger Milliardenhöhe” bedeuten. Ab dem Jahr 2027 wird es zudem auch für den Verkehrs- und Gebäudesektor einen EU-Emissionshandel geben (ETS 2).

Im Landnutzungssektor (LULUCF) verpflichtet das EU-Recht Deutschland, klare Ziele für die Speicherung von Kohlendioxid in Ökosystemen wie Wäldern oder Mooren zu erfüllen. Auch hier sieht die DUH “bislang keine ausreichenden Korrekturmaßnahmen” und zieht deshalb vor Gericht. Derzeit klagt die Organisation auf unterschiedlichen Ebenen mehrfach gegen die Bundesregierung, um diese zu einer ehrgeizigeren Klimapolitik zu verpflichten. Unter anderem laufen Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Bundesverfassungsgericht. ae

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Energiewende: So günstig ist Strom aus Photovoltaik und Batteriespeicher

Große Photovoltaikanlagen und Onshore-Windräder produzieren laut neuen Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Deutschland am günstigsten Strom. Selbst in Kombination mit Batteriespeichern produzieren Photovoltaik-Dachanlagen und -Freiflächenanlagen demnach günstiger Strom als viele konventionelle Technologien wie Gas, Kohle- und Kernkraftwerke.

Laut ISE-Prognosen gibt es bei der Solar- und Windkraft weiterhin große Potenziale für Kostenreduktionen. Für das Jahr 2045 könnten kleine Photovoltaik-Batteriesysteme Stromgestehungskosten zwischen sieben und 19 Cent pro Kilowattstunde erreichen. Onshore-Windkraftanlagen könnten dann sogar für 3,7 bis 7,9 Cent pro Kilowattstunde Strom erzeugen, so die Studie. Auch Offshore gäbe es noch viel Potenzial. Besonders größere Windkraftanlagen und eine höhere Auslastung könnten zur Kostenreduktion beitragen.

Bei den von der Bundesregierung ausgeschriebenen Gaskraftwerken, die mit Wasserstoff betrieben werden sollen, sieht das ISE höhere Kosten von 23 bis 43 Cent pro Kilowattstunde für das Jahr 2030, da die Kraftwerke hochflexibel gefahren würden und deshalb nur eine geringe Auslastung aufweisen werden. Zusätzlich kämen hier CO₂-Preise und die Beschaffung von Wasserstoff als Kostenfaktoren hinzu. Laut ISE seien diese flexiblen Kraftwerke allerdings für die zukünftige Stromversorgung als Backup nötig. nib

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Österreich: Darum löst sich die Letzte Generation auf

Der wohl letzte Klimastreik der Letzten Generation – am Flughafen Wien im Juli 2024.

Die Letzte Generation stellt in Österreich ihre Proteste ein und löst sich auf. Man könne als Bewegung “keine politischen Veränderungen mehr erzielen”, sagt Pressesprecherin Afra Porsche zu Table.Briefings. Die Entscheidung sei daher schon länger im Raum gestanden. Kritik übt Porsche an der Kriminalisierung der Proteste, die “verantwortungslos” sei – sie rügt aber auch die “ignoranten Politiker” und die Bevölkerung, die sich zu sehr darauf verlassen habe, dass “die Letzte Generation den Arsch hochkriegt und etwas tut”.

Das Ende der Kampagne bedeute aber nicht, dass es künftig keinerlei Klimaproteste mehr in Österreich geben werde – dann aber unter neuem Namen. “Wir machen Platz, damit Neues entstehen kann”, teilte die Letzte Generation am Dienstag mit. Obwohl die Bewegung nie als Langzeitprojekt gedacht war, wie Porsche sagt, gebe es trotzdem eine “gewisse Ratlosigkeit und Entsetzen darüber, dass die letzten, die etwas versucht haben, aufgeben”. Bereits im November 2023 hatte sich ein Teil des Führungsteams wegen strategischer Differenzen zurückgezogen. Dies sei aber kein Grund für die Auflösung gewesen, sagt Porsche.

Die restlichen Finanzmittel würden nun verwendet, um die Kosten der zahlreichen Verfahren gegen Mitglieder der Letzten Generation zu decken. Einzelne Aktivistinnen und Aktivisten müssten mehrere zehntausend Euro zahlen. In Deutschland sei hingegen kein Ende des Protests geplant, wie Sprecherin Marion Fabian erklärt. Es werde unter anderem weitere Aktionen an Flughäfen gegen den klimaschädlichen Flugverkehr geben, kündigte sie an. dpa/lb

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CO₂-Kompensation: So viele Zertifikate erfüllen nicht die Standards

Etwa ein Drittel der bestehenden CO₂-Zertifikate erfüllt nicht die Kriterien für einen neuen Standard, der als globaler Maßstab für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt dienen soll. Grund dafür sei die fehlende “Zusätzlichkeit” der betroffenen Projekte. Es handele sich hierbei ausschließlich um Projekte zu erneuerbaren Energien, die auch ohne die Einnahmen aus dem Kauf der 236 Millionen CO₂-Zertifikate umgesetzt worden wären, erklärte der Vorstand des Integrity Council for the Voluntary Carbon Market (ICVCM) am Dienstag.

Mit den sogenannten Core Carbon Principles (CCP) bewertet das unabhängige Kontrollorgan die Integrität der CO₂-Zertifikate. Die Nachfrage war im vergangenen Jahr ins Stocken geraten, weil bezweifelt wurde, ob die Gutschriften tatsächlich zu einer Verringerung der Emissionen führen. Dadurch sank der ohnehin niedrige Preis um 69 Prozent auf durchschnittlich 3,88 US-Dollar pro Tonne CO₂, wie ein Bericht der gemeinnützigen Organisation Ecosystems Marketplace vom Mai zeigt. Aufgrund der Nicht-Erfüllung des CCP-Standards könnte Analysten zufolge der Preis für Zertifikate aus Erneuerbare-Energien-Projekten in diesem Jahr noch weiter fallen. Dennoch sieht Amy Merrill, Geschäftsführerin des ICVCM, Potenzial für erneuerbare Projekte am freiwilligen Kohlenstoffmarkt – sofern diese das Kriterium der “Zusätzlichkeit” erfüllen. rtr

  • CO2-Zertifikate
  • Emissionshandel

Klimaschutz: Neues Förderprogramm für gemeinwohlorientierte Unternehmen

Angestoßen wurde das Projekt bereits von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier, fertiggestellt hat es nun der grüne Wirtschafts-Staatssekretär Sven Giegold: An diesem Mittwoch startete ein neues Förderprogramm für gemeinwohlorientierte Unternehmen. Die Richtlinie dafür hatten BMWK und BMBF gemeinsam erarbeitet. Insgesamt stehen für das Programm bis zum Jahr 2028 rund 110 Millionen Euro zur Verfügung; gut die Hälfte davon stammt aus dem Europäischen Sozialfonds. Gemeinwohlorientierte Unternehmen seien “wesentliche Impulsgeber für wirksamen Klimaschutz, etwa durch treibhausgasneutrale Produkte und Dienstleistungen, Versorgung mit erneuerbaren Energien, moderne Mobilitätslösungen, Konzepte gegen Lebensmittelverschwendung, neue Ansätze des Ressourcenmanagements oder durch ökologische Landnutzung” heißt es in der Richtlinie.

Von der neuen Förderung können nach Angaben des BMWK rund 800.000 Unternehmen profitieren. Diese erfüllen die EU-Definition, nach der primär soziale oder ökologische Zwecke verfolgt und mindestens die Hälfte der Gewinne wieder dafür eingesetzt werden müssen. Gefördert werden soll nicht die wirtschaftliche Aktivität selbst, sondern Beratungs- und Qualifizierungsleistungen sowie Vernetzungsangebote. “Gemeinwohlorientierte Unternehmen verdienen die gleiche Förderung wie alle anderen Unternehmen auch”, sagte Giegold. Bisher waren diese von vielen Förderprogrammen ausgeschlossen. In der Regel werden 85 Prozent der nachgewiesenen und zuschussfähigen Kosten für eine Maßnahme erstattet. Noch höher fällt die Förderung aus bei Maßnahmen, “die einen signifikanten Beitrag zu den Klimaschutzzielen der Europäischen Union leisten”; für diese werden 95 Prozent der Kosten übernommen. mkr

  • Sozialunternehmen
  • Unternehmen
  • Wirtschaftsministerium

Europas Grundwasserspiegel teils stabiler als angenommen

Klimawandel und anthropogene Einflüsse können die Grundwasserspiegel vor allem in Südwesteuropa zwar gefährden, jedoch sind die Vorräte wohl stabiler als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniertes internationales Forschungsteam. Dafür haben sie über 12.000 Grundwasserbrunnen in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien untersucht.

Die Daten zeigten, dass die Brunnen in Regionen mit gemäßigtem Klima und ganzjährig hohen Niederschlägen wie zum Beispiel in Nordfrankreich über mehrere Jahrzehnte hinweg stabil seien. In anderen Regionen wie etwa dem unteren Po-Einzugsgebiet bei Ravenna steige der Grundwasserspiegel sogar an.

In semiariden Regionen mit häufigen Dürreperioden und nur kurzzeitigen Niederschlägen sowie in gemäßigten Regionen mit großen Städten sinken dagegen die Grundwasserpegel. Mitentscheidend sei auch die intensive Landwirtschaft. “Die vier Mittelmeerländer sind für einen großen Teil der Obst-, Gemüse- und Getreideproduktion in der EU verantwortlich”, sagt UFZ-Hydrologe und Studienautor Seifeddine Jomaa. Das Grundwasser liefere zwischen 30 und 50 Prozent des Wassers, das für die Bewässerung in der Landwirtschaft, beispielsweise in Tarbes (Frankreich) und Medina del Campo (Spanien), eingesetzt werde.

Maßnahmen gegen sinkende Grundwasserspiegel

Die Forscher empfehlen, in gefährdeten Regionen lokale Wassernutzervereinigungen zu gründen, um mit einer Kombination aus Monitoring, Fernerkundung und Wassernutzungsplänen den Rückgang des Grundwasserstands zu stoppen. Dies habe sich in anderen Regionen bewährt, in denen die Grundwasserspiegel schon seit vielen Jahrzehnten sinken, sagen die Forscherinnen und Forscher.

Auch Deutschland könne von den Erfahrungen in Südwesteuropa profitieren, sagt Seifeddine Jomaa. “Zum Beispiel, wie Grundwasser optimal genutzt werden kann, welche Bewässerungsmethoden in der Landwirtschaft wirksam sind, wie sich Stakeholder stärker engagieren lassen und welche Fehler in Zukunft vermieden werden können.” luk

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Standpunkt

E-Mobilität made in Europe statt Scheindebatten über Verbrenner-Technologie der Vergangenheit

Von Sebastian Bock
Sebastian Bock ist Geschäftsführer beim Umweltdachverband Transport & Environment Deutschland

Am 17. Juli berichtete Table.Briefings über ein Positionspapier mit der Forderung, den EU-Verbrenner-Kompromiss für 2035 zu kippen. Leider halten die Ergebnisse der Autor:innen um Verbrenner-Experte Thomas Koch einem kritischen Blick nicht stand. 

Koch und seine Kolleg:innen argumentieren, dass die Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen eigentlich viel höher seien, als von Wissenschaft und EU angenommen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, nimmt Kochs Team zwei unzulässige Vereinfachungen vor. Zum einen suggeriert Kochs Gruppe, dass die zusätzliche Stromnachfrage für Produktion und Betrieb von E-Autos mit fossilen Brennstoffen bedient werden wird. Zum anderen offenbaren die Autor:innen des Positionspapiers mangelndes Verständnis der Funktionsweise und des Zusammenspiels verschiedener Teile der EU-Klima-Regulatorik. 

Zur Berechnung der CO₂-Emissionen des verwendeten Stroms nutzt das Positionspapier einen sogenannten Marginalansatz. Dieser Ansatz geht davon aus, dass für jedes E-Auto, das gebaut oder geladen wird, ein Kohle- oder Gaskraftwerk zusätzlichen Strom erzeugt. Diese Annahme ist irreführend, weil sie die bereits stattfindende Energiewende und Planungen der Stromindustrie unterschlägt.

Kochs Emissionswerte deutlich zu hoch

Tatsächlich planen Netzbetreiber und Energieanbieter bereits heute die zu erwartende Stromnachfrage durch E-Autos ein (siehe z. B. ENTSOE-Energiebedarfsprognose). Dadurch wird der Ausbau der erneuerbaren Energien so dimensioniert, dass die Kraftwerkskapazitäten den von der E-Auto-Flotte benötigten Strom liefern können. Darüber hinaus laden E-Autos oft zu Zeiten, an denen sehr viel erneuerbarer Strom im Netz ist (z. B. nachts oder in den Mittagsstunden am Arbeitsplatz). Dieses netzdienliche Laden wird in Zukunft durch innovatives Lade- und Netzmanagement noch verbessert werden.

Statt des von Kochs Gruppe verwendeten Marginalansatzes, sollte der durchschnittliche Strommix eines Landes oder einer Region verwendet werden, um die Emissionsintensität von Produktion und Betrieb eines E-Autos zu berechnen. 

Mit dieser Methode zeigen die Modellierungen von T&E, dass ein mittelgroßes E-Auto, das mit dem durchschnittlichen EU-Strom-Mix produziert und aufgeladen wurde, über die gesamte Lebenszeit 75 gCO2/km emittieren würde, falls es 2022 gekauft wurde, und 46 gCO2/km, falls es 2030 gekauft wird. Studien des ICCT und der IEA kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die im Positionspapier berechneten Werte von 157 gCO2/km liegen also um ein Vielfaches daneben.

Koch unterschlägt, wie Klimaschutz funktioniert

Neben diesen falschen Berechnungsgrundlagen weist das Positionspapier einen schwerwiegenden Fehler im Verständnis der Regulierungs-Logik der EU-Klimagesetzgebung auf. Das Papier suggeriert, dass die “realen” Emissionen von E-Autos deutlich höher seien, weil lediglich die Emissionen am Auspuff der Fahrzeuge in die Berechnung einfließen. Da E-Autos beim Fahren selbst keine Emissionen verursachen, der produzierte Strom jedoch je nach Stromquelle schon, sei dies eine unzulässige Bevorteilung von E-Mobilität. Was auf den ersten Blick plausibel erscheint, unterschlägt, wie Klimaschutz in Europa funktioniert

Die Methodik der von der EU beschlossenen Flottengrenzwerte berücksichtigt aus einem guten Grund nur die direkten Auspuffemissionen: Weil die Hersteller der Fahrzeuge Regulierungsgegenstand sind, kann nur reguliert werden, worauf die Autobauer selbst direkten Einfluss nehmen können. Emissionen aus vorgelagerten Sektoren wie der Stromerzeugung werden explizit durch andere Regulierungen adressiert (z. B. EU-Emissionshandel). Es ist gerade das Zusammenspiel verschiedener Regulierungen innerhalb des Green Deals, das sicherstellen soll, dass Europa das Ziel der CO₂-Neutralität erreicht. 

Der EU-Verbrenner-Kompromiss für 2035 ist hierbei die wichtigste Maßnahme zur Senkung der Verkehrsemissionen. Wenn Europa seinen Spitzenplatz in der Automobilindustrie verteidigen will, braucht es Vorschläge, wie wir E-Mobilität made in Europe voranbringen und keine methodisch fragwürdigen Scheindebatten über die Verbrenner-Technologie der Vergangenheit.

Sebastian Bock ist Geschäftsführer beim Umweltdachverband Transport & Environment Deutschland

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    das Great Barrier Reef erlebt gerade das heißeste Jahr seit 400 Jahren, der Juli bleibt extrem warm und auch die Antarktis macht gerade extrem hohe Temperaturen durch – mitten im Winter. Mit ein Grund dafür: das Verbrennen von fossilen Energien. Weltweit streichen Öl- und Gaskonzerne unterdessen weiter hohe Gewinne ein und schütten dutzende Milliarden US-Dollar an ihre Aktionäre aus, statt das Geld in die Energiewende zu investieren. Und viele Staaten vergeben hunderte neue Bohrlizenzen, wie Nico Beckert für Sie analysiert hat.

    Neben den üblichen Verdächtigen wie der USA, Russland und Norwegen weitet auch der Senegal die Ölproduktion aus. Vor der Küste soll das 5-Milliarden-Dollar-Projekt “Sangomar” die Wirtschaft des Landes ankurbeln und für Wohlstand sorgen. Gleichzeitig verspricht das Land mit Partnerschaft für eine Gerechte Energiewende (JETP) und Milliardenhilfen einen Übergang zu klimafreundlichen Strukturen. Ob das zusammenpasst, dazu hat Samuel Ajala recherchiert.

    Weiter lesen Sie bei uns, warum sich die “Letzte Generation” in Österreich auflöst, wie es dem Grundwasserspiegel in Europa geht, wie günstig Strom bereits aus Photovoltaik und Batteriespeicher ist und wie sich gemeinwohlorientierte Unternehmen fördern lassen können.

    Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!

    Ihr
    Lukas Bayer
    Bild von Lukas  Bayer

    Analyse

    Öl- und Gasindustrie: Wie die Gewinne steigen und Klimaziele fallengelassen werden

    BP will im Golf von Mexiko noch mehr Erdöl fördern. Förderplattform vor der Küste Louisianas.
    BP will im Golf von Mexiko noch mehr Erdöl fördern.

    Die aktuellen Quartalszahlen der größten Öl- und Gaskonzerne zeigen, wie weit politische Ziele und wirtschaftliche Realität voneinander entfernt sind: Auf der letzten Weltklimakonferenz hatten sich die Staaten auf eine Abkehr von den fossilen Energien (“transitioning away from fossil fuels in the energy system”) geeinigt. Doch die Öl- und Gaskonzerne vermelden im ersten Halbjahr 2024 erneut hohe Gewinne und schütten dutzende Milliarden US-Dollar an ihre Aktionäre aus, statt das Geld in die Energiewende zu investieren. Eine nennenswerte Reduktion der Öl- und Gasproduktion ist nicht absehbar, denn Staaten wie die USA, Russland, Norwegen und Brasilien vergeben hunderte neue Bohrlizenzen.

    Auch westliche Staaten vergeben hunderte neue Öl- und Gaslizenzen

    Laut Thinktank International Institute for Sustainable Development (IISD) haben die USA, Kanada, Australien, Norwegen und Großbritannien seit 2020 zwei Drittel aller neuen Öl- und Gasbohrlizenzen vergeben. Das sind zwar häufig Lizenzen für kleinere Vorkommen, die aber bei vollständiger Nutzung mehrere hundert Millionen Tonnen CO₂ zusätzlich emittieren würden. Ähnliches gilt für die neuen Bohrrechte, die Russland, Brasilien, Mosambik, Ägypten und Angola vergeben haben, wie neue Daten zeigen. Zusammen könnten die neuen Lizenzen zu fast zwei Milliarden Tonnen zusätzlichen CO₂-Emissionen führen.

    Insgesamt haben Unternehmen in den letzten zwölf Monaten über 26 Milliarden Dollar “für die Suche nach mehr Öl und Gas in neu vergebenen und entdeckten Feldern” ausgegeben, wie die IISD-Daten zeigen. Westliche Firmen wie Shell, BP und Equinor gaben demnach mit 4,8 Milliarden Dollar am meisten für die Exploration aus.

    Ein baldiges Ende des Öl- und Gaszeitalters ist demnach nicht in Sicht. Die globale Ölnachfrage wird laut jüngsten Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) bis zum Jahr 2030 mit jährlich 106 Millionen Barrel um 3,2 Millionen Barrel höher liegen als derzeit. Das Angebot soll sogar noch schneller steigen. Erst danach rechnet die IEA mit einem Absinken der Nachfrage. Die Gasnachfrage soll sogar noch länger auf hohem Niveau bleiben.

    Hohe Gewinne und dutzende Milliarden für die Aktionäre

    Das sind gute Nachrichten für die Bilanzen der Öl- und Gasmultis. Sie fahren hohe Gewinne ein und treiben ihre eigenen Aktienkurse durch Aktienrückkäufe in die Höhe:

    • Shell hat für das zweite Quartal einen Gewinn von 6,3 Milliarden US-Dollar vermeldet. In den ersten drei Monaten des Jahres lag der Gewinn bei 7,7 Milliarden Dollar. Für Shell-CEO Wael Sawan ist der Aktienkurs seines Unternehmens einer der wichtigsten Gradmesser. Er will dort investieren, wo die “höchsten Renditen” zu erwarten sind. Bis 2025 sollen 40 Milliarden in die Öl- und Gasproduktion investiert werden. Im nächsten Quartal will Shell die Aktienrückkäufe weiter vorantreiben und von seinen Aktionären Anteilsscheine im Wert von 3,5 Milliarden zurückkaufen, um den Kurs zusätzlich in die Höhe zu treiben.
    • BP hat im zweiten Quartal einen Gewinn von 2,76 Milliarden US-Dollar gemacht. In den Jahren 2024 und 2025 will das Unternehmen Aktien in Höhe von jeweils mindestens sieben Milliarden US-Dollar zurückkaufen. Auch BP-Boss Murray Auchincloss legt einen großen Fokus auf den Aktienkurs.
    • ExxonMobil hat im 2. Quartal sogar 9,24 Milliarden Dollar Gewinn verbucht und will die Aktienrückkäufe um 15 Prozent auf 20 Milliarden Dollar pro Jahr anheben.
    • TotalEnergies hat im zweiten Quartal einen Gewinn von 4,7 Milliarden US-Dollar vermeldet, nach 5,1 Milliarden im 1. Quartal. Das französische Unternehmen will im 3. Quartal Aktien im Wert von zwei Milliarden US-Dollar von seinen Aktionären zurückkaufen. Total investierte zuletzt in neue Vorkommen in Namibia und Guyana und hat einen Anteil an einem Schiefergasvorkommen in Texas erworben.
    • Der weltweit größte Ölkonzern Saudi-Aramco hat für das zweite Quartal einen Gewinn von 29 Milliarden US-Dollar ausgewiesen – eine Milliarde weniger als im Vorjahreszeitraum.

    Zurückgeschraubte Klimapläne der Öl- und Gasmultis

    Während die Öl- und Gasunternehmen viele Milliarden Dollar ausgeben, um ihre Aktienkurse künstlich in die Höhe zu treiben, haben viele der Konzerne ihre Klimaziele aufgeweicht und Investitionen in grüne Energien zurückgeschraubt.

    • Shell hat seine Klimaziele Stück für Stück aufgeweicht. Eigentlich sollte die Ölförderung bis 2030 um 20 Prozent sinken. Shells CEO Sawan kassierte diese Zielmarke im Sommer 2023. Auch seine CO₂-Intensität will Shell bis 2030 nur noch um 15 bis 20 Prozent im Vergleich zu 2016 reduzieren. Vorher lag die Zielmarke bei 20 Prozent. Das Ziel von minus 45 Prozent bis 2035 wurde komplett fallengelassen. Im Dreijahreszeitraum von 2023 bis 2025 will das Unternehmen zehn bis 15 Milliarden US-Dollar in CO₂-arme Energien investieren.
    • BP hat seine Klimaziele schon letztes Jahr zurückgeschraubt. Das britische Unternehmen will bis 2030 25 Prozent weniger Öl und Gas fördern als 2019. Vorher lag die Zielmarke bei einer Reduktion von 40 Prozent. Laut eigenen Angaben hat BP im Jahr 2023 3,8 Milliarden Dollar außerhalb des Öl- und Gasgeschäfts investiert, was “rund 23 Prozent der gesamten Investitionsausgaben” sind – und etwa die Hälfte der Summe, die in Aktienrückkäufe fließen soll. Im zweiten Quartal 2024 hat BP die Investitionen in grüne Energien zurückgefahren. Stattdessen wurde der Bau einer weiteren Ölförderanlage im Golf von Mexiko beschlossen, die zehn Millionen Barrel Öl erschließen soll.
    • ExxonMobils CEO Darren Woods sagt sogar, die Energiewende werde noch “viele Jahrzehnte” brauchen. Das Unternehmen hat jüngst 63 Milliarden Dollar in die Übernahme eines Schiefergasunternehmens investiert. In erneuerbare Energien investiert das Unternehmen kaum. Bis 2027 sollen zwar 17 Milliarden Dollar in “kohlenstoffarme Lösungen” fließen, aber dazu gehört auch der Kauf des größten CO₂-Pipelinenetzes in den USA für 4,9 Milliarden. Exxon setzt dabei auf die Abscheidung und Speicherung von CO₂ (CCS), Wasserstoff und Biokraftstoffe.
    • Auch TotalEnergies hat sein Klimaziel zurückgeschraubt. Ursprünglich sollten die CO₂-Emissionen aus der eigenen Produktion bis 2030 noch um 35 bis 40 Prozent sinken. Jetzt zielt das französische Unternehmen nur noch auf eine Reduktion von 20 bis 30 Prozent. Im Vergleich zu Shell, BP und Exxon setzt Total aber stärker auf den Aufbau eines alternativen Geschäftsmodells. Bis 2028 sollen die Investments in die Energiewende Gewinne abwerfen. Allerdings betont auch der Total-Chef Patrick Pouyanné, man müsse weiter in das Öl- und Gasgeschäft investieren.
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    Senegal: So soll neue Ölförderung die nachhaltige Entwicklung sichern

    Bald steigt die Nachfrage: Öltanker im Hafen von Dakar.

    Der Senegal ist mit dem “Sangomar-Projekt” in die Produktion von Offshore-Öl eingestiegen. Das 5-Milliarden-Dollar-Vorhaben des australischen Unternehmens Woodside soll die Wirtschaft des Landes ankurbeln und unabhängiger von Energieimporten machen, stellt aber auch Senegals Klimaschutz-Verpflichtungen infrage. Gleichzeitig soll die Energiepartnerschaft JETP das Land in Richtung Erneuerbare und Gas bewegen.

    Die Ölproduktion im Sangomar-Feld begann im Juni nach vier Jahren Vorarbeit. Das Feld vor der Küste etwa 100 Kilometer südlich der Hauptstadt Dakar ist ein Tiefseeprojekt und wird auf 1,3 Milliarden Barrel Öl geschätzt. Die Anlage kann 100.000 Barrel pro Tag produzieren, und die Unterwasserinfrastruktur ist für einen weiteren Ausbau ausgelegt.

    Meg O’Neill, CEO von Woodside, erwartet, dass das Sangomar-Projekt im Rahmen des Production-Sharing-Vertrags “einen Mehrwert für die Aktionäre generiert.” Die staatliche Ölfirma Petrosen ist mit 18 Prozent an dem Projekt beteiligt.

    Allerdings hat die neue Regierung von Präsident Diomaye Faye angekündigt, die Öl- und Gasverträge neu verhandeln zu wollen. Mit Woodside gibt es derzeit auch Reibung: Das Unternehmen widerspricht juristisch einer Steuernachforderung des senegalesischen Staates in Höhe von etwa 69 Millionen US-Dollar. Die Angelegenheit soll vor Gericht geklärt werden.

    Öl, Gas, Erneuerbare und Hilfe durch die JETP

    Der Beginn der Ölproduktion fällt zusammen mit dem Umbau der Energiewirtschaft des Landes. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) will der Senegal seine Stromerzeugung von Schweröl auf Erdgas umstellen. Das soll die Abhängigkeit von Brennstoffimporten verringern und die Stromkosten und CO₂-Emissionen senken. Die Energiepolitik sei “das Herz der Strategie 2035 für Senegal, dem ‘Plan Senegal Emergent’ (PSE), um nachhaltige Entwicklung und Wirtschaftswachstum zu beschleunigen”, so die IEA 2023.

    Im Juni letzten Jahres hat das Land außerdem eine Partnerschaft für eine gerechte Energiewende (JETP) mit Deutschland, Frankreich und der Europäischen Union unterzeichnet. Ziel ist es, den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix bis 2030 auf 40 Prozent zu erhöhen. Derzeit machen Erneuerbare 30 Prozent der Stromproduktion aus. Nur 65 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu Strom, die Emissionen des Landes aus der Energieversorgung liegen bei neun Millionen Tonnen CO₂. Bis Ende 2024 will das Land eine Langzeit-Strategie (LTS) für die Entwicklung der Emissionen präsentieren. Für die Partnerschaft sagten die Geberländer die Mobilisierung von Finanzmitteln in Höhe von 2,5 Milliarden Euro über drei bis fünf Jahre zu.

    Bundeskanzler Olaf Scholz hatte bei einem Besuch im Senegal im Frühjahr 2022 vorgeschlagen, Deutschland könne beim Ausbau von Offshore-Gasfeldern helfen. Das Projekt traf vor allem beim grünen Koalitionspartner und in der Umweltbewegung auf Kritik. Inzwischen ist eine solche Kooperation offenbar eingeschlafen, das Projekt wird von anderen Partnern entwickelt. Das Land hat laut einer Studie auch große Potenziale für die Entwicklung erneuerbarer Energien und möglicherweise auch von grünem Wasserstoff für heimischen Gebrauch und Export. 

    Als Unterzeichner des Pariser Abkommens hat sich Senegal auch verpflichtet, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den Übergang zu einer nachhaltigen, kohlenstoffarmen Wirtschaft zu vollziehen. Experten fürchten aber, die neue Ölförderung könne die Verpflichtung des Landes zur Kohlenstoffneutralität behindern.

    “Ölgeld für die Entwicklung”

    Souleymane Thiam, Projektentwicklungskoordinator bei der NGO-Plattform ONG Senegal, sagte zu Table.Briefings, das Geld aus dem Verkauf von fossilen Brennstoffen – einschließlich des Anteils des Landes an den Gewinnen der Petrosen und der Steuern -, könnten die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln. Auch gebe es Chancen für lokale Unternehmen: “2019 hat der Senegal ein Gesetz zu ‘Local Content’ eingeführt, das die Einstellung von lokalem Personal und Unternehmen sicherstellt.” Das habe lokalen Unternehmen einen Umsatz von über 250 Millionen Dollar eingebracht.

    Laut des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist Senegal eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Subsahara-Afrika, mit Wachstumsraten von 8,3 Prozent für 2024 und das auch “wegen der Öl- und Gasprojekte, die anlaufen”. Allerdings bleibt der Beitrag des Öl- und Gassektors zum BIP mit unter fünf Prozent gering, warnen Experten laut Medienberichten. Daher könnten auch gut gemanagte Einkünfte aus dem Sektor nur in kleinem Umfang zur Transformation der Wirtschaft beitragen. Und möglicherweise erziele Senegal weniger Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung, als geplant. Bei einem weltweiten Übergang zu sauberer Energie werde die Nachfrage nach Öl und Gas längerfristig sinken, prognostiziert der World Energy Outlook der IEA. Das könnte das Land “in ein ökonomisches Modell einsperren, das nicht mehr funktioniert”, so die Ölanalystin und IPCC-Autorin Yamina Saheb.

    Ndeye Fatou Sy, Programmleiterin bei der NGO Lumière Sunergie pour le Développement (LSD Senegal), sagte zu Table.Briefings, dass sich das Land der Dynamik der Energiewende verschrieben habe. Auf der Grundlage der “Gas to Power”-Strategie setze der Senegal auf Erdgas als “Übergangskraftstoff”, um sowohl seinen Energiebedarf als auch seine Emissionsreduktionsziele bis 2030 zu erfüllen.

    Es gehe um “wirtschaftliche Gerechtigkeit”

    Es gehe auch um “wirtschaftlichen Gerechtigkeit”, weil die Länder des Südens im Vergleich zu den Industrieländern nur einen geringen Anteil am Klimawandel haben. “Deshalb hat die frühere Regierung sehr früh ihre Entscheidung verteidigt, die Öl- und Gasressourcen zur Deckung des Energiebedarfs des Landes zu nutzen.”

    Bei der JETP habe Senegal auch die Stromerzeugung aus Gas vorgeschlagen. Das bringe auch Probleme mit dem Klimaschutz, da die Unternehmen das Gas abfackeln und Methan ausstoßen. “Die Herausforderung für das Land wird darin bestehen, aus Beispielen wie Nigeria zu lernen, damit es nicht in dieselbe Situation gerät”. Trotz der JETP mit Europa hat Senegal seine erste Rohöllieferung in die Niederlande und nach Deutschland exportiert. Und auch die JETP lasse noch Fragen offen: “Die JETP befindet sich im Prozess mit dem Ministerium für Erdöl, Energie und Bergbau. Dem JETP-Konzept ‘fair’ mangelt es jedoch an Konkretheit und es ist noch nicht klar definiert, an wen es sich richtet.”

    Für Fatou Sy arbeitet die derzeitige Regierung von Präsident Diomaye Faye erst an einem Programm zur Energiewende. Der Präsident habe sich aber verpflichtet, eine nationale Strategie für den ökologischen Übergang zur nachhaltigen Entwicklung (SNTEDD) und einen nationalen Fonds zur Förderung der grünen Wirtschaft (FNPEV) einzurichten.

    “Leider wurde die Debatte über die gerechte Energiewende außer von den gesellschaftlichen Akteuren und den betroffenen Gemeinden noch nicht von der breiten Öffentlichkeit aufgegriffen. Dabei sind die Nebeneffekte der Erdöl- und Erdgasförderung für die Masse der Menschen von größerem Interesse”, sagt Sy. Mitarbeit: Lucia Weiß, Dakar

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    Termine

    12. August, 19 Uhr, Online
    Diskussion Zukunft des Autos – Autos der Zukunft
    Rund drei Viertel aller Wegstrecken legen Deutsche mit dem Auto zurück. Doch die Bekämpfung der Klimakrise erfordert auch eine Diskussion über nachhaltige Mobilität und die Zukunft des Automobils. Auf dieser Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung wird darüber diskutiert, wie eine nachhaltige Zukunft des Autos aussehen kann. Info

    13. August, 10 Uhr, Online
    Webinar Werkzeuge für die treibhausgasneutrale Kommune
    In diesem “Werkzeuge-Webinar” der Agentur für kommunalen Klimaschutz werden Lösungsansätze zur Überwindung des Fachkräftemangels im Bereich des kommunalen Klimaschutzes vorgestellt. Info

    13. August, 12 Uhr, Online
    Kongress Ressourceneffizienz durch Digitalisierung
    Das Bundesministerium Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und die Community Nachhaltige Digitalisierung laden ein. Passend zu den hohen Temperaturen wird gezeigt, was Digitalisierung und Eis gemeinsam haben. Info

    13. August, 16 Uhr, Online
    Webinar On Extreme Heat: Opportunities to Mitigate Risks in Cities
    Das World Resources Institute und der Thinktank Urban Shift diskutieren in diesem Webinar darüber, mit welchen Strategien Städte heruntergekühlt werden können. Info

    14. August, 10 Uhr, Online
    Webinar Integrierte Stadtentwicklungskonzepte – Informelle Instrumente für die Klimaanpassung nutzen
    Das Zentrum für Klimaanpassung diskutiert mit Vertreterinnen der Stadt Chemnitz darüber, wie sich Integrierte Stadtentwicklungskonzepte (INSEK) als informelle Instrumente für die Klimaanpassung einsetzen lassen. Info

    14. August, 20 Uhr, Göttingen
    Gespräch Raus aus der AUTOkratie
    In ihrem Buch “Raus aus der AUTOkratie ­- rein in die Mobilität von morgen” (S. Fischer 2024) widmet sich Katja Diehl der gesellschaftlichen und systematischen Ebene der Verkehrswende. Auf der Veranstaltung der Stiftung Leben & Umwelt und der Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen spricht Diehl mit Vertretern der Stadt Göttingen über die Verkehrswende. Info

    17. August, 17 Uhr, Kiel
    Spaziergang Stadtentwicklung in Zeiten der Klimakrise – Wie Grünflächen schützen?
    Am Beispiel des Vieburger Gehölz werden auf diesem Spaziergang der Rosa-Luxemburg-Stiftung Einflüsse der Klimakrise auf Wälder und Grünflächen erklärt. Info

    News

    Klima in Zahlen: So groß ist die “Hitzewelle” im Antarktis-Winter

    An den Polgebieten der Erde gehen die Temperatur-Rekorde weiter. Mitten im südpolaren Winter messen die Wetterstationen in der östlichen Antarktis Höchststände am Boden: Im Schnitt lagen im Juli die Temperaturen um etwa 10 Grad Celsius über dem Normalwert für die Jahreszeit. An der Messstation am Südpol wurden statt des Durchschnittswerts von etwa minus 47 Grad Celsius im Juli mehr als sechs Grad höhere Werte gemessen. In manchen Regionen des eisigen Kontinents zeigte das Thermometer bis zu 28 Grad höhere Temperaturen als im langjährigen Mittel.

    Die Polregionen sind von der Erderhitzung besonders betroffen. Studien zeigen, dass sich die Arktis über die letzten 43 Jahre etwa viermal so schnell erwärmt hat wie der Rest des Planeten. Bereits im März 2022 war die Antarktis Ort einer “Hitzewelle”, die dort bis zu 40 Grad Celsius über den Mittelwerten lag – allerdings immer noch bei minus 12 Grad. Experten erwarten, dass die aktuell relativ hohen Temperaturen auch einen erneuten Niedrigstand bei der Ausdehnung des antarktischen Meereises nach sich ziehen könnten. Schon im Oktober 2023 hatte die Fläche ein Rekordminus aufgewiesen.

    Die Hitzerekorde an den Polen entsprechen den Modellen und Erwartungen aus der Wissenschaft. Vor allem die Störung der Luftströmungen um die Pole (“Polarwirbel”) durch die erwärmte Luft können zum Einbruch von warmen Luftmassen in die Polgebiete führen. Die in den letzten Monaten extrem hohen Meerestemperaturen und Klimaphänomene wie das gerade verklungen “El Niño” tragen ebenfalls zur Erwärmung bei. bpo

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    Verkehr und Gebäude: Warum die DUH die Bundesregierung erneut verklagt

    Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine weitere Klimaklage gegen die Bundesregierung erhoben – diesmal auf Basis von EU-Regeln und bezogen auf die Emissionen der Sektoren Verkehr, Gebäude und Landnutzung. Unter Berufung auf die EU-Klimaschutzverordnung und die LULUCF-Verordnung beantragt die Organisation in ihrer Klageschrift, das Gericht möge die Bundesregierung dazu verpflichten, einen Plan mit “zusätzlichen Aktionen” vorzulegen, die ausreichten, um diese Emissionen gemäß der EU-Vorgaben zu senken. Daneben fordert die DUH “umgehende Sofortmaßnahmen wie ein Tempolimit, eine Sanierungsoffensive bei öffentlichen Gebäuden und eine massive Reduktion des Holzeinschlags in Wäldern”.

    In den sogenannten ESR-Sektoren (Effort Sharing Regulation) sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, gemeinsam ihre Emissionen in den Bereichen Verkehr, Gebäude, Kleinindustrie, Abfall und Landwirtschaft bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Deutschlands Beitrag liegt sogar bei einer Halbierung der Emissionen. Bleibe Deutschland auf dem derzeitigen Kurs, werde es das Ziel “krachend verfehlen”, so die DUH, “insbesondere wegen der massiv überhöhten Emissionen in den Sektoren Verkehr und Gebäude”. Kein anderes Mitgliedsland stehe derart schlecht da. Das Umweltbundesamt schätzt den Umfang der Zielverfehlung bis 2030 in seinem aktuellen Treibhausgasprojektionsbericht auf 126 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente.

    Deutschland droht Milliarden-Zahlung

    Hält Deutschland die ESR-Ziele nicht ein, müsste es ab 2030 zum Ausgleich Emissionszertifikate aus anderen EU-Staaten erwerben. Der DUH zufolge könnte das Zahlungen “in zweistelliger Milliardenhöhe” bedeuten. Ab dem Jahr 2027 wird es zudem auch für den Verkehrs- und Gebäudesektor einen EU-Emissionshandel geben (ETS 2).

    Im Landnutzungssektor (LULUCF) verpflichtet das EU-Recht Deutschland, klare Ziele für die Speicherung von Kohlendioxid in Ökosystemen wie Wäldern oder Mooren zu erfüllen. Auch hier sieht die DUH “bislang keine ausreichenden Korrekturmaßnahmen” und zieht deshalb vor Gericht. Derzeit klagt die Organisation auf unterschiedlichen Ebenen mehrfach gegen die Bundesregierung, um diese zu einer ehrgeizigeren Klimapolitik zu verpflichten. Unter anderem laufen Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Bundesverfassungsgericht. ae

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    Energiewende: So günstig ist Strom aus Photovoltaik und Batteriespeicher

    Große Photovoltaikanlagen und Onshore-Windräder produzieren laut neuen Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Deutschland am günstigsten Strom. Selbst in Kombination mit Batteriespeichern produzieren Photovoltaik-Dachanlagen und -Freiflächenanlagen demnach günstiger Strom als viele konventionelle Technologien wie Gas, Kohle- und Kernkraftwerke.

    Laut ISE-Prognosen gibt es bei der Solar- und Windkraft weiterhin große Potenziale für Kostenreduktionen. Für das Jahr 2045 könnten kleine Photovoltaik-Batteriesysteme Stromgestehungskosten zwischen sieben und 19 Cent pro Kilowattstunde erreichen. Onshore-Windkraftanlagen könnten dann sogar für 3,7 bis 7,9 Cent pro Kilowattstunde Strom erzeugen, so die Studie. Auch Offshore gäbe es noch viel Potenzial. Besonders größere Windkraftanlagen und eine höhere Auslastung könnten zur Kostenreduktion beitragen.

    Bei den von der Bundesregierung ausgeschriebenen Gaskraftwerken, die mit Wasserstoff betrieben werden sollen, sieht das ISE höhere Kosten von 23 bis 43 Cent pro Kilowattstunde für das Jahr 2030, da die Kraftwerke hochflexibel gefahren würden und deshalb nur eine geringe Auslastung aufweisen werden. Zusätzlich kämen hier CO₂-Preise und die Beschaffung von Wasserstoff als Kostenfaktoren hinzu. Laut ISE seien diese flexiblen Kraftwerke allerdings für die zukünftige Stromversorgung als Backup nötig. nib

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    Österreich: Darum löst sich die Letzte Generation auf

    Der wohl letzte Klimastreik der Letzten Generation – am Flughafen Wien im Juli 2024.

    Die Letzte Generation stellt in Österreich ihre Proteste ein und löst sich auf. Man könne als Bewegung “keine politischen Veränderungen mehr erzielen”, sagt Pressesprecherin Afra Porsche zu Table.Briefings. Die Entscheidung sei daher schon länger im Raum gestanden. Kritik übt Porsche an der Kriminalisierung der Proteste, die “verantwortungslos” sei – sie rügt aber auch die “ignoranten Politiker” und die Bevölkerung, die sich zu sehr darauf verlassen habe, dass “die Letzte Generation den Arsch hochkriegt und etwas tut”.

    Das Ende der Kampagne bedeute aber nicht, dass es künftig keinerlei Klimaproteste mehr in Österreich geben werde – dann aber unter neuem Namen. “Wir machen Platz, damit Neues entstehen kann”, teilte die Letzte Generation am Dienstag mit. Obwohl die Bewegung nie als Langzeitprojekt gedacht war, wie Porsche sagt, gebe es trotzdem eine “gewisse Ratlosigkeit und Entsetzen darüber, dass die letzten, die etwas versucht haben, aufgeben”. Bereits im November 2023 hatte sich ein Teil des Führungsteams wegen strategischer Differenzen zurückgezogen. Dies sei aber kein Grund für die Auflösung gewesen, sagt Porsche.

    Die restlichen Finanzmittel würden nun verwendet, um die Kosten der zahlreichen Verfahren gegen Mitglieder der Letzten Generation zu decken. Einzelne Aktivistinnen und Aktivisten müssten mehrere zehntausend Euro zahlen. In Deutschland sei hingegen kein Ende des Protests geplant, wie Sprecherin Marion Fabian erklärt. Es werde unter anderem weitere Aktionen an Flughäfen gegen den klimaschädlichen Flugverkehr geben, kündigte sie an. dpa/lb

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    CO₂-Kompensation: So viele Zertifikate erfüllen nicht die Standards

    Etwa ein Drittel der bestehenden CO₂-Zertifikate erfüllt nicht die Kriterien für einen neuen Standard, der als globaler Maßstab für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt dienen soll. Grund dafür sei die fehlende “Zusätzlichkeit” der betroffenen Projekte. Es handele sich hierbei ausschließlich um Projekte zu erneuerbaren Energien, die auch ohne die Einnahmen aus dem Kauf der 236 Millionen CO₂-Zertifikate umgesetzt worden wären, erklärte der Vorstand des Integrity Council for the Voluntary Carbon Market (ICVCM) am Dienstag.

    Mit den sogenannten Core Carbon Principles (CCP) bewertet das unabhängige Kontrollorgan die Integrität der CO₂-Zertifikate. Die Nachfrage war im vergangenen Jahr ins Stocken geraten, weil bezweifelt wurde, ob die Gutschriften tatsächlich zu einer Verringerung der Emissionen führen. Dadurch sank der ohnehin niedrige Preis um 69 Prozent auf durchschnittlich 3,88 US-Dollar pro Tonne CO₂, wie ein Bericht der gemeinnützigen Organisation Ecosystems Marketplace vom Mai zeigt. Aufgrund der Nicht-Erfüllung des CCP-Standards könnte Analysten zufolge der Preis für Zertifikate aus Erneuerbare-Energien-Projekten in diesem Jahr noch weiter fallen. Dennoch sieht Amy Merrill, Geschäftsführerin des ICVCM, Potenzial für erneuerbare Projekte am freiwilligen Kohlenstoffmarkt – sofern diese das Kriterium der “Zusätzlichkeit” erfüllen. rtr

    • CO2-Zertifikate
    • Emissionshandel

    Klimaschutz: Neues Förderprogramm für gemeinwohlorientierte Unternehmen

    Angestoßen wurde das Projekt bereits von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier, fertiggestellt hat es nun der grüne Wirtschafts-Staatssekretär Sven Giegold: An diesem Mittwoch startete ein neues Förderprogramm für gemeinwohlorientierte Unternehmen. Die Richtlinie dafür hatten BMWK und BMBF gemeinsam erarbeitet. Insgesamt stehen für das Programm bis zum Jahr 2028 rund 110 Millionen Euro zur Verfügung; gut die Hälfte davon stammt aus dem Europäischen Sozialfonds. Gemeinwohlorientierte Unternehmen seien “wesentliche Impulsgeber für wirksamen Klimaschutz, etwa durch treibhausgasneutrale Produkte und Dienstleistungen, Versorgung mit erneuerbaren Energien, moderne Mobilitätslösungen, Konzepte gegen Lebensmittelverschwendung, neue Ansätze des Ressourcenmanagements oder durch ökologische Landnutzung” heißt es in der Richtlinie.

    Von der neuen Förderung können nach Angaben des BMWK rund 800.000 Unternehmen profitieren. Diese erfüllen die EU-Definition, nach der primär soziale oder ökologische Zwecke verfolgt und mindestens die Hälfte der Gewinne wieder dafür eingesetzt werden müssen. Gefördert werden soll nicht die wirtschaftliche Aktivität selbst, sondern Beratungs- und Qualifizierungsleistungen sowie Vernetzungsangebote. “Gemeinwohlorientierte Unternehmen verdienen die gleiche Förderung wie alle anderen Unternehmen auch”, sagte Giegold. Bisher waren diese von vielen Förderprogrammen ausgeschlossen. In der Regel werden 85 Prozent der nachgewiesenen und zuschussfähigen Kosten für eine Maßnahme erstattet. Noch höher fällt die Förderung aus bei Maßnahmen, “die einen signifikanten Beitrag zu den Klimaschutzzielen der Europäischen Union leisten”; für diese werden 95 Prozent der Kosten übernommen. mkr

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    Europas Grundwasserspiegel teils stabiler als angenommen

    Klimawandel und anthropogene Einflüsse können die Grundwasserspiegel vor allem in Südwesteuropa zwar gefährden, jedoch sind die Vorräte wohl stabiler als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniertes internationales Forschungsteam. Dafür haben sie über 12.000 Grundwasserbrunnen in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien untersucht.

    Die Daten zeigten, dass die Brunnen in Regionen mit gemäßigtem Klima und ganzjährig hohen Niederschlägen wie zum Beispiel in Nordfrankreich über mehrere Jahrzehnte hinweg stabil seien. In anderen Regionen wie etwa dem unteren Po-Einzugsgebiet bei Ravenna steige der Grundwasserspiegel sogar an.

    In semiariden Regionen mit häufigen Dürreperioden und nur kurzzeitigen Niederschlägen sowie in gemäßigten Regionen mit großen Städten sinken dagegen die Grundwasserpegel. Mitentscheidend sei auch die intensive Landwirtschaft. “Die vier Mittelmeerländer sind für einen großen Teil der Obst-, Gemüse- und Getreideproduktion in der EU verantwortlich”, sagt UFZ-Hydrologe und Studienautor Seifeddine Jomaa. Das Grundwasser liefere zwischen 30 und 50 Prozent des Wassers, das für die Bewässerung in der Landwirtschaft, beispielsweise in Tarbes (Frankreich) und Medina del Campo (Spanien), eingesetzt werde.

    Maßnahmen gegen sinkende Grundwasserspiegel

    Die Forscher empfehlen, in gefährdeten Regionen lokale Wassernutzervereinigungen zu gründen, um mit einer Kombination aus Monitoring, Fernerkundung und Wassernutzungsplänen den Rückgang des Grundwasserstands zu stoppen. Dies habe sich in anderen Regionen bewährt, in denen die Grundwasserspiegel schon seit vielen Jahrzehnten sinken, sagen die Forscherinnen und Forscher.

    Auch Deutschland könne von den Erfahrungen in Südwesteuropa profitieren, sagt Seifeddine Jomaa. “Zum Beispiel, wie Grundwasser optimal genutzt werden kann, welche Bewässerungsmethoden in der Landwirtschaft wirksam sind, wie sich Stakeholder stärker engagieren lassen und welche Fehler in Zukunft vermieden werden können.” luk

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    Standpunkt

    E-Mobilität made in Europe statt Scheindebatten über Verbrenner-Technologie der Vergangenheit

    Von Sebastian Bock
    Sebastian Bock ist Geschäftsführer beim Umweltdachverband Transport & Environment Deutschland

    Am 17. Juli berichtete Table.Briefings über ein Positionspapier mit der Forderung, den EU-Verbrenner-Kompromiss für 2035 zu kippen. Leider halten die Ergebnisse der Autor:innen um Verbrenner-Experte Thomas Koch einem kritischen Blick nicht stand. 

    Koch und seine Kolleg:innen argumentieren, dass die Emissionen von batterieelektrischen Fahrzeugen eigentlich viel höher seien, als von Wissenschaft und EU angenommen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, nimmt Kochs Team zwei unzulässige Vereinfachungen vor. Zum einen suggeriert Kochs Gruppe, dass die zusätzliche Stromnachfrage für Produktion und Betrieb von E-Autos mit fossilen Brennstoffen bedient werden wird. Zum anderen offenbaren die Autor:innen des Positionspapiers mangelndes Verständnis der Funktionsweise und des Zusammenspiels verschiedener Teile der EU-Klima-Regulatorik. 

    Zur Berechnung der CO₂-Emissionen des verwendeten Stroms nutzt das Positionspapier einen sogenannten Marginalansatz. Dieser Ansatz geht davon aus, dass für jedes E-Auto, das gebaut oder geladen wird, ein Kohle- oder Gaskraftwerk zusätzlichen Strom erzeugt. Diese Annahme ist irreführend, weil sie die bereits stattfindende Energiewende und Planungen der Stromindustrie unterschlägt.

    Kochs Emissionswerte deutlich zu hoch

    Tatsächlich planen Netzbetreiber und Energieanbieter bereits heute die zu erwartende Stromnachfrage durch E-Autos ein (siehe z. B. ENTSOE-Energiebedarfsprognose). Dadurch wird der Ausbau der erneuerbaren Energien so dimensioniert, dass die Kraftwerkskapazitäten den von der E-Auto-Flotte benötigten Strom liefern können. Darüber hinaus laden E-Autos oft zu Zeiten, an denen sehr viel erneuerbarer Strom im Netz ist (z. B. nachts oder in den Mittagsstunden am Arbeitsplatz). Dieses netzdienliche Laden wird in Zukunft durch innovatives Lade- und Netzmanagement noch verbessert werden.

    Statt des von Kochs Gruppe verwendeten Marginalansatzes, sollte der durchschnittliche Strommix eines Landes oder einer Region verwendet werden, um die Emissionsintensität von Produktion und Betrieb eines E-Autos zu berechnen. 

    Mit dieser Methode zeigen die Modellierungen von T&E, dass ein mittelgroßes E-Auto, das mit dem durchschnittlichen EU-Strom-Mix produziert und aufgeladen wurde, über die gesamte Lebenszeit 75 gCO2/km emittieren würde, falls es 2022 gekauft wurde, und 46 gCO2/km, falls es 2030 gekauft wird. Studien des ICCT und der IEA kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die im Positionspapier berechneten Werte von 157 gCO2/km liegen also um ein Vielfaches daneben.

    Koch unterschlägt, wie Klimaschutz funktioniert

    Neben diesen falschen Berechnungsgrundlagen weist das Positionspapier einen schwerwiegenden Fehler im Verständnis der Regulierungs-Logik der EU-Klimagesetzgebung auf. Das Papier suggeriert, dass die “realen” Emissionen von E-Autos deutlich höher seien, weil lediglich die Emissionen am Auspuff der Fahrzeuge in die Berechnung einfließen. Da E-Autos beim Fahren selbst keine Emissionen verursachen, der produzierte Strom jedoch je nach Stromquelle schon, sei dies eine unzulässige Bevorteilung von E-Mobilität. Was auf den ersten Blick plausibel erscheint, unterschlägt, wie Klimaschutz in Europa funktioniert

    Die Methodik der von der EU beschlossenen Flottengrenzwerte berücksichtigt aus einem guten Grund nur die direkten Auspuffemissionen: Weil die Hersteller der Fahrzeuge Regulierungsgegenstand sind, kann nur reguliert werden, worauf die Autobauer selbst direkten Einfluss nehmen können. Emissionen aus vorgelagerten Sektoren wie der Stromerzeugung werden explizit durch andere Regulierungen adressiert (z. B. EU-Emissionshandel). Es ist gerade das Zusammenspiel verschiedener Regulierungen innerhalb des Green Deals, das sicherstellen soll, dass Europa das Ziel der CO₂-Neutralität erreicht. 

    Der EU-Verbrenner-Kompromiss für 2035 ist hierbei die wichtigste Maßnahme zur Senkung der Verkehrsemissionen. Wenn Europa seinen Spitzenplatz in der Automobilindustrie verteidigen will, braucht es Vorschläge, wie wir E-Mobilität made in Europe voranbringen und keine methodisch fragwürdigen Scheindebatten über die Verbrenner-Technologie der Vergangenheit.

    Sebastian Bock ist Geschäftsführer beim Umweltdachverband Transport & Environment Deutschland

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