bemerkenswerte Einigkeit heute im Forschungsausschuss: Ampel- und Unionspolitiker forderten eine stärkere Berücksichtigung von Wissenschaft in der Außenpolitik. Science Diplomacy solle ein beständiges, wirksames und wehrhaftes Instrument einer Diplomatie in Krisenzeiten sein. Gleichzeitig brauche die Wissenschaft den internationalen Austausch, durch gemeinsame Projekte und über Personen, die nach Deutschland kommen und von hier in andere Länder gehen. Über fünf konkrete Forderungen der eingeladenen Sachverständigen für eine aktivere Wissenschaftsaußenpolitik berichtet Tim Gabel.
Zumindest einen Punkt davon hat auch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger im Blick: die Forschungssicherheit. In der Befragung der Bundesregierung im Bundestag hob sie deren Bedeutung für die technologische Souveränität Deutschlands und Europas hervor. Dazu mehr in den News.
Und auch Iliana Ivanova, EU-Forschungskommissarin, macht klar: Die Mitgliedsstaaten sollen sich besser auf potenzielle Risiken vorbereiten. Gleichzeitig stehe fest, dass man in Europa die akademische Freiheit und die institutionelle Autonomie der Forschungseinrichtungen respektieren müsse, sagte sie Nicola Kuhrt im Interview. Offenheit und Freiheit seien schließlich die DNA von Horizon Europe und machten dieses Programm so attraktiv – auch für viele Nicht-EU-Staaten.
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Forschungspolitiker der Ampel-Parteien und der Unionsfraktion fordern eine stärkere Rolle von Forschung und Wissenschaft in der außenpolitischen Diplomatie – gerade in Krisenzeiten. Es sei wichtig, “dass die regierungstragenden Fraktionen der Bundesregierung einen Wegweiser an die Hand geben, wie sie gemeinsam mit den Bundesländern die Internationalisierung der Wissenschaft interessen- und wertegeleitet vorantreibt”, sagte der Vorsitzende des Forschungsausschusses Kai Gehring gestern vor der Sachverständigen-Anhörung im Gespräch mit Table.Media.
Der Antrag zur “Internationalisierung von Wissenschaft und Hochschulbildung” der Ampel-Fraktionen war Grundlage für die aktuelle Ausschusssitzung. Antrag, Anhörung und Sitzung sind als Kritik, zumindest aber als Mahnung zum Handeln an die eigene Regierung zu verstehen. Wissenschaft solle als beständiges, wirksames und wehrhaftes Instrument einer Diplomatie in Krisenzeiten dienen, so konnte man die Forderungen der Regierungsparteien verstehen. Gleichzeitig brauche das deutsche Wissenschaftssystem – wenn es exzellent sein will – den Austausch mit internationalen Forschenden.
Um die Forderungen mit Expertise aus der Praxis zu unterstreichen, hatte man sich dazu kompetente Wegweiser aus dem Wissenschaftssystem eingeladen: Enno Aufderheide (Alexander von Humboldt-Stiftung), Angela Ittel-Polatschek (HRK), Beate Kampmann (Charité Center for Global Health), Katrin Kinzelbach (FAU Erlangen-Nürnberg), Kai Sicks (DAAD) und Marc-Philippe Weller (Universität Heidelberg) hatten im Kern fünf Forderungen mit in den Ausschuss gebracht:
In den Fragerunden der Parlamentarier wurde ein weiterer Schwerpunkt deutlich, der den Ampel-Parlamentariern ein Anliegen ist: “Wir bekennen uns klar zu Nothilfen, die Studierende und Forschende in Krisengebieten brauchen. Einerseits ist dies aus humanitären Gründen geboten, aber auch aus dem Interesse, dass globale Wissensflüsse nicht verloren gehen, sondern aus Deutschland weiter organisiert werden können”, sagte Ruppert Stüwe zu Table.Media.
Deutschland müsse international als sicherer Hafen für verfolgte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gelten, betont auch Stephan Seiter im Gespräch: “Wir haben als Koalition daher erneut bekräftigt, dass Überwachung, Bedrohung und Verfolgung durch autokratische Regierungen und nicht-staatliche Akteure an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit aller Härte begegnet werden muss”. Seiter schlägt eine Akademie nach dem Vorbild der ‘University in Exile’ an der New-School in New-York vor. “Eine solche Einrichtung kann einen Beitrag leisten, verfolgte und bedrohte Wissenschaftler aus aller Welt in unser Wissenschaftssystem zu integrieren.”
Die Gefahr, dass Forschungsergebnisse missbraucht werden könnten, sei längst konkret, sagt EU-Forschungskommissarin Iliana Ivanova. Es stellten sich viele Fragen, etwa wie weiterhin zivile und militärische Forschung klar voneinander getrennt werden oder wie Forschungseinrichtungen geschützt werden können. Viele Mitgliedstaaten haben die Europäische Union gedrängt, einige gemeinsame Leitlinien vorzulegen, damit sie sich besser auf mögliche Risiken vorbereiten können, berichtet Ivanova im Gespräch. Daher habe man Empfehlungen zur Forschungssicherheit ausgearbeitet.
“Wir müssen das Gleichgewicht wahren und weiterhin in der Lage sein, die Offenheit und Freiheit zu bieten, die in der DNA des Programms Horizont Europa liegt”, sagt Ivanova. Man wolle der Welt gegenüber und ausländischen Partnern offen sein. So wie es bei den Verhandlungen mit der Schweiz der Fall sei. Hier laufen erste Gespräche, Ivanova hofft, dass das Land bald wieder in den europäischen Forschungsraum eintritt.
Optimistisch betrachtet, könnten die Verhandlungen gegen Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres erfolgreich abgeschlossen werden, erklärt die Kommissarin. Großbritannien sei bereits zu Beginn dieses Jahres beigetreten. Vonseiten der Kommission gebe es einen starken Willen, ein erfolgreiches Ergebnis zu erzielen.
Seit einem halben Jahr ist die Politikerin aus Bulgarien nun Forschungskommissarin. Den Etat für Forschung und Innovationen zu bewahren – oder besser noch zu steigern – bleibe ihr ein wichtiges Ziel. “Dies war und ist eine Priorität, denn ich glaube nicht, dass wir die vielen globalen Herausforderungen ohne zusätzliche und höhere Investitionen in Forschung und Innovation bewältigen können.” Die Ergebnisse der Bewertung von Horizont 2020 zeigten, dass sich das Engagement für Forschung und Innovation auszahlen. Es werde erwartet, dass ein investierter Euro den Bürgern bis 2040 einen Nutzen von fünf Euro bringe.
“Die europäische Forschung und Innovation haben zu bedeutenden Entdeckungen, zur Bekämpfung von Pandemien, zur Entwicklung von Impfstoffen und zu Antworten auf globale Herausforderungen wie den Klimawandel und geopolitische Spannungen beigetragen”, sagt Ivanova.
Über die kürzlich erfolgte 2,1 Milliarden Euro Kürzung sei sie nicht glücklich, erklärt Ivanova. Aber sie sei sich “bewusst, dass wir uns hier in einem sehr wichtigen und komplexen Rahmen bewegen. Und natürlich müssen wir uns um sehr wichtige Notlagen kümmern.” Auch die Förderung der Widening-Länder soll fortgesetzt werden. Es herrsche eine anhaltende Kluft zwischen den Ländern, die in Forschung und Innovation hervorragende Leistungen erbracht haben und auf die der Großteil der Horizont-Fördermittel entfällt, und den Ländern, die ihr Potenzial noch nicht voll ausschöpfen.
“Mit den bestehenden Widening-Maßnahmen sind bereits gute Fortschritte erzielt worden.” Dennoch sei sie überzeugt, dass mehr getan werden müsse, “denn es geht hier nicht nur um Exzellenz und Widening. Es geht auch um den Zugang zu Exzellenz im Allgemeinen.” Man müsse Informationen bereitstellen, die alle Teilnehmer und alle Begünstigten in ganz Europa frühzeitig erreichen, damit alle den gleichen Zugang haben. Daran arbeite man derzeit.
Das ganze Interview mit Iliana Ivanova lesen Sie hier.
Als Stimme gegen den Antisemitismus haben Sie und rund 70 Hochschullehrende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Anfang Februar das “Netzwerk jüdischer Hochschullehrender” gegründet. Was war die Motivation?
Nach dem 7. Oktober haben viele, darunter auch ich, einen “safe space” vermisst, in dem sich jüdische Hochschullehrende über die schmerzlichen Ereignisse, Antisemitismusfragen, Studierendenbedürfnisse austauschen können, sowie über die Fragen, wie jüdisches Leben auf dem Campus sichtbarer und vielleicht auch sicherer gemacht werden kann. Es gibt bereits eine Plattform der jüdischen Studierendenunion, doch auf der professoralen Ebene eben noch nicht. Wir wollten diese Lücke füllen.
Wie stark hat Antisemitismus an den Hochschulen zugenommen?
Insgesamt hat sich die Anzahl der antisemitischen Vorfälle in Deutschland seit dem 7. Oktober vervierfacht. Das spüren wir auch an den Universitäten. Auch wenn einige es nicht wahrhaben wollen: Antisemitismus existiert in allen Schichten, an allen Orten, auch unter Studierenden und Lehrkräften. Forschungen zeigen, dass in den vergangenen Jahren Antisemitismus von jüdischen Menschen in Deutschland als ein sehr großes Problem wahrgenommen wurde.
Anfang Februar wurde ein israelischer Student der FU-Berlin von einem Kommilitonen zusammengeschlagen. Die Tat fand zwar nicht auf dem Campus statt, sondern in Berlin-Mitte. Trotzdem ist die Frage, ob die Universität angemessen darauf reagiert hat.
Die Reaktion an der FU zeigt: Es fällt leichter, sich offen und klar gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Wenn es um Antisemitismus geht, wird das Problem oft nicht beim Namen genannt oder gar als Konflikt oder Streit umgedeutet. Juden werden nicht ausreichend geschützt. Wenn ein jüdischer Studierender krankenhausreif geschlagen wird, bedarf es einer eindeutigen Reaktion der Hochschule. Jüdische Studenten sollen sich angstfrei auf dem Campus bewegen können. In einer Atmosphäre, in der weiter antisemitische Hetze betrieben wird, ist das jedoch nicht möglich. Der Angriff hat gezeigt, wie solche Hetze in Gewalt übergeht. Gerade erst fand wieder eine Demonstration des “Palästinakomitees FU Berlin” statt.
Die von der FU jedoch weder veranstaltet noch genehmigt wurde, wie sie erklärt hat. Machen jüdische Hochschullehrende ähnliche Erfahrungen wie jüdische Studierende?
Veranstaltungen zu Israel und Antisemitismus benötigen oft leider besondere Sicherheitsmaßnahmen. In der letzten Zeit werden einige Veranstaltungen gestört. Ein friedlicher Dialog über jüdisches Leben wird damit verhindert beziehungsweise erschwert. Für jüdische Studierende stellt sich die Situation aus unterschiedlichen Gründen als ausgesprochen schwierig dar: Zunächst gibt es ein allgemeines Gefühl der Verunsicherung und Vorsicht. Viele versuchen, nicht als Juden aufzufallen. Sie sprechen kein Hebräisch oder verstecken jüdische Symbole. Verbale Beleidigungen oder Nachstellungen sind immer wieder an einigen Universitäten zu beobachten. Plakate der jüdischen Geiseln werden abgerissen, die Gesichter darauf zerkratzt, Israelflaggen mit roter Farbe beschmiert und Veranstaltungen zum Thema Israel oder mit Israelis werden gestört. Eine entschiedene Antwort von Hochschulen auf einen solchen antisemitischen Aktivismus bleibt häufig aus. Die jüdischen Studierenden sind dann auf sich allein gestellt.
Was sind die Ziele Ihres Netzwerks?
Da ist zum einen der Austausch in einem “safe space”. Viele haben Verwandte in Israel oder sind antisemitischer Gewalt ausgesetzt. Im Netzwerk kann man sich untereinander unterstützen und den jüdischen Studierenden helfen, weil sie mit Anfeindungen zu kämpfen haben. Wir wollen für das Phänomen Antisemitismus sensibilisieren, sowohl in den Hochschulstrukturen als auch auf der öffentlichen Ebene, etwa durch pädagogische Formate und Veranstaltungen.
Wie wurde das Netzwerk bisher aufgenommen?
Wir sind mittlerweile über 90 Mitglieder und wachsen sehr schnell. Es gibt großen Redebedarf, gerade was die aktuelle Situation, aber auch die geschichtliche Tradierung des Antisemitismus betrifft. Antisemitismus ist tief in der Diaspora verwurzelt, und familiäre Erzählungen sowie Bewältigungsstrategien erstrecken sich über Generationen.
Welche Maßnahmen müssen Hochschulen ergreifen, um die Situation zu verbessern?
Aus meiner Sicht sind klare Schritte erforderlich, sobald verbale Kommunikation in Gewalt umschlägt. In solchen Fällen sollte das Hausrecht aktiv genutzt werden. Ein offener Dialog zu verschiedenen Meinungen und Themen ist wichtig und wird befürwortet, aber nicht, wenn die eigene Identität physisch oder verbal angegriffen wird. Hochschulen müssen sich dem Problem stellen und alle Formen des Antisemitismus bekämpfen – im Hier und Jetzt.
Befürchten Sie, dass sich die Situation weiter verschärfen könnte?
Ich bin keine Prophetin, aber aus der Forschung weiß ich, dass jede Eskalation im Nahen Osten unmittelbar Auswirkungen auf das Leben von Juden weltweit hat. Dabei ist wichtig klarzustellen: Juden werden nicht wegen des Nahostkonflikts gefährdet, sondern wegen mit dem Nahostkonflikt in Verbindung gebrachtem Antisemitismus in Deutschland. Das war in der Vergangenheit so und wiederholt sich jetzt. Es ist wichtig, über die Mechanismen des Antisemitismus aufzuklären, gerade wenn sie oft als Verkörperung des Bösen, als Faschisten oder als Genozid betreibende Täter stigmatisiert werden. Abgesehen von der aktuellen Situation in Israel und Gaza muss gesellschaftlich und institutionell auf Antisemitismus reagiert werden.
Julia Bernstein ist seit 2014 Professorin für Diskriminierung und Inklusion in der Einwanderungsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Science. Ihr Forschungsschwerpunkt ist Antisemitismus. Sie hat Kunstgeschichte, Soziologie und Kulturanthropologie an der Universität Haifa in Israel studiert.
8. März 2024, 10:00 Uhr, Frankfurt am Main und online
Diskussion Wissenschaftsjahr Freiheit: Diskussion u.a. mit Bettina Stark-Watzinger, Alena Buyx und Antje Boetius Mehr
13. März, 10:00 bis 16:30 Uhr, Quadriga Foum, Werderscher Markt 15, 10117 Berlin
Forum Hochschulräte Sinkende Studierendenzahlen – Neue Realitäten oder umkehrbarer Trend? Mehr
22. April 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Hannover Messe
Gipfel für Forschung und Innovation 2024 “Innovationen in Europa – Katalysatoren, Kompetenzen und Kooperationen am Beispiel von KI” Mehr
22./23. Mai 2024, BBAW, Jägerstr. 22-23, 10117 Berlin
Scientific Symposium der European Federation of Academies of Sciences and Humanities (ALLEA) European Research Collaboration in a Shifting Geopolitical Landscape Mehr
Maßnahmen im Bildungsbereich seien genauso wichtig wie das Wachstumschancengesetz, hob Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag hervor. In ein höheres Bildungsniveau zu investieren, stärke das Vertrauen in Wissenschaft und fördere damit Wachstum und Innovation.
Daneben betonte die Ministerin die Bedeutung der technologischen Souveränität Deutschlands und Europas. Im weltweiten Technologiewettrennen seien drei Dinge wichtig, sagte sie im weiteren Verlauf der Sitzung:
Interessanterweise wurde zunächst vor allem Finanzminister Christian Lindner auch zu den Forschungsthemen befragt. Ob er sich für ein größeres Forschungsbudget der EU einsetze? Er befürworte, wenn Forschung und Entwicklung in Europa gestärkt würden, sagte Lindner. Allerdings wolle er keine Subventionen für “am Reißbrett festgelegte Technologien”.
CDU-Forschungspolitiker Thomas Jarzombek wollte vom Finanzminister wissen, wie der Mittelabfluss in der steuerlichen Forschungszulage 2023 gewesen sei und wo die Prognose für 2024 liege. Auf beide Fragen gab es keine konkrete Antwort des FDP-Finanzministers. Die Nutzung der steuerlichen Forschungsförderung sei jedoch in den vergangenen Jahren gestiegen. Und nun gelte es, mit dem Wachstumschancengesetz die “full flavour-Variante” umzusetzen.
Die Dati war das erste Thema, das sich an die Forschungsministerin richtete. Auf Nachfrage von Anna Christmann hob Stark-Watzinger die positive Pilotphase der Dati hervor, in der unbürokratisch sowohl technische als auch soziale Innovationen gefördert werden könnten. Immerhin ungefähr 40 Prozent dieser Förderung gehe an die HAWs, die von Beginn an im Mittelpunkt des Programms stehen sollten.
Eine konkrete Zeitschiene für die Gründung der Dati wollte Stark-Watzinger allerdings nicht nennen. Auf die Nachfrage des CDU-Forschungspolitikers Thomas Jarzombek, wann denn mit der Kabinettsvorlage und einer Bestellung eines Geschäftsführers zu rechnen sei, antwortete die Ministerin, man wolle hier nicht in “Aktionismus verfallen”. Immerhin sei das Konzept zur Dati nun in der Ressortabstimmung. mw
Der Deutsche Hochschulverband (DHV) spricht sich für eine offene Gesellschaft aus und verurteilt jede Form von antidemokratischen und menschenverachtenden Äußerungen oder Handlungen. Man sei besorgt, dass rechtsradikale Tendenzen in der Gesellschaft immer weiter Fuß fassen, die letztlich auf das Herz dessen zielten, was Wissenschaft ausmache. “Wissenschaft ist in höchstem Maße auf internationalen Austausch angewiesen. Sie lebt vom Dialog und freien Fluss der Ideen über Disziplinen, Grenzen und Nationen hinweg”, wird Präsident Lambert T. Koch in einem am Dienstag veröffentlichten Statement zitiert.
Damit reagiert das DHV-Präsidium offensichtlich auf Kritik einzelner Mitglieder. Unter anderem der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer und die Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch, hatten im Gespräch mit Table.Media beziehungsweise auf der Plattform X vom DHV eindeutige Distanzierung und eine öffentlich geführte Auseinandersetzung gefordert, wie es zum einseitigen Parteiergreifen für das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit kommen konnte. Über das als Verein organisierte Netzwerk war Ende Januar eine Diskussion entbrannt. Es hatte weder zur Teilnahme seines Mitglieds Ulrich Vosgerau an dem Potsdamer Treffen von Neuen Rechten Position bezogen, noch sich von den dort nach Recherchen der Correctiv-Redaktion geäußerten Vorstellungen klar distanziert.
Dass der DHV das Netzwerk in dieser Situation als “willkommenen Mitstreiter” bezeichnete, traf auf Unverständnis vieler Mitglieder. Zimmerer bezeichnete es als “Klüngelei mit einer politischen Lobbygruppe”. Er wirft dem Netzwerk Wissenschaftsfreiheit vor, “einen Kulturkampf gegen eine moderne, progressive Wissenschaft, und damit letztendlich auch gegen eine moderne, offene Gesellschaft” zu führen.
Mit dem jetzt veröffentlichten DHV-Statement ist er nicht zufrieden. Es sei im Grunde nur die Erklärung einer puren Selbstverständlichkeit. “Es fehlt jede Erklärung zum Vorwurf der politischen Einseitigkeit und Offenheit nach rechts im konkreten Fall, der ja im Raum steht”, sagt der Historiker. Er wünscht sich zumindest eine Erklärung, warum der DHV die Attacken des Netzwerks zulasten von Kolleginnen und Kollegen aus den Postcolonial Studies oder der Genderforschung “nicht nur nicht widersprach, sondern teilweise unterstützte”. Zimmerer: “Als Mitglied erwarte ich hier eine öffentliche Aufarbeitung, wie es dazu kommen konnte, und eine eindeutige Positionierung des neuen Präsidiums.”abg
Das Europäische Institut für Innovation und Technologie (EIT) wird als nächste Knowledge and Innovation Community (KIC) ein Wissenstransfernetzwerk zum Thema “Wasser und maritime Ökosysteme” aufbauen. Das wurde am Mittwoch auf dem EIT Summit in Brüssel bekannt gegeben, an dem rund 800 Innovations-Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft teilnahmen.
Die bislang neun KIC sind für das in Budapest ansässige EIT das Hauptinstrument, um Technologiegründer mit der Wissenschaft, wirtschaftlichen Auftraggebern und Finanzinvestoren in Kontakt zu bringen. Wie EIT-Direktor Martin Kern erklärte, wurden seit der Gründung des Instituts 2008 mehr als 7.800 Start-ups gefördert, die über 2.000 neue Produkte auf den Markt brachten und rund 7,3 Milliarden Euro an Beteiligungs-Kapital einsammelten. “In dieser Form stellt das EIT Europas größtes Innovations-Netzwerk dar”, betonte Kern. Von den aktuellen Einschnitten in das Forschungsrahmenprogramm “Horizont Europa” sei das EIT nicht betroffen, da die Finanzierung bis 2027 sichergestellt sei.
Für die EU-Kommission eröffnete Vizepräsident Margaritas Schinas das Treffen. Von deutscher Seite nahmen der CDU-Europa-Abgeordneten Christian Ehler und die grüne Bundestags-Abgeordnete Anna Christmann in ihrer Eigenschaft als Start-up-Beauftragte des BMWK teil. “Im globalen Wettbewerb müssen wir in Europa noch deutlicher machen, dass wir ein attraktiver Standort für Innovation und Technologie sind”, erklärte Christmann auf Anfrage von Table.Media.
Die enge Zusammenarbeit nationaler und europäischer Akteure sei entscheidend, um klugen Köpfen und Start-ups bestmögliche Perspektive zu bieten. “Als Start-up-Beauftragte ist mir der Austausch mit dem EIT und dem EIC (Europäischer Innovationsrat) ein Anliegen, damit wir Synergien heben und gemeinsam für bessere Verfügbarkeit von Wagniskapital und starke Innovationsökosysteme in den wichtigen Herausforderungen der nächsten Jahre arbeiten”, sagte Christmann.
Im Laufe des Jahres wird das EIT im Rahmen seiner europaweiten #INNOVEIT-Tour mehrere Technologie-Events in den EU-Mitgliedsstaaten besuchen. Deutschland ist mit dem “Greentech-Festival” in Berlin vom 15. bis 17. Mai der Gastgeber. mr
Zeit. Der Erfolg der Demokratie ist kein Naturgesetz. Das kosmopolitische Deutschland habe den Rechtsextremismus lange unterschätzt, schreibt Niels Boeing. Die AfD-Vordenker Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek hätten über die Jahre beharrlich ein Netzwerk aus Thinktanks, eigenen Medien und Aktivisten der Identitären Bewegung geknüpft. Dass der Schock über das AfD-Gedankengut so tief sitzt, liege auch daran, dass die meisten in die falsche Richtung geschaut haben: Sie waren vor der alten Rechten, den klassischen Faschisten, auf der Hut. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie appelliert: Auf die aktuellen Proteste müsse ein breites Antifaschismus-Bündnis folgen, es sollte nicht nur demonstrieren gehen. Mehr
FAZ. Erste Zungen stehen still. Der Aufruf, deutsche Kulturinstitutionen wegen vermeintlicher Unterdrückung von Kritik an Israel zu bestreiken, findet auch in der internationalen Wissenschaft Resonanz, berichtet Eva von Contzen. Ein kommunikativer Klimawandel kündigt sich an. Entsprechend erreichten die Professorin für Englische Literatur erste Absagen aus den USA für die Teilnahme an einer Tagung in Deutschland. Mehr
FAZ. Wer will noch in die Wissenschaft? Mit Ende 20 einen Master in Kunst-, Kultur- und Medienwissenschaften zu haben und einen Drei-Jahres-Vertrag als Dozentin in den Niederlanden, klingt zunächst gut. Doch Nora Leidinger, eine von vier Porträtierten, nennt auch die Schattenseiten: Die Chance auf eine unbefristete Stelle ist gering, der Vertrag unrealistisch formuliert, sodass nächtliche Arbeitsphasen erforderlich sind. “Auf allen Ebenen merkt man, dass die Leute extrem überarbeitet sind”, sagt sie. Freiheit und Flexibilität hat Sargon Gross-Thebing als Forscher in Cambridge lange Zeit als Vorteil empfunden. Auf der Suche nach mehr Sicherheit ist der 36-jährige Biomediziner und Vater von zwei Kindern jetzt in eine Unternehmensberatung gewechselt. Mehr
Science. Why the White House is taking so long to issue new research security rules. “Getting research security right is more complex [than expected] and has taken much longer than I would have liked,” sagte Arati Prabhakar, Wissenschaftsberaterin von Joe Biden. Das bedeutet, dass US-Universitäten weiter auf klare Regelungen in Bezug auf Sicherheitsstandards in der Wissenschaft durch das Weiße Haus warten müssen. Die Initiative, Daten, Technologien und andere Ergebnisse staatlich finanzierter wissenschaftlicher Studien besser vor ausländischer Einmischung zu schützen, war noch von Präsident Trump ausgegangen. Mehr
Gesine Grande, Präsidentin der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, und Matthias Barth, Präsident der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, übernehmen ab April die Leitung der Brandenburgischen Landeskonferenz der Hochschulpräsidentinnen und -präsidenten.
Varun Venkataramani, Frank Winkler und Thomas Kuner, die an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg forschen, sind mit dem BIAL Award in Biomedicine ausgezeichnet worden. Der mit 300.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre von der portugiesischen BIAL Foundation vergeben und würdigt eine wissenschaftliche Entdeckung im Bereich der Biomedizin von außergewöhnlicher Qualität und wissenschaftlicher Relevanz.
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Agrifood.Table. Pestizidrückstände: Umweltschutz gewinnt bei Importware an Bedeutung. Zusätzlich zum Gesundheitsschutz soll künftig auch Umweltschutz eine Rolle bei den Vorgaben für importierte Lebensmittel spielen. Die EU-Kommission hat ihren Vorsatz bei bestimmten Insektiziden bereits geltend gemacht. Handelsverbände kritisieren das Vorgehen. Mehr
Berlin.Table. Streit bei Wirtschaftsweisen: Schnitzer will schnelle Compliance-Regeln. Der Streit über die Mitgliedschaft von Veronika Grimm im Sachverständigenrat geht weiter. Die Vorsitzende Monika Schnitzer will Compliance-Regeln umsetzen und hofft auf Einsicht bei Grimm. Die Bundesregierung äußert sich zurückhaltend. Mehr
Bildung.Table. Schulleiter sollten Mint-Quereinsteiger besser einbeziehen. Wer vor dem Einstieg in den Lehrberuf in der Wirtschaft gearbeitet hat, bringt spezielle Fähigkeiten mit. Sie könnten den Schulalltag bereichern – werden allerdings bisher wenig genutzt. Die Telekom-Stiftung sieht die Fortbildung von Schulleitungen als Schlüssel. Mehr
China.Table. Thinktank sagt Trendwende für Deutschlands Umgang mit China voraus. Hochwertige chinesische Industriegüter konkurrieren mit deutschen Produkten – in China, hierzulande und auf globalen Märkten. Eine Studie der Rhodium-Group sagt eine Trendwende für Deutschlands Umgang mit China voraus. Mehr
Climate.Table. Wie die Einsparungen im Bundeshaushalt und Technikprobleme klimaneutrales Fliegen ausbremsen. Der Flugsektor boomt und soll klimaneutral werden. Allerdings trifft die Produktion von klimafreundlichem Kerosin in Deutschland auf große finanzielle und technische Probleme. Im Bundeshaushalt wurden gerade fast drei Milliarden Euro dafür gestrichen. Mehr
Mathew Guest, britischer Soziologe, Professor für Religionssoziologie und Dekan der Fakultät für Theologie und Religion an der britischen Durham University, fordert, dass es auf dem Campus von Hochschulen mehr “provocative encounters” geben müsse, bei denen Studierende wie Lehrende mit kritischen Debatten konfrontiert werden, welche ihnen helfen, ihre eigene Weltsicht infrage zu stellen und die dazu anregen, eigene tief verwurzelte oder gar ‘vererbte’ Annahmen zu überdenken.
Doch in seinen eigenen Forschungen kommt er zu den ernüchternden wie herausfordernden Ergebnissen, dass nur zwölf Prozent der Studierenden häufig, 49 Prozent nie und der Rest äußerst selten solche ”provocative encounters” im Studium oder auf dem Campus erlebten. Er fordert deshalb, dass wir nicht nur die Fähigkeit “to disagree well” wieder erlernen sollten, sondern dass hier das Herz akademischer Bildung adressiert werden muss, wie Hochschulen solche Encounter ermöglichen.
In Wellen werden Hochschulen in der westlichen Welt und auch in Deutschland seit Jahren von ideologischen, ja weltanschaulichen Kämpfen erschüttert. Beginnend mit ”blacklife matters” und erbittertem Streit über postkoloniale Vergangenheit wie auch Verantwortung, über hasserfüllte Corona -Kampagnen und dann die Frage von Gender, Transgender und wie viel Geschlechter es gibt, bis hin zu feindseliger Auseinandersetzung zu Israel und Palästina.
Norbert Bolz, emeritierter Professor für Medienwissenschaften an der TU Berlin schreibt ”Von rechts hört man ,Ausländer raus!’ und von links ’Nazis raus! – es ist derselbe Wutstarrkrampf.’ Er fasst zusammen: “Der Streit, ob es Meinungsfreiheit gibt, wird so aggressiv ausgetragen, dass man gar keine Zweifel mehr daran haben kann, wie sehr die Meinungsfreiheit gefährdet ist”.
Monatelang war Kathleen Stock, Philosophieprofessorin an der University of Sussex in den sozialen Netzwerken als transphob gebrandmarkt worden. Sie wurde zur Zielscheibe der Kritik, weil sie öffentlich die Ansicht vertritt, das biologische Geschlecht einer Person könne nicht geändert werden. Eine Gruppe anonymer Onlinenutzer, die sich selbst als ”Trans-Aktivisten” bezeichnen, forderte aggressiv ihre Entlassung. Sie wurde massiv beschimpft und bedroht. Die international renommierte Professorin kapitulierte vor den öffentlichen Anfeindungen und trat von ihrem Posten zurück.
Damals wurde ”Cancel Culture” in Großbritannien von einem Randbegriff zu einem medial bekannten Begriff. Dezember 2021 wurde Jo Phoenix, Professorin für Kriminologie an der britischen Open University entlassen, nachdem über 360 Professorinnen und Professoren ihrer Universität ihre Entlassung wegen Gründung des Gender Critical Research Networks (GCRN) in einem offenen Brief gefordert hatten. Ihr Dekan verglich sie mit einem ”racist uncle.”
Im Januar 2024 fällte das Gericht – ohne dass Revision eingelegt wurde – das Urteil, dass die Universität die Professorin persönlich und in ihrer Forschung nicht geschützt habe gegen ein ”hostile environment”. In Deutschland veröffentlichte die steuerfinanzierte Heinrich-Böll-Stiftung schon 2017 unter dem Namen “Agent*In” Informationen über Organisationen und Personen, die antifeministischer und genderkritischer Positionen angeklagt wurden. Nach heftigen Protesten wurde das Portal geschlossen.
Die Berliner Humboldt-Universität darf eine eigene Wissenschaftlerin nicht öffentlich abqualifizieren. Das entschied jüngst das Berliner Verwaltungsgericht auf Antrag der Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht. Die Universität hatte 2022 deren öffentlichen Vortrag zur Biologie der beiden Geschlechter wegen Protesten linker Aktivisten und einer befürchteten Eskalation abgesagt.
Damals erklärte die Universität, die Aussagen der Biologin zum Transgender-Streit und zum Transgender-Erklärvideo der “Sendung mit der Maus” ”stehen nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU und den von ihr vertretenen Werten”. Diese Äußerung wurde nun vorläufig untersagt, da Marie-Luise Vollbrecht in der Folge massiv angefeindet worden sei und das Statement geeignet sei, das Ansehen der Frau herabzusetzen.
Gender-Studies stehen natürlich unter massivem Druck, weil ihre Grundannahmen – Geschlecht sei eine von der Biologie unabhängige soziale Konstruktion – umstritten sind und politisch zur Veränderung von Bildungseinrichtungen benutzt werden. In einer Bundestagsrede im Dezember 2020 habe ich gegen einen AFD-Antrag den Gender-Wissenschaften die Freiheit und das Recht zugesprochen, sich durch demonstrierte wissenschaftliche Güte zu einer anerkannten Wissenschaft zu ‘mendeln’. Aber das steht noch aus.
Der Wissenschaftsjournalist Jan-Martin Wiarda hat in seinem Blog “Harvard und die Folgen” außerordentlich differenziert diesen Kulturkampf von rechts wie von links - egal ob man ihn Tribalisierung oder Polarisierung nennt – in den USA beschrieben, und zwar anlässlich der Rücktritte der MIT-Präsidentin Sally Kornbluthund der Präsidentin der University of Pennsylvania, Liz Magill.
Nach ihrer Befragung durch trumpistische Kongressabgeordnete, ob der Aufruf zum Völkermord an Juden gegen universitäre Richtlinien zu Mobbing und Belästigung verstoße. Ich meine: ein Kulturkampf von rechts gegen den Kulturkampf sogenannter ‘linksliberaler’ Universitäten. Man könnte auch sagen, wer Wind sät, wird Sturm ernten!
Wir müssen Maß und Mittel bewahren. Deshalb unterstütze ich auch den Deutschen Hochschulverband (DHV) darin, dass er sich nicht vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit distanziert, weil ein (!) irrlichterndes Mitglied an dem berüchtigten Potsdamer Treffen teilgenommen hat. In seiner Presseerklärung von Dienstag hat der DHV erneut deutlich gemacht, dass er sich von Rechtsextremismus abgrenzt, aber dennoch für ein sehr breites Spektrum an Positionen einsteht, sofern sie sich innerhalb des allgemeinen Rahmens des Rechts bewegen. Der DHV kommentiert: “Unliebsame, den eigenen Überzeugungen zuwiderlaufende Ansichten und Meinungen sind im Diskurs zuzulassen und zu respektieren.
Für pointierten argumentativen Streit basierend auf Fakten ist in der Wissenschaft Platz, für Einschüchterungen, Mobbing oder Boykott dagegen nicht”. Erika Steinbach war 27 Jahre CDU-Bundestagsabgeordnete und fünf Jahre parteilos, bevor sie in die AfD eintrat. Jede politische Organisation hat solche Grenzgänger, die sich dann irgendwann so wie der frühere grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der frühere SPD – Finanzsenator Thilo Sarrazin oder eben Erika Steinbach anders einsortieren. Das muss eine Demokratie ertragen können.
Wenn die Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch zudem kommentiert, die Äußerungen des Netzwerks stärkten das Narrativ der neuen Rechten, dann muss man ihr vorhalten, dass sie aus einer grün-gefärbten Position heraus spricht, was sie nicht kenntlich gemacht hat. Ich finde es auch nicht gut, wenn sich Medien – wie auch Table.Research – hier parteiisch aufstellen.
Wie klug dagegen, dass der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), Professor Christoph Markschies, die Kritik an der Vermietung des Einsteinsaales der BBAW an das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit mit dem Argument zurückwies, dass eine Ablehnung bestätigt hätte, dass bestimmte Positionen gecancelt werden.
Innovating Innovation: Das britische Office for Students (OfS) ist eine unabhängige, politische Einrichtung, die nicht Teil der Regierung ist, aber das britische Parlament über das Department for Education (DfE) unterrichtet. Typisch für angelsächsische Arbeit - nicht alles politisch direktiv regulieren, sondern unabhängige Expertinnen und Experten nutzen. Weiche Regulierung (soft law) anstelle von teutonischem Durchgriff des Staates.
Im Sommer 2023 wurde Arif Ahmed, Cambridge-Professor für Philosophie zum, wie es die Briten nennen “First Free Speech Tsar” im OfS ernannt. Als Direktor of Free Speech and Academic Freedom muss er die Sprache beschützen, “that some may find controversial, offensive or distasteful, as long as what is being said, is within the law”. Welch grundsolide Betrachtung der Dinge.
Egal, ob hochvulgär oder akademisch geschwängert – es zählt Gesetz und Verfassung, nicht Stil! Er kann Strafen verhängen, wenn Hochschulen oder studentische Initiativen Rednerinnen und Redner ohne gute Gründe verhindern oder auch wenn akademische Institutionen ihren Mitgliedern Zwangsverhalten verordnen oder sie bestrafen, für das, was sie auf Social Media sagen. Welch freiheitliche Attitüde!
bemerkenswerte Einigkeit heute im Forschungsausschuss: Ampel- und Unionspolitiker forderten eine stärkere Berücksichtigung von Wissenschaft in der Außenpolitik. Science Diplomacy solle ein beständiges, wirksames und wehrhaftes Instrument einer Diplomatie in Krisenzeiten sein. Gleichzeitig brauche die Wissenschaft den internationalen Austausch, durch gemeinsame Projekte und über Personen, die nach Deutschland kommen und von hier in andere Länder gehen. Über fünf konkrete Forderungen der eingeladenen Sachverständigen für eine aktivere Wissenschaftsaußenpolitik berichtet Tim Gabel.
Zumindest einen Punkt davon hat auch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger im Blick: die Forschungssicherheit. In der Befragung der Bundesregierung im Bundestag hob sie deren Bedeutung für die technologische Souveränität Deutschlands und Europas hervor. Dazu mehr in den News.
Und auch Iliana Ivanova, EU-Forschungskommissarin, macht klar: Die Mitgliedsstaaten sollen sich besser auf potenzielle Risiken vorbereiten. Gleichzeitig stehe fest, dass man in Europa die akademische Freiheit und die institutionelle Autonomie der Forschungseinrichtungen respektieren müsse, sagte sie Nicola Kuhrt im Interview. Offenheit und Freiheit seien schließlich die DNA von Horizon Europe und machten dieses Programm so attraktiv – auch für viele Nicht-EU-Staaten.
Eine informative Lektüre wünscht Ihnen,
Forschungspolitiker der Ampel-Parteien und der Unionsfraktion fordern eine stärkere Rolle von Forschung und Wissenschaft in der außenpolitischen Diplomatie – gerade in Krisenzeiten. Es sei wichtig, “dass die regierungstragenden Fraktionen der Bundesregierung einen Wegweiser an die Hand geben, wie sie gemeinsam mit den Bundesländern die Internationalisierung der Wissenschaft interessen- und wertegeleitet vorantreibt”, sagte der Vorsitzende des Forschungsausschusses Kai Gehring gestern vor der Sachverständigen-Anhörung im Gespräch mit Table.Media.
Der Antrag zur “Internationalisierung von Wissenschaft und Hochschulbildung” der Ampel-Fraktionen war Grundlage für die aktuelle Ausschusssitzung. Antrag, Anhörung und Sitzung sind als Kritik, zumindest aber als Mahnung zum Handeln an die eigene Regierung zu verstehen. Wissenschaft solle als beständiges, wirksames und wehrhaftes Instrument einer Diplomatie in Krisenzeiten dienen, so konnte man die Forderungen der Regierungsparteien verstehen. Gleichzeitig brauche das deutsche Wissenschaftssystem – wenn es exzellent sein will – den Austausch mit internationalen Forschenden.
Um die Forderungen mit Expertise aus der Praxis zu unterstreichen, hatte man sich dazu kompetente Wegweiser aus dem Wissenschaftssystem eingeladen: Enno Aufderheide (Alexander von Humboldt-Stiftung), Angela Ittel-Polatschek (HRK), Beate Kampmann (Charité Center for Global Health), Katrin Kinzelbach (FAU Erlangen-Nürnberg), Kai Sicks (DAAD) und Marc-Philippe Weller (Universität Heidelberg) hatten im Kern fünf Forderungen mit in den Ausschuss gebracht:
In den Fragerunden der Parlamentarier wurde ein weiterer Schwerpunkt deutlich, der den Ampel-Parlamentariern ein Anliegen ist: “Wir bekennen uns klar zu Nothilfen, die Studierende und Forschende in Krisengebieten brauchen. Einerseits ist dies aus humanitären Gründen geboten, aber auch aus dem Interesse, dass globale Wissensflüsse nicht verloren gehen, sondern aus Deutschland weiter organisiert werden können”, sagte Ruppert Stüwe zu Table.Media.
Deutschland müsse international als sicherer Hafen für verfolgte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gelten, betont auch Stephan Seiter im Gespräch: “Wir haben als Koalition daher erneut bekräftigt, dass Überwachung, Bedrohung und Verfolgung durch autokratische Regierungen und nicht-staatliche Akteure an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit aller Härte begegnet werden muss”. Seiter schlägt eine Akademie nach dem Vorbild der ‘University in Exile’ an der New-School in New-York vor. “Eine solche Einrichtung kann einen Beitrag leisten, verfolgte und bedrohte Wissenschaftler aus aller Welt in unser Wissenschaftssystem zu integrieren.”
Die Gefahr, dass Forschungsergebnisse missbraucht werden könnten, sei längst konkret, sagt EU-Forschungskommissarin Iliana Ivanova. Es stellten sich viele Fragen, etwa wie weiterhin zivile und militärische Forschung klar voneinander getrennt werden oder wie Forschungseinrichtungen geschützt werden können. Viele Mitgliedstaaten haben die Europäische Union gedrängt, einige gemeinsame Leitlinien vorzulegen, damit sie sich besser auf mögliche Risiken vorbereiten können, berichtet Ivanova im Gespräch. Daher habe man Empfehlungen zur Forschungssicherheit ausgearbeitet.
“Wir müssen das Gleichgewicht wahren und weiterhin in der Lage sein, die Offenheit und Freiheit zu bieten, die in der DNA des Programms Horizont Europa liegt”, sagt Ivanova. Man wolle der Welt gegenüber und ausländischen Partnern offen sein. So wie es bei den Verhandlungen mit der Schweiz der Fall sei. Hier laufen erste Gespräche, Ivanova hofft, dass das Land bald wieder in den europäischen Forschungsraum eintritt.
Optimistisch betrachtet, könnten die Verhandlungen gegen Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres erfolgreich abgeschlossen werden, erklärt die Kommissarin. Großbritannien sei bereits zu Beginn dieses Jahres beigetreten. Vonseiten der Kommission gebe es einen starken Willen, ein erfolgreiches Ergebnis zu erzielen.
Seit einem halben Jahr ist die Politikerin aus Bulgarien nun Forschungskommissarin. Den Etat für Forschung und Innovationen zu bewahren – oder besser noch zu steigern – bleibe ihr ein wichtiges Ziel. “Dies war und ist eine Priorität, denn ich glaube nicht, dass wir die vielen globalen Herausforderungen ohne zusätzliche und höhere Investitionen in Forschung und Innovation bewältigen können.” Die Ergebnisse der Bewertung von Horizont 2020 zeigten, dass sich das Engagement für Forschung und Innovation auszahlen. Es werde erwartet, dass ein investierter Euro den Bürgern bis 2040 einen Nutzen von fünf Euro bringe.
“Die europäische Forschung und Innovation haben zu bedeutenden Entdeckungen, zur Bekämpfung von Pandemien, zur Entwicklung von Impfstoffen und zu Antworten auf globale Herausforderungen wie den Klimawandel und geopolitische Spannungen beigetragen”, sagt Ivanova.
Über die kürzlich erfolgte 2,1 Milliarden Euro Kürzung sei sie nicht glücklich, erklärt Ivanova. Aber sie sei sich “bewusst, dass wir uns hier in einem sehr wichtigen und komplexen Rahmen bewegen. Und natürlich müssen wir uns um sehr wichtige Notlagen kümmern.” Auch die Förderung der Widening-Länder soll fortgesetzt werden. Es herrsche eine anhaltende Kluft zwischen den Ländern, die in Forschung und Innovation hervorragende Leistungen erbracht haben und auf die der Großteil der Horizont-Fördermittel entfällt, und den Ländern, die ihr Potenzial noch nicht voll ausschöpfen.
“Mit den bestehenden Widening-Maßnahmen sind bereits gute Fortschritte erzielt worden.” Dennoch sei sie überzeugt, dass mehr getan werden müsse, “denn es geht hier nicht nur um Exzellenz und Widening. Es geht auch um den Zugang zu Exzellenz im Allgemeinen.” Man müsse Informationen bereitstellen, die alle Teilnehmer und alle Begünstigten in ganz Europa frühzeitig erreichen, damit alle den gleichen Zugang haben. Daran arbeite man derzeit.
Das ganze Interview mit Iliana Ivanova lesen Sie hier.
Als Stimme gegen den Antisemitismus haben Sie und rund 70 Hochschullehrende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Anfang Februar das “Netzwerk jüdischer Hochschullehrender” gegründet. Was war die Motivation?
Nach dem 7. Oktober haben viele, darunter auch ich, einen “safe space” vermisst, in dem sich jüdische Hochschullehrende über die schmerzlichen Ereignisse, Antisemitismusfragen, Studierendenbedürfnisse austauschen können, sowie über die Fragen, wie jüdisches Leben auf dem Campus sichtbarer und vielleicht auch sicherer gemacht werden kann. Es gibt bereits eine Plattform der jüdischen Studierendenunion, doch auf der professoralen Ebene eben noch nicht. Wir wollten diese Lücke füllen.
Wie stark hat Antisemitismus an den Hochschulen zugenommen?
Insgesamt hat sich die Anzahl der antisemitischen Vorfälle in Deutschland seit dem 7. Oktober vervierfacht. Das spüren wir auch an den Universitäten. Auch wenn einige es nicht wahrhaben wollen: Antisemitismus existiert in allen Schichten, an allen Orten, auch unter Studierenden und Lehrkräften. Forschungen zeigen, dass in den vergangenen Jahren Antisemitismus von jüdischen Menschen in Deutschland als ein sehr großes Problem wahrgenommen wurde.
Anfang Februar wurde ein israelischer Student der FU-Berlin von einem Kommilitonen zusammengeschlagen. Die Tat fand zwar nicht auf dem Campus statt, sondern in Berlin-Mitte. Trotzdem ist die Frage, ob die Universität angemessen darauf reagiert hat.
Die Reaktion an der FU zeigt: Es fällt leichter, sich offen und klar gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Wenn es um Antisemitismus geht, wird das Problem oft nicht beim Namen genannt oder gar als Konflikt oder Streit umgedeutet. Juden werden nicht ausreichend geschützt. Wenn ein jüdischer Studierender krankenhausreif geschlagen wird, bedarf es einer eindeutigen Reaktion der Hochschule. Jüdische Studenten sollen sich angstfrei auf dem Campus bewegen können. In einer Atmosphäre, in der weiter antisemitische Hetze betrieben wird, ist das jedoch nicht möglich. Der Angriff hat gezeigt, wie solche Hetze in Gewalt übergeht. Gerade erst fand wieder eine Demonstration des “Palästinakomitees FU Berlin” statt.
Die von der FU jedoch weder veranstaltet noch genehmigt wurde, wie sie erklärt hat. Machen jüdische Hochschullehrende ähnliche Erfahrungen wie jüdische Studierende?
Veranstaltungen zu Israel und Antisemitismus benötigen oft leider besondere Sicherheitsmaßnahmen. In der letzten Zeit werden einige Veranstaltungen gestört. Ein friedlicher Dialog über jüdisches Leben wird damit verhindert beziehungsweise erschwert. Für jüdische Studierende stellt sich die Situation aus unterschiedlichen Gründen als ausgesprochen schwierig dar: Zunächst gibt es ein allgemeines Gefühl der Verunsicherung und Vorsicht. Viele versuchen, nicht als Juden aufzufallen. Sie sprechen kein Hebräisch oder verstecken jüdische Symbole. Verbale Beleidigungen oder Nachstellungen sind immer wieder an einigen Universitäten zu beobachten. Plakate der jüdischen Geiseln werden abgerissen, die Gesichter darauf zerkratzt, Israelflaggen mit roter Farbe beschmiert und Veranstaltungen zum Thema Israel oder mit Israelis werden gestört. Eine entschiedene Antwort von Hochschulen auf einen solchen antisemitischen Aktivismus bleibt häufig aus. Die jüdischen Studierenden sind dann auf sich allein gestellt.
Was sind die Ziele Ihres Netzwerks?
Da ist zum einen der Austausch in einem “safe space”. Viele haben Verwandte in Israel oder sind antisemitischer Gewalt ausgesetzt. Im Netzwerk kann man sich untereinander unterstützen und den jüdischen Studierenden helfen, weil sie mit Anfeindungen zu kämpfen haben. Wir wollen für das Phänomen Antisemitismus sensibilisieren, sowohl in den Hochschulstrukturen als auch auf der öffentlichen Ebene, etwa durch pädagogische Formate und Veranstaltungen.
Wie wurde das Netzwerk bisher aufgenommen?
Wir sind mittlerweile über 90 Mitglieder und wachsen sehr schnell. Es gibt großen Redebedarf, gerade was die aktuelle Situation, aber auch die geschichtliche Tradierung des Antisemitismus betrifft. Antisemitismus ist tief in der Diaspora verwurzelt, und familiäre Erzählungen sowie Bewältigungsstrategien erstrecken sich über Generationen.
Welche Maßnahmen müssen Hochschulen ergreifen, um die Situation zu verbessern?
Aus meiner Sicht sind klare Schritte erforderlich, sobald verbale Kommunikation in Gewalt umschlägt. In solchen Fällen sollte das Hausrecht aktiv genutzt werden. Ein offener Dialog zu verschiedenen Meinungen und Themen ist wichtig und wird befürwortet, aber nicht, wenn die eigene Identität physisch oder verbal angegriffen wird. Hochschulen müssen sich dem Problem stellen und alle Formen des Antisemitismus bekämpfen – im Hier und Jetzt.
Befürchten Sie, dass sich die Situation weiter verschärfen könnte?
Ich bin keine Prophetin, aber aus der Forschung weiß ich, dass jede Eskalation im Nahen Osten unmittelbar Auswirkungen auf das Leben von Juden weltweit hat. Dabei ist wichtig klarzustellen: Juden werden nicht wegen des Nahostkonflikts gefährdet, sondern wegen mit dem Nahostkonflikt in Verbindung gebrachtem Antisemitismus in Deutschland. Das war in der Vergangenheit so und wiederholt sich jetzt. Es ist wichtig, über die Mechanismen des Antisemitismus aufzuklären, gerade wenn sie oft als Verkörperung des Bösen, als Faschisten oder als Genozid betreibende Täter stigmatisiert werden. Abgesehen von der aktuellen Situation in Israel und Gaza muss gesellschaftlich und institutionell auf Antisemitismus reagiert werden.
Julia Bernstein ist seit 2014 Professorin für Diskriminierung und Inklusion in der Einwanderungsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Science. Ihr Forschungsschwerpunkt ist Antisemitismus. Sie hat Kunstgeschichte, Soziologie und Kulturanthropologie an der Universität Haifa in Israel studiert.
8. März 2024, 10:00 Uhr, Frankfurt am Main und online
Diskussion Wissenschaftsjahr Freiheit: Diskussion u.a. mit Bettina Stark-Watzinger, Alena Buyx und Antje Boetius Mehr
13. März, 10:00 bis 16:30 Uhr, Quadriga Foum, Werderscher Markt 15, 10117 Berlin
Forum Hochschulräte Sinkende Studierendenzahlen – Neue Realitäten oder umkehrbarer Trend? Mehr
22. April 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Hannover Messe
Gipfel für Forschung und Innovation 2024 “Innovationen in Europa – Katalysatoren, Kompetenzen und Kooperationen am Beispiel von KI” Mehr
22./23. Mai 2024, BBAW, Jägerstr. 22-23, 10117 Berlin
Scientific Symposium der European Federation of Academies of Sciences and Humanities (ALLEA) European Research Collaboration in a Shifting Geopolitical Landscape Mehr
Maßnahmen im Bildungsbereich seien genauso wichtig wie das Wachstumschancengesetz, hob Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag hervor. In ein höheres Bildungsniveau zu investieren, stärke das Vertrauen in Wissenschaft und fördere damit Wachstum und Innovation.
Daneben betonte die Ministerin die Bedeutung der technologischen Souveränität Deutschlands und Europas. Im weltweiten Technologiewettrennen seien drei Dinge wichtig, sagte sie im weiteren Verlauf der Sitzung:
Interessanterweise wurde zunächst vor allem Finanzminister Christian Lindner auch zu den Forschungsthemen befragt. Ob er sich für ein größeres Forschungsbudget der EU einsetze? Er befürworte, wenn Forschung und Entwicklung in Europa gestärkt würden, sagte Lindner. Allerdings wolle er keine Subventionen für “am Reißbrett festgelegte Technologien”.
CDU-Forschungspolitiker Thomas Jarzombek wollte vom Finanzminister wissen, wie der Mittelabfluss in der steuerlichen Forschungszulage 2023 gewesen sei und wo die Prognose für 2024 liege. Auf beide Fragen gab es keine konkrete Antwort des FDP-Finanzministers. Die Nutzung der steuerlichen Forschungsförderung sei jedoch in den vergangenen Jahren gestiegen. Und nun gelte es, mit dem Wachstumschancengesetz die “full flavour-Variante” umzusetzen.
Die Dati war das erste Thema, das sich an die Forschungsministerin richtete. Auf Nachfrage von Anna Christmann hob Stark-Watzinger die positive Pilotphase der Dati hervor, in der unbürokratisch sowohl technische als auch soziale Innovationen gefördert werden könnten. Immerhin ungefähr 40 Prozent dieser Förderung gehe an die HAWs, die von Beginn an im Mittelpunkt des Programms stehen sollten.
Eine konkrete Zeitschiene für die Gründung der Dati wollte Stark-Watzinger allerdings nicht nennen. Auf die Nachfrage des CDU-Forschungspolitikers Thomas Jarzombek, wann denn mit der Kabinettsvorlage und einer Bestellung eines Geschäftsführers zu rechnen sei, antwortete die Ministerin, man wolle hier nicht in “Aktionismus verfallen”. Immerhin sei das Konzept zur Dati nun in der Ressortabstimmung. mw
Der Deutsche Hochschulverband (DHV) spricht sich für eine offene Gesellschaft aus und verurteilt jede Form von antidemokratischen und menschenverachtenden Äußerungen oder Handlungen. Man sei besorgt, dass rechtsradikale Tendenzen in der Gesellschaft immer weiter Fuß fassen, die letztlich auf das Herz dessen zielten, was Wissenschaft ausmache. “Wissenschaft ist in höchstem Maße auf internationalen Austausch angewiesen. Sie lebt vom Dialog und freien Fluss der Ideen über Disziplinen, Grenzen und Nationen hinweg”, wird Präsident Lambert T. Koch in einem am Dienstag veröffentlichten Statement zitiert.
Damit reagiert das DHV-Präsidium offensichtlich auf Kritik einzelner Mitglieder. Unter anderem der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer und die Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch, hatten im Gespräch mit Table.Media beziehungsweise auf der Plattform X vom DHV eindeutige Distanzierung und eine öffentlich geführte Auseinandersetzung gefordert, wie es zum einseitigen Parteiergreifen für das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit kommen konnte. Über das als Verein organisierte Netzwerk war Ende Januar eine Diskussion entbrannt. Es hatte weder zur Teilnahme seines Mitglieds Ulrich Vosgerau an dem Potsdamer Treffen von Neuen Rechten Position bezogen, noch sich von den dort nach Recherchen der Correctiv-Redaktion geäußerten Vorstellungen klar distanziert.
Dass der DHV das Netzwerk in dieser Situation als “willkommenen Mitstreiter” bezeichnete, traf auf Unverständnis vieler Mitglieder. Zimmerer bezeichnete es als “Klüngelei mit einer politischen Lobbygruppe”. Er wirft dem Netzwerk Wissenschaftsfreiheit vor, “einen Kulturkampf gegen eine moderne, progressive Wissenschaft, und damit letztendlich auch gegen eine moderne, offene Gesellschaft” zu führen.
Mit dem jetzt veröffentlichten DHV-Statement ist er nicht zufrieden. Es sei im Grunde nur die Erklärung einer puren Selbstverständlichkeit. “Es fehlt jede Erklärung zum Vorwurf der politischen Einseitigkeit und Offenheit nach rechts im konkreten Fall, der ja im Raum steht”, sagt der Historiker. Er wünscht sich zumindest eine Erklärung, warum der DHV die Attacken des Netzwerks zulasten von Kolleginnen und Kollegen aus den Postcolonial Studies oder der Genderforschung “nicht nur nicht widersprach, sondern teilweise unterstützte”. Zimmerer: “Als Mitglied erwarte ich hier eine öffentliche Aufarbeitung, wie es dazu kommen konnte, und eine eindeutige Positionierung des neuen Präsidiums.”abg
Das Europäische Institut für Innovation und Technologie (EIT) wird als nächste Knowledge and Innovation Community (KIC) ein Wissenstransfernetzwerk zum Thema “Wasser und maritime Ökosysteme” aufbauen. Das wurde am Mittwoch auf dem EIT Summit in Brüssel bekannt gegeben, an dem rund 800 Innovations-Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft teilnahmen.
Die bislang neun KIC sind für das in Budapest ansässige EIT das Hauptinstrument, um Technologiegründer mit der Wissenschaft, wirtschaftlichen Auftraggebern und Finanzinvestoren in Kontakt zu bringen. Wie EIT-Direktor Martin Kern erklärte, wurden seit der Gründung des Instituts 2008 mehr als 7.800 Start-ups gefördert, die über 2.000 neue Produkte auf den Markt brachten und rund 7,3 Milliarden Euro an Beteiligungs-Kapital einsammelten. “In dieser Form stellt das EIT Europas größtes Innovations-Netzwerk dar”, betonte Kern. Von den aktuellen Einschnitten in das Forschungsrahmenprogramm “Horizont Europa” sei das EIT nicht betroffen, da die Finanzierung bis 2027 sichergestellt sei.
Für die EU-Kommission eröffnete Vizepräsident Margaritas Schinas das Treffen. Von deutscher Seite nahmen der CDU-Europa-Abgeordneten Christian Ehler und die grüne Bundestags-Abgeordnete Anna Christmann in ihrer Eigenschaft als Start-up-Beauftragte des BMWK teil. “Im globalen Wettbewerb müssen wir in Europa noch deutlicher machen, dass wir ein attraktiver Standort für Innovation und Technologie sind”, erklärte Christmann auf Anfrage von Table.Media.
Die enge Zusammenarbeit nationaler und europäischer Akteure sei entscheidend, um klugen Köpfen und Start-ups bestmögliche Perspektive zu bieten. “Als Start-up-Beauftragte ist mir der Austausch mit dem EIT und dem EIC (Europäischer Innovationsrat) ein Anliegen, damit wir Synergien heben und gemeinsam für bessere Verfügbarkeit von Wagniskapital und starke Innovationsökosysteme in den wichtigen Herausforderungen der nächsten Jahre arbeiten”, sagte Christmann.
Im Laufe des Jahres wird das EIT im Rahmen seiner europaweiten #INNOVEIT-Tour mehrere Technologie-Events in den EU-Mitgliedsstaaten besuchen. Deutschland ist mit dem “Greentech-Festival” in Berlin vom 15. bis 17. Mai der Gastgeber. mr
Zeit. Der Erfolg der Demokratie ist kein Naturgesetz. Das kosmopolitische Deutschland habe den Rechtsextremismus lange unterschätzt, schreibt Niels Boeing. Die AfD-Vordenker Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek hätten über die Jahre beharrlich ein Netzwerk aus Thinktanks, eigenen Medien und Aktivisten der Identitären Bewegung geknüpft. Dass der Schock über das AfD-Gedankengut so tief sitzt, liege auch daran, dass die meisten in die falsche Richtung geschaut haben: Sie waren vor der alten Rechten, den klassischen Faschisten, auf der Hut. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie appelliert: Auf die aktuellen Proteste müsse ein breites Antifaschismus-Bündnis folgen, es sollte nicht nur demonstrieren gehen. Mehr
FAZ. Erste Zungen stehen still. Der Aufruf, deutsche Kulturinstitutionen wegen vermeintlicher Unterdrückung von Kritik an Israel zu bestreiken, findet auch in der internationalen Wissenschaft Resonanz, berichtet Eva von Contzen. Ein kommunikativer Klimawandel kündigt sich an. Entsprechend erreichten die Professorin für Englische Literatur erste Absagen aus den USA für die Teilnahme an einer Tagung in Deutschland. Mehr
FAZ. Wer will noch in die Wissenschaft? Mit Ende 20 einen Master in Kunst-, Kultur- und Medienwissenschaften zu haben und einen Drei-Jahres-Vertrag als Dozentin in den Niederlanden, klingt zunächst gut. Doch Nora Leidinger, eine von vier Porträtierten, nennt auch die Schattenseiten: Die Chance auf eine unbefristete Stelle ist gering, der Vertrag unrealistisch formuliert, sodass nächtliche Arbeitsphasen erforderlich sind. “Auf allen Ebenen merkt man, dass die Leute extrem überarbeitet sind”, sagt sie. Freiheit und Flexibilität hat Sargon Gross-Thebing als Forscher in Cambridge lange Zeit als Vorteil empfunden. Auf der Suche nach mehr Sicherheit ist der 36-jährige Biomediziner und Vater von zwei Kindern jetzt in eine Unternehmensberatung gewechselt. Mehr
Science. Why the White House is taking so long to issue new research security rules. “Getting research security right is more complex [than expected] and has taken much longer than I would have liked,” sagte Arati Prabhakar, Wissenschaftsberaterin von Joe Biden. Das bedeutet, dass US-Universitäten weiter auf klare Regelungen in Bezug auf Sicherheitsstandards in der Wissenschaft durch das Weiße Haus warten müssen. Die Initiative, Daten, Technologien und andere Ergebnisse staatlich finanzierter wissenschaftlicher Studien besser vor ausländischer Einmischung zu schützen, war noch von Präsident Trump ausgegangen. Mehr
Gesine Grande, Präsidentin der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, und Matthias Barth, Präsident der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, übernehmen ab April die Leitung der Brandenburgischen Landeskonferenz der Hochschulpräsidentinnen und -präsidenten.
Varun Venkataramani, Frank Winkler und Thomas Kuner, die an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg forschen, sind mit dem BIAL Award in Biomedicine ausgezeichnet worden. Der mit 300.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre von der portugiesischen BIAL Foundation vergeben und würdigt eine wissenschaftliche Entdeckung im Bereich der Biomedizin von außergewöhnlicher Qualität und wissenschaftlicher Relevanz.
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Agrifood.Table. Pestizidrückstände: Umweltschutz gewinnt bei Importware an Bedeutung. Zusätzlich zum Gesundheitsschutz soll künftig auch Umweltschutz eine Rolle bei den Vorgaben für importierte Lebensmittel spielen. Die EU-Kommission hat ihren Vorsatz bei bestimmten Insektiziden bereits geltend gemacht. Handelsverbände kritisieren das Vorgehen. Mehr
Berlin.Table. Streit bei Wirtschaftsweisen: Schnitzer will schnelle Compliance-Regeln. Der Streit über die Mitgliedschaft von Veronika Grimm im Sachverständigenrat geht weiter. Die Vorsitzende Monika Schnitzer will Compliance-Regeln umsetzen und hofft auf Einsicht bei Grimm. Die Bundesregierung äußert sich zurückhaltend. Mehr
Bildung.Table. Schulleiter sollten Mint-Quereinsteiger besser einbeziehen. Wer vor dem Einstieg in den Lehrberuf in der Wirtschaft gearbeitet hat, bringt spezielle Fähigkeiten mit. Sie könnten den Schulalltag bereichern – werden allerdings bisher wenig genutzt. Die Telekom-Stiftung sieht die Fortbildung von Schulleitungen als Schlüssel. Mehr
China.Table. Thinktank sagt Trendwende für Deutschlands Umgang mit China voraus. Hochwertige chinesische Industriegüter konkurrieren mit deutschen Produkten – in China, hierzulande und auf globalen Märkten. Eine Studie der Rhodium-Group sagt eine Trendwende für Deutschlands Umgang mit China voraus. Mehr
Climate.Table. Wie die Einsparungen im Bundeshaushalt und Technikprobleme klimaneutrales Fliegen ausbremsen. Der Flugsektor boomt und soll klimaneutral werden. Allerdings trifft die Produktion von klimafreundlichem Kerosin in Deutschland auf große finanzielle und technische Probleme. Im Bundeshaushalt wurden gerade fast drei Milliarden Euro dafür gestrichen. Mehr
Mathew Guest, britischer Soziologe, Professor für Religionssoziologie und Dekan der Fakultät für Theologie und Religion an der britischen Durham University, fordert, dass es auf dem Campus von Hochschulen mehr “provocative encounters” geben müsse, bei denen Studierende wie Lehrende mit kritischen Debatten konfrontiert werden, welche ihnen helfen, ihre eigene Weltsicht infrage zu stellen und die dazu anregen, eigene tief verwurzelte oder gar ‘vererbte’ Annahmen zu überdenken.
Doch in seinen eigenen Forschungen kommt er zu den ernüchternden wie herausfordernden Ergebnissen, dass nur zwölf Prozent der Studierenden häufig, 49 Prozent nie und der Rest äußerst selten solche ”provocative encounters” im Studium oder auf dem Campus erlebten. Er fordert deshalb, dass wir nicht nur die Fähigkeit “to disagree well” wieder erlernen sollten, sondern dass hier das Herz akademischer Bildung adressiert werden muss, wie Hochschulen solche Encounter ermöglichen.
In Wellen werden Hochschulen in der westlichen Welt und auch in Deutschland seit Jahren von ideologischen, ja weltanschaulichen Kämpfen erschüttert. Beginnend mit ”blacklife matters” und erbittertem Streit über postkoloniale Vergangenheit wie auch Verantwortung, über hasserfüllte Corona -Kampagnen und dann die Frage von Gender, Transgender und wie viel Geschlechter es gibt, bis hin zu feindseliger Auseinandersetzung zu Israel und Palästina.
Norbert Bolz, emeritierter Professor für Medienwissenschaften an der TU Berlin schreibt ”Von rechts hört man ,Ausländer raus!’ und von links ’Nazis raus! – es ist derselbe Wutstarrkrampf.’ Er fasst zusammen: “Der Streit, ob es Meinungsfreiheit gibt, wird so aggressiv ausgetragen, dass man gar keine Zweifel mehr daran haben kann, wie sehr die Meinungsfreiheit gefährdet ist”.
Monatelang war Kathleen Stock, Philosophieprofessorin an der University of Sussex in den sozialen Netzwerken als transphob gebrandmarkt worden. Sie wurde zur Zielscheibe der Kritik, weil sie öffentlich die Ansicht vertritt, das biologische Geschlecht einer Person könne nicht geändert werden. Eine Gruppe anonymer Onlinenutzer, die sich selbst als ”Trans-Aktivisten” bezeichnen, forderte aggressiv ihre Entlassung. Sie wurde massiv beschimpft und bedroht. Die international renommierte Professorin kapitulierte vor den öffentlichen Anfeindungen und trat von ihrem Posten zurück.
Damals wurde ”Cancel Culture” in Großbritannien von einem Randbegriff zu einem medial bekannten Begriff. Dezember 2021 wurde Jo Phoenix, Professorin für Kriminologie an der britischen Open University entlassen, nachdem über 360 Professorinnen und Professoren ihrer Universität ihre Entlassung wegen Gründung des Gender Critical Research Networks (GCRN) in einem offenen Brief gefordert hatten. Ihr Dekan verglich sie mit einem ”racist uncle.”
Im Januar 2024 fällte das Gericht – ohne dass Revision eingelegt wurde – das Urteil, dass die Universität die Professorin persönlich und in ihrer Forschung nicht geschützt habe gegen ein ”hostile environment”. In Deutschland veröffentlichte die steuerfinanzierte Heinrich-Böll-Stiftung schon 2017 unter dem Namen “Agent*In” Informationen über Organisationen und Personen, die antifeministischer und genderkritischer Positionen angeklagt wurden. Nach heftigen Protesten wurde das Portal geschlossen.
Die Berliner Humboldt-Universität darf eine eigene Wissenschaftlerin nicht öffentlich abqualifizieren. Das entschied jüngst das Berliner Verwaltungsgericht auf Antrag der Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht. Die Universität hatte 2022 deren öffentlichen Vortrag zur Biologie der beiden Geschlechter wegen Protesten linker Aktivisten und einer befürchteten Eskalation abgesagt.
Damals erklärte die Universität, die Aussagen der Biologin zum Transgender-Streit und zum Transgender-Erklärvideo der “Sendung mit der Maus” ”stehen nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU und den von ihr vertretenen Werten”. Diese Äußerung wurde nun vorläufig untersagt, da Marie-Luise Vollbrecht in der Folge massiv angefeindet worden sei und das Statement geeignet sei, das Ansehen der Frau herabzusetzen.
Gender-Studies stehen natürlich unter massivem Druck, weil ihre Grundannahmen – Geschlecht sei eine von der Biologie unabhängige soziale Konstruktion – umstritten sind und politisch zur Veränderung von Bildungseinrichtungen benutzt werden. In einer Bundestagsrede im Dezember 2020 habe ich gegen einen AFD-Antrag den Gender-Wissenschaften die Freiheit und das Recht zugesprochen, sich durch demonstrierte wissenschaftliche Güte zu einer anerkannten Wissenschaft zu ‘mendeln’. Aber das steht noch aus.
Der Wissenschaftsjournalist Jan-Martin Wiarda hat in seinem Blog “Harvard und die Folgen” außerordentlich differenziert diesen Kulturkampf von rechts wie von links - egal ob man ihn Tribalisierung oder Polarisierung nennt – in den USA beschrieben, und zwar anlässlich der Rücktritte der MIT-Präsidentin Sally Kornbluthund der Präsidentin der University of Pennsylvania, Liz Magill.
Nach ihrer Befragung durch trumpistische Kongressabgeordnete, ob der Aufruf zum Völkermord an Juden gegen universitäre Richtlinien zu Mobbing und Belästigung verstoße. Ich meine: ein Kulturkampf von rechts gegen den Kulturkampf sogenannter ‘linksliberaler’ Universitäten. Man könnte auch sagen, wer Wind sät, wird Sturm ernten!
Wir müssen Maß und Mittel bewahren. Deshalb unterstütze ich auch den Deutschen Hochschulverband (DHV) darin, dass er sich nicht vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit distanziert, weil ein (!) irrlichterndes Mitglied an dem berüchtigten Potsdamer Treffen teilgenommen hat. In seiner Presseerklärung von Dienstag hat der DHV erneut deutlich gemacht, dass er sich von Rechtsextremismus abgrenzt, aber dennoch für ein sehr breites Spektrum an Positionen einsteht, sofern sie sich innerhalb des allgemeinen Rahmens des Rechts bewegen. Der DHV kommentiert: “Unliebsame, den eigenen Überzeugungen zuwiderlaufende Ansichten und Meinungen sind im Diskurs zuzulassen und zu respektieren.
Für pointierten argumentativen Streit basierend auf Fakten ist in der Wissenschaft Platz, für Einschüchterungen, Mobbing oder Boykott dagegen nicht”. Erika Steinbach war 27 Jahre CDU-Bundestagsabgeordnete und fünf Jahre parteilos, bevor sie in die AfD eintrat. Jede politische Organisation hat solche Grenzgänger, die sich dann irgendwann so wie der frühere grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der frühere SPD – Finanzsenator Thilo Sarrazin oder eben Erika Steinbach anders einsortieren. Das muss eine Demokratie ertragen können.
Wenn die Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch zudem kommentiert, die Äußerungen des Netzwerks stärkten das Narrativ der neuen Rechten, dann muss man ihr vorhalten, dass sie aus einer grün-gefärbten Position heraus spricht, was sie nicht kenntlich gemacht hat. Ich finde es auch nicht gut, wenn sich Medien – wie auch Table.Research – hier parteiisch aufstellen.
Wie klug dagegen, dass der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), Professor Christoph Markschies, die Kritik an der Vermietung des Einsteinsaales der BBAW an das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit mit dem Argument zurückwies, dass eine Ablehnung bestätigt hätte, dass bestimmte Positionen gecancelt werden.
Innovating Innovation: Das britische Office for Students (OfS) ist eine unabhängige, politische Einrichtung, die nicht Teil der Regierung ist, aber das britische Parlament über das Department for Education (DfE) unterrichtet. Typisch für angelsächsische Arbeit - nicht alles politisch direktiv regulieren, sondern unabhängige Expertinnen und Experten nutzen. Weiche Regulierung (soft law) anstelle von teutonischem Durchgriff des Staates.
Im Sommer 2023 wurde Arif Ahmed, Cambridge-Professor für Philosophie zum, wie es die Briten nennen “First Free Speech Tsar” im OfS ernannt. Als Direktor of Free Speech and Academic Freedom muss er die Sprache beschützen, “that some may find controversial, offensive or distasteful, as long as what is being said, is within the law”. Welch grundsolide Betrachtung der Dinge.
Egal, ob hochvulgär oder akademisch geschwängert – es zählt Gesetz und Verfassung, nicht Stil! Er kann Strafen verhängen, wenn Hochschulen oder studentische Initiativen Rednerinnen und Redner ohne gute Gründe verhindern oder auch wenn akademische Institutionen ihren Mitgliedern Zwangsverhalten verordnen oder sie bestrafen, für das, was sie auf Social Media sagen. Welch freiheitliche Attitüde!