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Footprint, Handprint und Heartprint für Biodiversität

von Tobias Raffel

Jede Spezies, die auf unserem Planeten lebt und wirtschaftet, hinterlässt Abdrücke: große und kleine, vorübergehende und bleibende, positive und negative. In Summe war das nie ein Problem. Seit etwa 250 Jahren jedoch richten wir Menschen mit unserer Lebens- und Wirtschaftsweise irreparablen Schaden an. Wir treten die Natur mit Füßen. Unser Fußabdruck: negativ.

Das zu ändern ist nicht zuletzt aus ökonomischer Perspektive dringend erforderlich. Die Natur hält unsere Tritte nicht mehr aus. Sie kann sich nicht mehr regenerieren. Mit absehbaren Folgen: Ohne die Bestäubungsleistung von Bienen blieben 60 Prozent unserer Supermarktregale leer. Ohne intakte Ökosysteme würden natürliche Wirkstoffe für 70 Prozent unserer Medikamente fehlen. Bereits jetzt schlummern bei 75 Prozent unserer Finanzinstitute materielle Naturrisiken. Nachhaltig funktioniert keine einzige Wertschöpfungskette ohne Biodiversität.

Wir brauchen mehr Handprint

Vorreiter-Unternehmen auf dem Feld der Biodiversität gelingt es bereits, natur-positiv zu wirtschaften. Sie reduzieren ihren Fußabdruck nicht nur, sie schützen und unterstützen die Natur. Bildlich gesprochen geben sie der Natur die Hand: Handprint. Sie tun das nicht nur aus Überzeugung oder unternehmerischer Verantwortung, sondern weil ihre Geschäftsmodelle viel besser mit der Natur als gegen sie funktionieren.

Regenerative Landwirtschaft beispielsweise arbeitet mit natürlichen Prozessen und verbessert Böden und Biodiversität. Nachhaltige Forstwirtschaft und Fischerei stellen geschundene Ökosysteme wieder her und nutzen sie langfristig. Fortschrittliche Energieunternehmen kombinieren erfolgreich Photovoltaik mit Biodiversitätsförderung oder schaffen neue Riffe und Seegraswiesen unter ihren Windrädern. Kluge Finanzunternehmen investieren profitabel in den Naturerhalt. Vorbildliche Pharma- und Kosmetikunternehmen kreieren ihre Produkte aus der Vielfalt der Natur. Innovative Bauunternehmen arbeiten zirkulär mit biologischen Prozessen und Rohstoffen. Attraktive NatureTech-Startups bieten ihre intelligenten Lösungen und Dienstleistungen einer schnell wachsenden Kundschaft an.

Spricht man in diesen Tagen mit Vorreiter-Unternehmen über ihre natur-positiven Geschäftsmodelle, stößt man auf einige Ernüchterung angesichts der aktuellen politischen Situation: Die Jahre, in denen Klima- und Naturschutz vorangetrieben wurde, scheinen vorerst vorbei. Gleichzeitig wird die erlahmte Gestaltungskraft der Politik auch als Chance gesehen: Die Politik hat mit Green Deal, CSRD und Co. die Vorlage und notwenigen Transformationsdruck geliefert, jetzt liegt es in der Hand der Unternehmen, den Erhalt und die Wiederherstellung der Natur zu gestalten.

Mit Heartprint kann die Transformation gelingen

Ein Ort, an dem Unternehmen zusammenkommen, die die natur-positive Transformation gestalten wollen, ist die European Biodiversity Coalition. Gegründet im Spätsommer 2024, engagieren sich auf der gemeinnützigen Plattform seither über 50 große europäische Unternehmen und entwickeln Lösungen für naturfreundliches unternehmerisches Handeln. Ihr Motto: Making biodiversity a smart business move. Hinter diesem Slogan steckt die Überzeugung:

  • Erstens, wir müssen Biodiversität auch in ökonomischen Kategorien denken. Die Natur ist ein wesentlicher Zulieferer und damit ein betriebswirtschaftlich relevanter Faktor. Biodiversität trägt wesentlich zum Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung bei, auch wenn ihr Beitrag meist unbezahlt bleibt: Würde man beispielsweise Bienen für ihre Bestäubungsleistung den deutschen Mindestlohn zahlen, würde ein 500-Gramm-Glas Honig 310.000 Euro kosten.

  • Zweitens, wir brauchen ein positives Narrativ. Eine andere Nutzung der biologischen Vielfalt bietet enorme Chancen. Das WEF beziffert sie auf 10,1 Billionen US-Dollar: So viel Umsatz könnten Unternehmen zusätzlich erzielen, wenn sie natur-positiv wirtschafteten – und zwar Jahr für Jahr. Das ist dreimal der Jahresumsatz der globalen Automobilindustrie und doppelt so viel wie das deutsche BIP.

  • Drittens, wir wollen jetzt handeln. Die Unternehmen, die sich bei der European Biodiversity Coalition engagieren, suchen gemeinsam nach Lösungen, die jetzt und in Zukunft funktionieren – kommunikativ, betriebswirtschaftlich und finanziell. Oder anders formuliert: Sie erarbeiten communication cases, business cases und investment cases mit Biodiversität. Viele Gastbeiträge in dieser Serie werden davon zeugen und konkret aufzeigen, was Unternehmen bereits jetzt erfolgreich für und mit Biodiversität tun.

Eine wesentliche Säule der European Biodiversity Coalition – und Mitinitiatorin der Koalition – ist das Expertennetzwerk Biodiversity Bridge. In ihm engagieren sich führende Köpfe deutscher Naturforschungseinrichtungen und Unternehmen. Der Name Biodiversity Bridge ist Programm: Der Verein baut Brücken und stellt sicher, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft in die Entwicklung von Lösungen einfließen. Beide Organisationen – das Expertennetzwerk Biodiversity Bridge und die Action-Plattform European Biodiversity Coalition – eint, dass sie Menschen verbinden, die etwas bewegen wollen und bewegen können. Beide Organisationen arbeiten gemeinnützig und sind für jede kleine und große Unterstützung dankbar.

Braucht es diese gemeinnützigen Helfer bei der natur-positiven Transformation überhaupt? Ganz offensichtlich ja. Denn noch fehlt es an Bewusstsein für den Wert der Natur und auch an Lösungen, die sich in allen Bereichen der Wirtschaft erfolgreich skalieren lassen. Dazu wollen wir beitragen und mit unserem Engagement die Herzen weiterer Menschen für die Transformation zu einer naturverträglichen Lebens- und Wirtschaftsweise gewinnen: Heartprint.

Autor: Dr. Tobias Raffel ist geschäftsführender Direktor der Biodiversity Bridge und Mitinitiator der European Biodiversity Coalition.

Biodiversität ist entscheidend für die Zukunft von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, da ihr Verlust nicht nur Ökosysteme, sondern auch Wertschöpfung, Investitionen und Innovationskraft gefährdet. Gleichzeitig erkennen immer mehr Akteure aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, dass der Schutz und die Förderung der Natur Chancen für nachhaltige Entwicklung, neue Geschäftsmodelle und größere Resilienz bieten. Das Table.Forum widmet sich einer natur-positiven Zukunft und zeigt anhand konkreter Beispiele, wie Unternehmen, Forschung und Zivilgesellschaft diesen Wandel aktiv gestalten. Im Mittelpunkt stehen dabei praxisnahe Fragen: Wie kann Biodiversität in der Kommunikation, im Geschäftsmodell und als Investitionschance erfolgreich genutzt werden?

Unsere Partner: Biodiversity Bridge ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss erfahrener Biodiversitäts-Expertinnen und -Experten, die European Biodiversity Coalition ist eine sektorübergreifende Plattform, die Verantwortungsträger großer europäischer Unternehmen zusammenbringt, um geschäftsgetriebene Maßnahmen für Biodiversität zu beschleunigen und das Museum für Naturkunde Berlin ist eines der weltweit bedeutendsten Forschungsmuseen für biologische und geowissenschaftliche Evolution und Biodiversität.

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