Was werden die Schwerpunkte der “State of the European Union”-Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch sein? Darüber wird zurzeit viel spekuliert. Fest steht: Während die Klimamission des Green Deals praktisch abgeschlossen ist, sind die Punkte Landwirtschaft und Biodiversität nicht nur weit von Einigungen entfernt, sondern gewinnen noch weiter an politischer Sprengkraft.
Tatsächlich ist geplant, dass die EU-Kommission zwei Tage nach der SOTEU-Rede den Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat veröffentlicht. Das Dokument befindet sich laut einer Vertreterin der Exekutive “in der internen Konsultationsphase”. Am 15. September soll es an die Gremienmitglieder in der Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzenschutz (Scopaff) verteilt werden.
Nicht nur beim Glyphosat läuft die Frist ab. Auch die Einfuhrverbote für Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine laufen am 15. September aus. Die Ukraine hat der EU bereits mit einer Klage vor der WTO gedroht, sollte sie die Verbote verlängern. Wie eine Sprecherin der EU-Kommission am gestrigen Montag mitteilte, arbeite die Kommission momentan “an Lösungen”, mit denen alle einverstanden sein würden. Eine Herkulesaufgabe.
Frau Ministerin Backes, die EU-Kommission will die europäischen Schuldenregeln neu ausrichten. Bis vor der Sommerpause waren zahlreiche technische Fragen noch offen. Sind diese inzwischen geklärt?
Die technischen Diskussionen laufen noch immer. Wir sind zwar weitergekommen, aber es gibt noch viel Klärungsbedarf. Hier liegt noch Arbeit vor uns. Wir brauchen eine Lösung die für alle Mitgliedsstaaten funktioniert.
Deutschland kritisiert am Vorschlag der EU-Kommission, dass diese mit dem neuen Regelwerk zu viel Interpretationsspielraum in der Bewertung der nationalen Haushaltspfade erhält. Teilen Sie diese Haltung?
Für Luxemburg ist entscheidend: Wir brauchen einfache, klare und glaubhafte Regeln, die die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten garantieren und langfristig nachhaltige öffentliche Finanzen sichern. Das ist für uns extrem wichtig. Natürlich wissen wir, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche wirtschaftliche Ausgangspositionen haben und dass wir alle – auf nationaler wie europäischer Ebene – vor enormen Herausforderungen stehen: die grüne und digitale Transformation, die Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit, die Folgen des Ukraine-Kriegs, um nur einige zu nennen. Hier müssen wir im neuen Regelwerk eine Balance finden zwischen Stabilität und Flexibilität, um alle Mitgliedstaaten an Bord zu holen.
Könnte beispielsweise die Einbindung einer neutralen Instanz, ein unabhängiges europäisches Fiscal Board, ein Ausweg sein, um die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten zu erreichen?
Es gibt im europäischen Institutionengerüst bereits ein Fiscal Board, das an die Europäische Kommission angelehnt ist und über dessen Rolle in der neuen Governance-Architektur diskutiert wird. Im Moment sollten wir uns vor allem darauf konzentrieren, welche Rolle das bestehende Board einnehmen könnte. Ich verschließe mich im Rahmen dieser Gespräche aber keineswegs einer Diskussion über eine beratende Rolle dieses Gremiums.
Wo sehen Sie mögliche Kompromisslinien, wenn im Herbst die politische Auseinandersetzung in die entscheidende Phase geht?
Elf Staaten, darunter Luxemburg, haben unter deutscher Führung vor der Sommerpause einen gemeinsamen Gastbeitrag in diversen Zeitungen zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts veröffentlicht. In dem Artikel fordern wir klare und transparente Regeln, um langfristig tragfähige öffentliche Finanzen zu erreichen. Diese Punkte sind wesentlich. Wichtige Elemente, wie zum Beispiel die präventiven Kriterien oder auch der Abbau von Defiziten und Schulden – Kriterien die für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten – müssen noch weiter diskutiert werden. Die Neuausrichtung des Stabilitätspakts ist hochkomplex und erfordert intensive Verhandlungen, die die spanische Präsidentschaft jetzt moderieren muss. Wichtig für Luxemburg ist, dass wir uns mit den neuen Regeln langfristig gut aufstellen. Wir müssen früh genug sicherstellen, dass die nationalen Haushalte langfristig stabil bleiben. Insgesamt bleibe ich aber zuversichtlich, dass wir Kompromisse finden können.
Was passiert, wenn bis Jahresende keine Einigung erzielt wird und die aktuellen Ausnahmeregeln im Stabilitäts- und Wachstumspakt auslaufen? Die Kommission hat bereits laut gedacht, die Haushaltsüberwachung 2024 dann im Sinne der bis dato erreichten Ergebnisse vornehmen zu wollen.
Ich denke nicht, dass dies rechtlich möglich ist. Wir haben Verträge, an die wir uns halten müssen, solange das neue Regelwerk nicht legislativ verankert ist. Es ist wichtig, dass sich die Mitgliedstaaten die nötige Zeit nehmen, um eine für alle Beteiligten akzeptable Einigung zu erzielen. Daher muss die Devise lauten: Qualität geht vor Schnelligkeit.
Die Kommission will für die zweite Hälfte des mehrjährigen EU-Haushalts 66 Milliarden Euro mehr ausgeben. Viele Mitgliedstaaten sperren sich aber, zusätzliches Geld nachzuschießen und setzen stattdessen auf Umschichtungen im EU-Budget. Wie kann hier Ihrer Meinung nach die Lösung aussehen?
Im Zuge der Midterm Review ist wirklich wichtig, dass wir die Ukraine geschlossen und mit aller Kraft weiterhin unterstützen. Das sehen alle Mitgliedstaaten so. Die Zusammenlegung der finanziellen Unterstützung für die Ukraine mit anderen EU-Haushaltsdiskussionen macht die Angelegenheit komplizierter. Was die Halbzeitüberprüfung des EU-Haushalts im Allgemeinen angeht, da wünschen wir uns in Luxemburg eine noch gezieltere Verwendung der verabredeten Haushaltsmittel und mehr Effizienz bei den Ausgaben. Da muss die Kommission noch einmal nacharbeiten. Aber unter keinen Umständen darf darunter die Unterstützung an die Ukraine leiden.
Wäre es nicht sinnvoll, gerade mit Blick auf die Ukraine-Hilfen und die damit verbundenen Unwägbarkeiten, die Hilfsgelder aus dem EU-Haushalt herauszunehmen und über eine eigene Fazilität zu steuern, vergleichbar etwa mit dem frühen Euro-Rettungsschirm EFSF? Eine solche Ukraine-Fazilität könnte dann die Gelder für das Land mit Hilfe von Garantien der EU-Staaten selbst am Kapitalmarkt aufnehmen.
Das ist schon eine interessante Idee, aber das würde mit der Schaffung einer neuen Institution in der aktuellen Situation zu viel Zeit kosten. Außerdem ist die Euro-Krise von damals nicht mit dem russischen Angriffskrieg zu vergleichen. Ich denke, es ist sinnvoller, die Ukraine-Hilfen unter dem Dach des EU-Haushalts zu halten und dort zu bündeln und zu steuern, gerade wenn wir auch an den späteren Wiederaufbau im Land denken.
Klimaschutz steht weit oben auf der EU-Agenda. Der Finanzplatz Luxemburg hat hier eine herausragende Rolle. Was sind die Pläne für die Zukunft?
Grüne Anleihen haben die Finanzwelt verändert. Investoren wollen, das ist verständlich, mit ihren Anlagen nach wie vor Geld verdienen, sie wollen heute aber auch mit ihren Investments etwas bewirken – sie wollen nachhaltige Projekte finanzieren. Für die Luxemburger Börse ist dieser Markt inzwischen ein sehr bedeutendes Segment. 40 Prozent aller Green Bonds weltweit sind hier gelistet. Außerdem noch 40 Prozent aller europäischen ESG Funds (Environmental, Social, & Governance). Wir sind weltweit der fünftgrösste grüne Finanzplatz. Das kann sich sehen lassen.
Wie sieht es mit Blue Bonds mit Fokus auf den Schutz der Meere und mit Social Bonds aus?
Blaue Anleihen sind im Moment eher noch eine Nische, aber natürlich sehen wir auch in diesem Segment Potenzial. Bei Sozialanleihen sind wir dagegen schon viel weiter. Luxemburg ist die erste Börse, an der Gender-Bonds gelistet sind. Wir setzten am Finanzplatz auf zwei Stoßrichtungen: ‘Women in Finance’ und ‘Finance for Women’.
Was meinen Sie damit?
Luxemburg hat eine lange Tradition im Finanzwesen und unser Finanzplatz bemüht sich intensiv, Frauen im Management der Finanzbranche stärker in Führungsrollen zu bringen. Wir haben zu diesem Zweck erst vor wenigen Monaten die Charta ‘Women in Finance’ ins Leben gerufen, der sich umgehend 70 Banken und andere Akteure am Finanzplatz angeschlossen haben. Diese sind jetzt dabei, die Ziele der Charta in ihren eigenen Häusern anzugehen.
Und wie sieht es mit “Finance for Women” aus?
Hier setzen wir mit den Gender-Bonds an und unterstützen Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern, die von Frauen geleitet werden. Wenn wir von den SDGs der UN sprechen, ist für mich das Ziel Nummer fünf – Gender Equality – zentral. Es ist wichtig, Frauen in Führungsrollen zu unterstützen, auch weil Studien zum Beispiel belegen, dass Firmen, die von Frauen geleitet werden, einen deutlich besseren Carbon Footprint aufweisen.
Luxemburg ist auch Sitz wichtiger EU-Finanzinstitutionen, darunter der Europäische Stabilitätsmechanismus. Der ESM hat im Moment kein Programmland, dem er Hilfestellung leisten muss. Wo könnte der Stabilitätsmechanismus zusätzliche Aufgaben in Europa übernehmen?
Zunächst einmal ist es von zentraler Bedeutung, dass es den Stabilitätsmechanismus gibt. Der ESM hat in den vergangenen Krisen stets ein Signal der Stabilität ausgesandt und damit erheblich zur Vertrauensbildung der Märkte beigetragen. Bevor wir jetzt über weitere Aufgaben für den ESM reden, müssen alle Länder erst noch die verabredete ESM-Reform ratifizieren, mit welcher der Stabilitätsmechanismus eine stärkere Rolle in der Krisenprävention übernehmen wird.
Sie sind auch Gouverneurin der Europäischen Investitionsbank. Die EIB könnte noch mehr Projekte finanzieren für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, müsste dafür allerdings die Kapitalbasis stärken. Würden Sie eine Kapitalerhöhung befürworten?
Europa steht vor erheblichen Finanzierungsbedürfnissen, insbesondere im Hinblick auf seine grünen und digitalen Ziele. Die EIB spielt bei der Mobilisierung dieser Mittel eine entscheidende Rolle. Öffentliche Finanzierung sollte als Katalysator für private Investitionen dienen, vor allem in risikoreichere Projekte. Angesichts dieser Herausforderungen wäre eine Kapitalerhöhung sicherlich bedenkenswert, aber angesichts des bevorstehenden Führungswechsels bei der EIB könnte es aktuell zu früh sein, Schritte in diese Richtung zu unternehmen.
Bei der EIB steht demnächst ein Wechsel an der Spitze an. Im September soll dazu möglicherweise bereits die Entscheidung getroffen werden. Haben Sie unter den bekannten Namen, die den Finger gehoben haben, eine Favoritin oder einen Favoriten?
Ich muss sie enttäuschen, ich kann Ihnen hier leider keinen Scoop mitgeben. Alle fünf Kandidatinnen und Kandidaten sind hervorragend geeignet, den Job an der Spitze der EU-Bank auszuüben. Ich persönlich finde es sehr gut, dass wir mit drei Frauen und zwei Männern mehr weibliche Kandidatinnen haben. Damit stehen die Aussichten ja nicht schlecht, dass die EIB nach mehr als 60 Jahren erstmals von einer Frau geleitet wird. Aber ich kann und will der Diskussion nicht vorgreifen. Wir werden in wenigen Tagen auf dem informellen Ecofin-Treffen im spanischen Santiago de Compostela eine erste Aussprache über die Nachfolge von EIB-Präsident Hoyer haben, der eine wirklich hervorragende Arbeit geleistet hat, und dann wissen wir vielleicht mehr.
An Superlativen mangelt es nicht, als der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, Anfang September gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden von Diehl Defence, Helmut Rauch, zur Vorstellung der European Air Defence Academy in Todendorf zusammenkommt. Die Rüstungssparte des Familienunternehmens habe als “führendes Systemhaus für Luftverteidigungssysteme und Flugkörper in Deutschland” zuletzt “hervorragendes Feedback aus der Ukraine bekommen”, schwärmt Rauch: “Iris-T SLM hat Kiew gerettet” seien die ersten Worte gewesen, die der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt, Vitali Klitschko, bei ihrem Treffen im Frühjahr an ihn richtete.
Generalleutnant Gerhartz wiederum spricht von “Überschallgeschwindigkeit”, mit der die Errichtung des Zentrums für europäische Luftverteidigung am Standort der Flugabwehrraketengruppe 61 in Todendorf an der Ostseeküste in nur acht Monaten erfolgt sei: “Hier wird die Zeitenwende sichtbar.” Das vorher hier stationierte System MANTIS wurde im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine an die Slowakei abgegeben.
Eine Zeitenwende stellt vor allem der öffentlich zur Schau gestellte Schulterschluss zwischen Rüstungsindustrie und Bundeswehr dar. So prangt der Schriftzug von Diehl Defence in großen Lettern am Eingang der in einem Containerkomplex untergebrachten European Air Defence Academy, unter einer stilisierten Rakete mit den Buchstaben Iris-T SLM. Bereits heute wird hier an den von Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) hergestellten Militärlastwagen trainiert. Darauf sind Launcher, Gefechtsstände und Radargeräte installiert – auch wenn die erste von sechs von der Bundeswehr bestellten Einheiten erst im Oktober 2024 am Standort Todendorf in Dienst genommen werden soll.
Neben Diehl Defence sind Hensoldt, RMMV, Airbus Defence and Space sowie Rohde & Schwarz an der Erstellung der Ausbildungsmodule beteiligt gewesen. Von “atemberaubender Geschwindigkeit” spricht Gerhartz; Diehl Defence-CEO Rauch lobt die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr als “völlig unbürokratisch” und äußert die Hoffnung, dass das Trainingszentrum “entsprechend weiter aufwachsen” könne. “Wir hoffen darauf, weitere internationale Partner zu erreichen”, pflichtet Gerhartz ihm bei. Für die europäische Verteidigungspolitik verkörpert die Schulungseinrichtung in Todendorf symbolisch den neuen militärischen Zusammenhalt.
Um diesen zu vertiefen, scharte der Luftwaffeninspekteur Anfang September die Luftwaffenchefs von 14 der 19 Mitgliedsstaaten der European Sky Shield Initiative (ESSI) in Todendorf um sich. Das gemeinsame Rüstungskooperationsprojekt wurde im August 2022 von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Prager Rede als Antwort auf die Bedrohung durch Russland initiiert – nicht angeschlossen haben sich der gemeinsamen Rüstungskooperationsinitiative allerdings Frankreich, Italien und Polen, die eigene Luftverteidigungssysteme bevorzugen.
Das strategische Ziel der Initiative ist für die Bundeswehr klar: Es gehe darum, den anderen Partnern zu zeigen, dass Iris-T SLM (Infra Red Imaging System Tail/Thrust Vector-Controlled Surface Launched Medium Range) eine “gute Antwort auf Bedrohungen mittlerer Entfernung” sei, so Gerhartz. Ein weiteres Interesse daran, das Waffensystem möglichst weit in der Nato zu verbreiten, habe die Bundeswehr aber auch, um dadurch die Interoperabilität innerhalb des Bündnisses zu erhöhen. Selbst wenn sich an ESSI beteiligte Staaten für andere Systeme entschieden, sei wichtig, dass diese “gemeinsam integriert werden, gemeinsam operieren können”.
Erst im Juni hatte der Bundestag die Bestellung von sechs Feuereinheiten für die Bundeswehr in Höhe von 950 Millionen Euro gebilligt; zwei der bodengebundenen Systeme sind bereits an die Ukraine geliefert worden, ein drittes steht kurz vor der Auslieferung an Kiew, fünf weitere sollen folgen. Mit der Unterzeichnung von Kaufverträgen durch Estland und Lettland wird in den kommenden Wochen gerechnet.
Der Einsatz im Krieg zahlt sich für Diehl Defence schon jetzt aus. So stieg der Umsatz im Teilbereich Rüstung 2022 von 660 Millionen auf 810 Millionen Euro. Der für die Entwicklung von IRis-T zuständige Diehl Defence-Programmchef Harald Buschek sagt: “Die Ukrainer sind absolute Profis, die haben in Kiew eine Trefferquote von 100 Prozent.” 2025 wolle das Privatunternehmen mindestens acht Systeme bauen, statt drei bis vier wie in diesem Jahr.
Während Fachleute die Integration von Iris-T in die bodengestützte Luftverteidigung von ESSI begrüßen, fällt das Urteil über das israelisch-amerikanische System Arrow deutlich zurückhaltender aus. Als “seltsamste Beschaffungsentscheidung, die ich seit langem gesehen habe” bezeichnete etwa der dänische Experte für die Abwehr ballistischer Raketen, Simon Petersen, den Kauf durch die Bundesregierung. Im Juni hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags der Bereitstellung von fast vier Milliarden Euro für das israelisch-amerikanische System zugestimmt; im August erteilte die US-Regierung grünes Licht für die Auslieferung. Gertz bezeichnete es als “historisch, dass ausgerechnet dieses Land diesen Schutz für Deutschland bereitstellt”.
Was gut für die deutsch-israelische Rüstungspartnerschaft ist, ergibt für die Integration der bodengestützten europäischen Luftverteidigung nicht unbedingt Sinn: So geht die größte Bedrohung für Deutschland und Europa vor allem von russischen Kurzstreckenraketen des Typs 9K720 Iskander, der Hyperschallwaffe Kh-47M2 Kinschal sowie Marschflugkörpern aus – allesamt Waffensystemen, die die Erdatmosphäre während ihres Flugs nicht verlassen. Wohl auch deshalb wird die Ausbildung an Arrow 3 nicht am europäischen Trainingszentrums in Todendorf erfolgen, sondern in Israel. Und stationiert werden soll das System 2024 auch nicht an der Ostseeküste, sondern unter anderem im sachsen-anhaltinischen Holzdorf.
13.09.2023 – 09:00-12:00 Uhr, Berlin/online
EK, Diskussion Rede zur Lage der Europäischen Union 2023 und Diskussion
Die Vertretung der Europäischen Kommission (EK) überträgt die Rede zur Lage der Europäischen Union und diskutiert deren Inhalte im Anschluss mit Vertretern und Experten der Europapolitik. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2023 – 09:00-10:30 Uhr, München
Referat für Arbeit und Wirtschaft, Diskussion Rede zur Lage der EU
Das Referat für Arbeit und Wirtschaft München organisiert einen Livestream der Rede zur Lage der Europäischen Union mit anschließender Analyse und Diskussion der Kernpunkte und Botschaften. INFOS
13.09.2023 – 09:30-17:30 Uhr, Athen (Griechenland)
ENISA, Conference CTI-EU 2023 – Cyber threat intelligence for Europe
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) conference brings experts, researchers, practitioners and academics together to promote the dialogue and envision the future of Cyber Threat Intelligence for Europe. INFO
13.09.2023 – 11:00-12:00 Uhr, online
EUI, Discussion Locational marginal prices for electricity in Europe? The Untold Story
The European University Institute (EUI) discusses key unanswered questions about nodal pricing and explores alternative actions to improve locational signals in the European electricity system. INFO & REGISTRATION
13.09.2023 – 18:00-21:00 Uhr, Berlin
FES, Diskussion Werte in der Zeitenwende – Kompass für eine Welt im Umbruch?
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) veranstaltet eine Diskussion über die Implikationen der Zeitenwende für die europäische Sicherheitsordnung und über Strategien, die sich aus den sozialdemokratischen Grundwerten dafür ableiten lassen. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Krefeld
KAS, Vortrag Die neue Weltunordnung: Wie sich der Westen selbst zerstört
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat den Experten für Terrorismus und Geopolitik Peter Neumann zu Gast, der seine Thesen zur neuen Weltordnung vorträgt mit anschließender Diskussion. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2023 – 19:00-20:30 Uhr, Stuttgart
FNF, Diskussion Präsidentschaftswahl 2024: Was kommt auf Deutschland und Europa zu?
Bei der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutieren der Koordinator für transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, die Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke und ein ehemaliger USA-Korrespondent über die kommende Präsidentschaftswahl in den USA und deren Bedeutung für Europa. INFOS & ANMELDUNG
14.09.2023 – 09:00-12:30 Uhr, online
ASEW, Workshop Workshop Wasserstoff
Der Workshop der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) vermittelt die wichtigsten Wissensinhalte aus den Bereichen Herstellung, Transport, Speicherung und Regulatorik von Wasserstoff. INFOS & ANMELDUNG
14.09.2023 – 10:30-17:30 Uhr, Athen (Griechenland)
ENISA, Conference Threathunt 2030
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) conference offers a series of interactive panels on various aspects of future cybersecurity threats and aims to bring forward the vision of a cyber secure Europe. INFO
14.09.2023 – 14:00-17:15 Uhr, Berlin
BMUV, Konferenz Unternehmen & Verantwortung für die Umwelt: Die neuen OECD Leitsätze
Auf der Konferenz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) diskutieren OECD-Vertreter, Unternehmen und Experten über die Bedeutung der Novelle des Umweltkapitels. INFOS & ANMELDUNG
Die Linke will ein Europäisches Vermögensregister einführen. Es gehe darum, die Transparenz von Vermögen zu erhöhen. Europa brauche effektive Transparenzregeln, um “bei der Suche nach schmutzigem Geld aus Kriminalität, Korruption und von russischen Oligarchen erfolgreich zu sein”, heißt es in dem Entwurf des Programms der Linken für die Europawahl.
Das knapp 90 Seiten lange Papier wurde vom Parteivorstand einstimmig beschlossen. Außerdem solle das Mandat der Europäischen Zentralbank (EZB) erweitert werden: Neben dem Ziel der Preiswertstabilität solle die Notenbank auch auf “Vollbeschäftigung” und “wirtschaftliche Entwicklung” verpflichtet werden. Der EZB solle auch die Finanzierung von Staatsausgaben ermöglicht werden, damit das “künstliche Insolvenzrisiko von Eurostaaten” unterbunden werde.
Zudem sollten die Guthabenzinsen, die Verbraucher bekommen, an die Zinsen der Banken gekoppelt werden, damit die Banken die “steigenden Leitzinsen weiterreichen und sich nicht an den Sparerrinnen und Sparern bereichern können”. Der Zinssatz auf den Dispo solle gedeckelt werden bei maximal fünf Prozentpunkten über dem EZB-Leitzinssatz”.
Zur Verteidigungspolitik heißt es: “Während vonseiten der Nato oft von einem Verteidigungsbündnis gesprochen wird, sieht die Bilanz anders aus.” Vom Kosovokrieg über den Irak bis zum “War on Terror”: Oft hätten im Westen kurzfristige Profitinteressen in der Handelspolitik und imperiale Ambitionen der Nato und ihrer Verbündeten triumphiert. Im Kapitel zur Migration steht: “Rechte Parteien schüren die Angst, dass Migration den Wohlstand bedroht.” Tatsächlich würden Wohlstand und soziale Sicherheit aber bedroht, weil Grenzen für Konzerne und Banken viel durchlässiger seien als für Menschen, die vor Elend und Krieg fliehen. Die Linke ziele auf eine Gesellschaft ohne Abschottung. mgr
Die EU stehe mit ihrer grünen Agenda angesichts des Inflation Reduction Act der USA unter Zugzwang, schreibt Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Damit Europa nicht ins “industriepolitische Abseits” gestellt wird, erwartet der renommierte Klimaforscher, der auch Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ist, ein klares Signal von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU (SOTEU) am Mittwoch.
Edenhofer fordert:
Die europäische Kohlenstoff-Zentralbank könne die Qualität von CO₂-Entnahmen sichern, um zu garantieren, dass zertifizierte CO₂-Entnahmen auch dauerhaft gespeichert werden, glaubt Edenhofer. Eine solche Behörde könne zudem dafür sorgen, dass entnommene CO₂-Mengen durch die Integration in den EU-Emissionshandel zu Geld gemacht werden können, sodass ein finanzieller Anreiz für die Entnahme entsteht.
Das könnte insbesondere der Landwirtschaft zugutekommen, da diese langfristige CO₂-Senke werden soll. Derzeit ist der Agrarsektor noch für rund zehn Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Der Erfolg des Emissionshandels für Stromwirtschaft und Industrie zeige, ein dritter Emissionshandel könne auch den Agrarsektor auf Kurs bringen, so Edenhofer.
Die Klima-Allianz mit den USA zielt ebenfalls auf das Instrument des Emissionshandels ab. Ein CO₂-Preis sei für die USA unerlässlich, weshalb die EU in den USA auf einen CO₂-Mindestpreis hinarbeiten solle, so Edenhofer.
Würde der Green Deal dagegen ausgesetzt oder verzögert werden, würden die Erwartungen der Investoren, die tatkräftig in neue Technologien investieren, enttäuscht werden, befürchtet er. “Europa braucht ambitionierte Klimapolitik mit Blick für die großen Linien, Offenheit für den nötigen Strukturwandel und Entschlossenheit für sozialen Ausgleich.” luk
Die EU-Kommission blickt deutlich skeptischer auf die Konjunktur in der Euro-Zone und in Deutschland als noch im Frühjahr. Die Brüsseler Behörde erwartet für die Staaten der Währungsunion 2023 nur noch ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,8 Prozent, wie aus der am Montag vorgelegten Sommerprognose hervorgeht. Im Mai hatte sie einen Zuwachs von 1,1 Prozent veranschlagt. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sprach mit Blick auf die Folgen des Ukraine-Krieges, steigender Zinsen und hoher Inflation von “mehrfachem Gegenwind”, der das Wachstum stärker bremse als im Frühjahr gedacht.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, erwartet, dass sich nach einer Phase der Schwäche nächstes Jahr ein milder Aufschwung entwickeln wird, “gestützt auf einen starken Arbeitsmarkt, rekordniedrige Erwerbslosigkeit und nachlassenden Preisdruck”.
Die deutsche Wirtschaft steuert aus Brüsseler Sicht dieses Jahr in die Rezession: Sie dürfte demnach um 0,4 Prozent schrumpfen. Im Mai hatte die EU-Kommission noch ein mageres Plus von 0,2 Prozent veranschlagt. Auch viele führende deutsche Forschungsinstitute haben zuletzt ein Schrumpfen der größten Volkswirtschaft des Währungsraums prognostiziert: Der Industriestandort leidet besonders unter den hohen Energiekosten und dem mauen weltwirtschaftlichen Umfeld – insbesondere auch wegen der Konjunkturschwäche Chinas.
Die EU-Kommission veranschlagt in ihren Prognosen zugleich für dieses Jahr einen nicht mehr ganz so hohen Preisdruck wie noch im Frühjahr angenommen. Sie erwartet 2023 für Deutschland eine für den europäischen Vergleich berechnete Teuerungsrate (HVPI) von 6,4 Prozent, im Mai hatte sie noch 6,8 Prozent vorhergesagt. Für die Euro-Zone prognostiziert sie nun eine Inflation von 5,6 Prozent, nach 5,8 Prozent in der Frühjahrsprognose. rtr
Eine millionenschwere EU-Initiative gegen Gewalt an Frauen hat laut Europäischem Rechnungshof entscheidende Ziele nicht erreicht. Es gebe keine Nachweise dafür, dass die Gewalt gegen Frauen und Mädchen in den von der Initiative abgedeckten Ländern zurückgegangen sei, teilte der Rechnungshof am Montag in Luxemburg mit. “Die Initiative hat bisher nur wenig zur Verbesserung der Situation derjenigen beigetragen, denen sie helfen sollte”, so das für den Bericht zuständige Mitglied Bettina Jakobsen.
Die EU-Kommission habe mit dem Programm auf vier Kontinenten in mehr als 26 Ländern weltweit einen ambitionierten Versuch unternommen, um dem Problem der sexuellen und körperlichen Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu begegnen. Um aber tatsächlich etwas zu bewegen, also zum Beispiel junge Frauen vor der Genitalverstümmelung zu bewahren oder sie vor Gewalt zu schützen, biete die Initiative mit ihrer relativ knappen Laufzeit “nur ein kurzes Zeitfenster für die Herbeiführung nachhaltiger Veränderungen”.
Das fast 500 Millionen Euro schwere Programm der EU und der Vereinten Nationen gibt es seit 2017 und läuft noch bis Ende Dezember 2024. Der Rechnungshof kritisierte daran zudem, dass rund ein Drittel des Geldes für Verwaltungsarbeiten ausgegeben worden sei. Es seien aber durchaus auch Erfolge erzielt worden – etwa die finanzielle Unterstützung von Frauenrechtsorganisationen in Uganda.
Die Kommission betonte: “In vielen Ländern hat die Initiative die Voraussetzungen für eine breite und politische Debatte über die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen geschaffen.” Die Behörde räumte aber ein, dass sowohl mehr Zeit als auch mehr Ressourcen erforderlich seien, um Ergebnisse in vollem Umfang zu erzielen. Verbesserungsvorschläge des Rechnungshofes nahm die EU-Kommission größtenteils an. dpa
Was werden die Schwerpunkte der “State of the European Union”-Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch sein? Darüber wird zurzeit viel spekuliert. Fest steht: Während die Klimamission des Green Deals praktisch abgeschlossen ist, sind die Punkte Landwirtschaft und Biodiversität nicht nur weit von Einigungen entfernt, sondern gewinnen noch weiter an politischer Sprengkraft.
Tatsächlich ist geplant, dass die EU-Kommission zwei Tage nach der SOTEU-Rede den Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat veröffentlicht. Das Dokument befindet sich laut einer Vertreterin der Exekutive “in der internen Konsultationsphase”. Am 15. September soll es an die Gremienmitglieder in der Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzenschutz (Scopaff) verteilt werden.
Nicht nur beim Glyphosat läuft die Frist ab. Auch die Einfuhrverbote für Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine laufen am 15. September aus. Die Ukraine hat der EU bereits mit einer Klage vor der WTO gedroht, sollte sie die Verbote verlängern. Wie eine Sprecherin der EU-Kommission am gestrigen Montag mitteilte, arbeite die Kommission momentan “an Lösungen”, mit denen alle einverstanden sein würden. Eine Herkulesaufgabe.
Frau Ministerin Backes, die EU-Kommission will die europäischen Schuldenregeln neu ausrichten. Bis vor der Sommerpause waren zahlreiche technische Fragen noch offen. Sind diese inzwischen geklärt?
Die technischen Diskussionen laufen noch immer. Wir sind zwar weitergekommen, aber es gibt noch viel Klärungsbedarf. Hier liegt noch Arbeit vor uns. Wir brauchen eine Lösung die für alle Mitgliedsstaaten funktioniert.
Deutschland kritisiert am Vorschlag der EU-Kommission, dass diese mit dem neuen Regelwerk zu viel Interpretationsspielraum in der Bewertung der nationalen Haushaltspfade erhält. Teilen Sie diese Haltung?
Für Luxemburg ist entscheidend: Wir brauchen einfache, klare und glaubhafte Regeln, die die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten garantieren und langfristig nachhaltige öffentliche Finanzen sichern. Das ist für uns extrem wichtig. Natürlich wissen wir, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche wirtschaftliche Ausgangspositionen haben und dass wir alle – auf nationaler wie europäischer Ebene – vor enormen Herausforderungen stehen: die grüne und digitale Transformation, die Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit, die Folgen des Ukraine-Kriegs, um nur einige zu nennen. Hier müssen wir im neuen Regelwerk eine Balance finden zwischen Stabilität und Flexibilität, um alle Mitgliedstaaten an Bord zu holen.
Könnte beispielsweise die Einbindung einer neutralen Instanz, ein unabhängiges europäisches Fiscal Board, ein Ausweg sein, um die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten zu erreichen?
Es gibt im europäischen Institutionengerüst bereits ein Fiscal Board, das an die Europäische Kommission angelehnt ist und über dessen Rolle in der neuen Governance-Architektur diskutiert wird. Im Moment sollten wir uns vor allem darauf konzentrieren, welche Rolle das bestehende Board einnehmen könnte. Ich verschließe mich im Rahmen dieser Gespräche aber keineswegs einer Diskussion über eine beratende Rolle dieses Gremiums.
Wo sehen Sie mögliche Kompromisslinien, wenn im Herbst die politische Auseinandersetzung in die entscheidende Phase geht?
Elf Staaten, darunter Luxemburg, haben unter deutscher Führung vor der Sommerpause einen gemeinsamen Gastbeitrag in diversen Zeitungen zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts veröffentlicht. In dem Artikel fordern wir klare und transparente Regeln, um langfristig tragfähige öffentliche Finanzen zu erreichen. Diese Punkte sind wesentlich. Wichtige Elemente, wie zum Beispiel die präventiven Kriterien oder auch der Abbau von Defiziten und Schulden – Kriterien die für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten – müssen noch weiter diskutiert werden. Die Neuausrichtung des Stabilitätspakts ist hochkomplex und erfordert intensive Verhandlungen, die die spanische Präsidentschaft jetzt moderieren muss. Wichtig für Luxemburg ist, dass wir uns mit den neuen Regeln langfristig gut aufstellen. Wir müssen früh genug sicherstellen, dass die nationalen Haushalte langfristig stabil bleiben. Insgesamt bleibe ich aber zuversichtlich, dass wir Kompromisse finden können.
Was passiert, wenn bis Jahresende keine Einigung erzielt wird und die aktuellen Ausnahmeregeln im Stabilitäts- und Wachstumspakt auslaufen? Die Kommission hat bereits laut gedacht, die Haushaltsüberwachung 2024 dann im Sinne der bis dato erreichten Ergebnisse vornehmen zu wollen.
Ich denke nicht, dass dies rechtlich möglich ist. Wir haben Verträge, an die wir uns halten müssen, solange das neue Regelwerk nicht legislativ verankert ist. Es ist wichtig, dass sich die Mitgliedstaaten die nötige Zeit nehmen, um eine für alle Beteiligten akzeptable Einigung zu erzielen. Daher muss die Devise lauten: Qualität geht vor Schnelligkeit.
Die Kommission will für die zweite Hälfte des mehrjährigen EU-Haushalts 66 Milliarden Euro mehr ausgeben. Viele Mitgliedstaaten sperren sich aber, zusätzliches Geld nachzuschießen und setzen stattdessen auf Umschichtungen im EU-Budget. Wie kann hier Ihrer Meinung nach die Lösung aussehen?
Im Zuge der Midterm Review ist wirklich wichtig, dass wir die Ukraine geschlossen und mit aller Kraft weiterhin unterstützen. Das sehen alle Mitgliedstaaten so. Die Zusammenlegung der finanziellen Unterstützung für die Ukraine mit anderen EU-Haushaltsdiskussionen macht die Angelegenheit komplizierter. Was die Halbzeitüberprüfung des EU-Haushalts im Allgemeinen angeht, da wünschen wir uns in Luxemburg eine noch gezieltere Verwendung der verabredeten Haushaltsmittel und mehr Effizienz bei den Ausgaben. Da muss die Kommission noch einmal nacharbeiten. Aber unter keinen Umständen darf darunter die Unterstützung an die Ukraine leiden.
Wäre es nicht sinnvoll, gerade mit Blick auf die Ukraine-Hilfen und die damit verbundenen Unwägbarkeiten, die Hilfsgelder aus dem EU-Haushalt herauszunehmen und über eine eigene Fazilität zu steuern, vergleichbar etwa mit dem frühen Euro-Rettungsschirm EFSF? Eine solche Ukraine-Fazilität könnte dann die Gelder für das Land mit Hilfe von Garantien der EU-Staaten selbst am Kapitalmarkt aufnehmen.
Das ist schon eine interessante Idee, aber das würde mit der Schaffung einer neuen Institution in der aktuellen Situation zu viel Zeit kosten. Außerdem ist die Euro-Krise von damals nicht mit dem russischen Angriffskrieg zu vergleichen. Ich denke, es ist sinnvoller, die Ukraine-Hilfen unter dem Dach des EU-Haushalts zu halten und dort zu bündeln und zu steuern, gerade wenn wir auch an den späteren Wiederaufbau im Land denken.
Klimaschutz steht weit oben auf der EU-Agenda. Der Finanzplatz Luxemburg hat hier eine herausragende Rolle. Was sind die Pläne für die Zukunft?
Grüne Anleihen haben die Finanzwelt verändert. Investoren wollen, das ist verständlich, mit ihren Anlagen nach wie vor Geld verdienen, sie wollen heute aber auch mit ihren Investments etwas bewirken – sie wollen nachhaltige Projekte finanzieren. Für die Luxemburger Börse ist dieser Markt inzwischen ein sehr bedeutendes Segment. 40 Prozent aller Green Bonds weltweit sind hier gelistet. Außerdem noch 40 Prozent aller europäischen ESG Funds (Environmental, Social, & Governance). Wir sind weltweit der fünftgrösste grüne Finanzplatz. Das kann sich sehen lassen.
Wie sieht es mit Blue Bonds mit Fokus auf den Schutz der Meere und mit Social Bonds aus?
Blaue Anleihen sind im Moment eher noch eine Nische, aber natürlich sehen wir auch in diesem Segment Potenzial. Bei Sozialanleihen sind wir dagegen schon viel weiter. Luxemburg ist die erste Börse, an der Gender-Bonds gelistet sind. Wir setzten am Finanzplatz auf zwei Stoßrichtungen: ‘Women in Finance’ und ‘Finance for Women’.
Was meinen Sie damit?
Luxemburg hat eine lange Tradition im Finanzwesen und unser Finanzplatz bemüht sich intensiv, Frauen im Management der Finanzbranche stärker in Führungsrollen zu bringen. Wir haben zu diesem Zweck erst vor wenigen Monaten die Charta ‘Women in Finance’ ins Leben gerufen, der sich umgehend 70 Banken und andere Akteure am Finanzplatz angeschlossen haben. Diese sind jetzt dabei, die Ziele der Charta in ihren eigenen Häusern anzugehen.
Und wie sieht es mit “Finance for Women” aus?
Hier setzen wir mit den Gender-Bonds an und unterstützen Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern, die von Frauen geleitet werden. Wenn wir von den SDGs der UN sprechen, ist für mich das Ziel Nummer fünf – Gender Equality – zentral. Es ist wichtig, Frauen in Führungsrollen zu unterstützen, auch weil Studien zum Beispiel belegen, dass Firmen, die von Frauen geleitet werden, einen deutlich besseren Carbon Footprint aufweisen.
Luxemburg ist auch Sitz wichtiger EU-Finanzinstitutionen, darunter der Europäische Stabilitätsmechanismus. Der ESM hat im Moment kein Programmland, dem er Hilfestellung leisten muss. Wo könnte der Stabilitätsmechanismus zusätzliche Aufgaben in Europa übernehmen?
Zunächst einmal ist es von zentraler Bedeutung, dass es den Stabilitätsmechanismus gibt. Der ESM hat in den vergangenen Krisen stets ein Signal der Stabilität ausgesandt und damit erheblich zur Vertrauensbildung der Märkte beigetragen. Bevor wir jetzt über weitere Aufgaben für den ESM reden, müssen alle Länder erst noch die verabredete ESM-Reform ratifizieren, mit welcher der Stabilitätsmechanismus eine stärkere Rolle in der Krisenprävention übernehmen wird.
Sie sind auch Gouverneurin der Europäischen Investitionsbank. Die EIB könnte noch mehr Projekte finanzieren für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, müsste dafür allerdings die Kapitalbasis stärken. Würden Sie eine Kapitalerhöhung befürworten?
Europa steht vor erheblichen Finanzierungsbedürfnissen, insbesondere im Hinblick auf seine grünen und digitalen Ziele. Die EIB spielt bei der Mobilisierung dieser Mittel eine entscheidende Rolle. Öffentliche Finanzierung sollte als Katalysator für private Investitionen dienen, vor allem in risikoreichere Projekte. Angesichts dieser Herausforderungen wäre eine Kapitalerhöhung sicherlich bedenkenswert, aber angesichts des bevorstehenden Führungswechsels bei der EIB könnte es aktuell zu früh sein, Schritte in diese Richtung zu unternehmen.
Bei der EIB steht demnächst ein Wechsel an der Spitze an. Im September soll dazu möglicherweise bereits die Entscheidung getroffen werden. Haben Sie unter den bekannten Namen, die den Finger gehoben haben, eine Favoritin oder einen Favoriten?
Ich muss sie enttäuschen, ich kann Ihnen hier leider keinen Scoop mitgeben. Alle fünf Kandidatinnen und Kandidaten sind hervorragend geeignet, den Job an der Spitze der EU-Bank auszuüben. Ich persönlich finde es sehr gut, dass wir mit drei Frauen und zwei Männern mehr weibliche Kandidatinnen haben. Damit stehen die Aussichten ja nicht schlecht, dass die EIB nach mehr als 60 Jahren erstmals von einer Frau geleitet wird. Aber ich kann und will der Diskussion nicht vorgreifen. Wir werden in wenigen Tagen auf dem informellen Ecofin-Treffen im spanischen Santiago de Compostela eine erste Aussprache über die Nachfolge von EIB-Präsident Hoyer haben, der eine wirklich hervorragende Arbeit geleistet hat, und dann wissen wir vielleicht mehr.
An Superlativen mangelt es nicht, als der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, Anfang September gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden von Diehl Defence, Helmut Rauch, zur Vorstellung der European Air Defence Academy in Todendorf zusammenkommt. Die Rüstungssparte des Familienunternehmens habe als “führendes Systemhaus für Luftverteidigungssysteme und Flugkörper in Deutschland” zuletzt “hervorragendes Feedback aus der Ukraine bekommen”, schwärmt Rauch: “Iris-T SLM hat Kiew gerettet” seien die ersten Worte gewesen, die der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt, Vitali Klitschko, bei ihrem Treffen im Frühjahr an ihn richtete.
Generalleutnant Gerhartz wiederum spricht von “Überschallgeschwindigkeit”, mit der die Errichtung des Zentrums für europäische Luftverteidigung am Standort der Flugabwehrraketengruppe 61 in Todendorf an der Ostseeküste in nur acht Monaten erfolgt sei: “Hier wird die Zeitenwende sichtbar.” Das vorher hier stationierte System MANTIS wurde im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine an die Slowakei abgegeben.
Eine Zeitenwende stellt vor allem der öffentlich zur Schau gestellte Schulterschluss zwischen Rüstungsindustrie und Bundeswehr dar. So prangt der Schriftzug von Diehl Defence in großen Lettern am Eingang der in einem Containerkomplex untergebrachten European Air Defence Academy, unter einer stilisierten Rakete mit den Buchstaben Iris-T SLM. Bereits heute wird hier an den von Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) hergestellten Militärlastwagen trainiert. Darauf sind Launcher, Gefechtsstände und Radargeräte installiert – auch wenn die erste von sechs von der Bundeswehr bestellten Einheiten erst im Oktober 2024 am Standort Todendorf in Dienst genommen werden soll.
Neben Diehl Defence sind Hensoldt, RMMV, Airbus Defence and Space sowie Rohde & Schwarz an der Erstellung der Ausbildungsmodule beteiligt gewesen. Von “atemberaubender Geschwindigkeit” spricht Gerhartz; Diehl Defence-CEO Rauch lobt die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr als “völlig unbürokratisch” und äußert die Hoffnung, dass das Trainingszentrum “entsprechend weiter aufwachsen” könne. “Wir hoffen darauf, weitere internationale Partner zu erreichen”, pflichtet Gerhartz ihm bei. Für die europäische Verteidigungspolitik verkörpert die Schulungseinrichtung in Todendorf symbolisch den neuen militärischen Zusammenhalt.
Um diesen zu vertiefen, scharte der Luftwaffeninspekteur Anfang September die Luftwaffenchefs von 14 der 19 Mitgliedsstaaten der European Sky Shield Initiative (ESSI) in Todendorf um sich. Das gemeinsame Rüstungskooperationsprojekt wurde im August 2022 von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Prager Rede als Antwort auf die Bedrohung durch Russland initiiert – nicht angeschlossen haben sich der gemeinsamen Rüstungskooperationsinitiative allerdings Frankreich, Italien und Polen, die eigene Luftverteidigungssysteme bevorzugen.
Das strategische Ziel der Initiative ist für die Bundeswehr klar: Es gehe darum, den anderen Partnern zu zeigen, dass Iris-T SLM (Infra Red Imaging System Tail/Thrust Vector-Controlled Surface Launched Medium Range) eine “gute Antwort auf Bedrohungen mittlerer Entfernung” sei, so Gerhartz. Ein weiteres Interesse daran, das Waffensystem möglichst weit in der Nato zu verbreiten, habe die Bundeswehr aber auch, um dadurch die Interoperabilität innerhalb des Bündnisses zu erhöhen. Selbst wenn sich an ESSI beteiligte Staaten für andere Systeme entschieden, sei wichtig, dass diese “gemeinsam integriert werden, gemeinsam operieren können”.
Erst im Juni hatte der Bundestag die Bestellung von sechs Feuereinheiten für die Bundeswehr in Höhe von 950 Millionen Euro gebilligt; zwei der bodengebundenen Systeme sind bereits an die Ukraine geliefert worden, ein drittes steht kurz vor der Auslieferung an Kiew, fünf weitere sollen folgen. Mit der Unterzeichnung von Kaufverträgen durch Estland und Lettland wird in den kommenden Wochen gerechnet.
Der Einsatz im Krieg zahlt sich für Diehl Defence schon jetzt aus. So stieg der Umsatz im Teilbereich Rüstung 2022 von 660 Millionen auf 810 Millionen Euro. Der für die Entwicklung von IRis-T zuständige Diehl Defence-Programmchef Harald Buschek sagt: “Die Ukrainer sind absolute Profis, die haben in Kiew eine Trefferquote von 100 Prozent.” 2025 wolle das Privatunternehmen mindestens acht Systeme bauen, statt drei bis vier wie in diesem Jahr.
Während Fachleute die Integration von Iris-T in die bodengestützte Luftverteidigung von ESSI begrüßen, fällt das Urteil über das israelisch-amerikanische System Arrow deutlich zurückhaltender aus. Als “seltsamste Beschaffungsentscheidung, die ich seit langem gesehen habe” bezeichnete etwa der dänische Experte für die Abwehr ballistischer Raketen, Simon Petersen, den Kauf durch die Bundesregierung. Im Juni hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags der Bereitstellung von fast vier Milliarden Euro für das israelisch-amerikanische System zugestimmt; im August erteilte die US-Regierung grünes Licht für die Auslieferung. Gertz bezeichnete es als “historisch, dass ausgerechnet dieses Land diesen Schutz für Deutschland bereitstellt”.
Was gut für die deutsch-israelische Rüstungspartnerschaft ist, ergibt für die Integration der bodengestützten europäischen Luftverteidigung nicht unbedingt Sinn: So geht die größte Bedrohung für Deutschland und Europa vor allem von russischen Kurzstreckenraketen des Typs 9K720 Iskander, der Hyperschallwaffe Kh-47M2 Kinschal sowie Marschflugkörpern aus – allesamt Waffensystemen, die die Erdatmosphäre während ihres Flugs nicht verlassen. Wohl auch deshalb wird die Ausbildung an Arrow 3 nicht am europäischen Trainingszentrums in Todendorf erfolgen, sondern in Israel. Und stationiert werden soll das System 2024 auch nicht an der Ostseeküste, sondern unter anderem im sachsen-anhaltinischen Holzdorf.
13.09.2023 – 09:00-12:00 Uhr, Berlin/online
EK, Diskussion Rede zur Lage der Europäischen Union 2023 und Diskussion
Die Vertretung der Europäischen Kommission (EK) überträgt die Rede zur Lage der Europäischen Union und diskutiert deren Inhalte im Anschluss mit Vertretern und Experten der Europapolitik. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2023 – 09:00-10:30 Uhr, München
Referat für Arbeit und Wirtschaft, Diskussion Rede zur Lage der EU
Das Referat für Arbeit und Wirtschaft München organisiert einen Livestream der Rede zur Lage der Europäischen Union mit anschließender Analyse und Diskussion der Kernpunkte und Botschaften. INFOS
13.09.2023 – 09:30-17:30 Uhr, Athen (Griechenland)
ENISA, Conference CTI-EU 2023 – Cyber threat intelligence for Europe
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) conference brings experts, researchers, practitioners and academics together to promote the dialogue and envision the future of Cyber Threat Intelligence for Europe. INFO
13.09.2023 – 11:00-12:00 Uhr, online
EUI, Discussion Locational marginal prices for electricity in Europe? The Untold Story
The European University Institute (EUI) discusses key unanswered questions about nodal pricing and explores alternative actions to improve locational signals in the European electricity system. INFO & REGISTRATION
13.09.2023 – 18:00-21:00 Uhr, Berlin
FES, Diskussion Werte in der Zeitenwende – Kompass für eine Welt im Umbruch?
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) veranstaltet eine Diskussion über die Implikationen der Zeitenwende für die europäische Sicherheitsordnung und über Strategien, die sich aus den sozialdemokratischen Grundwerten dafür ableiten lassen. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Krefeld
KAS, Vortrag Die neue Weltunordnung: Wie sich der Westen selbst zerstört
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat den Experten für Terrorismus und Geopolitik Peter Neumann zu Gast, der seine Thesen zur neuen Weltordnung vorträgt mit anschließender Diskussion. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2023 – 19:00-20:30 Uhr, Stuttgart
FNF, Diskussion Präsidentschaftswahl 2024: Was kommt auf Deutschland und Europa zu?
Bei der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutieren der Koordinator für transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, die Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke und ein ehemaliger USA-Korrespondent über die kommende Präsidentschaftswahl in den USA und deren Bedeutung für Europa. INFOS & ANMELDUNG
14.09.2023 – 09:00-12:30 Uhr, online
ASEW, Workshop Workshop Wasserstoff
Der Workshop der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) vermittelt die wichtigsten Wissensinhalte aus den Bereichen Herstellung, Transport, Speicherung und Regulatorik von Wasserstoff. INFOS & ANMELDUNG
14.09.2023 – 10:30-17:30 Uhr, Athen (Griechenland)
ENISA, Conference Threathunt 2030
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) conference offers a series of interactive panels on various aspects of future cybersecurity threats and aims to bring forward the vision of a cyber secure Europe. INFO
14.09.2023 – 14:00-17:15 Uhr, Berlin
BMUV, Konferenz Unternehmen & Verantwortung für die Umwelt: Die neuen OECD Leitsätze
Auf der Konferenz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) diskutieren OECD-Vertreter, Unternehmen und Experten über die Bedeutung der Novelle des Umweltkapitels. INFOS & ANMELDUNG
Die Linke will ein Europäisches Vermögensregister einführen. Es gehe darum, die Transparenz von Vermögen zu erhöhen. Europa brauche effektive Transparenzregeln, um “bei der Suche nach schmutzigem Geld aus Kriminalität, Korruption und von russischen Oligarchen erfolgreich zu sein”, heißt es in dem Entwurf des Programms der Linken für die Europawahl.
Das knapp 90 Seiten lange Papier wurde vom Parteivorstand einstimmig beschlossen. Außerdem solle das Mandat der Europäischen Zentralbank (EZB) erweitert werden: Neben dem Ziel der Preiswertstabilität solle die Notenbank auch auf “Vollbeschäftigung” und “wirtschaftliche Entwicklung” verpflichtet werden. Der EZB solle auch die Finanzierung von Staatsausgaben ermöglicht werden, damit das “künstliche Insolvenzrisiko von Eurostaaten” unterbunden werde.
Zudem sollten die Guthabenzinsen, die Verbraucher bekommen, an die Zinsen der Banken gekoppelt werden, damit die Banken die “steigenden Leitzinsen weiterreichen und sich nicht an den Sparerrinnen und Sparern bereichern können”. Der Zinssatz auf den Dispo solle gedeckelt werden bei maximal fünf Prozentpunkten über dem EZB-Leitzinssatz”.
Zur Verteidigungspolitik heißt es: “Während vonseiten der Nato oft von einem Verteidigungsbündnis gesprochen wird, sieht die Bilanz anders aus.” Vom Kosovokrieg über den Irak bis zum “War on Terror”: Oft hätten im Westen kurzfristige Profitinteressen in der Handelspolitik und imperiale Ambitionen der Nato und ihrer Verbündeten triumphiert. Im Kapitel zur Migration steht: “Rechte Parteien schüren die Angst, dass Migration den Wohlstand bedroht.” Tatsächlich würden Wohlstand und soziale Sicherheit aber bedroht, weil Grenzen für Konzerne und Banken viel durchlässiger seien als für Menschen, die vor Elend und Krieg fliehen. Die Linke ziele auf eine Gesellschaft ohne Abschottung. mgr
Die EU stehe mit ihrer grünen Agenda angesichts des Inflation Reduction Act der USA unter Zugzwang, schreibt Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Damit Europa nicht ins “industriepolitische Abseits” gestellt wird, erwartet der renommierte Klimaforscher, der auch Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ist, ein klares Signal von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU (SOTEU) am Mittwoch.
Edenhofer fordert:
Die europäische Kohlenstoff-Zentralbank könne die Qualität von CO₂-Entnahmen sichern, um zu garantieren, dass zertifizierte CO₂-Entnahmen auch dauerhaft gespeichert werden, glaubt Edenhofer. Eine solche Behörde könne zudem dafür sorgen, dass entnommene CO₂-Mengen durch die Integration in den EU-Emissionshandel zu Geld gemacht werden können, sodass ein finanzieller Anreiz für die Entnahme entsteht.
Das könnte insbesondere der Landwirtschaft zugutekommen, da diese langfristige CO₂-Senke werden soll. Derzeit ist der Agrarsektor noch für rund zehn Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Der Erfolg des Emissionshandels für Stromwirtschaft und Industrie zeige, ein dritter Emissionshandel könne auch den Agrarsektor auf Kurs bringen, so Edenhofer.
Die Klima-Allianz mit den USA zielt ebenfalls auf das Instrument des Emissionshandels ab. Ein CO₂-Preis sei für die USA unerlässlich, weshalb die EU in den USA auf einen CO₂-Mindestpreis hinarbeiten solle, so Edenhofer.
Würde der Green Deal dagegen ausgesetzt oder verzögert werden, würden die Erwartungen der Investoren, die tatkräftig in neue Technologien investieren, enttäuscht werden, befürchtet er. “Europa braucht ambitionierte Klimapolitik mit Blick für die großen Linien, Offenheit für den nötigen Strukturwandel und Entschlossenheit für sozialen Ausgleich.” luk
Die EU-Kommission blickt deutlich skeptischer auf die Konjunktur in der Euro-Zone und in Deutschland als noch im Frühjahr. Die Brüsseler Behörde erwartet für die Staaten der Währungsunion 2023 nur noch ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,8 Prozent, wie aus der am Montag vorgelegten Sommerprognose hervorgeht. Im Mai hatte sie einen Zuwachs von 1,1 Prozent veranschlagt. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sprach mit Blick auf die Folgen des Ukraine-Krieges, steigender Zinsen und hoher Inflation von “mehrfachem Gegenwind”, der das Wachstum stärker bremse als im Frühjahr gedacht.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, erwartet, dass sich nach einer Phase der Schwäche nächstes Jahr ein milder Aufschwung entwickeln wird, “gestützt auf einen starken Arbeitsmarkt, rekordniedrige Erwerbslosigkeit und nachlassenden Preisdruck”.
Die deutsche Wirtschaft steuert aus Brüsseler Sicht dieses Jahr in die Rezession: Sie dürfte demnach um 0,4 Prozent schrumpfen. Im Mai hatte die EU-Kommission noch ein mageres Plus von 0,2 Prozent veranschlagt. Auch viele führende deutsche Forschungsinstitute haben zuletzt ein Schrumpfen der größten Volkswirtschaft des Währungsraums prognostiziert: Der Industriestandort leidet besonders unter den hohen Energiekosten und dem mauen weltwirtschaftlichen Umfeld – insbesondere auch wegen der Konjunkturschwäche Chinas.
Die EU-Kommission veranschlagt in ihren Prognosen zugleich für dieses Jahr einen nicht mehr ganz so hohen Preisdruck wie noch im Frühjahr angenommen. Sie erwartet 2023 für Deutschland eine für den europäischen Vergleich berechnete Teuerungsrate (HVPI) von 6,4 Prozent, im Mai hatte sie noch 6,8 Prozent vorhergesagt. Für die Euro-Zone prognostiziert sie nun eine Inflation von 5,6 Prozent, nach 5,8 Prozent in der Frühjahrsprognose. rtr
Eine millionenschwere EU-Initiative gegen Gewalt an Frauen hat laut Europäischem Rechnungshof entscheidende Ziele nicht erreicht. Es gebe keine Nachweise dafür, dass die Gewalt gegen Frauen und Mädchen in den von der Initiative abgedeckten Ländern zurückgegangen sei, teilte der Rechnungshof am Montag in Luxemburg mit. “Die Initiative hat bisher nur wenig zur Verbesserung der Situation derjenigen beigetragen, denen sie helfen sollte”, so das für den Bericht zuständige Mitglied Bettina Jakobsen.
Die EU-Kommission habe mit dem Programm auf vier Kontinenten in mehr als 26 Ländern weltweit einen ambitionierten Versuch unternommen, um dem Problem der sexuellen und körperlichen Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu begegnen. Um aber tatsächlich etwas zu bewegen, also zum Beispiel junge Frauen vor der Genitalverstümmelung zu bewahren oder sie vor Gewalt zu schützen, biete die Initiative mit ihrer relativ knappen Laufzeit “nur ein kurzes Zeitfenster für die Herbeiführung nachhaltiger Veränderungen”.
Das fast 500 Millionen Euro schwere Programm der EU und der Vereinten Nationen gibt es seit 2017 und läuft noch bis Ende Dezember 2024. Der Rechnungshof kritisierte daran zudem, dass rund ein Drittel des Geldes für Verwaltungsarbeiten ausgegeben worden sei. Es seien aber durchaus auch Erfolge erzielt worden – etwa die finanzielle Unterstützung von Frauenrechtsorganisationen in Uganda.
Die Kommission betonte: “In vielen Ländern hat die Initiative die Voraussetzungen für eine breite und politische Debatte über die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen geschaffen.” Die Behörde räumte aber ein, dass sowohl mehr Zeit als auch mehr Ressourcen erforderlich seien, um Ergebnisse in vollem Umfang zu erzielen. Verbesserungsvorschläge des Rechnungshofes nahm die EU-Kommission größtenteils an. dpa