Table.Briefing: Europe

Widerstand gegen von der Leyen + EMFA-Einigung + FDP kontra CSDDD

Liebe Leserin, lieber Leser,

Klimaforscher Ottmar Edenhofer steht heute das vielleicht wichtigste Mittagessen seiner Karriere bevor. Beim Umweltrat in Brüssel soll der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung die Minister zum EU-Klimaziel für 2040 beraten. Dem ein oder anderen Politiker könnten die Ausführungen Edenhofers, der auch dem Europäischen Wissenschaftlichen Beirat zum Klimawandel vorsitzt, sauer aufstoßen.

Die Experten um Edenhofer empfehlen nämlich eine Emissionsminderung um 90 bis 95 Prozent, wenn die EU noch auf dem Pfad des Pariser Abkommens bleiben will. Klimakommissar Wopke Hoekstra hatte sich bei seinen Anhörungen im EU-Parlament nur auf ein Ziel von “mindestens 90 Prozent” festgelegt. Bis zu 95 Prozent seien aber nicht nur nötig, sondern auch machbar, betonen die Wissenschaftler.

Die anderen Zutaten des Brüsseler Tagesmenüs sind verglichen damit leere Kalorien. Eine Aussprache über die Bodenüberwachungsrichtlinie, selbst die allgemeine Ausrichtung zur Verpackungsverordnung: Beide Gesetze werden wohl kaum noch in dieser Legislatur verabschiedet werden.

Dafür wartet schon das umso gehaltvollere Weihnachtsessen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Start in die – für viele – letzte Arbeitswoche in diesem Jahr!

Ihr
Manuel Berkel
Bild von Manuel  Berkel
  • Klimapolitik

Analyse

Nach der Freigabe der Gelder für Ungarn: EU-Parlament warnt von der Leyen

Gegen die Wiederwahl Ursula von der Leyens formiert sich erstmals ernst zu nehmender Widerstand.

Bisher galt die Wiederwahl von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Formsache: Wenn sich die deutsche CDU-Politikerin um eine zweite Amtszeit bewerben sollte – wovon in Brüssel fast alle ausgehen – würde sie problemlos eine Mehrheit sowohl im Europäischen Rat als auch im Europaparlament bekommen.
Doch nun stellen sich die Abgeordneten quer – sie wollen die mögliche Wiederwahl nicht einfach abnicken.

Es sei “nicht selbstverständlich”, dass das bei der Europawahl 2019 gescheiterte Spitzenkandidatensystem diesmal funktioniere, sagte die frühere Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller, im Gespräch mit Table.Media. Der Rat dürfe auch nicht davon ausgehen, dass er das “Prä” hat und das Parlament eine Entscheidung über die nächste Kommissionsspitze wie selbstverständlich mitträgt.

Keller: Abgeordnete sollen die Initiative ergreifen

“Nach der Europawahl müssen wir schneller sein und eine Mehrheit für den oder die nächste Kommissionspräsidentin finden”, sagte Keller. “Aus meiner Sicht kommt es nun darauf an, dass das Europaparlament die Initiative ergreift und nicht alles dem Rat überlässt.” Dazu gehöre auch, dass das Parlament einen Koalitionsvertrag erarbeitet. 2019 habe sich gezeigt, dass dies seine Zeit brauche. Man müsse sich daher auf lange Verhandlungen einstellen.

Keller wird nicht mehr dabei sein: Sie hat den Fraktionsvorsitz der Grünen an Terry Reintke abgegeben und kandidiert nicht mehr für das Parlament. Doch mit ihren Warnungen steht sie nicht allein. Auch andere Fraktionen fordern mehr Mitsprache, einige Abgeordnete gehen von der Leyen und ihre Behörde sogar frontal an.

Verhofstadt ruft zum Widerstand auf

Besonders vehement ist der frühere Chef der liberalen Fraktion, der Belgier Guy Verhofstadt. “Ich rufe alle Abgeordneten auf, sich gegen die von der Leyen-Kommission zu stellen – so wie letzte Woche, wenn sich die Freigabe von EU-Geldern wiederholt”, schrieb er auf X. “Der Rechtsstaat ist nicht verhandelbar”, fügte er hinzu.

Hintergrund ist die Entscheidung der Kommission, rund zehn Milliarden Euro aus dem EU-Budget für Ungarn freizugeben. Dagegen hatten alle großen Fraktionen des Parlaments in einem Brief protestiert. Die Kriterien zur Unabhängigkeit der Justiz seien – anders als die Kommission behauptet – nicht erfüllt. Vielmehr gehe es offenbar darum, Regierungschef Viktor Orbán kurz vor dem EU-Gipfel gnädig zu stimmen.

Barley: Die EU hat sich erpressbar gemacht

“Ursula von der Leyen bezahlt heute mit zehn Milliarden Euro das größte Schmiergeld in der Geschichte der EU an den Autokraten und Putin-Freund Viktor Orbán”, sagte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. “Sich weiter von Orbán erpressen zu lassen, ist keine erfolgreiche Strategie. Das müssen die Mitgliedstaaten und EU-Kommission endlich erkennen”, meint der FDP-Parlamentarier Moritz Körner.

Kritik kommt auch von den Sozialdemokraten. Die EU habe sich erpressbar gemacht, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD). “Das war ein Fehler seitens der Kommission.” Dieser Fehler dürfe sich nicht wiederholen, so die kaum verhohlene Warnung aus dem Parlament. Andernfalls müsse die CDU-Politikerin von der Leyen mit Problemen bei ihrer Wiederwahl rechnen.

Kommissionsspitze: Tag nach der Wahl entscheidend

Diese Probleme könnte es allerdings auch ohne Orbán geben. Das Parlament hat sich am vergangenen Dienstag in einer Resolution für eine Neuregelung des Spitzenkandidaten-Systems ausgesprochen, die sich in Teilen wie eine Kampfansage an den Rat liest.

Die Abgeordneten fordern, dass die europäischen Parteien und die Fraktionen sofort nach der Wahl – und noch bevor der Europäische Rat einen Vorschlag macht – die Verhandlungen über einen gemeinsamen Kandidaten aufnehmen. Der Tag nach der Wahl sei entscheidend.

Spitzenkandidaten-Verfahren soll wieder glaubwürdig werden

Dazu streben sie eine verbindliche Vereinbarung mit dem Europäischen Rat an. Darüber hinaus fordert das Parlament den Rat auf, das neue europäische Wahlrecht und die neuen Vorschriften für europäische politische Parteien und Stiftungen rasch zu verabschieden, damit zumindest Letztere für die Wahl 2024 gelten.

“Die Wählerschaft braucht Klarheit darüber, wie sich ihre Stimme auf das Personal und die Politik der EU auswirken wird”, sagte Mitberichterstatter Sven Simon (CDU). “Anders als 2019 dürfen wir nichts versprechen, was wir nicht halten können. Das Spitzenkandidaten-Verfahren muss wieder glaubwürdig werden. Wer auch immer zum Präsidenten der neuen Kommission gewählt wird, benötigt ein klares Mandat der Wählerschaft und eine Mehrheit im Parlament.”

Neue Gelder für Ungarn könnten zu viel sein

Dies gelte auch für von der Leyen. Sie kann sich also nicht mehr allein auf die Zustimmung des Europäischen Rates verlassen, wie noch 2019. Damals hatte der Rat das Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt und von der Leyen nominiert, obwohl sie nicht einmal bei der Wahl angetreten war. Dies soll sich 2024 nicht wiederholen.

Allerdings ist unklar, ob sich die Mitgliedsstaaten auf die Forderungen der Abgeordneten einlassen. Abzuwarten bleibt auch, ob sich im Parlament der Ärger über von der Leyens vermuteten “Milliarden-Deal” mit Orbán legt. Wenn die deutsche Kommissionschefin noch mehr Gelder für Ungarn freigeben sollte, könnte es eng werden.

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  • Ursula von der Leyen

Gegenüber dem nationalen Rahmen bedeutet der EMFA in vielen Mitgliedstaaten keine Verbesserung

Gedenken in Bratislava an Jan Kuciak im Jahr 2020: Der Mord an dem Journalisten war ein Anstoß für den European Media Freedom Act.

Der European Media Freedom Act ist ausverhandelt. Er sollte die Antwort der EU auf den Tod von Journalisten wie Jan Kuciak in der Slowakei und der maltesischen Bloggerin Daphne Caruana Galizia sein. Auch der Einflussnahme von Regierungen auf Medien, zu starker Medienkonzentration und einer Doppelregulierung selbst regulierter Medienanbieter auf Social-Media-Plattformen sollte der EMFA entgegenwirken – und zudem den Schutz von Journalisten vor staatlicher Ausforschung garantieren.

Nach der Einigung zeigte sich eine glücklich: EU-Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová. Es sei darum gegangen, den Raum für Medien zu regulieren – nicht darum, Medien zu regulieren, sagte sie am Freitag nach dem Trilog.

Spyware sorgte für Misstrauen

Wie gut müssen, sollen oder dürfen Journalisten, Angehörige und Quellen geschützt sein, um Medienfreiheit wirksam zu gewährleisten? Was beim Einflussnahmeverbot staatlicher Stellen auf Medien noch recht konsensuell verhandelt wurde, führte an anderer Stelle fast zum Abbruch des Trilogs.

Insbesondere Vorfälle mit Spyware, mit der staatliche Stellen Journalisten und ihre Quellen in EU-Mitgliedstaaten überwachen ließen, hatten die Debatte in den vergangenen beiden Jahren angeheizt. Doch insbesondere Frankreich wollte sich hier nicht hineinregieren lassen. Macrons Regierung hatte über den Rat versucht, riesige Löcher in das Schutzniveau zu reißen – indem weitgehende Ausnahmen bei überragendem staatlichen Interesse in die Schutzvorschriften geschrieben werden sollten.

Verhandlungspausen für Rücksprachen mit dem Élysée

Das Europaparlament hatte hier umfangreiche Schutzmaßnahmen gefordert. Beinahe wäre der EMFA an genau dieser Stelle gescheitert. Mehrfach mussten am Freitag die Verhandlungen unterbrochen werden, um mit dem Élysée Rücksprache zu halten, berichten Teilnehmer des Trilogs.

Am Ende aber nahm das Parlament lieber den Spatz in der Hand als gar keinen EMFA. Zwar werden journalistische Quellen und vertrauliche Kommunikationen grundsätzlich geschützt, doch das Parlament sah in seiner Position einen weitreichenden Schutz jeglicher journalistischer Tätigkeit vor.

Nationale Sicherheit als Gegenargument

Die für den LIBE-Ausschuss mitverhandelnde Ramona Strugariu (Renew) bestätigte nach Abschluss der Verhandlungen, dass jede Maßnahme gegen Journalisten eine vorherige richterliche oder unabhängig Genehmigung benötigen würde. Am Ende aber steht eine Klausel: Die Kompetenzen nach den europäischen Verträgen sollen “respektiert bleiben” – und damit wären Maßnahmen im Rahmen der nationalen Sicherheit nicht vom EMFA umfasst. Damit, meint Berichterstatterin Sabine Verheyen (CDU), sei klargemacht, dass nur im absoluten Ausnahmefall Maßnahmen möglich seien.

Doch aus Parlamentssicht kann das nur unbefriedigend bleiben. Zwar sei es gut, dass keine generelle Ausnahme für Überwachung zum Zweck der nationalen Sicherheit im EMFA gelandet sei, sagt etwa die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert. Aber: “Das Parlament wollte ein Verbot für Überwachungsmaßnahmen, wenn dies zum Zugang zu journalistischen Quellen führen könnte oder auch nur in Verbindung zur Arbeit als Journalist steht.”

Medieninhalte dürfen nicht wegen Plattform-AGB gelöscht werden

Auch an anderen Stellen gibt es mit dem EMFA einige Änderungen. Aus Sicht der besonders großen Plattformanbieter, die Moderationspflichten des Digital Services Act für Nutzerinhalte unterfallen, stand dabei Artikel 17 im Fokus. Kernstreitpunkt: Ob Facebook, Twitter, YouTube, TikTok und Co die Inhalte von partei- und staatsunabhängigen, unabhängiger Kontrolle unterliegenden Medien bei der Behandlung von Inhalten nach ihren AGB anders behandeln müssen als die der sonstigen Nutzer.

Das bejaht der EMFA-Kompromiss im Grundsatz, allerdings mit wenig Biss. Solche Medienanbieter müssen gegenüber den Plattformen erst erklären, dass sie die Kriterien erfüllen würden und angeben, welcher Regulierungsinstitution oder Selbstregulierungsinstitution sie angehören oder unterfallen. In Deutschland wären das etwa der Presserat oder die Aufsichten der staatsfern organisierten Landesmedienanstalten.

IT-Verband warnt vor Missbrauch

Sollte ein Plattformanbieter jetzt Inhalte dieser Medien sperren oder löschen wollen, weil diese gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßen würden, müssen die Anbieter die Gründe dafür mitteilen. Dabei geht es ausschließlich um AGB-Verstöße, nicht um vermutete Rechtsverstöße. Die sollen bei Medienanbietern genauso behandelt werden wie bei anderen Erstellern von Inhalten. Binnen 24 Stunden sollen diese dann Stellung nehmen, in Krisenfällen gegebenenfalls auch schneller.

Doch selbst diese Regelung geht dem IT-Verband CCIA zu weit: “Diejenigen mit schlechten Absichten, die sich als legitime Medienunternehmen gerieren, werden jetzt die Möglichkeit haben, diesen Mechanismus zu missbrauchen, um gefährliche Inhalte 24 Stunden lang zu verbreiten, bevor dagegen etwas unternommen werden kann”, kritisiert der Verband. Berichterstatterin Sabine Verheyen (CDU) sieht das als unbegründet an. Die Voraussetzungen seien hoch: “Die Qualitätsmedien können von dieser Regelung profitieren”, sagte sie nach Abschluss des Trilogs.

Allerdings sind die Möglichkeiten, diese Rechte mittels EMFA auch durchzusetzen, kaum vorhanden: direkte Sanktionen für die Anbieter sind für den Fall des Zuwiderhandelns nicht vorgesehen – und außerhalb der DSA-Verpflichtungen sind die “Must Carry”-Regelungen auch nicht darüber sanktionierbar.

Freie Konfiguration für Nutzeroberflächen bei Mediendiensten

Eine kleine, aber womöglich folgenschwere Änderung findet sich im Einigungstext bei der Anpassbarkeit von Nutzeroberflächen: Die einfache Änderung der Konfiguration von “Mediendiensten, die Programme anbieten” soll hier künftig gelten – also jede Form linearer Verbreitung, die einem festen Schema folgt. Ursprünglich waren hier nur audiovisuelle Mediendienste vorgesehen, das Parlament wollte dies um Audiodienste ergänzen, auch hier setzte sich der Rat durch.

Weniger scharf sind zum Schluss auch im Artikel 5 die Vorschriften für öffentliche Medienanbieter geraten. In Deutschland betrifft das vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Hier ist jetzt für die Besetzung der Spitzenposten ein eher zahmes Wording gefunden, bei dem deutsche Rundfunkpolitiker wenig Änderungen befürchten müssen.

Eigentumsverhältnisse sollen transparenter werden

Allerdings enthält der geeinte EMFA-Text auch eine Regelung zur Finanzierung: Diese müsse unter anderem angemessen, nachhaltig und vorhersagbar sein und mit den Pflichten und der Möglichkeit zur Entwicklung korrespondieren. Diese Ressourcen müssten so ausgestaltet sein, dass die journalistische Unabhängigkeit geschützt sei.

Deutlich transparenter werden sollen die Medieneigentümerstrukturen in der EU. Hier soll vor allem eine Datenbank eine große Rolle spielen, in der Angaben zu Eigentümerstrukturen und Verantwortlichen hinterlegt werden müssen.

Ebenfalls neu sind die Regelungen für das staatliche Anzeigenwesen – dieses wurde in einigen Mitgliedstaaten regelmäßig als Vehikel genutzt, um regierungsfreundliche Berichterstattung zu fördern – und Kritik abzustrafen. Hier führt der EMFA in Artikel 24 Transparenz- und Pluralitätspflichten ein – sowohl für staatliche Werbung in klassischen Medienformen als auch für Onlineplattformen.

Ein großer Schritt für Problemländer

Věra Jourovás Freude über den Abschluss ist an vielen Stellen nicht mit einem besseren Schutz von Journalisten und Medien in allen Mitgliedstaaten zu erklären. Denn gegenüber dem nationalen Rahmen bedeutet der EMFA in vielen Mitgliedstaaten keine wirksame Verbesserung. Allerdings könnte er an einigen Stellen insbesondere in jenen Staaten mit problematischster Lage – bisher waren das vor allem Ungarn, Polen und die Slowakei – einige Änderungen erzwingen.

In Frankreich muss die Rundfunkfinanzierung reformiert werden, in Österreich das staatliche Anzeigenwesen, Deutschland wird in jedem Bundesland Auswirkungen prüfen. Doch die Umsetzung hängt maßgeblich von der Durchsetzung ab – bislang eine Schwäche der EU-Kommission bei der Medienfreiheit.

Die Positionen der Mehrheit der Mitgliedstaaten machte darauf wenig Hoffnung. “Am Ende der Trilogverhandlungen ist von den guten Parlamentspositionen nicht viel übrig geblieben”, zeigt sich die SPD-Europaabgeordnete Kammerevert daher wenig überzeugt vom Ergebnis. “Der Rat hat sich in allen wesentlichen Punkten durchgesetzt – auch weil eine Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Grünen oft zu schnell gegenüber dem Rat eingeknickt ist.”

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News

Serbien-Wahl: Vučić-Partei liegt in Hochrechnung vorn

Pflegt gute Beziehungen zu Wladimir Putin: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić (links).

Die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Aleksandar Vučić liegt bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag mit 46,6 Prozent der Stimmen in Führung. Dies geht aus einer Hochrechnung der Meinungsforschungsinstitute Ipsos und CeSID von gestern Abend hervor, die auf einer Teilauszählung einer Stichprobe von Wahllokalen beruht. Das Oppositionsbündnis “Serbien gegen Gewalt” wird mit 23 Prozent der Stimmen voraussichtlich an zweiter Stelle liegen, während die Sozialistische Partei Serbiens mit 6,9 Prozent der Stimmen an dritter Stelle gesehen wird. rtr

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Schweiz und EU nähern sich weiter an

Die Schweiz und die EU wollen ihr neues Rahmenabkommen bis Ende 2024 aushandeln.

Die Schweiz und die EU wollen ihre Verhandlungen um ein neues Rahmenabkommen bis Ende 2024 abschließen. Beide Seiten veröffentlichten am vergangenen Freitag eine entsprechende Vereinbarung. “Der Abschluss der Sondierungsgespräche ist ein erster und wichtiger Schritt, um die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz auf eine bessere Grundlage zu stellen”, heißt es in einem Schreiben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die Schweizer Regierung.

In der Vereinbarung umreißen beide Seiten gemeinsame Vorstellungen für mehrere Politikfelder. Demnach solle das Abkommen zum Handel mit Agrarprodukten zu einem “Lebensmittelsicherheitsraum EU-Schweiz” weiterentwickelt werden. Dieser Schritt soll einerseits den Handel weiter erleichtern, der Schweiz aber auch ermöglichen, eigene Standards beizubehalten – etwa bei Technologien zur Lebensmittelproduktion.

Zusammenarbeit bei Forschung und Bildung

Weitere Erleichterungen betreffen Forschung und Bildung. Laut Kommission soll die Schweiz mehreren Programmen assoziiert werden: Horizon, Euratom Research & Training, ITER, Digital Europe, Copernicus und Erasmus+. Sobald die Verhandlungen beginnen, sollen Schweizer Institutionen außerdem die Möglichkeit erhalten, sich um Fördermittel des Europäischen Forschungsrats (ERC) zu bewerben.

Der Schweizer Bundesrat hatte am Freitag entschieden, das Parlament und die Kantone bezüglich eines Verhandlungsmandats zu konsultieren. Die EU-Kommission will dem Rat der EU in den nächsten Tagen Verhandlungsleitlinien vorlegen. ber

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FDP: Die Einigung zur EU-Plattformrichtlinie ist “Angriff auf alle Selbständigen in Europa”

Johannes Vogel während einer Debatte im Bundestag.

Nach den Trilog-Einigungen zum EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD) und zur EU-Plattformrichtlinie äußert die FDP deutliche Kritik: Bundes-Vize Johannes Vogel bezeichnete die Ergebnisse im Gespräch mit Table.Media als “Schläge gegen den Wirtschaftsstandort Europa”. Das Sorgfaltspflichtengesetz drohe den Hebel in die falsche Richtung umzulegen. Die EU-Kommission dürfe keine zusätzliche Bürokratie schaffen und damit den Bürokratieabbau auf nationaler Ebene zunichte machen. “Ursula von der Leyen hat vollmundig von Bürokratieabbau gesprochen, sie darf mit ihrer Kommission mit dem Lieferkettengesetz keine neuen schaffen. Das wäre der ganz falsche Weg.”

Die Einigung zur EU-Plattformrichtlinie wiederum sei ein “Angriff auf alle Selbständigen in Europa“, sagte Vogel zu Table.Media. Natürlich Selbstständige müssten ihre Tätigkeit auch mithilfe digitaler Plattformen anbieten können. Digitalplattformen wie Fahrdienstanbieter dürften nicht durch zu viele Regularien eingeschränkt werden; wodurch sich die Preise erhöhen würden. Selbstbestimmte Selbständige dürften nicht drangsaliert werden. “Die aktuellen Pläne der EU sind ein riesiger Rückschritt, dem Deutschland auf Betreiben der Freien Demokraten zu Recht nicht zustimmen wird”, erklärte Vogel. Das Ziel müsse sein, eine Mehrheit für diese Richtlinie ganz zu verhindern. Deutschland hatte sich auf Druck der FDP in den Verhandlungen bisher enthalten. Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten müssen die jeweiligen Einigungen noch formal annehmen. leo

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Bundesregierung enttäuscht Entscheider bei Digitalisierung

Mehr Digitalkompetenz wünschen sich viele Entscheider in Deutschland: Besucher einer Spielemesse in Tokyo mit Virtual-Reality-Technik aus China.

Die Entscheider in Deutschland erwarten von der Bundesregierung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode besondere Anstrengungen in der Digitalpolitik – attestieren ihr aber zugleich kaum ausreichende Expertise dafür. Ähnlich hohe Erwartungen haben sie an die Energie- und Klimapolitik. Hier sprechen sie ihr allerdings die höchste Kompetenz zu und rechnen auch mit einer tatsächlichen Umsetzung. 

Das geht aus einer exklusiven Umfrage des digitalen Medienhauses Table.Media hervor, an der über 3000 hochrangige Interessensvertreter teilgenommen haben. Sie sind im Transparenzregister des Deutschen Bundestags registriert und kommen zum überwiegenden Teil aus Unternehmen, Verbänden sowie Nichtregierungsorganisationen oder aus der Wissenschaft und der Verwaltung. Sie verteilen sich auf Branchen wie den Automobil- oder Energiesektor, die Bau- oder Digitalwirtschaft sowie Gewerkschaften und Umweltverbände. 

Für knapp 82 Prozent der Befragten haben besondere Anstrengungen der Bundesregierung bei der Klima- und Energiepolitik eine eher hohe oder sogar hohe Bedeutung. Rund 85 Prozent gehen auch davon aus, dass es in den nächsten zwei Jahren tatsächlich zu einer Schwerpunktsetzung in der Energiepolitik kommen wird. Doch nur knapp 20 Prozent prognostizieren dies für die KI- und Datenpolitik. 

Generell sprechen die Entscheiderinnen und Entscheider der Bundesregierung eher mittelmäßige Noten aus. Aber: Den vergleichsweise besten Wert erreicht die Ampel bei der Kompetenz in der Klima- und Energiepolitik. Hier wird ihr immerhin von rund 37 Prozent der Befragten eine hohe oder eher hohe Lösungskompetenz zugestanden. Beim Digitalausbau sind das gerade einmal noch 7,4 Prozent insgesamt. Eine hohe Kompetenz sehen sogar nur 0,6 Prozent. 

Lob für Baerbock und Habeck, Kritik an Wissing

Konkret schlägt sich diese Einschätzung zudem nieder in einem Lob für die Arbeit des Bundesministers für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck, sowie deutlicher Kritik am Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Volker Wissing. Der Grünen-Politiker hat – trotz der Debatte über das Heizungsgesetz und die sogenannte Trauzeugenaffäre seines ehemaligen Staatssekretärs Patrick Graichen – die Erwartungen an seine Leistung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von rund 42 Prozent übertroffen oder eher übertroffen. 

Er landet damit auf Platz vier der Ministerriege. Die schlechteste Note erhält der FDP-Politiker: Mehr als 69 Prozent finden seine Leistung in den ersten zwei Jahren enttäuschend oder eher enttäuschend. Bei der Frage, welche Bundesministerien durch besonders große Professionalität in der Sacharbeit auffallen, führt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Liste an

Die Opposition in Deutschland sehen die Befragten personell aktuell weniger gut aufgestellt: Lediglich knapp 13 Prozent halten es für wirklich realistisch, dass die Union mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein wird.

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Sanktionen: Österreich gibt Widerstand auf

Damalige Filiale der Raiffeisen Bank in Moskau im März 2023

Österreich gibt seine Blockade des zwölften EU-Sanktionspakets gegen Russland auf. Zuvor habe die Ukraine die österreichische Raiffeisen Bank International von einer schwarzen Liste gestrichen, heißt es auf der Webseite der Regierung in Kiew und von einem EU-Diplomaten. Österreich hatte darauf gedrängt, die Bank von der ukrainischen Liste der “Internationalen Sponsoren des Krieges” zu streichen. Die Liste zielt darauf ab, Unternehmen, die in Russland Geschäfte machen und die Kriegsanstrengungen zum Beispiel durch die Zahlung von Steuern unterstützen, unter Druck zu setzen. rtr

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Presseschau

Gipfeltreffen in Brüssel: Ungarn blockiert EU-Hilfen für Ukraine DEUTSCHLANDFUNK
Die Ukraine nach dem EU-Gipfel: Langer Krieg, langer EU-Beitritt TAZ
Nach EU-Gipfel: Ukraines Außenminister lobt Scholz und erwartet nun mehr deutsche Führung DEUTSCHLANDFUNK
Orbán has plenty more chances to play havoc with EU decision-making THE GUARDIAN
The EU’s drip-feed of aid frustrates Ukraine, despite the promise of membership talks AP NEWS
Zehntausende feiern in Tiflis Einstufung Georgiens als EU-Beitrittskandidat EURONEWS
Russland macht die Grenzen dicht: Auch die EU ist massiv betroffen ABENDZEITUNG MUENCHEN
Österreich gibt Blockade von Russland-Sanktionen nach Zugeständnis auf DEUTSCHLANDFUNK
Ruanda, Ghana, Georgien – Spahn: Flüchtlinge in Nicht-EU-Länder bringen ZDF
Das Medienfreiheitsgesetz der EU schränkt Freiheit ein FAZ
Was der AI Act der EU kann und was nicht FAZ
Die Schweiz will ihr Verhältnis zur Europäischen Union kitten FAZ
“Historischer Moment in bilateralen Beziehungen”: Serbien wendet sich von der EU ab und zu China hin MERKUR
Sunak accused of toxic rhetoric after warning of “overwhelming” migration to Europe THE GUARDIAN
Neue EU-Regeln sollen Greenwashing bei Anleihen verhindern DER STANDARD
Die EU sollte von Polen lernen, nicht von Italien HANDELSBLATT
EU-Vergleich: Deutsche Haushalte sparen bei Lebensmitteln TOPAGRAR
Paris is saying “non” to a US-style hellscape of supersized cars – and so should the rest of Europe THE GUARDIAN

Heads

Lukas Mandl – Initiator für zukunftsfähige EU-Schweiz-Beziehungen 

Lukas Mandl erarbeitete den Schweizbericht des Europäischen Parlaments.

Geduld gehört nicht zu den Charakterstärken von Lukas Mandl, wie er selbst sagt – dabei wurde seine Beharrlichkeit in diesen Tagen belohnt. Der 44-jährige Österreicher ist seit 2017 für die EVP Abgeordneter im EU-Parlament. Ins Rampenlicht geriet er in den vergangenen Monaten primär als dessen Chefverhandler mit der Schweiz. Ziel der Gespräche ist es, eine sogenannte Paketlösung, also ein Rahmenabkommen mit den Eidgenossen, zu erarbeiten.

“Um es positiv zu formulieren: Ich bin ein Freund von Tempo”, sagt Mandl mit einem Schmunzeln. Denn auch er weiß: Gerade das Ringen zwischen der EU-Kommission und dem Schweizer Bundesrat um eine Einigung in Fragen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, gemeinsamer sicherheitspolitischer Bestrebungen und Forschungsinitiativen gestaltete sich in der Vergangenheit häufig zäh. Seit 2014 laufen die Verhandlungen, seit vergangener Woche zeichnet sich ein Ende ab.

Am Freitag veröffentlichten Kommission und Bundesrat eine Vereinbarung zu den weiteren Verhandlungen des Rahmenabkommens. Bis 2024 sollen sie nun abgeschlossen werden.

Jean-Claude Juncker als Impulsgeber 

Seit Mitte 2021 ist Mandl der Schweiz-Berichterstatter des Parlaments. Dass er diese Rolle übernehmen möchte, war ihm mit dem Abtreten Jean-Claude Junckers als Kommissionspräsident im Jahr 2019 klar. Als dieser am Ende seiner Amtszeit sagte, ein fehlender Rahmenvertrag zwischen der EU und der Schweiz sei eines seiner wenigen Versäumnisse gewesen, hatte Mandl seinen Entschluss gefasst. “In diesem Moment wusste ich: Das möchte ich machen”, erzählt er. 

Im Gespräch verweist Mandl darauf, wie wichtig es ist, eine zukunftsgerichtete Einigung mit der Schweiz als “europäisches Musterland” zu finden. Seit jeher gebe es eine “natürliche Zusammengehörigkeit beider Seiten wie mit keinem anderen Teil der Welt”, sagt Mandl. Daher müsse auch die gegenseitige Bedeutung der beiden Verhandlungspartner “auf Platz Eins stehen”. Für die Schweiz gelte das besonders für die wirtschaftliche Ebene, für die EU speziell aus sicherheitspolitischer Perspektive.

Als Mediator zwischen der EU und den Eidgenossen sieht er sich in den Gesprächen allerdings nicht. “Ich stehe nicht in der Mitte zwischen den Beiden, sondern ganz klar auf der Seite der EU.” Dennoch lobt er die Zusammenarbeit mit den Schweizer Verantwortlichen um den Vorsteher des Departements für auswärtige Angelegenheiten, Ignazio Cassis, als “wunderbar, weil immer konstruktiv und wertschätzend”. 

Interesse an Afrika und Lateinamerika

Nachdem Mandl im Oktober im Namen des Europaparlaments den Schweizbericht vorgestellt hat, nimmt er sich für den weiteren Weg für das Rahmenabkommen weitestgehend aus der Pflicht. “Es ist jetzt eine klare exekutive Sache von Kommission und Bundesrat, die Verhandlungen zu Ende zu bringen“, sagt er.

Für die eigene Zukunft richtet Mandl den Blick voraus auf die Zeit nach der Europawahl 2024. Als parlamentarischer Verantwortlicher für “Sicherheit im umfassenden Sinne” arbeitete er bereits in den vergangenen Monaten zu Konflikten wie in Israel oder dem Westbalkan. Weitere für die EU zentrale geopolitische Regionen möchte er als Parlamentarier zukünftig stärker in den Blick nehmen. Besonders Afrika und Lateinamerika gehören dazu. Im Mittelpunkt steht dabei stets sein europapolitisches Motto: Mehr Sicherheit nach Außen, mehr Freiheit nach InnenJasper Bennink

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Klimaforscher Ottmar Edenhofer steht heute das vielleicht wichtigste Mittagessen seiner Karriere bevor. Beim Umweltrat in Brüssel soll der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung die Minister zum EU-Klimaziel für 2040 beraten. Dem ein oder anderen Politiker könnten die Ausführungen Edenhofers, der auch dem Europäischen Wissenschaftlichen Beirat zum Klimawandel vorsitzt, sauer aufstoßen.

    Die Experten um Edenhofer empfehlen nämlich eine Emissionsminderung um 90 bis 95 Prozent, wenn die EU noch auf dem Pfad des Pariser Abkommens bleiben will. Klimakommissar Wopke Hoekstra hatte sich bei seinen Anhörungen im EU-Parlament nur auf ein Ziel von “mindestens 90 Prozent” festgelegt. Bis zu 95 Prozent seien aber nicht nur nötig, sondern auch machbar, betonen die Wissenschaftler.

    Die anderen Zutaten des Brüsseler Tagesmenüs sind verglichen damit leere Kalorien. Eine Aussprache über die Bodenüberwachungsrichtlinie, selbst die allgemeine Ausrichtung zur Verpackungsverordnung: Beide Gesetze werden wohl kaum noch in dieser Legislatur verabschiedet werden.

    Dafür wartet schon das umso gehaltvollere Weihnachtsessen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Start in die – für viele – letzte Arbeitswoche in diesem Jahr!

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    Nach der Freigabe der Gelder für Ungarn: EU-Parlament warnt von der Leyen

    Gegen die Wiederwahl Ursula von der Leyens formiert sich erstmals ernst zu nehmender Widerstand.

    Bisher galt die Wiederwahl von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Formsache: Wenn sich die deutsche CDU-Politikerin um eine zweite Amtszeit bewerben sollte – wovon in Brüssel fast alle ausgehen – würde sie problemlos eine Mehrheit sowohl im Europäischen Rat als auch im Europaparlament bekommen.
    Doch nun stellen sich die Abgeordneten quer – sie wollen die mögliche Wiederwahl nicht einfach abnicken.

    Es sei “nicht selbstverständlich”, dass das bei der Europawahl 2019 gescheiterte Spitzenkandidatensystem diesmal funktioniere, sagte die frühere Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller, im Gespräch mit Table.Media. Der Rat dürfe auch nicht davon ausgehen, dass er das “Prä” hat und das Parlament eine Entscheidung über die nächste Kommissionsspitze wie selbstverständlich mitträgt.

    Keller: Abgeordnete sollen die Initiative ergreifen

    “Nach der Europawahl müssen wir schneller sein und eine Mehrheit für den oder die nächste Kommissionspräsidentin finden”, sagte Keller. “Aus meiner Sicht kommt es nun darauf an, dass das Europaparlament die Initiative ergreift und nicht alles dem Rat überlässt.” Dazu gehöre auch, dass das Parlament einen Koalitionsvertrag erarbeitet. 2019 habe sich gezeigt, dass dies seine Zeit brauche. Man müsse sich daher auf lange Verhandlungen einstellen.

    Keller wird nicht mehr dabei sein: Sie hat den Fraktionsvorsitz der Grünen an Terry Reintke abgegeben und kandidiert nicht mehr für das Parlament. Doch mit ihren Warnungen steht sie nicht allein. Auch andere Fraktionen fordern mehr Mitsprache, einige Abgeordnete gehen von der Leyen und ihre Behörde sogar frontal an.

    Verhofstadt ruft zum Widerstand auf

    Besonders vehement ist der frühere Chef der liberalen Fraktion, der Belgier Guy Verhofstadt. “Ich rufe alle Abgeordneten auf, sich gegen die von der Leyen-Kommission zu stellen – so wie letzte Woche, wenn sich die Freigabe von EU-Geldern wiederholt”, schrieb er auf X. “Der Rechtsstaat ist nicht verhandelbar”, fügte er hinzu.

    Hintergrund ist die Entscheidung der Kommission, rund zehn Milliarden Euro aus dem EU-Budget für Ungarn freizugeben. Dagegen hatten alle großen Fraktionen des Parlaments in einem Brief protestiert. Die Kriterien zur Unabhängigkeit der Justiz seien – anders als die Kommission behauptet – nicht erfüllt. Vielmehr gehe es offenbar darum, Regierungschef Viktor Orbán kurz vor dem EU-Gipfel gnädig zu stimmen.

    Barley: Die EU hat sich erpressbar gemacht

    “Ursula von der Leyen bezahlt heute mit zehn Milliarden Euro das größte Schmiergeld in der Geschichte der EU an den Autokraten und Putin-Freund Viktor Orbán”, sagte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. “Sich weiter von Orbán erpressen zu lassen, ist keine erfolgreiche Strategie. Das müssen die Mitgliedstaaten und EU-Kommission endlich erkennen”, meint der FDP-Parlamentarier Moritz Körner.

    Kritik kommt auch von den Sozialdemokraten. Die EU habe sich erpressbar gemacht, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD). “Das war ein Fehler seitens der Kommission.” Dieser Fehler dürfe sich nicht wiederholen, so die kaum verhohlene Warnung aus dem Parlament. Andernfalls müsse die CDU-Politikerin von der Leyen mit Problemen bei ihrer Wiederwahl rechnen.

    Kommissionsspitze: Tag nach der Wahl entscheidend

    Diese Probleme könnte es allerdings auch ohne Orbán geben. Das Parlament hat sich am vergangenen Dienstag in einer Resolution für eine Neuregelung des Spitzenkandidaten-Systems ausgesprochen, die sich in Teilen wie eine Kampfansage an den Rat liest.

    Die Abgeordneten fordern, dass die europäischen Parteien und die Fraktionen sofort nach der Wahl – und noch bevor der Europäische Rat einen Vorschlag macht – die Verhandlungen über einen gemeinsamen Kandidaten aufnehmen. Der Tag nach der Wahl sei entscheidend.

    Spitzenkandidaten-Verfahren soll wieder glaubwürdig werden

    Dazu streben sie eine verbindliche Vereinbarung mit dem Europäischen Rat an. Darüber hinaus fordert das Parlament den Rat auf, das neue europäische Wahlrecht und die neuen Vorschriften für europäische politische Parteien und Stiftungen rasch zu verabschieden, damit zumindest Letztere für die Wahl 2024 gelten.

    “Die Wählerschaft braucht Klarheit darüber, wie sich ihre Stimme auf das Personal und die Politik der EU auswirken wird”, sagte Mitberichterstatter Sven Simon (CDU). “Anders als 2019 dürfen wir nichts versprechen, was wir nicht halten können. Das Spitzenkandidaten-Verfahren muss wieder glaubwürdig werden. Wer auch immer zum Präsidenten der neuen Kommission gewählt wird, benötigt ein klares Mandat der Wählerschaft und eine Mehrheit im Parlament.”

    Neue Gelder für Ungarn könnten zu viel sein

    Dies gelte auch für von der Leyen. Sie kann sich also nicht mehr allein auf die Zustimmung des Europäischen Rates verlassen, wie noch 2019. Damals hatte der Rat das Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt und von der Leyen nominiert, obwohl sie nicht einmal bei der Wahl angetreten war. Dies soll sich 2024 nicht wiederholen.

    Allerdings ist unklar, ob sich die Mitgliedsstaaten auf die Forderungen der Abgeordneten einlassen. Abzuwarten bleibt auch, ob sich im Parlament der Ärger über von der Leyens vermuteten “Milliarden-Deal” mit Orbán legt. Wenn die deutsche Kommissionschefin noch mehr Gelder für Ungarn freigeben sollte, könnte es eng werden.

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    Gegenüber dem nationalen Rahmen bedeutet der EMFA in vielen Mitgliedstaaten keine Verbesserung

    Gedenken in Bratislava an Jan Kuciak im Jahr 2020: Der Mord an dem Journalisten war ein Anstoß für den European Media Freedom Act.

    Der European Media Freedom Act ist ausverhandelt. Er sollte die Antwort der EU auf den Tod von Journalisten wie Jan Kuciak in der Slowakei und der maltesischen Bloggerin Daphne Caruana Galizia sein. Auch der Einflussnahme von Regierungen auf Medien, zu starker Medienkonzentration und einer Doppelregulierung selbst regulierter Medienanbieter auf Social-Media-Plattformen sollte der EMFA entgegenwirken – und zudem den Schutz von Journalisten vor staatlicher Ausforschung garantieren.

    Nach der Einigung zeigte sich eine glücklich: EU-Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová. Es sei darum gegangen, den Raum für Medien zu regulieren – nicht darum, Medien zu regulieren, sagte sie am Freitag nach dem Trilog.

    Spyware sorgte für Misstrauen

    Wie gut müssen, sollen oder dürfen Journalisten, Angehörige und Quellen geschützt sein, um Medienfreiheit wirksam zu gewährleisten? Was beim Einflussnahmeverbot staatlicher Stellen auf Medien noch recht konsensuell verhandelt wurde, führte an anderer Stelle fast zum Abbruch des Trilogs.

    Insbesondere Vorfälle mit Spyware, mit der staatliche Stellen Journalisten und ihre Quellen in EU-Mitgliedstaaten überwachen ließen, hatten die Debatte in den vergangenen beiden Jahren angeheizt. Doch insbesondere Frankreich wollte sich hier nicht hineinregieren lassen. Macrons Regierung hatte über den Rat versucht, riesige Löcher in das Schutzniveau zu reißen – indem weitgehende Ausnahmen bei überragendem staatlichen Interesse in die Schutzvorschriften geschrieben werden sollten.

    Verhandlungspausen für Rücksprachen mit dem Élysée

    Das Europaparlament hatte hier umfangreiche Schutzmaßnahmen gefordert. Beinahe wäre der EMFA an genau dieser Stelle gescheitert. Mehrfach mussten am Freitag die Verhandlungen unterbrochen werden, um mit dem Élysée Rücksprache zu halten, berichten Teilnehmer des Trilogs.

    Am Ende aber nahm das Parlament lieber den Spatz in der Hand als gar keinen EMFA. Zwar werden journalistische Quellen und vertrauliche Kommunikationen grundsätzlich geschützt, doch das Parlament sah in seiner Position einen weitreichenden Schutz jeglicher journalistischer Tätigkeit vor.

    Nationale Sicherheit als Gegenargument

    Die für den LIBE-Ausschuss mitverhandelnde Ramona Strugariu (Renew) bestätigte nach Abschluss der Verhandlungen, dass jede Maßnahme gegen Journalisten eine vorherige richterliche oder unabhängig Genehmigung benötigen würde. Am Ende aber steht eine Klausel: Die Kompetenzen nach den europäischen Verträgen sollen “respektiert bleiben” – und damit wären Maßnahmen im Rahmen der nationalen Sicherheit nicht vom EMFA umfasst. Damit, meint Berichterstatterin Sabine Verheyen (CDU), sei klargemacht, dass nur im absoluten Ausnahmefall Maßnahmen möglich seien.

    Doch aus Parlamentssicht kann das nur unbefriedigend bleiben. Zwar sei es gut, dass keine generelle Ausnahme für Überwachung zum Zweck der nationalen Sicherheit im EMFA gelandet sei, sagt etwa die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert. Aber: “Das Parlament wollte ein Verbot für Überwachungsmaßnahmen, wenn dies zum Zugang zu journalistischen Quellen führen könnte oder auch nur in Verbindung zur Arbeit als Journalist steht.”

    Medieninhalte dürfen nicht wegen Plattform-AGB gelöscht werden

    Auch an anderen Stellen gibt es mit dem EMFA einige Änderungen. Aus Sicht der besonders großen Plattformanbieter, die Moderationspflichten des Digital Services Act für Nutzerinhalte unterfallen, stand dabei Artikel 17 im Fokus. Kernstreitpunkt: Ob Facebook, Twitter, YouTube, TikTok und Co die Inhalte von partei- und staatsunabhängigen, unabhängiger Kontrolle unterliegenden Medien bei der Behandlung von Inhalten nach ihren AGB anders behandeln müssen als die der sonstigen Nutzer.

    Das bejaht der EMFA-Kompromiss im Grundsatz, allerdings mit wenig Biss. Solche Medienanbieter müssen gegenüber den Plattformen erst erklären, dass sie die Kriterien erfüllen würden und angeben, welcher Regulierungsinstitution oder Selbstregulierungsinstitution sie angehören oder unterfallen. In Deutschland wären das etwa der Presserat oder die Aufsichten der staatsfern organisierten Landesmedienanstalten.

    IT-Verband warnt vor Missbrauch

    Sollte ein Plattformanbieter jetzt Inhalte dieser Medien sperren oder löschen wollen, weil diese gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßen würden, müssen die Anbieter die Gründe dafür mitteilen. Dabei geht es ausschließlich um AGB-Verstöße, nicht um vermutete Rechtsverstöße. Die sollen bei Medienanbietern genauso behandelt werden wie bei anderen Erstellern von Inhalten. Binnen 24 Stunden sollen diese dann Stellung nehmen, in Krisenfällen gegebenenfalls auch schneller.

    Doch selbst diese Regelung geht dem IT-Verband CCIA zu weit: “Diejenigen mit schlechten Absichten, die sich als legitime Medienunternehmen gerieren, werden jetzt die Möglichkeit haben, diesen Mechanismus zu missbrauchen, um gefährliche Inhalte 24 Stunden lang zu verbreiten, bevor dagegen etwas unternommen werden kann”, kritisiert der Verband. Berichterstatterin Sabine Verheyen (CDU) sieht das als unbegründet an. Die Voraussetzungen seien hoch: “Die Qualitätsmedien können von dieser Regelung profitieren”, sagte sie nach Abschluss des Trilogs.

    Allerdings sind die Möglichkeiten, diese Rechte mittels EMFA auch durchzusetzen, kaum vorhanden: direkte Sanktionen für die Anbieter sind für den Fall des Zuwiderhandelns nicht vorgesehen – und außerhalb der DSA-Verpflichtungen sind die “Must Carry”-Regelungen auch nicht darüber sanktionierbar.

    Freie Konfiguration für Nutzeroberflächen bei Mediendiensten

    Eine kleine, aber womöglich folgenschwere Änderung findet sich im Einigungstext bei der Anpassbarkeit von Nutzeroberflächen: Die einfache Änderung der Konfiguration von “Mediendiensten, die Programme anbieten” soll hier künftig gelten – also jede Form linearer Verbreitung, die einem festen Schema folgt. Ursprünglich waren hier nur audiovisuelle Mediendienste vorgesehen, das Parlament wollte dies um Audiodienste ergänzen, auch hier setzte sich der Rat durch.

    Weniger scharf sind zum Schluss auch im Artikel 5 die Vorschriften für öffentliche Medienanbieter geraten. In Deutschland betrifft das vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Hier ist jetzt für die Besetzung der Spitzenposten ein eher zahmes Wording gefunden, bei dem deutsche Rundfunkpolitiker wenig Änderungen befürchten müssen.

    Eigentumsverhältnisse sollen transparenter werden

    Allerdings enthält der geeinte EMFA-Text auch eine Regelung zur Finanzierung: Diese müsse unter anderem angemessen, nachhaltig und vorhersagbar sein und mit den Pflichten und der Möglichkeit zur Entwicklung korrespondieren. Diese Ressourcen müssten so ausgestaltet sein, dass die journalistische Unabhängigkeit geschützt sei.

    Deutlich transparenter werden sollen die Medieneigentümerstrukturen in der EU. Hier soll vor allem eine Datenbank eine große Rolle spielen, in der Angaben zu Eigentümerstrukturen und Verantwortlichen hinterlegt werden müssen.

    Ebenfalls neu sind die Regelungen für das staatliche Anzeigenwesen – dieses wurde in einigen Mitgliedstaaten regelmäßig als Vehikel genutzt, um regierungsfreundliche Berichterstattung zu fördern – und Kritik abzustrafen. Hier führt der EMFA in Artikel 24 Transparenz- und Pluralitätspflichten ein – sowohl für staatliche Werbung in klassischen Medienformen als auch für Onlineplattformen.

    Ein großer Schritt für Problemländer

    Věra Jourovás Freude über den Abschluss ist an vielen Stellen nicht mit einem besseren Schutz von Journalisten und Medien in allen Mitgliedstaaten zu erklären. Denn gegenüber dem nationalen Rahmen bedeutet der EMFA in vielen Mitgliedstaaten keine wirksame Verbesserung. Allerdings könnte er an einigen Stellen insbesondere in jenen Staaten mit problematischster Lage – bisher waren das vor allem Ungarn, Polen und die Slowakei – einige Änderungen erzwingen.

    In Frankreich muss die Rundfunkfinanzierung reformiert werden, in Österreich das staatliche Anzeigenwesen, Deutschland wird in jedem Bundesland Auswirkungen prüfen. Doch die Umsetzung hängt maßgeblich von der Durchsetzung ab – bislang eine Schwäche der EU-Kommission bei der Medienfreiheit.

    Die Positionen der Mehrheit der Mitgliedstaaten machte darauf wenig Hoffnung. “Am Ende der Trilogverhandlungen ist von den guten Parlamentspositionen nicht viel übrig geblieben”, zeigt sich die SPD-Europaabgeordnete Kammerevert daher wenig überzeugt vom Ergebnis. “Der Rat hat sich in allen wesentlichen Punkten durchgesetzt – auch weil eine Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Grünen oft zu schnell gegenüber dem Rat eingeknickt ist.”

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    News

    Serbien-Wahl: Vučić-Partei liegt in Hochrechnung vorn

    Pflegt gute Beziehungen zu Wladimir Putin: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić (links).

    Die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Aleksandar Vučić liegt bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag mit 46,6 Prozent der Stimmen in Führung. Dies geht aus einer Hochrechnung der Meinungsforschungsinstitute Ipsos und CeSID von gestern Abend hervor, die auf einer Teilauszählung einer Stichprobe von Wahllokalen beruht. Das Oppositionsbündnis “Serbien gegen Gewalt” wird mit 23 Prozent der Stimmen voraussichtlich an zweiter Stelle liegen, während die Sozialistische Partei Serbiens mit 6,9 Prozent der Stimmen an dritter Stelle gesehen wird. rtr

    • Serbien

    Schweiz und EU nähern sich weiter an

    Die Schweiz und die EU wollen ihr neues Rahmenabkommen bis Ende 2024 aushandeln.

    Die Schweiz und die EU wollen ihre Verhandlungen um ein neues Rahmenabkommen bis Ende 2024 abschließen. Beide Seiten veröffentlichten am vergangenen Freitag eine entsprechende Vereinbarung. “Der Abschluss der Sondierungsgespräche ist ein erster und wichtiger Schritt, um die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz auf eine bessere Grundlage zu stellen”, heißt es in einem Schreiben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die Schweizer Regierung.

    In der Vereinbarung umreißen beide Seiten gemeinsame Vorstellungen für mehrere Politikfelder. Demnach solle das Abkommen zum Handel mit Agrarprodukten zu einem “Lebensmittelsicherheitsraum EU-Schweiz” weiterentwickelt werden. Dieser Schritt soll einerseits den Handel weiter erleichtern, der Schweiz aber auch ermöglichen, eigene Standards beizubehalten – etwa bei Technologien zur Lebensmittelproduktion.

    Zusammenarbeit bei Forschung und Bildung

    Weitere Erleichterungen betreffen Forschung und Bildung. Laut Kommission soll die Schweiz mehreren Programmen assoziiert werden: Horizon, Euratom Research & Training, ITER, Digital Europe, Copernicus und Erasmus+. Sobald die Verhandlungen beginnen, sollen Schweizer Institutionen außerdem die Möglichkeit erhalten, sich um Fördermittel des Europäischen Forschungsrats (ERC) zu bewerben.

    Der Schweizer Bundesrat hatte am Freitag entschieden, das Parlament und die Kantone bezüglich eines Verhandlungsmandats zu konsultieren. Die EU-Kommission will dem Rat der EU in den nächsten Tagen Verhandlungsleitlinien vorlegen. ber

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    FDP: Die Einigung zur EU-Plattformrichtlinie ist “Angriff auf alle Selbständigen in Europa”

    Johannes Vogel während einer Debatte im Bundestag.

    Nach den Trilog-Einigungen zum EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD) und zur EU-Plattformrichtlinie äußert die FDP deutliche Kritik: Bundes-Vize Johannes Vogel bezeichnete die Ergebnisse im Gespräch mit Table.Media als “Schläge gegen den Wirtschaftsstandort Europa”. Das Sorgfaltspflichtengesetz drohe den Hebel in die falsche Richtung umzulegen. Die EU-Kommission dürfe keine zusätzliche Bürokratie schaffen und damit den Bürokratieabbau auf nationaler Ebene zunichte machen. “Ursula von der Leyen hat vollmundig von Bürokratieabbau gesprochen, sie darf mit ihrer Kommission mit dem Lieferkettengesetz keine neuen schaffen. Das wäre der ganz falsche Weg.”

    Die Einigung zur EU-Plattformrichtlinie wiederum sei ein “Angriff auf alle Selbständigen in Europa“, sagte Vogel zu Table.Media. Natürlich Selbstständige müssten ihre Tätigkeit auch mithilfe digitaler Plattformen anbieten können. Digitalplattformen wie Fahrdienstanbieter dürften nicht durch zu viele Regularien eingeschränkt werden; wodurch sich die Preise erhöhen würden. Selbstbestimmte Selbständige dürften nicht drangsaliert werden. “Die aktuellen Pläne der EU sind ein riesiger Rückschritt, dem Deutschland auf Betreiben der Freien Demokraten zu Recht nicht zustimmen wird”, erklärte Vogel. Das Ziel müsse sein, eine Mehrheit für diese Richtlinie ganz zu verhindern. Deutschland hatte sich auf Druck der FDP in den Verhandlungen bisher enthalten. Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten müssen die jeweiligen Einigungen noch formal annehmen. leo

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    • Lieferkettengesetz
    • Sorgfaltspflichten

    Bundesregierung enttäuscht Entscheider bei Digitalisierung

    Mehr Digitalkompetenz wünschen sich viele Entscheider in Deutschland: Besucher einer Spielemesse in Tokyo mit Virtual-Reality-Technik aus China.

    Die Entscheider in Deutschland erwarten von der Bundesregierung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode besondere Anstrengungen in der Digitalpolitik – attestieren ihr aber zugleich kaum ausreichende Expertise dafür. Ähnlich hohe Erwartungen haben sie an die Energie- und Klimapolitik. Hier sprechen sie ihr allerdings die höchste Kompetenz zu und rechnen auch mit einer tatsächlichen Umsetzung. 

    Das geht aus einer exklusiven Umfrage des digitalen Medienhauses Table.Media hervor, an der über 3000 hochrangige Interessensvertreter teilgenommen haben. Sie sind im Transparenzregister des Deutschen Bundestags registriert und kommen zum überwiegenden Teil aus Unternehmen, Verbänden sowie Nichtregierungsorganisationen oder aus der Wissenschaft und der Verwaltung. Sie verteilen sich auf Branchen wie den Automobil- oder Energiesektor, die Bau- oder Digitalwirtschaft sowie Gewerkschaften und Umweltverbände. 

    Für knapp 82 Prozent der Befragten haben besondere Anstrengungen der Bundesregierung bei der Klima- und Energiepolitik eine eher hohe oder sogar hohe Bedeutung. Rund 85 Prozent gehen auch davon aus, dass es in den nächsten zwei Jahren tatsächlich zu einer Schwerpunktsetzung in der Energiepolitik kommen wird. Doch nur knapp 20 Prozent prognostizieren dies für die KI- und Datenpolitik. 

    Generell sprechen die Entscheiderinnen und Entscheider der Bundesregierung eher mittelmäßige Noten aus. Aber: Den vergleichsweise besten Wert erreicht die Ampel bei der Kompetenz in der Klima- und Energiepolitik. Hier wird ihr immerhin von rund 37 Prozent der Befragten eine hohe oder eher hohe Lösungskompetenz zugestanden. Beim Digitalausbau sind das gerade einmal noch 7,4 Prozent insgesamt. Eine hohe Kompetenz sehen sogar nur 0,6 Prozent. 

    Lob für Baerbock und Habeck, Kritik an Wissing

    Konkret schlägt sich diese Einschätzung zudem nieder in einem Lob für die Arbeit des Bundesministers für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck, sowie deutlicher Kritik am Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Volker Wissing. Der Grünen-Politiker hat – trotz der Debatte über das Heizungsgesetz und die sogenannte Trauzeugenaffäre seines ehemaligen Staatssekretärs Patrick Graichen – die Erwartungen an seine Leistung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von rund 42 Prozent übertroffen oder eher übertroffen. 

    Er landet damit auf Platz vier der Ministerriege. Die schlechteste Note erhält der FDP-Politiker: Mehr als 69 Prozent finden seine Leistung in den ersten zwei Jahren enttäuschend oder eher enttäuschend. Bei der Frage, welche Bundesministerien durch besonders große Professionalität in der Sacharbeit auffallen, führt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Liste an

    Die Opposition in Deutschland sehen die Befragten personell aktuell weniger gut aufgestellt: Lediglich knapp 13 Prozent halten es für wirklich realistisch, dass die Union mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein wird.

    • Digitalpolitik

    Sanktionen: Österreich gibt Widerstand auf

    Damalige Filiale der Raiffeisen Bank in Moskau im März 2023

    Österreich gibt seine Blockade des zwölften EU-Sanktionspakets gegen Russland auf. Zuvor habe die Ukraine die österreichische Raiffeisen Bank International von einer schwarzen Liste gestrichen, heißt es auf der Webseite der Regierung in Kiew und von einem EU-Diplomaten. Österreich hatte darauf gedrängt, die Bank von der ukrainischen Liste der “Internationalen Sponsoren des Krieges” zu streichen. Die Liste zielt darauf ab, Unternehmen, die in Russland Geschäfte machen und die Kriegsanstrengungen zum Beispiel durch die Zahlung von Steuern unterstützen, unter Druck zu setzen. rtr

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    Presseschau

    Gipfeltreffen in Brüssel: Ungarn blockiert EU-Hilfen für Ukraine DEUTSCHLANDFUNK
    Die Ukraine nach dem EU-Gipfel: Langer Krieg, langer EU-Beitritt TAZ
    Nach EU-Gipfel: Ukraines Außenminister lobt Scholz und erwartet nun mehr deutsche Führung DEUTSCHLANDFUNK
    Orbán has plenty more chances to play havoc with EU decision-making THE GUARDIAN
    The EU’s drip-feed of aid frustrates Ukraine, despite the promise of membership talks AP NEWS
    Zehntausende feiern in Tiflis Einstufung Georgiens als EU-Beitrittskandidat EURONEWS
    Russland macht die Grenzen dicht: Auch die EU ist massiv betroffen ABENDZEITUNG MUENCHEN
    Österreich gibt Blockade von Russland-Sanktionen nach Zugeständnis auf DEUTSCHLANDFUNK
    Ruanda, Ghana, Georgien – Spahn: Flüchtlinge in Nicht-EU-Länder bringen ZDF
    Das Medienfreiheitsgesetz der EU schränkt Freiheit ein FAZ
    Was der AI Act der EU kann und was nicht FAZ
    Die Schweiz will ihr Verhältnis zur Europäischen Union kitten FAZ
    “Historischer Moment in bilateralen Beziehungen”: Serbien wendet sich von der EU ab und zu China hin MERKUR
    Sunak accused of toxic rhetoric after warning of “overwhelming” migration to Europe THE GUARDIAN
    Neue EU-Regeln sollen Greenwashing bei Anleihen verhindern DER STANDARD
    Die EU sollte von Polen lernen, nicht von Italien HANDELSBLATT
    EU-Vergleich: Deutsche Haushalte sparen bei Lebensmitteln TOPAGRAR
    Paris is saying “non” to a US-style hellscape of supersized cars – and so should the rest of Europe THE GUARDIAN

    Heads

    Lukas Mandl – Initiator für zukunftsfähige EU-Schweiz-Beziehungen 

    Lukas Mandl erarbeitete den Schweizbericht des Europäischen Parlaments.

    Geduld gehört nicht zu den Charakterstärken von Lukas Mandl, wie er selbst sagt – dabei wurde seine Beharrlichkeit in diesen Tagen belohnt. Der 44-jährige Österreicher ist seit 2017 für die EVP Abgeordneter im EU-Parlament. Ins Rampenlicht geriet er in den vergangenen Monaten primär als dessen Chefverhandler mit der Schweiz. Ziel der Gespräche ist es, eine sogenannte Paketlösung, also ein Rahmenabkommen mit den Eidgenossen, zu erarbeiten.

    “Um es positiv zu formulieren: Ich bin ein Freund von Tempo”, sagt Mandl mit einem Schmunzeln. Denn auch er weiß: Gerade das Ringen zwischen der EU-Kommission und dem Schweizer Bundesrat um eine Einigung in Fragen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, gemeinsamer sicherheitspolitischer Bestrebungen und Forschungsinitiativen gestaltete sich in der Vergangenheit häufig zäh. Seit 2014 laufen die Verhandlungen, seit vergangener Woche zeichnet sich ein Ende ab.

    Am Freitag veröffentlichten Kommission und Bundesrat eine Vereinbarung zu den weiteren Verhandlungen des Rahmenabkommens. Bis 2024 sollen sie nun abgeschlossen werden.

    Jean-Claude Juncker als Impulsgeber 

    Seit Mitte 2021 ist Mandl der Schweiz-Berichterstatter des Parlaments. Dass er diese Rolle übernehmen möchte, war ihm mit dem Abtreten Jean-Claude Junckers als Kommissionspräsident im Jahr 2019 klar. Als dieser am Ende seiner Amtszeit sagte, ein fehlender Rahmenvertrag zwischen der EU und der Schweiz sei eines seiner wenigen Versäumnisse gewesen, hatte Mandl seinen Entschluss gefasst. “In diesem Moment wusste ich: Das möchte ich machen”, erzählt er. 

    Im Gespräch verweist Mandl darauf, wie wichtig es ist, eine zukunftsgerichtete Einigung mit der Schweiz als “europäisches Musterland” zu finden. Seit jeher gebe es eine “natürliche Zusammengehörigkeit beider Seiten wie mit keinem anderen Teil der Welt”, sagt Mandl. Daher müsse auch die gegenseitige Bedeutung der beiden Verhandlungspartner “auf Platz Eins stehen”. Für die Schweiz gelte das besonders für die wirtschaftliche Ebene, für die EU speziell aus sicherheitspolitischer Perspektive.

    Als Mediator zwischen der EU und den Eidgenossen sieht er sich in den Gesprächen allerdings nicht. “Ich stehe nicht in der Mitte zwischen den Beiden, sondern ganz klar auf der Seite der EU.” Dennoch lobt er die Zusammenarbeit mit den Schweizer Verantwortlichen um den Vorsteher des Departements für auswärtige Angelegenheiten, Ignazio Cassis, als “wunderbar, weil immer konstruktiv und wertschätzend”. 

    Interesse an Afrika und Lateinamerika

    Nachdem Mandl im Oktober im Namen des Europaparlaments den Schweizbericht vorgestellt hat, nimmt er sich für den weiteren Weg für das Rahmenabkommen weitestgehend aus der Pflicht. “Es ist jetzt eine klare exekutive Sache von Kommission und Bundesrat, die Verhandlungen zu Ende zu bringen“, sagt er.

    Für die eigene Zukunft richtet Mandl den Blick voraus auf die Zeit nach der Europawahl 2024. Als parlamentarischer Verantwortlicher für “Sicherheit im umfassenden Sinne” arbeitete er bereits in den vergangenen Monaten zu Konflikten wie in Israel oder dem Westbalkan. Weitere für die EU zentrale geopolitische Regionen möchte er als Parlamentarier zukünftig stärker in den Blick nehmen. Besonders Afrika und Lateinamerika gehören dazu. Im Mittelpunkt steht dabei stets sein europapolitisches Motto: Mehr Sicherheit nach Außen, mehr Freiheit nach InnenJasper Bennink

    • Schweiz

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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