der große Tag ist gekommen: Heute ist die Veröffentlichung des AI Act im Amtsblatt der Europäischen Union vorgesehen. In 20 Tagen, also am 1. August, tritt das europäische KI-Gesetz dann in Kraft. Viele haben darauf gewartet – sowohl die Befürworter als auch die Kritiker des AI Act. Denn jetzt laufen die Fristen, und das Timing ist klar. Unsicherheit ist das, was vor allem Unternehmen am meisten scheuen.
Doch die Unsicherheiten, die in den vielfach beklagten unbestimmten Rechtsbegriffen liegen, sind damit nicht beseitigt. Die Unternehmen werden Unterstützung bei der Umsetzung brauchen. Daher steht auch die Bundesregierung unter hohem Zeitdruck, etwa die benötigte Marktaufsicht und notifizierende Behörde schnell zu benennen. Je eher die Ansprechpartner feststehen und die Strukturen installiert sind, um so besser. Schlecht wäre es, den möglichen Zeitrahmen voll auszunutzen. Das würde die Unternehmen ausbremsen. So spät zu sein wie bei der Benennung des Digital Services Coordinator wäre eine Katastrophe.
Womöglich wird es diesmal tatsächlich schneller gehen. Nach Informationen von Table.Briefings hat sich die Bundesregierung bereits auf die Bundesnetzagentur als Marktaufsicht geeinigt. Das läge nahe. Doch eine offizielle Bestätigung dafür gibt es noch nicht.
Viel zu tun gibt es nicht nur für die künftige Aufsicht in Deutschland, sondern auch für die Kommission. Kai Zenner, der als Assistent des EVP-Abgeordneten Axel Voss an den Verhandlungen zum AI Act beteiligt war, hat eine Übersicht über die Aufgaben des AI Office erstellt, das die Kommission vor kurzem installiert hat. Dabei hat er auf 25 Seiten insgesamt 130 Aufgaben identifiziert.
39 davon haben das Ziel, bis zum 1. August 2025 ein KI-Governance-System einzurichten. Hinzu kommen unter anderem acht delegierte Rechtsakte, neun Durchführungsrechtsakte, neun Leitlinien, acht Vorlagen/Benchmarks sowie Durchsetzungsmaßnahmen und nachträgliche Evaluierungsaufgaben. Wie so oft: Mit der Veröffentlichung des AI Act geht die Arbeit erst richtig los.
Ich wünsche Ihnen interessante Erkenntnisse bei der Lektüre und einen angenehmen Freitag.
Am kommenden Donnerstag um 13 Uhr stimmt das Europaparlament ab, ob Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin bekommt. Es gibt nur einen Wahlgang, es wird geheim abgestimmt. Die Kandidatin braucht 361 Stimmen. Also eine Stimme mehr als die absolute Mehrheit der Sitze – unabhängig davon, wie viele Abgeordnete im Plenum anwesend sind. 2019 wäre Ursula von der Leyen fast gescheitert. Am Ende hatte sie eine dünne Mehrheit von neun Stimmen über “dem Durst”.
Eine Woche vor der Wahl ist das Von-der-Leyen-Lager nervös. Zu der “Plattform”, die eine zweite Kommission unter der CDU-Politikerin im Europaparlament stützen soll, zählen 188 Abgeordnete der EVP, 136 von S&D und 77 von Renew. Insgesamt also 401 Sitze. Das heißt: 40 Abweichler könnte sich von der Leyen im eigenen Lager leisten, aber auch nur dann, wenn alle Abgeordneten anwesend sind. Das ist sehr knapp, zumal die Fraktionsdisziplin im Straßburger Parlament bei weitem nicht so groß ist wie etwa im Bundestag.
Die Grünen haben 53 Sitze im Parlament. Sie sind zwar nicht vollständig in die laufenden Gespräche über die Bildung einer informellen Koalition eingebunden. Von der Leyen spricht aber mit ihnen, und auch zwischen den Fraktionschefs der Plattform und den Grünen gibt es Verhandlungen etwa über Posten, die aus dem Cordon sanitaire verteilt werden. Zusammen kommen die Plattform-Fraktionen, EVP, S&D, Renew sowie die Grünen auf 454 Stimmen, also 93 mehr, als unbedingt gebraucht werden.
Ein Überblick, welche Chancen von der Leyen in den Fraktionen hat:
Es ist damit zu rechnen, dass von der Leyen in der eigenen Fraktion mindestens 90 Prozent der Stimmen bekommt. Die Zustimmung werde höher sein als 2019, heißt es. Ihr wird zugutegehalten, dass sie – anders als 2019 – diesmal Spitzenkandidatin der christdemokratischen Parteienfamilie war. Man sei gemeinsam in den Wahlkampf gezogen. Nun müssten alle dafür sorgen, dass die EVP-Kandidatin auch fünf Jahre Regierungsverantwortung bekomme. Ähnlich äußern sich auch Abgeordnete, die 2019 aus ihrem Nein zu von der Leyen keinen Hehl gemacht haben.
Als Wackelkandidaten in der EVP gelten die französische Delegation von sechs Abgeordneten der Républicains sowie vier slowenische Abgeordnete der SDS von Janez Janša. Beide Mitgliedsparteien hatten beim EVP-Kongress in Bukarest öffentlich erklärt, in geheimer Wahl gegen die Nominierung von der Leyens zur Spitzenkandidatin gestimmt zu haben.
Möglicherweise hat EVP-Fraktionschef Manfred Weber inzwischen aber die Stimmen für von der Leyen gesichert: François-Xavier Bellamy, der Chef der französischen Delegation, und Romana Tomc aus der slowenischen Delegation wurden gerade zu Vizepräsidenten in der Fraktion gewählt. Wer eine herausgehobene Funktion in der Fraktion hat, müsse für die eigene Kandidatin stimmen, hört man. Zudem baut die Fraktionsführung Druck auf. Jeder wisse, was auf dem Spiel steht, ein Fehlen am Donnerstag werde Folgen haben, heißt es. Eine Probeabstimmung ist nicht geplant.
Für die deutschen Sozialdemokraten muss von der Leyen noch nachsitzen. In einer dreistündigen Anhörung mit der S&D-Fraktion habe sich die CDU-Politikerin “nicht ins Aus geschossen, aber sie ist noch nicht am Ziel”, sagte der Chef der SPD-Gruppe, René Repasi, am Mittwoch in Brüssel. Seine Fraktion habe noch etliche Fragen und wolle auf schriftliche Antworten warten, bevor sie sich endgültig festlege.
Als Beispiele nannte Repasi einen “Green Deal mit rotem Herz” und den sozialen Wohnungsbau. Beides müsse im Arbeitsprogramm von der Leyens verankert werden. Zudem müsse sie einsehen, dass eine “Dreier-Kombi” mit EVP, S&D und Renew nicht für die Wiederwahl ausreiche, und dass sie auf grüne Stimmen angewiesen sei.
Bisher erklären sich noch nicht alle deutschen Sozialdemokraten bereit, für von der Leyen zu stimmen. 2019 hatte kein deutscher Sozialdemokrat für sie gestimmt, diesmal dürfte die Ja-Stimmen deutlich überwiegen. Aber: Vor allem bei Linken und Gewerkschaftern gibt es Vorbehalte.
Auf der Kippe steht es nach Einschätzung der SPD auch bei den französischen Sozialisten. Sie könnten gegen von der Leyen stimmen, wenn Staatspräsident Emmanuel Macron – ein Unterstützer von der Leyens der ersten Stunde – die französische Linke von der Regierungsbildung in Paris ausschließt. Die Stimmung bei den französischen Genossen sei angespannt, hieß es. So sei der sozialistische Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann vollauf mit Sondierungen in Paris beschäftigt. Deshalb habe er noch nicht an den Vorbereitungen für die Wahl der Kommissionschefin teilgenommen.
Dennoch gelten die Liberalen als das größere Sorgenkind. Vor allem die fünf irischen Abgeordneten von Fianna Fáil drohen mit Nein. In der Fraktionssitzung konfrontierten Abgeordnete von der Leyen mit vielen kritischen Fragen. So bohrten sie mehrfach nach, ob von der Leyen mit den Rechtsaußen im Parlament zusammenarbeiten wolle, was diese schließlich verneinte, und forderten Zusagen, beim Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ernst zu machen. Von der Leyen habe sich Zeit genommen für die Fragen, sei aber bei Rechtsstaatlichkeit und Bürokratieabbau kaum konkret geworden, hieß es.
Wenn sich die drei Mitte-Fraktionen auf eine gemeinsame Plattform einigen, dürften auch die meisten der 77 Renew-Abgeordneten für von der Leyen stimmen. Wie viele es am Ende werden, ist aber noch offen. Die Liberalen versuchen noch, Forderungen wie einen Vollausschuss für Verteidigung durchzusetzen, der von einer der ihren geleitet werden soll.
Einige Abgeordnete lehnen von der Leyen wiederum aus prinzipiellen Gründen ab, etwa wegen ihrer Gaza-Politik. Im Hintergrund übt Kaja Kallas, die im Posten-Poker für die liberale Parteienfamilie den Job der Außenbeauftragten bekam, Druck auf mögliche Abweichler aus, ist zu hören. Die Iren sollten auch daran denken, dass ihr Kandidat für die Kommission im Ausschuss durchfallen könnte.
Die Rolle der Grünen bei der Wahl von der Leyens ist am schwersten einzuschätzen. 2019 waren sie nicht Teil der informellen Koalition, und dennoch habe einige Abgeordnete für sie gestimmt. Diesmal gibt es Absprachen. Das lässt vermuten, dass jetzt ein höherer Anteil der Fraktion mit Ja stimmt.
Die Grünen haben ihre Forderungen an von der Leyen schon deutlich gemacht. Jetzt heißt es, sie warten ab, welche Leitlinien für die Wahlperiode von der Leyen vorlege. Wenn sich grüne Forderungen da wiederfänden, sei mit hoher Zustimmung zu rechnen. Die Grünen erwarten von der Kandidatin das Signal, dass die Fraktion Teil der informellen Koalition werden soll.
2019 haben der Fidesz, damals fraktionslos, sowie Teile der EKR-Fraktion für von der Leyen gestimmt und vermutlich maßgeblich zu ihrer Wahl beigetragen. Diesmal dürfte die Zahl der Ja-Stimmen aus der EKR-Fraktion geringer ausfallen. Ausgeschlossen ist aber nicht, dass EKR-Abgeordnete für von der Leyen stimmen.
Giorgia Meloni, die Chefin der konservativen Parteienfamilie EKR, hatte sich beim EU-Gipfel bei der Abstimmung zu von der Leyens Kandidatur enthalten. Das lässt den Weg offen für EKR-Abgeordnete.
Die europäischen Nato-Länder nehmen in dem Verteidigungsbündnis eine zunehmend wichtigere Rolle ein. “Kopernikanische Revolution” nannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner Abschlusspressekonferenz am Donnerstag die Zustimmung für sein Konzept des europäischen Nato-Pfeilers in der Allianz.
Viel wurde über Geld gesprochen, die Ukraine-Hilfen, Donald Trump, Joe Bidens Fitness – weniger über die militärischen Veränderungen. “Wir sind gerade wirklich dabei – ohne viel darüber zu sprechen – eine Nato zu schaffen, die fähiger, reaktiver und europäischer wird”, sagt Camille Grand vom European Council on Foreign Relations (ECFR) und früherer stellvertretender Nato-Generalsekretär zu Table.Briefings.
Die Nato-Pläne, 300.000 Soldaten in hoher Bereitschaft zu halten, von denen die meisten Europäer sind, sei “schon eine starke Veränderung”, so Grand. Wie die europäischen Nato-Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöht haben, sei “enorm”. Der Politikberater sieht in der EU einen aktiver werdenden Akteur, der mehr Geld – “meiner Meinung nach noch nicht genug” – für Entwicklungen zur Verfügung stelle. Das diene auch Nato-Interessen.
Nicht alle sehen das so. Bei den US-Republikanern will man ein Europa, das mehr Geld für Verteidigung ausgibt. Die Mittel sollen aber am besten in die USA fließen, der konservative Kommentator Nile Gardiner sagte, dass Macrons strategische Autonomie “Gift” für die Nato sei.
Den Nato-Gipfel wollte US-Präsident Joe Biden auch aus innenpolitischen Gründen zu einem Erfolg machen. “Insbesondere in den USA haben wir es mit einer Domestizierung von Außen- und Sicherheitspolitik zu tun”, sagt Michael Werz von der Münchner Sicherheitskonferenz und vom Demokraten-nahen Thinktank Center for American Progress. Deshalb sei es für Joe Biden wichtig, “diesen Nato-Gipfel zu einem Erfolg zu machen, weil die Bedeutung der Nato innerhalb der Vereinigten Staaten begründet werden muss”.
Überschattet wurde der Abschlusstag des Gipfels von Bidens wackeligen Performance. Am Donnerstagabend kündigte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als “President Putin” an, korrigierte sich nach einem Moment dann aber selbst. Unter den US-Demokraten verliert er zunehmend an Rückendeckung. Aber auch in den Abschlusspressekonferenzen ausländischer Politiker kan es zu Fragen, wie sie Bidens Gesundheitszustand wahrnähmen. Abgesehen vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der sich laut mehreren Medienberichten nach dem Gipfel mit Donald Trump treffen wollte, dürften sich die wenigsten europäischen Staatschefs eine Wiederwahl des republikanischen US-Präsidenten wünschen.
Schon gar nicht Deutschland. Berlins Standing in den USA ist gut wie lange nicht. “Im Weißen Haus steht zwischen Europa und Berlin ein Äquivalenzzeichen. Die deutschen Leistungen werden wahrgenommen”, sagt Werz. Das betonte auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der zum Abschluss sagte, er habe in den Tagen des Gipfels “viel Anerkennung” für Deutschlands Rolle im Bündnis erlebt. Härter geht man in den USA mit Frankreich ins Gericht, das bei der Ukraine-Unterstützung weit hinter Deutschland steht.
Nur ob die Nato den Fokus in den Indopazifik verlagert, ist nicht ganz klar geworden. Was in Europa passiere, sei für Asien relevant und umgekehrt, sagte Generalsekretär Stoltenberg zum Abschluss. des Gipfels Macron betonte, die verstärkte Kooperation mit Ländern im Indopazifik werde “auf keinen Fall” aus der Nato eine Verteidigungsallianz machen, die Truppen in die Region entsenden müsse. Trotz der deutlichen Worte in Richtung China in der Abschlusserklärung der Nato-Staaten bleiben Fragezeichen über die Rolle Europas im Indopazifik. “Die Amerikaner sagen nicht klar, was sie von den Europäern erwarten”, so Grand. “Sie sagen, dass die Europäer sich mehr Sorgen wegen China machen sollen, aber sie sagen nicht, ob sie konkrete Hilfe im Indopazifik brauchen, oder ein verstärktes Engagement in Europa, um den Amerikanern dort den Rücken freizuhalten.”
15.07.-16.07.2024
Informelle Ministertagung Energie
Themen: Aussprache zur Dekarbonisierung des Energiesystems (Rolle der geothermischen Energie, Umsetzung des energiepolitischen Rahmens 2030, Rolle der nationalen Energie- und Klimapläne, ein widerstandsfähiges, flexibles und integriertes Elektrizitätssystem, Beitrag des Energiesektors zum neuen Wettbewerbsabkommen). Infos
15.07.2024
Treffen des Assoziationsrates EU-Jordanien
Themen: Erörterung der bilateralen Beziehungen (mit Schwerpunkt auf der Umsetzung des Assoziationsabkommens und der neuen Partnerschaftsprioritäten EU-Jordanien, 2021-2027), Erörterung politischer Fragen (insbesondere regionale und internationale Themen). Infos
15.07.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Vorstellung des Arbeitsprogramms des Vorsitzes, Gedankenaustausch zu handelsbezogenen Agrarfragen, Gedankenaustausch zur Lebensfähigkeit ländlicher Gebiete (Generationswechsel und demografische Aspekte). Vorläufige Tagesordnung
15.07.2024 – 15:00 Uhr
Euro-Gruppe
Themen: Finanzpolitischer Kurs des Euroraums, Arbeitsprogramm der Eurogruppe bis März 2025, Funktionsweise des WKM II. Vorläufige Tagesordnung
16.07.-19.07.2024
Erste Sitzungswoche der neuen Legislaturperiode des EU-Parlaments
Themen: Die Mitglieder des EU-Parlaments kommen zum ersten Mal in der neuen Legislaturperiode im Plenum zusammen. Infos
16.07.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz
Themen: Aussprache zum Europäischen Semester 2024 (Arbeitskräfte- und Qualifikationsdefizite in der EU), Aussprache zur sozialen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen auf EU- und nationaler Ebene. Vorläufige Tagesordnung
16.07.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Themen: Gedankenaustausch zu den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine, Billigung des Europäischen Semesters 2024, Gedankenaustausch zu den Konvergenzberichten der Kommission und der Europäischen Zentralbank. Vorläufige Tagesordnung
17.07.2024
EuGH-Urteil zum Zugang zu Verträgen über die Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen
Themen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet darüber, ob die Europäische Kommission der Öffentlichkeit Zugang zu Verträgen gewähren muss, die sie mit Pharmaunternehmen über den Kauf von Covid-19-Impfstoffen geschlossen hat. Klage
18.07.2024
Tagung der Europäischen Politischen Gemeinschaft
Themen: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Politischen Gemeinschaft kommen zu Beratungen zusammen. Infos
Apple gewährt Drittanbietern in den kommenden zehn Jahren Zugang zum mobilen Bezahlsystem auf seinen iPhones, das kontaktloses Bezahlen (Nahfeldkommunikation/NFC oder “tap and go”) ermöglicht. Die Kommission hat die Zusagen von Apple für rechtlich bindend erklärt. Damit sind die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission ausgeräumt und Apple entgeht einer hohen Kartellstrafe.
“Ab jetzt können andere Anbieter wirksam mit Apple Pay bei kontaktlosen Zahlungen per iPhone im Einzelhandel konkurrieren”, sagte Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager, zuständig für Wettbewerbspolitik. So hätten Verbraucher eine breitere Auswahl an sicheren und innovativen mobilen Geldbörsen zur Verfügung. Das sorge für Wettbewerb in diesem wichtigen Wirtschaftszweig.
Bisher kontrollierte Apple alle Teile seines Ökosystems auf dem iPhone, einschließlich des Zugangs zu mobilen Zahlungsanwendungen. So wollte Apple das System nach eigenen Angaben sicherer machen. Jedoch kritisierten Banken und andere Zahlungsabwickler schon lange, dass sie nicht an Apple vorbei auf den NFC-Chip zugreifen können. Die Kommission kam in ihrer bereits seit Juni 2020 laufenden Untersuchung zu dem vorläufigen Schluss, dass Apple seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, indem es konkurrierenden Entwicklern den Zugang zu Apple Pay verweigerte.
Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, hatte Apple Zugeständnisse gemacht. Diese hatte die Kommission Anfang dieses Jahres einem Markttest unterzogen. Dritte konnten ihre Meinung dazu äußern. Angesichts der Ergebnisse musste Apple nachlegen.
Die angepassten Verpflichtungen umfassen nun unter anderem:
Die Verpflichtungen bleiben zehn Jahre lang in Kraft. Ihre Umsetzung überwacht ein von Apple benannter Treuhänder, der der Kommission über den gesamten Zeitraum hinweg Bericht erstattet.
Die Computer and Communications Industry Association (CCIA Europe) begrüßte die Entscheidung der Kommission. Sie setze einen positiven Präzedenzfall, um Kohärenz zwischen Kartellfällen und dem Digital Markets Act (DMA) sicherzustellen. Es sei wichtig, dass Unternehmen nicht mit unterschiedlichen Lösungen für dasselbe Problem nach dem DMA und dem Wettbewerbsrecht konfrontiert würden.
“Zukünftige parallele Durchsetzungen des DMA und des Wettbewerbsrechts müssen koordiniert werden, um sicherzustellen, dass Unternehmen nicht zweimal für dasselbe potenzielle Vergehen bestraft werden”, sagte Daniel Friedlaender, Senior Vice President von CCIA Europe. vis
Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sollen Aluminium-Produkte aus Xinjiang in das geplante EU-Warenregister zur Einschätzung des Zwangsarbeitsrisikos aufgenommen werden.
Das Register ist Teil der EU-Verordnung zu Produkten aus Zwangsarbeit. Damit diese eine konkrete Auswirkung auf staatlich verordnete Zwangsarbeit in China habe, sei die Aufnahme von Xinjiang und des Aluminiumsektors in die Datenbank von entscheidender Bedeutung, erklärte HRW in einer Mitteilung. Die Organisation empfiehlt insgesamt 17 Branchen von Kleidungs- bis Spielzeug-Produktion in der Region Xinjiang, die in das EU-Register aufgenommen werden sollten.
Die EU würde damit den USA folgen, die Aluminium in der Gesetzgebung zum Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) ergänzt haben, sagte Alejandro Mayorkas, US-Minister für Innere Sicherheit, in einem Gespräch mit dem US-Thinktank CSIS. Demnach umfasst der UFLPA auch Meeresfrüchte und PVC.
Die geplante EU-Verordnung soll Verbraucher daran hindern, Waren zu kaufen, die unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden. In der Online-Datenbank sollen bestimmte geografische Gebiete und Sektoren veröffentlicht werden, in denen das Risiko von Zwangsarbeit besteht, auch von staatlicher Seite. Die Datenbank soll ab 2026 verfügbar sein. Die Verordnung soll dann Ende 2027 in Kraft treten. ari
Die Migration in die Länder der EU hat deren Bevölkerungszahl im Jahr 2023 wachsen lassen. Nach Rückgängen in den Jahren 2020 und 2021 infolge der Corona-Pandemie stieg sie im Laufe des vorigen Jahres zum zweiten Jahr in Folge – und zwar auf 449,2 von 447,6 Millionen im Jahr 2022. Wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Daten des EU-Statistikamts Eurostat weiter hervorgeht, war die Migration dabei ausschlaggebend, da die Sterbefälle die Zahl der Geburten in der Gemeinschaft der 27 Länder von Portugal bis Zypern überstieg.
Die Nettozuwanderung umfasse insbesondere die Ankunft von Vertriebenen aus der Ukraine, die vor dem von Russland ausgelösten Krieg flohen, hießt es von Eurostat. Aufgrund der sinkenden Geburtenrate in Europa ist die sogenannte “natürliche” Komponente der Bevölkerungszahl – Geburten abzüglich Todesfälle – seit 2012 negativ oder stagniert. Dies hat in Verbindung mit einer alternden Bevölkerung in vielen Staaten zu Sorgen über einen Mangel an Arbeitskräften und die zukünftige Finanzierung des Sozialstaats geführt. rtr
Für den kommenden Sonntag wird die olympische Flamme im Palais Bourbon erwartet, dem stolzen Sitz der Nationalversammlung am Ufer der Seine. Es war geplant, dass die Präsidentin oder der Präsident des Parlaments die Flamme entgegennimmt. Doch dazu wird es nicht kommen – denn noch ist gar nicht klar, wer dieses Amt bekleiden wird. Erst am 18. Juli wählen die französischen Abgeordneten den Vorsitz ihres Parlaments. An diesem Tag werden auch die verschiedenen Fraktionen in der Nationalversammlung offiziell bekannt gegeben. Derzeit ringen die Fraktionen noch um ihre Zusammensetzung.
Dieses institutionelle Vakuum wenige Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele ist ein treffendes Beispiel für die politische Verwirrung, die derzeit in Frankreich herrscht. Die Regierungsbildung erweist sich als ausgesprochen schwierig. Momentan wird die politische Landschaft Frankreichs von einem Klein-Klein öffentlicher Äußerungen und Reaktionen ebenso wie von zahlreichen Treffen und informellen Abendessen bestimmt, bei denen Deals gemacht und wieder aufgekündigt werden.
Frankreichs Politik ist in Aufruhr, “niemand weiß wirklich, wohin wir im Moment gehen“, sagt eine neu gewählte Parlamentarierin zu Table.Briefings. “Macron wollte mit diesen Wahlen für Klarheit sorgen, doch es passiert genau das Gegenteil.” Dieses Gefühl der Frustration dürften nahezu alle Parteien teilen, unabhängig vom politischen Lager. Es wird gemunkelt, dass die Beziehung zwischen Premierminister Gabriel Attal und Präsident Macron seit der Ankündigung der Auflösung der Nationalversammlung miserabel ist.
Gerade das Lager von Macron zeigt nicht mehr die Einheit, die vor der Auflösung noch bestand. Der Präsident drängt darauf, dass Innenminister Gérald Darmanin den noch amtierenden Attal ersetzen soll. Der Plan ist, dass Darmanin die Führung einer Koalitionsregierung zwischen Zentrum und den rechtskonservativen Republikanern übernimmt. Diesen Plan lehnen jedoch linksgerichtete Abgeordnete aus dem Macron-Lager ab. Darmanin ist der große Rivale von Attal, der bei den macronistischen Abgeordneten weiterhin beliebt ist.
Es wird noch komplizierter. Das hinter der Nouveau Front Populaire versammelte Linksbündnis kann sich nicht auf die Wahl ihres Kandidaten für das Amt des Premierministers einigen. “Wir brauchen viel zu viel Zeit”, sagte die grüne Abgeordnete Sandrine Rousseau am Donnerstagmorgen im französischen Radio. Denn es sei dringend notwendig, dass die NFP ihren Kandidaten so schnell wie möglich nominiert. So kann das Bündnis Druck auf Macron ausüben, damit er eine linke Regierung akzeptiert – was er auf keinen Fall will.
So geht es auf der rechten Seite weiter. Die konservativen Republikaner spalten sich inzwischen auf in Ciotti-Befürworter und Ciotti–Gegner. Éric Ciotti ist der Vorsitzende von Les Républicains, der sich vor der Wahl für ein Bündnis mit dem Rassemblement National entschieden hatte. Mit dieser Entscheidung löste er Entsetzen in der Partei aus. Das Ergebnis: Der Republikaner Laurent Wauquiez wurde Vorsitzender der neuen rechten Fraktion La Droite républicaine, in der sich die Ciotti–Gegner versammelt haben. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er der nächste Präsident der französischen Republik werden möchte.
Denn darum geht es jetzt: Die neue politische Konstellation wird entscheidend sein, um die Zeit nach Macron im Jahr 2027 vorzubereiten. Doch momentan sind die Parteien vor allem mit sich selbst beschäftigt.
der große Tag ist gekommen: Heute ist die Veröffentlichung des AI Act im Amtsblatt der Europäischen Union vorgesehen. In 20 Tagen, also am 1. August, tritt das europäische KI-Gesetz dann in Kraft. Viele haben darauf gewartet – sowohl die Befürworter als auch die Kritiker des AI Act. Denn jetzt laufen die Fristen, und das Timing ist klar. Unsicherheit ist das, was vor allem Unternehmen am meisten scheuen.
Doch die Unsicherheiten, die in den vielfach beklagten unbestimmten Rechtsbegriffen liegen, sind damit nicht beseitigt. Die Unternehmen werden Unterstützung bei der Umsetzung brauchen. Daher steht auch die Bundesregierung unter hohem Zeitdruck, etwa die benötigte Marktaufsicht und notifizierende Behörde schnell zu benennen. Je eher die Ansprechpartner feststehen und die Strukturen installiert sind, um so besser. Schlecht wäre es, den möglichen Zeitrahmen voll auszunutzen. Das würde die Unternehmen ausbremsen. So spät zu sein wie bei der Benennung des Digital Services Coordinator wäre eine Katastrophe.
Womöglich wird es diesmal tatsächlich schneller gehen. Nach Informationen von Table.Briefings hat sich die Bundesregierung bereits auf die Bundesnetzagentur als Marktaufsicht geeinigt. Das läge nahe. Doch eine offizielle Bestätigung dafür gibt es noch nicht.
Viel zu tun gibt es nicht nur für die künftige Aufsicht in Deutschland, sondern auch für die Kommission. Kai Zenner, der als Assistent des EVP-Abgeordneten Axel Voss an den Verhandlungen zum AI Act beteiligt war, hat eine Übersicht über die Aufgaben des AI Office erstellt, das die Kommission vor kurzem installiert hat. Dabei hat er auf 25 Seiten insgesamt 130 Aufgaben identifiziert.
39 davon haben das Ziel, bis zum 1. August 2025 ein KI-Governance-System einzurichten. Hinzu kommen unter anderem acht delegierte Rechtsakte, neun Durchführungsrechtsakte, neun Leitlinien, acht Vorlagen/Benchmarks sowie Durchsetzungsmaßnahmen und nachträgliche Evaluierungsaufgaben. Wie so oft: Mit der Veröffentlichung des AI Act geht die Arbeit erst richtig los.
Ich wünsche Ihnen interessante Erkenntnisse bei der Lektüre und einen angenehmen Freitag.
Am kommenden Donnerstag um 13 Uhr stimmt das Europaparlament ab, ob Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin bekommt. Es gibt nur einen Wahlgang, es wird geheim abgestimmt. Die Kandidatin braucht 361 Stimmen. Also eine Stimme mehr als die absolute Mehrheit der Sitze – unabhängig davon, wie viele Abgeordnete im Plenum anwesend sind. 2019 wäre Ursula von der Leyen fast gescheitert. Am Ende hatte sie eine dünne Mehrheit von neun Stimmen über “dem Durst”.
Eine Woche vor der Wahl ist das Von-der-Leyen-Lager nervös. Zu der “Plattform”, die eine zweite Kommission unter der CDU-Politikerin im Europaparlament stützen soll, zählen 188 Abgeordnete der EVP, 136 von S&D und 77 von Renew. Insgesamt also 401 Sitze. Das heißt: 40 Abweichler könnte sich von der Leyen im eigenen Lager leisten, aber auch nur dann, wenn alle Abgeordneten anwesend sind. Das ist sehr knapp, zumal die Fraktionsdisziplin im Straßburger Parlament bei weitem nicht so groß ist wie etwa im Bundestag.
Die Grünen haben 53 Sitze im Parlament. Sie sind zwar nicht vollständig in die laufenden Gespräche über die Bildung einer informellen Koalition eingebunden. Von der Leyen spricht aber mit ihnen, und auch zwischen den Fraktionschefs der Plattform und den Grünen gibt es Verhandlungen etwa über Posten, die aus dem Cordon sanitaire verteilt werden. Zusammen kommen die Plattform-Fraktionen, EVP, S&D, Renew sowie die Grünen auf 454 Stimmen, also 93 mehr, als unbedingt gebraucht werden.
Ein Überblick, welche Chancen von der Leyen in den Fraktionen hat:
Es ist damit zu rechnen, dass von der Leyen in der eigenen Fraktion mindestens 90 Prozent der Stimmen bekommt. Die Zustimmung werde höher sein als 2019, heißt es. Ihr wird zugutegehalten, dass sie – anders als 2019 – diesmal Spitzenkandidatin der christdemokratischen Parteienfamilie war. Man sei gemeinsam in den Wahlkampf gezogen. Nun müssten alle dafür sorgen, dass die EVP-Kandidatin auch fünf Jahre Regierungsverantwortung bekomme. Ähnlich äußern sich auch Abgeordnete, die 2019 aus ihrem Nein zu von der Leyen keinen Hehl gemacht haben.
Als Wackelkandidaten in der EVP gelten die französische Delegation von sechs Abgeordneten der Républicains sowie vier slowenische Abgeordnete der SDS von Janez Janša. Beide Mitgliedsparteien hatten beim EVP-Kongress in Bukarest öffentlich erklärt, in geheimer Wahl gegen die Nominierung von der Leyens zur Spitzenkandidatin gestimmt zu haben.
Möglicherweise hat EVP-Fraktionschef Manfred Weber inzwischen aber die Stimmen für von der Leyen gesichert: François-Xavier Bellamy, der Chef der französischen Delegation, und Romana Tomc aus der slowenischen Delegation wurden gerade zu Vizepräsidenten in der Fraktion gewählt. Wer eine herausgehobene Funktion in der Fraktion hat, müsse für die eigene Kandidatin stimmen, hört man. Zudem baut die Fraktionsführung Druck auf. Jeder wisse, was auf dem Spiel steht, ein Fehlen am Donnerstag werde Folgen haben, heißt es. Eine Probeabstimmung ist nicht geplant.
Für die deutschen Sozialdemokraten muss von der Leyen noch nachsitzen. In einer dreistündigen Anhörung mit der S&D-Fraktion habe sich die CDU-Politikerin “nicht ins Aus geschossen, aber sie ist noch nicht am Ziel”, sagte der Chef der SPD-Gruppe, René Repasi, am Mittwoch in Brüssel. Seine Fraktion habe noch etliche Fragen und wolle auf schriftliche Antworten warten, bevor sie sich endgültig festlege.
Als Beispiele nannte Repasi einen “Green Deal mit rotem Herz” und den sozialen Wohnungsbau. Beides müsse im Arbeitsprogramm von der Leyens verankert werden. Zudem müsse sie einsehen, dass eine “Dreier-Kombi” mit EVP, S&D und Renew nicht für die Wiederwahl ausreiche, und dass sie auf grüne Stimmen angewiesen sei.
Bisher erklären sich noch nicht alle deutschen Sozialdemokraten bereit, für von der Leyen zu stimmen. 2019 hatte kein deutscher Sozialdemokrat für sie gestimmt, diesmal dürfte die Ja-Stimmen deutlich überwiegen. Aber: Vor allem bei Linken und Gewerkschaftern gibt es Vorbehalte.
Auf der Kippe steht es nach Einschätzung der SPD auch bei den französischen Sozialisten. Sie könnten gegen von der Leyen stimmen, wenn Staatspräsident Emmanuel Macron – ein Unterstützer von der Leyens der ersten Stunde – die französische Linke von der Regierungsbildung in Paris ausschließt. Die Stimmung bei den französischen Genossen sei angespannt, hieß es. So sei der sozialistische Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann vollauf mit Sondierungen in Paris beschäftigt. Deshalb habe er noch nicht an den Vorbereitungen für die Wahl der Kommissionschefin teilgenommen.
Dennoch gelten die Liberalen als das größere Sorgenkind. Vor allem die fünf irischen Abgeordneten von Fianna Fáil drohen mit Nein. In der Fraktionssitzung konfrontierten Abgeordnete von der Leyen mit vielen kritischen Fragen. So bohrten sie mehrfach nach, ob von der Leyen mit den Rechtsaußen im Parlament zusammenarbeiten wolle, was diese schließlich verneinte, und forderten Zusagen, beim Rechtsstaatlichkeitsmechanismus ernst zu machen. Von der Leyen habe sich Zeit genommen für die Fragen, sei aber bei Rechtsstaatlichkeit und Bürokratieabbau kaum konkret geworden, hieß es.
Wenn sich die drei Mitte-Fraktionen auf eine gemeinsame Plattform einigen, dürften auch die meisten der 77 Renew-Abgeordneten für von der Leyen stimmen. Wie viele es am Ende werden, ist aber noch offen. Die Liberalen versuchen noch, Forderungen wie einen Vollausschuss für Verteidigung durchzusetzen, der von einer der ihren geleitet werden soll.
Einige Abgeordnete lehnen von der Leyen wiederum aus prinzipiellen Gründen ab, etwa wegen ihrer Gaza-Politik. Im Hintergrund übt Kaja Kallas, die im Posten-Poker für die liberale Parteienfamilie den Job der Außenbeauftragten bekam, Druck auf mögliche Abweichler aus, ist zu hören. Die Iren sollten auch daran denken, dass ihr Kandidat für die Kommission im Ausschuss durchfallen könnte.
Die Rolle der Grünen bei der Wahl von der Leyens ist am schwersten einzuschätzen. 2019 waren sie nicht Teil der informellen Koalition, und dennoch habe einige Abgeordnete für sie gestimmt. Diesmal gibt es Absprachen. Das lässt vermuten, dass jetzt ein höherer Anteil der Fraktion mit Ja stimmt.
Die Grünen haben ihre Forderungen an von der Leyen schon deutlich gemacht. Jetzt heißt es, sie warten ab, welche Leitlinien für die Wahlperiode von der Leyen vorlege. Wenn sich grüne Forderungen da wiederfänden, sei mit hoher Zustimmung zu rechnen. Die Grünen erwarten von der Kandidatin das Signal, dass die Fraktion Teil der informellen Koalition werden soll.
2019 haben der Fidesz, damals fraktionslos, sowie Teile der EKR-Fraktion für von der Leyen gestimmt und vermutlich maßgeblich zu ihrer Wahl beigetragen. Diesmal dürfte die Zahl der Ja-Stimmen aus der EKR-Fraktion geringer ausfallen. Ausgeschlossen ist aber nicht, dass EKR-Abgeordnete für von der Leyen stimmen.
Giorgia Meloni, die Chefin der konservativen Parteienfamilie EKR, hatte sich beim EU-Gipfel bei der Abstimmung zu von der Leyens Kandidatur enthalten. Das lässt den Weg offen für EKR-Abgeordnete.
Die europäischen Nato-Länder nehmen in dem Verteidigungsbündnis eine zunehmend wichtigere Rolle ein. “Kopernikanische Revolution” nannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner Abschlusspressekonferenz am Donnerstag die Zustimmung für sein Konzept des europäischen Nato-Pfeilers in der Allianz.
Viel wurde über Geld gesprochen, die Ukraine-Hilfen, Donald Trump, Joe Bidens Fitness – weniger über die militärischen Veränderungen. “Wir sind gerade wirklich dabei – ohne viel darüber zu sprechen – eine Nato zu schaffen, die fähiger, reaktiver und europäischer wird”, sagt Camille Grand vom European Council on Foreign Relations (ECFR) und früherer stellvertretender Nato-Generalsekretär zu Table.Briefings.
Die Nato-Pläne, 300.000 Soldaten in hoher Bereitschaft zu halten, von denen die meisten Europäer sind, sei “schon eine starke Veränderung”, so Grand. Wie die europäischen Nato-Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöht haben, sei “enorm”. Der Politikberater sieht in der EU einen aktiver werdenden Akteur, der mehr Geld – “meiner Meinung nach noch nicht genug” – für Entwicklungen zur Verfügung stelle. Das diene auch Nato-Interessen.
Nicht alle sehen das so. Bei den US-Republikanern will man ein Europa, das mehr Geld für Verteidigung ausgibt. Die Mittel sollen aber am besten in die USA fließen, der konservative Kommentator Nile Gardiner sagte, dass Macrons strategische Autonomie “Gift” für die Nato sei.
Den Nato-Gipfel wollte US-Präsident Joe Biden auch aus innenpolitischen Gründen zu einem Erfolg machen. “Insbesondere in den USA haben wir es mit einer Domestizierung von Außen- und Sicherheitspolitik zu tun”, sagt Michael Werz von der Münchner Sicherheitskonferenz und vom Demokraten-nahen Thinktank Center for American Progress. Deshalb sei es für Joe Biden wichtig, “diesen Nato-Gipfel zu einem Erfolg zu machen, weil die Bedeutung der Nato innerhalb der Vereinigten Staaten begründet werden muss”.
Überschattet wurde der Abschlusstag des Gipfels von Bidens wackeligen Performance. Am Donnerstagabend kündigte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als “President Putin” an, korrigierte sich nach einem Moment dann aber selbst. Unter den US-Demokraten verliert er zunehmend an Rückendeckung. Aber auch in den Abschlusspressekonferenzen ausländischer Politiker kan es zu Fragen, wie sie Bidens Gesundheitszustand wahrnähmen. Abgesehen vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der sich laut mehreren Medienberichten nach dem Gipfel mit Donald Trump treffen wollte, dürften sich die wenigsten europäischen Staatschefs eine Wiederwahl des republikanischen US-Präsidenten wünschen.
Schon gar nicht Deutschland. Berlins Standing in den USA ist gut wie lange nicht. “Im Weißen Haus steht zwischen Europa und Berlin ein Äquivalenzzeichen. Die deutschen Leistungen werden wahrgenommen”, sagt Werz. Das betonte auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der zum Abschluss sagte, er habe in den Tagen des Gipfels “viel Anerkennung” für Deutschlands Rolle im Bündnis erlebt. Härter geht man in den USA mit Frankreich ins Gericht, das bei der Ukraine-Unterstützung weit hinter Deutschland steht.
Nur ob die Nato den Fokus in den Indopazifik verlagert, ist nicht ganz klar geworden. Was in Europa passiere, sei für Asien relevant und umgekehrt, sagte Generalsekretär Stoltenberg zum Abschluss. des Gipfels Macron betonte, die verstärkte Kooperation mit Ländern im Indopazifik werde “auf keinen Fall” aus der Nato eine Verteidigungsallianz machen, die Truppen in die Region entsenden müsse. Trotz der deutlichen Worte in Richtung China in der Abschlusserklärung der Nato-Staaten bleiben Fragezeichen über die Rolle Europas im Indopazifik. “Die Amerikaner sagen nicht klar, was sie von den Europäern erwarten”, so Grand. “Sie sagen, dass die Europäer sich mehr Sorgen wegen China machen sollen, aber sie sagen nicht, ob sie konkrete Hilfe im Indopazifik brauchen, oder ein verstärktes Engagement in Europa, um den Amerikanern dort den Rücken freizuhalten.”
15.07.-16.07.2024
Informelle Ministertagung Energie
Themen: Aussprache zur Dekarbonisierung des Energiesystems (Rolle der geothermischen Energie, Umsetzung des energiepolitischen Rahmens 2030, Rolle der nationalen Energie- und Klimapläne, ein widerstandsfähiges, flexibles und integriertes Elektrizitätssystem, Beitrag des Energiesektors zum neuen Wettbewerbsabkommen). Infos
15.07.2024
Treffen des Assoziationsrates EU-Jordanien
Themen: Erörterung der bilateralen Beziehungen (mit Schwerpunkt auf der Umsetzung des Assoziationsabkommens und der neuen Partnerschaftsprioritäten EU-Jordanien, 2021-2027), Erörterung politischer Fragen (insbesondere regionale und internationale Themen). Infos
15.07.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Vorstellung des Arbeitsprogramms des Vorsitzes, Gedankenaustausch zu handelsbezogenen Agrarfragen, Gedankenaustausch zur Lebensfähigkeit ländlicher Gebiete (Generationswechsel und demografische Aspekte). Vorläufige Tagesordnung
15.07.2024 – 15:00 Uhr
Euro-Gruppe
Themen: Finanzpolitischer Kurs des Euroraums, Arbeitsprogramm der Eurogruppe bis März 2025, Funktionsweise des WKM II. Vorläufige Tagesordnung
16.07.-19.07.2024
Erste Sitzungswoche der neuen Legislaturperiode des EU-Parlaments
Themen: Die Mitglieder des EU-Parlaments kommen zum ersten Mal in der neuen Legislaturperiode im Plenum zusammen. Infos
16.07.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz
Themen: Aussprache zum Europäischen Semester 2024 (Arbeitskräfte- und Qualifikationsdefizite in der EU), Aussprache zur sozialen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen auf EU- und nationaler Ebene. Vorläufige Tagesordnung
16.07.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Themen: Gedankenaustausch zu den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine, Billigung des Europäischen Semesters 2024, Gedankenaustausch zu den Konvergenzberichten der Kommission und der Europäischen Zentralbank. Vorläufige Tagesordnung
17.07.2024
EuGH-Urteil zum Zugang zu Verträgen über die Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen
Themen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet darüber, ob die Europäische Kommission der Öffentlichkeit Zugang zu Verträgen gewähren muss, die sie mit Pharmaunternehmen über den Kauf von Covid-19-Impfstoffen geschlossen hat. Klage
18.07.2024
Tagung der Europäischen Politischen Gemeinschaft
Themen: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Politischen Gemeinschaft kommen zu Beratungen zusammen. Infos
Apple gewährt Drittanbietern in den kommenden zehn Jahren Zugang zum mobilen Bezahlsystem auf seinen iPhones, das kontaktloses Bezahlen (Nahfeldkommunikation/NFC oder “tap and go”) ermöglicht. Die Kommission hat die Zusagen von Apple für rechtlich bindend erklärt. Damit sind die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission ausgeräumt und Apple entgeht einer hohen Kartellstrafe.
“Ab jetzt können andere Anbieter wirksam mit Apple Pay bei kontaktlosen Zahlungen per iPhone im Einzelhandel konkurrieren”, sagte Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager, zuständig für Wettbewerbspolitik. So hätten Verbraucher eine breitere Auswahl an sicheren und innovativen mobilen Geldbörsen zur Verfügung. Das sorge für Wettbewerb in diesem wichtigen Wirtschaftszweig.
Bisher kontrollierte Apple alle Teile seines Ökosystems auf dem iPhone, einschließlich des Zugangs zu mobilen Zahlungsanwendungen. So wollte Apple das System nach eigenen Angaben sicherer machen. Jedoch kritisierten Banken und andere Zahlungsabwickler schon lange, dass sie nicht an Apple vorbei auf den NFC-Chip zugreifen können. Die Kommission kam in ihrer bereits seit Juni 2020 laufenden Untersuchung zu dem vorläufigen Schluss, dass Apple seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, indem es konkurrierenden Entwicklern den Zugang zu Apple Pay verweigerte.
Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, hatte Apple Zugeständnisse gemacht. Diese hatte die Kommission Anfang dieses Jahres einem Markttest unterzogen. Dritte konnten ihre Meinung dazu äußern. Angesichts der Ergebnisse musste Apple nachlegen.
Die angepassten Verpflichtungen umfassen nun unter anderem:
Die Verpflichtungen bleiben zehn Jahre lang in Kraft. Ihre Umsetzung überwacht ein von Apple benannter Treuhänder, der der Kommission über den gesamten Zeitraum hinweg Bericht erstattet.
Die Computer and Communications Industry Association (CCIA Europe) begrüßte die Entscheidung der Kommission. Sie setze einen positiven Präzedenzfall, um Kohärenz zwischen Kartellfällen und dem Digital Markets Act (DMA) sicherzustellen. Es sei wichtig, dass Unternehmen nicht mit unterschiedlichen Lösungen für dasselbe Problem nach dem DMA und dem Wettbewerbsrecht konfrontiert würden.
“Zukünftige parallele Durchsetzungen des DMA und des Wettbewerbsrechts müssen koordiniert werden, um sicherzustellen, dass Unternehmen nicht zweimal für dasselbe potenzielle Vergehen bestraft werden”, sagte Daniel Friedlaender, Senior Vice President von CCIA Europe. vis
Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sollen Aluminium-Produkte aus Xinjiang in das geplante EU-Warenregister zur Einschätzung des Zwangsarbeitsrisikos aufgenommen werden.
Das Register ist Teil der EU-Verordnung zu Produkten aus Zwangsarbeit. Damit diese eine konkrete Auswirkung auf staatlich verordnete Zwangsarbeit in China habe, sei die Aufnahme von Xinjiang und des Aluminiumsektors in die Datenbank von entscheidender Bedeutung, erklärte HRW in einer Mitteilung. Die Organisation empfiehlt insgesamt 17 Branchen von Kleidungs- bis Spielzeug-Produktion in der Region Xinjiang, die in das EU-Register aufgenommen werden sollten.
Die EU würde damit den USA folgen, die Aluminium in der Gesetzgebung zum Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) ergänzt haben, sagte Alejandro Mayorkas, US-Minister für Innere Sicherheit, in einem Gespräch mit dem US-Thinktank CSIS. Demnach umfasst der UFLPA auch Meeresfrüchte und PVC.
Die geplante EU-Verordnung soll Verbraucher daran hindern, Waren zu kaufen, die unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden. In der Online-Datenbank sollen bestimmte geografische Gebiete und Sektoren veröffentlicht werden, in denen das Risiko von Zwangsarbeit besteht, auch von staatlicher Seite. Die Datenbank soll ab 2026 verfügbar sein. Die Verordnung soll dann Ende 2027 in Kraft treten. ari
Die Migration in die Länder der EU hat deren Bevölkerungszahl im Jahr 2023 wachsen lassen. Nach Rückgängen in den Jahren 2020 und 2021 infolge der Corona-Pandemie stieg sie im Laufe des vorigen Jahres zum zweiten Jahr in Folge – und zwar auf 449,2 von 447,6 Millionen im Jahr 2022. Wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Daten des EU-Statistikamts Eurostat weiter hervorgeht, war die Migration dabei ausschlaggebend, da die Sterbefälle die Zahl der Geburten in der Gemeinschaft der 27 Länder von Portugal bis Zypern überstieg.
Die Nettozuwanderung umfasse insbesondere die Ankunft von Vertriebenen aus der Ukraine, die vor dem von Russland ausgelösten Krieg flohen, hießt es von Eurostat. Aufgrund der sinkenden Geburtenrate in Europa ist die sogenannte “natürliche” Komponente der Bevölkerungszahl – Geburten abzüglich Todesfälle – seit 2012 negativ oder stagniert. Dies hat in Verbindung mit einer alternden Bevölkerung in vielen Staaten zu Sorgen über einen Mangel an Arbeitskräften und die zukünftige Finanzierung des Sozialstaats geführt. rtr
Für den kommenden Sonntag wird die olympische Flamme im Palais Bourbon erwartet, dem stolzen Sitz der Nationalversammlung am Ufer der Seine. Es war geplant, dass die Präsidentin oder der Präsident des Parlaments die Flamme entgegennimmt. Doch dazu wird es nicht kommen – denn noch ist gar nicht klar, wer dieses Amt bekleiden wird. Erst am 18. Juli wählen die französischen Abgeordneten den Vorsitz ihres Parlaments. An diesem Tag werden auch die verschiedenen Fraktionen in der Nationalversammlung offiziell bekannt gegeben. Derzeit ringen die Fraktionen noch um ihre Zusammensetzung.
Dieses institutionelle Vakuum wenige Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele ist ein treffendes Beispiel für die politische Verwirrung, die derzeit in Frankreich herrscht. Die Regierungsbildung erweist sich als ausgesprochen schwierig. Momentan wird die politische Landschaft Frankreichs von einem Klein-Klein öffentlicher Äußerungen und Reaktionen ebenso wie von zahlreichen Treffen und informellen Abendessen bestimmt, bei denen Deals gemacht und wieder aufgekündigt werden.
Frankreichs Politik ist in Aufruhr, “niemand weiß wirklich, wohin wir im Moment gehen“, sagt eine neu gewählte Parlamentarierin zu Table.Briefings. “Macron wollte mit diesen Wahlen für Klarheit sorgen, doch es passiert genau das Gegenteil.” Dieses Gefühl der Frustration dürften nahezu alle Parteien teilen, unabhängig vom politischen Lager. Es wird gemunkelt, dass die Beziehung zwischen Premierminister Gabriel Attal und Präsident Macron seit der Ankündigung der Auflösung der Nationalversammlung miserabel ist.
Gerade das Lager von Macron zeigt nicht mehr die Einheit, die vor der Auflösung noch bestand. Der Präsident drängt darauf, dass Innenminister Gérald Darmanin den noch amtierenden Attal ersetzen soll. Der Plan ist, dass Darmanin die Führung einer Koalitionsregierung zwischen Zentrum und den rechtskonservativen Republikanern übernimmt. Diesen Plan lehnen jedoch linksgerichtete Abgeordnete aus dem Macron-Lager ab. Darmanin ist der große Rivale von Attal, der bei den macronistischen Abgeordneten weiterhin beliebt ist.
Es wird noch komplizierter. Das hinter der Nouveau Front Populaire versammelte Linksbündnis kann sich nicht auf die Wahl ihres Kandidaten für das Amt des Premierministers einigen. “Wir brauchen viel zu viel Zeit”, sagte die grüne Abgeordnete Sandrine Rousseau am Donnerstagmorgen im französischen Radio. Denn es sei dringend notwendig, dass die NFP ihren Kandidaten so schnell wie möglich nominiert. So kann das Bündnis Druck auf Macron ausüben, damit er eine linke Regierung akzeptiert – was er auf keinen Fall will.
So geht es auf der rechten Seite weiter. Die konservativen Republikaner spalten sich inzwischen auf in Ciotti-Befürworter und Ciotti–Gegner. Éric Ciotti ist der Vorsitzende von Les Républicains, der sich vor der Wahl für ein Bündnis mit dem Rassemblement National entschieden hatte. Mit dieser Entscheidung löste er Entsetzen in der Partei aus. Das Ergebnis: Der Republikaner Laurent Wauquiez wurde Vorsitzender der neuen rechten Fraktion La Droite républicaine, in der sich die Ciotti–Gegner versammelt haben. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er der nächste Präsident der französischen Republik werden möchte.
Denn darum geht es jetzt: Die neue politische Konstellation wird entscheidend sein, um die Zeit nach Macron im Jahr 2027 vorzubereiten. Doch momentan sind die Parteien vor allem mit sich selbst beschäftigt.