Table.Briefing: Europe

Weg frei für Asylpakt + Fall Pieper + Neue Sitzordnung

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute treffen sich die EU-Finanzminister zur monatlichen Eurogruppen- und ECOFIN-Sitzung in Luxemburg. Das heißt, es treffen sich jene Minister, die sich den Weg nach Luxemburg antun wollen. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire und der Niederländer Steven van Weyenberg lassen das Treffen zum Beispiel sausen.

Nachdem die EU-Finanzminister im März ihre Hausaufgaben in Form eines Arbeitsplans zur Kapitalmarktunion an ihre Chefs abgegeben haben, können sie durchatmen – bis die Regierungschefs beim EU-Gipfel nächste Woche neue Ziele zur Schaffung der Kapitalmarktunion formulieren. Dann wird es für die Finanzminister im Eiltempo vorangehen, wenn die Ambitionen im Entwurf der Gipfelschlussfolgerungen tatsächlich umgesetzt werden sollen.

Vorerst aufatmen kann auch der Eurogruppenpräsident Paschal Donohoe. Seit der irische Premierminister Leo Varadkar im März überraschend zurückgetreten war, galt sein Verbleib in der irischen Regierung als unsicher. Gestern wurde er jedoch im neuen Kabinett unter Simon Harris bestätigt.

Statt über die Kapitalmarktunion werden die Finanzminister, beziehungsweise ihre Stellvertreter, zum ersten Mal seit über einem halben Jahr wieder über das Projekt des digitalen Euros sprechen. Am Freitag beim Frühstück diskutieren sie dann in vertraulicher Runde über die Strategie der Europäischen Investitionsbank.

Die neue EIB-Präsidentin Nadia Calviño wird dort ihre Pläne konkretisieren und sich zugleich mit weitreichenden Wünschen der Finanzminister konfrontiert sehen, insbesondere bei der Finanzierung im Verteidigungsbereich. Auch Berlin erwartet von der EU-Förderbank mehr Offenheit für Finanzierungen im Dual-Use-Bereich, warnt aber vor übertriebenen Erwartungen. Ebenfalls für Diskussionen sorgen dürfte die Frage, ob der Rahmen für die Verschuldung der EIB (Gearing Ratio) vergrößert werden sollte, um der Bank ohne Kapitalerhöhung mehr Spielraum für Finanzierungen zu geben.

Genießen Sie Ihren Tag mit der einen oder anderen Verschnaufpause,

Ihr
János Allenbach-Ammann
Bild von János  Allenbach-Ammann

Analyse

EU-Parlament bringt Migrationspaket auf den Weg

Nach achtjährigen, ungewöhnlich schwierigen Beratungen hat das Europaparlament am Mittwoch in Brüssel den Migrations- und Asylpakt verabschiedet. Die sogenannte GEAS-Reform, die aus zehn Regulierungen besteht, soll die irreguläre Einwanderung in die EU begrenzen und die Lasten solidarischer auf die Mitgliedsländer verteilen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Entscheidung einen “großen und sehr wichtigen Erfolg”. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem “historischen, unverzichtbaren Schritt”. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl nannte das Ergebnis dagegen “einen historischen Tiefpunkt für den Flüchtlingsschutz in Europa”.

Grünen-Abgeordnete stimmen dagegen

Für die zentrale Verordnung zum Asyl- und Migrationsmanagement stimmten 322 Abgeordnete, bei 266 Nein-Stimmen und 31 Enthaltungen. Andere Regulierungen erhielten weniger Stimmen. Anders als befürchtet, fiel jedoch keine durch. Die deutschen Grünen im Parlament stellten sich gegen die Reform und damit auch gegen die Ampel-Regierung und ihre eigenen Minister in Berlin.

Kernpunkt des Pakets sind die neuen Grenzverfahren. Nicht asylberechtigte Migranten sollen künftig in Nähe der EU-Außengrenzen festgehalten und von dort aus direkt abgeschoben werden. Anders als von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gefordert, werden auch Familien mit Kindern durch diese Verfahren gehen. Allerdings sollen sie rücksichtsvoll behandelt werden.

30.000 Migranten sollen umverteilt werden

Eine weitere Verschärfung bringt die Krisenverordnung. Wenn besonders viele Menschen in die EU kommen, können diese bis zu 18 statt normalerweise maximal zwölf Wochen festgehalten werden. Wenn die EU meint, dass die Migranten “instrumentalisiert” werden (etwa von der Türkei oder Russland), müssen sie sofort ins Lager. Immerhin soll es Rechtsbeihilfe und Widerspruchsmöglichkeiten geben.

Die EU plant auch einen neuen Solidaritätsmechanismus. Damit will sie jährlich mindestens 30.000 Migranten aus Italien oder Griechenland auf die Union umverteilen. Wer keine Menschen aufnehmen will, kann sich mit einer Zahlung von 20.000 Euro pro Person freikaufen.

“Jetzt Handlungsfähigkeit beweisen”

Ungarn und Polen lehnen dies jedoch ab. Beide Länder hatten sich bereits während der Verhandlungen von der GEAS-Reform distanziert. Dennoch soll sie nun – als finaler Schritt des Gesetzgebungsverfahrens – vom Rat verabschiedet werden. Wenn alles glattgeht, kann das Paket Mitte 2026 in Kraft treten – also lange nach der Europawahl.

Dennoch gilt die Entscheidung des EU-Parlaments als wichtiges Zeichen vor der Wahl im Juni. “Es ist an Europa, jetzt Handlungsfähigkeit zu beweisen”, hatte Baerbock vor dem finalen Votum an die Abgeordneten appelliert. Die EU müsse zeigen, dass sie Antworten auf die Migrations- und Asylkrise hat.

Thema im Wahlkampf

Dahinter steht die Sorge vor einem Rechtsruck bei der Europawahl. Alle Umfragen und Prognosen deuten auf Stimmengewinne für die AfD und andere rechtspopulistische und nationalistische Parteien hin. In Frankreich könnten die Nationalisten sogar zur stärksten Partei werden. Sie mobilisieren die Wähler vor allem mit der Migrationskrise und der Angst vor “Überfremdung” und “Asylmissbrauch”.

Daran dürfte sich allerdings auch nach der Reform nichts ändern. Die AfD hält sie für völlig unzureichend. “Der Migrationspakt wird die Masseneinwanderung nach Europa nicht stoppen, denn nach wie vor erhält jeder, der es an eine EU-Außengrenze schafft, ein Asylverfahren”, erklärte der AfD-Abgeordnete Nicolaus Fest. Illegale Migration solle künftig gesteuert werden, so Fest. “Wir wollen aber keine Steuerung illegaler Migration, sondern ihr Ende.”

“Neue Solidarität unter den Mitgliedstaaten großer Erfolg”

Völlig anders argumentieren Politiker, die an den Verhandlungen zur GEAS-Reform beteiligt waren. “Mit der Einigung erzielen wir auch einen Triumph europäischer Werte über politische Stagnation und Boykott”, erklärte Lena Düpont (CDU), innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe. Das Votum sei “historisch” und ein “Meilenstein” für ein gemeinsames europäisches Asylsystem.

Weniger zufrieden klingt Birgit Sippel (SPD). “Bis zuletzt haben wir uns gegen die Gefahr von unverhältnismäßiger Inhaftierung in den Grenzverfahren eingesetzt. Aufgrund der mangelnden Kompromissbereitschaft der Mitgliedstaaten konnten wir uns damit aber nicht durchsetzen. Allerdings haben wir einen verpflichtenden Solidaritätsmechanismus durchgesetzt.”

“Die Gegenstimmen sind mehr als verwunderlich”, erklärte der migrationspolitische Sprecher der FDP, Jan-Christoph Oetjen. “Nichts zu ändern, ist schlichtweg keine Option. Wir brauchen den europäischen Ansatz.” Deshalb sei die neue Solidarität unter den Mitgliedstaaten ein großer Erfolg. “Wer das nicht verstehen will, betreibt Realitätsverweigerung.”

Kritik an Abkommen mit Drittstaaten

Allerdings bleibt abzuwarten, wie weit der europäische Ansatz trägt. Ungarn und Polen haben angekündigt, den Solidaritätsmechanismus nicht umsetzen zu wollen. Italien will einen Teil der Asylverfahren nach Albanien auslagern. Zudem hat die EU-Kommission bereits Abkommen mit autoritären Drittstaaten wie Tunesien, Ägypten oder Mauretanien abgeschlossen, die nach Ansicht des Europaparlaments dem Geist des neuen Asylpakts widersprechen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht darin kein Problem. “Der Pakt schafft das richtige Gleichgewicht zwischen strengeren Regeln gegen den Missbrauch des Systems und der Fürsorge für die Schwächsten”, erklärte sie nach dem Parlamentsvotum. Auf die Kritik an ihren milliardenschweren Abkommen mit Drittstaaten ging sie nicht ein.

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Termine

12.04.2024 – 15:45-16:45, Berlin/online
DGAP, Diskussion Ökonomie der Nachhaltigkeit
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diskutiert mit dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir und weiteren Gästen wie technologische und agrarökologische Innovationen die Landwirtschaft nachhaltig transformieren können.
INFOS & ANMELDUNG

15.04.2024 – 15:00-17:00 Uhr, online
ERCST, Presentation ETS review of Carbon Leakage Risks for CBAM Export Goods
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) will present a paper on the topic of the carbon leakage risk for goods subject to CBAM and produced in the EU for export related to the review under the ETS of 2024.  INFO & REGISTRATION

15.04.2024 – 18:00 Uhr, Berlin
Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Symposium Künstliche Intelligenz in der Biotechnologie – Chancen und Risiken
Bei der Auftaktveranstaltung zu den Deutschen Biotechnologietagen diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus der Landespolitik über aktuelle Trends, gefolgt von Vorträgen aus der Wissenschaft. INFOS

16.04.-18.04.2024, Brüssel (Belgien)
FEPS, Roundtable Progressive visions for the future of EU enlargement
The Foundation for European Progressive Studies (FEPS) will host a discussion on the future of EU enlargement policy and different reform proposals between experts, members of the European Parliament and politicians from all candidate countries. INFO

16.04.-18.04.2024 – Dakar (Senegal)
EUI, Seminar Decarbonisation, gases and LNG (LNGnet)
This European University Institute (EUI) course addresses experts from Southern and Eastern Africa and South Asia and will cover topics including natural gas market models and regulation, decarbonisation policies in the EU and the role of natural gas and LNG towards decarbonisation. INFO

16.04.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar A Roadmap to Corporate Sustainability – Introducing Product Carbon Footprint, a Pathway towards Product Sustainability
The Technical Inspection Association (TÜV) explains why and how organisations should develop product carbon footsprints. INFO & REGISTRATION

16.04.2024 – 12:00-17:00 Uhr, Frankfurt
Eco, Konferenz Resilienzempfehlungen im Kontext kommunaler Netzinfrastrukturen
Die Veranstaltung bietet Stadtwerken und kommunalen Netzbetreibern praktische Einblicke und Empfehlungen für die Umsetzung von Resilienzmaßnahmen und das Risikomanagement zum Schutz kritischer Infrastrukturen in der Energieversorgung. INFOS & ANMELDUNG

16.04.2024 – 12:30-13:15 Uhr, online
RLS, Seminar Die Asyl- und Migrationspolitik der EU
Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe im Vorfeld der Europa-Wahl widmet sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. INFOS

16.04.2024 – 14:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Digital Europe, Discussion Technology and Ukraine: Lessons from the Front Line
Different speakers from Ukrainian political institutions, the European Commission and Parliament will share their perspectives on what the EU can learn about digital transformation from Ukraine and its use of technology for defense against Russia. INFO & REGISTRATION

16.04.2024 – 14:30 Uhr, online
Eurogas, Workshop EU Methane Regulation – How operators and stakeholders along the value chain can implement it?
As part of a workshop series on the implementation of the EU Methane Regulation, this event will focus on Monitoring, Reporting and Verification. It will feature a presentation by the European Commission and a discussion with industry experts. INFO & REGISTRATION

16.04.2024 – 14:30-15:30 Uhr, online
HBS, Seminar How platforms are responding to EU regulations to prevent climate disinformation
Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) invites an expert from Climate Action Against Disinformation who will share insights on how platforms have responded to the EU regulations to prevent climate disinformation. INFO & REGISTRATION

16.04.2024 – 18:00-20:00 Uhr, Berlin
RLS, Diskussion Energiepartnerschaften auf Augenhöhe? Gefahren und Chancen der Energieaußenpolitik
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) nimmt Energiepartnerschaften zwischen Deutschland/Europa und afrikanischen Ländern unter die Lupe und diskutiert, wie diese gleichsam gewinnbringend für beide Seiten gestalten werden können. INFOS

16.04.2024 – 18:00-19:30 Uhr, München
DGAP, Podiumsdiskussion Zeitenwende vor deiner Haustür – Wie Deutschland geostrategische Herausforderungen meistern kann
Bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) debattieren Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Forschung über den Stand der Zeitenwende und die konkreten Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung.   INFOS & ANMELDUNG

News

Rebellion der Kommissare im Fall Pieper verpufft

Eine Stunde lang diskutierte das College der EU-Kommission am Mittwoch über den Fall Markus Pieper, doch die Debatte verlief dem Vernehmen nach weniger kontrovers als erwartet. Industriekommissar Thierry Breton und der Außenbeauftragte Josep Borrell seien die einzigen im Kreis der Kommissare gewesen, die sich kritisch zu der Personalie und den Umständen der Ernennung äußerten, hieß es in Kommissionskreisen.

Zwei der vier Kommissare, die Kritik an der Berufung zum KMU-Beauftragten der Kommission geübt hatten, waren gar nicht anwesend: Nicolas Schmit (Soziales) und Paolo Gentiloni (Finanzen) hätten wegen Dienstreisen nicht an der Sitzung teilgenommen, hieß es. Die vier Kommissare hatten Präsidentin Ursula von der Leyen zuvor in zwei Schreiben aufgefordert, die Fragen zum Auswahlverfahren für den neuen KMU-Beauftragten und die mangelnde Einbindung der Kommissare auf die Agenda des College zu setzen.

EVP-Kommissare verteidigen von der Leyen

Breton und Borrell ernteten in der Sitzung dem Vernehmen nach einhellige Kritik von mehreren Kommissaren, die wie von der Leyen der christdemokratischen Parteienfamilie EVP angehören. Sie verteidigten die Entscheidung für Pieper und kritisierten, dass Interna der Kommission in die Öffentlichkeit getragen worden seien.

Auch der Sozialdemokrat Maroš Šefčovič, exekutiver Vize-Präsident der Kommission und ehemaliger Kommissar für Personal, bemängelte demnach die Durchstechereien. Die Sozialdemokratin Elisa Ferreira (Kohäsion) soll dies ebenfalls angesprochen und zudem darum gebeten haben, das College im Vorfeld besser einzubinden in anstehende Personalien.

Keine Rückendeckung für Breton

Von anderen Kommissaren der liberalen Parteienfamilie habe Breton keine Unterstützung erhalten, hieß es in den Kreisen. Breton soll dem Vorwurf widersprochen haben, Interna herausgetragen zu haben. Er habe nur im College die mangelnde Einbindung der Kommissare bei der Entscheidung deutlich gemacht.

Zwischen dem zuständigen Haushaltskommissar Johannes Hahn und Breton wird derzeit noch das Antwortschreiben der Kommission an die Gruppe der Abgeordneten mehrerer Fraktionen verhandelt, die sich mit Kritik an der Berufung an die Kommission gewendet hatten. Im Europaparlament kam der Fall Pieper Mittwochabend auch zur Sprache. Am Donnerstag stimmt das Plenum über eine Rüge der Kommission im Fall Pieper ab. Es wird damit gerechnet, dass der Antrag eine breite Mehrheit erhält. Die Rüge hätte keine rechtlichen Konsequenzen.

An der Personalie ändert sich indessen nichts. Der Abgeordnete Pieper (CDU) wechselt zum 16. April als KMU-Beauftragter in die Kommission. tho/mgr

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Im neuen Europaparlament sitzen die Abgeordneten vorn

In der nächsten Wahlperiode haben die Abgeordneten keine festen Sitzplätze mehr. Sie sind vielmehr gehalten, die ersten Reihen im Plenum zu besetzen.  Diese Regelung ist Teil der Reform der Geschäftsordnung des Europaparlaments unter dem Titel “Parlament 2024”, die am Mittwoch im Plenum beschlossen wurde,.

Damit werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe umgesetzt, die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola unter der Führung von Vize-Parlamentspräsident Rainer Wieland Anfang 2023 eingesetzt hatte. Die Reform soll dafür sorgen, dass das Europaparlament handlungsfähiger wird. So soll etwa ein Ad-hoc-Ausschuss gebildet werden, sobald ein Gesetzgebungsverfahren in den Zuständigkeitsbereich von mehr als drei Ausschüssen fällt. Außerdem sollen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Ausschüssen mit neuen Regeln schneller beigelegt werden. Die Anhörungen der Kandidaten für die Kommission im Europaparlament werden ebenfalls neu geregelt. Wenn etwa ein Kandidat von zwei oder mehr Ausschüssen angehört wird, dann sollen die Bewertungssitzungen gemeinsam stattfinden. mgr

  • Europäisches Parlament
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EU-Klimaziel 2040: Reindustrialisierung allein könnte Kosten decken

Ein reindustrialisiertes Europa könne 1,6 Millionen Arbeitsplätze in Netto-Null-Industrien bis 2030 schaffen, und insgesamt zwei Millionen Jobs bis 2040. Das geht aus einer heute veröffentlichten Untersuchung des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives hervor. Die Autoren fordern die EU-Mitgliedstaaten auf, eine europäische Industriestrategie in ihrem Fahrplan für die nächsten fünf Jahre zu erstellen.

Die sogenannte Strategische Agenda der EU-Staaten ist eines der wichtigsten Gesprächsthemen beim Sondergipfel des Europäischen Rates kommende Woche. Beschlossen werden soll sie beim nächsten turnusmäßigen EU-Gipfel Ende Juni. Erste Entwürfe zeigen, dass der Schwerpunkt der Strategischen Agenda 2024-2029 auf Wettbewerbsfähigkeit und Industrialisierung liegt.

Neben neuen Arbeitsplätzen habe eine neue Industriestrategie laut den Autoren das Potenzial:

  • Die Energiesicherheit zu erhöhen, indem 856 Milliarden Euro zwischen 2025 und 2040 bei Gas-, Öl- und Kohleimporten eingespart werden.
  • Lebenshaltungskosten für Haushalte zu reduzieren, indem Energierechnungen bis 20235 um zwei Drittel gesenkt werden.
  • Technologie- und Materialimporte in Höhe von mindestens 133 Milliarden Euro einzusparen.
  • 233 Milliarden Euro neue Wirtschaftstätigkeiten in Industriesektoren zu schaffen und die Produktivität der Wirtschaft zu steigern.

2040er-Klimaziel kostet 668 Milliarden Euro

Die nötigen Investitionen zum Erreichen eines CO₂-Reduktionsziels von 90 Prozent bis 2040 – rund 668 Milliarden Euro – würden somit “durch die großen Vorteile für die europäische Wirtschaft bei weitem aufgewogen“, heißt es in der Studie. “Deindustrialisierung ist kein unausweichliches Schicksal für Europa”, betont Neil Makaroff, Direktor von Strategic Perspectives. Europa könne von einem grünen Verbraucher zu einem grünen Produzenten werden. “Wenn wir den Umstieg jetzt jedoch aufschieben, riskieren wir, grüne Arbeitsplätze und Investitionen an China und die USA zu verlieren”, so Makaroff.

Strategic Perspectives ist nicht die einzige Denkfabrik, die die Verknüpfung von Industriepolitik an einen Green Deal 2.0 fordert. Der Klima-Thinktank E3G kritisiert, dass Europas Antwort auf Investitionspläne aus den USA und China bislang kaum Wirkung gezeigt habe. Er fordert daher schnellere industriepolitische Entscheidungen, um private und öffentliche Investitionen besser bündeln zu können. Das gelte auch für ein ehrgeiziges und ambitioniertes EU-Klimaziel bis 2040. luk

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EU-Parlament gibt grünes Licht für Methanverordnung

Mit 530 Ja-Stimmen, 63 Nein-Stimmen und 28 Enthaltungen haben die Europaabgeordneten die neue Verordnung über Methan im Energiesektor angenommen. Die Einigung zielt darauf ab, das Ablassen von Methan zu verbieten und das Abfackeln stark einzuschränken.

In Zukunft müssten Lecks in Pipelines und undichte Ventile aufgespürt und repariert werden, sagte Co-Berichterstatterin Jutta Paulus (Grüne). Der Methanausstoß im Energiesektor könne mit einfachsten Mitteln kostenneutral gestoppt werden, “doch wie so oft braucht es erst ein Gesetz, damit endlich gehandelt wird”.

Der wichtigste Punkt der Einigung bleibe jedoch die schrittweise Ausdehnung der neuen Methanverordnung auf Importe fossiler Energieträger, so Paulus. “Rund 80 Prozent der damit assoziierten Emissionen entstehen außerhalb der EU. Damit ist die EU-Methanverordnung ein wichtiger Baustein zur Erreichung des EU-Klimaziels und des Global Methane Pledge”, sagte sie.

Die Verordnung sieht vor, dass Importeure ab 2025 Daten über Methanemissionen und Nachweise darüber sammeln müssen, ob und wie Nicht-EU-Länder und -Produzenten ihre Emissionen reduzieren. Im Jahr 2026 wird die Kommission eine Datenbank veröffentlichen, in der die Emissionen ausländischer Produzenten und die gesetzlichen Maßnahmen zur Leckagebekämpfung in den Exportländern offengelegt werden. Ab 2027 wird es für Importeure verbindlich sein, die gleichen Regeln zur Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung von Lecks einzuhalten wie europäische Hersteller. cst

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CO₂-Flottengrenzwerte Trucks: Parlament bestätigt politische Einigung

Das Europaparlament hat Mittwoch die politische Einigung bei CO₂-Flottengrenzwerten von schweren Nutzfahrzeugen angenommen. Ein Verbrenner-Aus gibt es bei Nutzfahrzeugen nicht. Der Ausstoß von CO₂ soll bis 2030 um 45 Prozent gesenkt werden, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 um 90 Prozent. Es gibt auch Regelungen für den CO₂-Ausstoß von Anhängern und Aufliegern. Der Versuch, den Kompromiss für klimaneutrale Kraftstoffe noch einmal aufzumachen, wurde abgelehnt. Die Kommission sicherte vor der Abstimmung zu, zeitnah einen Vorschlag für den Betrieb von Nutzfahrzeugen mit klimaneutralen Kraftstoffen vorzulegen.  mgr

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Forscher dringen auf Reform der EU-Innovationspolitik

Eine Gruppe namhafter Volkswirte kritisiert die Innovationspolitik der EU und dringt auf Reformen. “Die EU verliert den Wettlauf um Innovationen und damit wirtschaftliches Wohlergehen sowie regulatorischen und geopolitischen Einfluss”, sagte Nobelpreisträger Jean Tirole von der Toulouse School of Economics. Ihre völlige Abwesenheit in der Gruppe der Top-20-Tech-Unternehmen und der Top-20-Start-ups sei bedrohlich. Die EU gebe zu wenig für Forschung und Entwicklung aus und konzentriere sich auf “Mid-Tech-Branchen” wie die Automobilindustrie.

Um den aktuellen Trend umzukehren, sollte die EU viel mehr in “bahnbrechende Innovationen” investieren und Hightechprojekte mit geringer technologischer Reife unterstützen, empfehlen die Forscher. Die EU sollte laut Tirole zudem die politische Kontrolle über wissenschaftliche Entscheidungen verringern, mehr führende Wissenschaftler einbeziehen und diesen mehr Ermessensspielraum und Flexibilität einräumen.

Laut den Autoren, darunter Ifo-Chef Clemens Fuest, sollte der Europäische Innovationsrat (EIC) nach dem Vorbild der amerikanischen ARPA-Agenturen umgestaltet werden und mehr Wissenschaftler und weniger Beamte in den Ausschüssen sitzen. Im Vergleich zu den USA seien die Bewerbungs- und Auswahlverfahren in der EU extrem bürokratisch. rtr

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Deutschland ist Europameister für Subventionen

Seit 2022 sind die Schleusen der staatlichen Beihilfen in der EU geöffnet. Das neu veröffentlichte “State Aid Scoreboard” der Europäischen Kommission zeigt nun, dass Deutschland 2022 mehr staatliche Beihilfen an seine Unternehmen ausbezahlt hat, als alle anderen Mitgliedstaaten.

Zählt man die staatlichen Beihilfen aus dem normalen Regime, jene aus dem erleichterten temporären Covid-Regime und jene aus dem temporären Krisenrahmen (TCF) zusammen, gab die deutsche Regierung 2022 73,67 Milliarden Euro für Beihilfen aus. Das entspricht 32,9 Prozent der EU-weit ausgezahlten Beihilfen. Frankreich belegt mit 44,79 Milliarden Euro den zweiten Platz vor Italien.

Auch relativ zur Wirtschaftskraft liegt Deutschland bei der Subventionsrangliste weit vorne. Nur Ungarn hat 2022 im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft noch mehr Geld für staatliche Beihilfen ausgegeben.

Spannungen zwischen kleinen und großen Mitgliedstaaten

Die Statistik dürfte Ängste von kleineren Staaten bestätigen, die sich bei einem innereuropäischen Subventionswettlauf benachteiligt sehen. Erst kürzlich forderte eine Gruppe von kleineren und mittleren Mitgliedstaaten deshalb ein Ende des gelockerten Beihilferahmens, der aktuell bis Ende 2025 gilt.

Zu Beginn dieser Woche zeigten sich die Wirtschaftsminister der drei größten Volkswirtschaften aber wenig beeindruckt von diesen Klagen. In einem gemeinsamen Forderungskatalog argumentierten Robert Habeck, Bruno Le Maire und Adolfo Urso für eine Verlängerung des gelockerten Regimes. Das Thema dürfte auch am EU-Gipfel nächste Woche zu reden geben, wenn Enrico Letta seinen Bericht zur Zukunft des Binnenmarkts vorlegt. jaa

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EU erhebt hohe Anti-Dumpingzölle auf Flammenschutzmittel

Die EU hat vorläufige Anti-Dumping-Zölle auf bestimmte Alkylphosphatester aus China erhoben. Davon betroffene Phosphat-Zusammensetzungen kommen der Brüsseler Behörde zufolge vor allem als Flammschutzmittel in Hart- und Weichschaum zum Einsatz. Die vorläufig festgelegten Anti-Dumpingzölle sind bemerkenswert hoch: Sie liegen zwischen 45,1 Prozent und 68,4 Prozent. Der Entscheidung war eine Untersuchung der Einfuhren vorausgegangen. Die EU-Ermittler werden die Untersuchung fortsetzen, um festzustellen, ob die Zölle in fünf Jahren dann dauerhaft anfallen. 

Die EU-Kommission veröffentlichte am Mittwoch zudem einen aktualisierten Bericht über staatlich verursachte Verzerrungen in der chinesischen Wirtschaft. Das gut 700 Seiten starke Papier gilt als Handreichung an die EU-Industrie zur Erleichterung einer Beschwerde über Dumpingpraktiken.

Eine solche Handreichung gibt es bisher nur zu China. Die Ursprungsversion stammt aus dem Jahr 2017. Die neue Fassung wurde um Branchen wie die Chip- oder Cleantech-Industrie und Elektrofahrzeuge ergänzt. Die EU-Kommission leitet pro Jahr durchschnittlich zehn Anti-Dumping-Untersuchungen ein, bislang vor allem im Stahl- und Aluminium-Bereich. ari

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Presseschau

Schweizer Bundesrat Ignazio Cassis und Bundespräsidentin Viola Amherd machen mit der Ukraine-Friedenskonferenz Ernst NZZ
Flüchtlinge: Europa verschärft sein Asylrecht SÜDDEUTSCHE
Umstrittene Abstimmung im EU-Parlament: Jetzt kommt Europas neues, hartes Asylsystem SPIEGEL
EU-Gericht kippt Sanktionsbeschlüsse gegen russische Oligarchen SPIEGEL
Grüne Transformation: EU-Wettbewerbshüter genehmigen milliardenschwere Industriehilfen SPIEGEL
EU-Parlament stimmt für weniger Methan-Ausstoß im Energiesektor HANDELSBLATT
Härtere Klimaauflagen für Lkw und Busse kommen WIWO
EU-Pharmapaket hat nächste Hürde genommen PHARMAZEUTISCHE-ZEITUNG
EU: Weitgehendes Verbot von Quecksilber-Zahnfüllungen STERN
Europäisches Parlament ehrt Sophie Scholl SÜDDEUTSCHE
EU-Verordnung: Politische Werbung muss als solche zu erkennen sein HEISE
Jean-Claude Juncker: “Ich war selbst lange Putin-Sympathisant” LUXEMBURGER WORT
Französische Regierung will Sterbehilfe unter bestimmten Voraussetzungen erlauben SPIEGEL
Frankreich und Deutschland planen Bau von grenzüberschreitenden Wasserstoffnetz N-TV
Niederlande: Reisen mit 1000 km/h: Erste europäische Hyperloop-Teststrecke eröffnet WA
Waldbrandsaison war 2023 eine der schlimmsten in der EU ZEIT
Greenpeace wift Ikea Zerstörung von Wäldern in Rumänien vor GOSLARSCHE
Grüne Technik: EU-Kommission will Chinas Marktdominanz eindämmen HEISE
Schweizer Regierung schlägt strengere Regeln für die UBS vor SÜDDEUTSCHE

Heads

Lena Schilling – von Fridays for Future zu den Grünen

Lena Schilling soll für die Grünen in Österreich ins EU-Parlament einziehen – sofern sie genügend Stimmen bekommt.

Der Weg von Lena Schilling ist auf viele Arten besonders: Vom Aktivismus in die Parteipolitik, mit 23 Jahren Spitzenkandidatin für die Europawahl – dabei hat sie die regionale und nationale politische Ebene direkt übersprungen. Im Juni führt sie die Liste der österreichischen Grünen für die Europawahl an. Es ist ihre erste parteipolitische Position, vorher erlangte sie nationale Bekanntheit durch ihren Einsatz für Fridays for Future. 

Politische Haltung von der Mutter gelernt 

Politisch geprägt habe sie vor allem ihre Mutter, wie Schilling erzählt. Die ausgebildete Sozialarbeiterin übernahm die Leitung einer Flüchtlingsunterkunft, als Schilling 15 Jahre alt war. Nahezu jeden Tag sei sie selbst vor Ort gewesen. Im Umgang mit den Geflüchteten habe ihre Mutter ihr “früh gezeigt, was Gerechtigkeit heißt, und eine Idee mitgegeben, was für ein gutes Zusammenleben wichtig ist”.

In den Folgejahren bündelte Schilling ihre politischen Anstrengungen im Aktivismus gegen die Klimakrise. “Wie durch Zufall” sei sie Ende 2018 als Schülerin in die Fridays for Future-Bewegung in Österreich hineingeraten, als sie mit den Initiatoren, die noch Mitstreiter suchten, an einem Tisch saß. Öffentlich trat sie erstmals beim globalen Klimastreik im März 2019 in Erscheinung. Das mediale Rampenlicht verließ sie seitdem nicht mehr. Vielmehr wurde sie das Aushängeschild des österreichischen Klimaaktivismus. 

Besetzung des Lobau-Tunnels

Sie gründete einen Jugendrat, um jungen Menschen auch abseits der Klimaproteste eine Stimme zu geben. “So eine Bewegung ist extrem cool, aber nicht alle können jeden Freitag auf die Straße gehen”, begründet Schilling den Schritt. Auf sich aufmerksam machte Schilling danach mit der Besetzung des umstrittenen Lobau-Tunnels in Wien. “Ohne einen konkreten Plan” habe sie sich damals mit einem Plakat auf einen Bagger gesetzt und die Besetzung angekündigt, die sie “dann auch durchgezogen” habe. Was folgte, war ein monatelanger Kampf. Am Ende stand die Entscheidung: Die Pläne für den Bau des Tunnels werden verworfen. Verkündet wurde der Entschluss von Leonore Gewessler, der Grünen Klimaschutzministerin. 

Die Zeit ist auch als erste Annäherung von Schilling mit den Grünen zu verstehen. Es bleibt trotzdem die Frage, warum Schilling nun für die Partei antritt, über die sie 2023 noch sagte, dass “die Leute, die bei Fridays for Future aktiv sind, niemals zu den Grünen gehen” würden. Die 23-Jährige hat darauf einen pragmatischen Blick: “Schon während meiner Zeit bei Fridays for Future habe ich gemerkt, dass ich bereit bin, alle möglichen Hebel in Bewegung zu setzen, um die Ziele zu erreichen”, sagt sie.  

Sie habe sich zwar mehrfach die Frage gestellt, ob sie für eine solche Verantwortungsposition bereit sei. Die Entscheidung fiel am Ende positiv aus, auch weil die EU-Ebene ihr die Möglichkeit gebe, klimapolitische Fragen länderübergreifend anzugehen. Gleichzeitig schlug sie Avancen der SPÖ und der kommunistischen KPÖ aus. “Die einzige Partei, die glaubhaft für Klimaschutz steht, sind die Grünen”, so Schilling. 

Mehr Klimapolitik, klar – und sonst? 

Im Gespräch wird schnell deutlich, dass sie auch im Parlament einen klaren Fokus auf die Klimapolitik legen möchte. Einen besonderen Stellenwert misst sie der Mobilität bei. Als erste Schritte möchte sie daher für einen Ausbau und die Vereinheitlichung des europäischen Schienenverkehrs kämpfen. Das Klimaticket in Österreich als Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel könne dabei als Vorbild dienen. Gleichzeitig müssten die EU-Institutionen demnächst eine Einschränkung von Privatjets angehen, beispielsweise durch Verbote oder höhere Steuern. Das sei laut Schilling “die einzige Konsumkritik, die man von mir je hören wird”, doch müsse man dringend die Frage stellen, wer zu einem großen Teil für die Klimaemissionen verantwortlich ist. 

Doch wie möchte Schilling in anderen Themenbereichen wie Sicherheit oder Wirtschaft ihre Kompetenz unter Beweis stellen – auch um im Wahlkampf gegen ihre männlichen und teilweise deutlich erfahrenen Konkurrenten nicht den Kürzeren zu ziehen? Sie setzt auf gemeinsame Anstrengungen. Sie habe nicht den Anspruch, bei allen Themen per se das richtige Bauchgefühl zu haben und alles zu wissen. “Das Gute ist, dass es für alle Fragen Expertinnen und Experten gibt, die sich seit Jahrzehnten mit diesen Themen befassen”, sagt Schilling. Auch den gesellschaftlichen Diskurs möchte sie in besonderem Maße in ihre Politik miteinbeziehen. Konkret heiße das: “Das, was auf der Straße kommuniziert wird, soll dann auch im Parlament gehört werden.” 

Als junge Frau im EU-Wahlkampf 

Sie hofft generell, im Vergleich mit der Konkurrenz andere Schwerpunkte setzen zu können – besonders wegen ihres Geschlechts und des Alters. “Ich möchte andere Menschen abholen als die meisten anderen Spitzenkandidaten”, sagt sie. Dass ihre mangelnde Erfahrung gegen sie genutzt werden könnte, hält sie durchaus für möglich. “Wir sind im Wahlkampf, klar gibt es dort Menschen, die auf jeden Fehler warten, den man macht.” Einen davon erlaubte sie sich kürzlich, als sie in einem ORF-Interview Norwegen nicht eindeutig als Nicht-EU-Mitglied betiteln konnte. Nach außen reagiert sie auf die negativen Reaktionen souverän. Für eine 23-Jährige ist das nicht selbstverständlich. Jasper Bennink

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Nachdem die EU-Finanzminister im März ihre Hausaufgaben in Form eines Arbeitsplans zur Kapitalmarktunion an ihre Chefs abgegeben haben, können sie durchatmen – bis die Regierungschefs beim EU-Gipfel nächste Woche neue Ziele zur Schaffung der Kapitalmarktunion formulieren. Dann wird es für die Finanzminister im Eiltempo vorangehen, wenn die Ambitionen im Entwurf der Gipfelschlussfolgerungen tatsächlich umgesetzt werden sollen.

    Vorerst aufatmen kann auch der Eurogruppenpräsident Paschal Donohoe. Seit der irische Premierminister Leo Varadkar im März überraschend zurückgetreten war, galt sein Verbleib in der irischen Regierung als unsicher. Gestern wurde er jedoch im neuen Kabinett unter Simon Harris bestätigt.

    Statt über die Kapitalmarktunion werden die Finanzminister, beziehungsweise ihre Stellvertreter, zum ersten Mal seit über einem halben Jahr wieder über das Projekt des digitalen Euros sprechen. Am Freitag beim Frühstück diskutieren sie dann in vertraulicher Runde über die Strategie der Europäischen Investitionsbank.

    Die neue EIB-Präsidentin Nadia Calviño wird dort ihre Pläne konkretisieren und sich zugleich mit weitreichenden Wünschen der Finanzminister konfrontiert sehen, insbesondere bei der Finanzierung im Verteidigungsbereich. Auch Berlin erwartet von der EU-Förderbank mehr Offenheit für Finanzierungen im Dual-Use-Bereich, warnt aber vor übertriebenen Erwartungen. Ebenfalls für Diskussionen sorgen dürfte die Frage, ob der Rahmen für die Verschuldung der EIB (Gearing Ratio) vergrößert werden sollte, um der Bank ohne Kapitalerhöhung mehr Spielraum für Finanzierungen zu geben.

    Genießen Sie Ihren Tag mit der einen oder anderen Verschnaufpause,

    Ihr
    János Allenbach-Ammann
    Bild von János  Allenbach-Ammann

    Analyse

    EU-Parlament bringt Migrationspaket auf den Weg

    Nach achtjährigen, ungewöhnlich schwierigen Beratungen hat das Europaparlament am Mittwoch in Brüssel den Migrations- und Asylpakt verabschiedet. Die sogenannte GEAS-Reform, die aus zehn Regulierungen besteht, soll die irreguläre Einwanderung in die EU begrenzen und die Lasten solidarischer auf die Mitgliedsländer verteilen.

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Entscheidung einen “großen und sehr wichtigen Erfolg”. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem “historischen, unverzichtbaren Schritt”. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl nannte das Ergebnis dagegen “einen historischen Tiefpunkt für den Flüchtlingsschutz in Europa”.

    Grünen-Abgeordnete stimmen dagegen

    Für die zentrale Verordnung zum Asyl- und Migrationsmanagement stimmten 322 Abgeordnete, bei 266 Nein-Stimmen und 31 Enthaltungen. Andere Regulierungen erhielten weniger Stimmen. Anders als befürchtet, fiel jedoch keine durch. Die deutschen Grünen im Parlament stellten sich gegen die Reform und damit auch gegen die Ampel-Regierung und ihre eigenen Minister in Berlin.

    Kernpunkt des Pakets sind die neuen Grenzverfahren. Nicht asylberechtigte Migranten sollen künftig in Nähe der EU-Außengrenzen festgehalten und von dort aus direkt abgeschoben werden. Anders als von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gefordert, werden auch Familien mit Kindern durch diese Verfahren gehen. Allerdings sollen sie rücksichtsvoll behandelt werden.

    30.000 Migranten sollen umverteilt werden

    Eine weitere Verschärfung bringt die Krisenverordnung. Wenn besonders viele Menschen in die EU kommen, können diese bis zu 18 statt normalerweise maximal zwölf Wochen festgehalten werden. Wenn die EU meint, dass die Migranten “instrumentalisiert” werden (etwa von der Türkei oder Russland), müssen sie sofort ins Lager. Immerhin soll es Rechtsbeihilfe und Widerspruchsmöglichkeiten geben.

    Die EU plant auch einen neuen Solidaritätsmechanismus. Damit will sie jährlich mindestens 30.000 Migranten aus Italien oder Griechenland auf die Union umverteilen. Wer keine Menschen aufnehmen will, kann sich mit einer Zahlung von 20.000 Euro pro Person freikaufen.

    “Jetzt Handlungsfähigkeit beweisen”

    Ungarn und Polen lehnen dies jedoch ab. Beide Länder hatten sich bereits während der Verhandlungen von der GEAS-Reform distanziert. Dennoch soll sie nun – als finaler Schritt des Gesetzgebungsverfahrens – vom Rat verabschiedet werden. Wenn alles glattgeht, kann das Paket Mitte 2026 in Kraft treten – also lange nach der Europawahl.

    Dennoch gilt die Entscheidung des EU-Parlaments als wichtiges Zeichen vor der Wahl im Juni. “Es ist an Europa, jetzt Handlungsfähigkeit zu beweisen”, hatte Baerbock vor dem finalen Votum an die Abgeordneten appelliert. Die EU müsse zeigen, dass sie Antworten auf die Migrations- und Asylkrise hat.

    Thema im Wahlkampf

    Dahinter steht die Sorge vor einem Rechtsruck bei der Europawahl. Alle Umfragen und Prognosen deuten auf Stimmengewinne für die AfD und andere rechtspopulistische und nationalistische Parteien hin. In Frankreich könnten die Nationalisten sogar zur stärksten Partei werden. Sie mobilisieren die Wähler vor allem mit der Migrationskrise und der Angst vor “Überfremdung” und “Asylmissbrauch”.

    Daran dürfte sich allerdings auch nach der Reform nichts ändern. Die AfD hält sie für völlig unzureichend. “Der Migrationspakt wird die Masseneinwanderung nach Europa nicht stoppen, denn nach wie vor erhält jeder, der es an eine EU-Außengrenze schafft, ein Asylverfahren”, erklärte der AfD-Abgeordnete Nicolaus Fest. Illegale Migration solle künftig gesteuert werden, so Fest. “Wir wollen aber keine Steuerung illegaler Migration, sondern ihr Ende.”

    “Neue Solidarität unter den Mitgliedstaaten großer Erfolg”

    Völlig anders argumentieren Politiker, die an den Verhandlungen zur GEAS-Reform beteiligt waren. “Mit der Einigung erzielen wir auch einen Triumph europäischer Werte über politische Stagnation und Boykott”, erklärte Lena Düpont (CDU), innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe. Das Votum sei “historisch” und ein “Meilenstein” für ein gemeinsames europäisches Asylsystem.

    Weniger zufrieden klingt Birgit Sippel (SPD). “Bis zuletzt haben wir uns gegen die Gefahr von unverhältnismäßiger Inhaftierung in den Grenzverfahren eingesetzt. Aufgrund der mangelnden Kompromissbereitschaft der Mitgliedstaaten konnten wir uns damit aber nicht durchsetzen. Allerdings haben wir einen verpflichtenden Solidaritätsmechanismus durchgesetzt.”

    “Die Gegenstimmen sind mehr als verwunderlich”, erklärte der migrationspolitische Sprecher der FDP, Jan-Christoph Oetjen. “Nichts zu ändern, ist schlichtweg keine Option. Wir brauchen den europäischen Ansatz.” Deshalb sei die neue Solidarität unter den Mitgliedstaaten ein großer Erfolg. “Wer das nicht verstehen will, betreibt Realitätsverweigerung.”

    Kritik an Abkommen mit Drittstaaten

    Allerdings bleibt abzuwarten, wie weit der europäische Ansatz trägt. Ungarn und Polen haben angekündigt, den Solidaritätsmechanismus nicht umsetzen zu wollen. Italien will einen Teil der Asylverfahren nach Albanien auslagern. Zudem hat die EU-Kommission bereits Abkommen mit autoritären Drittstaaten wie Tunesien, Ägypten oder Mauretanien abgeschlossen, die nach Ansicht des Europaparlaments dem Geist des neuen Asylpakts widersprechen.

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht darin kein Problem. “Der Pakt schafft das richtige Gleichgewicht zwischen strengeren Regeln gegen den Missbrauch des Systems und der Fürsorge für die Schwächsten”, erklärte sie nach dem Parlamentsvotum. Auf die Kritik an ihren milliardenschweren Abkommen mit Drittstaaten ging sie nicht ein.

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    Termine

    12.04.2024 – 15:45-16:45, Berlin/online
    DGAP, Diskussion Ökonomie der Nachhaltigkeit
    Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diskutiert mit dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir und weiteren Gästen wie technologische und agrarökologische Innovationen die Landwirtschaft nachhaltig transformieren können.
    INFOS & ANMELDUNG

    15.04.2024 – 15:00-17:00 Uhr, online
    ERCST, Presentation ETS review of Carbon Leakage Risks for CBAM Export Goods
    The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) will present a paper on the topic of the carbon leakage risk for goods subject to CBAM and produced in the EU for export related to the review under the ETS of 2024.  INFO & REGISTRATION

    15.04.2024 – 18:00 Uhr, Berlin
    Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Symposium Künstliche Intelligenz in der Biotechnologie – Chancen und Risiken
    Bei der Auftaktveranstaltung zu den Deutschen Biotechnologietagen diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus der Landespolitik über aktuelle Trends, gefolgt von Vorträgen aus der Wissenschaft. INFOS

    16.04.-18.04.2024, Brüssel (Belgien)
    FEPS, Roundtable Progressive visions for the future of EU enlargement
    The Foundation for European Progressive Studies (FEPS) will host a discussion on the future of EU enlargement policy and different reform proposals between experts, members of the European Parliament and politicians from all candidate countries. INFO

    16.04.-18.04.2024 – Dakar (Senegal)
    EUI, Seminar Decarbonisation, gases and LNG (LNGnet)
    This European University Institute (EUI) course addresses experts from Southern and Eastern Africa and South Asia and will cover topics including natural gas market models and regulation, decarbonisation policies in the EU and the role of natural gas and LNG towards decarbonisation. INFO

    16.04.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
    TÜV, Seminar A Roadmap to Corporate Sustainability – Introducing Product Carbon Footprint, a Pathway towards Product Sustainability
    The Technical Inspection Association (TÜV) explains why and how organisations should develop product carbon footsprints. INFO & REGISTRATION

    16.04.2024 – 12:00-17:00 Uhr, Frankfurt
    Eco, Konferenz Resilienzempfehlungen im Kontext kommunaler Netzinfrastrukturen
    Die Veranstaltung bietet Stadtwerken und kommunalen Netzbetreibern praktische Einblicke und Empfehlungen für die Umsetzung von Resilienzmaßnahmen und das Risikomanagement zum Schutz kritischer Infrastrukturen in der Energieversorgung. INFOS & ANMELDUNG

    16.04.2024 – 12:30-13:15 Uhr, online
    RLS, Seminar Die Asyl- und Migrationspolitik der EU
    Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe im Vorfeld der Europa-Wahl widmet sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. INFOS

    16.04.2024 – 14:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    Digital Europe, Discussion Technology and Ukraine: Lessons from the Front Line
    Different speakers from Ukrainian political institutions, the European Commission and Parliament will share their perspectives on what the EU can learn about digital transformation from Ukraine and its use of technology for defense against Russia. INFO & REGISTRATION

    16.04.2024 – 14:30 Uhr, online
    Eurogas, Workshop EU Methane Regulation – How operators and stakeholders along the value chain can implement it?
    As part of a workshop series on the implementation of the EU Methane Regulation, this event will focus on Monitoring, Reporting and Verification. It will feature a presentation by the European Commission and a discussion with industry experts. INFO & REGISTRATION

    16.04.2024 – 14:30-15:30 Uhr, online
    HBS, Seminar How platforms are responding to EU regulations to prevent climate disinformation
    Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) invites an expert from Climate Action Against Disinformation who will share insights on how platforms have responded to the EU regulations to prevent climate disinformation. INFO & REGISTRATION

    16.04.2024 – 18:00-20:00 Uhr, Berlin
    RLS, Diskussion Energiepartnerschaften auf Augenhöhe? Gefahren und Chancen der Energieaußenpolitik
    Die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) nimmt Energiepartnerschaften zwischen Deutschland/Europa und afrikanischen Ländern unter die Lupe und diskutiert, wie diese gleichsam gewinnbringend für beide Seiten gestalten werden können. INFOS

    16.04.2024 – 18:00-19:30 Uhr, München
    DGAP, Podiumsdiskussion Zeitenwende vor deiner Haustür – Wie Deutschland geostrategische Herausforderungen meistern kann
    Bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) debattieren Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Forschung über den Stand der Zeitenwende und die konkreten Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung.   INFOS & ANMELDUNG

    News

    Rebellion der Kommissare im Fall Pieper verpufft

    Eine Stunde lang diskutierte das College der EU-Kommission am Mittwoch über den Fall Markus Pieper, doch die Debatte verlief dem Vernehmen nach weniger kontrovers als erwartet. Industriekommissar Thierry Breton und der Außenbeauftragte Josep Borrell seien die einzigen im Kreis der Kommissare gewesen, die sich kritisch zu der Personalie und den Umständen der Ernennung äußerten, hieß es in Kommissionskreisen.

    Zwei der vier Kommissare, die Kritik an der Berufung zum KMU-Beauftragten der Kommission geübt hatten, waren gar nicht anwesend: Nicolas Schmit (Soziales) und Paolo Gentiloni (Finanzen) hätten wegen Dienstreisen nicht an der Sitzung teilgenommen, hieß es. Die vier Kommissare hatten Präsidentin Ursula von der Leyen zuvor in zwei Schreiben aufgefordert, die Fragen zum Auswahlverfahren für den neuen KMU-Beauftragten und die mangelnde Einbindung der Kommissare auf die Agenda des College zu setzen.

    EVP-Kommissare verteidigen von der Leyen

    Breton und Borrell ernteten in der Sitzung dem Vernehmen nach einhellige Kritik von mehreren Kommissaren, die wie von der Leyen der christdemokratischen Parteienfamilie EVP angehören. Sie verteidigten die Entscheidung für Pieper und kritisierten, dass Interna der Kommission in die Öffentlichkeit getragen worden seien.

    Auch der Sozialdemokrat Maroš Šefčovič, exekutiver Vize-Präsident der Kommission und ehemaliger Kommissar für Personal, bemängelte demnach die Durchstechereien. Die Sozialdemokratin Elisa Ferreira (Kohäsion) soll dies ebenfalls angesprochen und zudem darum gebeten haben, das College im Vorfeld besser einzubinden in anstehende Personalien.

    Keine Rückendeckung für Breton

    Von anderen Kommissaren der liberalen Parteienfamilie habe Breton keine Unterstützung erhalten, hieß es in den Kreisen. Breton soll dem Vorwurf widersprochen haben, Interna herausgetragen zu haben. Er habe nur im College die mangelnde Einbindung der Kommissare bei der Entscheidung deutlich gemacht.

    Zwischen dem zuständigen Haushaltskommissar Johannes Hahn und Breton wird derzeit noch das Antwortschreiben der Kommission an die Gruppe der Abgeordneten mehrerer Fraktionen verhandelt, die sich mit Kritik an der Berufung an die Kommission gewendet hatten. Im Europaparlament kam der Fall Pieper Mittwochabend auch zur Sprache. Am Donnerstag stimmt das Plenum über eine Rüge der Kommission im Fall Pieper ab. Es wird damit gerechnet, dass der Antrag eine breite Mehrheit erhält. Die Rüge hätte keine rechtlichen Konsequenzen.

    An der Personalie ändert sich indessen nichts. Der Abgeordnete Pieper (CDU) wechselt zum 16. April als KMU-Beauftragter in die Kommission. tho/mgr

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    Im neuen Europaparlament sitzen die Abgeordneten vorn

    In der nächsten Wahlperiode haben die Abgeordneten keine festen Sitzplätze mehr. Sie sind vielmehr gehalten, die ersten Reihen im Plenum zu besetzen.  Diese Regelung ist Teil der Reform der Geschäftsordnung des Europaparlaments unter dem Titel “Parlament 2024”, die am Mittwoch im Plenum beschlossen wurde,.

    Damit werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe umgesetzt, die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola unter der Führung von Vize-Parlamentspräsident Rainer Wieland Anfang 2023 eingesetzt hatte. Die Reform soll dafür sorgen, dass das Europaparlament handlungsfähiger wird. So soll etwa ein Ad-hoc-Ausschuss gebildet werden, sobald ein Gesetzgebungsverfahren in den Zuständigkeitsbereich von mehr als drei Ausschüssen fällt. Außerdem sollen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Ausschüssen mit neuen Regeln schneller beigelegt werden. Die Anhörungen der Kandidaten für die Kommission im Europaparlament werden ebenfalls neu geregelt. Wenn etwa ein Kandidat von zwei oder mehr Ausschüssen angehört wird, dann sollen die Bewertungssitzungen gemeinsam stattfinden. mgr

    • Europäisches Parlament
    • Roberta Metsola

    EU-Klimaziel 2040: Reindustrialisierung allein könnte Kosten decken

    Ein reindustrialisiertes Europa könne 1,6 Millionen Arbeitsplätze in Netto-Null-Industrien bis 2030 schaffen, und insgesamt zwei Millionen Jobs bis 2040. Das geht aus einer heute veröffentlichten Untersuchung des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives hervor. Die Autoren fordern die EU-Mitgliedstaaten auf, eine europäische Industriestrategie in ihrem Fahrplan für die nächsten fünf Jahre zu erstellen.

    Die sogenannte Strategische Agenda der EU-Staaten ist eines der wichtigsten Gesprächsthemen beim Sondergipfel des Europäischen Rates kommende Woche. Beschlossen werden soll sie beim nächsten turnusmäßigen EU-Gipfel Ende Juni. Erste Entwürfe zeigen, dass der Schwerpunkt der Strategischen Agenda 2024-2029 auf Wettbewerbsfähigkeit und Industrialisierung liegt.

    Neben neuen Arbeitsplätzen habe eine neue Industriestrategie laut den Autoren das Potenzial:

    • Die Energiesicherheit zu erhöhen, indem 856 Milliarden Euro zwischen 2025 und 2040 bei Gas-, Öl- und Kohleimporten eingespart werden.
    • Lebenshaltungskosten für Haushalte zu reduzieren, indem Energierechnungen bis 20235 um zwei Drittel gesenkt werden.
    • Technologie- und Materialimporte in Höhe von mindestens 133 Milliarden Euro einzusparen.
    • 233 Milliarden Euro neue Wirtschaftstätigkeiten in Industriesektoren zu schaffen und die Produktivität der Wirtschaft zu steigern.

    2040er-Klimaziel kostet 668 Milliarden Euro

    Die nötigen Investitionen zum Erreichen eines CO₂-Reduktionsziels von 90 Prozent bis 2040 – rund 668 Milliarden Euro – würden somit “durch die großen Vorteile für die europäische Wirtschaft bei weitem aufgewogen“, heißt es in der Studie. “Deindustrialisierung ist kein unausweichliches Schicksal für Europa”, betont Neil Makaroff, Direktor von Strategic Perspectives. Europa könne von einem grünen Verbraucher zu einem grünen Produzenten werden. “Wenn wir den Umstieg jetzt jedoch aufschieben, riskieren wir, grüne Arbeitsplätze und Investitionen an China und die USA zu verlieren”, so Makaroff.

    Strategic Perspectives ist nicht die einzige Denkfabrik, die die Verknüpfung von Industriepolitik an einen Green Deal 2.0 fordert. Der Klima-Thinktank E3G kritisiert, dass Europas Antwort auf Investitionspläne aus den USA und China bislang kaum Wirkung gezeigt habe. Er fordert daher schnellere industriepolitische Entscheidungen, um private und öffentliche Investitionen besser bündeln zu können. Das gelte auch für ein ehrgeiziges und ambitioniertes EU-Klimaziel bis 2040. luk

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    EU-Parlament gibt grünes Licht für Methanverordnung

    Mit 530 Ja-Stimmen, 63 Nein-Stimmen und 28 Enthaltungen haben die Europaabgeordneten die neue Verordnung über Methan im Energiesektor angenommen. Die Einigung zielt darauf ab, das Ablassen von Methan zu verbieten und das Abfackeln stark einzuschränken.

    In Zukunft müssten Lecks in Pipelines und undichte Ventile aufgespürt und repariert werden, sagte Co-Berichterstatterin Jutta Paulus (Grüne). Der Methanausstoß im Energiesektor könne mit einfachsten Mitteln kostenneutral gestoppt werden, “doch wie so oft braucht es erst ein Gesetz, damit endlich gehandelt wird”.

    Der wichtigste Punkt der Einigung bleibe jedoch die schrittweise Ausdehnung der neuen Methanverordnung auf Importe fossiler Energieträger, so Paulus. “Rund 80 Prozent der damit assoziierten Emissionen entstehen außerhalb der EU. Damit ist die EU-Methanverordnung ein wichtiger Baustein zur Erreichung des EU-Klimaziels und des Global Methane Pledge”, sagte sie.

    Die Verordnung sieht vor, dass Importeure ab 2025 Daten über Methanemissionen und Nachweise darüber sammeln müssen, ob und wie Nicht-EU-Länder und -Produzenten ihre Emissionen reduzieren. Im Jahr 2026 wird die Kommission eine Datenbank veröffentlichen, in der die Emissionen ausländischer Produzenten und die gesetzlichen Maßnahmen zur Leckagebekämpfung in den Exportländern offengelegt werden. Ab 2027 wird es für Importeure verbindlich sein, die gleichen Regeln zur Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung von Lecks einzuhalten wie europäische Hersteller. cst

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    CO₂-Flottengrenzwerte Trucks: Parlament bestätigt politische Einigung

    Das Europaparlament hat Mittwoch die politische Einigung bei CO₂-Flottengrenzwerten von schweren Nutzfahrzeugen angenommen. Ein Verbrenner-Aus gibt es bei Nutzfahrzeugen nicht. Der Ausstoß von CO₂ soll bis 2030 um 45 Prozent gesenkt werden, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 um 90 Prozent. Es gibt auch Regelungen für den CO₂-Ausstoß von Anhängern und Aufliegern. Der Versuch, den Kompromiss für klimaneutrale Kraftstoffe noch einmal aufzumachen, wurde abgelehnt. Die Kommission sicherte vor der Abstimmung zu, zeitnah einen Vorschlag für den Betrieb von Nutzfahrzeugen mit klimaneutralen Kraftstoffen vorzulegen.  mgr

    • Europäisches Parlament

    Forscher dringen auf Reform der EU-Innovationspolitik

    Eine Gruppe namhafter Volkswirte kritisiert die Innovationspolitik der EU und dringt auf Reformen. “Die EU verliert den Wettlauf um Innovationen und damit wirtschaftliches Wohlergehen sowie regulatorischen und geopolitischen Einfluss”, sagte Nobelpreisträger Jean Tirole von der Toulouse School of Economics. Ihre völlige Abwesenheit in der Gruppe der Top-20-Tech-Unternehmen und der Top-20-Start-ups sei bedrohlich. Die EU gebe zu wenig für Forschung und Entwicklung aus und konzentriere sich auf “Mid-Tech-Branchen” wie die Automobilindustrie.

    Um den aktuellen Trend umzukehren, sollte die EU viel mehr in “bahnbrechende Innovationen” investieren und Hightechprojekte mit geringer technologischer Reife unterstützen, empfehlen die Forscher. Die EU sollte laut Tirole zudem die politische Kontrolle über wissenschaftliche Entscheidungen verringern, mehr führende Wissenschaftler einbeziehen und diesen mehr Ermessensspielraum und Flexibilität einräumen.

    Laut den Autoren, darunter Ifo-Chef Clemens Fuest, sollte der Europäische Innovationsrat (EIC) nach dem Vorbild der amerikanischen ARPA-Agenturen umgestaltet werden und mehr Wissenschaftler und weniger Beamte in den Ausschüssen sitzen. Im Vergleich zu den USA seien die Bewerbungs- und Auswahlverfahren in der EU extrem bürokratisch. rtr

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    • Innovation
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    Deutschland ist Europameister für Subventionen

    Seit 2022 sind die Schleusen der staatlichen Beihilfen in der EU geöffnet. Das neu veröffentlichte “State Aid Scoreboard” der Europäischen Kommission zeigt nun, dass Deutschland 2022 mehr staatliche Beihilfen an seine Unternehmen ausbezahlt hat, als alle anderen Mitgliedstaaten.

    Zählt man die staatlichen Beihilfen aus dem normalen Regime, jene aus dem erleichterten temporären Covid-Regime und jene aus dem temporären Krisenrahmen (TCF) zusammen, gab die deutsche Regierung 2022 73,67 Milliarden Euro für Beihilfen aus. Das entspricht 32,9 Prozent der EU-weit ausgezahlten Beihilfen. Frankreich belegt mit 44,79 Milliarden Euro den zweiten Platz vor Italien.

    Auch relativ zur Wirtschaftskraft liegt Deutschland bei der Subventionsrangliste weit vorne. Nur Ungarn hat 2022 im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft noch mehr Geld für staatliche Beihilfen ausgegeben.

    Spannungen zwischen kleinen und großen Mitgliedstaaten

    Die Statistik dürfte Ängste von kleineren Staaten bestätigen, die sich bei einem innereuropäischen Subventionswettlauf benachteiligt sehen. Erst kürzlich forderte eine Gruppe von kleineren und mittleren Mitgliedstaaten deshalb ein Ende des gelockerten Beihilferahmens, der aktuell bis Ende 2025 gilt.

    Zu Beginn dieser Woche zeigten sich die Wirtschaftsminister der drei größten Volkswirtschaften aber wenig beeindruckt von diesen Klagen. In einem gemeinsamen Forderungskatalog argumentierten Robert Habeck, Bruno Le Maire und Adolfo Urso für eine Verlängerung des gelockerten Regimes. Das Thema dürfte auch am EU-Gipfel nächste Woche zu reden geben, wenn Enrico Letta seinen Bericht zur Zukunft des Binnenmarkts vorlegt. jaa

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    • Wirtschaftspolitik

    EU erhebt hohe Anti-Dumpingzölle auf Flammenschutzmittel

    Die EU hat vorläufige Anti-Dumping-Zölle auf bestimmte Alkylphosphatester aus China erhoben. Davon betroffene Phosphat-Zusammensetzungen kommen der Brüsseler Behörde zufolge vor allem als Flammschutzmittel in Hart- und Weichschaum zum Einsatz. Die vorläufig festgelegten Anti-Dumpingzölle sind bemerkenswert hoch: Sie liegen zwischen 45,1 Prozent und 68,4 Prozent. Der Entscheidung war eine Untersuchung der Einfuhren vorausgegangen. Die EU-Ermittler werden die Untersuchung fortsetzen, um festzustellen, ob die Zölle in fünf Jahren dann dauerhaft anfallen. 

    Die EU-Kommission veröffentlichte am Mittwoch zudem einen aktualisierten Bericht über staatlich verursachte Verzerrungen in der chinesischen Wirtschaft. Das gut 700 Seiten starke Papier gilt als Handreichung an die EU-Industrie zur Erleichterung einer Beschwerde über Dumpingpraktiken.

    Eine solche Handreichung gibt es bisher nur zu China. Die Ursprungsversion stammt aus dem Jahr 2017. Die neue Fassung wurde um Branchen wie die Chip- oder Cleantech-Industrie und Elektrofahrzeuge ergänzt. Die EU-Kommission leitet pro Jahr durchschnittlich zehn Anti-Dumping-Untersuchungen ein, bislang vor allem im Stahl- und Aluminium-Bereich. ari

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    Presseschau

    Schweizer Bundesrat Ignazio Cassis und Bundespräsidentin Viola Amherd machen mit der Ukraine-Friedenskonferenz Ernst NZZ
    Flüchtlinge: Europa verschärft sein Asylrecht SÜDDEUTSCHE
    Umstrittene Abstimmung im EU-Parlament: Jetzt kommt Europas neues, hartes Asylsystem SPIEGEL
    EU-Gericht kippt Sanktionsbeschlüsse gegen russische Oligarchen SPIEGEL
    Grüne Transformation: EU-Wettbewerbshüter genehmigen milliardenschwere Industriehilfen SPIEGEL
    EU-Parlament stimmt für weniger Methan-Ausstoß im Energiesektor HANDELSBLATT
    Härtere Klimaauflagen für Lkw und Busse kommen WIWO
    EU-Pharmapaket hat nächste Hürde genommen PHARMAZEUTISCHE-ZEITUNG
    EU: Weitgehendes Verbot von Quecksilber-Zahnfüllungen STERN
    Europäisches Parlament ehrt Sophie Scholl SÜDDEUTSCHE
    EU-Verordnung: Politische Werbung muss als solche zu erkennen sein HEISE
    Jean-Claude Juncker: “Ich war selbst lange Putin-Sympathisant” LUXEMBURGER WORT
    Französische Regierung will Sterbehilfe unter bestimmten Voraussetzungen erlauben SPIEGEL
    Frankreich und Deutschland planen Bau von grenzüberschreitenden Wasserstoffnetz N-TV
    Niederlande: Reisen mit 1000 km/h: Erste europäische Hyperloop-Teststrecke eröffnet WA
    Waldbrandsaison war 2023 eine der schlimmsten in der EU ZEIT
    Greenpeace wift Ikea Zerstörung von Wäldern in Rumänien vor GOSLARSCHE
    Grüne Technik: EU-Kommission will Chinas Marktdominanz eindämmen HEISE
    Schweizer Regierung schlägt strengere Regeln für die UBS vor SÜDDEUTSCHE

    Heads

    Lena Schilling – von Fridays for Future zu den Grünen

    Lena Schilling soll für die Grünen in Österreich ins EU-Parlament einziehen – sofern sie genügend Stimmen bekommt.

    Der Weg von Lena Schilling ist auf viele Arten besonders: Vom Aktivismus in die Parteipolitik, mit 23 Jahren Spitzenkandidatin für die Europawahl – dabei hat sie die regionale und nationale politische Ebene direkt übersprungen. Im Juni führt sie die Liste der österreichischen Grünen für die Europawahl an. Es ist ihre erste parteipolitische Position, vorher erlangte sie nationale Bekanntheit durch ihren Einsatz für Fridays for Future. 

    Politische Haltung von der Mutter gelernt 

    Politisch geprägt habe sie vor allem ihre Mutter, wie Schilling erzählt. Die ausgebildete Sozialarbeiterin übernahm die Leitung einer Flüchtlingsunterkunft, als Schilling 15 Jahre alt war. Nahezu jeden Tag sei sie selbst vor Ort gewesen. Im Umgang mit den Geflüchteten habe ihre Mutter ihr “früh gezeigt, was Gerechtigkeit heißt, und eine Idee mitgegeben, was für ein gutes Zusammenleben wichtig ist”.

    In den Folgejahren bündelte Schilling ihre politischen Anstrengungen im Aktivismus gegen die Klimakrise. “Wie durch Zufall” sei sie Ende 2018 als Schülerin in die Fridays for Future-Bewegung in Österreich hineingeraten, als sie mit den Initiatoren, die noch Mitstreiter suchten, an einem Tisch saß. Öffentlich trat sie erstmals beim globalen Klimastreik im März 2019 in Erscheinung. Das mediale Rampenlicht verließ sie seitdem nicht mehr. Vielmehr wurde sie das Aushängeschild des österreichischen Klimaaktivismus. 

    Besetzung des Lobau-Tunnels

    Sie gründete einen Jugendrat, um jungen Menschen auch abseits der Klimaproteste eine Stimme zu geben. “So eine Bewegung ist extrem cool, aber nicht alle können jeden Freitag auf die Straße gehen”, begründet Schilling den Schritt. Auf sich aufmerksam machte Schilling danach mit der Besetzung des umstrittenen Lobau-Tunnels in Wien. “Ohne einen konkreten Plan” habe sie sich damals mit einem Plakat auf einen Bagger gesetzt und die Besetzung angekündigt, die sie “dann auch durchgezogen” habe. Was folgte, war ein monatelanger Kampf. Am Ende stand die Entscheidung: Die Pläne für den Bau des Tunnels werden verworfen. Verkündet wurde der Entschluss von Leonore Gewessler, der Grünen Klimaschutzministerin. 

    Die Zeit ist auch als erste Annäherung von Schilling mit den Grünen zu verstehen. Es bleibt trotzdem die Frage, warum Schilling nun für die Partei antritt, über die sie 2023 noch sagte, dass “die Leute, die bei Fridays for Future aktiv sind, niemals zu den Grünen gehen” würden. Die 23-Jährige hat darauf einen pragmatischen Blick: “Schon während meiner Zeit bei Fridays for Future habe ich gemerkt, dass ich bereit bin, alle möglichen Hebel in Bewegung zu setzen, um die Ziele zu erreichen”, sagt sie.  

    Sie habe sich zwar mehrfach die Frage gestellt, ob sie für eine solche Verantwortungsposition bereit sei. Die Entscheidung fiel am Ende positiv aus, auch weil die EU-Ebene ihr die Möglichkeit gebe, klimapolitische Fragen länderübergreifend anzugehen. Gleichzeitig schlug sie Avancen der SPÖ und der kommunistischen KPÖ aus. “Die einzige Partei, die glaubhaft für Klimaschutz steht, sind die Grünen”, so Schilling. 

    Mehr Klimapolitik, klar – und sonst? 

    Im Gespräch wird schnell deutlich, dass sie auch im Parlament einen klaren Fokus auf die Klimapolitik legen möchte. Einen besonderen Stellenwert misst sie der Mobilität bei. Als erste Schritte möchte sie daher für einen Ausbau und die Vereinheitlichung des europäischen Schienenverkehrs kämpfen. Das Klimaticket in Österreich als Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel könne dabei als Vorbild dienen. Gleichzeitig müssten die EU-Institutionen demnächst eine Einschränkung von Privatjets angehen, beispielsweise durch Verbote oder höhere Steuern. Das sei laut Schilling “die einzige Konsumkritik, die man von mir je hören wird”, doch müsse man dringend die Frage stellen, wer zu einem großen Teil für die Klimaemissionen verantwortlich ist. 

    Doch wie möchte Schilling in anderen Themenbereichen wie Sicherheit oder Wirtschaft ihre Kompetenz unter Beweis stellen – auch um im Wahlkampf gegen ihre männlichen und teilweise deutlich erfahrenen Konkurrenten nicht den Kürzeren zu ziehen? Sie setzt auf gemeinsame Anstrengungen. Sie habe nicht den Anspruch, bei allen Themen per se das richtige Bauchgefühl zu haben und alles zu wissen. “Das Gute ist, dass es für alle Fragen Expertinnen und Experten gibt, die sich seit Jahrzehnten mit diesen Themen befassen”, sagt Schilling. Auch den gesellschaftlichen Diskurs möchte sie in besonderem Maße in ihre Politik miteinbeziehen. Konkret heiße das: “Das, was auf der Straße kommuniziert wird, soll dann auch im Parlament gehört werden.” 

    Als junge Frau im EU-Wahlkampf 

    Sie hofft generell, im Vergleich mit der Konkurrenz andere Schwerpunkte setzen zu können – besonders wegen ihres Geschlechts und des Alters. “Ich möchte andere Menschen abholen als die meisten anderen Spitzenkandidaten”, sagt sie. Dass ihre mangelnde Erfahrung gegen sie genutzt werden könnte, hält sie durchaus für möglich. “Wir sind im Wahlkampf, klar gibt es dort Menschen, die auf jeden Fehler warten, den man macht.” Einen davon erlaubte sie sich kürzlich, als sie in einem ORF-Interview Norwegen nicht eindeutig als Nicht-EU-Mitglied betiteln konnte. Nach außen reagiert sie auf die negativen Reaktionen souverän. Für eine 23-Jährige ist das nicht selbstverständlich. Jasper Bennink

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