Table.Briefing: Europe

Was die Digitalbranche von neuer Kommission erwartet + Renew-Chefin will Bauern schützen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wie können die Nato-Staaten vorsorgen, dass die militärische Unterstützung der Ukraine vor Donald Trump einigermaßen sicher ist? Das ist die zentrale Frage, der sich die Außenminister des Bündnisses heute und morgen bei ihrem Treffen in Brüssel widmen werden. Generalsekretär Jens Stoltenberg wird dort laut Diplomaten ein 100 Milliarden Euro schweres Paket präsentieren. Es gehe darum, die Versorgung mit Rüstungsgütern für die nächsten fünf Jahre auf eine stabile Basis zu stellen und gleichzeitig die Ukraine langsam an die Nato heranzuführen.

Teil des Plans ist es auch, die Koordination der militärischen Unterstützung schrittweise von der US-geführten Ramstein-Koalition zur Nato zu transferieren. Derzeit wird die Koordination ad hoc von rund 300 Soldaten der US-Streitkräfte am Europa-Hauptquartier in Wiesbaden gewährleistet.

Die Nato könnte unter anderem die Koordination der Ausbildungsmissionen oder der verschiedenen Koalitionen für Beschaffungen übernehmen. Die Auslieferung von Rüstungsgütern soll aber auch aus Rücksicht auf Skeptiker wie Deutschland weiterhin bilateral erfolgen. Geplant ist heute beim Treffen der Außenminister ein erster Austausch. Das Ziel: Bis zum Gipfel im Juli in Washington soll eine Einigung her.

Ein Signal Richtung Trump und seinen China-Fokus ist auch das morgige Treffen der Nato-Außenminister mit den Amtskollegen der vier wichtigsten asiatisch-pazifischen Staaten (AP4) Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Am Donnerstag hat die Nato zudem ihren 75. Geburtstag, der mit einer kleinen Zeremonie am Hauptquartier begangen werden soll. Im Rampenlicht sollen dort ganz bewusst die neuen Mitgliedstaaten Osteuropas stehen, für die das Bündnis noch stärker Symbol für Freiheit und Souveränität ist.

Ihr
Stephan Israel
Bild von Stephan  Israel

Analyse

Digitale Dekade: Verbände raten zur Phase der Evaluierung

Die Plattformgesetze Digital Markets Act (DMA) und Digital Services Act (DSA), der Data Act, der Cyber Resilience Act und nicht zuletzt der Artificial Intelligence Act (AI Act) – die zu Ende gehende Legislatur hat ein ganzes Paket neuer Digitalgesetze gebracht. Die von der EU ausgerufene digitale Dekade läuft aber noch bis 2030. Was also erwarten Digitalverbände von der neuen Kommission im nächsten Mandat?

“Weniger ist mehr im Moment”, meint Oliver Süme, Vorstand beim Verband der Internetwirtschaft Eco. “Es war eine sehr intensive Legislaturperiode, in der wir einen gewissen Hang zur Überregulierung gesehen haben.” So sei erhebliche Rechtsunsicherheiten entstanden. Die Verunsicherung führe zu Investitions- und Innovationshemmnissen. “Aber gerade in diesen Bereichen müssen wir erheblich aufholen”, sagt Süme. “Ich hoffe daher, dass wir jetzt in eine Periode der Evaluierung eintreten.”

Auch David Adams, Referent EU Public Affairs beim Bitkom, sieht viel Arbeit auf die Unternehmen zukommen. “Deswegen ist es wichtig, dass es politische Unterstützung dafür gibt, diese Gesetze jetzt sauber umzusetzen“, sagt Adams. “Nur so kann man die damit verbundenen ambitionierten Ziele auch erreichen.” Mit Blick auf die neue Legislaturperiode heiße das: “Die neue Kommission sollte die saubere Umsetzung der beschlossenen Gesetze als oberste Priorität festlegen.” Der neue Digitalkommissar oder die neue Digitalkommissarin müsse sich dafür einsetzen, dass zum Beispiel das AI-Office funktioniere, dass die Mitgliedstaaten entsprechende Strukturen schafften und dass Standards rechtzeitig formuliert werden.

Einheitliche Standards beim AI Act

Beispiel DSA: Hier sei es zu Verwirrung gekommen, wie das Gesetz einzuhalten sei, solange keine Aufsichtsbehörde in Deutschland benannt ist. So etwas solle sich möglichst nicht wiederholen. “Das wäre natürlich bei der Tragweite des AI Acts, der unfassbar viele Produkte betrifft, extrem herausfordernd für Unternehmen”, warnt Adams.

Beide Verbände heben hervor, wie wichtig Standards für die Unternehmen sind, damit sie sich rechtssicher an die neuen Anforderungen halten können. “Gerade in Sachen KI brauchen wir eine einheitliche Auslegung”, betont Süme. Beispiel DSGVO: “Wir müssen unbedingt vermeiden, was wir hier gesehen haben: eine völlige Zersplitterung der Aufsichtsstrukturen und unterschiedliche Herangehensweisen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten.”

Bei dem neuen AI-Office sei es daher wichtig, dass es nicht vordringlich auf Untersuchungen und Verhängung von Bußgeldern setze, sondern darauf, Standards einzuführen und Auslegungshilfen zu schaffen. “Eine ganz wichtige Aufgabe des AI-Office ist auch die Förderung und Schaffung von Codes of Practises im Markt, wie es im AI Act ja auch angelegt ist”, sagt Süme. Er fordert sogar: “Es wäre mehr Zentralisierung auf Brüsseler Ebene wünschenswert als die zusätzlichen Aufsichtsfunktionen der nationalen Behörden.” Wenn er betrachte, wie die einzelnen Mitgliedstaaten oder deren Behörden sich positionierten, befürchte er, dass das Ganze wieder in eine sehr strikte und einseitig konsumentenorientierte Auslegung und Anwendung laufe. “Deswegen glaube ich, Evaluierung ist das Gebot der Stunde.”

Datenräume schaffen

Der Fokus sollte darauf liegen, die Projekte, die angestoßen wurden, auch zu Ende zu führen, sagt Adams. Mit dem Data Act und dem Data Governance Act sei die Grundlage zu einem Rechtsrahmen für die Datenwirtschaft gelegt. Die Kommission hatte angekündigt, diesen Rechtsrahmen auch sektoral auszugestalten. Im Gesundheitsbereich ist das mit dem European Health Data Space jetzt geschehen.

“Aber es sollen noch andere Data Spaces entstehen. Es gilt also nun, die Potenziale, die im Data Act und im Data Governance Act stecken, auch wirklich zu heben”, meint Adams. So sieht das auch Süme vom Eco: “Es gibt die klare Ansage, dass Datenräume geschaffen, der Zugang zu Daten erleichtert und Datensilos aufgebrochen werden sollen. Da sind wir noch lange nicht am Ende.”

Zudem habe sich die Kommission vorgenommen, bis zum Jahr 2030 den Anteil der digitalisierten Unternehmen im Mittelstand auf 90 Prozent zu bringen. “Aktuell sind wir nach Angaben der Kommission bei 54 Prozent, da ist also noch gehörig Luft nach oben“, konstatiert Süme.

In Infrastruktur investieren

Ein Gesetz hat die Kommission bereits in Vorbereitung, das die kommende Kommission dann umsetzen soll, den Digital Networks Act (DNA), der für die notwendige Infrastruktur sorgen soll, um die Ziele der digitalen Dekade auch zu erreichen. “Auch hier wäre ich vorsichtig mit dem Gedanken, jetzt gleich wieder durch neue Regulierungen zu versuchen, diese Dinge zu fördern”, sagt Süme. Das Ziel sei grundsätzlich richtig, “denn bei digitalen Infrastrukturen sind wir noch lange nicht da, wo wir hinwollen“. Und natürlich sei es wünschenswert, die europäischen Telekommunikationsunternehmen zu stärken.

“Fakt ist, dass wir in Europa überhaupt nicht die Cloud-Infrastruktur haben, die erforderlich wäre, um Large Language Models wie GPT 4 oder andere zu trainieren”, erinnert Süme. Deswegen sei ein Regulierungsansatz wie der AI Act nur die halbe Wahrheit. Von der nächsten Kommission wünsche er sich, “dass sie stärker über Anreize für Investitionen und über die konkrete Förderung von Wettbewerbsfähigkeit nachdenkt, als immer wieder nur zu überlegen, wo sie einhegen und wo sie regulieren will.”

Wettbewerbsfähigkeit fördern

Der Bitkom beobachtet ein gewisses Ungleichgewicht. In Europa werde zu viel über Risiken und zu wenig über die Chancen gesprochen. “Wir schauen zu selten darauf, wie es uns gelingen kann, den europäischen Unternehmen Entfaltungsspielraum für Innovationen und die Schaffung digitaler Produkte und Services zu lassen”, kritisiert Adams. Auf politischer Ebene werde zwar viel über Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft geredet – das spiegele sich aber zu wenig in den Gesetzen wider. Deswegen lautet die konkrete Empfehlung des Bitkom, “dass die neue EU-Kommission in ihre Impact Assessments, die sie ja für neue Gesetze vorlegen muss, einen neuen Punkt mit aufnimmt: Sie sollte jedes Mal prüfen, wie sich ein Gesetz auf die Wettbewerbsfähigkeit der Digitalwirtschaft auswirkt.”

Entscheidend sei im nächsten Mandat auch, wo das Geld hinfließe, sagt Adams vom Bitkom. Horizon Europe werde neu verhandelt, ebenso der mehrjährige Finanzrahmen. “Das sind wichtige Weichenstellungen, die in den nächsten anderthalb bis zwei Jahren stattfinden.” Die Forschung zu digitalen Technologien unter Horizon Europe müsse weiterhin gefördert werden. “Das ist extrem wichtig für Europa als attraktiven Standort für die Digitalwirtschaft.” Das Gleiche gelte auch bei der konkreten Technologieförderung unter den Programmen, die unter dem mehrjährigen Finanzrahmen angedockt sind.

Doch der Bitkom sieht auch hier Verbesserungsbedarf. “Aus unserer Sicht muss die Förderung sowohl im Bereich Forschung als auch im Bereich Technologie stärker anwendungsorientiert ausgestaltet sein”, sagt Adams. “Wir müssen in Europa besser darin werden, den Übergang von der guten Forschungsarbeit hin zur industriellen Anwendung zu schaffen.”

Vorschlag an die Kommission: Digital Green Deal

In den vergangenen Jahren habe es das Green-Deal-Arbeitsprogramm mit vielen Initiativen gegeben, die auch zu einem Großteil durchgekommen sind. Und immer wieder habe es in den politischen Überschriften geheißen, man müsse digital und nachhaltig zusammendenken. “Aber das fand sich selten in den eigentlichen Gesetzesartikeln wieder”, kritisiert Adams. “Deutlich zu selten aus unserer Sicht. So bleiben die Potenziale, die Digitaltechnologien für die Nachhaltigkeitsziele in Europa haben, auf der Strecke.”

Auch bei der Förderpolitik hat der Bitkom einen Vorschlag an die neue Kommission. Es sei sicher schön, wenn die EU sage, sie fördere jetzt die Technologie XY. “Aber um unsere Ziele tatsächlich zu erreichen, müssen wir nicht eine Technologie fördern, sondern einen konkreten Anwendungsfall“, schlägt Adams vor. Zum Beispiel: über künstliche Intelligenz Fabriken effizienter zu steuern, um weniger Schadstoffe zu emittieren. “Diesen Shift in den Förderprogrammen möchten wir der Kommission gern nahelegen”, sagt Adams. “Was wir jetzt brauchen, ist ein Digital Green Deal”.

Und jetzt sei auch der Zeitpunkt gekommen, darüber nachzudenken, was eigentlich nach der digitalen Dekade passieren soll. Wie sieht Europa im Jahr 2040 oder 2050 aus? Was sind die Ziele, die wir uns stecken können? “Wir wollen der Kommission und dem neuen Parlament dazu einen Gedankenanstoß geben, diese Debatte aufzunehmen und im Idealfall konkrete Ziele in einer Art Roadmap festzulegen”, sagt Adams.

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Renew-Chefin Hayer fordert Spiegelklauseln in Handelsabkommen

Valérie Hayer ist Renew-Chefin und Spitzenkandidatin von Emmanuel Macrons Renaissance-Partei für die Europawahl.

In zahlreichen europäischen Ländern ist der Green Deal und sein landwirtschaftlicher Arm, die Farm-to-Fork-Strategie, seit Wochen im Visier der Landwirte. Die Hauptursache für den Unmut der Bauern liegt in den Umweltschutzvorgaben, die ursprünglich entwickelt wurden, um die Qualität der Böden und die Biodiversität zu verbessern. Schlussendlich soll der Landsektor somit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Für Valérie Hayer, die aus einer Agrarfamilie stammt, “darf man den Green Deal nicht gegen die Landwirtschaft ausspielen“. Das gelte auch für die nächste Amtszeit.

“Strukturelle Überlegung” zur Landwirtschaft

Die Renew-Vorsitzende fordert, “eine umfassendere und strukturelle Überlegung” über die Zukunft der Landwirtschaft in Europa anzustellen. Sie erinnert daran, dass die aktuelle Amtszeit mit einer Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) begonnen hat, “damit sie grüner wird und den Landwirten mehr Geld einbringt”. Heute befände man sich in der Umsetzungsphase und es seien Mängel aufgetaucht. Deshalb seien Ausnahmeregelungen für die GAP verabschiedet worden, “um den Bedürfnissen der Landwirte gerecht zu werden”.

Die französische Abgeordnete sagt, dass die EU-Gesetzgeber bei ihren Entscheidungen den politischen Kontext auf den Agrarmärkten berücksichtigt hätten, die aufgrund der Einfuhr ukrainischer Produkte potenziell destabilisiert seien. Daher hätten die europäischen Gesetzgeber Garantien zum Schutz der Landwirte gegeben.

Freihandelsabkommen, die den Import von Agrarprodukten aus Ländern ermöglichen, in denen nicht dieselben Umweltauflagen wie im EU-Binnenmarkt gelten, sieht Valérie Hayer dagegen kritisch. Sie hält die Wut der Landwirte für berechtigt. “Was hier auf dem Spiel steht, ist die Frage der Vergütung und des fairen Wettbewerbs.” Diese beiden Aspekte müssten berücksichtigt werden und erforderten langfristige Überlegungen, betont Hayer.

Aus diesem Grund unterstützt sie die Idee gegenseitiger Umweltstandards, die im Brüsseler Jargon als “Spiegelklauseln” bezeichnet werden. Die Idee dahinter: Für Länder, die ihre Produkte nach Europa importieren wollen, gelten die gleichen Umwelt- und Gesundheitsstandards wie für die europäischen Produzenten. Bauernverbände sehen darin eine Möglichkeit, unlauteren Wettbewerb zu verhindern, da die EU-Standards oft höher sind als in Importländern. Allerdings lassen die WTO-Regeln nur wenig Spielraum, Drittländern Vorschriften über Produktionsstandards zu machen.

Mercosur “ein schlechtes Abkommen”

Deshalb fordert Valérie Hayer eine “neue Generation” von Handelsabkommen, “die auf den Pariser Klimazielen und dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhen”. Dies ist eine Linie, die auch der französische Präsident Emmanuel Macron vertritt. Europa sei verrückt, weiterhin Handelsabkommen wie vor 20 Jahren zu schließen, die die “Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaften oder den Kampf für die Biodiversität behindern”, sagte Macron kürzlich in Brasilien.

Aus diesen Gründen halten der französische Präsident und seine Renaissance-Spitzenkandidatin Hayer Mercosur für ein “schlechtes Abkommen”. Das kürzlich mit Chile unterzeichnete Abkommen sei dagegen besser, so Hayer. Darin wurde auch ein Kapitel zur Nachhaltigkeit von Nahrungsmittelsystemen festgeschrieben.

Für Valérie Hayer ist es daher wichtig, in den Verhandlungen über zukünftige Freihandelsabkommen die gerechte Entlohnung für Landwirte und einen fairen Wettbewerb sicherzustellen.

Alle Texte zu den Europawahlen 2024 finden Sie hier.

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News

Desinformation: Frankreich will Sanktionen gegen russische Firmen

Frankreich wird EU-weite Sanktionen gegen russische Firmen vorschlagen, die für die Verbreitung von Desinformationen verantwortlich sind. Das erklärte der französische Außenminister Stéphane Séjourné am Dienstag. Russland versuche nach Ansicht der französischen Regierung zunehmend, die EU zu destabilisieren. Russland greife auf Lügen und Manipulation der öffentlichen Meinung zurück, “insbesondere durch die Finanzierung von Störaktionen, die Förderung von Falschmeldungen und die Anschuldigung gegen die Ukraine”, sagte Séjourné auf einer Pressekonferenz in Paris mit US-Außenminister Antony Blinken.

Er bezeichnete die Bemühungen Russlands, die Ukraine für einen Anschlag in Moskau verantwortlich zu machen, zu dem sich ein Ableger des Islamischen Staates bekannte, als “plump” und erklärte, Europa sei entschlossen, die russischen Bemühungen zur Destabilisierung zu stoppen. “Ich werde ein Sanktionssystem gegen diejenigen vorschlagen, die Desinformation und Destabilisierung in unserem Land und in Europa insgesamt unterstützen”, sagte Sejourne. rtr

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Ukraine: Blinken sieht “kritischen Moment” erreicht

Der Abwehrkampf der Ukraine gegen die russischen Invasoren hat aus amerikanischer Sicht einen kritischen Moment erreicht. Vor dem Hintergrund der schwierigen militärischen Lage forderte US-Außenminister Antony Blinken am Dienstag vor Reportern während eines Besuchs in Frankreich mehr westliche Unterstützung. “Es ist absolut notwendig, den Ukrainern das zu geben, was sie weiterhin brauchen, um sich selbst zu verteidigen – besonders wenn es um Munition und Luftabwehr geht.” In Moskau erklärte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu, die ukrainischen Streitkräfte würden kontinuierlich nach Westen zurückgedrängt. Die ukrainische Offensive im vergangenen Sommer sei gescheitert.

Blinken appellierte erneut an den US-Kongress, den Nachtragshaushalt so schnell wie möglich zu verabschieden. Präsident Joe Biden drängt das von den oppositionellen Republikanern kontrollierte Repräsentantenhaus dazu, das militärische und finanzielle Hilfspaket zu billigen. Dessen Sprecher Mike Johnson verzögert dies aber seit Monaten mit Verweis auf innenpolitische Prioritäten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte angekündigt, seine Streitkräfte müssten sich “in kleinen Schritten” zurückziehen, sollte die Ukraine keine Hilfen erhalten. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat bereits vor Wochen die Befürchtung geäußert, dass die Ukraine im Krieg an Boden verliert, vor allem wegen der schwindenden US-Unterstützung. rtr

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Generative KI: Start-up-Firmen sehen Europa im Hintertreffen

Die große Mehrheit der Start-ups in Deutschland sieht Europa bei der Anwendung von generativer KI (GenAI) deutlich abgeschlagen hinter den USA und China. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Umfrage unter 300 Unternehmen hervor, die der Bundesverband Start-ups zusammen mit Hubraum, dem Tech-Inkubator der Deutschen Telekom, durchgeführt hat. 

Nur vier Prozent der befragten Gründerinnen und Gründer sehen Europa als Gewinner im Wettrennen um Anwendungen der generativen KI. Diese gelten als Kern eines technologiegetriebenen Wirtschaftsmodells der Zukunft. Damit werden KI-Systeme bezeichnet, die eigenständig neue kreative Inhalte schaffen können wie Text, Musik, Video oder Kunst. 68 Prozent der Befragten sehen bei GenAI die USA deutlich vorne, 20 Prozent nannten China als Gewinner. Das Fazit der Studie: Während in Europa über die KI-Regulierung gestritten wird, investieren die USA und China Milliarden in diesen Wirtschaftszweig.

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Presseschau

Tod von Helfern in Gaza: EU-Chefdiplomat verurteilt Angriff WEB.DE
Nach “Voice of Europe”-Skandal: Ermittlungen sollen Ausmaß gekaufter Europapolitiker zeigen HAZ
Waffenlieferungen an die Ukraine: Wie das kleine Tschechien den großen Munitionsplan verwirklicht WELT
Herkunftsschutz: Neue Regeln für geografische Angaben FLEISCHWIRTSCHAFT
“Pfizergate”Europäische Staatsanwälte nehmen von der Leyen wegen Impfstoff-Deals ins Visier FOCUS
EU strebt Zusammenarbeit für Reformen in der Türkei ein DEUTSCHLANDFUNK
EU-Beitritt der Türkei: Bundestagsfraktionen lehnen Wiederbelebung der Gespräche ab RND
Belgiens Armee soll dabei helfen, die Olympischen Spiele in Paris zu sichern VRT
Londoner-Bürgermeisterwahl im Mai: Neben Labour null Alternativen FR
Staus wegen Grenzkontrollen: Brandenburgs Ministerpräsident will gemeinsame Lösung mit Polen TAGESSPIEGEL
Wohnungskrise in Irland außer Kontrolle: 2000 Euro für eine Einzimmerwohnung SPIEGEL
Wie Italien die Zuständigkeit für Asylbewerber systematisch auf Deutschland abwälzt WELT
Schweiz: Die Europafreunde kommen aus der Deckung SÜDDEUTSCHE
Schüsse in finnischer Grundschule – Sechstklässler gestorben STERN
Niederländischer Ministerpräsident: Estland und Lettland für Mark Rutte als neuen Nato-Chef SPIEGEL
Umfrage: Europäer wollen eine global stärkere EU – hat aber keine Eile DE
Digitale-Dienste-Gesetz: Was die neuen EU-Regeln für Pornoplattformen bedeuten NETZPOLITIK

Heads

Johannes Laitenberger – von der Kommission ins Europäische Gericht

Johannes Laitenberger arbeitet seit fast 30 Jahren in EU-Institutionen, er war im Rat der EU, in der Kommission und in der Generaldirektion Wettbewerb. Nun ist er Richter am Europäischen Gericht.

“Recht und Europa – Europarecht”, sei sicherlich ein Lebensthema für ihn, erklärt Johannes Laitenberger. Der 1964 geborene Hamburger arbeitet seit fast 30 Jahren in EU-Institutionen. Zunächst war er drei Jahre im Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union, von 1999 bis 2019 dann in der Kommission, unter anderem als Kabinettschef von José Manuel Barroso und als Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb unter EU-Kommissarin Margrethe Vestager.

In der GD Wettbewerb war Laitenberger federführend am Beihilfestreit mit Irland und Apple beteiligt, bei dem die EU-Kommission Irland 2016 dazu aufforderte, von Apple 13 Milliarden Euro Steuern plus Zinsen zurückzufordern. Derzeit liegt der Streit beim EuGH, nachdem die Rückzahlungsaufforderung 2020 in erster Instanz annulliert wurde – und zwar vom Europäischen Gericht erster Instanz (EuG), also von genau der Institution, an der Laitenberger heute sein Richteramt innehat.

Darin sieht er aber kein Problem. Mit Übernahme des Richteramtes sei er endgültig aus der Kommission ausgeschieden. Zumal er an Verfahren, mit denen er in seiner vorherigen Rolle verwaltungsseitig zu tun hatte, nicht beteiligt sei: “Das ist ein völlig normaler Bestandteil der Rechtsstaatlichkeit.”  

Rechtsstaatliche Stabilität für politische Handlungsfähigkeit 

Dabei kommt nicht nur die Zurückhaltung zum Ausdruck, zu der sich ein Richter von Amts wegen verpflichtet. Vielmehr ergibt sie sich aus einer tieferliegenden Überzeugung. Die “erstaunliche Resilienz”, welche die EU seit der Finanzkrise 2007 bewiesen habe, beruhe nicht nur auf Macht und politischem Willen. Sondern eben auch darauf, dass Rechtsverbindlichkeit einen Rahmen schaffe, aus dem heraus man auch in Zukunft auf Herausforderungen reagieren und die EU weiter entwickeln könne.  

Seine Einsicht in diesen Zusammenhang habe auch biografische Gründe, erklärt Laitenberger. Als Jugendlicher zog er mit seiner Familie kurz nach der Nelkenrevolution 1974 nach Portugal und erinnert sich noch lebhaft an die politischen Debatten, die den Übergang von der Diktatur in die Demokratie prägten.

Ab 1985 studierte er Rechtswissenschaften in Bonn und erlebt 1989 mit dem Mauerfall einen weiteren historischen Umbruch. Diese “Freiheitserfahrungen” hautnah miterlebt zu haben, empfindet Laitenberger als Privileg und als Ansporn, um selbst daran mitzuwirken, dass Rechtsstaatlichkeit weiter möglich ist. Aber eben immer in den Grenzen der Rolle, die man ausfüllt: “Wenn alle ihre eigenen Grenzen sehen, wird es auch leichter, mit anderen umzugehen.”  

Zügigere Verfahren und neue Kompetenzen am EuG 

Ganz konkret betrifft das auch Laitenbergers jetzige Tätigkeit am Europäischen Gericht erster Instanz, wo er neben seiner Richtertätigkeit auch Mitglied im Geschäftsführungsausschuss ist. Oben auf der Agenda stehe derzeit die weitere Beschleunigung von Verfahren am Gericht, ohne deshalb weniger gründliche Entscheidungen zu treffen.

Ab Herbst soll das EuG außerdem zum ersten Mal sogenannte Vorabentscheidungen übernehmen und damit den EuGH entlasten. In “technisch genau abgegrenzten Bereichen”, beispielsweise in Fragen der Mehrwertsteuer und in Passagierrechten, darf dann das EuG die Anfragen nationaler Gerichte zur Auslegung des Unionsrechts übernehmen. Auch in solchen praktischen Angelegenheiten, betont Laitenberger, gehe es um die Wahrung von Recht und Rechtsstaatlichkeit. Martin Renz

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Wie können die Nato-Staaten vorsorgen, dass die militärische Unterstützung der Ukraine vor Donald Trump einigermaßen sicher ist? Das ist die zentrale Frage, der sich die Außenminister des Bündnisses heute und morgen bei ihrem Treffen in Brüssel widmen werden. Generalsekretär Jens Stoltenberg wird dort laut Diplomaten ein 100 Milliarden Euro schweres Paket präsentieren. Es gehe darum, die Versorgung mit Rüstungsgütern für die nächsten fünf Jahre auf eine stabile Basis zu stellen und gleichzeitig die Ukraine langsam an die Nato heranzuführen.

    Teil des Plans ist es auch, die Koordination der militärischen Unterstützung schrittweise von der US-geführten Ramstein-Koalition zur Nato zu transferieren. Derzeit wird die Koordination ad hoc von rund 300 Soldaten der US-Streitkräfte am Europa-Hauptquartier in Wiesbaden gewährleistet.

    Die Nato könnte unter anderem die Koordination der Ausbildungsmissionen oder der verschiedenen Koalitionen für Beschaffungen übernehmen. Die Auslieferung von Rüstungsgütern soll aber auch aus Rücksicht auf Skeptiker wie Deutschland weiterhin bilateral erfolgen. Geplant ist heute beim Treffen der Außenminister ein erster Austausch. Das Ziel: Bis zum Gipfel im Juli in Washington soll eine Einigung her.

    Ein Signal Richtung Trump und seinen China-Fokus ist auch das morgige Treffen der Nato-Außenminister mit den Amtskollegen der vier wichtigsten asiatisch-pazifischen Staaten (AP4) Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Am Donnerstag hat die Nato zudem ihren 75. Geburtstag, der mit einer kleinen Zeremonie am Hauptquartier begangen werden soll. Im Rampenlicht sollen dort ganz bewusst die neuen Mitgliedstaaten Osteuropas stehen, für die das Bündnis noch stärker Symbol für Freiheit und Souveränität ist.

    Ihr
    Stephan Israel
    Bild von Stephan  Israel

    Analyse

    Digitale Dekade: Verbände raten zur Phase der Evaluierung

    Die Plattformgesetze Digital Markets Act (DMA) und Digital Services Act (DSA), der Data Act, der Cyber Resilience Act und nicht zuletzt der Artificial Intelligence Act (AI Act) – die zu Ende gehende Legislatur hat ein ganzes Paket neuer Digitalgesetze gebracht. Die von der EU ausgerufene digitale Dekade läuft aber noch bis 2030. Was also erwarten Digitalverbände von der neuen Kommission im nächsten Mandat?

    “Weniger ist mehr im Moment”, meint Oliver Süme, Vorstand beim Verband der Internetwirtschaft Eco. “Es war eine sehr intensive Legislaturperiode, in der wir einen gewissen Hang zur Überregulierung gesehen haben.” So sei erhebliche Rechtsunsicherheiten entstanden. Die Verunsicherung führe zu Investitions- und Innovationshemmnissen. “Aber gerade in diesen Bereichen müssen wir erheblich aufholen”, sagt Süme. “Ich hoffe daher, dass wir jetzt in eine Periode der Evaluierung eintreten.”

    Auch David Adams, Referent EU Public Affairs beim Bitkom, sieht viel Arbeit auf die Unternehmen zukommen. “Deswegen ist es wichtig, dass es politische Unterstützung dafür gibt, diese Gesetze jetzt sauber umzusetzen“, sagt Adams. “Nur so kann man die damit verbundenen ambitionierten Ziele auch erreichen.” Mit Blick auf die neue Legislaturperiode heiße das: “Die neue Kommission sollte die saubere Umsetzung der beschlossenen Gesetze als oberste Priorität festlegen.” Der neue Digitalkommissar oder die neue Digitalkommissarin müsse sich dafür einsetzen, dass zum Beispiel das AI-Office funktioniere, dass die Mitgliedstaaten entsprechende Strukturen schafften und dass Standards rechtzeitig formuliert werden.

    Einheitliche Standards beim AI Act

    Beispiel DSA: Hier sei es zu Verwirrung gekommen, wie das Gesetz einzuhalten sei, solange keine Aufsichtsbehörde in Deutschland benannt ist. So etwas solle sich möglichst nicht wiederholen. “Das wäre natürlich bei der Tragweite des AI Acts, der unfassbar viele Produkte betrifft, extrem herausfordernd für Unternehmen”, warnt Adams.

    Beide Verbände heben hervor, wie wichtig Standards für die Unternehmen sind, damit sie sich rechtssicher an die neuen Anforderungen halten können. “Gerade in Sachen KI brauchen wir eine einheitliche Auslegung”, betont Süme. Beispiel DSGVO: “Wir müssen unbedingt vermeiden, was wir hier gesehen haben: eine völlige Zersplitterung der Aufsichtsstrukturen und unterschiedliche Herangehensweisen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten.”

    Bei dem neuen AI-Office sei es daher wichtig, dass es nicht vordringlich auf Untersuchungen und Verhängung von Bußgeldern setze, sondern darauf, Standards einzuführen und Auslegungshilfen zu schaffen. “Eine ganz wichtige Aufgabe des AI-Office ist auch die Förderung und Schaffung von Codes of Practises im Markt, wie es im AI Act ja auch angelegt ist”, sagt Süme. Er fordert sogar: “Es wäre mehr Zentralisierung auf Brüsseler Ebene wünschenswert als die zusätzlichen Aufsichtsfunktionen der nationalen Behörden.” Wenn er betrachte, wie die einzelnen Mitgliedstaaten oder deren Behörden sich positionierten, befürchte er, dass das Ganze wieder in eine sehr strikte und einseitig konsumentenorientierte Auslegung und Anwendung laufe. “Deswegen glaube ich, Evaluierung ist das Gebot der Stunde.”

    Datenräume schaffen

    Der Fokus sollte darauf liegen, die Projekte, die angestoßen wurden, auch zu Ende zu führen, sagt Adams. Mit dem Data Act und dem Data Governance Act sei die Grundlage zu einem Rechtsrahmen für die Datenwirtschaft gelegt. Die Kommission hatte angekündigt, diesen Rechtsrahmen auch sektoral auszugestalten. Im Gesundheitsbereich ist das mit dem European Health Data Space jetzt geschehen.

    “Aber es sollen noch andere Data Spaces entstehen. Es gilt also nun, die Potenziale, die im Data Act und im Data Governance Act stecken, auch wirklich zu heben”, meint Adams. So sieht das auch Süme vom Eco: “Es gibt die klare Ansage, dass Datenräume geschaffen, der Zugang zu Daten erleichtert und Datensilos aufgebrochen werden sollen. Da sind wir noch lange nicht am Ende.”

    Zudem habe sich die Kommission vorgenommen, bis zum Jahr 2030 den Anteil der digitalisierten Unternehmen im Mittelstand auf 90 Prozent zu bringen. “Aktuell sind wir nach Angaben der Kommission bei 54 Prozent, da ist also noch gehörig Luft nach oben“, konstatiert Süme.

    In Infrastruktur investieren

    Ein Gesetz hat die Kommission bereits in Vorbereitung, das die kommende Kommission dann umsetzen soll, den Digital Networks Act (DNA), der für die notwendige Infrastruktur sorgen soll, um die Ziele der digitalen Dekade auch zu erreichen. “Auch hier wäre ich vorsichtig mit dem Gedanken, jetzt gleich wieder durch neue Regulierungen zu versuchen, diese Dinge zu fördern”, sagt Süme. Das Ziel sei grundsätzlich richtig, “denn bei digitalen Infrastrukturen sind wir noch lange nicht da, wo wir hinwollen“. Und natürlich sei es wünschenswert, die europäischen Telekommunikationsunternehmen zu stärken.

    “Fakt ist, dass wir in Europa überhaupt nicht die Cloud-Infrastruktur haben, die erforderlich wäre, um Large Language Models wie GPT 4 oder andere zu trainieren”, erinnert Süme. Deswegen sei ein Regulierungsansatz wie der AI Act nur die halbe Wahrheit. Von der nächsten Kommission wünsche er sich, “dass sie stärker über Anreize für Investitionen und über die konkrete Förderung von Wettbewerbsfähigkeit nachdenkt, als immer wieder nur zu überlegen, wo sie einhegen und wo sie regulieren will.”

    Wettbewerbsfähigkeit fördern

    Der Bitkom beobachtet ein gewisses Ungleichgewicht. In Europa werde zu viel über Risiken und zu wenig über die Chancen gesprochen. “Wir schauen zu selten darauf, wie es uns gelingen kann, den europäischen Unternehmen Entfaltungsspielraum für Innovationen und die Schaffung digitaler Produkte und Services zu lassen”, kritisiert Adams. Auf politischer Ebene werde zwar viel über Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft geredet – das spiegele sich aber zu wenig in den Gesetzen wider. Deswegen lautet die konkrete Empfehlung des Bitkom, “dass die neue EU-Kommission in ihre Impact Assessments, die sie ja für neue Gesetze vorlegen muss, einen neuen Punkt mit aufnimmt: Sie sollte jedes Mal prüfen, wie sich ein Gesetz auf die Wettbewerbsfähigkeit der Digitalwirtschaft auswirkt.”

    Entscheidend sei im nächsten Mandat auch, wo das Geld hinfließe, sagt Adams vom Bitkom. Horizon Europe werde neu verhandelt, ebenso der mehrjährige Finanzrahmen. “Das sind wichtige Weichenstellungen, die in den nächsten anderthalb bis zwei Jahren stattfinden.” Die Forschung zu digitalen Technologien unter Horizon Europe müsse weiterhin gefördert werden. “Das ist extrem wichtig für Europa als attraktiven Standort für die Digitalwirtschaft.” Das Gleiche gelte auch bei der konkreten Technologieförderung unter den Programmen, die unter dem mehrjährigen Finanzrahmen angedockt sind.

    Doch der Bitkom sieht auch hier Verbesserungsbedarf. “Aus unserer Sicht muss die Förderung sowohl im Bereich Forschung als auch im Bereich Technologie stärker anwendungsorientiert ausgestaltet sein”, sagt Adams. “Wir müssen in Europa besser darin werden, den Übergang von der guten Forschungsarbeit hin zur industriellen Anwendung zu schaffen.”

    Vorschlag an die Kommission: Digital Green Deal

    In den vergangenen Jahren habe es das Green-Deal-Arbeitsprogramm mit vielen Initiativen gegeben, die auch zu einem Großteil durchgekommen sind. Und immer wieder habe es in den politischen Überschriften geheißen, man müsse digital und nachhaltig zusammendenken. “Aber das fand sich selten in den eigentlichen Gesetzesartikeln wieder”, kritisiert Adams. “Deutlich zu selten aus unserer Sicht. So bleiben die Potenziale, die Digitaltechnologien für die Nachhaltigkeitsziele in Europa haben, auf der Strecke.”

    Auch bei der Förderpolitik hat der Bitkom einen Vorschlag an die neue Kommission. Es sei sicher schön, wenn die EU sage, sie fördere jetzt die Technologie XY. “Aber um unsere Ziele tatsächlich zu erreichen, müssen wir nicht eine Technologie fördern, sondern einen konkreten Anwendungsfall“, schlägt Adams vor. Zum Beispiel: über künstliche Intelligenz Fabriken effizienter zu steuern, um weniger Schadstoffe zu emittieren. “Diesen Shift in den Förderprogrammen möchten wir der Kommission gern nahelegen”, sagt Adams. “Was wir jetzt brauchen, ist ein Digital Green Deal”.

    Und jetzt sei auch der Zeitpunkt gekommen, darüber nachzudenken, was eigentlich nach der digitalen Dekade passieren soll. Wie sieht Europa im Jahr 2040 oder 2050 aus? Was sind die Ziele, die wir uns stecken können? “Wir wollen der Kommission und dem neuen Parlament dazu einen Gedankenanstoß geben, diese Debatte aufzunehmen und im Idealfall konkrete Ziele in einer Art Roadmap festzulegen”, sagt Adams.

    • AI Act
    • Bitkom
    • CRA
    • Digital Networks Act
    • Digitalisierung
    • Digitalpolitik
    • DSGVO
    • Horizon Europe
    • Künstliche Intelligenz-Verordnung
    Translation missing.

    Renew-Chefin Hayer fordert Spiegelklauseln in Handelsabkommen

    Valérie Hayer ist Renew-Chefin und Spitzenkandidatin von Emmanuel Macrons Renaissance-Partei für die Europawahl.

    In zahlreichen europäischen Ländern ist der Green Deal und sein landwirtschaftlicher Arm, die Farm-to-Fork-Strategie, seit Wochen im Visier der Landwirte. Die Hauptursache für den Unmut der Bauern liegt in den Umweltschutzvorgaben, die ursprünglich entwickelt wurden, um die Qualität der Böden und die Biodiversität zu verbessern. Schlussendlich soll der Landsektor somit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Für Valérie Hayer, die aus einer Agrarfamilie stammt, “darf man den Green Deal nicht gegen die Landwirtschaft ausspielen“. Das gelte auch für die nächste Amtszeit.

    “Strukturelle Überlegung” zur Landwirtschaft

    Die Renew-Vorsitzende fordert, “eine umfassendere und strukturelle Überlegung” über die Zukunft der Landwirtschaft in Europa anzustellen. Sie erinnert daran, dass die aktuelle Amtszeit mit einer Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) begonnen hat, “damit sie grüner wird und den Landwirten mehr Geld einbringt”. Heute befände man sich in der Umsetzungsphase und es seien Mängel aufgetaucht. Deshalb seien Ausnahmeregelungen für die GAP verabschiedet worden, “um den Bedürfnissen der Landwirte gerecht zu werden”.

    Die französische Abgeordnete sagt, dass die EU-Gesetzgeber bei ihren Entscheidungen den politischen Kontext auf den Agrarmärkten berücksichtigt hätten, die aufgrund der Einfuhr ukrainischer Produkte potenziell destabilisiert seien. Daher hätten die europäischen Gesetzgeber Garantien zum Schutz der Landwirte gegeben.

    Freihandelsabkommen, die den Import von Agrarprodukten aus Ländern ermöglichen, in denen nicht dieselben Umweltauflagen wie im EU-Binnenmarkt gelten, sieht Valérie Hayer dagegen kritisch. Sie hält die Wut der Landwirte für berechtigt. “Was hier auf dem Spiel steht, ist die Frage der Vergütung und des fairen Wettbewerbs.” Diese beiden Aspekte müssten berücksichtigt werden und erforderten langfristige Überlegungen, betont Hayer.

    Aus diesem Grund unterstützt sie die Idee gegenseitiger Umweltstandards, die im Brüsseler Jargon als “Spiegelklauseln” bezeichnet werden. Die Idee dahinter: Für Länder, die ihre Produkte nach Europa importieren wollen, gelten die gleichen Umwelt- und Gesundheitsstandards wie für die europäischen Produzenten. Bauernverbände sehen darin eine Möglichkeit, unlauteren Wettbewerb zu verhindern, da die EU-Standards oft höher sind als in Importländern. Allerdings lassen die WTO-Regeln nur wenig Spielraum, Drittländern Vorschriften über Produktionsstandards zu machen.

    Mercosur “ein schlechtes Abkommen”

    Deshalb fordert Valérie Hayer eine “neue Generation” von Handelsabkommen, “die auf den Pariser Klimazielen und dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhen”. Dies ist eine Linie, die auch der französische Präsident Emmanuel Macron vertritt. Europa sei verrückt, weiterhin Handelsabkommen wie vor 20 Jahren zu schließen, die die “Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaften oder den Kampf für die Biodiversität behindern”, sagte Macron kürzlich in Brasilien.

    Aus diesen Gründen halten der französische Präsident und seine Renaissance-Spitzenkandidatin Hayer Mercosur für ein “schlechtes Abkommen”. Das kürzlich mit Chile unterzeichnete Abkommen sei dagegen besser, so Hayer. Darin wurde auch ein Kapitel zur Nachhaltigkeit von Nahrungsmittelsystemen festgeschrieben.

    Für Valérie Hayer ist es daher wichtig, in den Verhandlungen über zukünftige Freihandelsabkommen die gerechte Entlohnung für Landwirte und einen fairen Wettbewerb sicherzustellen.

    Alle Texte zu den Europawahlen 2024 finden Sie hier.

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    Desinformation: Frankreich will Sanktionen gegen russische Firmen

    Frankreich wird EU-weite Sanktionen gegen russische Firmen vorschlagen, die für die Verbreitung von Desinformationen verantwortlich sind. Das erklärte der französische Außenminister Stéphane Séjourné am Dienstag. Russland versuche nach Ansicht der französischen Regierung zunehmend, die EU zu destabilisieren. Russland greife auf Lügen und Manipulation der öffentlichen Meinung zurück, “insbesondere durch die Finanzierung von Störaktionen, die Förderung von Falschmeldungen und die Anschuldigung gegen die Ukraine”, sagte Séjourné auf einer Pressekonferenz in Paris mit US-Außenminister Antony Blinken.

    Er bezeichnete die Bemühungen Russlands, die Ukraine für einen Anschlag in Moskau verantwortlich zu machen, zu dem sich ein Ableger des Islamischen Staates bekannte, als “plump” und erklärte, Europa sei entschlossen, die russischen Bemühungen zur Destabilisierung zu stoppen. “Ich werde ein Sanktionssystem gegen diejenigen vorschlagen, die Desinformation und Destabilisierung in unserem Land und in Europa insgesamt unterstützen”, sagte Sejourne. rtr

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    Ukraine: Blinken sieht “kritischen Moment” erreicht

    Der Abwehrkampf der Ukraine gegen die russischen Invasoren hat aus amerikanischer Sicht einen kritischen Moment erreicht. Vor dem Hintergrund der schwierigen militärischen Lage forderte US-Außenminister Antony Blinken am Dienstag vor Reportern während eines Besuchs in Frankreich mehr westliche Unterstützung. “Es ist absolut notwendig, den Ukrainern das zu geben, was sie weiterhin brauchen, um sich selbst zu verteidigen – besonders wenn es um Munition und Luftabwehr geht.” In Moskau erklärte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu, die ukrainischen Streitkräfte würden kontinuierlich nach Westen zurückgedrängt. Die ukrainische Offensive im vergangenen Sommer sei gescheitert.

    Blinken appellierte erneut an den US-Kongress, den Nachtragshaushalt so schnell wie möglich zu verabschieden. Präsident Joe Biden drängt das von den oppositionellen Republikanern kontrollierte Repräsentantenhaus dazu, das militärische und finanzielle Hilfspaket zu billigen. Dessen Sprecher Mike Johnson verzögert dies aber seit Monaten mit Verweis auf innenpolitische Prioritäten.

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte angekündigt, seine Streitkräfte müssten sich “in kleinen Schritten” zurückziehen, sollte die Ukraine keine Hilfen erhalten. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat bereits vor Wochen die Befürchtung geäußert, dass die Ukraine im Krieg an Boden verliert, vor allem wegen der schwindenden US-Unterstützung. rtr

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    Generative KI: Start-up-Firmen sehen Europa im Hintertreffen

    Die große Mehrheit der Start-ups in Deutschland sieht Europa bei der Anwendung von generativer KI (GenAI) deutlich abgeschlagen hinter den USA und China. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Umfrage unter 300 Unternehmen hervor, die der Bundesverband Start-ups zusammen mit Hubraum, dem Tech-Inkubator der Deutschen Telekom, durchgeführt hat. 

    Nur vier Prozent der befragten Gründerinnen und Gründer sehen Europa als Gewinner im Wettrennen um Anwendungen der generativen KI. Diese gelten als Kern eines technologiegetriebenen Wirtschaftsmodells der Zukunft. Damit werden KI-Systeme bezeichnet, die eigenständig neue kreative Inhalte schaffen können wie Text, Musik, Video oder Kunst. 68 Prozent der Befragten sehen bei GenAI die USA deutlich vorne, 20 Prozent nannten China als Gewinner. Das Fazit der Studie: Während in Europa über die KI-Regulierung gestritten wird, investieren die USA und China Milliarden in diesen Wirtschaftszweig.

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    Presseschau

    Tod von Helfern in Gaza: EU-Chefdiplomat verurteilt Angriff WEB.DE
    Nach “Voice of Europe”-Skandal: Ermittlungen sollen Ausmaß gekaufter Europapolitiker zeigen HAZ
    Waffenlieferungen an die Ukraine: Wie das kleine Tschechien den großen Munitionsplan verwirklicht WELT
    Herkunftsschutz: Neue Regeln für geografische Angaben FLEISCHWIRTSCHAFT
    “Pfizergate”Europäische Staatsanwälte nehmen von der Leyen wegen Impfstoff-Deals ins Visier FOCUS
    EU strebt Zusammenarbeit für Reformen in der Türkei ein DEUTSCHLANDFUNK
    EU-Beitritt der Türkei: Bundestagsfraktionen lehnen Wiederbelebung der Gespräche ab RND
    Belgiens Armee soll dabei helfen, die Olympischen Spiele in Paris zu sichern VRT
    Londoner-Bürgermeisterwahl im Mai: Neben Labour null Alternativen FR
    Staus wegen Grenzkontrollen: Brandenburgs Ministerpräsident will gemeinsame Lösung mit Polen TAGESSPIEGEL
    Wohnungskrise in Irland außer Kontrolle: 2000 Euro für eine Einzimmerwohnung SPIEGEL
    Wie Italien die Zuständigkeit für Asylbewerber systematisch auf Deutschland abwälzt WELT
    Schweiz: Die Europafreunde kommen aus der Deckung SÜDDEUTSCHE
    Schüsse in finnischer Grundschule – Sechstklässler gestorben STERN
    Niederländischer Ministerpräsident: Estland und Lettland für Mark Rutte als neuen Nato-Chef SPIEGEL
    Umfrage: Europäer wollen eine global stärkere EU – hat aber keine Eile DE
    Digitale-Dienste-Gesetz: Was die neuen EU-Regeln für Pornoplattformen bedeuten NETZPOLITIK

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    Johannes Laitenberger – von der Kommission ins Europäische Gericht

    Johannes Laitenberger arbeitet seit fast 30 Jahren in EU-Institutionen, er war im Rat der EU, in der Kommission und in der Generaldirektion Wettbewerb. Nun ist er Richter am Europäischen Gericht.

    “Recht und Europa – Europarecht”, sei sicherlich ein Lebensthema für ihn, erklärt Johannes Laitenberger. Der 1964 geborene Hamburger arbeitet seit fast 30 Jahren in EU-Institutionen. Zunächst war er drei Jahre im Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union, von 1999 bis 2019 dann in der Kommission, unter anderem als Kabinettschef von José Manuel Barroso und als Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb unter EU-Kommissarin Margrethe Vestager.

    In der GD Wettbewerb war Laitenberger federführend am Beihilfestreit mit Irland und Apple beteiligt, bei dem die EU-Kommission Irland 2016 dazu aufforderte, von Apple 13 Milliarden Euro Steuern plus Zinsen zurückzufordern. Derzeit liegt der Streit beim EuGH, nachdem die Rückzahlungsaufforderung 2020 in erster Instanz annulliert wurde – und zwar vom Europäischen Gericht erster Instanz (EuG), also von genau der Institution, an der Laitenberger heute sein Richteramt innehat.

    Darin sieht er aber kein Problem. Mit Übernahme des Richteramtes sei er endgültig aus der Kommission ausgeschieden. Zumal er an Verfahren, mit denen er in seiner vorherigen Rolle verwaltungsseitig zu tun hatte, nicht beteiligt sei: “Das ist ein völlig normaler Bestandteil der Rechtsstaatlichkeit.”  

    Rechtsstaatliche Stabilität für politische Handlungsfähigkeit 

    Dabei kommt nicht nur die Zurückhaltung zum Ausdruck, zu der sich ein Richter von Amts wegen verpflichtet. Vielmehr ergibt sie sich aus einer tieferliegenden Überzeugung. Die “erstaunliche Resilienz”, welche die EU seit der Finanzkrise 2007 bewiesen habe, beruhe nicht nur auf Macht und politischem Willen. Sondern eben auch darauf, dass Rechtsverbindlichkeit einen Rahmen schaffe, aus dem heraus man auch in Zukunft auf Herausforderungen reagieren und die EU weiter entwickeln könne.  

    Seine Einsicht in diesen Zusammenhang habe auch biografische Gründe, erklärt Laitenberger. Als Jugendlicher zog er mit seiner Familie kurz nach der Nelkenrevolution 1974 nach Portugal und erinnert sich noch lebhaft an die politischen Debatten, die den Übergang von der Diktatur in die Demokratie prägten.

    Ab 1985 studierte er Rechtswissenschaften in Bonn und erlebt 1989 mit dem Mauerfall einen weiteren historischen Umbruch. Diese “Freiheitserfahrungen” hautnah miterlebt zu haben, empfindet Laitenberger als Privileg und als Ansporn, um selbst daran mitzuwirken, dass Rechtsstaatlichkeit weiter möglich ist. Aber eben immer in den Grenzen der Rolle, die man ausfüllt: “Wenn alle ihre eigenen Grenzen sehen, wird es auch leichter, mit anderen umzugehen.”  

    Zügigere Verfahren und neue Kompetenzen am EuG 

    Ganz konkret betrifft das auch Laitenbergers jetzige Tätigkeit am Europäischen Gericht erster Instanz, wo er neben seiner Richtertätigkeit auch Mitglied im Geschäftsführungsausschuss ist. Oben auf der Agenda stehe derzeit die weitere Beschleunigung von Verfahren am Gericht, ohne deshalb weniger gründliche Entscheidungen zu treffen.

    Ab Herbst soll das EuG außerdem zum ersten Mal sogenannte Vorabentscheidungen übernehmen und damit den EuGH entlasten. In “technisch genau abgegrenzten Bereichen”, beispielsweise in Fragen der Mehrwertsteuer und in Passagierrechten, darf dann das EuG die Anfragen nationaler Gerichte zur Auslegung des Unionsrechts übernehmen. Auch in solchen praktischen Angelegenheiten, betont Laitenberger, gehe es um die Wahrung von Recht und Rechtsstaatlichkeit. Martin Renz

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    Europe.Table Redaktion

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