diese Woche beginnen die internationalen Klima-Gespräche, die im November in Baku in die COP29 münden werden. In Kopenhagen kommen heute und morgen über 30 Ministerinnen und Sonderberater zum informellen Copenhagen Climate Ministerial (CCM) zusammen. Auch EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra ist vor Ort, um zum ersten Mal seit der letzten COP in Dubai über das zu sprechen, was in Baku beschlossen werden soll.
Das wichtigste Thema in diesem Jahr ist die Klimafinanzierung. Das 100-Milliarden-Dollar-Ziel, mit dem die reichen Industrienationen seit 2020 jedes Jahr die Entwicklungsländer unterstützen sollen, läuft in diesem Jahr aus. Ein neues Finanzierungsziel muss her. Ohnehin hat das bisherige Ziel für mehr Enttäuschung als Zuversicht im Kampf gegen den Klimawandel bei den Empfängerländern gesorgt, denn es wurde in den ersten drei Jahren schlicht nicht erreicht.
Das neue Ziel soll die 100 Milliarden weit übertreffen. Von bis zu 2,4 Billionen Dollar aus staatlichen und privaten Quellen ist die Rede. Die reichen Industrienationen, zu denen auch die europäischen Länder gehören, werden voraussichtlich auch weiterhin die Hauptlast tragen. Doch in Kopenhagen werden auch die Diskussionen über neue Geberländer vorangetrieben. Im Blickpunkt: China und die reichen Ölstaaten im Nahen Osten.
Eine Entscheidung über Geberländer und die Höhe der Summe wird es in Kopenhagen nicht geben, aber es dürften erste Gespräche über die Architektur des neuen Ziels stattfinden – hinter verschlossenen Türen allerdings. Die ersten öffentlichen Diskussionen im COP-Prozess folgen beim Petersberger Klimadialog in Berlin (voraussichtlich im Mai) und bei der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn im Juni.
Selten bekommt die EU-Kommission vor einem Gipfel so viel Lob. Unter den Mitgliedstaaten gab es viel Erleichterung, dass der Vorschlag zur Nutzung der russischen Zentralbankgelder jetzt endlich auf dem Tisch liegt: Es sei richtig, die “Windfall profits” für die Ukraine zu verwenden, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Er werde am Gipfel darauf dringen, die Mittel schnell dafür zu nutzen, was das Land am dringendsten brauche: Waffen und Munition.
EU-Diplomaten sprachen von einem “kraftvollen Vorschlag”. Nicht nur in Berlin war die Skepsis angesichts dieser Premiere und der möglichen Risiken für die Stabilität der Eurozone lange groß gewesen. Nun ist man froh, dass die Juristen einen Weg gefunden haben. Dass die zunächst knapp drei Milliarden Euro pro Jahr zu 90 Prozent für Rüstung und nicht für den Wiederaufbau gesteckt werden sollen, wird in den meisten Hauptstädten akzeptiert. An Wiederaufbau sei derzeit ohnehin nicht zu denken, heißt es von Diplomaten.
Die Erleichterung dürfte auch damit zu tun haben, dass die Mitgliedstaaten derzeit um jeden Euro froh sind, um eine Ukraine in der Defensive zu unterstützen. Im Hintergrund spielt zudem der Druck der USA eine Rolle, der Ukraine auch die Zentralbankgelder selbst zukommen zu lassen. Mit der Entscheidung, bei den Erträgen rasch Ernst zu machen, möchte man hier etwas Druck herausnehmen. Nun müsse noch der Widerstand Ungarns überwunden werden, heißt es in Brüssel. Skepsis gibt es auch bei den neutralen Mitgliedstaaten Österreich und Malta.
Eine erste Diskussion wird es am Gipfel auch zum Kommissionsvorschlag des Programms zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie (EDIP) und der übergreifenden Strategie (EDIS) geben. Es müsse mehr gemeinsam eingekauft werden, was Beschaffungen auch billiger machen werde, sagte Scholz. “Ohne dass da eine neue Kompetenz der Europäischen Union entsteht, muss aber doch vieles von dem bürokratischen Gegeneinander abgeschafft werden, das eine wirkliche Zusammenarbeit verhindert.”
Vor einigen Jahren sei es Industriepolitik in Europa tabu gewesen, betont ein hochrangiger Diplomat. Nun sei es möglich, über eine Strategie für die europäische Rüstungsindustrie zu reden – das sei doch ein großer Schritt. Wie EDIP finanziell besser ausgestattet werden kann, dürfte auch am Gipfel für Thema sein. So entwickelt sich die Diskussion in die Richtung, die Regeln der Europäische Investitionsbank zu ändern, um diese stärker zur Finanzierung rüstungsnaher Projekte einsetzen zu können.
Gastgeber Charles Michel hatte im Vorfeld per Gastbeitrag dafür plädiert, “Europäische Verteidigungsanleihen” auszugeben. Sparsame Staaten wie Deutschland oder die Niederlande reagieren aber reserviert: Der Ratspräsident sei “der Debatte etwas vorausgeeilt”, heißt es in Berliner Regierungskreisen.
Eine Enttäuschung dürfte der EU-Gipfel für Uno-Generalsekretär António Guterres und die Anhänger einer aktiveren Nahostpolitik werden. Guterres wird zwar zum Beginn des Treffens zu einem Mittagessen empfangen. Doch bei den Themen, die ihm am Herzen liegen – Unterstützung für die UN-Hilfsorganisation UNWRA und ein humanitärer Waffenstillstand in Gaza – zeichnet sich keine Einigung ab.
Kanzler Scholz lehnt die Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe ab. Erst müsse es ein Abkommen zur Freilassung der Hamas-Geiseln geben, heißt es in Berlin, das sich damit gegen die Mehrheit der EU-Staaten stellt.
Vor allem Spanien und Irland fordern mehr Druck auf Israel. Sie konnten sich jedoch schon beim Treffen der EU-Außenminister am Montag nicht durchsetzen. Beim Gipfel zeichnet sich keine Änderung ab. Der Beschlussentwurf geht vor allem auf die katastrophale humanitäre Lage in Gaza ein. Zudem wird Israel aufgefordert, von der angekündigten Bodenoffensive in Rafah abzusehen.
Doch auch dieser Formelkompromiss ist fragil. “Wer hier an einem Faden zieht, riskiert, dass sich der gesamte Pullover auflöst”, warnt ein hochrangiger EU-Diplomat. Scholz räumte die Meinungsunterschiede ein. Er hoffe aber, “dass es gelingt, einen gemeinsamen Text zustande zu bringen, der Geschlossenheit zum Ausdruck bringt”.
Ebenfalls für Diskussionen sorgen dürfte die anstehende Entscheidung, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Einige Länder, insbesondere die baltischen Staaten und Tschechien, knüpfen ihre Zustimmung bislang an schnellere Fortschritte im Beitrittsprozess für die Ukraine und Moldau. Die Niederlande wiederum haben Zweifel daran, ob Bosnien reif ist für die Beitrittsverhandlungen. Ministerpräsident Mark Rutte beharrt daher auf Druck des eigenen Parlaments darauf, dass die eigentlichen Verhandlungen auf technischer Ebene erst beginnen können, wenn Bosnien-Herzegowina alle von der EU-Kommission im Oktober 2022 formulierten Bedingungen erfüllt. Diese Formulierung findet sich nun auch im Entwurf der Schlussfolgerungen wieder.
Die Kommission hatte dem dreigeteilten Land vergangene Woche wichtige Reformfortschritte etwa im Justizsystem attestiert und sich dafür ausgesprochen, die Beitrittsverhandlungen auch mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Die deutsche Bundesregierung schloss sich dem nach voriger Skepsis an. Für die Ukraine und Moldau hatte der Europäische Rat bereits im Dezember den Weg frei gemacht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Die Kommission legte den Mitgliedsstaaten vergangene Woche Vorschläge für den Verhandlungsrahmen vor, die aber beim Gipfel noch kein größeres Thema sein dürften.
Die Behörde veröffentlichte am Mittwoch zudem ein erstes Papier, welche Reformen die EU vor einer Erweiterung selbst durchlaufen sollte. In der Bundesregierung wird die Mitteilung als wichtiges Signal begrüßt, das die Debatte vorantreibe. Darüber vertieft diskutieren wollen die Staats- und Regierungschefs aber erst bei ihrem Juni-Gipfel. Allerdings dürfte Ratspräsident Charles Michel deutlicher machen, wie er den Diskussionsprozess zu strukturieren gedenkt.
Keine Bewegung gibt es in der Migrationspolitik. Geplant ist lediglich eine Bestandsaufnahme. Zudem will der Europäische Rat die neuen Partnerschaftsabkommen mit Mauretanien und Ägypten würdigen. Diese Partnerschaften müssten noch verstärkt und ausgeweitet werden, heißt es im Gipfel-Entwurf. Auf die massive Kritik von Menschenrechts-Organisationen geht der Entwurf nicht ein.
Die Staats- und Regierungschefs werden sich erneut mit den Bauern beschäftigen, die in vielen Mitgliedstaaten lautstark protestieren und auch im Europaviertel wieder präsent sein werden. “Wir hören das Signal”, heißt es in Kreisen der Bundesregierung. Konkret werden sich die Gipfel-Teilnehmer hinter die jüngsten Entlastungsvorschläge der Kommission stellen und auf eine schnelle Umsetzung drängen.
Die Behörde hatte vergangene Woche vorgeschlagen, mehrere Umweltvorgaben innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik, die sogenannten GLÖZ-Standards, bis zum Ende der Förderperiode 2027 deutlich zu lockern. Zudem nimmt sie zusätzliche Maßnahmen in den Blick, um die Position der Bauern in der Lieferkette zu stärken. Dabei dürften aber nicht die Ziele des Green Deals infrage gestellt werden, heißt es mahnend aus Berlin.
Am Freitag werden die Staats- und Regierungschefs sich ein oder zwei Stunden Zeit nehmen für den Euro-Gipfel, an dem auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Eurogruppenpräsident Paschal Donohoe teilnehmen. Donohoe wird die Arbeit der Eurogruppe zur Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion vorstellen.
Die Finanzminister hatten sich im März auf einen vagen Forderungskatalog geeinigt, wobei einige Regierungen schneller vorangehen wollen. Das Resultat wird eine gemeinsame Erklärung sein, in der die Regierungschefs sich für Fortschritte bei der Kapitalmarktunion aussprechen werden. Ziel sei es, “ein bisschen neue Dynamik zu entfachen”, heißt es in Berlin. János Allenbach-Ammann, Eric Bonse, Julia Dahm, Till Hoppe, Stephan Israel
Frau Kallas, Sie fordern, dass EU- und Nato-Staaten mehr Geld in Verteidigung investieren sollen. Wie konsensfähig ist das im Kreis der Staats- und Regierungschefs?
Meine Kollegen, die bessere Nachbarn als wir in Estland haben, tun sich natürlich schwer, ihrer Bevölkerung zu erklären, dass stärker in Verteidigung investiert werden muss. In Friedenszeiten kann man das Geld der Steuerzahler in vieles andere lenken, in Bildung, in Soziales. Das Problem ist, dass es bei Verteidigung zu spät ist für die Investitionen, wenn man sie tatsächlich braucht. Wir haben jetzt schon eine Krise bei der Verteidigung.
Sie haben Eurobonds vorgeschlagen für Investitionen in die Verteidigung nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds. Erwarten Sie beim EU-Gipfel nun einen konkreten Fortschritt?
Wir machen Babyschritte. Ich habe am Dienstag Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin getroffen, und wir suchen nach Lösungen, die für alle akzeptabel sind. Ich kann mit einem anderen Weg leben, solange wir Investitionen in den Verteidigungssektor bringen. Auch privates Kapital muss stärker dorthin fließen.
Ist europäischen Politikern der Grad der Bedrohung bewusst, der von Russland ausgeht?
Als der Krieg 2022 begann, war ich sicher, dass alle Nato-Staaten ihre Verteidigungsinvestitionen erhöhen würden, denn die Bedrohung war auf einmal real. Zu meiner Überraschung ist das nicht passiert. Es gab viele Versprechen, aber wenn man sich die Fußnoten ansieht, dann sieht man, dass das Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, oft erst 2030 erreicht wird. Während des Kalten Kriegs gaben Nato-Mitgliedsstaaten bis zu sechs Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus. Jetzt haben wir einen echten Krieg, und manche Länder bewegen sich immer noch nicht.
Wie ernst nehmen Sie die erneute Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Atomwaffen einzusetzen?
Das Ziel ist Einschüchterung, und das funktioniert in manchen Ländern. Ich war vor etwa einem Jahr in Deutschland bei einer Diskussion, bei der ein deutscher Abgeordneter vor einem nuklearen Gegenschlag Russlands warnte. Bei derselben Diskussion wiesen Ukrainer darauf hin, dass Russland Nuklearwaffen gegen die Ukraine einsetzen würde und nicht gegen Deutschland. Wenn die Ukrainer keine Angst hätten, dann sollten die Deutschen auch keine Angst haben.
Können Sie ausschließen, dass Putin zu Atomwaffen greift?
Natürlich nicht, er ist verrückt. Aber sein Hauptziel ist es, uns Angst einzuflößen. Darin sind Russen wirklich gut. Sie haben nichts zu bieten bei Technologie, sind aber sehr gut in Sozialwissenschaften. Genau andersherum als bei den Chinesen.
Wirken die Sanktionen gegen Russland ausreichend?
Es gibt Leute, die sagen, dass die Sanktionen nicht funktionieren. Das ist in Wirklichkeit ein russisches Narrativ. Wir haben konkrete Anzeichen, dass die Sanktionen Wirkung zeigen. Der russische Staatshaushalt weist ein Defizit von 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Und anders als Staaten im Westen kann Russland wegen der Sanktionen kein Geld an den Kapitalmärkten aufnehmen. China leiht Russland auch kein Geld. Gleichzeitig liegen die Zinsen in Russland bei 15 Prozent. Das zeigt, wie die Zentralbank die Situation einschätzt.
Sehen Sie keinen Verbesserungsbedarf bei den Sanktionen?
Natürlich, Estland hat bereits konkrete Vorschläge gemacht. Wir wollen ein totales Einfuhrverbot von verflüssigtem Erdgas (LNG). Und wir haben auch Exportquoten für bestimmte Güter in Drittländer gefordert. Damit würde sichergestellt, dass Technologie aus Europa nicht in Russland landet. Wir sehen hohe Autoexporte nach Kirgisistan. Aber die Leute sind ja dort nicht so reich geworden, dass sie auf einmal zehn Autos pro Familie besitzen.
Die EU will neue Mitglieder aufnehmen, aber mit 30 und mehr Staaten am Tisch kann es nicht bei dem bisherigen Abstimmungsmechanismus bleiben. Könnten Sie mit einem Abschied von der Einstimmigkeit in bestimmten Bereichen leben?
Ich komme aus einem kleinen Land, das 50 Jahre lang keine Stimme hatte. Für uns ist es wichtig, dass wir gehört und von den großen Ländern nicht überrollt werden können. Deshalb würde ich die Einstimmigkeit nur sehr ungern aufgeben. Wobei Estland sein Veto noch nie genutzt hat. Wir bemühen uns immer, konstruktiv zu sein und einen Kompromiss zu finden.
Nach der Europawahl sind in der EU zahlreiche Topjobs zu vergeben. Würde Sie eine Aufgabe in Brüssel reizen?
Ich bin Ministerpräsidentin Estlands. Aber in der Politik ist alles möglich. Und ich habe in meinem Land so viele schwierige Entscheidungen getroffen, dass ich politischen Selbstmord begangen habe.
Das Interview führte Silke Wettach.
Europäische Unternehmen in China geraten zunehmend unter Druck. EU-Handelskammerchef Jens Eskelund fasste die Situation am Mittwoch durch einen Vergleich mit Nachhall zusammen: Die Handelsbeziehungen zwischen Brüssel und Peking entwickelten sich derzeit zu einem “Zugunfall in Zeitlupe”, sagte Eskelund bei der Vorstellung des Kammer-Berichts zu wirtschaftlicher Sicherheit in einem zunehmend geopolitisch aufgeladenen Umfeld (“Riskful Thinking: Navigating the Politics of Economic Security”) in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma China Macro Group.
Chinas auf Export ausgelegtes Wachstum mit den aktuellen Überkapazitäten drohe langfristig, europäische Industriezweige wie die Solar- und E -Fahrzeugbranche auszuhöhlen und einen neuen Handelskrieg heraufzubeschwören, warnt die EU-Kammer in ihrem Bericht. Er denke nicht, dass Europa eine Deindustrialisierung akzeptieren werde, weil China seine Überkapazitäten exportiere, sagt Eskelund. “Es muss bald etwas passieren.”
Wegen des stärker als im Vorjahr politisierten Geschäftsklimas müssten die Unternehmen mehr Kapazitäten für die Risikoprävention verwenden, schreibt die EU-Handelskammer. Die Ressourcen könnten besser in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen investiert werden, anstatt die Budgets für Risikobewertungen und Compliance-Maßnahmen zu erhöhen. Die Situation in der Volksrepublik führe zu erheblichen Effizienzverlusten für die Unternehmen. Das erhöhe die Betriebskosten, beeinträchtige Innovation und führe letztendlich zu höheren Kosten, die an die Verbraucher weitergegeben würden. Der chinesische Markt sei weniger vorhersehbar geworden.
Sorge bereite auch das rechtliche Umfeld in der Volksrepublik: “Der Aufbau von Chinas umfassendem rechtlichen Instrumentarium zur Vergeltung gegen das, was es als ausländische Einmischung und Langarm-Gerichtsbarkeit ansieht, ermöglicht es der chinesischen Regierung, bestimmte ausländische Unternehmen oder Einzelpersonen zu sanktionieren und dadurch deren Geschäfte in China zu stören, indem sie beispielsweise ihre Investitionen oder ihren Marktzugang in China einschränken”, schreiben die Analysten in ihrem Bericht.
Auch die Vorgaben für mehr “local content” zeigten ihren Effekt: Im Zuge der Bemühungen Chinas zur Eigenständigkeit seien einige Importe mithilfe von Anreizen oder “Druck” auf Provinz- oder Kommunalebene durch chinesische oder in China ansässige Lieferanten ersetzt worden, was zu “deutlichen Nachteilen” für europäische Unternehmen geführt habe. Als Beispiel nennt der Bericht die öffentliche Beschaffung für IT-Hardware oder medizinische Geräte.
Es sei selbstverständlich, dass alle globalen Akteure danach strebten, die Sicherheit ihrer jeweiligen Volkswirtschaften zu gewährleisten, sagte Eskelund. Das sollte aber auf eine Weise geschehen, die die Geschäftstätigkeit möglichst wenig beeinträchtige. “Maßnahmen, die im Namen des Risikomanagements und der Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit ergriffen werden, sollten verhältnismäßig, zielgerichtet und präzise sein und dürfen niemals als Deckmantel für Protektionismus dienen.” Peking müsse zudem dringend das Thema der Überkapazitäten angehen.
Dass in China Überkapazitäten auftreten, liege bislang daran, dass es in der Volksrepublik keine Marktmechanismen gebe, sagte ein früherer Präsident der EU-Kammer in China laut dpa bei einer Diskussionsrunde am Mittwoch. Ihm zufolge müssten von den ungefähr 150.000 Staatsunternehmen und den etwa 140 Autofirmen viele pleitegehen, was jedoch wegen lokaler Subventionen nicht passiere. Das Problem von zu viel Angebot könne daher nur ernsthaft angegangen werden, wenn Firmen wie in einer Marktwirtschaft bankrottgingen.
Chinas Industriepolitik unterstütze zudem zu stark die Hersteller auf der Angebotsseite und nicht die Konsumentenseite, sagte demnach ein weiterer Ex-Präsident der Kammer. “Wenn du Subventionen einsetzen willst, gib sie dem Konsumenten. Das hilft, die Probleme zu verhindern, in die China geraten ist”, sagte er.
Erhöhte Industrieinvestitionen gepaart mit mangelnder Binnennachfrage und niedrigem Konsum hatten zu der Überkapazität chinesischer Industriegüter geführt. Die wirtschaftlichen Aktivitäten in China, einschließlich Konsum und Industrieproduktion, hatten sich in den ersten beiden Monaten des Jahres besser, als erwartet erholt. Es gibt aber Bedenken, dass die Erholung nur von kurzer Dauer sein könnte.
Brüssel versucht derzeit, gegen das erhebliche Handelsdefizit der EU mit China anzugehen. Dieses hatte im Jahr 2022 den Rekordwert von rund 400 Milliarden Euro erreicht. Im vergangenen Jahr sank es dann auf rund 290 Milliarden Euro, wie aus Daten der EU-Kommission hervorgeht. Generell sank der Handel zwischen Volksrepublik und EU zuletzt, auch im laufenden Jahr: In den ersten beiden Monaten des Jahres ging laut chinesischer Zolldaten der gesamte Handel zwischen EU und China im Vergleich zum Vorjahr um 4,1 Prozent zurück.
Die Spannungen zwischen China und der Europäischen Union hatten sich verschärft, als Brüssel im vergangenen Oktober eine Anti-Subventionsuntersuchung zu Chinas Exporten von Elektrofahrzeugen eingeleitet hatte. Die Importe von E-Fahrzeugen in die EU waren zu Beginn des Jahres um gut ein Drittel gesunken. Die EU-Kommission hat mit der Registrierung der Importe begonnen, um Hamsterkäufe vor möglichen temporären Zöllen ab Juli zu verhindern.
22.03.2024 – 09:30-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
FES, Conference Navigating through the poly-crisis: Towards a global pact for a better future for people and the planet
Ahead of the UN Summit of the Future in September 2024, the Friedrich-Ebert-Foundation (FES) will gather policymakers, experts, civil society and youth to reflect on the key findings of the upcoming report ‘For a New Global Deal. Preparing the Summit of the Future’ which aims to spark discussion about the priorities of reforming global governance regarding UN reforms to address current global challenges, notably climate change, poverty and sustainable development. INFO
22.03.2024 – 10:00-12:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable The Future of Agriculture in the EU ETS
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) aims to explore together with stakeholders and policy makers what role agriculture can play in reaching net zero emissions, with a focus on its potential extension to carbon pricing. INFO & REGISTRATION
22.03.2024 – 11:00-12:00 Uhr, online
ECFR, Seminar Insight Ukraine: How Europeans can support the fight for Europe
The European Council on Foreign Relations (ECFR) will provide a deep dive into current developments in Ukraine and discuss with an expert panel how European leaders can support democratization and best structure and coordinate their military support. INFO & REGISTRATION
22.03.2024 – 16:00-17:00 Uhr, online
ECFR, Seminar Personnel is Policy: Republican Plans for an Administrative Overhaul under Trump 2.0
Looking at the possibility of Donald Trump winning the presidency in November 2024, the European Council on Foreign Relations (ECFR) will discuss the plans for an administrative overhaul during a second Trump administration and discuss what they mean for America and Europe. INFO & REGISTRATION
26.03.2024 – 10:00-14:00 Uhr, online
ZIA, Workshop ESG und Green Lease Nachhaltigkeit und Umweltschutz in gewerblichen Mietverträgen
Der Kurs des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) behandelt die Hintergründe, Grundlagen und Anwendungsbereiche von Green Lease Klauseln in gewerblichen Mietverträgen und stellt dabei praxisnahe Beispiele sowie mögliche Regelungsempfehlungen vor. INFOS & ANMELDUNG
Bei den Europawahlen 2019 gingen die europäischen Liberalen mit sieben Kandidaten aus sieben verschiedenen Ländern an den Start, dieses Jahr sind es drei: Valérie Hayer für Renaissance, Marie-Agnes Strack-Zimmermann für die ALDE-Partei und Sandro Gozi für die Europäische Demokratische Partei.
Die deutsch-französische Handschrift dieses Trios ist eindeutig. Zwei Kandidaten, Valérie Hayer und Sandro Gozi, gehören zum Lager des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, während Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der deutschen FDP die Spitzenkandidatin der größten der drei Parteien, der ALDE, ist.
Unter dem Motto “Renew Europe Now” haben die europäischen Liberalen zehn Prioritäten definiert. Es sind Punkte, an denen sie “die Transformation Europas” fortsetzen wollen, erklärte Sandro Gozi. “Die Verteidigung ist unsere höchste Priorität und deshalb wollen wir die EU mit den militärischen Mitteln ausstatten”, fuhr er fort.
Das Thema Verteidigung bot Strack-Zimmermann die Gelegenheit, die derzeitige Position Berlins in der Frage der Unterstützung der Ukraine zu kritisieren. Es gebe in Deutschland im Moment viele Irritationen in dieser Diskussion, “besonders meine Generation ist sehr irritiert”, sagte die Verteidigungsexpertin. “Es geht darum, Europa zusammenzuhalten und zu sichern, und es ist definitiv nicht die Aufgabe der Sozialdemokraten, über das Einfrieren von Konflikten zu sprechen“, betonte sie.
Die Europaabgeordnete Hayer, Vorsitzende von Renew und Kandidatin von Renaissance, dem französischen Zweig von Renew, betonte den “historischen” Moment, den die bevorstehenden Europawahlen darstellten. Eine Rhetorik, die sie bereits bei der Eröffnung ihrer Kampagne in Frankreich am 9. März verwendet hatte und die dazu dient, das politische Lager in Europa-Befürworter und Demokraten auf der einen Seite und Europa-Gegner und Rechtsextreme auf der anderen Seite zu unterteilen.
“Es gibt keinen Flirt, keine Zweideutigkeit in Bezug auf die Populisten“, sagte sie. “Das nächste europäische Playbook wird mit uns geschrieben werden. Wir haben den Kampf gegen die extreme Rechte in unserer DNA.” cst
Die Verhandler von EU-Parlament und Rat haben sich am frühen Mittwochmorgen darauf geeinigt, den Freihandel mit der Ukraine zu verlängern, künftig aber stärker einzuschränken als ursprünglich vorgeschlagen. Kernforderungen der Landwirte, die die Konkurrenz durch günstigere Einfuhren kritisieren, bleiben jedoch außen vor. Auch das Parlamentsplenum hatte, vor allem mit Stimmen aus den Anrainerstaaten der Ukraine, Forderungen nach weitergehenden Schutzmaßnahmen unterstützt.
Dass es der nun gefundenen Einigung zustimmt, ist deshalb nicht sicher. Zwar stimmte der Handelsausschuss am Mittwoch zu, dessen Position spiegelt aber nicht unbedingt die des Plenums wider. Der Ukraine könnte der Faktor Zeit in die Hände spielen. Denn dem Parlamentsplenum bleibt nur noch der April, um zu entscheiden. Lehnt es den Kompromiss dann ab, dürften die Freihandelsmaßnahmen, die für das kriegsgebeutelte Land eine wichtige Einkommensstütze sind, Anfang Juni ersatzlos auslaufen. Das möchte nur eine kleine Minderheit der Abgeordneten.
Die Verhandler wollen die geplante automatische Notbremse für Hühnerfleisch, Zucker und Eier zwar auf Honig, Mais, Hafer und Grütze ausweiten, nicht aber auf Weizen und Gerste, wie von Parlament und Bauern gefordert. Flankiert wird der Kompromiss von einer nicht bindenden Zusicherung der Kommission, die Getreideimporte “genau zu überwachen” und, wenn nötig, weitere Maßnahmen zu ergreifen.
Auch die Forderung, die Bremse bereits ab einer geringeren Einfuhrmenge greifen zu lassen, findet sich nicht in der Einigung. Stattdessen bleibt es beim von der Kommission vorgeschlagenen Schwellenwert, der auf der durchschnittlichen Einfuhrmenge von 2022 und 2023 basiert. Scharfe Kritik kommt vom Bauernverband Copa Cogeca.
Neben dem Parlament müssen auch die nationalen Minister der Einigung noch zustimmen. Eine ursprünglich für Mittwoch angesetzte erste Abstimmung der EU-Botschafter soll erst nächste Woche stattfinden, weil mehrere Länder mehr Zeit einforderten, um den Kompromiss zu prüfen. Eine Mehrheit im Rat gilt aber als wahrscheinlich. jd
Um verspätete Zahlungen im Geschäftsverkehr bekämpfen, hat am Mittwoch hat der Binnenmarkt-Ausschuss des Parlaments seine Position zur Late-Payment-Verordnung beschlossen. Der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab rief das Parlament gestern dazu auf, den Bericht im Plenum abzulehnen. Dieser sei nicht mit deutschem Recht vereinbar.
Schwab stört sich vor allem an der geplanten Art der Rechtsdurchsetzung: “Statt dafür zu sorgen, dass Gläubiger durch einfache Gerichtsverfahren schneller an einen Zahlungstitel kommen, will die Berichterstatterin die Zahlungsmoral der Unternehmen unter Verwaltungsaufsicht stellen.” Bei Zahlungsverzug im B2B-Bereich sollen Unternehmen künftig eine Behörde anrufen können. Zuständig seien bisher in Deutschland allein die Zivilgerichte.
Für Geschäfte zwischen Unternehmen oder mit öffentlichen Auftraggebern soll der Parlamentsposition zufolge künftig eine strengere Regelfrist von 30 Tagen gelten. Im B2B-Bereich kann die Zahlungsfrist vertraglich auf 60 Tage verlängert werden. Für bestimmte Güter wie Schmuck und Bücher sollen auch 120 Tage zulässig sein. Auch die Höhe von Mahn- und Inkassogebühren soll standardisiert werden. Die Position des Rates steht noch aus. ber
Die EU-Kommission hat bei ihrer Mittwochsitzung einen Vorschlag für eine neue Richtlinie über Praktika sowie eine Reform der Ratsempfehlung zu Praktika verabschiedet. Zusammen sollen die Vorschläge laut Kommission für bessere Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung sorgen.
Mit den Vorschlägen reagiert die Kommission auf Druck vom Europäischen Parlament und von Gewerkschaften, die unbezahlte Praktika verbieten wollten, weil diese gegen Berufseinsteiger aus benachteiligten Familien diskriminierten. Im Juni 2013 hatte das Europäische Parlament die Kommission in einem Bericht aufgefordert, eine neue Richtlinie auszuarbeiten.
Die Richtlinie bestimmt, dass Praktikanten bezüglich Arbeitsbedingungen und Lohn im Vergleich zu vergleichbaren Mitarbeitern im gleichen Unternehmen nicht diskriminiert werden dürfen. Ein niedrigerer Lohn und andere Unterschiede sind laut Kommissionsvorschlag nur dann akzeptabel, wenn die Praktikanten weniger Verantwortung oder weniger Arbeitslast haben, oder von einer Ausbildungskomponente profitieren können.
Die Richtlinie verbietet unbezahlte Praktika nicht explizit. Daten der europäischen Arbeitskräfte-Umfrage aus 2019 schätzen die Anzahl unbezahlter Praktikanten EU-weit auf circa 1,5 Millionen, was etwa der Hälfte aller Praktikanten entspricht. Nur in der rechtlich weniger starken Ratsempfehlung hält die Kommission fest, dass Praktika “fair entlohnt” werden sollen.
Neben der Entlohnung geht die Richtlinie auch gegen Scheinpraktika vor. Behörden sollen prüfen, ob es sich bei Praktika in Wahrheit um ein schlecht oder nicht bezahltes Beschäftigungsverhältnis handelt. Zudem sollen Mitgliedstaaten die Maximaldauer von Praktika gesetzlich regulieren. Die Richtlinie wird voraussichtlich ab Herbst vom neu gewählten Parlament behandelt werden. jaa
Unternehmen in Deutschland machen sich zunehmend Sorgen um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Europäischen Union. Der Standort EU verliere an Attraktivität, sagte Freya Lemcke, Leiterin der Vertretung der Deutschen Industrie- und Handelskammer bei der EU, am Mittwoch in Berlin unter Verweis auf eine Firmenumfrage. Sie sprach wenige Monate vor den Europawahlen im Juni von einem alarmierenden Signal.
Nach der Umfrage ist nach Einschätzung von 56 Prozent der Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit der EU als Unternehmensstandort in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen. “Europa läuft trotz der grundlegend guten Ausgangslage Gefahr, im internationalen Wettbewerb an Boden zu verlieren. Dieser Trend muss umgehend gestoppt werden”, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.
Der Abbau von Bürokratie ist mit Abstand die dringlichste Aufgabe für die neue EU-Kommission und das neue Europaparlament, wie die Umfrage ergab – das sagten 95 Prozent der Firmen. Danach folgen die Sicherung der Energieversorgung und der Schutz vor Angriffen, zum Beispiel Cyberattacken. Lemcke sagte, viele Bestimmungen seien realitätsfremd und schwer umzusetzen, vor allem für kleine Unternehmen.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Unternehmen sehen die Stabilität des EU-Wirtschaftsraums als besonders wichtig an. 82 Prozent der Firmen ziehen hieraus einen Nutzen. Gerade in einem schwieriger werdenden außenwirtschaftlichen Umfeld bilde die EU nach wie vor einen wichtigen Anker für Verlässlichkeit und Planbarkeit. dpa
Wenn Europa bis 2050 Netto-Null-Emission erreichen wolle, müsse man anfangen, das Problem der Verkehrsemissionen ernst zu nehmen, heißt es in einer neuen Analyse der Umweltorganisation Transport and Environment (T&E). Seit 1990 seien die verkehrsbedingten Emissionen in Europa um mehr als ein Viertel gestiegen und würden voraussichtlich auch weiter steigen, während die Emissionen der Gesamtwirtschaft bereits sänken.
2030 werde der Verkehr fast die Hälfte aller Treibhausgasemissionen in Europa ausmachen, so T&E. “Unter den derzeitigen klimapolitischen Maßnahmen könnte der Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen insgesamt von heute 29 Prozent auf 44 Prozent im Jahr 2030 steigen.”
T&E pocht daher auf:
T&E untersuchte in der Analyse “The State of European Transport” auch die derzeitigen EU-Regulierungen für den Sektor. Demnach würden die Verkehrsemissionen 2040 nur um 25 Prozent und 2050 um 62 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringert werden. 2040 will die EU-Kommission ihre Emissionen bereits um 90 Prozent gegenüber 1990 gesenkt haben, 2050 muss Europa klimaneutral sein. luk
Der irische Regierungschef Leo Varadkar hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt. In einer emotionalen Stellungnahme in Dublin nannte der liberal-konservative Politiker am Mittwoch “sowohl persönliche als auch politische Gründe”. Der 45-Jährige will das Land noch interimsweise führen, bis nach der Osterpause eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt ist. Als Kandidaten gelten unter anderem der Minister für öffentliche Ausgaben, Paschal Donohoe, sowie Handelsminister Simon Coveney. Den Vorsitz seiner Partei Fine Gael legte Varadkar mit sofortiger Wirkung nieder.
“Ich bin sicher, dass die Wiederwahl dieser Drei-Parteien-Regierung das Richtige für die Zukunft unseres Landes sein wird”, sagte der scheidende Taoiseach, wie das Amt des Regierungschefs offiziell auf Irisch heißt. Die nächste Parlamentswahl muss spätestens zu Frühlingsbeginn 2025 erfolgen. “Nach sorgfältiger Überlegung und einigem Nachdenken glaube ich, dass ein neuer Taoiseach besser in der Lage sein wird als ich, dies zu erreichen. Nach sieben Jahren im Amt denke ich, dass ich nicht mehr die richtige Person dafür bin.”
Varadkar hat die irische Politik in den vergangenen Jahren geprägt. Mit seinem unkonventionellen Stil eckte der Sohn eines Inders und einer Irin oft an, der Politiker scheute klare Worte nicht und trat immer wieder in Fettnäpfchen. Doch seine moderne Amtsführung öffnete die streng katholische Gesellschaft nach Ansicht von Kommentatoren auch weiter. Er sei stolz, dass er beigetragen habe, Irland moderner und gleichberechtigter zu machen, sagte er in seiner Rücktrittsankündigung.
Zuletzt hatte die Regierung bei zwei Volksabstimmungen eine krachende Niederlage erlitten. Gegen ihre Empfehlung stimmte eine Mehrheit gegen Verfassungsänderungen, die veraltete und sexistische Sprache ändern sollten. So sollte der Familienbegriff erweitert werden, damit auch unverheiratete Paare explizit eingeschlossen sind. Außerdem sollten Formulierungen wie “häusliche Pflichten” der Frau ersetzt werden.
Varadkar betonte, er habe noch keinen Plan für die Zukunft. Berichten zufolge könnte Varadkar nach der Europawahl im Juni aber auf einen Posten in der EU-Kommission spekulieren. dpa
Die französische Wettbewerbsbehörde hat am Mittwoch mitgeteilt, dass sie Google mit einer Geldstrafe von 250 Millionen Euro belegt. Die Autorité de la Concurrence wirft Google Verstöße im Zusammenhang mit den EU-Urheberrechtsregeln vor. Dabei geht es unter anderem um KI-Dienste des Unternehmens.
Die Behörde sagte, dass Google seinen KI-gestützten Chatbot Bard – der mittlerweile Gemini heißt – mit Inhalten von Verlagen und Nachrichtenagenturen trainiert hat, ohne diese zu informieren. Google habe zugesagt, die Fakten im Rahmen von Vergleichsverfahren nicht anzufechten, teilte die Behörde mit. Das Unternehmen habe auch eine Reihe von Abhilfemaßnahmen für bestimmte Mängel vorgeschlagen. Googles Büro in Frankreich antwortete zunächst nicht auf eine Anfrage nach einem Kommentar.
Die Geldstrafe steht im Zusammenhang mit einem Urheberrechtsstreit über Online-Inhalte in Frankreich. Der Fall wurde durch Beschwerden einiger der größten Nachrichtenorganisationen des Landes, darunter Agence France Presse (AFP), ausgelöst. Der Streit schien 2022 beigelegt zu sein. Damals zog das US-Unternehmen seine Berufung gegen eine anfängliche Geldstrafe von 500 Millionen Euro zurück, die am Ende einer großen Untersuchung von der Autorité de la Concurrence ausgesprochen wurde.
In der Erklärung vom Mittwoch sagte die Behörde jedoch, Google habe die Bedingungen von vier der sieben im Vergleich vereinbarten Verpflichtungen verletzt, einschließlich der Durchführung von Verhandlungen mit Verlagen in gutem Glauben und der Bereitstellung von transparenten Informationen.
Die Behörde zitierte insbesondere Googles KI-Chatbot Bard, der 2023 gestartet wurde und sagte, er sei mit Daten von unbestimmten Medien und Nachrichtenagenturen trainiert worden, ohne dass das Unternehmen diese oder die Regulierungsbehörde informierte. “Daraufhin verknüpfte Google die Nutzung der betreffenden Inhalte
mit seinem KI-Dienst mit der Anzeige von geschützten Inhalten”, schrieb die Behörde und fügte hinzu, dass Google damit Verlage und Presseagenturen daran hindere, faire Preise zu verhandeln.
Die Geldstrafe kommt zu einer Zeit, in der viele Verlage, Schriftsteller und Redaktionen versuchen, das Scraping (die automatisierte Datensammlung) ihrer Online-Inhalte durch KI-Dienste ohne ihre Zustimmung oder faire Entschädigung zu begrenzen. Die New York Times verklagte Googles Rivalen Microsoft und OpenAI (den Entwickler der KI-Plattform ChatGPT) 2023 mit der Anschuldigung, sie hätten Millionen von Artikeln der Zeitung ohne Erlaubnis verwendet, um Chatbots zu trainieren. rtr
diese Woche beginnen die internationalen Klima-Gespräche, die im November in Baku in die COP29 münden werden. In Kopenhagen kommen heute und morgen über 30 Ministerinnen und Sonderberater zum informellen Copenhagen Climate Ministerial (CCM) zusammen. Auch EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra ist vor Ort, um zum ersten Mal seit der letzten COP in Dubai über das zu sprechen, was in Baku beschlossen werden soll.
Das wichtigste Thema in diesem Jahr ist die Klimafinanzierung. Das 100-Milliarden-Dollar-Ziel, mit dem die reichen Industrienationen seit 2020 jedes Jahr die Entwicklungsländer unterstützen sollen, läuft in diesem Jahr aus. Ein neues Finanzierungsziel muss her. Ohnehin hat das bisherige Ziel für mehr Enttäuschung als Zuversicht im Kampf gegen den Klimawandel bei den Empfängerländern gesorgt, denn es wurde in den ersten drei Jahren schlicht nicht erreicht.
Das neue Ziel soll die 100 Milliarden weit übertreffen. Von bis zu 2,4 Billionen Dollar aus staatlichen und privaten Quellen ist die Rede. Die reichen Industrienationen, zu denen auch die europäischen Länder gehören, werden voraussichtlich auch weiterhin die Hauptlast tragen. Doch in Kopenhagen werden auch die Diskussionen über neue Geberländer vorangetrieben. Im Blickpunkt: China und die reichen Ölstaaten im Nahen Osten.
Eine Entscheidung über Geberländer und die Höhe der Summe wird es in Kopenhagen nicht geben, aber es dürften erste Gespräche über die Architektur des neuen Ziels stattfinden – hinter verschlossenen Türen allerdings. Die ersten öffentlichen Diskussionen im COP-Prozess folgen beim Petersberger Klimadialog in Berlin (voraussichtlich im Mai) und bei der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn im Juni.
Selten bekommt die EU-Kommission vor einem Gipfel so viel Lob. Unter den Mitgliedstaaten gab es viel Erleichterung, dass der Vorschlag zur Nutzung der russischen Zentralbankgelder jetzt endlich auf dem Tisch liegt: Es sei richtig, die “Windfall profits” für die Ukraine zu verwenden, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Er werde am Gipfel darauf dringen, die Mittel schnell dafür zu nutzen, was das Land am dringendsten brauche: Waffen und Munition.
EU-Diplomaten sprachen von einem “kraftvollen Vorschlag”. Nicht nur in Berlin war die Skepsis angesichts dieser Premiere und der möglichen Risiken für die Stabilität der Eurozone lange groß gewesen. Nun ist man froh, dass die Juristen einen Weg gefunden haben. Dass die zunächst knapp drei Milliarden Euro pro Jahr zu 90 Prozent für Rüstung und nicht für den Wiederaufbau gesteckt werden sollen, wird in den meisten Hauptstädten akzeptiert. An Wiederaufbau sei derzeit ohnehin nicht zu denken, heißt es von Diplomaten.
Die Erleichterung dürfte auch damit zu tun haben, dass die Mitgliedstaaten derzeit um jeden Euro froh sind, um eine Ukraine in der Defensive zu unterstützen. Im Hintergrund spielt zudem der Druck der USA eine Rolle, der Ukraine auch die Zentralbankgelder selbst zukommen zu lassen. Mit der Entscheidung, bei den Erträgen rasch Ernst zu machen, möchte man hier etwas Druck herausnehmen. Nun müsse noch der Widerstand Ungarns überwunden werden, heißt es in Brüssel. Skepsis gibt es auch bei den neutralen Mitgliedstaaten Österreich und Malta.
Eine erste Diskussion wird es am Gipfel auch zum Kommissionsvorschlag des Programms zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie (EDIP) und der übergreifenden Strategie (EDIS) geben. Es müsse mehr gemeinsam eingekauft werden, was Beschaffungen auch billiger machen werde, sagte Scholz. “Ohne dass da eine neue Kompetenz der Europäischen Union entsteht, muss aber doch vieles von dem bürokratischen Gegeneinander abgeschafft werden, das eine wirkliche Zusammenarbeit verhindert.”
Vor einigen Jahren sei es Industriepolitik in Europa tabu gewesen, betont ein hochrangiger Diplomat. Nun sei es möglich, über eine Strategie für die europäische Rüstungsindustrie zu reden – das sei doch ein großer Schritt. Wie EDIP finanziell besser ausgestattet werden kann, dürfte auch am Gipfel für Thema sein. So entwickelt sich die Diskussion in die Richtung, die Regeln der Europäische Investitionsbank zu ändern, um diese stärker zur Finanzierung rüstungsnaher Projekte einsetzen zu können.
Gastgeber Charles Michel hatte im Vorfeld per Gastbeitrag dafür plädiert, “Europäische Verteidigungsanleihen” auszugeben. Sparsame Staaten wie Deutschland oder die Niederlande reagieren aber reserviert: Der Ratspräsident sei “der Debatte etwas vorausgeeilt”, heißt es in Berliner Regierungskreisen.
Eine Enttäuschung dürfte der EU-Gipfel für Uno-Generalsekretär António Guterres und die Anhänger einer aktiveren Nahostpolitik werden. Guterres wird zwar zum Beginn des Treffens zu einem Mittagessen empfangen. Doch bei den Themen, die ihm am Herzen liegen – Unterstützung für die UN-Hilfsorganisation UNWRA und ein humanitärer Waffenstillstand in Gaza – zeichnet sich keine Einigung ab.
Kanzler Scholz lehnt die Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe ab. Erst müsse es ein Abkommen zur Freilassung der Hamas-Geiseln geben, heißt es in Berlin, das sich damit gegen die Mehrheit der EU-Staaten stellt.
Vor allem Spanien und Irland fordern mehr Druck auf Israel. Sie konnten sich jedoch schon beim Treffen der EU-Außenminister am Montag nicht durchsetzen. Beim Gipfel zeichnet sich keine Änderung ab. Der Beschlussentwurf geht vor allem auf die katastrophale humanitäre Lage in Gaza ein. Zudem wird Israel aufgefordert, von der angekündigten Bodenoffensive in Rafah abzusehen.
Doch auch dieser Formelkompromiss ist fragil. “Wer hier an einem Faden zieht, riskiert, dass sich der gesamte Pullover auflöst”, warnt ein hochrangiger EU-Diplomat. Scholz räumte die Meinungsunterschiede ein. Er hoffe aber, “dass es gelingt, einen gemeinsamen Text zustande zu bringen, der Geschlossenheit zum Ausdruck bringt”.
Ebenfalls für Diskussionen sorgen dürfte die anstehende Entscheidung, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Einige Länder, insbesondere die baltischen Staaten und Tschechien, knüpfen ihre Zustimmung bislang an schnellere Fortschritte im Beitrittsprozess für die Ukraine und Moldau. Die Niederlande wiederum haben Zweifel daran, ob Bosnien reif ist für die Beitrittsverhandlungen. Ministerpräsident Mark Rutte beharrt daher auf Druck des eigenen Parlaments darauf, dass die eigentlichen Verhandlungen auf technischer Ebene erst beginnen können, wenn Bosnien-Herzegowina alle von der EU-Kommission im Oktober 2022 formulierten Bedingungen erfüllt. Diese Formulierung findet sich nun auch im Entwurf der Schlussfolgerungen wieder.
Die Kommission hatte dem dreigeteilten Land vergangene Woche wichtige Reformfortschritte etwa im Justizsystem attestiert und sich dafür ausgesprochen, die Beitrittsverhandlungen auch mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Die deutsche Bundesregierung schloss sich dem nach voriger Skepsis an. Für die Ukraine und Moldau hatte der Europäische Rat bereits im Dezember den Weg frei gemacht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Die Kommission legte den Mitgliedsstaaten vergangene Woche Vorschläge für den Verhandlungsrahmen vor, die aber beim Gipfel noch kein größeres Thema sein dürften.
Die Behörde veröffentlichte am Mittwoch zudem ein erstes Papier, welche Reformen die EU vor einer Erweiterung selbst durchlaufen sollte. In der Bundesregierung wird die Mitteilung als wichtiges Signal begrüßt, das die Debatte vorantreibe. Darüber vertieft diskutieren wollen die Staats- und Regierungschefs aber erst bei ihrem Juni-Gipfel. Allerdings dürfte Ratspräsident Charles Michel deutlicher machen, wie er den Diskussionsprozess zu strukturieren gedenkt.
Keine Bewegung gibt es in der Migrationspolitik. Geplant ist lediglich eine Bestandsaufnahme. Zudem will der Europäische Rat die neuen Partnerschaftsabkommen mit Mauretanien und Ägypten würdigen. Diese Partnerschaften müssten noch verstärkt und ausgeweitet werden, heißt es im Gipfel-Entwurf. Auf die massive Kritik von Menschenrechts-Organisationen geht der Entwurf nicht ein.
Die Staats- und Regierungschefs werden sich erneut mit den Bauern beschäftigen, die in vielen Mitgliedstaaten lautstark protestieren und auch im Europaviertel wieder präsent sein werden. “Wir hören das Signal”, heißt es in Kreisen der Bundesregierung. Konkret werden sich die Gipfel-Teilnehmer hinter die jüngsten Entlastungsvorschläge der Kommission stellen und auf eine schnelle Umsetzung drängen.
Die Behörde hatte vergangene Woche vorgeschlagen, mehrere Umweltvorgaben innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik, die sogenannten GLÖZ-Standards, bis zum Ende der Förderperiode 2027 deutlich zu lockern. Zudem nimmt sie zusätzliche Maßnahmen in den Blick, um die Position der Bauern in der Lieferkette zu stärken. Dabei dürften aber nicht die Ziele des Green Deals infrage gestellt werden, heißt es mahnend aus Berlin.
Am Freitag werden die Staats- und Regierungschefs sich ein oder zwei Stunden Zeit nehmen für den Euro-Gipfel, an dem auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Eurogruppenpräsident Paschal Donohoe teilnehmen. Donohoe wird die Arbeit der Eurogruppe zur Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion vorstellen.
Die Finanzminister hatten sich im März auf einen vagen Forderungskatalog geeinigt, wobei einige Regierungen schneller vorangehen wollen. Das Resultat wird eine gemeinsame Erklärung sein, in der die Regierungschefs sich für Fortschritte bei der Kapitalmarktunion aussprechen werden. Ziel sei es, “ein bisschen neue Dynamik zu entfachen”, heißt es in Berlin. János Allenbach-Ammann, Eric Bonse, Julia Dahm, Till Hoppe, Stephan Israel
Frau Kallas, Sie fordern, dass EU- und Nato-Staaten mehr Geld in Verteidigung investieren sollen. Wie konsensfähig ist das im Kreis der Staats- und Regierungschefs?
Meine Kollegen, die bessere Nachbarn als wir in Estland haben, tun sich natürlich schwer, ihrer Bevölkerung zu erklären, dass stärker in Verteidigung investiert werden muss. In Friedenszeiten kann man das Geld der Steuerzahler in vieles andere lenken, in Bildung, in Soziales. Das Problem ist, dass es bei Verteidigung zu spät ist für die Investitionen, wenn man sie tatsächlich braucht. Wir haben jetzt schon eine Krise bei der Verteidigung.
Sie haben Eurobonds vorgeschlagen für Investitionen in die Verteidigung nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds. Erwarten Sie beim EU-Gipfel nun einen konkreten Fortschritt?
Wir machen Babyschritte. Ich habe am Dienstag Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin getroffen, und wir suchen nach Lösungen, die für alle akzeptabel sind. Ich kann mit einem anderen Weg leben, solange wir Investitionen in den Verteidigungssektor bringen. Auch privates Kapital muss stärker dorthin fließen.
Ist europäischen Politikern der Grad der Bedrohung bewusst, der von Russland ausgeht?
Als der Krieg 2022 begann, war ich sicher, dass alle Nato-Staaten ihre Verteidigungsinvestitionen erhöhen würden, denn die Bedrohung war auf einmal real. Zu meiner Überraschung ist das nicht passiert. Es gab viele Versprechen, aber wenn man sich die Fußnoten ansieht, dann sieht man, dass das Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, oft erst 2030 erreicht wird. Während des Kalten Kriegs gaben Nato-Mitgliedsstaaten bis zu sechs Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus. Jetzt haben wir einen echten Krieg, und manche Länder bewegen sich immer noch nicht.
Wie ernst nehmen Sie die erneute Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Atomwaffen einzusetzen?
Das Ziel ist Einschüchterung, und das funktioniert in manchen Ländern. Ich war vor etwa einem Jahr in Deutschland bei einer Diskussion, bei der ein deutscher Abgeordneter vor einem nuklearen Gegenschlag Russlands warnte. Bei derselben Diskussion wiesen Ukrainer darauf hin, dass Russland Nuklearwaffen gegen die Ukraine einsetzen würde und nicht gegen Deutschland. Wenn die Ukrainer keine Angst hätten, dann sollten die Deutschen auch keine Angst haben.
Können Sie ausschließen, dass Putin zu Atomwaffen greift?
Natürlich nicht, er ist verrückt. Aber sein Hauptziel ist es, uns Angst einzuflößen. Darin sind Russen wirklich gut. Sie haben nichts zu bieten bei Technologie, sind aber sehr gut in Sozialwissenschaften. Genau andersherum als bei den Chinesen.
Wirken die Sanktionen gegen Russland ausreichend?
Es gibt Leute, die sagen, dass die Sanktionen nicht funktionieren. Das ist in Wirklichkeit ein russisches Narrativ. Wir haben konkrete Anzeichen, dass die Sanktionen Wirkung zeigen. Der russische Staatshaushalt weist ein Defizit von 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Und anders als Staaten im Westen kann Russland wegen der Sanktionen kein Geld an den Kapitalmärkten aufnehmen. China leiht Russland auch kein Geld. Gleichzeitig liegen die Zinsen in Russland bei 15 Prozent. Das zeigt, wie die Zentralbank die Situation einschätzt.
Sehen Sie keinen Verbesserungsbedarf bei den Sanktionen?
Natürlich, Estland hat bereits konkrete Vorschläge gemacht. Wir wollen ein totales Einfuhrverbot von verflüssigtem Erdgas (LNG). Und wir haben auch Exportquoten für bestimmte Güter in Drittländer gefordert. Damit würde sichergestellt, dass Technologie aus Europa nicht in Russland landet. Wir sehen hohe Autoexporte nach Kirgisistan. Aber die Leute sind ja dort nicht so reich geworden, dass sie auf einmal zehn Autos pro Familie besitzen.
Die EU will neue Mitglieder aufnehmen, aber mit 30 und mehr Staaten am Tisch kann es nicht bei dem bisherigen Abstimmungsmechanismus bleiben. Könnten Sie mit einem Abschied von der Einstimmigkeit in bestimmten Bereichen leben?
Ich komme aus einem kleinen Land, das 50 Jahre lang keine Stimme hatte. Für uns ist es wichtig, dass wir gehört und von den großen Ländern nicht überrollt werden können. Deshalb würde ich die Einstimmigkeit nur sehr ungern aufgeben. Wobei Estland sein Veto noch nie genutzt hat. Wir bemühen uns immer, konstruktiv zu sein und einen Kompromiss zu finden.
Nach der Europawahl sind in der EU zahlreiche Topjobs zu vergeben. Würde Sie eine Aufgabe in Brüssel reizen?
Ich bin Ministerpräsidentin Estlands. Aber in der Politik ist alles möglich. Und ich habe in meinem Land so viele schwierige Entscheidungen getroffen, dass ich politischen Selbstmord begangen habe.
Das Interview führte Silke Wettach.
Europäische Unternehmen in China geraten zunehmend unter Druck. EU-Handelskammerchef Jens Eskelund fasste die Situation am Mittwoch durch einen Vergleich mit Nachhall zusammen: Die Handelsbeziehungen zwischen Brüssel und Peking entwickelten sich derzeit zu einem “Zugunfall in Zeitlupe”, sagte Eskelund bei der Vorstellung des Kammer-Berichts zu wirtschaftlicher Sicherheit in einem zunehmend geopolitisch aufgeladenen Umfeld (“Riskful Thinking: Navigating the Politics of Economic Security”) in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma China Macro Group.
Chinas auf Export ausgelegtes Wachstum mit den aktuellen Überkapazitäten drohe langfristig, europäische Industriezweige wie die Solar- und E -Fahrzeugbranche auszuhöhlen und einen neuen Handelskrieg heraufzubeschwören, warnt die EU-Kammer in ihrem Bericht. Er denke nicht, dass Europa eine Deindustrialisierung akzeptieren werde, weil China seine Überkapazitäten exportiere, sagt Eskelund. “Es muss bald etwas passieren.”
Wegen des stärker als im Vorjahr politisierten Geschäftsklimas müssten die Unternehmen mehr Kapazitäten für die Risikoprävention verwenden, schreibt die EU-Handelskammer. Die Ressourcen könnten besser in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen investiert werden, anstatt die Budgets für Risikobewertungen und Compliance-Maßnahmen zu erhöhen. Die Situation in der Volksrepublik führe zu erheblichen Effizienzverlusten für die Unternehmen. Das erhöhe die Betriebskosten, beeinträchtige Innovation und führe letztendlich zu höheren Kosten, die an die Verbraucher weitergegeben würden. Der chinesische Markt sei weniger vorhersehbar geworden.
Sorge bereite auch das rechtliche Umfeld in der Volksrepublik: “Der Aufbau von Chinas umfassendem rechtlichen Instrumentarium zur Vergeltung gegen das, was es als ausländische Einmischung und Langarm-Gerichtsbarkeit ansieht, ermöglicht es der chinesischen Regierung, bestimmte ausländische Unternehmen oder Einzelpersonen zu sanktionieren und dadurch deren Geschäfte in China zu stören, indem sie beispielsweise ihre Investitionen oder ihren Marktzugang in China einschränken”, schreiben die Analysten in ihrem Bericht.
Auch die Vorgaben für mehr “local content” zeigten ihren Effekt: Im Zuge der Bemühungen Chinas zur Eigenständigkeit seien einige Importe mithilfe von Anreizen oder “Druck” auf Provinz- oder Kommunalebene durch chinesische oder in China ansässige Lieferanten ersetzt worden, was zu “deutlichen Nachteilen” für europäische Unternehmen geführt habe. Als Beispiel nennt der Bericht die öffentliche Beschaffung für IT-Hardware oder medizinische Geräte.
Es sei selbstverständlich, dass alle globalen Akteure danach strebten, die Sicherheit ihrer jeweiligen Volkswirtschaften zu gewährleisten, sagte Eskelund. Das sollte aber auf eine Weise geschehen, die die Geschäftstätigkeit möglichst wenig beeinträchtige. “Maßnahmen, die im Namen des Risikomanagements und der Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit ergriffen werden, sollten verhältnismäßig, zielgerichtet und präzise sein und dürfen niemals als Deckmantel für Protektionismus dienen.” Peking müsse zudem dringend das Thema der Überkapazitäten angehen.
Dass in China Überkapazitäten auftreten, liege bislang daran, dass es in der Volksrepublik keine Marktmechanismen gebe, sagte ein früherer Präsident der EU-Kammer in China laut dpa bei einer Diskussionsrunde am Mittwoch. Ihm zufolge müssten von den ungefähr 150.000 Staatsunternehmen und den etwa 140 Autofirmen viele pleitegehen, was jedoch wegen lokaler Subventionen nicht passiere. Das Problem von zu viel Angebot könne daher nur ernsthaft angegangen werden, wenn Firmen wie in einer Marktwirtschaft bankrottgingen.
Chinas Industriepolitik unterstütze zudem zu stark die Hersteller auf der Angebotsseite und nicht die Konsumentenseite, sagte demnach ein weiterer Ex-Präsident der Kammer. “Wenn du Subventionen einsetzen willst, gib sie dem Konsumenten. Das hilft, die Probleme zu verhindern, in die China geraten ist”, sagte er.
Erhöhte Industrieinvestitionen gepaart mit mangelnder Binnennachfrage und niedrigem Konsum hatten zu der Überkapazität chinesischer Industriegüter geführt. Die wirtschaftlichen Aktivitäten in China, einschließlich Konsum und Industrieproduktion, hatten sich in den ersten beiden Monaten des Jahres besser, als erwartet erholt. Es gibt aber Bedenken, dass die Erholung nur von kurzer Dauer sein könnte.
Brüssel versucht derzeit, gegen das erhebliche Handelsdefizit der EU mit China anzugehen. Dieses hatte im Jahr 2022 den Rekordwert von rund 400 Milliarden Euro erreicht. Im vergangenen Jahr sank es dann auf rund 290 Milliarden Euro, wie aus Daten der EU-Kommission hervorgeht. Generell sank der Handel zwischen Volksrepublik und EU zuletzt, auch im laufenden Jahr: In den ersten beiden Monaten des Jahres ging laut chinesischer Zolldaten der gesamte Handel zwischen EU und China im Vergleich zum Vorjahr um 4,1 Prozent zurück.
Die Spannungen zwischen China und der Europäischen Union hatten sich verschärft, als Brüssel im vergangenen Oktober eine Anti-Subventionsuntersuchung zu Chinas Exporten von Elektrofahrzeugen eingeleitet hatte. Die Importe von E-Fahrzeugen in die EU waren zu Beginn des Jahres um gut ein Drittel gesunken. Die EU-Kommission hat mit der Registrierung der Importe begonnen, um Hamsterkäufe vor möglichen temporären Zöllen ab Juli zu verhindern.
22.03.2024 – 09:30-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
FES, Conference Navigating through the poly-crisis: Towards a global pact for a better future for people and the planet
Ahead of the UN Summit of the Future in September 2024, the Friedrich-Ebert-Foundation (FES) will gather policymakers, experts, civil society and youth to reflect on the key findings of the upcoming report ‘For a New Global Deal. Preparing the Summit of the Future’ which aims to spark discussion about the priorities of reforming global governance regarding UN reforms to address current global challenges, notably climate change, poverty and sustainable development. INFO
22.03.2024 – 10:00-12:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable The Future of Agriculture in the EU ETS
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) aims to explore together with stakeholders and policy makers what role agriculture can play in reaching net zero emissions, with a focus on its potential extension to carbon pricing. INFO & REGISTRATION
22.03.2024 – 11:00-12:00 Uhr, online
ECFR, Seminar Insight Ukraine: How Europeans can support the fight for Europe
The European Council on Foreign Relations (ECFR) will provide a deep dive into current developments in Ukraine and discuss with an expert panel how European leaders can support democratization and best structure and coordinate their military support. INFO & REGISTRATION
22.03.2024 – 16:00-17:00 Uhr, online
ECFR, Seminar Personnel is Policy: Republican Plans for an Administrative Overhaul under Trump 2.0
Looking at the possibility of Donald Trump winning the presidency in November 2024, the European Council on Foreign Relations (ECFR) will discuss the plans for an administrative overhaul during a second Trump administration and discuss what they mean for America and Europe. INFO & REGISTRATION
26.03.2024 – 10:00-14:00 Uhr, online
ZIA, Workshop ESG und Green Lease Nachhaltigkeit und Umweltschutz in gewerblichen Mietverträgen
Der Kurs des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) behandelt die Hintergründe, Grundlagen und Anwendungsbereiche von Green Lease Klauseln in gewerblichen Mietverträgen und stellt dabei praxisnahe Beispiele sowie mögliche Regelungsempfehlungen vor. INFOS & ANMELDUNG
Bei den Europawahlen 2019 gingen die europäischen Liberalen mit sieben Kandidaten aus sieben verschiedenen Ländern an den Start, dieses Jahr sind es drei: Valérie Hayer für Renaissance, Marie-Agnes Strack-Zimmermann für die ALDE-Partei und Sandro Gozi für die Europäische Demokratische Partei.
Die deutsch-französische Handschrift dieses Trios ist eindeutig. Zwei Kandidaten, Valérie Hayer und Sandro Gozi, gehören zum Lager des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, während Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der deutschen FDP die Spitzenkandidatin der größten der drei Parteien, der ALDE, ist.
Unter dem Motto “Renew Europe Now” haben die europäischen Liberalen zehn Prioritäten definiert. Es sind Punkte, an denen sie “die Transformation Europas” fortsetzen wollen, erklärte Sandro Gozi. “Die Verteidigung ist unsere höchste Priorität und deshalb wollen wir die EU mit den militärischen Mitteln ausstatten”, fuhr er fort.
Das Thema Verteidigung bot Strack-Zimmermann die Gelegenheit, die derzeitige Position Berlins in der Frage der Unterstützung der Ukraine zu kritisieren. Es gebe in Deutschland im Moment viele Irritationen in dieser Diskussion, “besonders meine Generation ist sehr irritiert”, sagte die Verteidigungsexpertin. “Es geht darum, Europa zusammenzuhalten und zu sichern, und es ist definitiv nicht die Aufgabe der Sozialdemokraten, über das Einfrieren von Konflikten zu sprechen“, betonte sie.
Die Europaabgeordnete Hayer, Vorsitzende von Renew und Kandidatin von Renaissance, dem französischen Zweig von Renew, betonte den “historischen” Moment, den die bevorstehenden Europawahlen darstellten. Eine Rhetorik, die sie bereits bei der Eröffnung ihrer Kampagne in Frankreich am 9. März verwendet hatte und die dazu dient, das politische Lager in Europa-Befürworter und Demokraten auf der einen Seite und Europa-Gegner und Rechtsextreme auf der anderen Seite zu unterteilen.
“Es gibt keinen Flirt, keine Zweideutigkeit in Bezug auf die Populisten“, sagte sie. “Das nächste europäische Playbook wird mit uns geschrieben werden. Wir haben den Kampf gegen die extreme Rechte in unserer DNA.” cst
Die Verhandler von EU-Parlament und Rat haben sich am frühen Mittwochmorgen darauf geeinigt, den Freihandel mit der Ukraine zu verlängern, künftig aber stärker einzuschränken als ursprünglich vorgeschlagen. Kernforderungen der Landwirte, die die Konkurrenz durch günstigere Einfuhren kritisieren, bleiben jedoch außen vor. Auch das Parlamentsplenum hatte, vor allem mit Stimmen aus den Anrainerstaaten der Ukraine, Forderungen nach weitergehenden Schutzmaßnahmen unterstützt.
Dass es der nun gefundenen Einigung zustimmt, ist deshalb nicht sicher. Zwar stimmte der Handelsausschuss am Mittwoch zu, dessen Position spiegelt aber nicht unbedingt die des Plenums wider. Der Ukraine könnte der Faktor Zeit in die Hände spielen. Denn dem Parlamentsplenum bleibt nur noch der April, um zu entscheiden. Lehnt es den Kompromiss dann ab, dürften die Freihandelsmaßnahmen, die für das kriegsgebeutelte Land eine wichtige Einkommensstütze sind, Anfang Juni ersatzlos auslaufen. Das möchte nur eine kleine Minderheit der Abgeordneten.
Die Verhandler wollen die geplante automatische Notbremse für Hühnerfleisch, Zucker und Eier zwar auf Honig, Mais, Hafer und Grütze ausweiten, nicht aber auf Weizen und Gerste, wie von Parlament und Bauern gefordert. Flankiert wird der Kompromiss von einer nicht bindenden Zusicherung der Kommission, die Getreideimporte “genau zu überwachen” und, wenn nötig, weitere Maßnahmen zu ergreifen.
Auch die Forderung, die Bremse bereits ab einer geringeren Einfuhrmenge greifen zu lassen, findet sich nicht in der Einigung. Stattdessen bleibt es beim von der Kommission vorgeschlagenen Schwellenwert, der auf der durchschnittlichen Einfuhrmenge von 2022 und 2023 basiert. Scharfe Kritik kommt vom Bauernverband Copa Cogeca.
Neben dem Parlament müssen auch die nationalen Minister der Einigung noch zustimmen. Eine ursprünglich für Mittwoch angesetzte erste Abstimmung der EU-Botschafter soll erst nächste Woche stattfinden, weil mehrere Länder mehr Zeit einforderten, um den Kompromiss zu prüfen. Eine Mehrheit im Rat gilt aber als wahrscheinlich. jd
Um verspätete Zahlungen im Geschäftsverkehr bekämpfen, hat am Mittwoch hat der Binnenmarkt-Ausschuss des Parlaments seine Position zur Late-Payment-Verordnung beschlossen. Der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab rief das Parlament gestern dazu auf, den Bericht im Plenum abzulehnen. Dieser sei nicht mit deutschem Recht vereinbar.
Schwab stört sich vor allem an der geplanten Art der Rechtsdurchsetzung: “Statt dafür zu sorgen, dass Gläubiger durch einfache Gerichtsverfahren schneller an einen Zahlungstitel kommen, will die Berichterstatterin die Zahlungsmoral der Unternehmen unter Verwaltungsaufsicht stellen.” Bei Zahlungsverzug im B2B-Bereich sollen Unternehmen künftig eine Behörde anrufen können. Zuständig seien bisher in Deutschland allein die Zivilgerichte.
Für Geschäfte zwischen Unternehmen oder mit öffentlichen Auftraggebern soll der Parlamentsposition zufolge künftig eine strengere Regelfrist von 30 Tagen gelten. Im B2B-Bereich kann die Zahlungsfrist vertraglich auf 60 Tage verlängert werden. Für bestimmte Güter wie Schmuck und Bücher sollen auch 120 Tage zulässig sein. Auch die Höhe von Mahn- und Inkassogebühren soll standardisiert werden. Die Position des Rates steht noch aus. ber
Die EU-Kommission hat bei ihrer Mittwochsitzung einen Vorschlag für eine neue Richtlinie über Praktika sowie eine Reform der Ratsempfehlung zu Praktika verabschiedet. Zusammen sollen die Vorschläge laut Kommission für bessere Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung sorgen.
Mit den Vorschlägen reagiert die Kommission auf Druck vom Europäischen Parlament und von Gewerkschaften, die unbezahlte Praktika verbieten wollten, weil diese gegen Berufseinsteiger aus benachteiligten Familien diskriminierten. Im Juni 2013 hatte das Europäische Parlament die Kommission in einem Bericht aufgefordert, eine neue Richtlinie auszuarbeiten.
Die Richtlinie bestimmt, dass Praktikanten bezüglich Arbeitsbedingungen und Lohn im Vergleich zu vergleichbaren Mitarbeitern im gleichen Unternehmen nicht diskriminiert werden dürfen. Ein niedrigerer Lohn und andere Unterschiede sind laut Kommissionsvorschlag nur dann akzeptabel, wenn die Praktikanten weniger Verantwortung oder weniger Arbeitslast haben, oder von einer Ausbildungskomponente profitieren können.
Die Richtlinie verbietet unbezahlte Praktika nicht explizit. Daten der europäischen Arbeitskräfte-Umfrage aus 2019 schätzen die Anzahl unbezahlter Praktikanten EU-weit auf circa 1,5 Millionen, was etwa der Hälfte aller Praktikanten entspricht. Nur in der rechtlich weniger starken Ratsempfehlung hält die Kommission fest, dass Praktika “fair entlohnt” werden sollen.
Neben der Entlohnung geht die Richtlinie auch gegen Scheinpraktika vor. Behörden sollen prüfen, ob es sich bei Praktika in Wahrheit um ein schlecht oder nicht bezahltes Beschäftigungsverhältnis handelt. Zudem sollen Mitgliedstaaten die Maximaldauer von Praktika gesetzlich regulieren. Die Richtlinie wird voraussichtlich ab Herbst vom neu gewählten Parlament behandelt werden. jaa
Unternehmen in Deutschland machen sich zunehmend Sorgen um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Europäischen Union. Der Standort EU verliere an Attraktivität, sagte Freya Lemcke, Leiterin der Vertretung der Deutschen Industrie- und Handelskammer bei der EU, am Mittwoch in Berlin unter Verweis auf eine Firmenumfrage. Sie sprach wenige Monate vor den Europawahlen im Juni von einem alarmierenden Signal.
Nach der Umfrage ist nach Einschätzung von 56 Prozent der Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit der EU als Unternehmensstandort in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen. “Europa läuft trotz der grundlegend guten Ausgangslage Gefahr, im internationalen Wettbewerb an Boden zu verlieren. Dieser Trend muss umgehend gestoppt werden”, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.
Der Abbau von Bürokratie ist mit Abstand die dringlichste Aufgabe für die neue EU-Kommission und das neue Europaparlament, wie die Umfrage ergab – das sagten 95 Prozent der Firmen. Danach folgen die Sicherung der Energieversorgung und der Schutz vor Angriffen, zum Beispiel Cyberattacken. Lemcke sagte, viele Bestimmungen seien realitätsfremd und schwer umzusetzen, vor allem für kleine Unternehmen.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Unternehmen sehen die Stabilität des EU-Wirtschaftsraums als besonders wichtig an. 82 Prozent der Firmen ziehen hieraus einen Nutzen. Gerade in einem schwieriger werdenden außenwirtschaftlichen Umfeld bilde die EU nach wie vor einen wichtigen Anker für Verlässlichkeit und Planbarkeit. dpa
Wenn Europa bis 2050 Netto-Null-Emission erreichen wolle, müsse man anfangen, das Problem der Verkehrsemissionen ernst zu nehmen, heißt es in einer neuen Analyse der Umweltorganisation Transport and Environment (T&E). Seit 1990 seien die verkehrsbedingten Emissionen in Europa um mehr als ein Viertel gestiegen und würden voraussichtlich auch weiter steigen, während die Emissionen der Gesamtwirtschaft bereits sänken.
2030 werde der Verkehr fast die Hälfte aller Treibhausgasemissionen in Europa ausmachen, so T&E. “Unter den derzeitigen klimapolitischen Maßnahmen könnte der Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen insgesamt von heute 29 Prozent auf 44 Prozent im Jahr 2030 steigen.”
T&E pocht daher auf:
T&E untersuchte in der Analyse “The State of European Transport” auch die derzeitigen EU-Regulierungen für den Sektor. Demnach würden die Verkehrsemissionen 2040 nur um 25 Prozent und 2050 um 62 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringert werden. 2040 will die EU-Kommission ihre Emissionen bereits um 90 Prozent gegenüber 1990 gesenkt haben, 2050 muss Europa klimaneutral sein. luk
Der irische Regierungschef Leo Varadkar hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt. In einer emotionalen Stellungnahme in Dublin nannte der liberal-konservative Politiker am Mittwoch “sowohl persönliche als auch politische Gründe”. Der 45-Jährige will das Land noch interimsweise führen, bis nach der Osterpause eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt ist. Als Kandidaten gelten unter anderem der Minister für öffentliche Ausgaben, Paschal Donohoe, sowie Handelsminister Simon Coveney. Den Vorsitz seiner Partei Fine Gael legte Varadkar mit sofortiger Wirkung nieder.
“Ich bin sicher, dass die Wiederwahl dieser Drei-Parteien-Regierung das Richtige für die Zukunft unseres Landes sein wird”, sagte der scheidende Taoiseach, wie das Amt des Regierungschefs offiziell auf Irisch heißt. Die nächste Parlamentswahl muss spätestens zu Frühlingsbeginn 2025 erfolgen. “Nach sorgfältiger Überlegung und einigem Nachdenken glaube ich, dass ein neuer Taoiseach besser in der Lage sein wird als ich, dies zu erreichen. Nach sieben Jahren im Amt denke ich, dass ich nicht mehr die richtige Person dafür bin.”
Varadkar hat die irische Politik in den vergangenen Jahren geprägt. Mit seinem unkonventionellen Stil eckte der Sohn eines Inders und einer Irin oft an, der Politiker scheute klare Worte nicht und trat immer wieder in Fettnäpfchen. Doch seine moderne Amtsführung öffnete die streng katholische Gesellschaft nach Ansicht von Kommentatoren auch weiter. Er sei stolz, dass er beigetragen habe, Irland moderner und gleichberechtigter zu machen, sagte er in seiner Rücktrittsankündigung.
Zuletzt hatte die Regierung bei zwei Volksabstimmungen eine krachende Niederlage erlitten. Gegen ihre Empfehlung stimmte eine Mehrheit gegen Verfassungsänderungen, die veraltete und sexistische Sprache ändern sollten. So sollte der Familienbegriff erweitert werden, damit auch unverheiratete Paare explizit eingeschlossen sind. Außerdem sollten Formulierungen wie “häusliche Pflichten” der Frau ersetzt werden.
Varadkar betonte, er habe noch keinen Plan für die Zukunft. Berichten zufolge könnte Varadkar nach der Europawahl im Juni aber auf einen Posten in der EU-Kommission spekulieren. dpa
Die französische Wettbewerbsbehörde hat am Mittwoch mitgeteilt, dass sie Google mit einer Geldstrafe von 250 Millionen Euro belegt. Die Autorité de la Concurrence wirft Google Verstöße im Zusammenhang mit den EU-Urheberrechtsregeln vor. Dabei geht es unter anderem um KI-Dienste des Unternehmens.
Die Behörde sagte, dass Google seinen KI-gestützten Chatbot Bard – der mittlerweile Gemini heißt – mit Inhalten von Verlagen und Nachrichtenagenturen trainiert hat, ohne diese zu informieren. Google habe zugesagt, die Fakten im Rahmen von Vergleichsverfahren nicht anzufechten, teilte die Behörde mit. Das Unternehmen habe auch eine Reihe von Abhilfemaßnahmen für bestimmte Mängel vorgeschlagen. Googles Büro in Frankreich antwortete zunächst nicht auf eine Anfrage nach einem Kommentar.
Die Geldstrafe steht im Zusammenhang mit einem Urheberrechtsstreit über Online-Inhalte in Frankreich. Der Fall wurde durch Beschwerden einiger der größten Nachrichtenorganisationen des Landes, darunter Agence France Presse (AFP), ausgelöst. Der Streit schien 2022 beigelegt zu sein. Damals zog das US-Unternehmen seine Berufung gegen eine anfängliche Geldstrafe von 500 Millionen Euro zurück, die am Ende einer großen Untersuchung von der Autorité de la Concurrence ausgesprochen wurde.
In der Erklärung vom Mittwoch sagte die Behörde jedoch, Google habe die Bedingungen von vier der sieben im Vergleich vereinbarten Verpflichtungen verletzt, einschließlich der Durchführung von Verhandlungen mit Verlagen in gutem Glauben und der Bereitstellung von transparenten Informationen.
Die Behörde zitierte insbesondere Googles KI-Chatbot Bard, der 2023 gestartet wurde und sagte, er sei mit Daten von unbestimmten Medien und Nachrichtenagenturen trainiert worden, ohne dass das Unternehmen diese oder die Regulierungsbehörde informierte. “Daraufhin verknüpfte Google die Nutzung der betreffenden Inhalte
mit seinem KI-Dienst mit der Anzeige von geschützten Inhalten”, schrieb die Behörde und fügte hinzu, dass Google damit Verlage und Presseagenturen daran hindere, faire Preise zu verhandeln.
Die Geldstrafe kommt zu einer Zeit, in der viele Verlage, Schriftsteller und Redaktionen versuchen, das Scraping (die automatisierte Datensammlung) ihrer Online-Inhalte durch KI-Dienste ohne ihre Zustimmung oder faire Entschädigung zu begrenzen. Die New York Times verklagte Googles Rivalen Microsoft und OpenAI (den Entwickler der KI-Plattform ChatGPT) 2023 mit der Anschuldigung, sie hätten Millionen von Artikeln der Zeitung ohne Erlaubnis verwendet, um Chatbots zu trainieren. rtr