bereits jetzt steht fest, dass die überwiegende Mehrheit der “Chefs” mit gemischten Gefühlen zum informellen Rat am 8. November nach Budapest reist. Ministerpräsident Viktor Orbán wird die Bühne mal wieder zur Selbstdarstellung nutzen. Allenfalls sein slowakischer Amtskollege Robert Fico, ein Bruder im Geiste, sieht dem Auftritt mit Sympathie entgegen.
Alle anderen möchten, dass von dem Treffen ein politisches Signal ausgeht. Bei informellen Gipfeln gibt es keine Schlussfolgerungen, dafür Erklärungen. Die EU-Diplomaten feilen gerade an der “Budapester Erklärung zum neuen EU-Wettbewerbsdeal”. Wie Table.Briefings vorab erfahren hat, soll die Kommission aufgefordert werden, eine “umfassende Industriestrategie für wettbewerbsfähige Industrien und anspruchsvolle Jobs” vorzulegen.
Die Mitgliedstaaten sorgen sich auch darum, ob die EU bei der Digitalisierung ausreichend aufgestellt ist. Der Rat werde die “Entwicklung einer Weltklasse-Quantentechnologie und eines KI-Ökosystems für ganz Europa” unterstützen. Die Staats- und Regierungschefs “laden” die Kommission daher ein, eine “Tech-Strategie” vorzulegen.
Der Rat ruft die Kommission zudem auf, im Anschluss an den Strategischen Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft eine Vision für die Branche vorzulegen. Die Kommissionspräsidentin hat dies bereits beim designierten Agrarkommissar Christophe Hansen für die ersten 100 Tage in Auftrag gegeben.
Kommen Sie gut ins Wochenende!
Bei Georgiens Parlamentswahl am Samstag geht es um die europäische Perspektive des Landes und den Einfluss der EU in der Region. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach im Vorfeld von einem Moment der Wahrheit. Die Bevölkerung entscheide darüber, ob Georgien Teil Europas werde oder sich abwende. Die Prognosen ergeben kein klares Bild. Wahrscheinlich ist eine Pattsituation, bei der die prorussische Regierungspartei Georgischer Traum als voraussichtlich stärkste Kraft versuchen wird, Teile der fragmentierten Opposition zu kaufen oder anders auf ihre Seite zu ziehen.
Bidsina Iwanischwili, Milliardär und Gründer des Georgischen Traums, hat im Wahlkampf angedroht, “antipatriotische” Oppositionsparteien zu verbieten. Opposition und Zivilgesellschaft stehen seit der Verabschiedung unter anderem eines sogenannten Agentengesetzes nach russischem Vorbild unter massivem Druck. Am gestrigen Donnerstag führte die Finanzpolizei Razzien bei zwei Mitarbeitern von NGOs durch, die gerade erst einen Report über russische Einflussnahme in Georgien veröffentlicht hatten.
Das repressive und einschüchternde Vorgehen zeige, dass Georgiens Regierung zunehmend autoritär geworden und in die Nähe von Wladimir Putin gerückt sei, sagte etwa der österreichische EU-Abgeordnete Thomas Waitz.
Der Ko-Vorsitzende der Europäischen Grünen ruft dazu auf, im Fall von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl Sanktionen gegen den Milliardär Iwanischwili zu ergreifen. Bisher ist die EU davor zurückgeschreckt, weil der Oligarch große Teile der Wirtschaft des Landes kontrolliert. Laut Medienberichten bereiten auch die USA Sanktionen gegen den starken Mann in Tiflis vor. Besonders kritisch werden voraussichtlich die Tage nach der Wahl sein, sollte die Opposition besser abschneiden als erwartet.
Der Georgische Traum plakatiert im Wahlkampf mit dem Vorwurf, die Opposition wolle das Land in eine Konfrontation des Westens mit Russland hineinziehen und spielt dabei mit den Ängsten der Bevölkerung, die durch die Kriege um Abchasien sowie Südossetien traumatisiert ist. Die Parlamentswahl sei eine Entscheidung zwischen “Krieg und Frieden”. Die Regierungspartei wirbt zudem damit, “traditionelle Werte” zu verteidigen. Anfang des Monats ist ein Gesetz in Kraft getreten, das die Rechte von homosexuellen Menschen und anderen Angehörigen sexueller Minderheiten einschränkt.
Man wollte das Land vor “immoralischer Propaganda” aus dem Westen schützen, heißt es von der Regierungspartei. Allerdings lassen Politiker des Georgischen Traums gerne ihre Töchter und Söhne im Ausland studieren oder besitzen dort Immobilien.
Moldau hat eine proeuropäische Regierung und eine Bevölkerung unter dem Einfluss der russischen Desinformationskampagnen. In Georgien betreibt die Regierungspartei die russische Propaganda gleich selbst. Paradox ist, dass die Bevölkerung anders als in Moldau ausgesprochen proeuropäisch eingestellt ist. Laut Umfragen sind 80 Prozent für die Integration in die EU und immerhin zwei Drittel für einen Nato-Beitritt.
Deshalb dürfte die EU auch davor zurückschrecken, die Suspendierung der Visafreiheit als Hebel zu nutzen. Nach der Verabschiedung des prorussischen Agentengesetzes und massivem Druck gegen die Zivilgesellschaft hat die EU den Beitrittsprozess jedoch de facto auf Eis gelegt sowie Gelder gesperrt.
Dass sich die proeuropäische Einstellung nur beschränkt in Stimmen für die Regierungsgegner ausdrückt, hat mehrere Gründe: Zum einen trägt die massive Propaganda der Regierung Früchte. Darüber hinaus ist die Opposition durch eine starke Fragmentierung geschwächt. Der frühere Präsident Micheil Saakaschwili sitzt seit 2021 auf Grundlage undurchsichtiger Vorwürfe im Gefängnis sitzt.
Erstmals wird das Parlament mit 150 Sitzen nach Verhältniswahlrecht bestellt, wobei eine Fünf-Prozent-Hürde zur Anwendung kommt. Laut einer Umfrage könnte der Georgische Traum auf rund ein Drittel der Stimmen kommen und vier oppositionelle Koalitionen zusammen auf 55 Prozent. Eine andere Prognose sieht die Regierungspartei jedoch bei knapp 60 Prozent, wobei nur zwei oppositionelle Gruppierungen die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und auf 24 Prozent der Stimmen kommen würden.
Bidsina Iwanischwili strebt jedoch nach einer Zweidrittelmehrheit, um die Verfassung nach seinen Vorstellungen umgestalten zu können.
Ineffektive Institutionen und mangelnde Hoheit des Rechts hemmen den Fortschritt eines Staates und die Wohlstandsentwicklung seiner Bürgerinnen und Bürger. So lautet eine Forschungshypothese der drei in diesem Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Wirtschaftswissenschaftler. Bedürfte es eines Belegs dafür, könnte Bulgarien ihn liefern. Die Politiker des Landes demonstrieren seit Jahren fehlende Kooperationsbereitschaft bis hin zu destruktiver Konfrontation. Zwei Drittel der Wahlberechtigten quittieren dies inzwischen mit Stimmenthaltung.
Unter dem noch wählenden Drittel hat die zentristische Partei Bürger für eine europäische Entwicklung (GERB) von Ex-Ministerpräsident Boiko Borissow eine einfache Mehrheit. Wie zuletzt aus den Parlamentswahlen im Juni 2024 dürfte sie auch aus den Wahlen zur 51. bulgarischen Volksversammlung als stärkste politische Kraft hervorgehen.
Um Platz zwei wird sich voraussichtlich das konservativ-liberale Parteienbündnis aus Wir setzen den Wandel fort (PP) und Demokratisches Bulgarien (DB) ein knappes Rennen liefern mit den russlandfreundlichen Nationalisten der Partei Wiedergeburt. Um die hinteren Ränge konkurrieren die post-kommunistische Bulgarische Sozialistische Partei (BSP), die Kleinstpartei So ein Volk gibt es (ITN) und erstmals zwei verfeindete Fraktionen der Partei der bulgarischen Türken Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), die sich im Juli 2024 spektakulär gespalten hat.
Nach der gewonnenen Wahl im Juni 2024 fand Borissows GERB keine parlamentarische Mehrheit für ein Minderheitenkabinett. Vorgezogene Neuwahlen wurden erneut unausweichlich. Diesmal gilt eine Koalition der beiden euro-atlantischen politischen Kräfte GERB und PP/DB als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Bildung einer stabilen Regierung. Rein rechnerisch wird für sie ein dritter Koalitionspartner notwendig sein. Dies aber lässt fraglich erscheinen, ob und wenn ja, wie sie zustande kommen kann. Doch eine achte Wahl in dann vier Jahren will GERB-Führer Borissow für das kommende Frühjahr unbedingt vermeiden. “Wir werden mit allen verhandeln, außer mit Wiedergeburt“, hat er deshalb erklärt.
Die politische Instabilität der vergangenen Jahre mit zwei kurzlebigen regulären und häufig wechselnden geschäftsführenden Regierungen war der wirtschaftlichen Entwicklung des Balkanlands abträglich. Es gilt auch 17 Jahre nach seinem Beitritt zur Europäischen Union als ärmstes EU-Land. Eurostat-Daten zufolge lag die Kaufkraft der Bulgarinnen und Bulgaren im vergangenen Jahr gerade mal bei 64 Prozent des EU-Durchschnitts.
Auch politisch schreitet Bulgariens Konvergenzprozess nicht so zügig voran wie erhofft. Zwar wurde dem Land Ende März 2024 der Zugang zum Schengen-Raum zu Wasser und in der Luft gewährt. Doch die Einführung der Schengen-Regeln auch an den Landgrenzen blieb ihm verwehrt, weil Österreich Vorbehalte gegen Bulgariens Schutz der EU-Außengrenzen vor illegaler Migration geltend macht. Zuvor hatten auch die Niederlande ihr Veto eingelegt, weil Bulgarien die Korruption unzureichend bekämpfe.
Bereits seit Juli 2020 verharrt Bulgarien im sogenannten Euro-Wartesaal WKM II. Konnte das zeitgleich mit ihm dem Wechselkursmechanismus beigetretene Kroatien bereits Anfang 2023 den Euro einführen, so musste Bulgarien seinen Beitritt zur Eurozone mehrfach verschieben, weil es das Kriterium der Preisstabilität verfehlte. Ende des kommenden Jahres gilt nun als frühest möglicher Zeitpunkt für den Wechsel vom bulgarischen Lew zum Euro.
“Wir werden Milliarden verlieren”, warnte jüngst die Finanzministerin der geschäftsführenden Regierung Ludmilla Petkova vor Verzögerungen ihres Landes bei der Ausfertigung des Nationalen Plans für Aufbau und Resilienz (NPAR). Auf ihrer letzten Parlamentssitzung vor der Wahl sollten die Abgeordneten am 26. September 2024 der Regierung eigentlich das Mandat erteilen, von der EU-Kommission geforderte Änderungen am NPAR vorzunehmen. Um eine Verkürzung der Laufzeiten der nationalen Kohlekraftwerke zu verhindern, blockierten Nationalisten und Populisten aber kurzerhand das Rederpult und sprengten die Sitzung. Nun riskiert Bulgarien, geplante NPAR-Vorhaben nicht mehr im Rahmen der Frist bis August 2026 realisieren zu können und beträchtliche EU-Finanzmittel zu verlieren.
Wahlmüdigkeit ist nicht nur bei Wählerinnen und Wählern unverkennbar, sondern auch bei den politischen Parteien. So mangelt es dem Wahlkampf an substanziellen Debatten der Probleme des Landes. Er ist stattdessen geprägt von TV-Bildern von Polizeioperationen gegen versuchte Wahlmanipulationen, die seit vielen Jahren eine vertraute Begleiterscheinung aller Wahlen sind.
Für die Wahlen von 2013 bis 2021 publizierte der investigativ-journalistische Antikorruptionsfonds (AKF) Hinweise auf den Kauf von Wählerstimmen und kontrollierte Stimmabgaben für 1.738 der gut 11.000 Wahllokale. Die stärksten Verdachtsmomente richteten sich dem AKF zufolge dabei gegen die Parteien GERB, DPS und BSP.
“Tief besorgt” und bereit zur Reaktion: Die EU-Staaten haben mit deutlicher Kritik auf die Berichte über nordkoreanische Soldaten in Russland reagiert. Russlands vertiefte Kooperation mit Nordkorea sende eine klare Botschaft, heißt es in einer Erklärung des Europäischen Rates vom Donnerstagabend: “Trotz der erklärten Bereitschaft zu Verhandlungen ist Russland nicht interessiert an einem gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden.” Die EU-Staaten kündigen eine Reaktion in Abstimmung mit internationalen Partnern auf die Entwicklung zwischen Moskau und Pjöngjang an.
Mit dem BRICS-Summit im russischen Kasan und der militärischen Zusammenarbeit mit Nordkorea verfolgt Russland mehrere Ziele: Unter anderem will Russland nach innen wie nach außen zeigen, dass es nicht isoliert sei. “Es ist ja kein Zufall, dass der Aufenthalt nordkoreanischer Soldaten fast zeitgleich mit dem BRICS-Treffen bekannt wird”, sagt Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik von der Universität Hamburg (IFSH). Konkret würden da zwei Staatsführer kooperieren, die “im Hass auf den Westen” vereint seien.
Kühn und andere Fachleute betrachten die Entwicklung rund um die Entsendung nordkoreanischer Soldaten – die Rede ist je nach Quelle von 3.000 bis 11.000 Mann – als “eine deutliche Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine, weil ein dritter Staat nun aktiv mit Soldaten eingreifen könnte”.
“Ich gehe davon aus, dass wir diese Soldaten schon bald an der Front sehen werden, entweder in Russland selbst in der Region Kursk oder in den besetzten Gebieten in der Ukraine”, sagt der Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und Neue Technologien am IFSH.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat während seines Besuchs im Juni in Pjöngjang mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un einen Vertrag für eine “allumfassende strategische Partnerschaft zwischen Russland und Nordkorea” unterzeichnet. Die Duma hat ihn nun ratifiziert. Nach Putins Unterschrift könnte er schon bald in Kraft treten. Im Vertrag (hier Original auf Russisch) heißt es unter anderem:
“Wenn eine Seite von irgendeinem anderen Staat oder mehreren Staaten gewaltsam angegriffen wird und sich dadurch in einem Zustand des Krieges befindet, dann wird die andere Seite unverzüglich militärische und jede andere Hilfe mit ihr zur Verfügung stehenden Mitteln leisten entsprechend dem Artikel 51 der UN-Charta und aufgrund der Gesetzeslage Russlands und der Demokratischen Volksrepublik Korea.”
Offiziell führt Russland keinen Krieg, sondern eine “Spezialmilitäroperation” in der Ukraine.
Satellitenbilder, Fotos und Videoaufnahmen von nordkoreanischen Soldaten auf russischem Territorium haben international Empörung ausgelöst. Nach Lieferungen verschiedener Waffen aus dem Iran und Nordkorea hätten fremde Soldaten – entsandt von einem Staat und nicht als Privatpersonen angeworben – eine neue “Qualität”, sagt Ulrich Kühn. “Für Europa ist das extrem bedenklich.”
Der Sicherheitsexperte sieht im Moment allerdings wenig Handlungsmöglichkeiten für den Westen. Den Ukraine-Helfern seien die Hände gebunden, weil sie die Entsendung eigener Soldaten in die Ukraine ausgeschlossen hätten.
Russland gelinge es abermals, den Westen zu stressen und dafür zu sorgen, dass er sich mit einer möglichen Gefahr für sich beschäftige. Das spiele politischen Kräften in Europa in die Hände, die etwa die Ukraine-Hilfe infrage stellten, erläutert IFSH-Forscher Kühn. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte schon Mitte Oktober in Brüssel zu ersten Gerüchten über nordkoranische Soldaten gesagt: “Das ist der erste Schritt zu einem Weltkrieg.” Südkorea prüft inzwischen, entgegen bisheriger Praxis nun doch Waffen an die Ukraine zu liefern.
30.10.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Erweiterungspaket 2024, Vorstellung des Niinistö-Berichts. Vorläufige Tagesordnung
Mit den Stimmen von EVP, EKR und den beiden rechtsextremen Fraktionen der “Patrioten” (PfE) und “Souveränisten” (ESN) hat das Gremium der Fraktionschefs entschieden, dass die venezolanische Opposition den diesjährigen Sacharow-Preis bekommt. Ausgezeichnet werden María Corina Machado, die Chefin der demokratischen Sammlungsbewegung, sowie Eduardo González Urrutia, der die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, aber dessen Sieg von dem Regime in Caracas nicht anerkannt wird.
Die Organisationen Women Wage Peace und Women of the Sun aus Israel und Palästina wurden von S&D und Renew unterstützt. Der aserbaidschanische Oppositionelle Gubad Ibadoghlu bekam die Unterstützung von Grünen und Linken. Der Preis für die geistige Freiheit wird am 18. Dezember in Straßburg verliehen.
Zuletzt waren mehrfach Mehrheiten für Positionen der EVP zustande gekommen, weil diese gemeinsam mit EKR und den beiden rechtsextremen Fraktionen gestimmt hat. Politiker von S&D, Renew und Grünen werfen EVP-Chef Manfred Weber vor, gemeinsame Sache mit Rechtsaußen zu machen. Weber weist die Vorwürfe zurück: Die EVP könne nichts dafür, wenn die Rechtsradikalen mitstimmten. mgr
Bei den Verhandlungen um eine Erklärung zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die 26 von 27 EU-Agrarministern diese Woche verabschiedet haben, hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vergeblich darauf gedrängt, Budgetfragen auszuklammern. Es brauche “dezidierte und angemessene” Mittel für die GAP, halten die EU-Agrarminister stattdessen in der Erklärung fest. Sie räumen allerdings ein, dem nächsten Mehrjährigen EU-Finanzrahmen (MFR) nicht vorgreifen zu wollen.
Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft hatte darauf gepocht, die Beibehaltung der GAP als eigenem Budgetposten zu fordern. Um des Kompromisses willen habe er das mitgetragen, so Özdemir. Die Debatte um eine mögliche neue Struktur des (MFR) sei aus Sicht der Bundesregierung aber losgelöst von jener um die GAP nach 2027 zu führen, teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) mit.
Hintergrund der Debatte sind kürzlich aus der EU-Kommission durchgesickerte Reformideen für den MFR. In diesen wären die Agrarsubventionen kein eigener Budgetposten mehr. Kritik kam unter anderem vom Deutschen Bauernverband (DBV). Das BMEL will bislang inhaltlich keine Stellung beziehen. Vertreter der Bundesregierung haben sich im Gespräch mit Table.Briefings aber offen für Reformen gezeigt.
Nicht einstimmig verabschiedet wurden die Schlussfolgerungen zur GAP aber aus ganz anderen Gründen. Streitpunkt ist die sogenannte externe Konvergenz, also die sukzessive Angleichung der Direktzahlungen zwischen “alten” und “neueren” EU-Ländern. Rumänien will diesen Prozess beschleunigen, konnte sich aber damit nicht durchsetzen. Bei der Verteilung des EU-Agrarbudgets auf die Mitgliedstaaten im Laufe der MFR-Verhandlungen dürfte dieser Streit zwischen den EU-Mitgliedstaaten aufflammen. jd
Nach einem langwierigen Rechtsstreit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag endgültig die Aufhebung einer von der Europäischen Kommission verhängten Geldbuße von 1,06 Milliarden Euro gegen Intel bestätigt. Die Strafe hatte die Kommission ursprünglich im Mai 2009 verhängt. Sie warf dem US-Chiphersteller vor, wettbewerbswidrige Rabatte gewährt und damit seine marktbeherrschende Stellung im Bereich der x86-Prozessoren missbraucht zu haben. Nutznießer der Rabatte waren Großkunden wie Dell und HP oder der Elektronikhändler Media Markt Saturn, Geschädigte waren Wettbewerber wie AMD.
Der Fall zog sich über 15 Jahre hin und führte zu mehreren Urteilen. Zunächst wies das Gericht 2014 Intels Einspruch gegen die Geldstrafe ab. 2017 hob der EuGH dieses Urteil jedoch auf und verwies den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Im Januar 2022 erklärte das Gericht die Kommissionsentscheidung teilweise für nichtig und hob die Geldbuße vollständig auf.
Das Gericht kritisierte die wirtschaftliche Analyse der Kommission und entschied, dass die vorgelegten Beweise nicht ausreichten, um die behaupteten wettbewerbswidrigen Effekte der Rabatte zu belegen. Vor allem den As-Efficient-Competitor-Test (Kriterium des ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers) habe die Kommission fehlerhaft angewendet, was zu erheblichen Zweifeln an der Gültigkeit der Vorwürfe führte.
Gegen dieses Urteil wiederum legte die Kommission Berufung ein, wurde jedoch nun endgültig vom EuGH zurückgewiesen. Das Urteil ist ein Rückschlag für die EU-Wettbewerbsbehörde und hat potenziell weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Kartellverfahren, insbesondere bei der Beurteilung von Rabattpraktiken. Ob Intel seine Marktmacht tatsächlich missbraucht hat, lässt das Urteil offen. vis
E-Commerce, Künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste werden künftig zu den größten Wachstumstreibern der globalen Wirtschaft zählen. Nach einer aktuellen Studie des Thinktanks McKinsey Global Institute (MGI) könnten diese Industrien zusammen mit weiteren Schlüsseltechnologien im Jahr 2040 bis zu 48 Billionen Dollar Umsatz und sechs Billionen Dollar Gewinn erzielen.
Die Studie führt den Begriff der “Wettbewerbsarenen” ein, um Industrien zu beschreiben, die durch überdurchschnittliches Wachstum und hohe Dynamik geprägt sind. Diese Arenen unterscheiden sich von traditionellen Sektoren durch ihre Fähigkeit, sich schnell zu verändern und überproportional hohe Marktanteile zu erobern. “Die heutigen Arenen des Wettbewerbs sind Treiber für Innovation und werden voraussichtlich neue Wachstumszentren in der globalen Wirtschaft bilden”, sagt Chris Bradley vom MGI.
Die wichtigsten der 18 Arenen sind:
Neben den drei führenden Arenen gehören auch Elektrofahrzeuge, Halbleiter und digitale Werbung zu den zentralen Zukunftsfeldern. Die 18 Wettbewerbsarenen, vermuten die Autoren der McKinsey-Studie, könnten bis zum Jahr 2040 rund 16 Prozent des globalen BIP ausmachen und mehr als ein Drittel des weltweiten Wirtschaftswachstums verantworten. Sie haben demnach bereits heute einen starken Einfluss auf Innovationen und die globale Marktstruktur und werden in den kommenden Jahren eine noch zentralere Rolle in der Weltwirtschaft einnehmen.
Die neue EU-Kommission hat die Themen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen ganz oben auf ihre politische Agenda gesetzt. vis
Die Stiftung Familienunternehmen fordert schnellere Ergebnisse beim Bürokratieabbau in der EU. “Europa muss seine strukturellen Schwächen beseitigen”, heißt es in der Brüsseler Erklärung, die das Kuratorium der Stiftung nach einer Tagung in Brüssel verfasst hat. Dazu zählten “Hindernisse im Binnenmarkt” und “chronische Überregulierung”. Europa lebe von Vertrauen. Und dazu gehöre der Anspruch, dass die EU ein ökonomisches Kraftzentrum bleibe und ihre wirtschaftlichen Versprechen umsetze.
“Dieses Vertrauen steht auf dem Spiel”, heißt es in der Erklärung, die Table.Briefings vorliegt. Trotz vieler politischer Versicherungen komme der Bürokratieabbau nicht voran. “Familienunternehmen warten vergeblich auf spürbare Entlastungen.” Die angekündigte Reduktion der Berichtspflichten verlaufe im Sand. Auch deshalb gerate die EU-Wirtschaft immer mehr ins Hintertreffen. Die EU-Politik müsse wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen: “Dazu braucht es nicht mehr Geld, sondern spürbar weniger Belastung: Entscheidend sind gute Standortbedingungen“, schreibt die Organisation. mgr
Europas Rechnungsprüfer stellen fast allen EU-Agenturen ein positives Zeugnis für ihre Haushaltsführung im vergangenen Jahr aus. Lediglich vier der 43 untersuchten EU-Agenturen wie etwa die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) bekommen eine Verwarnung für ihre Ausgaben, wie aus einem neuen Bericht des EU-Rechnungshofs mit Sitz in Luxemburg hervorgeht. Insgesamt sei der Umgang aller geprüften Agenturen mit Einnahmen und Ausgaben 2023 aber solide gewesen.
Die Agenturen haben ihren Sitz in verschiedenen EU-Ländern und beschäftigen dem Bericht zufolge mehr als 16.000 Menschen. Das Budget der Agenturen lag 2023 demnach insgesamt bei über vier Milliarden Euro. Die meisten Agenturen werden fast vollständig aus dem EU-Haushalt finanziert.
“Die Haushaltsführung der EU-Agenturen ist im Allgemeinen gut, aber wir stellen nach wie vor Fehler bei der Vergabe öffentlicher Aufträge fest”, kritisierte François-Roger Cazala vom Rechnungshof. Bei drei der vier verwarnten Agenturen bemängelte der Rechnungshof Unregelmäßigkeiten bei den Vergabeverfahren.
Es handelt sich den Angaben zufolge um die in der Slowakei sitzende Arbeitsbehörde ELA und die Agentur für Cybersicherheit (ENISA) mit Sitz in Griechenland. Außerdem verwarnt der Rechnungshof deshalb die für IT-Großsysteme zuständige Agentur eu-LISA, die ihren Sitz in Estland hat. Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) mit Sitz in Ungarn wird hingegen für seine geschätzte Fehlerquote bei den von ihm verwalteten Finanzhilfen kritisiert. dpa
Es ist noch nicht lange her, da stritten Hadja Lahbib und Ursula von der Leyen über den richtigen Kurs. Lahbib, die belgische Außenministerin, trat für die Palästinenser in Gaza ein und teilte gegen Israel aus. Demgegenüber betonte Kommissionspräsidentin von der Leyen stets das israelische Recht auf Selbstverteidigung. Der Streit überschattete den belgischen EU-Vorsitz, der im Juni endete.
Ein Vierteljahr später soll Lahbib in von der Leyens neues Team eintreten und Kommissarin für Vorsorge und Krisenmanagement sowie Gleichberechtigung werden. Selbst für Kenner der belgischen Politik ist dies eine Überraschung. Bis zuletzt galt Noch-Justizkommissar Didier Reynders als Favorit – er verfügt über reichlich Erfahrung. Lahbib hingegen gilt als unerfahren und manchmal unberechenbar.
Dass sie in letzter Sekunde nominiert wurde, hat von der Leyen auch sich selbst zuzuschreiben: “Mehr Frauen” hatte sie für ihre zweite Amtszeit angefordert. Lahbib ist eine Frau, sie versteht sich als Feministin. Die letzte Entscheidung lag aber beim Chef der wallonischen Liberalen, Georges-Louis Bouchez. Er habe sich für Erneuerung entschieden, begründete Bouchez seine überraschende Wahl.
Das Echo war zwiespältig – denn an Lahbib scheiden sich die Geister. Die flämische Presse kommentierte die Nominierung mit Häme. Die 54-Jährige sei ein “Leichtgewicht” und habe so wenig Format, dass “die EU-Profis in Brüssel sie auf einen Cracker legen und als Amuse-Gueule verspeisen werden”, schrieb die Zeitung “Het Nieuwsblad”. “Ungeschickt und unsichtbar“, urteilte “De Morgen”.
Völlig anders fällt das Urteil in der Wallonie aus, wo Lahbib 1970 als Tochter algerischer Einwanderer geboren wurde. Dort wird sie als leidenschaftlich und engagiert beschrieben und als Symbol für eine gelungene Integration gefeiert. Lahbib sei eine “Ikone der multikulturellen Gesellschaft”, schreibt “Le Soir”. Ihre politische Bilanz fällt bisher allerdings vergleichsweise mager aus.
Bouchez preist seine Kandidatin zwar für die “brillante Arbeit” während der belgischen Ratspräsidentschaft. Der starke Mann der belgischen Liberalen hebt auch ihre Erfahrung als Reporterin in Krisengebieten hervor. Seit 1997 arbeitete sie als Journalistin für die frankophone RTBF. Als Korrespondentin hat sie aus dem Nahen Osten, Afghanistan, Pakistan und dem Tschad berichtet.
Doch ihre politische Karriere begann erst 2022, als Bouchez sie zur Nachfolgerin von Außenministerin Sophie Wilmès machte, die aus privaten Gründen ihr Amt niedergelegt hatte. Lahbib geriet sofort in die Schusslinie – denn ein Jahr zuvor hatte sie, damals noch als Journalistin, auf Einladung Russlands die Krim besucht. Die Ukraine verurteilte die “illegale” Reise.
Lahbib machte den Fauxpas zwar mit einem Besuch in Kiew wieder gut. Seither gilt sie als treue Freundin der Ukraine. Doch dann kam gleich der nächste Skandal. Diesmal ging es um eine Konferenz von Bürgermeistern in Brüssel, an der auch Iraner teilnahmen. Wer hatte die Visa erteilt? Lahbib redete sich damit heraus, dafür sei die Region Brüssel zuständig, nicht ihr Außenministerium.
Als diplomatischen Erfolg konnte sie dann aber einen Gefangenenaustausch mit Iran feiern – der belgische Entwicklungshelfer Olivier Vandecasteele kam frei. Seither haben sich die Wogen um die Ministerin geglättet, die neben der Außenpolitik auch für Handel und Kultur zuständig war. Bei der Anhörung im Europaparlament muss sie sich dennoch auf unangenehme Fragen gefasst machen. Eric Bonse
bereits jetzt steht fest, dass die überwiegende Mehrheit der “Chefs” mit gemischten Gefühlen zum informellen Rat am 8. November nach Budapest reist. Ministerpräsident Viktor Orbán wird die Bühne mal wieder zur Selbstdarstellung nutzen. Allenfalls sein slowakischer Amtskollege Robert Fico, ein Bruder im Geiste, sieht dem Auftritt mit Sympathie entgegen.
Alle anderen möchten, dass von dem Treffen ein politisches Signal ausgeht. Bei informellen Gipfeln gibt es keine Schlussfolgerungen, dafür Erklärungen. Die EU-Diplomaten feilen gerade an der “Budapester Erklärung zum neuen EU-Wettbewerbsdeal”. Wie Table.Briefings vorab erfahren hat, soll die Kommission aufgefordert werden, eine “umfassende Industriestrategie für wettbewerbsfähige Industrien und anspruchsvolle Jobs” vorzulegen.
Die Mitgliedstaaten sorgen sich auch darum, ob die EU bei der Digitalisierung ausreichend aufgestellt ist. Der Rat werde die “Entwicklung einer Weltklasse-Quantentechnologie und eines KI-Ökosystems für ganz Europa” unterstützen. Die Staats- und Regierungschefs “laden” die Kommission daher ein, eine “Tech-Strategie” vorzulegen.
Der Rat ruft die Kommission zudem auf, im Anschluss an den Strategischen Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft eine Vision für die Branche vorzulegen. Die Kommissionspräsidentin hat dies bereits beim designierten Agrarkommissar Christophe Hansen für die ersten 100 Tage in Auftrag gegeben.
Kommen Sie gut ins Wochenende!
Bei Georgiens Parlamentswahl am Samstag geht es um die europäische Perspektive des Landes und den Einfluss der EU in der Region. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach im Vorfeld von einem Moment der Wahrheit. Die Bevölkerung entscheide darüber, ob Georgien Teil Europas werde oder sich abwende. Die Prognosen ergeben kein klares Bild. Wahrscheinlich ist eine Pattsituation, bei der die prorussische Regierungspartei Georgischer Traum als voraussichtlich stärkste Kraft versuchen wird, Teile der fragmentierten Opposition zu kaufen oder anders auf ihre Seite zu ziehen.
Bidsina Iwanischwili, Milliardär und Gründer des Georgischen Traums, hat im Wahlkampf angedroht, “antipatriotische” Oppositionsparteien zu verbieten. Opposition und Zivilgesellschaft stehen seit der Verabschiedung unter anderem eines sogenannten Agentengesetzes nach russischem Vorbild unter massivem Druck. Am gestrigen Donnerstag führte die Finanzpolizei Razzien bei zwei Mitarbeitern von NGOs durch, die gerade erst einen Report über russische Einflussnahme in Georgien veröffentlicht hatten.
Das repressive und einschüchternde Vorgehen zeige, dass Georgiens Regierung zunehmend autoritär geworden und in die Nähe von Wladimir Putin gerückt sei, sagte etwa der österreichische EU-Abgeordnete Thomas Waitz.
Der Ko-Vorsitzende der Europäischen Grünen ruft dazu auf, im Fall von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl Sanktionen gegen den Milliardär Iwanischwili zu ergreifen. Bisher ist die EU davor zurückgeschreckt, weil der Oligarch große Teile der Wirtschaft des Landes kontrolliert. Laut Medienberichten bereiten auch die USA Sanktionen gegen den starken Mann in Tiflis vor. Besonders kritisch werden voraussichtlich die Tage nach der Wahl sein, sollte die Opposition besser abschneiden als erwartet.
Der Georgische Traum plakatiert im Wahlkampf mit dem Vorwurf, die Opposition wolle das Land in eine Konfrontation des Westens mit Russland hineinziehen und spielt dabei mit den Ängsten der Bevölkerung, die durch die Kriege um Abchasien sowie Südossetien traumatisiert ist. Die Parlamentswahl sei eine Entscheidung zwischen “Krieg und Frieden”. Die Regierungspartei wirbt zudem damit, “traditionelle Werte” zu verteidigen. Anfang des Monats ist ein Gesetz in Kraft getreten, das die Rechte von homosexuellen Menschen und anderen Angehörigen sexueller Minderheiten einschränkt.
Man wollte das Land vor “immoralischer Propaganda” aus dem Westen schützen, heißt es von der Regierungspartei. Allerdings lassen Politiker des Georgischen Traums gerne ihre Töchter und Söhne im Ausland studieren oder besitzen dort Immobilien.
Moldau hat eine proeuropäische Regierung und eine Bevölkerung unter dem Einfluss der russischen Desinformationskampagnen. In Georgien betreibt die Regierungspartei die russische Propaganda gleich selbst. Paradox ist, dass die Bevölkerung anders als in Moldau ausgesprochen proeuropäisch eingestellt ist. Laut Umfragen sind 80 Prozent für die Integration in die EU und immerhin zwei Drittel für einen Nato-Beitritt.
Deshalb dürfte die EU auch davor zurückschrecken, die Suspendierung der Visafreiheit als Hebel zu nutzen. Nach der Verabschiedung des prorussischen Agentengesetzes und massivem Druck gegen die Zivilgesellschaft hat die EU den Beitrittsprozess jedoch de facto auf Eis gelegt sowie Gelder gesperrt.
Dass sich die proeuropäische Einstellung nur beschränkt in Stimmen für die Regierungsgegner ausdrückt, hat mehrere Gründe: Zum einen trägt die massive Propaganda der Regierung Früchte. Darüber hinaus ist die Opposition durch eine starke Fragmentierung geschwächt. Der frühere Präsident Micheil Saakaschwili sitzt seit 2021 auf Grundlage undurchsichtiger Vorwürfe im Gefängnis sitzt.
Erstmals wird das Parlament mit 150 Sitzen nach Verhältniswahlrecht bestellt, wobei eine Fünf-Prozent-Hürde zur Anwendung kommt. Laut einer Umfrage könnte der Georgische Traum auf rund ein Drittel der Stimmen kommen und vier oppositionelle Koalitionen zusammen auf 55 Prozent. Eine andere Prognose sieht die Regierungspartei jedoch bei knapp 60 Prozent, wobei nur zwei oppositionelle Gruppierungen die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und auf 24 Prozent der Stimmen kommen würden.
Bidsina Iwanischwili strebt jedoch nach einer Zweidrittelmehrheit, um die Verfassung nach seinen Vorstellungen umgestalten zu können.
Ineffektive Institutionen und mangelnde Hoheit des Rechts hemmen den Fortschritt eines Staates und die Wohlstandsentwicklung seiner Bürgerinnen und Bürger. So lautet eine Forschungshypothese der drei in diesem Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Wirtschaftswissenschaftler. Bedürfte es eines Belegs dafür, könnte Bulgarien ihn liefern. Die Politiker des Landes demonstrieren seit Jahren fehlende Kooperationsbereitschaft bis hin zu destruktiver Konfrontation. Zwei Drittel der Wahlberechtigten quittieren dies inzwischen mit Stimmenthaltung.
Unter dem noch wählenden Drittel hat die zentristische Partei Bürger für eine europäische Entwicklung (GERB) von Ex-Ministerpräsident Boiko Borissow eine einfache Mehrheit. Wie zuletzt aus den Parlamentswahlen im Juni 2024 dürfte sie auch aus den Wahlen zur 51. bulgarischen Volksversammlung als stärkste politische Kraft hervorgehen.
Um Platz zwei wird sich voraussichtlich das konservativ-liberale Parteienbündnis aus Wir setzen den Wandel fort (PP) und Demokratisches Bulgarien (DB) ein knappes Rennen liefern mit den russlandfreundlichen Nationalisten der Partei Wiedergeburt. Um die hinteren Ränge konkurrieren die post-kommunistische Bulgarische Sozialistische Partei (BSP), die Kleinstpartei So ein Volk gibt es (ITN) und erstmals zwei verfeindete Fraktionen der Partei der bulgarischen Türken Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), die sich im Juli 2024 spektakulär gespalten hat.
Nach der gewonnenen Wahl im Juni 2024 fand Borissows GERB keine parlamentarische Mehrheit für ein Minderheitenkabinett. Vorgezogene Neuwahlen wurden erneut unausweichlich. Diesmal gilt eine Koalition der beiden euro-atlantischen politischen Kräfte GERB und PP/DB als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Bildung einer stabilen Regierung. Rein rechnerisch wird für sie ein dritter Koalitionspartner notwendig sein. Dies aber lässt fraglich erscheinen, ob und wenn ja, wie sie zustande kommen kann. Doch eine achte Wahl in dann vier Jahren will GERB-Führer Borissow für das kommende Frühjahr unbedingt vermeiden. “Wir werden mit allen verhandeln, außer mit Wiedergeburt“, hat er deshalb erklärt.
Die politische Instabilität der vergangenen Jahre mit zwei kurzlebigen regulären und häufig wechselnden geschäftsführenden Regierungen war der wirtschaftlichen Entwicklung des Balkanlands abträglich. Es gilt auch 17 Jahre nach seinem Beitritt zur Europäischen Union als ärmstes EU-Land. Eurostat-Daten zufolge lag die Kaufkraft der Bulgarinnen und Bulgaren im vergangenen Jahr gerade mal bei 64 Prozent des EU-Durchschnitts.
Auch politisch schreitet Bulgariens Konvergenzprozess nicht so zügig voran wie erhofft. Zwar wurde dem Land Ende März 2024 der Zugang zum Schengen-Raum zu Wasser und in der Luft gewährt. Doch die Einführung der Schengen-Regeln auch an den Landgrenzen blieb ihm verwehrt, weil Österreich Vorbehalte gegen Bulgariens Schutz der EU-Außengrenzen vor illegaler Migration geltend macht. Zuvor hatten auch die Niederlande ihr Veto eingelegt, weil Bulgarien die Korruption unzureichend bekämpfe.
Bereits seit Juli 2020 verharrt Bulgarien im sogenannten Euro-Wartesaal WKM II. Konnte das zeitgleich mit ihm dem Wechselkursmechanismus beigetretene Kroatien bereits Anfang 2023 den Euro einführen, so musste Bulgarien seinen Beitritt zur Eurozone mehrfach verschieben, weil es das Kriterium der Preisstabilität verfehlte. Ende des kommenden Jahres gilt nun als frühest möglicher Zeitpunkt für den Wechsel vom bulgarischen Lew zum Euro.
“Wir werden Milliarden verlieren”, warnte jüngst die Finanzministerin der geschäftsführenden Regierung Ludmilla Petkova vor Verzögerungen ihres Landes bei der Ausfertigung des Nationalen Plans für Aufbau und Resilienz (NPAR). Auf ihrer letzten Parlamentssitzung vor der Wahl sollten die Abgeordneten am 26. September 2024 der Regierung eigentlich das Mandat erteilen, von der EU-Kommission geforderte Änderungen am NPAR vorzunehmen. Um eine Verkürzung der Laufzeiten der nationalen Kohlekraftwerke zu verhindern, blockierten Nationalisten und Populisten aber kurzerhand das Rederpult und sprengten die Sitzung. Nun riskiert Bulgarien, geplante NPAR-Vorhaben nicht mehr im Rahmen der Frist bis August 2026 realisieren zu können und beträchtliche EU-Finanzmittel zu verlieren.
Wahlmüdigkeit ist nicht nur bei Wählerinnen und Wählern unverkennbar, sondern auch bei den politischen Parteien. So mangelt es dem Wahlkampf an substanziellen Debatten der Probleme des Landes. Er ist stattdessen geprägt von TV-Bildern von Polizeioperationen gegen versuchte Wahlmanipulationen, die seit vielen Jahren eine vertraute Begleiterscheinung aller Wahlen sind.
Für die Wahlen von 2013 bis 2021 publizierte der investigativ-journalistische Antikorruptionsfonds (AKF) Hinweise auf den Kauf von Wählerstimmen und kontrollierte Stimmabgaben für 1.738 der gut 11.000 Wahllokale. Die stärksten Verdachtsmomente richteten sich dem AKF zufolge dabei gegen die Parteien GERB, DPS und BSP.
“Tief besorgt” und bereit zur Reaktion: Die EU-Staaten haben mit deutlicher Kritik auf die Berichte über nordkoreanische Soldaten in Russland reagiert. Russlands vertiefte Kooperation mit Nordkorea sende eine klare Botschaft, heißt es in einer Erklärung des Europäischen Rates vom Donnerstagabend: “Trotz der erklärten Bereitschaft zu Verhandlungen ist Russland nicht interessiert an einem gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden.” Die EU-Staaten kündigen eine Reaktion in Abstimmung mit internationalen Partnern auf die Entwicklung zwischen Moskau und Pjöngjang an.
Mit dem BRICS-Summit im russischen Kasan und der militärischen Zusammenarbeit mit Nordkorea verfolgt Russland mehrere Ziele: Unter anderem will Russland nach innen wie nach außen zeigen, dass es nicht isoliert sei. “Es ist ja kein Zufall, dass der Aufenthalt nordkoreanischer Soldaten fast zeitgleich mit dem BRICS-Treffen bekannt wird”, sagt Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik von der Universität Hamburg (IFSH). Konkret würden da zwei Staatsführer kooperieren, die “im Hass auf den Westen” vereint seien.
Kühn und andere Fachleute betrachten die Entwicklung rund um die Entsendung nordkoreanischer Soldaten – die Rede ist je nach Quelle von 3.000 bis 11.000 Mann – als “eine deutliche Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine, weil ein dritter Staat nun aktiv mit Soldaten eingreifen könnte”.
“Ich gehe davon aus, dass wir diese Soldaten schon bald an der Front sehen werden, entweder in Russland selbst in der Region Kursk oder in den besetzten Gebieten in der Ukraine”, sagt der Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und Neue Technologien am IFSH.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat während seines Besuchs im Juni in Pjöngjang mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un einen Vertrag für eine “allumfassende strategische Partnerschaft zwischen Russland und Nordkorea” unterzeichnet. Die Duma hat ihn nun ratifiziert. Nach Putins Unterschrift könnte er schon bald in Kraft treten. Im Vertrag (hier Original auf Russisch) heißt es unter anderem:
“Wenn eine Seite von irgendeinem anderen Staat oder mehreren Staaten gewaltsam angegriffen wird und sich dadurch in einem Zustand des Krieges befindet, dann wird die andere Seite unverzüglich militärische und jede andere Hilfe mit ihr zur Verfügung stehenden Mitteln leisten entsprechend dem Artikel 51 der UN-Charta und aufgrund der Gesetzeslage Russlands und der Demokratischen Volksrepublik Korea.”
Offiziell führt Russland keinen Krieg, sondern eine “Spezialmilitäroperation” in der Ukraine.
Satellitenbilder, Fotos und Videoaufnahmen von nordkoreanischen Soldaten auf russischem Territorium haben international Empörung ausgelöst. Nach Lieferungen verschiedener Waffen aus dem Iran und Nordkorea hätten fremde Soldaten – entsandt von einem Staat und nicht als Privatpersonen angeworben – eine neue “Qualität”, sagt Ulrich Kühn. “Für Europa ist das extrem bedenklich.”
Der Sicherheitsexperte sieht im Moment allerdings wenig Handlungsmöglichkeiten für den Westen. Den Ukraine-Helfern seien die Hände gebunden, weil sie die Entsendung eigener Soldaten in die Ukraine ausgeschlossen hätten.
Russland gelinge es abermals, den Westen zu stressen und dafür zu sorgen, dass er sich mit einer möglichen Gefahr für sich beschäftige. Das spiele politischen Kräften in Europa in die Hände, die etwa die Ukraine-Hilfe infrage stellten, erläutert IFSH-Forscher Kühn. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte schon Mitte Oktober in Brüssel zu ersten Gerüchten über nordkoranische Soldaten gesagt: “Das ist der erste Schritt zu einem Weltkrieg.” Südkorea prüft inzwischen, entgegen bisheriger Praxis nun doch Waffen an die Ukraine zu liefern.
30.10.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Erweiterungspaket 2024, Vorstellung des Niinistö-Berichts. Vorläufige Tagesordnung
Mit den Stimmen von EVP, EKR und den beiden rechtsextremen Fraktionen der “Patrioten” (PfE) und “Souveränisten” (ESN) hat das Gremium der Fraktionschefs entschieden, dass die venezolanische Opposition den diesjährigen Sacharow-Preis bekommt. Ausgezeichnet werden María Corina Machado, die Chefin der demokratischen Sammlungsbewegung, sowie Eduardo González Urrutia, der die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, aber dessen Sieg von dem Regime in Caracas nicht anerkannt wird.
Die Organisationen Women Wage Peace und Women of the Sun aus Israel und Palästina wurden von S&D und Renew unterstützt. Der aserbaidschanische Oppositionelle Gubad Ibadoghlu bekam die Unterstützung von Grünen und Linken. Der Preis für die geistige Freiheit wird am 18. Dezember in Straßburg verliehen.
Zuletzt waren mehrfach Mehrheiten für Positionen der EVP zustande gekommen, weil diese gemeinsam mit EKR und den beiden rechtsextremen Fraktionen gestimmt hat. Politiker von S&D, Renew und Grünen werfen EVP-Chef Manfred Weber vor, gemeinsame Sache mit Rechtsaußen zu machen. Weber weist die Vorwürfe zurück: Die EVP könne nichts dafür, wenn die Rechtsradikalen mitstimmten. mgr
Bei den Verhandlungen um eine Erklärung zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die 26 von 27 EU-Agrarministern diese Woche verabschiedet haben, hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vergeblich darauf gedrängt, Budgetfragen auszuklammern. Es brauche “dezidierte und angemessene” Mittel für die GAP, halten die EU-Agrarminister stattdessen in der Erklärung fest. Sie räumen allerdings ein, dem nächsten Mehrjährigen EU-Finanzrahmen (MFR) nicht vorgreifen zu wollen.
Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft hatte darauf gepocht, die Beibehaltung der GAP als eigenem Budgetposten zu fordern. Um des Kompromisses willen habe er das mitgetragen, so Özdemir. Die Debatte um eine mögliche neue Struktur des (MFR) sei aus Sicht der Bundesregierung aber losgelöst von jener um die GAP nach 2027 zu führen, teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) mit.
Hintergrund der Debatte sind kürzlich aus der EU-Kommission durchgesickerte Reformideen für den MFR. In diesen wären die Agrarsubventionen kein eigener Budgetposten mehr. Kritik kam unter anderem vom Deutschen Bauernverband (DBV). Das BMEL will bislang inhaltlich keine Stellung beziehen. Vertreter der Bundesregierung haben sich im Gespräch mit Table.Briefings aber offen für Reformen gezeigt.
Nicht einstimmig verabschiedet wurden die Schlussfolgerungen zur GAP aber aus ganz anderen Gründen. Streitpunkt ist die sogenannte externe Konvergenz, also die sukzessive Angleichung der Direktzahlungen zwischen “alten” und “neueren” EU-Ländern. Rumänien will diesen Prozess beschleunigen, konnte sich aber damit nicht durchsetzen. Bei der Verteilung des EU-Agrarbudgets auf die Mitgliedstaaten im Laufe der MFR-Verhandlungen dürfte dieser Streit zwischen den EU-Mitgliedstaaten aufflammen. jd
Nach einem langwierigen Rechtsstreit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag endgültig die Aufhebung einer von der Europäischen Kommission verhängten Geldbuße von 1,06 Milliarden Euro gegen Intel bestätigt. Die Strafe hatte die Kommission ursprünglich im Mai 2009 verhängt. Sie warf dem US-Chiphersteller vor, wettbewerbswidrige Rabatte gewährt und damit seine marktbeherrschende Stellung im Bereich der x86-Prozessoren missbraucht zu haben. Nutznießer der Rabatte waren Großkunden wie Dell und HP oder der Elektronikhändler Media Markt Saturn, Geschädigte waren Wettbewerber wie AMD.
Der Fall zog sich über 15 Jahre hin und führte zu mehreren Urteilen. Zunächst wies das Gericht 2014 Intels Einspruch gegen die Geldstrafe ab. 2017 hob der EuGH dieses Urteil jedoch auf und verwies den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Im Januar 2022 erklärte das Gericht die Kommissionsentscheidung teilweise für nichtig und hob die Geldbuße vollständig auf.
Das Gericht kritisierte die wirtschaftliche Analyse der Kommission und entschied, dass die vorgelegten Beweise nicht ausreichten, um die behaupteten wettbewerbswidrigen Effekte der Rabatte zu belegen. Vor allem den As-Efficient-Competitor-Test (Kriterium des ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers) habe die Kommission fehlerhaft angewendet, was zu erheblichen Zweifeln an der Gültigkeit der Vorwürfe führte.
Gegen dieses Urteil wiederum legte die Kommission Berufung ein, wurde jedoch nun endgültig vom EuGH zurückgewiesen. Das Urteil ist ein Rückschlag für die EU-Wettbewerbsbehörde und hat potenziell weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Kartellverfahren, insbesondere bei der Beurteilung von Rabattpraktiken. Ob Intel seine Marktmacht tatsächlich missbraucht hat, lässt das Urteil offen. vis
E-Commerce, Künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste werden künftig zu den größten Wachstumstreibern der globalen Wirtschaft zählen. Nach einer aktuellen Studie des Thinktanks McKinsey Global Institute (MGI) könnten diese Industrien zusammen mit weiteren Schlüsseltechnologien im Jahr 2040 bis zu 48 Billionen Dollar Umsatz und sechs Billionen Dollar Gewinn erzielen.
Die Studie führt den Begriff der “Wettbewerbsarenen” ein, um Industrien zu beschreiben, die durch überdurchschnittliches Wachstum und hohe Dynamik geprägt sind. Diese Arenen unterscheiden sich von traditionellen Sektoren durch ihre Fähigkeit, sich schnell zu verändern und überproportional hohe Marktanteile zu erobern. “Die heutigen Arenen des Wettbewerbs sind Treiber für Innovation und werden voraussichtlich neue Wachstumszentren in der globalen Wirtschaft bilden”, sagt Chris Bradley vom MGI.
Die wichtigsten der 18 Arenen sind:
Neben den drei führenden Arenen gehören auch Elektrofahrzeuge, Halbleiter und digitale Werbung zu den zentralen Zukunftsfeldern. Die 18 Wettbewerbsarenen, vermuten die Autoren der McKinsey-Studie, könnten bis zum Jahr 2040 rund 16 Prozent des globalen BIP ausmachen und mehr als ein Drittel des weltweiten Wirtschaftswachstums verantworten. Sie haben demnach bereits heute einen starken Einfluss auf Innovationen und die globale Marktstruktur und werden in den kommenden Jahren eine noch zentralere Rolle in der Weltwirtschaft einnehmen.
Die neue EU-Kommission hat die Themen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen ganz oben auf ihre politische Agenda gesetzt. vis
Die Stiftung Familienunternehmen fordert schnellere Ergebnisse beim Bürokratieabbau in der EU. “Europa muss seine strukturellen Schwächen beseitigen”, heißt es in der Brüsseler Erklärung, die das Kuratorium der Stiftung nach einer Tagung in Brüssel verfasst hat. Dazu zählten “Hindernisse im Binnenmarkt” und “chronische Überregulierung”. Europa lebe von Vertrauen. Und dazu gehöre der Anspruch, dass die EU ein ökonomisches Kraftzentrum bleibe und ihre wirtschaftlichen Versprechen umsetze.
“Dieses Vertrauen steht auf dem Spiel”, heißt es in der Erklärung, die Table.Briefings vorliegt. Trotz vieler politischer Versicherungen komme der Bürokratieabbau nicht voran. “Familienunternehmen warten vergeblich auf spürbare Entlastungen.” Die angekündigte Reduktion der Berichtspflichten verlaufe im Sand. Auch deshalb gerate die EU-Wirtschaft immer mehr ins Hintertreffen. Die EU-Politik müsse wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen: “Dazu braucht es nicht mehr Geld, sondern spürbar weniger Belastung: Entscheidend sind gute Standortbedingungen“, schreibt die Organisation. mgr
Europas Rechnungsprüfer stellen fast allen EU-Agenturen ein positives Zeugnis für ihre Haushaltsführung im vergangenen Jahr aus. Lediglich vier der 43 untersuchten EU-Agenturen wie etwa die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) bekommen eine Verwarnung für ihre Ausgaben, wie aus einem neuen Bericht des EU-Rechnungshofs mit Sitz in Luxemburg hervorgeht. Insgesamt sei der Umgang aller geprüften Agenturen mit Einnahmen und Ausgaben 2023 aber solide gewesen.
Die Agenturen haben ihren Sitz in verschiedenen EU-Ländern und beschäftigen dem Bericht zufolge mehr als 16.000 Menschen. Das Budget der Agenturen lag 2023 demnach insgesamt bei über vier Milliarden Euro. Die meisten Agenturen werden fast vollständig aus dem EU-Haushalt finanziert.
“Die Haushaltsführung der EU-Agenturen ist im Allgemeinen gut, aber wir stellen nach wie vor Fehler bei der Vergabe öffentlicher Aufträge fest”, kritisierte François-Roger Cazala vom Rechnungshof. Bei drei der vier verwarnten Agenturen bemängelte der Rechnungshof Unregelmäßigkeiten bei den Vergabeverfahren.
Es handelt sich den Angaben zufolge um die in der Slowakei sitzende Arbeitsbehörde ELA und die Agentur für Cybersicherheit (ENISA) mit Sitz in Griechenland. Außerdem verwarnt der Rechnungshof deshalb die für IT-Großsysteme zuständige Agentur eu-LISA, die ihren Sitz in Estland hat. Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) mit Sitz in Ungarn wird hingegen für seine geschätzte Fehlerquote bei den von ihm verwalteten Finanzhilfen kritisiert. dpa
Es ist noch nicht lange her, da stritten Hadja Lahbib und Ursula von der Leyen über den richtigen Kurs. Lahbib, die belgische Außenministerin, trat für die Palästinenser in Gaza ein und teilte gegen Israel aus. Demgegenüber betonte Kommissionspräsidentin von der Leyen stets das israelische Recht auf Selbstverteidigung. Der Streit überschattete den belgischen EU-Vorsitz, der im Juni endete.
Ein Vierteljahr später soll Lahbib in von der Leyens neues Team eintreten und Kommissarin für Vorsorge und Krisenmanagement sowie Gleichberechtigung werden. Selbst für Kenner der belgischen Politik ist dies eine Überraschung. Bis zuletzt galt Noch-Justizkommissar Didier Reynders als Favorit – er verfügt über reichlich Erfahrung. Lahbib hingegen gilt als unerfahren und manchmal unberechenbar.
Dass sie in letzter Sekunde nominiert wurde, hat von der Leyen auch sich selbst zuzuschreiben: “Mehr Frauen” hatte sie für ihre zweite Amtszeit angefordert. Lahbib ist eine Frau, sie versteht sich als Feministin. Die letzte Entscheidung lag aber beim Chef der wallonischen Liberalen, Georges-Louis Bouchez. Er habe sich für Erneuerung entschieden, begründete Bouchez seine überraschende Wahl.
Das Echo war zwiespältig – denn an Lahbib scheiden sich die Geister. Die flämische Presse kommentierte die Nominierung mit Häme. Die 54-Jährige sei ein “Leichtgewicht” und habe so wenig Format, dass “die EU-Profis in Brüssel sie auf einen Cracker legen und als Amuse-Gueule verspeisen werden”, schrieb die Zeitung “Het Nieuwsblad”. “Ungeschickt und unsichtbar“, urteilte “De Morgen”.
Völlig anders fällt das Urteil in der Wallonie aus, wo Lahbib 1970 als Tochter algerischer Einwanderer geboren wurde. Dort wird sie als leidenschaftlich und engagiert beschrieben und als Symbol für eine gelungene Integration gefeiert. Lahbib sei eine “Ikone der multikulturellen Gesellschaft”, schreibt “Le Soir”. Ihre politische Bilanz fällt bisher allerdings vergleichsweise mager aus.
Bouchez preist seine Kandidatin zwar für die “brillante Arbeit” während der belgischen Ratspräsidentschaft. Der starke Mann der belgischen Liberalen hebt auch ihre Erfahrung als Reporterin in Krisengebieten hervor. Seit 1997 arbeitete sie als Journalistin für die frankophone RTBF. Als Korrespondentin hat sie aus dem Nahen Osten, Afghanistan, Pakistan und dem Tschad berichtet.
Doch ihre politische Karriere begann erst 2022, als Bouchez sie zur Nachfolgerin von Außenministerin Sophie Wilmès machte, die aus privaten Gründen ihr Amt niedergelegt hatte. Lahbib geriet sofort in die Schusslinie – denn ein Jahr zuvor hatte sie, damals noch als Journalistin, auf Einladung Russlands die Krim besucht. Die Ukraine verurteilte die “illegale” Reise.
Lahbib machte den Fauxpas zwar mit einem Besuch in Kiew wieder gut. Seither gilt sie als treue Freundin der Ukraine. Doch dann kam gleich der nächste Skandal. Diesmal ging es um eine Konferenz von Bürgermeistern in Brüssel, an der auch Iraner teilnahmen. Wer hatte die Visa erteilt? Lahbib redete sich damit heraus, dafür sei die Region Brüssel zuständig, nicht ihr Außenministerium.
Als diplomatischen Erfolg konnte sie dann aber einen Gefangenenaustausch mit Iran feiern – der belgische Entwicklungshelfer Olivier Vandecasteele kam frei. Seither haben sich die Wogen um die Ministerin geglättet, die neben der Außenpolitik auch für Handel und Kultur zuständig war. Bei der Anhörung im Europaparlament muss sie sich dennoch auf unangenehme Fragen gefasst machen. Eric Bonse