Table.Briefing: Europe

Von der Leyen sucht Gespräch mit Autoindustrie + Parlament will mehr Mitsprache + Abrechnung mit Orbán

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Kommission bereitet nach Informationen aus Kommissionskreisen einen strategischen Dialog zur Zukunft der Automobilwirtschaft vor. Ziel ist, binnen weniger Monate Wege aufzuzeigen, wie die Automobilindustrie aus der Krise kommt und die Probleme des europäischen Standorts gelöst werden.

Ein hochrangig besetztes Expertengremium soll sich umfassend um zentrale Fragen kümmern: Bleibt es bei den Strafzahlungen für die Hersteller wegen Verfehlens der Klimaziele 2025? Sollen die CO₂-Flottengrenzwerte 2030 und 2035 angepasst werden? Soll am Verbrenner-Aus für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge 2035 festgehalten werden? Auch der Aufbau der Ladeinfrastruktur sowie die Nutzung der im Fahrbetrieb anfallenden Daten könnten Thema werden.

Der strategische Dialog zur Zukunft der Automobilwirtschaft soll nach dem Muster des strategischen Dialogs zur Landwirtschaft organisiert werden. Unter der Leitung von Peter Strohschneider hatten Experten, Repräsentanten der Branche und NGOs innerhalb von sieben Monaten eine Vision für die Branche entwickelt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte signalisiert, die Empfehlungen umzusetzen. Wie zu hören ist, sucht die Kommission noch eine Persönlichkeit, die den Dialog zur Automobilwirtschaft moderieren kann.  

Von der Leyen hat in den vergangenen Tagen in Straßburg die CEOs der deutschen Autobauer in Einzelgesprächen getroffen: Oliver Blume von VW, Ola Källenius von Mercedes und Oliver Zipse von BMW. Derartige Treffen hatte es in ihrer ersten Amtszeit nicht gegeben.

Die CEOs versuchen noch, Änderungen bei den Ausgleichszöllen auf Elektroautos aus chinesischer Produktion zu erreichen, die Ende Oktober greifen sollen. Bei der CO₂-Regulierung laufen die Interessen der Firmenchefs auseinander: Während VW die Aussetzung der Strafzahlungen der CO₂-Flottengesetzgebung fordert, plädiert BMW-Chef Oliver Zipse dagegen. BMW hat viel investiert, um die Ziele einzuhalten. VW wird die Ziele absehbar verfehlen und muss mit Strafen in Milliardenhöhe rechnen. Zipse fordert Technologieoffenheit für die 2030er- und 2035er-Ziele. Blume ist dafür, dass es beim Ausstieg aus dem Verbrenner bleibt.

Auf dem Berliner Parkett hat VW bereits maßgeschneiderte Vorschläge unterbreitet, um die eigenen Absatzprobleme bei E-Autos zu lösen: VW fordert eine E-Autoprämie von 4000 Euro bis zu einem Kaufpreis von 65.000 Euro, eine Prämie für gebrauchte E-Autos von 2500 Euro sowie für zwei Jahre einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf E-Fahrzeuge. Die Wettbewerber sind befremdet, und die Lobbyschlacht ist in vollem Gange.

Ihr
Markus Grabitz
Bild von Markus  Grabitz

Analyse

Neue Rahmenvereinbarung: EU-Parlament will Eilverfahren eindämmen

Das Europaparlament drängt die EU-Kommission dazu, die Mitspracherechte der Abgeordneten im Gesetzgebungsprozess zu respektieren. Die Kommission soll sich nach dem Willen des Parlaments in einer neuen Rahmenvereinbarung dazu verpflichten, neue Vorhaben nur in absoluten Ausnahmefällen im Eilverfahren auf den Weg zu bringen – und dies im Einzelfall juristisch begründen zu müssen. Zudem will das Parlament leichter Untersuchungsausschüsse einrichten können, um in Skandalen wie Katargate selbst aufklären zu können.

Kommission und Rat hatten in den vergangenen Jahren vermehrt Krisenmaßnahmen auf Basis des “Notstandsartikels” 122 AEUV beschlossen, etwa in der Corona-Pandemie die gemeinsame Impfstoffbeschaffung sowie die Finanzhilfen von Next Generation EU und SURE. Das Europaparlament bleibt bei diesen Verfahren weitgehend außen vor, anders als im regulären Gesetzgebungsprozess.

“Gesetzgebung muss transparent und demokratisch sein”

Der SPD-Abgeordnete Bernd Lange mahnt, diese Praxis dürfe nicht weiter einreißen. “Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass die Gesetzgebung transparent und demokratisch abläuft”, sagte der Vorsitzende der Konferenz der Ausschussvorsitzenden zu Table.Briefings. Lange wird die anstehenden Verhandlungen gemeinsam führen mit dem Vorsitzenden des Verfassungsausschusses, Sven Simon (CDU). Auf Kommissionsseite ist Exekutiv-Vizepräsident Maroš Šefčovič zuständig.

Die Kommission hält die Abgeordneten bislang hin mit einem Termin für das erste Treffen und ließ auch unsere Anfrage unbeantwortet. Lange und Simon wollen die neue Rahmenvereinbarung zwischen Parlament und Kommission abschließen, bevor die neue Kommission die Arbeit aufnimmt. Für den avisierten Start Anfang Dezember braucht Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aber die Zustimmung des Parlaments zu ihrem neuen Kollegium. Die beiden EP-Unterhändler wollen dies als Druckmittel einsetzen, um ihr Zusagen abzuringen.

“So wächst der Gesetzgebungsberg immer weiter an”

Die aktuelle Rahmenvereinbarung stammt aus dem Jahr 2010. Das neue Abkommen ist aus Sicht von Simon ein Hilfsmittel: “Im Grunde ist der gesamte Gesetzgebungsprozess überarbeitungsbedürftig, aber dafür müssten wir die EU-Verträge ändern.” So kämpft das Europaparlament seit langem vergeblich darum, ein Initiativrecht für neue Gesetzesvorschläge zu erhalten. Bislang ist dies der Kommission vorbehalten.

Das bedeutet zugleich, dass die Abgeordneten aus eigenem Antrieb keine beschlossenen Gesetze ändern oder abschaffen können. “Das ist problematisch, denn so wächst der Gesetzgebungsberg immer weiter an”, sagt Simon. Das neue Rahmenabkommen solle daher eine Art Selbstverpflichtung der Kommission enthalten: “Sie soll begründen müssen, warum sie an einzelnen bestehenden Rechtsakten festhalten will.”

Sorge vor Klage des Rates

Die Christdemokraten haben die Entlastung der Unternehmen von EU-Bürokratie und Berichtspflichten zu einer ihrer Hauptprioritäten für die neue Legislaturperiode erhoben. Die EVP hatte auch darauf gedrungen, in der Rahmenvereinbarung eine deutliche Stärkung des Regulatory Scrutiny Boards in der Kommission festzuschreiben. Das unabhängige Gremium fungiert als eine Art interner Normenkontrollrat, es prüft die Qualität der Folgeabschätzungen für neue Gesetzesinitiativen.

Die Sozialdemokraten wollten die Forderungen aber nicht mittragen. Lange verweist auf rechtliche Bedenken: Die Rahmenvereinbarung könnte vom Rat vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden, wenn sie zu tief in die Exekutivkompetenzen der Kommission eingreife.

Neue Vereinbarung zum Bürokratieabbau

Damit bleibt es allein Sache von der Leyens, wie sie den Kampf gegen übermäßige Regulierung in der Kommission organisiert. Die CDU-Politikerin hat den designierten neuen Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis damit beauftragt, den bestehenden EU-Acquis zu überprüfen und entbehrliche Berichtspflichten zu streichen.

Der Lette soll zudem mit Rat und Parlament eine neue interinstitutionelle Vereinbarung aushandeln. Diese soll auch die beiden anderen EU-Institutionen zu Folgeabschätzungen verpflichten, wenn sie weitreichende Änderungen an den Gesetzesvorschlägen der Kommission wollen. Wann diese interinstitutionelle Vereinbarung verhandelt wird, ist noch unklar. Sie läuft getrennt von der bilateralen Rahmenvereinbarung zwischen Parlament und Kommission.

Wie wirkungsvoll eine solche Vereinbarung sein kann, ist ohnehin offen: Schon in der jüngsten interinstitutionellen Vereinbarung aus dem Jahr 2016 hatten sich die drei Institutionen dazu bekannt, “die Gesetzgebung zu vereinfachen und Lasten zu reduzieren”. Simon bezweifelt auch, dass das neue Rahmenabkommen zwischen Parlament und Kommission ein Heilmittel gegen die Bürokratie sein kann. “In Teilen des Parlaments fehlt es leider bereits am nötigen Problembewusstsein“, kritisiert er. “Dabei belastet die Überregulierung der vergangenen Legislatur massiv die Akzeptanz der EU.”

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Nachhaltigkeitsberichterstattung: Warum eine Entschlackung kurzfristig kaum möglich ist

Karina Sopp ist neben ihrer Lehrtätigkeit auch als Buchautorin und Gutachterin tätig.

Frau Sopp, die Zahl der kritischen Stimmen zur EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) nimmt zu. Unternehmen, Verbände, Regierung, Opposition und der Bundesrat sagen, die Regulierung sei zu umfassend, zu komplex. Teilen Sie diese Einschätzung?
Wenngleich Unternehmen die Anforderungen der CSRD – mit Ausnahme von speziellen Sachverhalten – theoretisch in der vorliegenden Form umsetzen können, stimme ich zu: Die Berichtspflichten verlangen ihnen viele Ressourcen ab, menschliche wie finanzielle. Deshalb wäre es ratsam, sie zu entschlacken.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich letzte Woche sogar dafür ausgesprochen, die Berichtspflichten abzuschaffen. Im Gegenzug sollten Unternehmen wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen und sich dann strengen Kontrollen stellen.
Das ähnelt dem Modell, das wir vor der CSRD hatten. Da galt die Non-Financial Reporting Directive (NFRD), die nicht-finanzielle Berichtspflichten für einen eingeschränkten Kreis von Unternehmen festgelegt hat. In diesem Rahmen waren die Unternehmen deutlich flexibler bei der Wahl der zu berichtenden Themen, dem Umfang und dem Detailgrad. Durch diese Flexibilität waren die Berichte aber kaum vergleichbar. Es gab auch Unternehmen, die wenig berichtet haben. Zugleich muss man aus Sicht der Unternehmen ergänzen, dass die damaligen Vorgaben der Politik unverbindlich und schwammig gewesen sind. Die geringe Aussagekraft der nichtfinanziellen Erklärungen lag also auch an der fehlenden Standardisierung.

Darauf hat die EU mit der CSRD reagiert?
Die EU hat das Ziel formuliert, Kapitalströme in nachhaltigere Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. Dafür müssen Investoren in einem höheren Detailgrad über die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen informiert sein. Insbesondere aus diesem Grund wurden die Maßnahmen sehr viel strenger formuliert.

Wie könnte der Aufwand bei der Berichterstattung wieder reduziert werden?
Der Aufwand wird nicht allein durch den Umfang der Daten bestimmt, sondern durch den gesamten Prozess. Dieser startet mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse, bei der man herausfiltern muss, welche Themen für die Unternehmen und deren Stakeholder wichtig sind. Unter anderem durch die vorgegebene Stakeholder-Einbindung ist der gesamte Prozess komplex und könnte durchaus vereinfacht werden. Ein weiterer Punkt ist der Detaillierungsgrad. Welche Daten können überhaupt erhoben werden? Lieferanten beispielsweise wollen oder können gewisse Informationen nicht bereitstellen, weil sie in Ländern ansässig sind, in denen die Daten zu Arbeitskräften oder zur Umwelt nicht verfügbar sind. Oder nur mit Verzögerung, unter Rückgriff auf Informationen von öffentlichen Stellen, bereitgestellt werden können.

Die Bundesregierung hat angekündigt, sich bei der EU-Kommission für eine Reduzierung des Aufwands einzusetzen. Allerdings haben einige Mitgliedstaaten die CSRD bereits in nationale Gesetze überführt. Wieviel lässt sich noch verändern?
Auf EU-Ebene wird man so kurzfristig nichts ändern können, was für die ersten Anwender relevant wäre, die für Berichtsjahre ab 2024 berichten müssen. Auch auf nationaler Ebene gibt es kurzfristig nur wenig Gestaltungsspielraum. Denn die Details, die die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) festgelegt hat, werden nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten bestimmt. Man könnte jedoch auf Basis der ersten CSRD-Evaluationen Anpassungen vornehmen, die mittel- und langfristig wirken würden.

Wird die deutsche Kritik an der CSRD in anderen europäischen Ländern eigentlich geteilt?
Auch in anderen Mitgliedstaaten wird der Aufwand als groß empfunden. Deswegen wird die CSRD zum Teil nur sehr verzögert umgesetzt. Es steht zu befürchten, dass Ende des Jahres noch keine EU-weite Rechtssicherheit besteht.

Wie passt das zu dem Anspruch, EU-weit ein Level Playing Field herstellen zu wollen?
Die kapitalmarktorientierten Unternehmen, die für das Jahr 2024 berichtspflichtig sein werden, sind schon nach der NFRD zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet gewesen. Diese Unternehmen sind viel besser auf die neuen Berichtspflichten vorbereitet als erstmals Berichtspflichtige. Für Kapitalgesellschaften, die für Berichtsjahre ab 2025 erstmals Auskunft geben müssen, ist die Umstellung größer. Wenn die Berichtspflicht in den jeweiligen EU-Staaten nun aber unterschiedlich ausgeübt wird, führt das zu einer ungleichen Behandlung. Und das Problem geht weiter, etwa beim sogenannten Konzernprivileg. Dadurch müssen Tochtergesellschaften eigentlich nicht zusätzlich gesondert berichten. Aber dieses Privileg kann nicht genutzt werden, wenn die Muttergesellschaft in einem EU-Staat ansässig ist, in dem die CSRD noch nicht umgesetzt worden ist.

Haben Unternehmen selbst einen Spielraum, um ihren Aufwand zu reduzieren?
Grundsätzlich ist das anzuwenden, was rechtlich vorgegeben ist. Aber die Intensität, mit der die Regeln umgesetzt werden, kann durchaus unterschiedlich sein. Wie sehr oder in welcher Form ein Unternehmen etwa die Stakeholder, also die Belegschaft, die Kunden oder die interessierte Öffentlichkeit einbindet, basiert auf der eigenen Einschätzung. Zumal die externe Prüfung der Berichte in der ersten Phase weniger streng gehandhabt wird.

Gehen Sie davon aus, dass sich der Aufwand der Berichterstattung für Unternehmen reduzieren lässt, und die EU zugleich die Ziele ihres Green Deals aufrechterhalten kann?
Ich halte es für gut vorstellbar, dass sich die EU-Ziele etwa zur Dekarbonisierung selbst bei angepassten Anforderungen erreichen lassen. Zudem glaube ich nicht, dass man die nun festgelegten Eckpunkte der Standardisierung oder der externen Prüfung aufgeben muss, um die Berichterstattung zu vereinfachen. Der Aufwand könnte allein dadurch reduziert werden, dass die rechtlichen Vorgaben mit mehr Vorlaufzeit bereitgestellt werden und klarer formuliert sind. Außerdem sollten Informationen, die viele Unternehmen benötigen und die über unterschiedliche Datenbanken zusammengetragen werden müssen oder kaum verfügbar sind, zentral bereitgestellt werden. Ein Beispiel dafür sind Emissionsminderungsfaktoren für unterschiedliche Regionen und Anwendungsfälle. Auch über die notwendige Granularität der offenzulegenden Daten an der einen oder anderen Stelle lässt sich streiten.

Professorin Karina Sopp ist Inhaberin des Lehrstuhls für Entrepreneurship und betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Nachhaltigkeitsberichterstattung gehört zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit.

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Von der Leyen rügt Orbán für Diskriminierung ausländischer Unternehmen

So deutlich hat Ursula von der Leyen ihre Kritik an Viktor Orbán noch nie vorgebracht. Schritt für Schritt nahm die Kommissionspräsidentin die Präsentation des Regierungschefs auseinander, der zuvor die Agenda von Ungarns EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt hatte. Etwa beim Thema Wettbewerbsfähigkeit, Schwerpunkt des informellen Gipfels am 8. November in Budapest: Barrieren müssten abgebaut werden, damit Unternehmen grenzüberschreitend wachsen könnten, mahnte Ursula von der Leyen. Eine Regierung in der EU steuere aber genau in die andere Richtung und drifte vom Binnenmarkt weg: “Wie kann eine Regierung mehr europäische Investitionen anziehen, wenn sie gleichzeitig europäische Unternehmen diskriminiert, indem sie sie stärker besteuert als andere?”

Verstöße gegen Binnenmarkt und Wettbewerbsrecht

Die EU-Kommission war zuletzt aus dem EU-Parlament kritisiert worden, Ungarns Verstöße gegen Binnenmarktregeln und Wettbewerbsrecht zu wenig klar anzuprangern. Diesmal jedoch benannte Ursula von der Leyen die Defizite unmissverständlich. Wie könne ein Land mehr Unternehmen anlocken, wenn die Regierung über Nacht Exportbeschränkungen verhänge. Und wie könnten europäische Unternehmen Vertrauen haben, wenn eine Regierung sie willkürlich kontrolliere, ihre Genehmigungen blockiere und öffentliche Aufträge immer wieder an eine kleine Gruppe von Begünstigten gingen. Das schaffe Unsicherheit und untergrabe das Vertrauen der Investoren. Und dies zu einem Zeitpunkt, in dem die mitteleuropäischen Nachbarn Ungarn beim Pro-Kopf-BIP überrundeten.

Viktor Orbán selbst hatte sich bei seiner Präsentation vergleichsweise zahm gegeben und sich für seine Kritik am Status quo wiederholt auf Mario Draghis Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit oder auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezogen. Im Draghi-Bericht werde ein gemeinsamer Plan für Dekarbonisierung und Wachstum gefordert, sagte von der Leyen wiederum Richtung Ungarn: Noch immer gebe es aber Regierungen, die an schmutzigen russischen fossilen Brennstoffen festhalten wollten. Anstatt nach alternativen Energiequellen zu suchen, suche insbesondere ein Mitgliedstaat nur nach alternativen Wegen, um fossile Brennstoffe aus Russland zu kaufen. Dabei habe Russland doch längst bewiesen, kein zuverlässiger Lieferant zu sein.

Verfehlte Migrationspolitik

Ähnlich klar spießte die Kommissionspräsidentin die Widersprüche bei der Migrationspolitik auf. Orbán habe gesagt, dass Ungarn seine Grenzen schütze und Kriminelle einsperre: “Ich frage mich nur, wie diese Aussage dazu passt, dass ihre Behörden letztes Jahr verurteilte Schleuser und Menschenhändler auf freien Fuß gesetzt haben, ehe sie ihre Strafe abgesessen haben.” Gegen 1500 verurteilte Menschenhändler haben Ungarns Behörden im vergangenen Jahr angeblich wegen überfüllter Gefängnisse vorzeitig aus der Haft entlassen. Ungarns Regierungschef habe damit nur die Probleme den Nachbarn “über den Zaun” geworfen, erklärte die Kommissionschefin. Bekämpfung illegaler Migration sehe anders aus.

Klartext auch zur Ukraine, wo Ungarn die Unterstützung für das Land im Abwehrkampf bei jeder Gelegenheit verzögert oder blockiert. Die Welt sei Zeuge der Gräueltaten Russlands in diesem Krieg, doch noch immer gebe es einige, die diesen Krieg nicht dem Aggressor anlasteten, sondern dem Angegriffenen, stellte Ursula von der Leyen klar. Niemand würde den Ungarinnen und Ungarn die sowjetische Invasion von 1956 vorwerfen, spielte die Kommissionspräsidentin dabei auf Äußerungen des politischen Beraters von Viktor Orbán an. Dieser hatte sinngemäß gesagt, sein Land habe aus der blutigen Niederschlagung der Revolution damals gelernt, dass Widerstand sich nicht lohne.

Parlamentarier kritisieren Korruption in Ungarn

Ähnlich das Echo der Kritik quer durch die politischen Gruppen im EU-Parlament, die Fraktion der Patrioten ausgenommen. Er habe Mühe zu verstehen, dass Viktor Orbán mit dem Aggressor kollabiere, spielte EVP-Fraktionschef Manfred Weber auf die Besuche des Ungarn in Moskau an. Das sei keine “Friedensmission” gewesen, sondern eine reine Propagandaschau, die Russlands Krieg verlängere. Bei Ungarns letzter EU-Ratspräsidentschaft 2011 sei Viktor Orbán im Zentrum Europas gestanden, doch heute wolle niemand Ungarns Regierungschef sehen: “Heute sind Sie alleine, marginalisiert”. Korruption zerstöre zudem das Land, 400.000 Ungarinnen und Ungarn hätten genug davon und der Heimat den Rücken gekehrt.

Der Grüne Daniel Freund prangerte Viktor Orbán ebenfalls als “korruptesten Politiker” der EU an. 14 Milliarden Euro an europäischen Steuergeldern seien in der Amtszeit des Regierungschefs so verloren gegangen.

Viktor Orbán reagierte sichtlich verärgert. Das EU-Parlament sei offenbar nicht an Ungarns Plänen für die Ratspräsidentschaft interessiert, habe stattdessen eine “politische Intifada” organisiert. Orbán sprach von Propaganda und von “linken Lügen”. Er fühle sich persönlich beleidigt. Ursula von der Leyens Kritik wies er zurück. Und beklagte, dass die EU-Kommission heute anders als früher keine neutrale Hüterin der Verträge mehr sei, sondern ein politisches Gremium. sti

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MFR-Reform: Berichterstatter Mureşan mahnt zur Vorsicht

In den vergangenen Tagen löste eine geleakte Präsentation der EU-Kommission eine aufgeregte Debatte über eine mögliche Reform des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) aus. Die Präsentation hatte ein Szenario aufgezeigt, in dem die mehr als 500 Programme innerhalb des MFRs aufgehoben würden. Das Geld würde wie aktuell beim Corona-Rettungsfonds (NGEU) direkt an die Mitgliedstaaten fließen. Diese würden sich im Gegenzug zu Reformen und Investitionen verpflichten.

Interessensgruppen aus der Landwirtschaft, der Forschung und den Regionen, die von der aktuellen Ausgestaltung des MFR profitierten, zeigten sich alarmiert. Der MFR-Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Siegfried Mureşan (EVP), beschwichtigt jedoch. Die Diskussionen würden aktuell erst auf technischer Ebene in den Diensten der Kommission stattfinden, sagte er zu Table.Briefings. “Es sind keine Ideen, die wir jetzt schon politisch ernst nehmen müssen.” Die Kommission könne erst dann seriös mit der Vorbereitung des neuen MFR beginnen, wenn die neuen Kommissare im Amt seien.

NGEU-Modell erschwert Haushaltskontrolle

Für ihn ist klar, dass eine Vereinfachung des MFR notwendig sein wird und dass die EU die Prioritäten in ihrem Haushalt besser koordinieren muss. Die aktuelle Struktur mit mehr als 500 Programmen sei zu kompliziert. Gleichzeitig könne man wichtige Budgetposten wie die Kohäsionspolitik und die Unterstützung der Landwirtschaft nicht einfach in einem großen Budgetposten für Wettbewerbsfähigkeit aufgehen lassen.

“Das Prinzip der lokalen Partizipation muss gewährleistet sein”, sagte Mureşan mit Blick auf die Kohäsionspolitik, deren Gelder aktuell die Regionen verwalten. Ein kompletter Umstieg auf die Funktionsweise des Rettungsfonds würde gleich mehrfach gegen die Prinzipien der EU-Haushaltsführung verstoßen. Da die Endnutznießer der EU-Gelder in einem solchen Modell nicht eruiert werden könnten, wäre eine parlamentarische Haushaltskontrolle verunmöglicht. Zudem sähen die Europäerinnen und Europäer nicht, was genau mit dem EU-Geld passiert.

Rechnungshof kritisiert steigende Fehlerquote bei EU-Ausgaben

Auf die Problematik der Haushaltskontrolle weist auch der Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs hin, der am heutigen Donnerstag veröffentlicht werden soll. Er rügt bei den Ausgaben eine steigende Fehlerquote. Der Rechnungshof schätzt die Fehlerquote bei den EU-Ausgaben von 2023 auf 5,6 Prozent. Das ist eine markante Steigerung im Vergleich zu 2022 (4,2 Prozent) und 2021 (3,0 Prozent).

Laut Rechnungshof geht die Entwicklung vor allem auf eine stark steigende Fehlerquote bei den Kohäsionsausgaben zurück, wo der Rechnungshof für 2023 eine Fehlerquote von 9,3 Prozent schätzt (2022: 6,4 Prozent). Zudem kritisiert der Rechnungshof, dass die noch abzuwickelnden Mittelbindungen im EU-Haushalt 2023 einen Rekordstand von 543 Milliarden Euro erreicht haben, was auf weiterhin erhebliche Absorbierungsschwierigkeiten auf Ebene der Mitgliedstaaten hinweist.

Rechnungshofpräsident nennt das geleakte Szenario “extrem radikal”

Bei einer Pressekonferenz vor der Veröffentlichung des Berichts äußerte sich der Präsident des Rechnungshofs Tony Murphy auch zur Debatte zur möglichen MFF-Reform. Er nannte das geleakte Szenario “extrem radikal”. “Für uns ist wichtig, dass wir das Geld nachverfolgen können”, sagte Murphy.

Auch wenn der Vorschlag der Kommission am Ende nicht so radikal ausfallen dürfte wie in der Kommissionspräsentation: Die Notwendigkeit für Reformen ist angesichts der Warnungen des Rechnungshofs wenig umstritten. Mureşan wird im ersten Halbjahr 2025 einen Initiativbericht des Parlaments zum neuen MFR vorbereiten. Damit will er den offiziellen Vorschlag der Kommission beeinflussen, der im Spätsommer oder Herbst 2025 erwartet wird. jaa

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Bezahlbares Wohnen: Schinas will schnelle Maßnahmen gegen Energiearmut

Der amtierende Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas hat ehrgeizige und rasche Reformen zur Förderung von bezahlbarem und grünem Wohnraum angekündigt. “Es ist Zeit für den Wandel. Es ist Zeit, denen zu helfen, die es am dringendsten benötigen“, sagte Schinas vor dem Europäischen Parlament. Er kündigte einen “holistischen Aktionsplan” an.

Dazu brauche es etwa mehr Investitionen oder eine Reform der Beihilferegeln für die Förderung von Wohnraum, sagte Schinas. Die Instrumente kennt man bereits aus den politischen Richtlinien von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Schinas legte aber auch ein Bekenntnis zu den sozialen Aspekten des Wohnens ab: Er hob den Kampf gegen Wohnungslosigkeit und die Bedeutung der Armutsstrategie der Union hervor, die es in der neuen Legislaturperiode geben soll.

Explizit problematisierte Schinas Energiearmut: “Entscheidend sind neue Bemühungen, die Energiepreise zu reduzieren.” Entsprechende Pläne müssten “schnell und effektiv aufgestellt und umgesetzt werden”, sagte das scheidende Kommissionsmitglied.

Mehr und “richtige” Investitionen

Die Vorstellungen der Fraktionen könnten kaum unterschiedlicher sein, wie die Union, mit ihren begrenzten Kompetenzen auf dem Feld, zu mehr bezahlbarem Wohnraum kommen könnte. S&D-Fraktionschefin Iratxe García Pérez will etwa “dauerhafte, zusätzliche Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro jährlich.”

Kim van Sparrentak, die für die Grünen/EFA-Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode für den Initiativbericht Zugang zu angemessenem und erschwinglichem Wohnraum für alle zuständig war, betonte gleichzeitig: “Wir benötigen Investitionen in Wohnraum, aber die richtigen. In Berlin sehen wir, dass Investitionen über 40 Milliarden Euro dazu geführt haben, dass eine Stadt, die einst eine der bezahlbarsten in Europa war, heute unbezahlbar geworden ist.” Spekulative Investitionen sollten eingedämmt werden, findet sie.

Weniger Vorschriften beim Wohnungsbau

“Wohnen darf kein Luxus sein”, legte auch Markus Ferber (CSU) nach. Er will, dass die EU an die Eigenkapitalvorschriften rangeht. “Diese Regeln stammen noch aus Zeiten der Finanzkrisen”, sagte Ferber. Ein weiterer zentraler Hebel aus seiner Sicht: unnötige Standards beseitigen, die den Wohnungsbau verteuern. “Da sind uns andere Regionen der Welt viel voraus.”

Teure Standards, vor allem solche im Energie- und Klimabereich, wollen die Patrioten für Europa und Abgeordnete der rechtsextremen ESN-Fraktion gleich ganz abschaffen. Ihr Hauptanliegen: Dass die Gebäuderichtlinie zurückgenommen wird. lei

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Habeck betont die Vorteile von LkSG-Regulierung für deutsche Unternehmen

Bei der Vorstellung der Herbstprojektion hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch die Bedeutung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards wie nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) betont. “Wir können es auch als Bürger dieses Landes oder dieser Welt nicht wollen, dass Produkte auf Kosten von Menschen oder Umwelt produziert werden und die Unternehmen ein Vorteil haben, die die schlechtesten Standards einhalten.”

Von Vorteil seien diese Standards auch für die hiesige Wirtschaft: Es würde sie am Ende schwächen, “wenn wir in den Dumpingwettbewerb nach unten eintreten, weil andere immer mehr dumpen als wir”. Zugleich hat er sich aber erneut für eine Reduzierung von Berichtspflichten im Zusammenhang mit dem von der Bundesregierung angestrebten Bürokratieabbau ausgesprochen.

Steuerkreis fordert Rechtssicherheit

“Es ist gut, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck seine inakzeptablen Äußerungen der letzten Woche nicht wiederholt hat und sich zum Lieferkettengesetz bekannt hat”, sagte Armin Paasch (Misereor) für den Steuerungskreis der Initiative Lieferkettengesetz. Allerdings blieben seine Aussagen “zu vage”. Der Minister müsse alle Spekulationen über eine Aussetzung des LkSG oder das Aussetzen von Sanktionen beenden, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis fordert Habeck auch auf, sich “klar zur wirksamen und EU-rechtskonformen Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie” zu bekennen. Insbesondere verbiete die Richtlinie Rückschritte gegenüber dem aktuellen Schutzniveau des LkSG. “Die in der Wachstumsinitiative angekündigte Reduzierung der Anzahl Unternehmen, für die das Lieferkettengesetz gilt, auf ein Drittel ist damit nicht vereinbar.”

Kritik von Parteikollegin Anna Cavazzini

Vergangene Woche hatte Robert Habeck beim Unternehmertag des Außenhandelsverbandes BGA erklärt, die Politik sei beim LkSG “bei guter Intention völlig falsch abgebogen”. Mit Blick auf Berichtspflichten hatte er gefordert, “die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen“. Das brachte ihm bei der Veranstaltung Beifall ein.

Harsche Kritik äußerte hinterher seine Parteikollegin Anna Cavazzini, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament. Der Wirtschaftsminister vertrete an dieser Stelle weder die Position von Bündnis 90/Die Grünen noch die von der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament. Die Politikerin hatte sich für das europäische Lieferkettengesetz engagiert.

Für eine Änderung der Berichtspflichten sprach sich am Dienstag bei der Jahrestagung des Rats für nachhaltige Entwicklung auch Bundeskanzler Olaf Scholz aus. Die Berichtspflichten seien “aus dem Ruder gelaufen”. Es sei keine “gute Idee, an die Berichtspflichten die Kettensäge anzulegen“, sagte RNE-Vorsitzender Reiner Hoffmann. cd

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CCS in Europa: Bis zu 140 Milliarden Euro Subventionen nötig

Für den Bau und den Betrieb der in Europa geplanten CCS-Projekte könnten bis zu 140 Milliarden Euro an Subventionen benötigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Thinktanks Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA), die heute veröffentlicht werden soll. Demnach seien die meisten geplanten CCS-Projekte zu teuer und würden dementsprechend nicht auf einer kommerziellen Basis funktionieren können. Laut IEEFA werden die Kosten wahrscheinlich sogar weiter ansteigen, weil es beim Betrieb von CCS-Projekten immer wieder zu Problemen komme.

“Wenn Europa sich auf CCS als Lösung für das Problem des Klimawandels verlässt, werden die europäischen Regierungen gezwungen sein, horrende Subventionen für eine Technologie einzuführen, die in der Vergangenheit bereits versagt hat“, sagt Andrew Reid, Energie-Finanzexperte bei IEEFA. Erst vor wenigen Tagen hat Großbritannien mehr als 21 Milliarden Pfund an Subventionen für drei CCS-Projekte und -Infrastruktur zugesagt.

Europas Zeitplan “zu optimistisch”

Die IEEFA mahnt:

  • 90 der 200 in Europa geplanten CCS-Projekte müssten schon 2030 fertiggestellt sein, damit Europa seine Klimaziele erreichen kann. Derzeit gäbe es in der EU erst drei CCS-Projekte. “90 Prozent der vorgeschlagenen Emissionsabscheidungen stammen aus Projekten, die sich erst im Prototyp- oder Demonstrationsstadium befinden”, heißt es in der Analyse. Der Zeitplan sei “zu optimistisch”.
  • Es fehle noch immer an den nötigen Gesetzen und Standards, von denen viele CCS-Anwendungen abhängig seien.
  • Die geplanten CCS-Anwendungen basierten auf einer “außergewöhnlich komplexen Wertschöpfungskette, die auf vielen technisch und wirtschaftlich anspruchsvollen Einzelprojekten beruht”. Gibt es Probleme in einem Einzelprojekt, würden sie viele andere Aspekte der CCS-Wertschöpfungskette (Abscheidung, Transport, Speicherung) beeinträchtigen.

Laut IEEFA-Analyse darf sich die EU nicht auf CCS als Klimalösung verlassen. Bei einem Scheitern von CCS könne “es zu spät sein, um die Emissionen durch alternative Maßnahmen zu reduzieren”, sagt Reid. nib

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Digitale Souveränität Europas: Studie hebt Bedeutung von Rechenzentren hervor

Rechenzentren spielen eine zentrale Rolle für die digitale Souveränität Deutschlands und Europas. Der aktuelle Mangel an Rechenzentrumskapazitäten zwingt europäische Unternehmen häufig dazu, auf Rechenressourcen in den USA zurückzugreifen. Dies beeinträchtige die Kontrolle über sensible Daten und gefährde die technologische Unabhängigkeit, heißt es in einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Verbands der Internetwirtschaft (Eco).

Demnach könnte der Ausbau der Rechenzentrumskapazitäten in Deutschland eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 250 Milliarden Euro generieren. Rechenzentren gelten als eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und für Innovationen in verschiedenen Branchen. Die Studie zeigt: Unternehmen, die auf Cloud-Dienste und Rechenzentren setzen, können ihre Innovationskraft und Produktivität steigern, was wiederum zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitrage.

Cloud und KI als Booster für Innovation

Innovative Unternehmen, die KI einsetzen, erzielten 32 Prozent ihres Umsatzes mit neuen Produkten oder Dienstleistungen, schreiben die Autoren. Das Ökosystem digitaler Infrastrukturen diene dabei als besonderer Treiber. Wenn die KI-Tools in der Cloud eingesetzt würden, liege der Anteil neuer Produkte und Dienstleistungen am Umsatz bei rund 40 Prozent. Unternehmen ohne Rechenzentrumsnutzung realisierten dagegen nur acht Prozent ihres Umsatzes mit Innovationen.

Die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen unter dem Dach des Eco-Verbands fordert in diesem Zusammenhang eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Bau neuer Rechenzentren. Dadurch könnten Deutschland und die EU ihre Abhängigkeit von außerhalb Europas liegenden Infrastrukturen verringern und die Vorteile der digitalen Transformation voll ausschöpfen.

Die vollständige Studie erscheint am 20. Oktober. vis

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Kommission startet Konsultation zu Verbriefungen

Am gestrigen Mittwoch startete die EU-Kommission einen Konsultationsaufruf zum aktuell in der EU geltenden Rahmen für Verbriefungen. Die Kommission erhofft sich speziell von Finanzmarktakteuren Einblicke in die Probleme und Hindernisse, die sie aktuell im Markt vorfinden.

Die Informationen der Marktteilnehmer sollen der Kommission helfen, bald einen Legislativvorschlag vorzulegen, der die Rahmenbedingungen für den Verbriefungsmarkt verbessert. Von einem stärkeren Verbriefungsmarkt erhofft sich die Kommission einen schlagkräftigeren Kapitalmarkt und eine höhere Kreditkapazität für Banken. Wenn diese ihre Kredite verbriefen und am Markt verkaufen können, erhalten sie mehr Spielraum, um weitere Kredite zu vergeben. So soll ein verstärkter Verbriefungsmarkt zu besseren Investitionsbedingungen in der Realwirtschaft führen.

Kritiker sehen Risiken für Stabilität des Finanzmarkts

In einer Pressemitteilung begrüßte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) das zügige Vorgehen der Kommission. “Die Versicherer würden gerne mehr in Verbriefungen investieren, bisher stehen dem aber einige Hürden entgegen”, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Die Stärkung des Verbriefungsmarkts ist einer der wenigen Aspekte der Kapitalmarktunion, bei deren Umsetzung aktuell keine starken Interessen der Mitgliedstaaten im Wege stehen. Kritiker warnen jedoch, dass mit starker Verbriefungstätigkeit auch die Risiken für die Finanzstabilität zunehmen.

Interessierte können der Kommission ihre Meinungen und Erfahrungen bis zum 4. Dezember per Online-Formular übermitteln. jaa

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EU-US Data Privacy Framework: Kommission bestätigt Fortschritte

Die Kommission hat nach einer ersten Überprüfung des neuen Datenschutzrahmens zwischen der EU und den USA (EU-US Data Privacy Framework, DPF) festgestellt, dass die US-Behörden die wesentlichen Anforderungen erfüllt haben. Der DPF regelt den Transfer personenbezogener Daten aus der EU an US-Unternehmen. Zu den umgesetzten Maßnahmen zählen Schutzvorkehrungen, die den Zugriff von US-Geheimdiensten auf ein notwendiges und verhältnismäßiges Maß begrenzen, sowie die Einrichtung eines unabhängigen und unparteiischen Rechtsbehelfsmechanismus für EU-Bürger.

Der Prüfbericht basiert nach Angaben der Kommission auf Beiträgen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Handelsverbänden, Datenschutzbehörden und Rückmeldungen der Öffentlichkeit. Zudem seien Erkenntnisse aus einer Überprüfungssitzung im Juli 2024 in Washington eingeflossen, an der unter anderem EU-Justizkommissar Didier Reynders und die US-Handelsministerin Gina Raimondo teilnahmen.

Der Bericht enthält auch Empfehlungen zur weiteren Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den US-Behörden und den EU-Datenschutzbehörden, um die langfristige Effektivität des Rahmens sicherzustellen. Die Kommission plant, die Entwicklungen weiterhin zu beobachten und regelmäßig über den Fortschritt zu berichten. vis

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Moldaus Präsidentin im Wahlkampf: Sandu lässt TV-Duell aus – was dahinter steckt – Sandu hatte die Teilnahme nie bestätigt und immer gesagt, sie werde nicht neben “ungültigen” Kandidaten auftreten ZDF
Nach fünfjähriger Pause: Die Schweiz kehrt in den UNO-Menschenrechtsrat zurück SRF
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Gemeinsame Kabinettssitzung: Polen und Tschechien wollen bei Kernenergie kooperieren DEUTSCHLANDFUNK
Umbau der Schulen in der Türkei: Mohammed statt Atatürk TAZ
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Großbritannien: Kandidaten für Nachfolge von Rishi Sunak stehen fest – Robert Jenrick und Kemi Badenoch ZEIT
Slowakei will mRNA-Impfstoffe verbieten DW

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Jozef Síkela – ein Banker soll sich um Global Gateway kümmern

Jozef Síkela hat sich schon während der tschechischen Ratspräsidentschaft auf EU-Ebene bewiesen.

Jozef Síkela (57), aktuell Tschechiens Minister für Industrie und Handel, war für alle möglichen Ressorts in der neuen EU-Kommission gehandelt worden: für Migration, Energie, zuletzt für Handel. Tschechiens Regierungschef Petr Fiala hatte den Anspruch an ein “starkes Wirtschaftsressort” für sein Land bekundet. Er setzte darauf, dass man sich in Brüssel daran erinnern werde, wie geschickt Síkela während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2022 die Mitgliedsländer auf einen gemeinsamen Kurs gegen Putins Gaskrieg gebracht hatte.

Geholfen hat es nicht. Die Opposition in Prag und die Medien des Landes zeigten sich enttäuscht, dass das Land mit einem “eher einflusslosen, schwammigen Ressort” wie dem des Kommissars für Internationale Partnerschaften “abgespeist” worden sei. Die Zeitschrift Reflex schrieb: “Den Kampf um ein wirklich starkes Wirtschaftsportfolio haben wir erneut verloren. Das passiert schon seit 20 Jahren, also seitdem wir Mitglied der EU sind. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass unser Einfluss innerhalb der EU gering ist.”

Premier Fiala, dem das in erster Linie angelastet wird, redete die künftige Rolle Síkelas schön: “Er wird den größten Haushalt verwalten, den jemals ein tschechischer Kommissar verwaltet hat, er wird über Investitionen in das Global-Gateway-Programm in Höhe von bis zu 300 Milliarden Euro entscheiden”, schrieb er im Netzwerk X. Die 300 Milliarden sind aber eine höchst zweifelhafte Summe, denn sie umfassen das gesamte Investitionsvolumen, welches das Programm “mobilisieren” soll, inklusive Kapital von Privaten und von nationalen Entwicklungsbanken.

Handels- und Investitionspartnerschaften

Síkela selbst sagte, das Portfolio des Kommissars für Internationale Partnerschaften “wird mir die Möglichkeit geben, mich auf die Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit, die Diversifizierung unserer Lieferanten kritischer Rohstoffe und die Erschließung neuer Märkte für europäische Unternehmen zu konzentrieren.” Im Kern wird es für ihn darum gehen, dafür zu sorgen, dass vor allem Pekings Belt and Road Initiative (BRI) richtig Konkurrenz aus der EU bekommt. Bisher fehlt es der Infrastrukturinitiative aus Brüssel immer noch an Schwung.

Europa, das hatte Síkela jüngst auf einer Konferenz in Prag betont, müsse seine Abhängigkeit von Rohstoffen wie Gas, Erdöl, Atombrennstoffen, von Lithium oder von Spitzentechnologien wie Chips verringern. “Die Vertiefung der Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Ländern durch Handelsabkommen wird uns dabei helfen.”

Um diese Abhängigkeit – meist von China – zu verringern, will von der Leyen auf “Clean Trade and Investment Partnerships” setzen, die Síkela gemeinsam mit dem designierten Handelskommissar Maroš Šefčovič umsetzen soll. Angesichts des für neue Handelsabkommen schwierigeren Umfelds will die Kommission verstärkt auf gezielte Partnerschaften setzen.

Die Marktöffnung durch solche Partnerschaften soll sich nur auf einige wenige Sektoren beschränken, dabei aber durch europäische Investitionen in Partnerländern begleitet werden. So sollen rohstoffreiche Partnerländer einen größeren Teil der Wertschöpfung bei sich im Land halten können und die EU gleichzeitig ihre China-Abhängigkeit reduzieren können. Angesichts der großen Abhängigkeit der EU bei vielen Rohstoffen dürfte der Investitionsbedarf sehr groß sein.

Erfahrung in der Finanzbranche

Angenommen, dass die EU ihre Resilienzziele auch mit den entsprechend notwendigen Mitteln unterstützt, dürfte Síkelas Dossier also an Wichtigkeit gewinnen. Dabei wird ihm auch seine Erfahrung in der Finanzbranche zugutekommen.

Mehrere Jahre war er bei der Österreichischen Creditanstalt, der Bank Austria und der Erste Bank tätig. Nach der erfolgreichen Konsolidierung der Erste Bank in der Ukraine führte er als CEO die Slowakische Sparkasse an die Spitze, erzielte mit ihr Rekordergebnisse und wurde als Banker des Jahres geehrt. Später wurde Síkela, der Deutsch, Englisch und Russisch spricht, Mitglied des Vorstands der Erste Group Bank AG.

Ob Síkela auch aus dem Projekt Global Gateway eine Art europäische Wirtschaftsentwicklungsbank machen kann, wird davon abhängen, wie viele Mittel die Regierungen der Mitgliedstaaten ihm anvertrauen werden. Hans-Jörg Schmidt

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Kommission bereitet nach Informationen aus Kommissionskreisen einen strategischen Dialog zur Zukunft der Automobilwirtschaft vor. Ziel ist, binnen weniger Monate Wege aufzuzeigen, wie die Automobilindustrie aus der Krise kommt und die Probleme des europäischen Standorts gelöst werden.

    Ein hochrangig besetztes Expertengremium soll sich umfassend um zentrale Fragen kümmern: Bleibt es bei den Strafzahlungen für die Hersteller wegen Verfehlens der Klimaziele 2025? Sollen die CO₂-Flottengrenzwerte 2030 und 2035 angepasst werden? Soll am Verbrenner-Aus für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge 2035 festgehalten werden? Auch der Aufbau der Ladeinfrastruktur sowie die Nutzung der im Fahrbetrieb anfallenden Daten könnten Thema werden.

    Der strategische Dialog zur Zukunft der Automobilwirtschaft soll nach dem Muster des strategischen Dialogs zur Landwirtschaft organisiert werden. Unter der Leitung von Peter Strohschneider hatten Experten, Repräsentanten der Branche und NGOs innerhalb von sieben Monaten eine Vision für die Branche entwickelt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte signalisiert, die Empfehlungen umzusetzen. Wie zu hören ist, sucht die Kommission noch eine Persönlichkeit, die den Dialog zur Automobilwirtschaft moderieren kann.  

    Von der Leyen hat in den vergangenen Tagen in Straßburg die CEOs der deutschen Autobauer in Einzelgesprächen getroffen: Oliver Blume von VW, Ola Källenius von Mercedes und Oliver Zipse von BMW. Derartige Treffen hatte es in ihrer ersten Amtszeit nicht gegeben.

    Die CEOs versuchen noch, Änderungen bei den Ausgleichszöllen auf Elektroautos aus chinesischer Produktion zu erreichen, die Ende Oktober greifen sollen. Bei der CO₂-Regulierung laufen die Interessen der Firmenchefs auseinander: Während VW die Aussetzung der Strafzahlungen der CO₂-Flottengesetzgebung fordert, plädiert BMW-Chef Oliver Zipse dagegen. BMW hat viel investiert, um die Ziele einzuhalten. VW wird die Ziele absehbar verfehlen und muss mit Strafen in Milliardenhöhe rechnen. Zipse fordert Technologieoffenheit für die 2030er- und 2035er-Ziele. Blume ist dafür, dass es beim Ausstieg aus dem Verbrenner bleibt.

    Auf dem Berliner Parkett hat VW bereits maßgeschneiderte Vorschläge unterbreitet, um die eigenen Absatzprobleme bei E-Autos zu lösen: VW fordert eine E-Autoprämie von 4000 Euro bis zu einem Kaufpreis von 65.000 Euro, eine Prämie für gebrauchte E-Autos von 2500 Euro sowie für zwei Jahre einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf E-Fahrzeuge. Die Wettbewerber sind befremdet, und die Lobbyschlacht ist in vollem Gange.

    Ihr
    Markus Grabitz
    Bild von Markus  Grabitz

    Analyse

    Neue Rahmenvereinbarung: EU-Parlament will Eilverfahren eindämmen

    Das Europaparlament drängt die EU-Kommission dazu, die Mitspracherechte der Abgeordneten im Gesetzgebungsprozess zu respektieren. Die Kommission soll sich nach dem Willen des Parlaments in einer neuen Rahmenvereinbarung dazu verpflichten, neue Vorhaben nur in absoluten Ausnahmefällen im Eilverfahren auf den Weg zu bringen – und dies im Einzelfall juristisch begründen zu müssen. Zudem will das Parlament leichter Untersuchungsausschüsse einrichten können, um in Skandalen wie Katargate selbst aufklären zu können.

    Kommission und Rat hatten in den vergangenen Jahren vermehrt Krisenmaßnahmen auf Basis des “Notstandsartikels” 122 AEUV beschlossen, etwa in der Corona-Pandemie die gemeinsame Impfstoffbeschaffung sowie die Finanzhilfen von Next Generation EU und SURE. Das Europaparlament bleibt bei diesen Verfahren weitgehend außen vor, anders als im regulären Gesetzgebungsprozess.

    “Gesetzgebung muss transparent und demokratisch sein”

    Der SPD-Abgeordnete Bernd Lange mahnt, diese Praxis dürfe nicht weiter einreißen. “Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass die Gesetzgebung transparent und demokratisch abläuft”, sagte der Vorsitzende der Konferenz der Ausschussvorsitzenden zu Table.Briefings. Lange wird die anstehenden Verhandlungen gemeinsam führen mit dem Vorsitzenden des Verfassungsausschusses, Sven Simon (CDU). Auf Kommissionsseite ist Exekutiv-Vizepräsident Maroš Šefčovič zuständig.

    Die Kommission hält die Abgeordneten bislang hin mit einem Termin für das erste Treffen und ließ auch unsere Anfrage unbeantwortet. Lange und Simon wollen die neue Rahmenvereinbarung zwischen Parlament und Kommission abschließen, bevor die neue Kommission die Arbeit aufnimmt. Für den avisierten Start Anfang Dezember braucht Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aber die Zustimmung des Parlaments zu ihrem neuen Kollegium. Die beiden EP-Unterhändler wollen dies als Druckmittel einsetzen, um ihr Zusagen abzuringen.

    “So wächst der Gesetzgebungsberg immer weiter an”

    Die aktuelle Rahmenvereinbarung stammt aus dem Jahr 2010. Das neue Abkommen ist aus Sicht von Simon ein Hilfsmittel: “Im Grunde ist der gesamte Gesetzgebungsprozess überarbeitungsbedürftig, aber dafür müssten wir die EU-Verträge ändern.” So kämpft das Europaparlament seit langem vergeblich darum, ein Initiativrecht für neue Gesetzesvorschläge zu erhalten. Bislang ist dies der Kommission vorbehalten.

    Das bedeutet zugleich, dass die Abgeordneten aus eigenem Antrieb keine beschlossenen Gesetze ändern oder abschaffen können. “Das ist problematisch, denn so wächst der Gesetzgebungsberg immer weiter an”, sagt Simon. Das neue Rahmenabkommen solle daher eine Art Selbstverpflichtung der Kommission enthalten: “Sie soll begründen müssen, warum sie an einzelnen bestehenden Rechtsakten festhalten will.”

    Sorge vor Klage des Rates

    Die Christdemokraten haben die Entlastung der Unternehmen von EU-Bürokratie und Berichtspflichten zu einer ihrer Hauptprioritäten für die neue Legislaturperiode erhoben. Die EVP hatte auch darauf gedrungen, in der Rahmenvereinbarung eine deutliche Stärkung des Regulatory Scrutiny Boards in der Kommission festzuschreiben. Das unabhängige Gremium fungiert als eine Art interner Normenkontrollrat, es prüft die Qualität der Folgeabschätzungen für neue Gesetzesinitiativen.

    Die Sozialdemokraten wollten die Forderungen aber nicht mittragen. Lange verweist auf rechtliche Bedenken: Die Rahmenvereinbarung könnte vom Rat vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden, wenn sie zu tief in die Exekutivkompetenzen der Kommission eingreife.

    Neue Vereinbarung zum Bürokratieabbau

    Damit bleibt es allein Sache von der Leyens, wie sie den Kampf gegen übermäßige Regulierung in der Kommission organisiert. Die CDU-Politikerin hat den designierten neuen Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis damit beauftragt, den bestehenden EU-Acquis zu überprüfen und entbehrliche Berichtspflichten zu streichen.

    Der Lette soll zudem mit Rat und Parlament eine neue interinstitutionelle Vereinbarung aushandeln. Diese soll auch die beiden anderen EU-Institutionen zu Folgeabschätzungen verpflichten, wenn sie weitreichende Änderungen an den Gesetzesvorschlägen der Kommission wollen. Wann diese interinstitutionelle Vereinbarung verhandelt wird, ist noch unklar. Sie läuft getrennt von der bilateralen Rahmenvereinbarung zwischen Parlament und Kommission.

    Wie wirkungsvoll eine solche Vereinbarung sein kann, ist ohnehin offen: Schon in der jüngsten interinstitutionellen Vereinbarung aus dem Jahr 2016 hatten sich die drei Institutionen dazu bekannt, “die Gesetzgebung zu vereinfachen und Lasten zu reduzieren”. Simon bezweifelt auch, dass das neue Rahmenabkommen zwischen Parlament und Kommission ein Heilmittel gegen die Bürokratie sein kann. “In Teilen des Parlaments fehlt es leider bereits am nötigen Problembewusstsein“, kritisiert er. “Dabei belastet die Überregulierung der vergangenen Legislatur massiv die Akzeptanz der EU.”

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    Nachhaltigkeitsberichterstattung: Warum eine Entschlackung kurzfristig kaum möglich ist

    Karina Sopp ist neben ihrer Lehrtätigkeit auch als Buchautorin und Gutachterin tätig.

    Frau Sopp, die Zahl der kritischen Stimmen zur EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) nimmt zu. Unternehmen, Verbände, Regierung, Opposition und der Bundesrat sagen, die Regulierung sei zu umfassend, zu komplex. Teilen Sie diese Einschätzung?
    Wenngleich Unternehmen die Anforderungen der CSRD – mit Ausnahme von speziellen Sachverhalten – theoretisch in der vorliegenden Form umsetzen können, stimme ich zu: Die Berichtspflichten verlangen ihnen viele Ressourcen ab, menschliche wie finanzielle. Deshalb wäre es ratsam, sie zu entschlacken.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich letzte Woche sogar dafür ausgesprochen, die Berichtspflichten abzuschaffen. Im Gegenzug sollten Unternehmen wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen und sich dann strengen Kontrollen stellen.
    Das ähnelt dem Modell, das wir vor der CSRD hatten. Da galt die Non-Financial Reporting Directive (NFRD), die nicht-finanzielle Berichtspflichten für einen eingeschränkten Kreis von Unternehmen festgelegt hat. In diesem Rahmen waren die Unternehmen deutlich flexibler bei der Wahl der zu berichtenden Themen, dem Umfang und dem Detailgrad. Durch diese Flexibilität waren die Berichte aber kaum vergleichbar. Es gab auch Unternehmen, die wenig berichtet haben. Zugleich muss man aus Sicht der Unternehmen ergänzen, dass die damaligen Vorgaben der Politik unverbindlich und schwammig gewesen sind. Die geringe Aussagekraft der nichtfinanziellen Erklärungen lag also auch an der fehlenden Standardisierung.

    Darauf hat die EU mit der CSRD reagiert?
    Die EU hat das Ziel formuliert, Kapitalströme in nachhaltigere Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. Dafür müssen Investoren in einem höheren Detailgrad über die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen informiert sein. Insbesondere aus diesem Grund wurden die Maßnahmen sehr viel strenger formuliert.

    Wie könnte der Aufwand bei der Berichterstattung wieder reduziert werden?
    Der Aufwand wird nicht allein durch den Umfang der Daten bestimmt, sondern durch den gesamten Prozess. Dieser startet mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse, bei der man herausfiltern muss, welche Themen für die Unternehmen und deren Stakeholder wichtig sind. Unter anderem durch die vorgegebene Stakeholder-Einbindung ist der gesamte Prozess komplex und könnte durchaus vereinfacht werden. Ein weiterer Punkt ist der Detaillierungsgrad. Welche Daten können überhaupt erhoben werden? Lieferanten beispielsweise wollen oder können gewisse Informationen nicht bereitstellen, weil sie in Ländern ansässig sind, in denen die Daten zu Arbeitskräften oder zur Umwelt nicht verfügbar sind. Oder nur mit Verzögerung, unter Rückgriff auf Informationen von öffentlichen Stellen, bereitgestellt werden können.

    Die Bundesregierung hat angekündigt, sich bei der EU-Kommission für eine Reduzierung des Aufwands einzusetzen. Allerdings haben einige Mitgliedstaaten die CSRD bereits in nationale Gesetze überführt. Wieviel lässt sich noch verändern?
    Auf EU-Ebene wird man so kurzfristig nichts ändern können, was für die ersten Anwender relevant wäre, die für Berichtsjahre ab 2024 berichten müssen. Auch auf nationaler Ebene gibt es kurzfristig nur wenig Gestaltungsspielraum. Denn die Details, die die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) festgelegt hat, werden nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten bestimmt. Man könnte jedoch auf Basis der ersten CSRD-Evaluationen Anpassungen vornehmen, die mittel- und langfristig wirken würden.

    Wird die deutsche Kritik an der CSRD in anderen europäischen Ländern eigentlich geteilt?
    Auch in anderen Mitgliedstaaten wird der Aufwand als groß empfunden. Deswegen wird die CSRD zum Teil nur sehr verzögert umgesetzt. Es steht zu befürchten, dass Ende des Jahres noch keine EU-weite Rechtssicherheit besteht.

    Wie passt das zu dem Anspruch, EU-weit ein Level Playing Field herstellen zu wollen?
    Die kapitalmarktorientierten Unternehmen, die für das Jahr 2024 berichtspflichtig sein werden, sind schon nach der NFRD zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet gewesen. Diese Unternehmen sind viel besser auf die neuen Berichtspflichten vorbereitet als erstmals Berichtspflichtige. Für Kapitalgesellschaften, die für Berichtsjahre ab 2025 erstmals Auskunft geben müssen, ist die Umstellung größer. Wenn die Berichtspflicht in den jeweiligen EU-Staaten nun aber unterschiedlich ausgeübt wird, führt das zu einer ungleichen Behandlung. Und das Problem geht weiter, etwa beim sogenannten Konzernprivileg. Dadurch müssen Tochtergesellschaften eigentlich nicht zusätzlich gesondert berichten. Aber dieses Privileg kann nicht genutzt werden, wenn die Muttergesellschaft in einem EU-Staat ansässig ist, in dem die CSRD noch nicht umgesetzt worden ist.

    Haben Unternehmen selbst einen Spielraum, um ihren Aufwand zu reduzieren?
    Grundsätzlich ist das anzuwenden, was rechtlich vorgegeben ist. Aber die Intensität, mit der die Regeln umgesetzt werden, kann durchaus unterschiedlich sein. Wie sehr oder in welcher Form ein Unternehmen etwa die Stakeholder, also die Belegschaft, die Kunden oder die interessierte Öffentlichkeit einbindet, basiert auf der eigenen Einschätzung. Zumal die externe Prüfung der Berichte in der ersten Phase weniger streng gehandhabt wird.

    Gehen Sie davon aus, dass sich der Aufwand der Berichterstattung für Unternehmen reduzieren lässt, und die EU zugleich die Ziele ihres Green Deals aufrechterhalten kann?
    Ich halte es für gut vorstellbar, dass sich die EU-Ziele etwa zur Dekarbonisierung selbst bei angepassten Anforderungen erreichen lassen. Zudem glaube ich nicht, dass man die nun festgelegten Eckpunkte der Standardisierung oder der externen Prüfung aufgeben muss, um die Berichterstattung zu vereinfachen. Der Aufwand könnte allein dadurch reduziert werden, dass die rechtlichen Vorgaben mit mehr Vorlaufzeit bereitgestellt werden und klarer formuliert sind. Außerdem sollten Informationen, die viele Unternehmen benötigen und die über unterschiedliche Datenbanken zusammengetragen werden müssen oder kaum verfügbar sind, zentral bereitgestellt werden. Ein Beispiel dafür sind Emissionsminderungsfaktoren für unterschiedliche Regionen und Anwendungsfälle. Auch über die notwendige Granularität der offenzulegenden Daten an der einen oder anderen Stelle lässt sich streiten.

    Professorin Karina Sopp ist Inhaberin des Lehrstuhls für Entrepreneurship und betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Nachhaltigkeitsberichterstattung gehört zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit.

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    Von der Leyen rügt Orbán für Diskriminierung ausländischer Unternehmen

    So deutlich hat Ursula von der Leyen ihre Kritik an Viktor Orbán noch nie vorgebracht. Schritt für Schritt nahm die Kommissionspräsidentin die Präsentation des Regierungschefs auseinander, der zuvor die Agenda von Ungarns EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt hatte. Etwa beim Thema Wettbewerbsfähigkeit, Schwerpunkt des informellen Gipfels am 8. November in Budapest: Barrieren müssten abgebaut werden, damit Unternehmen grenzüberschreitend wachsen könnten, mahnte Ursula von der Leyen. Eine Regierung in der EU steuere aber genau in die andere Richtung und drifte vom Binnenmarkt weg: “Wie kann eine Regierung mehr europäische Investitionen anziehen, wenn sie gleichzeitig europäische Unternehmen diskriminiert, indem sie sie stärker besteuert als andere?”

    Verstöße gegen Binnenmarkt und Wettbewerbsrecht

    Die EU-Kommission war zuletzt aus dem EU-Parlament kritisiert worden, Ungarns Verstöße gegen Binnenmarktregeln und Wettbewerbsrecht zu wenig klar anzuprangern. Diesmal jedoch benannte Ursula von der Leyen die Defizite unmissverständlich. Wie könne ein Land mehr Unternehmen anlocken, wenn die Regierung über Nacht Exportbeschränkungen verhänge. Und wie könnten europäische Unternehmen Vertrauen haben, wenn eine Regierung sie willkürlich kontrolliere, ihre Genehmigungen blockiere und öffentliche Aufträge immer wieder an eine kleine Gruppe von Begünstigten gingen. Das schaffe Unsicherheit und untergrabe das Vertrauen der Investoren. Und dies zu einem Zeitpunkt, in dem die mitteleuropäischen Nachbarn Ungarn beim Pro-Kopf-BIP überrundeten.

    Viktor Orbán selbst hatte sich bei seiner Präsentation vergleichsweise zahm gegeben und sich für seine Kritik am Status quo wiederholt auf Mario Draghis Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit oder auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezogen. Im Draghi-Bericht werde ein gemeinsamer Plan für Dekarbonisierung und Wachstum gefordert, sagte von der Leyen wiederum Richtung Ungarn: Noch immer gebe es aber Regierungen, die an schmutzigen russischen fossilen Brennstoffen festhalten wollten. Anstatt nach alternativen Energiequellen zu suchen, suche insbesondere ein Mitgliedstaat nur nach alternativen Wegen, um fossile Brennstoffe aus Russland zu kaufen. Dabei habe Russland doch längst bewiesen, kein zuverlässiger Lieferant zu sein.

    Verfehlte Migrationspolitik

    Ähnlich klar spießte die Kommissionspräsidentin die Widersprüche bei der Migrationspolitik auf. Orbán habe gesagt, dass Ungarn seine Grenzen schütze und Kriminelle einsperre: “Ich frage mich nur, wie diese Aussage dazu passt, dass ihre Behörden letztes Jahr verurteilte Schleuser und Menschenhändler auf freien Fuß gesetzt haben, ehe sie ihre Strafe abgesessen haben.” Gegen 1500 verurteilte Menschenhändler haben Ungarns Behörden im vergangenen Jahr angeblich wegen überfüllter Gefängnisse vorzeitig aus der Haft entlassen. Ungarns Regierungschef habe damit nur die Probleme den Nachbarn “über den Zaun” geworfen, erklärte die Kommissionschefin. Bekämpfung illegaler Migration sehe anders aus.

    Klartext auch zur Ukraine, wo Ungarn die Unterstützung für das Land im Abwehrkampf bei jeder Gelegenheit verzögert oder blockiert. Die Welt sei Zeuge der Gräueltaten Russlands in diesem Krieg, doch noch immer gebe es einige, die diesen Krieg nicht dem Aggressor anlasteten, sondern dem Angegriffenen, stellte Ursula von der Leyen klar. Niemand würde den Ungarinnen und Ungarn die sowjetische Invasion von 1956 vorwerfen, spielte die Kommissionspräsidentin dabei auf Äußerungen des politischen Beraters von Viktor Orbán an. Dieser hatte sinngemäß gesagt, sein Land habe aus der blutigen Niederschlagung der Revolution damals gelernt, dass Widerstand sich nicht lohne.

    Parlamentarier kritisieren Korruption in Ungarn

    Ähnlich das Echo der Kritik quer durch die politischen Gruppen im EU-Parlament, die Fraktion der Patrioten ausgenommen. Er habe Mühe zu verstehen, dass Viktor Orbán mit dem Aggressor kollabiere, spielte EVP-Fraktionschef Manfred Weber auf die Besuche des Ungarn in Moskau an. Das sei keine “Friedensmission” gewesen, sondern eine reine Propagandaschau, die Russlands Krieg verlängere. Bei Ungarns letzter EU-Ratspräsidentschaft 2011 sei Viktor Orbán im Zentrum Europas gestanden, doch heute wolle niemand Ungarns Regierungschef sehen: “Heute sind Sie alleine, marginalisiert”. Korruption zerstöre zudem das Land, 400.000 Ungarinnen und Ungarn hätten genug davon und der Heimat den Rücken gekehrt.

    Der Grüne Daniel Freund prangerte Viktor Orbán ebenfalls als “korruptesten Politiker” der EU an. 14 Milliarden Euro an europäischen Steuergeldern seien in der Amtszeit des Regierungschefs so verloren gegangen.

    Viktor Orbán reagierte sichtlich verärgert. Das EU-Parlament sei offenbar nicht an Ungarns Plänen für die Ratspräsidentschaft interessiert, habe stattdessen eine “politische Intifada” organisiert. Orbán sprach von Propaganda und von “linken Lügen”. Er fühle sich persönlich beleidigt. Ursula von der Leyens Kritik wies er zurück. Und beklagte, dass die EU-Kommission heute anders als früher keine neutrale Hüterin der Verträge mehr sei, sondern ein politisches Gremium. sti

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    MFR-Reform: Berichterstatter Mureşan mahnt zur Vorsicht

    In den vergangenen Tagen löste eine geleakte Präsentation der EU-Kommission eine aufgeregte Debatte über eine mögliche Reform des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) aus. Die Präsentation hatte ein Szenario aufgezeigt, in dem die mehr als 500 Programme innerhalb des MFRs aufgehoben würden. Das Geld würde wie aktuell beim Corona-Rettungsfonds (NGEU) direkt an die Mitgliedstaaten fließen. Diese würden sich im Gegenzug zu Reformen und Investitionen verpflichten.

    Interessensgruppen aus der Landwirtschaft, der Forschung und den Regionen, die von der aktuellen Ausgestaltung des MFR profitierten, zeigten sich alarmiert. Der MFR-Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Siegfried Mureşan (EVP), beschwichtigt jedoch. Die Diskussionen würden aktuell erst auf technischer Ebene in den Diensten der Kommission stattfinden, sagte er zu Table.Briefings. “Es sind keine Ideen, die wir jetzt schon politisch ernst nehmen müssen.” Die Kommission könne erst dann seriös mit der Vorbereitung des neuen MFR beginnen, wenn die neuen Kommissare im Amt seien.

    NGEU-Modell erschwert Haushaltskontrolle

    Für ihn ist klar, dass eine Vereinfachung des MFR notwendig sein wird und dass die EU die Prioritäten in ihrem Haushalt besser koordinieren muss. Die aktuelle Struktur mit mehr als 500 Programmen sei zu kompliziert. Gleichzeitig könne man wichtige Budgetposten wie die Kohäsionspolitik und die Unterstützung der Landwirtschaft nicht einfach in einem großen Budgetposten für Wettbewerbsfähigkeit aufgehen lassen.

    “Das Prinzip der lokalen Partizipation muss gewährleistet sein”, sagte Mureşan mit Blick auf die Kohäsionspolitik, deren Gelder aktuell die Regionen verwalten. Ein kompletter Umstieg auf die Funktionsweise des Rettungsfonds würde gleich mehrfach gegen die Prinzipien der EU-Haushaltsführung verstoßen. Da die Endnutznießer der EU-Gelder in einem solchen Modell nicht eruiert werden könnten, wäre eine parlamentarische Haushaltskontrolle verunmöglicht. Zudem sähen die Europäerinnen und Europäer nicht, was genau mit dem EU-Geld passiert.

    Rechnungshof kritisiert steigende Fehlerquote bei EU-Ausgaben

    Auf die Problematik der Haushaltskontrolle weist auch der Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs hin, der am heutigen Donnerstag veröffentlicht werden soll. Er rügt bei den Ausgaben eine steigende Fehlerquote. Der Rechnungshof schätzt die Fehlerquote bei den EU-Ausgaben von 2023 auf 5,6 Prozent. Das ist eine markante Steigerung im Vergleich zu 2022 (4,2 Prozent) und 2021 (3,0 Prozent).

    Laut Rechnungshof geht die Entwicklung vor allem auf eine stark steigende Fehlerquote bei den Kohäsionsausgaben zurück, wo der Rechnungshof für 2023 eine Fehlerquote von 9,3 Prozent schätzt (2022: 6,4 Prozent). Zudem kritisiert der Rechnungshof, dass die noch abzuwickelnden Mittelbindungen im EU-Haushalt 2023 einen Rekordstand von 543 Milliarden Euro erreicht haben, was auf weiterhin erhebliche Absorbierungsschwierigkeiten auf Ebene der Mitgliedstaaten hinweist.

    Rechnungshofpräsident nennt das geleakte Szenario “extrem radikal”

    Bei einer Pressekonferenz vor der Veröffentlichung des Berichts äußerte sich der Präsident des Rechnungshofs Tony Murphy auch zur Debatte zur möglichen MFF-Reform. Er nannte das geleakte Szenario “extrem radikal”. “Für uns ist wichtig, dass wir das Geld nachverfolgen können”, sagte Murphy.

    Auch wenn der Vorschlag der Kommission am Ende nicht so radikal ausfallen dürfte wie in der Kommissionspräsentation: Die Notwendigkeit für Reformen ist angesichts der Warnungen des Rechnungshofs wenig umstritten. Mureşan wird im ersten Halbjahr 2025 einen Initiativbericht des Parlaments zum neuen MFR vorbereiten. Damit will er den offiziellen Vorschlag der Kommission beeinflussen, der im Spätsommer oder Herbst 2025 erwartet wird. jaa

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    Bezahlbares Wohnen: Schinas will schnelle Maßnahmen gegen Energiearmut

    Der amtierende Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas hat ehrgeizige und rasche Reformen zur Förderung von bezahlbarem und grünem Wohnraum angekündigt. “Es ist Zeit für den Wandel. Es ist Zeit, denen zu helfen, die es am dringendsten benötigen“, sagte Schinas vor dem Europäischen Parlament. Er kündigte einen “holistischen Aktionsplan” an.

    Dazu brauche es etwa mehr Investitionen oder eine Reform der Beihilferegeln für die Förderung von Wohnraum, sagte Schinas. Die Instrumente kennt man bereits aus den politischen Richtlinien von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Schinas legte aber auch ein Bekenntnis zu den sozialen Aspekten des Wohnens ab: Er hob den Kampf gegen Wohnungslosigkeit und die Bedeutung der Armutsstrategie der Union hervor, die es in der neuen Legislaturperiode geben soll.

    Explizit problematisierte Schinas Energiearmut: “Entscheidend sind neue Bemühungen, die Energiepreise zu reduzieren.” Entsprechende Pläne müssten “schnell und effektiv aufgestellt und umgesetzt werden”, sagte das scheidende Kommissionsmitglied.

    Mehr und “richtige” Investitionen

    Die Vorstellungen der Fraktionen könnten kaum unterschiedlicher sein, wie die Union, mit ihren begrenzten Kompetenzen auf dem Feld, zu mehr bezahlbarem Wohnraum kommen könnte. S&D-Fraktionschefin Iratxe García Pérez will etwa “dauerhafte, zusätzliche Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro jährlich.”

    Kim van Sparrentak, die für die Grünen/EFA-Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode für den Initiativbericht Zugang zu angemessenem und erschwinglichem Wohnraum für alle zuständig war, betonte gleichzeitig: “Wir benötigen Investitionen in Wohnraum, aber die richtigen. In Berlin sehen wir, dass Investitionen über 40 Milliarden Euro dazu geführt haben, dass eine Stadt, die einst eine der bezahlbarsten in Europa war, heute unbezahlbar geworden ist.” Spekulative Investitionen sollten eingedämmt werden, findet sie.

    Weniger Vorschriften beim Wohnungsbau

    “Wohnen darf kein Luxus sein”, legte auch Markus Ferber (CSU) nach. Er will, dass die EU an die Eigenkapitalvorschriften rangeht. “Diese Regeln stammen noch aus Zeiten der Finanzkrisen”, sagte Ferber. Ein weiterer zentraler Hebel aus seiner Sicht: unnötige Standards beseitigen, die den Wohnungsbau verteuern. “Da sind uns andere Regionen der Welt viel voraus.”

    Teure Standards, vor allem solche im Energie- und Klimabereich, wollen die Patrioten für Europa und Abgeordnete der rechtsextremen ESN-Fraktion gleich ganz abschaffen. Ihr Hauptanliegen: Dass die Gebäuderichtlinie zurückgenommen wird. lei

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    Habeck betont die Vorteile von LkSG-Regulierung für deutsche Unternehmen

    Bei der Vorstellung der Herbstprojektion hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch die Bedeutung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards wie nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) betont. “Wir können es auch als Bürger dieses Landes oder dieser Welt nicht wollen, dass Produkte auf Kosten von Menschen oder Umwelt produziert werden und die Unternehmen ein Vorteil haben, die die schlechtesten Standards einhalten.”

    Von Vorteil seien diese Standards auch für die hiesige Wirtschaft: Es würde sie am Ende schwächen, “wenn wir in den Dumpingwettbewerb nach unten eintreten, weil andere immer mehr dumpen als wir”. Zugleich hat er sich aber erneut für eine Reduzierung von Berichtspflichten im Zusammenhang mit dem von der Bundesregierung angestrebten Bürokratieabbau ausgesprochen.

    Steuerkreis fordert Rechtssicherheit

    “Es ist gut, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck seine inakzeptablen Äußerungen der letzten Woche nicht wiederholt hat und sich zum Lieferkettengesetz bekannt hat”, sagte Armin Paasch (Misereor) für den Steuerungskreis der Initiative Lieferkettengesetz. Allerdings blieben seine Aussagen “zu vage”. Der Minister müsse alle Spekulationen über eine Aussetzung des LkSG oder das Aussetzen von Sanktionen beenden, um Rechtssicherheit zu schaffen.

    Das zivilgesellschaftliche Bündnis fordert Habeck auch auf, sich “klar zur wirksamen und EU-rechtskonformen Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie” zu bekennen. Insbesondere verbiete die Richtlinie Rückschritte gegenüber dem aktuellen Schutzniveau des LkSG. “Die in der Wachstumsinitiative angekündigte Reduzierung der Anzahl Unternehmen, für die das Lieferkettengesetz gilt, auf ein Drittel ist damit nicht vereinbar.”

    Kritik von Parteikollegin Anna Cavazzini

    Vergangene Woche hatte Robert Habeck beim Unternehmertag des Außenhandelsverbandes BGA erklärt, die Politik sei beim LkSG “bei guter Intention völlig falsch abgebogen”. Mit Blick auf Berichtspflichten hatte er gefordert, “die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen“. Das brachte ihm bei der Veranstaltung Beifall ein.

    Harsche Kritik äußerte hinterher seine Parteikollegin Anna Cavazzini, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament. Der Wirtschaftsminister vertrete an dieser Stelle weder die Position von Bündnis 90/Die Grünen noch die von der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament. Die Politikerin hatte sich für das europäische Lieferkettengesetz engagiert.

    Für eine Änderung der Berichtspflichten sprach sich am Dienstag bei der Jahrestagung des Rats für nachhaltige Entwicklung auch Bundeskanzler Olaf Scholz aus. Die Berichtspflichten seien “aus dem Ruder gelaufen”. Es sei keine “gute Idee, an die Berichtspflichten die Kettensäge anzulegen“, sagte RNE-Vorsitzender Reiner Hoffmann. cd

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    CCS in Europa: Bis zu 140 Milliarden Euro Subventionen nötig

    Für den Bau und den Betrieb der in Europa geplanten CCS-Projekte könnten bis zu 140 Milliarden Euro an Subventionen benötigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Thinktanks Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA), die heute veröffentlicht werden soll. Demnach seien die meisten geplanten CCS-Projekte zu teuer und würden dementsprechend nicht auf einer kommerziellen Basis funktionieren können. Laut IEEFA werden die Kosten wahrscheinlich sogar weiter ansteigen, weil es beim Betrieb von CCS-Projekten immer wieder zu Problemen komme.

    “Wenn Europa sich auf CCS als Lösung für das Problem des Klimawandels verlässt, werden die europäischen Regierungen gezwungen sein, horrende Subventionen für eine Technologie einzuführen, die in der Vergangenheit bereits versagt hat“, sagt Andrew Reid, Energie-Finanzexperte bei IEEFA. Erst vor wenigen Tagen hat Großbritannien mehr als 21 Milliarden Pfund an Subventionen für drei CCS-Projekte und -Infrastruktur zugesagt.

    Europas Zeitplan “zu optimistisch”

    Die IEEFA mahnt:

    • 90 der 200 in Europa geplanten CCS-Projekte müssten schon 2030 fertiggestellt sein, damit Europa seine Klimaziele erreichen kann. Derzeit gäbe es in der EU erst drei CCS-Projekte. “90 Prozent der vorgeschlagenen Emissionsabscheidungen stammen aus Projekten, die sich erst im Prototyp- oder Demonstrationsstadium befinden”, heißt es in der Analyse. Der Zeitplan sei “zu optimistisch”.
    • Es fehle noch immer an den nötigen Gesetzen und Standards, von denen viele CCS-Anwendungen abhängig seien.
    • Die geplanten CCS-Anwendungen basierten auf einer “außergewöhnlich komplexen Wertschöpfungskette, die auf vielen technisch und wirtschaftlich anspruchsvollen Einzelprojekten beruht”. Gibt es Probleme in einem Einzelprojekt, würden sie viele andere Aspekte der CCS-Wertschöpfungskette (Abscheidung, Transport, Speicherung) beeinträchtigen.

    Laut IEEFA-Analyse darf sich die EU nicht auf CCS als Klimalösung verlassen. Bei einem Scheitern von CCS könne “es zu spät sein, um die Emissionen durch alternative Maßnahmen zu reduzieren”, sagt Reid. nib

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    Digitale Souveränität Europas: Studie hebt Bedeutung von Rechenzentren hervor

    Rechenzentren spielen eine zentrale Rolle für die digitale Souveränität Deutschlands und Europas. Der aktuelle Mangel an Rechenzentrumskapazitäten zwingt europäische Unternehmen häufig dazu, auf Rechenressourcen in den USA zurückzugreifen. Dies beeinträchtige die Kontrolle über sensible Daten und gefährde die technologische Unabhängigkeit, heißt es in einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Verbands der Internetwirtschaft (Eco).

    Demnach könnte der Ausbau der Rechenzentrumskapazitäten in Deutschland eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 250 Milliarden Euro generieren. Rechenzentren gelten als eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und für Innovationen in verschiedenen Branchen. Die Studie zeigt: Unternehmen, die auf Cloud-Dienste und Rechenzentren setzen, können ihre Innovationskraft und Produktivität steigern, was wiederum zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitrage.

    Cloud und KI als Booster für Innovation

    Innovative Unternehmen, die KI einsetzen, erzielten 32 Prozent ihres Umsatzes mit neuen Produkten oder Dienstleistungen, schreiben die Autoren. Das Ökosystem digitaler Infrastrukturen diene dabei als besonderer Treiber. Wenn die KI-Tools in der Cloud eingesetzt würden, liege der Anteil neuer Produkte und Dienstleistungen am Umsatz bei rund 40 Prozent. Unternehmen ohne Rechenzentrumsnutzung realisierten dagegen nur acht Prozent ihres Umsatzes mit Innovationen.

    Die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen unter dem Dach des Eco-Verbands fordert in diesem Zusammenhang eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Bau neuer Rechenzentren. Dadurch könnten Deutschland und die EU ihre Abhängigkeit von außerhalb Europas liegenden Infrastrukturen verringern und die Vorteile der digitalen Transformation voll ausschöpfen.

    Die vollständige Studie erscheint am 20. Oktober. vis

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    Kommission startet Konsultation zu Verbriefungen

    Am gestrigen Mittwoch startete die EU-Kommission einen Konsultationsaufruf zum aktuell in der EU geltenden Rahmen für Verbriefungen. Die Kommission erhofft sich speziell von Finanzmarktakteuren Einblicke in die Probleme und Hindernisse, die sie aktuell im Markt vorfinden.

    Die Informationen der Marktteilnehmer sollen der Kommission helfen, bald einen Legislativvorschlag vorzulegen, der die Rahmenbedingungen für den Verbriefungsmarkt verbessert. Von einem stärkeren Verbriefungsmarkt erhofft sich die Kommission einen schlagkräftigeren Kapitalmarkt und eine höhere Kreditkapazität für Banken. Wenn diese ihre Kredite verbriefen und am Markt verkaufen können, erhalten sie mehr Spielraum, um weitere Kredite zu vergeben. So soll ein verstärkter Verbriefungsmarkt zu besseren Investitionsbedingungen in der Realwirtschaft führen.

    Kritiker sehen Risiken für Stabilität des Finanzmarkts

    In einer Pressemitteilung begrüßte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) das zügige Vorgehen der Kommission. “Die Versicherer würden gerne mehr in Verbriefungen investieren, bisher stehen dem aber einige Hürden entgegen”, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

    Die Stärkung des Verbriefungsmarkts ist einer der wenigen Aspekte der Kapitalmarktunion, bei deren Umsetzung aktuell keine starken Interessen der Mitgliedstaaten im Wege stehen. Kritiker warnen jedoch, dass mit starker Verbriefungstätigkeit auch die Risiken für die Finanzstabilität zunehmen.

    Interessierte können der Kommission ihre Meinungen und Erfahrungen bis zum 4. Dezember per Online-Formular übermitteln. jaa

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    • Kapitalmarktunion

    EU-US Data Privacy Framework: Kommission bestätigt Fortschritte

    Die Kommission hat nach einer ersten Überprüfung des neuen Datenschutzrahmens zwischen der EU und den USA (EU-US Data Privacy Framework, DPF) festgestellt, dass die US-Behörden die wesentlichen Anforderungen erfüllt haben. Der DPF regelt den Transfer personenbezogener Daten aus der EU an US-Unternehmen. Zu den umgesetzten Maßnahmen zählen Schutzvorkehrungen, die den Zugriff von US-Geheimdiensten auf ein notwendiges und verhältnismäßiges Maß begrenzen, sowie die Einrichtung eines unabhängigen und unparteiischen Rechtsbehelfsmechanismus für EU-Bürger.

    Der Prüfbericht basiert nach Angaben der Kommission auf Beiträgen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Handelsverbänden, Datenschutzbehörden und Rückmeldungen der Öffentlichkeit. Zudem seien Erkenntnisse aus einer Überprüfungssitzung im Juli 2024 in Washington eingeflossen, an der unter anderem EU-Justizkommissar Didier Reynders und die US-Handelsministerin Gina Raimondo teilnahmen.

    Der Bericht enthält auch Empfehlungen zur weiteren Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den US-Behörden und den EU-Datenschutzbehörden, um die langfristige Effektivität des Rahmens sicherzustellen. Die Kommission plant, die Entwicklungen weiterhin zu beobachten und regelmäßig über den Fortschritt zu berichten. vis

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    Presseschau

    Hitzige Debatte: Viktor Orbán und Ursula von der Leyen streiten im EU-Parlament EURONEWS
    CDU-Europaabgeordneter Caspary: “Orban hat sich aus den Reihen der proeuropäischen Regierungschefs verabschiedet” DEUTSCHLANDFUNK
    Hilfsgüter: EU verstärkt Unterstützung für Libanon EURACTIV
    Zinsen aus russischem Vermögen: EU bewilligt Milliarden-Euro-Paket für die Ukraine N-TV
    EU investiert 865 Millionen Euro in die digitale Infrastruktur HEISE
    4500 Milliarden Euro: So viel kosten die Klimaschutzpläne Deutschland und die EU MERKUR
    Staatliche Beihilfen: 1 Milliarde Euro für Italiens Bauern: EU hilft nach Naturkatastrophen AGRARHEUTE
    Zoll-Alternative: EU lehnt Chinas Vorschlag zu 30.000€-Mindestpreis ab ELECTRIVE.NET
    Christdemokraten drängen stärker auf Abschaffung des EU-Verbrennerverbots DVZ
    Sind wir auf dem Weg zu einem Handelskrieg zwischen der EU und China? EURONEWS
    EU-Innenminister: Österreich verlangt mehr Härte bei Abschiebungen aus EU ZEIT
    Engin Eroglu ist Vorsitzender der China-Delegation im EU-Parlament HNA
    Banken in Krisensituationen: EU-Bankenabwickler kündigen Tests und Deep Dives an BOERSEN-ZEITUNG
    EU-Richtlinie zwingt Stadtwerke zum Verkauf von Ladesäulen MDR
    Netzwerk geplant: EU-Team erforscht Einsamkeit ÄRZTEZEITUNG
    Neues weltweites Ranking: TU München ist beste Uni in der EU MERKUR
    Kein Auftrag an Kickl: Van der Bellen rückt bei der Regierungssuche von der Tradition ab N-TV
    IHS-Studie: Adipositas für fünf Prozent aller Gesundheitsausgaben in Österreich verantwortlich DER STANDARD
    Ukraine-Gipfel der Balkanstaaten: Ukrainischer Präsident Selenskyj trifft zu Gesprächen in Kroatien ein DEUTSCHLANDFUNK
    Beide Länder eng verbunden – Zur Mobilisierung der Nothilfe: Frankreich organisiert eine internationale Hilfskonferenz für den Libanon N-TV
    Macron bildet ukrainische Soldaten aus und empfängt Selenskyj vor dessen Berlin-Besuch WATSON
    Frankreichs Haushalt: Die Superreichen sollen helfen SÜDDEUTSCHE
    Offene Grenzen: Und wie durch ein Wunder sind in Italien viele altbekannte Migranten verschwunden WELT
    Italien holt sich Fördergelder zurück FAZ
    Moldaus Präsidentin im Wahlkampf: Sandu lässt TV-Duell aus – was dahinter steckt – Sandu hatte die Teilnahme nie bestätigt und immer gesagt, sie werde nicht neben “ungültigen” Kandidaten auftreten ZDF
    Nach fünfjähriger Pause: Die Schweiz kehrt in den UNO-Menschenrechtsrat zurück SRF
    Die Schweiz gibt Panzerabwehrwaffen indirekt an die Ukraine ab NZZ
    Gegen Massentourismus: Streit um “Kreuzfahrtsteuer” in Griechenland STUTTGARTER-ZEITUNG
    “Wir haben geliefert” – warum Rumänien von der EU offene Grenzen fordert – erwartet Solidarität SAARBRÜCKER-ZEITUNG
    Gemeinsame Kabinettssitzung: Polen und Tschechien wollen bei Kernenergie kooperieren DEUTSCHLANDFUNK
    Umbau der Schulen in der Türkei: Mohammed statt Atatürk TAZ
    Auch die Türkei sperrt Discord DER STANDARD
    Großbritannien: Kandidaten für Nachfolge von Rishi Sunak stehen fest – Robert Jenrick und Kemi Badenoch ZEIT
    Slowakei will mRNA-Impfstoffe verbieten DW

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    Jozef Síkela – ein Banker soll sich um Global Gateway kümmern

    Jozef Síkela hat sich schon während der tschechischen Ratspräsidentschaft auf EU-Ebene bewiesen.

    Jozef Síkela (57), aktuell Tschechiens Minister für Industrie und Handel, war für alle möglichen Ressorts in der neuen EU-Kommission gehandelt worden: für Migration, Energie, zuletzt für Handel. Tschechiens Regierungschef Petr Fiala hatte den Anspruch an ein “starkes Wirtschaftsressort” für sein Land bekundet. Er setzte darauf, dass man sich in Brüssel daran erinnern werde, wie geschickt Síkela während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2022 die Mitgliedsländer auf einen gemeinsamen Kurs gegen Putins Gaskrieg gebracht hatte.

    Geholfen hat es nicht. Die Opposition in Prag und die Medien des Landes zeigten sich enttäuscht, dass das Land mit einem “eher einflusslosen, schwammigen Ressort” wie dem des Kommissars für Internationale Partnerschaften “abgespeist” worden sei. Die Zeitschrift Reflex schrieb: “Den Kampf um ein wirklich starkes Wirtschaftsportfolio haben wir erneut verloren. Das passiert schon seit 20 Jahren, also seitdem wir Mitglied der EU sind. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass unser Einfluss innerhalb der EU gering ist.”

    Premier Fiala, dem das in erster Linie angelastet wird, redete die künftige Rolle Síkelas schön: “Er wird den größten Haushalt verwalten, den jemals ein tschechischer Kommissar verwaltet hat, er wird über Investitionen in das Global-Gateway-Programm in Höhe von bis zu 300 Milliarden Euro entscheiden”, schrieb er im Netzwerk X. Die 300 Milliarden sind aber eine höchst zweifelhafte Summe, denn sie umfassen das gesamte Investitionsvolumen, welches das Programm “mobilisieren” soll, inklusive Kapital von Privaten und von nationalen Entwicklungsbanken.

    Handels- und Investitionspartnerschaften

    Síkela selbst sagte, das Portfolio des Kommissars für Internationale Partnerschaften “wird mir die Möglichkeit geben, mich auf die Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit, die Diversifizierung unserer Lieferanten kritischer Rohstoffe und die Erschließung neuer Märkte für europäische Unternehmen zu konzentrieren.” Im Kern wird es für ihn darum gehen, dafür zu sorgen, dass vor allem Pekings Belt and Road Initiative (BRI) richtig Konkurrenz aus der EU bekommt. Bisher fehlt es der Infrastrukturinitiative aus Brüssel immer noch an Schwung.

    Europa, das hatte Síkela jüngst auf einer Konferenz in Prag betont, müsse seine Abhängigkeit von Rohstoffen wie Gas, Erdöl, Atombrennstoffen, von Lithium oder von Spitzentechnologien wie Chips verringern. “Die Vertiefung der Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Ländern durch Handelsabkommen wird uns dabei helfen.”

    Um diese Abhängigkeit – meist von China – zu verringern, will von der Leyen auf “Clean Trade and Investment Partnerships” setzen, die Síkela gemeinsam mit dem designierten Handelskommissar Maroš Šefčovič umsetzen soll. Angesichts des für neue Handelsabkommen schwierigeren Umfelds will die Kommission verstärkt auf gezielte Partnerschaften setzen.

    Die Marktöffnung durch solche Partnerschaften soll sich nur auf einige wenige Sektoren beschränken, dabei aber durch europäische Investitionen in Partnerländern begleitet werden. So sollen rohstoffreiche Partnerländer einen größeren Teil der Wertschöpfung bei sich im Land halten können und die EU gleichzeitig ihre China-Abhängigkeit reduzieren können. Angesichts der großen Abhängigkeit der EU bei vielen Rohstoffen dürfte der Investitionsbedarf sehr groß sein.

    Erfahrung in der Finanzbranche

    Angenommen, dass die EU ihre Resilienzziele auch mit den entsprechend notwendigen Mitteln unterstützt, dürfte Síkelas Dossier also an Wichtigkeit gewinnen. Dabei wird ihm auch seine Erfahrung in der Finanzbranche zugutekommen.

    Mehrere Jahre war er bei der Österreichischen Creditanstalt, der Bank Austria und der Erste Bank tätig. Nach der erfolgreichen Konsolidierung der Erste Bank in der Ukraine führte er als CEO die Slowakische Sparkasse an die Spitze, erzielte mit ihr Rekordergebnisse und wurde als Banker des Jahres geehrt. Später wurde Síkela, der Deutsch, Englisch und Russisch spricht, Mitglied des Vorstands der Erste Group Bank AG.

    Ob Síkela auch aus dem Projekt Global Gateway eine Art europäische Wirtschaftsentwicklungsbank machen kann, wird davon abhängen, wie viele Mittel die Regierungen der Mitgliedstaaten ihm anvertrauen werden. Hans-Jörg Schmidt

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    Europe.Table Redaktion

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