die Sommerpause lässt auch in Brüssel grüßen. Ein guter Zeitpunkt also, sich etwas ausgeruhter mit blauem Wasserstoff zu befassen. Dieser soll bei der klimafreundlichen Umstellung der EU-Industrie auf Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Unser Energieexperte Manuel Berkel erklärt, was es damit auf sich hat und fasst die wichtigsten Stellschrauben und Hürden für den Einsatz des kohlenstoffarmen Brennstoffs zusammen. Denn Stand jetzt drohen Abhängigkeiten.
Können russische und belarussische Spione via Ungarn ohne viel Aufhebens in die EU gelangen? Diese Sorge treibt derzeit die EVP um. Einige Spitzenköpfe der Christdemokraten haben sich deswegen in einem Brief an den EU-Ratspräsidenten Charles Michel gewandt. Anlass ist Budapests Ausweitung von Gastarbeiter-Sonderregeln auf russische und belarussische Staatsbürger. Diese können so – nur mit Verweis auf einen Job und eine Krankenversicherung – nach Ungarn und damit in die EU einreisen. Wie die Kommission darauf reagiert, lesen Sie in unseren News.
Außerdem stellen wir Ihnen heute Milad Tabesch von der Initiative “Ruhrpott für Europa” vor. Gemeinsam mit seinem teils ehrenamtlichen, teils hauptamtlichen Team macht er Stopp an Schulen, um den Schülerinnen und Schülern die EU näherzubringen. Dabei zielt das Projekt vor allem auf eine Zielgruppe abseits der Gymnasien.
Für die Umstellung der Industrie auf Wasserstoff soll ein Großteil zunächst aus der Reformierung von Erdgas mit anschließender CO₂-Abscheidung (CCS) stammen – also aus blauem Wasserstoff. Zur genauen Definition von kohlenstoffarmem Wasserstoff arbeitet die EU-Kommission derzeit an einem delegierten Rechtsakt. Welche Stellschrauben dabei aus Sicht des Klimaschutzes entscheidend sind, beleuchtet der Bericht “Low-carbon hydrogen in the EU” von Agora Industrie und Agora Energiewende. Die Ergebnisse in vier Thesen zusammengefasst:
Als Gegensatz zu grünem Wasserstoff wird häufig nur von blauem Wasserstoff gesprochen. Die EU-Gasmarktrichtlinie reguliert jedoch kohlenstoffarme Brennstoffe (Low-Carbon-Fuels) und die umfassen laut Agora mehr als blauen Wasserstoff und seine Derivate:
Entscheidend für die Bezeichnung “kohlenstoffarm” ist laut Gasmarktrichtlinie eine 70-prozentige CO₂-Reduzierung gegenüber einem Vergleichswert für fossile Brennstoffe. Der Grenzwert für “low-carbon” liegt demnach bei 3,38 kg CO2Äq/kg H2 oder 28,2 g CO2Äq/MJ H2. Betrachtet wird dafür die Treibhausgaswirkung über 100 Jahre (GWP100).
Welche Länder blauen Wasserstoff in die Europäische Union liefern können, hängt vor allem davon ab, ob sie den EU-Grenzwert für Treibhausgasemissionen einhalten können. “Die wichtigsten europäischen Lieferanten fossiler Gase – mit Ausnahme Norwegens – sind derzeit weit davon entfernt, die Methan- und CO₂-Emissionen so weit zu senken, dass das nach Europa gelieferte fossile Gas für die Herstellung von kohlenstoffarmem Wasserstoff verwendet werden kann”, schreibt Agora.
Die derzeitige Politik für blauen Wasserstoff bedeute ein “erhebliches Risiko für Europas künftige Energiesicherheit“. Algerien und die USA zum Beispiel könnten aktuell keinen kohlenstoffarmen Wasserstoff liefern, der weniger als 3,38 kg CO2Äq/kg H2 verursacht.
Für Agora ist das allerdings kein Grund, den Grenzwert aufzuweichen. Der Thinktank will ihn bis 2050 sogar auf 1 kg CO2Äq verschärfen, um die Entwicklung saubererer Technologien anzustoßen. In den USA seien zwei Anlagen für autotherme Reformierung (ATR) von Erdgas in Planung, die mehr als 95 Prozent statt wie heute üblich nur 60 Prozent des CO₂ abscheiden. Mit neuen Capture-Technologien könnten einige Länder bereits 2030 den EU-Grenzwert einhalten – allerdings zu höheren Kosten.
Der Engpass für kohlenstoffarmen Wasserstoff aus Erdgas werden laut Agora Leitungen und Speicher für CO₂. Viele Projekte befänden sich noch in einem frühen Stadium und die Planungsverfahren für CO₂-Infrastruktur seien noch unterentwickelt. “Dies deutet darauf hin, dass auf fossilen Rohstoffen basierende Produktionsverfahren für Wasserstoff nicht in der Lage sein werden, die unmittelbare Lücke zu schließen, die durch die langsamer als erwartet verlaufende Verbreitung von erneuerbarem Wasserstoff entsteht”, heißt es im Bericht.
Stattdessen solle die EU Investitionen stärker in die Elektrolyse lenken. “Bis Mitte der 2030er-Jahre sollen Elektrolyseure im Dauerbetrieb fast überall in Europa entweder erneuerbaren oder kohlenstoffarmen Wasserstoff produzieren”, beschreibt der Bericht Wünsche von Investoren, die ihre Anlagen nicht nur in jenen Stunden laufen lassen wollen, in denen viel Wind- und Solarstrom im Netz ist.
Weil aber in den nächsten Jahren viele Länder einen Großteil ihres Stroms noch aus Kohle und Erdgas erzeugen werden, will Agora strenge Anforderungen für die Elektrizität einführen, die für elektrolysebasierten, kohlenstoffarmen Wasserstoff verwendet werden darf. In ihrem delegierten Rechtsakt solle die EU-Kommission deshalb allein auf die CO₂-Emissionen des preissetzenden Kraftwerks abstellen und nicht etwa auf Jahresdurchschnittswerte. Zur Folge hätte dies nach den Hoffnungen von Agora, dass noch mehr in erneuerbare Energien investiert würde.
Wasserstoff aus Biogas oder Biomethan ist laut Agora zwar nicht wettbewerbsfähig. In bestimmten Fällen könne es für Produzenten aber dennoch attraktiv sein, ihn mit anderen kohlenstoffarmen Brennstoffen zu mischen. Der Industrie würde es eine weitere Option eröffnen, überhaupt ausreichende Mengen von kohlenstoffarmem Wasserstoff zu produzieren.
Der Thinktank spricht allerdings von “perversen Anreizen“, falls die EU das Blending unterschiedlicher Brennstoffe ermöglichen sollte: “Dadurch würden die immer knapper werdenden Bioenergieressourcen von weniger subventionierten, hochwertigen Verwendungszwecken (z.B. als Rohstoff in industriellen Wertschöpfungsketten) weggelenkt, was dem Netto-Null-Pfad der EU zuwiderlaufen würde.”
Für die Produktion von Low-Carbon-Fuels solle deshalb nur Biogas aus Abfall- und Reststoffen zugelassen werden. Außerdem müssten Leckagen für Biogas und Biomethan noch reguliert werden.
Ungarische Sonderregeln für Gastarbeiter aus Russland und Belarus sorgen für Empörung in der EVP. Angesichts des geopolitischen Kontexts der EU-Beziehungen zu Russland und Belarus sei ein solcher Mechanismus höchst fragwürdig und werfe sehr ernste Sicherheitsbedenken auf, schrieben Spitzenvertreter der europäischen Christdemokraten an EU-Ratspräsident Charles Michel, darunter Manfred Weber.
Das Vorgehen könne ernsthafte Schlupflöcher für Spionageaktivitäten schaffen und einer großen Anzahl von Russen ermöglichen, mit minimaler Überwachung nach Ungarn und in den grenzkontrollfreien Schengen-Raum einzureisen. Konkret fordern die Spitzenvertreter der EVP den EU-Ratschef dazu auf, die Situation zu prüfen und beim nächsten EU-Gipfel diskutieren zu lassen.
Ziel müsse es sein, strenge Maßnahmen zu ergreifen, um die Integrität des Schengen-Raums zu schützen, das bereits entstandene Sicherheitsrisiko zu begrenzen und zu verhindern, dass andere Mitgliedstaaten in Zukunft ähnliche Initiativen ergreifen, heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
In Ungarn gibt es bereits seit Längerem Sonderregeln für Gastarbeiter. Sie galten bisher allerdings nur für Ukrainer und Serben und wurden erst diesen Monat auch auf Personen aus Russland und dessen Partnerland Belarus ausgeweitet. Der Regelung zufolge können Gastarbeiter für zwei Jahre kommen und danach ihren Aufenthalt jeweils für drei Jahre verlängern lassen, sooft sie wollen. Sie dürfen arbeiten, in welchem Beruf sie wollen. Um von der Regelung profitieren zu können, müssen sie allerdings beweisen, dass sie in Ungarn Job, Unterkunft und Krankenversicherung haben.
Die EU-Kommission kündigte an, den Kontakt mit den ungarischen Behörden suchen zu wollen, um weitere Informationen zu der Sonderregelung zu bekommen. Russland gelte als Sicherheitsbedrohung für die EU, sagte eine Sprecherin in Brüssel.
Sie betonte, dass Ungarn verpflichtet sei, stets zu überprüfen, ob Einreisende aus Drittstaaten alle Bedingungen gemäß Artikel 6 des Schengener Grenzkodex erfüllten. Dies umfasse nicht nur den Besitz eines Visums oder einer gültigen Aufenthaltserlaubnis, sondern auch die Bedingung, dass die Person nicht von anderen Staaten im Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein dürfe. dpa
Die EU-Kommission startet einen zweigleisigen Prozess zur Entwicklung des ersten Verhaltenskodex für allgemeine Künstliche Intelligenz. Das European AI Office ruft zur Interessenbekundung für die Mitarbeit an diesem Kodex auf und führt parallel eine umfassende Konsultation zu vertrauenswürdigen Allzweck-KI-Modellen (general-purpose AI, GPAI) durch.
Der Verhaltenskodex soll sicherstellen, dass Anbieter von Allzweck-KI-Modellen den Anforderungen der neuen KI-Verordnung (AI Act) entsprechen. Der AI Act tritt am 1. August 2024 in Kraft. Er reguliert die Nutzung und Entwicklung von KI, um Sicherheit, Transparenz und Urheberrechtsschutz zu gewährleisten. Anbieter müssen technische Dokumentationen aktualisieren, Informationen bereitstellen und Urheberrechtsrichtlinien einhalten.
Interessierte Parteien, darunter KI-Modellanbieter, Industrieorganisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen, können bis zum 25. August 2024 ihr Interesse an der Mitarbeit am Verhaltenskodex bekunden. Diese Ausarbeitung erfolgt in vier Arbeitsgruppen, die sich auf Transparenz, Risikobewertung, Risikominderung und internes Risikomanagement konzentrieren. Ein Plenum wird den Prozess leiten und die Entwürfe der Arbeitsgruppen koordinieren.
Parallel dazu läuft eine Konsultation, die Beiträge von Interessengruppen zu vertrauenswürdigen KI-Modellen sammelt. Diese Konsultation ist bis zum 10. September 2024 geöffnet. Sie zielt darauf ab, diverse Perspektiven in den Verhaltenskodex einzubeziehen. Die Konsultationsergebnisse fließen direkt in den Entwurfsprozess der Arbeitsgruppen ein. Beiträge können online eingereicht werden und sollten gezielte Fragen zu Transparenz, Urheberrecht und Risikomanagement beantworten.
Der Verhaltenskodex wird in einem iterativen Prozess entwickelt und soll bis April 2025 fertiggestellt sein. Die EU-Kommission wird den Kodex bewerten und gegebenenfalls genehmigen. Andernfalls wird sie Regeln zur Umsetzung der Verpflichtungen erlassen. Dieser zweigleisige Ansatz soll sicherstellen, dass der Verhaltenskodex umfassend und praxisnah gestaltet wird. vis
Die Europäischen Zentren für digitale Innovation (European Digital Innovation Hubs, EDIHs) haben ein Tool zur Bewertung der digitalen Reife veröffentlicht. Dieses Werkzeug soll kleinen und mittleren Unternehmen dabei helfen, ihre Stärken und Schwächen bei der digitalen Transformation ihres Geschäfts zu erkennen. Das Tool steht nach Angaben der Kommission allen Unternehmen offen und ist kostenlos in 32 Sprachen erhältlich.
Unternehmen können das Open DMAT – Digital Maturity Assessment Tool nutzen, um ihre digitale Reife anhand von sechs Schlüsselkriterien zu bewerten:
Mithilfe dieser Informationen könnten KMU ihr digitales Wachstum effizienter planen und Beratung von ihrem lokalen EDIH erhalten, teilte die Kommission mit. Darüber hinaus könnten andere Akteure das Tool zur Bewertung der digitalen Reife nutzen, um KMU bei der Digitalisierung und der Nutzung von künstlicher Intelligenz zu unterstützen.
Das Open DMAT soll nach Auffassung der Kommission dazu beitragen, das Ziel der Digitalen Dekade zu erreichen, wonach 75 Prozent der europäischen Unternehmen KI, Cloud und/oder Big Data nutzen sollen. Das Netzwerk der EDIH werde zusammen mit dem European AI Office eine zentrale Anlaufstelle für KMU und öffentliche Dienste sein, die Lösungen für KI und digitale Transformation suchen. vis
Die durchschnittlichen Kosten für eine Datenverletzung sind nach Angaben von IBM im Jahr 2024 auf 4,88 Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) gestiegen. Das zeigt der Cost of Data Breach Report des Unternehmens. Demnach bedeutet dies einen Anstieg von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es ist der größte jährliche Anstieg seit der Pandemie. Diese Kostensteigerung sei vor allem auf entgangene Geschäfte und erhöhte Reaktionskosten nach einer Verletzung zurückzuführen, heißt es in dem Report.
Der jährliche IBM-Bericht zu den Kosten von Datenverletzungen, basierend auf Daten von 604 Unternehmen aus 16 Ländern und Regionen, untersucht die Auswirkungen von Datenverletzungen auf Unternehmen. Der Bericht zeigt, dass 70 Prozent der betroffenen Unternehmen erhebliche Störungen erlebten, wobei die Wiederherstellung oft mehr als 100 Tage dauerte.
Zu den wichtigsten Erkenntnissen des IBM-Reports gehört, dass Unternehmen, die auf Künstliche Intelligenz und Automatisierung zur Prävention setzen, ihre Kosten um durchschnittlich 2,2 Millionen Dollar senken konnten. Der Einsatz von Sicherheits-KI beschleunigte zudem die Erkennung und Eindämmung von Vorfällen um durchschnittlich 98 Tage. Dennoch kämpfen viele Unternehmen mit erheblichen Personalmängeln im Sicherheitsbereich, was die Verletzungskosten um durchschnittlich 1,76 Millionen Dollar erhöhte.
Auffallend ist, dass der Diebstahl von geistigem Eigentum nach Angaben von IBM stark (um 27 Prozent) zugenommen hat. Die Kosten pro gestohlenem Datensatz stiegen auf 173 Dollar. Fast die Hälfte der Datenverletzungen betrafen Kundeninformationen, was das hohe Risiko für betroffene Unternehmen verdeutlicht.
In Europa weist Deutschland die höchsten durchschnittlichen Kosten für Datenverletzungen auf, die 2024 bei 4,9 Millionen Euro liegen. Das sei ein Anstieg von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr, heißt es im Report. Italien verzeichnete demnach den größten Anstieg bei der Anzahl verletzter Datensätze und den damit verbundenen Kosten. Im Vergleich dazu hat Frankreich mit 29.500 die geringste Anzahl verletzter Datensätze, während das Vereinigte Königreich mit 30.100 die höchste Anzahl aufweist. vis
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat das Todesurteil gegen einen Deutschen aufgehoben. Das teilte das Präsidialamt in Minsk mit, wie die Staatsagentur Belta berichtete. Der deutsche Staatsbürger habe zuvor ein Gnadengesuch an die Adresse des Präsidenten geschickt, verlautete es aus dem belarussischen Geheimdienst KGB.
Der 29 Jahre alte Deutsche war unter anderem wegen angeblichen Söldnertums und Terrorismus im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes SBU im Juni zum Tode verurteilt worden. Belarus vollstreckt als letztes Land in Europa die international umstrittene Todesstrafe, und zwar per Genickschuss. Das belarussische Staatsfernsehen hatte den Deutschen, einen Rettungssanitäter, zuletzt in einem Video vorgeführt, in dem dieser sich schuldig bekennt und um Gnade bittet.
Das Auswärtige Amt in Berlin hatte die Todesstrafe verurteilt und mitgeteilt, dass der deutsche Staatsbürger konsularisch betreut werde. Der Umgang mit dem Mann sei “unerträglich”. Zu Angaben des belarussischen Außenministeriums, nach denen Minsk einen Verhandlungsvorschlag für die Lösung des Falls gemacht habe, äußerte sich Berlin aber nicht.
In der belarussischen Opposition wird vermutet, dass Lukaschenko einen hohen Preis für eine Begnadigung verlangt. Lukaschenko könnte etwa im Auftrag von Kremlchef Wladimir Putin, von dem er politisch und wirtschaftlich abhängig ist, die Freilassung eines in Berlin wegen Mordes im Berliner Tiergarten verurteilten Russen verlangen. dpa
Es war irgendwann im Herbst 2022. Da sagte sich Milad Tabesch: “Jetzt müssen wir was machen!” Der 27-Jährige aus Bochum machte damals in New York seinen Master, verfolgte die politischen Entwicklungen in Deutschland aber sehr genau. “Es war krass zu sehen, welchen Zulauf die AfD bekam, wie Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit stärker wurden.” Auch bei jungen Menschen, die im Sommer erstmals ihre Stimme abgeben konnten.
Zur Europawahl 2024 durften erstmals bundesweit 16-Jährige teilnehmen. Insgesamt rund 1,4 Millionen Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren, erklärte die Bundeswahlleiterin. Da wollte der Student für Europäische Studien nicht wegschauen.
Zurück in Deutschland suchte er Anfang 2023 Förderpartner, um die Initiative “Ruhrpott für Europa” zu gründen – mit dem Ziel, Jugendliche zu motivieren, zur Wahl zu gehen und sich mit Europa zu beschäftigen. “Mein Plan war, mir nach dem Studium einen Job zu suchen, mit geregelter Arbeitszeit, einem guten Gehalt, und mich daneben für die Initiative zu engagieren.”
Im Frühjahr 2023 erhielt er die Förderzusage von JoinPolitics, einem Start-up, das politische Talente fördert, “die mit Mut und Leidenschaft Lösungen für die großen Fragen unserer Zeit entwickeln”, wie es auf der Website heißt.
“Zunächst wollten wir herausfinden, was die junge Generation im Ruhrgebiet mit Europa verbindet, welche Hoffnungen sie mit Blick auf die Europawahl haben, was sie kritisieren, wie sie eine europäische Zukunft sehen”, erklärt Tabesch. Sein Team aus vier Angestellten und mehreren Ehrenamtlern hat dafür mehr als 20 Schulen besucht und die Forderungen und Wünsche der Schülerinnen und Schüler gesammelt. Zugang haben sie leicht gefunden, weil viele bei der Initiative kaum älter sind als die Schülerinnen und Schüler, viele haben wie sie Migrationshintergrund. Auch nach der Europawahl gehen die Seminare in Bochum weiter.
Als ein Ergebnis der Gespräche mit den Jugendlichen entstand Anfang des Jahres bereits die “Junge Ruhrpott Agenda für Europa”, die die Initiative im Januar 2024 in der Bochumer Jahrhunderthalle der Öffentlichkeit vorstellte. Gekommen war an diesem Tag auch Prominenz aus Brüssel: Katarina Barley und andere Mitglieder des Europäischen Parlaments. Für die Schüler war es ein großer Moment, als die Vizepräsidentin ihre Wünsche vorlas.
Vielleicht zum ersten Mal haben sich die Jugendlichen hier gehört gefühlt. Tabesch hat es wie eine Brücke erlebt, die hier von der jungen Generation einer vermeintlich abgehängten Generation zu Europa geschlagen wurde. Und auch die Initiative Ruhrpott für Europa sieht sich entsprechend als Brückenbauer. “Wir verstehen uns als diverse, diskriminierungssensible europäische Initiative“, sagt er.
Die Veröffentlichung der Agenda hat der Initiative viel Aufmerksamkeit gebracht. Danach gaben Tabesch und sein Team mit Unterstützung der Bertelsmann Stiftung, der Landeszentrale für politische Bildung NRW und der Stadtwerke Bochum Europa-Workshops in Schulen, in denen sie über die Europawahl aufklärten und mit Jugendlichen zu Europa ins Gespräch kommen.
Sie haben auch eine Gesprächsreihe ins Leben gerufen – “Auf einen Çay zu Europa” -, bei der sie sich symbolisch zu einem Tee in Cafés oder an anderen Orten im Ruhrgebiet in einer Runde mit 20, 30 Gästen die Themen der Agenda vertiefen und darüber diskutieren. Zu Gast war etwa der Rassismusforscher Karim Fereidooni. Es ist Tabesch wichtig, die Reihe auch nach der Europawahl weiterzuführen. “Wir wären verrückt, wenn wir den Rückenwind, den wir uns jetzt erarbeitet haben, nach der Europawahl nicht mehr nutzen würden.”
Tabesch, der SPD-Mitglied ist, sieht darin einen wichtigen Teil der Demokratiebildung. Aus seiner Sicht kommt die in Schulen zu kurz, insbesondere jenseits der Gymnasien. Daher fokussiert die Initiative ihr Engagement vor allem auf nicht-gymnasiale Schulen. Und dass die Initiative gerade im Ruhrgebiet aktiv ist, liegt auch nicht nur daran, dass Tabesch selbst in Bochum zu Hause ist. “Das Ruhrgebiet ist wahrscheinlich der vielfältigste Ort in Europa, an dem die meisten Sprachen gesprochen werden – der Ruhrpott ist Europa in a nutshell“, sagt er.
Und vor allem sei Europa viel mehr als das EU-Parlament in Brüssel. Auch das ist für Tabesch eine wichtige Botschaft. Die hat viel mit seinem eigenen Leben zu tun. Seine Eltern waren Anfang der 1990er-Jahre aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Mit ihnen kamen auch viele Verwandte und Freunde nach Deutschland und in viele andere Länder Europas. Tabesch hat sie in den Schulferien oft besucht. In den Niederlanden, in Schweden, Frankreich oder Österreich – überall waren Freunde und Familie. So wurde Europa für ihn zur Heimat.
Diesen Gedanken will er nun an Jugendliche weitergeben: “Ihr seid Teil dieses vielfältigen Europas und könnt es mitgestalten.” Annette Kuhn
die Sommerpause lässt auch in Brüssel grüßen. Ein guter Zeitpunkt also, sich etwas ausgeruhter mit blauem Wasserstoff zu befassen. Dieser soll bei der klimafreundlichen Umstellung der EU-Industrie auf Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Unser Energieexperte Manuel Berkel erklärt, was es damit auf sich hat und fasst die wichtigsten Stellschrauben und Hürden für den Einsatz des kohlenstoffarmen Brennstoffs zusammen. Denn Stand jetzt drohen Abhängigkeiten.
Können russische und belarussische Spione via Ungarn ohne viel Aufhebens in die EU gelangen? Diese Sorge treibt derzeit die EVP um. Einige Spitzenköpfe der Christdemokraten haben sich deswegen in einem Brief an den EU-Ratspräsidenten Charles Michel gewandt. Anlass ist Budapests Ausweitung von Gastarbeiter-Sonderregeln auf russische und belarussische Staatsbürger. Diese können so – nur mit Verweis auf einen Job und eine Krankenversicherung – nach Ungarn und damit in die EU einreisen. Wie die Kommission darauf reagiert, lesen Sie in unseren News.
Außerdem stellen wir Ihnen heute Milad Tabesch von der Initiative “Ruhrpott für Europa” vor. Gemeinsam mit seinem teils ehrenamtlichen, teils hauptamtlichen Team macht er Stopp an Schulen, um den Schülerinnen und Schülern die EU näherzubringen. Dabei zielt das Projekt vor allem auf eine Zielgruppe abseits der Gymnasien.
Für die Umstellung der Industrie auf Wasserstoff soll ein Großteil zunächst aus der Reformierung von Erdgas mit anschließender CO₂-Abscheidung (CCS) stammen – also aus blauem Wasserstoff. Zur genauen Definition von kohlenstoffarmem Wasserstoff arbeitet die EU-Kommission derzeit an einem delegierten Rechtsakt. Welche Stellschrauben dabei aus Sicht des Klimaschutzes entscheidend sind, beleuchtet der Bericht “Low-carbon hydrogen in the EU” von Agora Industrie und Agora Energiewende. Die Ergebnisse in vier Thesen zusammengefasst:
Als Gegensatz zu grünem Wasserstoff wird häufig nur von blauem Wasserstoff gesprochen. Die EU-Gasmarktrichtlinie reguliert jedoch kohlenstoffarme Brennstoffe (Low-Carbon-Fuels) und die umfassen laut Agora mehr als blauen Wasserstoff und seine Derivate:
Entscheidend für die Bezeichnung “kohlenstoffarm” ist laut Gasmarktrichtlinie eine 70-prozentige CO₂-Reduzierung gegenüber einem Vergleichswert für fossile Brennstoffe. Der Grenzwert für “low-carbon” liegt demnach bei 3,38 kg CO2Äq/kg H2 oder 28,2 g CO2Äq/MJ H2. Betrachtet wird dafür die Treibhausgaswirkung über 100 Jahre (GWP100).
Welche Länder blauen Wasserstoff in die Europäische Union liefern können, hängt vor allem davon ab, ob sie den EU-Grenzwert für Treibhausgasemissionen einhalten können. “Die wichtigsten europäischen Lieferanten fossiler Gase – mit Ausnahme Norwegens – sind derzeit weit davon entfernt, die Methan- und CO₂-Emissionen so weit zu senken, dass das nach Europa gelieferte fossile Gas für die Herstellung von kohlenstoffarmem Wasserstoff verwendet werden kann”, schreibt Agora.
Die derzeitige Politik für blauen Wasserstoff bedeute ein “erhebliches Risiko für Europas künftige Energiesicherheit“. Algerien und die USA zum Beispiel könnten aktuell keinen kohlenstoffarmen Wasserstoff liefern, der weniger als 3,38 kg CO2Äq/kg H2 verursacht.
Für Agora ist das allerdings kein Grund, den Grenzwert aufzuweichen. Der Thinktank will ihn bis 2050 sogar auf 1 kg CO2Äq verschärfen, um die Entwicklung saubererer Technologien anzustoßen. In den USA seien zwei Anlagen für autotherme Reformierung (ATR) von Erdgas in Planung, die mehr als 95 Prozent statt wie heute üblich nur 60 Prozent des CO₂ abscheiden. Mit neuen Capture-Technologien könnten einige Länder bereits 2030 den EU-Grenzwert einhalten – allerdings zu höheren Kosten.
Der Engpass für kohlenstoffarmen Wasserstoff aus Erdgas werden laut Agora Leitungen und Speicher für CO₂. Viele Projekte befänden sich noch in einem frühen Stadium und die Planungsverfahren für CO₂-Infrastruktur seien noch unterentwickelt. “Dies deutet darauf hin, dass auf fossilen Rohstoffen basierende Produktionsverfahren für Wasserstoff nicht in der Lage sein werden, die unmittelbare Lücke zu schließen, die durch die langsamer als erwartet verlaufende Verbreitung von erneuerbarem Wasserstoff entsteht”, heißt es im Bericht.
Stattdessen solle die EU Investitionen stärker in die Elektrolyse lenken. “Bis Mitte der 2030er-Jahre sollen Elektrolyseure im Dauerbetrieb fast überall in Europa entweder erneuerbaren oder kohlenstoffarmen Wasserstoff produzieren”, beschreibt der Bericht Wünsche von Investoren, die ihre Anlagen nicht nur in jenen Stunden laufen lassen wollen, in denen viel Wind- und Solarstrom im Netz ist.
Weil aber in den nächsten Jahren viele Länder einen Großteil ihres Stroms noch aus Kohle und Erdgas erzeugen werden, will Agora strenge Anforderungen für die Elektrizität einführen, die für elektrolysebasierten, kohlenstoffarmen Wasserstoff verwendet werden darf. In ihrem delegierten Rechtsakt solle die EU-Kommission deshalb allein auf die CO₂-Emissionen des preissetzenden Kraftwerks abstellen und nicht etwa auf Jahresdurchschnittswerte. Zur Folge hätte dies nach den Hoffnungen von Agora, dass noch mehr in erneuerbare Energien investiert würde.
Wasserstoff aus Biogas oder Biomethan ist laut Agora zwar nicht wettbewerbsfähig. In bestimmten Fällen könne es für Produzenten aber dennoch attraktiv sein, ihn mit anderen kohlenstoffarmen Brennstoffen zu mischen. Der Industrie würde es eine weitere Option eröffnen, überhaupt ausreichende Mengen von kohlenstoffarmem Wasserstoff zu produzieren.
Der Thinktank spricht allerdings von “perversen Anreizen“, falls die EU das Blending unterschiedlicher Brennstoffe ermöglichen sollte: “Dadurch würden die immer knapper werdenden Bioenergieressourcen von weniger subventionierten, hochwertigen Verwendungszwecken (z.B. als Rohstoff in industriellen Wertschöpfungsketten) weggelenkt, was dem Netto-Null-Pfad der EU zuwiderlaufen würde.”
Für die Produktion von Low-Carbon-Fuels solle deshalb nur Biogas aus Abfall- und Reststoffen zugelassen werden. Außerdem müssten Leckagen für Biogas und Biomethan noch reguliert werden.
Ungarische Sonderregeln für Gastarbeiter aus Russland und Belarus sorgen für Empörung in der EVP. Angesichts des geopolitischen Kontexts der EU-Beziehungen zu Russland und Belarus sei ein solcher Mechanismus höchst fragwürdig und werfe sehr ernste Sicherheitsbedenken auf, schrieben Spitzenvertreter der europäischen Christdemokraten an EU-Ratspräsident Charles Michel, darunter Manfred Weber.
Das Vorgehen könne ernsthafte Schlupflöcher für Spionageaktivitäten schaffen und einer großen Anzahl von Russen ermöglichen, mit minimaler Überwachung nach Ungarn und in den grenzkontrollfreien Schengen-Raum einzureisen. Konkret fordern die Spitzenvertreter der EVP den EU-Ratschef dazu auf, die Situation zu prüfen und beim nächsten EU-Gipfel diskutieren zu lassen.
Ziel müsse es sein, strenge Maßnahmen zu ergreifen, um die Integrität des Schengen-Raums zu schützen, das bereits entstandene Sicherheitsrisiko zu begrenzen und zu verhindern, dass andere Mitgliedstaaten in Zukunft ähnliche Initiativen ergreifen, heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
In Ungarn gibt es bereits seit Längerem Sonderregeln für Gastarbeiter. Sie galten bisher allerdings nur für Ukrainer und Serben und wurden erst diesen Monat auch auf Personen aus Russland und dessen Partnerland Belarus ausgeweitet. Der Regelung zufolge können Gastarbeiter für zwei Jahre kommen und danach ihren Aufenthalt jeweils für drei Jahre verlängern lassen, sooft sie wollen. Sie dürfen arbeiten, in welchem Beruf sie wollen. Um von der Regelung profitieren zu können, müssen sie allerdings beweisen, dass sie in Ungarn Job, Unterkunft und Krankenversicherung haben.
Die EU-Kommission kündigte an, den Kontakt mit den ungarischen Behörden suchen zu wollen, um weitere Informationen zu der Sonderregelung zu bekommen. Russland gelte als Sicherheitsbedrohung für die EU, sagte eine Sprecherin in Brüssel.
Sie betonte, dass Ungarn verpflichtet sei, stets zu überprüfen, ob Einreisende aus Drittstaaten alle Bedingungen gemäß Artikel 6 des Schengener Grenzkodex erfüllten. Dies umfasse nicht nur den Besitz eines Visums oder einer gültigen Aufenthaltserlaubnis, sondern auch die Bedingung, dass die Person nicht von anderen Staaten im Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein dürfe. dpa
Die EU-Kommission startet einen zweigleisigen Prozess zur Entwicklung des ersten Verhaltenskodex für allgemeine Künstliche Intelligenz. Das European AI Office ruft zur Interessenbekundung für die Mitarbeit an diesem Kodex auf und führt parallel eine umfassende Konsultation zu vertrauenswürdigen Allzweck-KI-Modellen (general-purpose AI, GPAI) durch.
Der Verhaltenskodex soll sicherstellen, dass Anbieter von Allzweck-KI-Modellen den Anforderungen der neuen KI-Verordnung (AI Act) entsprechen. Der AI Act tritt am 1. August 2024 in Kraft. Er reguliert die Nutzung und Entwicklung von KI, um Sicherheit, Transparenz und Urheberrechtsschutz zu gewährleisten. Anbieter müssen technische Dokumentationen aktualisieren, Informationen bereitstellen und Urheberrechtsrichtlinien einhalten.
Interessierte Parteien, darunter KI-Modellanbieter, Industrieorganisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen, können bis zum 25. August 2024 ihr Interesse an der Mitarbeit am Verhaltenskodex bekunden. Diese Ausarbeitung erfolgt in vier Arbeitsgruppen, die sich auf Transparenz, Risikobewertung, Risikominderung und internes Risikomanagement konzentrieren. Ein Plenum wird den Prozess leiten und die Entwürfe der Arbeitsgruppen koordinieren.
Parallel dazu läuft eine Konsultation, die Beiträge von Interessengruppen zu vertrauenswürdigen KI-Modellen sammelt. Diese Konsultation ist bis zum 10. September 2024 geöffnet. Sie zielt darauf ab, diverse Perspektiven in den Verhaltenskodex einzubeziehen. Die Konsultationsergebnisse fließen direkt in den Entwurfsprozess der Arbeitsgruppen ein. Beiträge können online eingereicht werden und sollten gezielte Fragen zu Transparenz, Urheberrecht und Risikomanagement beantworten.
Der Verhaltenskodex wird in einem iterativen Prozess entwickelt und soll bis April 2025 fertiggestellt sein. Die EU-Kommission wird den Kodex bewerten und gegebenenfalls genehmigen. Andernfalls wird sie Regeln zur Umsetzung der Verpflichtungen erlassen. Dieser zweigleisige Ansatz soll sicherstellen, dass der Verhaltenskodex umfassend und praxisnah gestaltet wird. vis
Die Europäischen Zentren für digitale Innovation (European Digital Innovation Hubs, EDIHs) haben ein Tool zur Bewertung der digitalen Reife veröffentlicht. Dieses Werkzeug soll kleinen und mittleren Unternehmen dabei helfen, ihre Stärken und Schwächen bei der digitalen Transformation ihres Geschäfts zu erkennen. Das Tool steht nach Angaben der Kommission allen Unternehmen offen und ist kostenlos in 32 Sprachen erhältlich.
Unternehmen können das Open DMAT – Digital Maturity Assessment Tool nutzen, um ihre digitale Reife anhand von sechs Schlüsselkriterien zu bewerten:
Mithilfe dieser Informationen könnten KMU ihr digitales Wachstum effizienter planen und Beratung von ihrem lokalen EDIH erhalten, teilte die Kommission mit. Darüber hinaus könnten andere Akteure das Tool zur Bewertung der digitalen Reife nutzen, um KMU bei der Digitalisierung und der Nutzung von künstlicher Intelligenz zu unterstützen.
Das Open DMAT soll nach Auffassung der Kommission dazu beitragen, das Ziel der Digitalen Dekade zu erreichen, wonach 75 Prozent der europäischen Unternehmen KI, Cloud und/oder Big Data nutzen sollen. Das Netzwerk der EDIH werde zusammen mit dem European AI Office eine zentrale Anlaufstelle für KMU und öffentliche Dienste sein, die Lösungen für KI und digitale Transformation suchen. vis
Die durchschnittlichen Kosten für eine Datenverletzung sind nach Angaben von IBM im Jahr 2024 auf 4,88 Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) gestiegen. Das zeigt der Cost of Data Breach Report des Unternehmens. Demnach bedeutet dies einen Anstieg von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es ist der größte jährliche Anstieg seit der Pandemie. Diese Kostensteigerung sei vor allem auf entgangene Geschäfte und erhöhte Reaktionskosten nach einer Verletzung zurückzuführen, heißt es in dem Report.
Der jährliche IBM-Bericht zu den Kosten von Datenverletzungen, basierend auf Daten von 604 Unternehmen aus 16 Ländern und Regionen, untersucht die Auswirkungen von Datenverletzungen auf Unternehmen. Der Bericht zeigt, dass 70 Prozent der betroffenen Unternehmen erhebliche Störungen erlebten, wobei die Wiederherstellung oft mehr als 100 Tage dauerte.
Zu den wichtigsten Erkenntnissen des IBM-Reports gehört, dass Unternehmen, die auf Künstliche Intelligenz und Automatisierung zur Prävention setzen, ihre Kosten um durchschnittlich 2,2 Millionen Dollar senken konnten. Der Einsatz von Sicherheits-KI beschleunigte zudem die Erkennung und Eindämmung von Vorfällen um durchschnittlich 98 Tage. Dennoch kämpfen viele Unternehmen mit erheblichen Personalmängeln im Sicherheitsbereich, was die Verletzungskosten um durchschnittlich 1,76 Millionen Dollar erhöhte.
Auffallend ist, dass der Diebstahl von geistigem Eigentum nach Angaben von IBM stark (um 27 Prozent) zugenommen hat. Die Kosten pro gestohlenem Datensatz stiegen auf 173 Dollar. Fast die Hälfte der Datenverletzungen betrafen Kundeninformationen, was das hohe Risiko für betroffene Unternehmen verdeutlicht.
In Europa weist Deutschland die höchsten durchschnittlichen Kosten für Datenverletzungen auf, die 2024 bei 4,9 Millionen Euro liegen. Das sei ein Anstieg von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr, heißt es im Report. Italien verzeichnete demnach den größten Anstieg bei der Anzahl verletzter Datensätze und den damit verbundenen Kosten. Im Vergleich dazu hat Frankreich mit 29.500 die geringste Anzahl verletzter Datensätze, während das Vereinigte Königreich mit 30.100 die höchste Anzahl aufweist. vis
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat das Todesurteil gegen einen Deutschen aufgehoben. Das teilte das Präsidialamt in Minsk mit, wie die Staatsagentur Belta berichtete. Der deutsche Staatsbürger habe zuvor ein Gnadengesuch an die Adresse des Präsidenten geschickt, verlautete es aus dem belarussischen Geheimdienst KGB.
Der 29 Jahre alte Deutsche war unter anderem wegen angeblichen Söldnertums und Terrorismus im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes SBU im Juni zum Tode verurteilt worden. Belarus vollstreckt als letztes Land in Europa die international umstrittene Todesstrafe, und zwar per Genickschuss. Das belarussische Staatsfernsehen hatte den Deutschen, einen Rettungssanitäter, zuletzt in einem Video vorgeführt, in dem dieser sich schuldig bekennt und um Gnade bittet.
Das Auswärtige Amt in Berlin hatte die Todesstrafe verurteilt und mitgeteilt, dass der deutsche Staatsbürger konsularisch betreut werde. Der Umgang mit dem Mann sei “unerträglich”. Zu Angaben des belarussischen Außenministeriums, nach denen Minsk einen Verhandlungsvorschlag für die Lösung des Falls gemacht habe, äußerte sich Berlin aber nicht.
In der belarussischen Opposition wird vermutet, dass Lukaschenko einen hohen Preis für eine Begnadigung verlangt. Lukaschenko könnte etwa im Auftrag von Kremlchef Wladimir Putin, von dem er politisch und wirtschaftlich abhängig ist, die Freilassung eines in Berlin wegen Mordes im Berliner Tiergarten verurteilten Russen verlangen. dpa
Es war irgendwann im Herbst 2022. Da sagte sich Milad Tabesch: “Jetzt müssen wir was machen!” Der 27-Jährige aus Bochum machte damals in New York seinen Master, verfolgte die politischen Entwicklungen in Deutschland aber sehr genau. “Es war krass zu sehen, welchen Zulauf die AfD bekam, wie Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit stärker wurden.” Auch bei jungen Menschen, die im Sommer erstmals ihre Stimme abgeben konnten.
Zur Europawahl 2024 durften erstmals bundesweit 16-Jährige teilnehmen. Insgesamt rund 1,4 Millionen Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren, erklärte die Bundeswahlleiterin. Da wollte der Student für Europäische Studien nicht wegschauen.
Zurück in Deutschland suchte er Anfang 2023 Förderpartner, um die Initiative “Ruhrpott für Europa” zu gründen – mit dem Ziel, Jugendliche zu motivieren, zur Wahl zu gehen und sich mit Europa zu beschäftigen. “Mein Plan war, mir nach dem Studium einen Job zu suchen, mit geregelter Arbeitszeit, einem guten Gehalt, und mich daneben für die Initiative zu engagieren.”
Im Frühjahr 2023 erhielt er die Förderzusage von JoinPolitics, einem Start-up, das politische Talente fördert, “die mit Mut und Leidenschaft Lösungen für die großen Fragen unserer Zeit entwickeln”, wie es auf der Website heißt.
“Zunächst wollten wir herausfinden, was die junge Generation im Ruhrgebiet mit Europa verbindet, welche Hoffnungen sie mit Blick auf die Europawahl haben, was sie kritisieren, wie sie eine europäische Zukunft sehen”, erklärt Tabesch. Sein Team aus vier Angestellten und mehreren Ehrenamtlern hat dafür mehr als 20 Schulen besucht und die Forderungen und Wünsche der Schülerinnen und Schüler gesammelt. Zugang haben sie leicht gefunden, weil viele bei der Initiative kaum älter sind als die Schülerinnen und Schüler, viele haben wie sie Migrationshintergrund. Auch nach der Europawahl gehen die Seminare in Bochum weiter.
Als ein Ergebnis der Gespräche mit den Jugendlichen entstand Anfang des Jahres bereits die “Junge Ruhrpott Agenda für Europa”, die die Initiative im Januar 2024 in der Bochumer Jahrhunderthalle der Öffentlichkeit vorstellte. Gekommen war an diesem Tag auch Prominenz aus Brüssel: Katarina Barley und andere Mitglieder des Europäischen Parlaments. Für die Schüler war es ein großer Moment, als die Vizepräsidentin ihre Wünsche vorlas.
Vielleicht zum ersten Mal haben sich die Jugendlichen hier gehört gefühlt. Tabesch hat es wie eine Brücke erlebt, die hier von der jungen Generation einer vermeintlich abgehängten Generation zu Europa geschlagen wurde. Und auch die Initiative Ruhrpott für Europa sieht sich entsprechend als Brückenbauer. “Wir verstehen uns als diverse, diskriminierungssensible europäische Initiative“, sagt er.
Die Veröffentlichung der Agenda hat der Initiative viel Aufmerksamkeit gebracht. Danach gaben Tabesch und sein Team mit Unterstützung der Bertelsmann Stiftung, der Landeszentrale für politische Bildung NRW und der Stadtwerke Bochum Europa-Workshops in Schulen, in denen sie über die Europawahl aufklärten und mit Jugendlichen zu Europa ins Gespräch kommen.
Sie haben auch eine Gesprächsreihe ins Leben gerufen – “Auf einen Çay zu Europa” -, bei der sie sich symbolisch zu einem Tee in Cafés oder an anderen Orten im Ruhrgebiet in einer Runde mit 20, 30 Gästen die Themen der Agenda vertiefen und darüber diskutieren. Zu Gast war etwa der Rassismusforscher Karim Fereidooni. Es ist Tabesch wichtig, die Reihe auch nach der Europawahl weiterzuführen. “Wir wären verrückt, wenn wir den Rückenwind, den wir uns jetzt erarbeitet haben, nach der Europawahl nicht mehr nutzen würden.”
Tabesch, der SPD-Mitglied ist, sieht darin einen wichtigen Teil der Demokratiebildung. Aus seiner Sicht kommt die in Schulen zu kurz, insbesondere jenseits der Gymnasien. Daher fokussiert die Initiative ihr Engagement vor allem auf nicht-gymnasiale Schulen. Und dass die Initiative gerade im Ruhrgebiet aktiv ist, liegt auch nicht nur daran, dass Tabesch selbst in Bochum zu Hause ist. “Das Ruhrgebiet ist wahrscheinlich der vielfältigste Ort in Europa, an dem die meisten Sprachen gesprochen werden – der Ruhrpott ist Europa in a nutshell“, sagt er.
Und vor allem sei Europa viel mehr als das EU-Parlament in Brüssel. Auch das ist für Tabesch eine wichtige Botschaft. Die hat viel mit seinem eigenen Leben zu tun. Seine Eltern waren Anfang der 1990er-Jahre aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Mit ihnen kamen auch viele Verwandte und Freunde nach Deutschland und in viele andere Länder Europas. Tabesch hat sie in den Schulferien oft besucht. In den Niederlanden, in Schweden, Frankreich oder Österreich – überall waren Freunde und Familie. So wurde Europa für ihn zur Heimat.
Diesen Gedanken will er nun an Jugendliche weitergeben: “Ihr seid Teil dieses vielfältigen Europas und könnt es mitgestalten.” Annette Kuhn