Table.Briefing: Europe

Vestager im Interview + Wasserstoff-Ziele + Einigung zum Haushalt

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn sich Annalena Baerbock und ihre europäischen Amtskollegen heute in Brüssel treffen, dann finden sie sich in einer völlig anderen Welt wieder als beim letzten Außenrat. Diesmal ist die EU zwar besser vorbereitet als bei Trumps erster Amtszeit. Die Ukraine-Politik wurde, zumindest finanziell, einigermaßen “Trump-fest” gemacht. Auch auf mögliche Strafzölle hat sich Brüssel vorbereitet. Dennoch kommen auf die Außenpolitik neue Herausforderungen zu.

Über vier Kernfragen müsse der Rat sprechen, sagt ein EU-Diplomat: Werden die USA ihre Unterstützung für die Ukraine einstellen? Dann müsste Europa nolens volens noch mehr tun. Dabei sind die Kassen schon jetzt leer, und der Konsens bröckelt. Stellt Trump die Zusammenarbeit in der Nato infrage? Das hätte ernste Auswirkungen auf die europäische Sicherheit.

Kommen Strafzölle? Das würde die wirtschaftliche Erholung in Europa gefährden, die nach der jüngsten Herbstprognose der EU-Kommission ohnehin schon mickrig ausfällt. Und was wird aus der China-Politik? Wenn die USA die Daumenschrauben in Peking noch mehr anziehen, würde dies auch Deutschland und die EU treffen. Auch die Nahostpolitik und die multilaterale Ordnung werden durch Trump herausgefordert, wie ein hoher EU-Beamter sagt.

Es wäre jedoch vermessen, jetzt schon Antworten zu erwarten. Die Außenminister wollen die neue Weltlage beim Mittagessen besprechen – in informeller Runde. Beschlüsse sind nur beim Thema Iran geplant. Die EU wird neue Sanktionen verhängen, was jedoch als Routine gilt.

Und dann sind da noch die Berichte, wonach in China Drohnen für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine produziert werden. Sie sorgen in Brüssel für helle Aufregung. Allerdings sind die Geheimdienst-Erkenntnisse noch nicht so belastbar, um darauf reagieren zu können. Sie bestätigen nur einmal mehr, wie volatil und unsicher die Lage geworden ist – schon vor Trumps Amtsantritt.

Ihr
Eric Bonse
Bild von Eric  Bonse

Analyse

Vestager: Konzentration führt zu mehr Ungleichheit

Margrethe Vestager, Executive Vice-President of the European Commission in charge of Europe fit for the Digital Age, and Commissioner for Competition
Margrethe Vestager hat als Kommissarin ein Jahrzehnt lang die Wettbewerbspolitik der EU geprägt.

Frau Vestager, Sie haben ein Jahrzehnt lang die Wettbewerbskontrolle in der EU-Kommission verantwortet. Wie hat sich Ihre Arbeit verändert angesichts des rapiden technologischen Wandels in diesen Jahren?

Wenn ich zurückschaue, erscheint mir die Technologie von vor zehn Jahren geradezu primitiv. Heute hat die Technologie alles durchdrungen, bis hin zur Landwirtschaft. Der erste Sektor außerhalb der Tech-Branche, der sich selbst digitalisiert hat, war wahrscheinlich Pornographie. Technologie ist jetzt überall. Gleichzeitig ist die breite Bevölkerung skeptischer geworden, die Menschen sehen Technologie nuancierter. Unsere Arbeit haben wir natürlich angepasst.

Wie genau?

Wir haben sie digitalisiert. Mit forensischer IT können wir heute gelöschte Dokumente wiederherstellen. Bei den unangemeldeten Inspektionen können wir Millionen an Dokumenten mitnehmen und digital durchsuchen. Paradoxerweise sehen wir auf der einen Seite sehr dynamische Märkte und gleichzeitig sehr stabile Marktmacht von großen Playern. Wenn wir nachweisen wollen, dass ein Unternehmen seine Marktmacht missbraucht, dann gehen wir immer noch nach denselben Maßstäben vor.

Hatten Sie denn das Gefühl, Tech-Unternehmen Einhalt gebieten zu können angesichts der dramatischen Veränderungen?

Es braucht eine Gemeinschaft, um sicherzustellen, dass Regeln eingehalten werden. Also nicht nur wir hier, sondern Behörden in Mitgliedsstaaten, Wettbewerber, Gerichte. Jeder hat seine spezifische Rolle und trägt dazu bei, dass Regeln eingehalten werden.

Sie haben in der auslaufenden Legislaturperiode den Digital Services Act (DSA) und den Digital Markets Act (DMA) auf den Weg gebracht, um die Tech-Branche einzuhegen. Erwarten Sie davon einen großen Fortschritt?

Gesetze zu verabschieden ist schwierig genug. Aber sie durchzusetzen ist 100 bis 1000 Mal schwieriger, weil man dann tatsächlich das Verhalten von Unternehmen verändern muss. Wenn es darum geht, Regeln auch tatsächlich durchzusetzen, stehen wir vor einer Herausforderung. Wir können für unsere DSA- und DMA-Teams wirklich schlaue Leute mit Erfahrung anheuern. Aber das Problem sind die Mittel, um ausreichend viele Leute einzustellen.

Ist die Umsetzung von DSA und DMA in Gefahr?

Da stehen uns durchaus Mittel zur Verfügung. Aber es müssen Prioritäten gesetzt werden. Generell gilt, je mehr Mittel zur Verfügung stehen, desto mehr kann man bei der Durchsetzung erreichen. Ich weiß, dass sich das trivial anhört. Aber wenn man mich nach Problemen fragt, dann sehe ich sie nicht bei den Gesetzen, sondern bei der Durchsetzung der Gesetze. Die muss konsequent finanziert werden.

In den USA droht ein ganz anderes Problem. Der künftige Präsident Donald Trump hat den Tech-Unternehmer Elon Musk als Entbürokratisierer angeheuert. Der könnte sich schon bald seine eigenen Regeln basteln, um Geschäftsinteressen durchzudrücken. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich möchte Trump und Musk nicht kommentieren. Es steht mir nicht zu, über künftige Entscheidungen in den USA zu spekulieren. Aber die Haltung zu Big Tech hat sich in den USA verändert. Als ich vor zehn Jahren ins Amt kam, galt Technologie als das Tollste seit geschnittenem Brot. Das hat sich sehr gewandelt. Viele Leute in den USA treibt etwa die Sorge um Kinderpornographie im Netz um.

In Europa könnte sich die Kartellpolitik bald ändern. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der deutsche Oppositionsführer Friedrich Merz würden Kartellregeln gerne weniger strikt durchsetzen und in den Dienst von Industriepolitik stellen. Erwarten Sie eine Neuausrichtung in der künftigen EU-Kommission?

Ich frage mich, ob “neu” in diesem Fall wirklich heißt, dass alles auf den Kopf gestellt wird. Über die Jahre haben wir unsere Praxis schon verändert. Wir sehen uns jetzt an, wie sich Fusionen auf Innovationen auswirken. Als der Gedanke vor Jahren erstmals auftauchte, haben manche Leute mit dem Kopf geschüttelt. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass in den vergangenen 25 Jahren in allen Sektoren in Europa die Konzentration zugenommen hat. Unsere Untersuchung hat überall erhöhte Gewinne und Preisaufschläge festgestellt. Das führt zu mehr Ungleichheit. Das sollte uns in Europa Sorge bereiten, denn manche Leute haben das Gefühl, dass ihr Realeinkommen stagniert. Deswegen hat Präsidentin von der Leyen auch gesagt, dass die Marktkonzentration nicht zunehmen soll.

Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat in seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit mehr europäische Champions gefordert. Eine gute Idee?

Wir haben jedes Jahr europäische Champions zugelassen. Der weltgrößte Bierbrauer ist das Ergebnis einer Fusion, das weltgrößte Milchunternehmen genauso. Die Frage ist nicht die Größe, sondern ob ein Unternehmen in Europa noch dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt uns, dass Unternehmen wettbewerbsfähig sind, wenn Konkurrenz sie die ganze Zeit antreibt. Wir haben uns nach sechs Jahren den Fall Siemens Alstom wieder angesehen, das ist ja das Paradebeispiel in der Diskussion um die Fusionskontrolle in Europa. Heute sehen wir, dass bei beiden Unternehmen die Auftragsbücher voll sind mit Ordern aus der ganzen Welt. Die chinesische Konkurrenz ist in China stark, auf dem europäischen Markt aber nicht vertreten – anders als befürchtet. Wir führen hier die falsche Debatte.

Inwiefern?

Wettbewerbsfähigkeit hängt von vielen Faktoren ab: qualifizierten Mitarbeitern, Innovation, Steuersystemen, funktionierenden Kapitalmärkten, dem Binnenmarkt. All das verlangt harte Arbeit. Ich mache mir Sorgen, dass deswegen die Fusionskontrolle als Allheilmittel angesehen wird. Aber wir müssen wirklich die harte Arbeit erledigen.

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Wasserstoff: Managerin Sury für Post-2030-Ziele

Sopna Sury ist COO Hydrogen bei RWE Generation und Aufsichtsratsvorsitzende von Hydrogen Europe.

Die Auktionen der Europäischen Wasserstoffbank sollten nach Ansicht des Energiekonzerns RWE auch in den nächsten Jahren weitergeführt werden. “Fast noch wichtiger als das genaue Budget ist Planungssicherheit über 2025 hinaus”, sagte Sopna Sury, Chief Operating Officer Hydrogen der Kraftwerkssparte RWE Generation im Interview mit Table.Briefings. Die Ökonomin ist auch Aufsichtsratsvorsitzende des Verbands Hydrogen Europe.

Am 3. Dezember soll die zweite Auktionsrunde der European Hydrogen Bank beginnen. Mit der Zeit werde der Förderbedarf sinken, da durch Skaleneffekte die Kosten pro Tonne Wasserstoff abnähmen, so Sury.

Eigene Ziele für Wasserstoff seien auch nach 2030 wichtig, sagte die Managerin. Derzeit steht in der EU die Setzung eines Klimaziels für 2040 an. Frankreich und andere Staaten wollen aber erreichen, dass weniger energiepolitische Ziele gesetzt werden, vor allem für erneuerbare Energien in bestimmten Sektoren und für erneuerbaren Wasserstoff. “Wenn industrielle Nachfrager wissen, in welchem regulatorischen Rahmen sie sich bewegen, können sie ihre Produktionsprozesse und ihre Einkaufsstrategie daran ausrichten”, sagte Sury.

Langfristig nur grüner Wasserstoff nachhaltig

Für die nächsten Jahre sei es sinnvoll, beim Wasserstoff farbenneutral zu agieren, um die Wasserstoffinfrastruktur auszulasten. Da die EU bis 2050 klimaneutral werden wolle, sei aber klar, dass langfristig nur grüner Wasserstoff die einzig nachhaltige Molekülform sei.

Um die angestrebten Mengen an Wasserstoff und die Klimaziele zu erreichen, sprach sich Sury für Lockerungen bei den Delegierten Rechtsakten für grünen und kohlenstoffarmen Wasserstoff aus. Beim Rechtsakt für kohlenstoffarmen Wasserstoff geht es um die Vorschriften für den Einsatz von Strom für Hilfsprozesse wie Verflüssigung, Transport oder Cracking.

“Es stellt sich die Frage, ob der Strom die gleichen Kriterien erfüllen müsse wie bei der Herstellung von grünem Wasserstoff“, sagte Sury. Besser sei es, bei der Berechnung projektspezifische Strom-CO2-Werte zuzulassen, wie sie sich durch eine Kombination aus Netz-Strom und langfristigen Direktlieferverträgen (PPAs) erreichen ließen. Das würde gemäß ihrer Darstellung die Flexibilität für Produzenten erhöhen, die Produktionskosten senken und in Folge die Erzeugung kohlenstoffarmer Brennstoffe in der EU und den entsprechenden Import steigern.

RFNBO-Rechtsakt schon 2026 überarbeiten

Beim Rechtsakt für grünen Wasserstoff unterstützt Sury Änderungen, wie sie kürzlich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gefordert hatte. Eine Revision des Rechtsakts erst 2028 hält Sury für zu spät, anzustreben sei stattdessen 2026. Eine Möglichkeit für mehr Flexibilität sei eine Verlängerung des Grand Fathering bis zur Mitte der 2030er-Jahre, sodass Strom aus schon bestehenden Erneuerbare-Energien-Anlagen länger zur Wasserstoffherstellung eingesetzt werden könne.

Sury sagt: “Gleiches gilt auch bei dem Thema zeitliche Korrelation. In dem Moment, wo ich von der monatlichen auf die stündliche Korrelation von Erneuerbaren- und Wasserstoffproduktion gehe, ist das ein sehr, sehr eklatanter Kostentreiber.”

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News

EU-Haushalt 2025: Mitgliedstaaten geben nach

Der EU-Haushalt für das kommende Jahr steht. Knapp 200 Milliarden Euro können 2025 verplant werden. Darauf einigten sich Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten in der Nacht von Freitag auf Samstag, wie beide mitteilten. Nach Parlamentsangaben stehen mehr als 230 Millionen Euro zusätzlich für Prioritäten wie Gesundheitsforschung, humanitäre Hilfe und Grenzschutz zur Verfügung.

Die Einigung muss noch offiziell von den EU-Staaten und dem Europaparlament bestätigt werden. Im vergangenen Jahr hatten sich die Länder und das Parlament auf 189,4 Milliarden Euro für den Haushalt 2024 geeinigt. Für 2025 hatte die EU-Kommission im Juni einen Haushalt von 199,7 Milliarden Euro vorgeschlagen. Die EU-Länder wollten 191,53 Milliarden Euro einplanen.

Der Haushalt sieht laut Parlament auch mehr Geld für das EU-Katastrophenschutzverfahren vor, als ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde. Damit wird etwa auf Naturkatastrophen reagiert. Zudem sei geplant, dass die Mitgliedstaaten künftig bis zu zehn Prozent der milliardenschweren EU-Kohäsionsmittel für die Vorbeugung von und den Wiederaufbau nach solchen Katastrophen verwenden dürfen. dpa

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Herbstprognose: Deutschland Schlusslicht beim Wachstum

Die EU-Kommission blickt etwas skeptischer auf die Wirtschaft im Euroraum und setzt erst 2026 auf eine spürbare Konjunkturerholung. Die Brüsseler Behörde erwartet für die Währungsunion 2024 weiter einen Anstieg beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,8 Prozent, rechnet aber im nächsten Jahr nur noch mit plus 1,3 Prozent. Das geht aus der am Freitag vorgelegten Herbstprognose hervor. Im Mai hatte die Kommission hier noch 1,4 Prozent Wachstum vorhergesagt. 2026 soll es dann mit 1,6 Prozent stärker bergauf gehen.

“Die europäische Wirtschaft erholt sich langsam”, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. “Das Wachstum dürfte sich in den nächsten zwei Jahren allmählich beschleunigen.” Für Schwung sorgten die abflauende Inflation und die niedrige Arbeitslosigkeit sowie das Anziehen von Privatkonsum und Investitionen.

Deutsche Wachstumsschwäche auch 2026

Pessimistischer sieht die Kommission vor allem die Lage in Deutschland. Hier erwartet sie ein Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr um 0,1 Prozent. Für 2025 traut die Brüsseler Behörde Deutschland ein BIP-Plus von 0,7 Prozent zu – aber dies wäre das geringste Wachstum aller Euro-Länder. 2026 soll es dann zu einem Anstieg von 1,3 Prozent reichen. Pessimistischer ist die EU hier nur für Italien mit einem erwarteten Wachstum von 1,2 Prozent.

Gentiloni betonte wie Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis, dass Strukturreformen wichtig seien, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu erhalten. Damit könne man das Potenzialwachstum steigern und zunehmende geopolitische Risiken besser bewältigen. Hierzu gehören auch Handelskonflikte. rtr

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Gasfluss nach Österreich um 15 Prozent reduziert

Der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV erhält wie angekündigt kein Erdgas mehr vom russischen Energiekonzern Gazprom. Die Gaslieferungen an die OMV seien am Samstagmorgen um 6 Uhr eingestellt worden, teilte die österreichische Regulierungsbehörde E-Control mit. Die OMV bestätigte den Lieferstopp. Dennoch fließe weiterhin Gas über die Ukraine nach Europa und Österreich, wenn auch in reduzierten Mengen. “Am Knotenpunkt in Baumgarten kommen aktuell um zwölf bis 15 Prozent reduzierte Mengen an”, sagte Behörden-Chef Alfons Haber.

Die Großhandelspreise seien stabil auf einem hohen Niveau von 47 Euro je Megawattstunde (MWh), sagte Haber. Allerdings waren die Preise bereits am Donnerstag um rund sechs Prozent gestiegen, nachdem OMV erstmals vor der drohenden Lieferunterbrechung gewarnt hatte.

Grund für den Lieferstopp ist ein Streit zwischen Gazprom und OMV über ausgebliebene Gasmengen in Deutschland im September 2022. Ein Schiedsgericht hatte der OMV kürzlich Schadenersatz in der Höhe von 230 Millionen Euro zugesprochen. Die OMV kündigte daraufhin an, die Summe mit laufenden Gaslieferungen von Gazprom zu verrechnen, warnte jedoch gleichzeitig vor möglichen Konsequenzen in Form eines Lieferstopps seitens des russischen Konzerns.

OMV sicherte sich alternative Bezugsquellen

Das Land sei gut auf den Ausfall vorbereitet, sagte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Freitagabend, als noch angenommen wurde, dass die Gasflüsse nach Österreich vollständig eingestellt werden könnten. Die Gasspeicher seien mit einem Jahresbedarf für Österreich gefüllt und die Versorgung sei gesichert. Am Samstag meldete sich auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf X zu Wort: “Wieder einmal benutzt Putin Energie als Waffe. Er versucht Österreich und die EU zu erpressen.” Die EU sei jedoch vorbereitet.

Ende des Jahres läuft ohnehin der Transitvertrag für Lieferungen durch die Ukraine aus. OMV hat sich deshalb alternative Bezugsquellen erschlossen, darunter Lieferungen aus Norwegen, Gas aus eigener Produktion sowie verflüssigtes Erdgas (LNG). Analyst Marcus How von VE Insight hatte Table.Briefings bereits im August gesagt, dass die Gaspreise in Österreich lediglich um zehn bis 20 Prozent steigen würden, falls Gazprom die Lieferungen einstellte. rtr/ber

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Pfizergate: Verhandlung hat begonnen

Der Prozess um SMS zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Chef des Impfstoffherstellers Pfizer geht in die heiße Phase. Vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg startete am Freitag die mündliche Verhandlung zur Klage der “New York Times” über die Herausgabe der Textnachrichten. Zu den milliardenschweren Corona-Impfstoffkäufen der EU ermittelt derzeit auch die Europäische Staatsanwaltschaft.

Konkret geht es um ein Geschäft über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer im Frühjahr 2021. Das Vertragsvolumen wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Wie die “New York Times” berichtete, war der persönliche Kontakt zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla für den Abschluss entscheidend. Dabei sollen sie auch per SMS kommuniziert haben.

Die Zeitung und ihre Korrespondentin Matina Stevis-Gridneff beantragten daraufhin den Zugang zu sämtlichen Textnachrichten, die von der Leyen und der CEO von Pfizer zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 11. Mai 2022 ausgetauscht hatten. Die EU-Kommission verweigerte dies: In ihrem Besitz befänden sich keine solchen Dokumente. Das fechten Stevis-Gridneff und das Medium nun vor dem Gericht der EU an. Mit einem Urteil wird in einigen Monaten gerechnet. dpa

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COP29: EU-Länder bringen 113 fossile Lobbyisten nach Baku

Insgesamt 113 Industrie-Vertreter von fossilen Energien sind auf einem Ticket von EU-Mitgliedsstaaten zur COP29 nach Baku gereist. Vor allem Griechenland, Italien, Schweden und Belgien haben dutzende Lobbyisten eingeladen, die großteils bei Gas-Unternehmen tätig sind, wie eine Analyse von Kick Big Polluters Out zeigt. Deutschland brachte keine fossilen Lobbyisten auf seinem Ticket mit, auch die EU-Kommission reagierte auf die Kritik am Interessenkonflikt nach der vergangenen COP28 in Dubai.

Demnach sind 24 der Lobbyisten auf Einladung der griechischen Delegation in Baku, 22 auf Einladung von Italien, 17 von Schweden und 13 von Belgien. Diese Staaten seien zugleich die größten Abnehmer von Gas aus Aserbaidschan, dem Gastgeber der COP29; dieser finanziert seinen Staatshaushalt zur Hälfte aus fossilen Energien. “Die europäischen Staaten nutzen die COP29, um Gasdeals auszuverhandeln”, kritisiert Nathan Stewart, Koordinator von Fossil Free Politics. So unterzeichneten etwa am zweiten Tag der COP29 italienische Lobbyisten von Italgas einen Vertrag zur strategischen Partnerschaft mit dem aserbaidschanischen Öl- und Gaskonzern SOCAR. Als Alternative zu russischem Erdgas bezieht die EU mittlerweile größere Mengen an Erdgas aus Aserbaidschan, obwohl dort die Menschenrechtslage ebenfalls kritisch ist.

Die Lobbyisten sind zwar nicht Teil der offiziellen Länderdelegationen, sondern erhalten sogenannte “Party Overflow”-Akkreditierungen im Gegensatz zu den “Party”-Akkreditierungen der Minister, Verhandler und Mitarbeiter. Doch auch COP-Teilnehmer mit Overflow-Akkreditierung werden von den jeweiligen Ländern eingeladen. Das heißt, ohne die aktive Einladung Griechenlands, Italiens, Schwedens oder Belgiens hätten die Fossil-Lobbyisten keinen Zugang zum COP-Gelände in Baku.

EU-Kommission diesmal ohne fossile Lobbyisten

Die Zahl fossiler Interessenvertreter auf UN-Klimagipfeln ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Mindestens 1.773 fossile Lobbyisten haben in diesem Jahr Zugang zur Klimakonferenz. Das ist laut Kick Big Polluters Out der bisher größte Anteil gemessen an der Teilnehmerzahl. Im vergangenen Jahr, als die COP wesentlich größer war, waren es sogar über 2.400 Lobbyisten, vor zwei Jahren in Ägypten waren es noch rund 630. Den zunehmenden Einfluss der fossilen Industrie kritisierte kürzlich ein offener Brief, der in Baku für viel Diskussion sorgte, weil er auch die Frage nach geeigneten Gastgeberländern aufwarf.

Auf die Kritik am Interessenkonflikt reagierte unterdessen die Europäische Kommission. In diesem Jahr brachte sie laut Auswertung keine fossilen Lobbyisten nach Baku – anders als noch vor einem Jahr, als hochrangige Vertreter von BP, Exxon und Eni mitgenommen wurden, um laut EU-Kommission als Teilnehmer von Veranstaltungen zu sprechen. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra musste kürzlich bei seiner Anhörung im EU-Parlament Stellung nehmen; er sprach sich dabei ebenfalls für stärkere Regeln für Interessenkonflikte auf der COP aus. lb/luk

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Presseschau

Haushalt 2025: Einigung auf höhere EU-Ausgaben FAZ
Nach Trump-Wahl: Das EU-Handelsabkommen mit Mercosur steht vor dem Abschluss FAZ
Gezielter Schlag gegen Russlands Wirtschaft: EU-Parlament will neue Sanktionen MERKUR
Bundestag, EU-Parlament, Trumps Kabinett: Die Wahl zwischen Scheiße TAZ
“Das ist ein Fehler”: Georgien rückt wieder in Putins Umlaufbahn – die EU streitet FR
Auswirkungen auf Gore? Sorge vor neuer Medizinprodukteverordnung: Was plant die EU? PNP
Deutschland drängt auf EU-weite Verfolgung und Überwachung von Fahrzeugen HEISE
Google schaltet künftig keine politische Werbung mehr in der EU DER STANDARD
New York: NGO fordert Untersuchung der Ausgaben von EU-Abgeordneten bei Trump-Gala DERS TANDARD
Überfischung in Westafrika: EU-Fangflotten verlassen Senegal TAZ
4,5 Millionen Euro Schaden – Prozess wegen Veruntreuungsvorwürfen: Droht Marine Le Pen das politische Aus? RND
Warum sind Aserbaidschan und Frankreich zerstritten? EURONEWS
Polnischer Ministerpräsident: Tusk kritisiert Scholz-Telefonat mit Putin SPIEGEL
USA und EU: Großbritannien wappnet sich für drohenden Handelskrieg HANDELSBLATT
Trump ernennt Gabbard zur neuen Chefin des Geheimdienstes: Ärger für Erdogan in Sicht FR
Der deutsche Widerstand schwindet: Die Türkei spricht von einem Durchbruch im Streit um die Eurofighter NZZ
Erdogans Mann fürs Grobe: Dieser Staats­anwalt soll dem türkischen Präsidenten die Herrschaft auf Lebenszeit sichern TAGESANZEIGER
Ungeachtet Erdogans Verbot – Israel bleibt Handelspartner der Türkei FR
Lieferant für die EU: Warum viele Serben den Lithium-Abbau nicht wollen DEUTSCHLANDFUNK
Nach Parlamentswahl in Litauen: Proteste gegen neues Regierungsbündnis TAGESSCHAU
Werden Autisten zu Griechenlands Waffen-Trainern? TELEPOLIS
Lohnkluft in Belgien: Frauen verdienen “nur” 5 Prozent weniger GRENZECHO
National Health Service: Großbritannien will massiv in Gesundheitssystem investieren IDOWA
Royaler Wohlstand – König der Landbesitzer: Finanzen der Royals werfen Fragen auf WORT
Wegen mangelnder Inklusion: Britische Grundschule verzichtet auf Weihnachtstheaterstück RND
Estland stärkt Ukraine mit Militärhilfe NAU
Russischer Gasfluss nach Österreich auch am Sonntag aufrecht DER STANDARD
Lava-Flüsse und Straßenrisse – Zurück in Grindavík: Wie Island den Vulkan-Ort schützt STERN
Israelis wandern nach Italien aus: Das Tal, wo Frieden wohnt TAZ
15 Tonnen Hilfsgüter aus Italien für den Gazastreifen EURONEWS
Italien verbietet Leihmutterschaften im Ausland TAGEBLATT
“No Meloni Day” – Sprengsatz und verletzte Polizisten bei Demo gegen Meloni-Regierung WATSON
Arbeitslos und ausgebeutet: Siziliens Sorgenkinder SPIEGEL
Spielabbruch in Rumänien: Kosovo verlässt den Platz – Foda: “Respekt fehlt” – Provokationen rumänischer Fans, die auf den Tribünen “Serbien”-Schlachtrufe anstimmten SPORTSCHAU
Bandengewalt in Schweden: “Gefängnisse füllen reicht nicht” SN
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Standpunkt

Damit Europa nicht untergeht: Offener Brief an die nächsten EU-Kommissare

Von André Loesekrug-Pietri
André Loesekrug-Pietri ist Präsident der Joint European Disruptive Initiative (JEDI).

Sie haben die Anhörungen des Parlaments durchlaufen, um der nächsten Europäischen Kommission anzugehören. Der Abstieg unseres Kontinents von der globalen wirtschaftlichen, technologischen und geopolitischen Bühne erfordert eine Revolution in der Arbeitsweise unserer Institutionen, keine kleinen Schritte. Sie können den Anstoß dazu geben, dass Europa ein wohlhabender, zukunftsorientierter Kontinent, eine treibende Kraft für den Planeten und ein glaubwürdiger Verfechter des demokratischen Modells bleibt.

Ihr Handeln könnte von fünf Grundsätzen geleitet sein:

Europa darf kein Kontinent der Ideologie, sondern muss eine Hochburg der Strategie und der Antizipation sein. Der Green Deal ist ein Beispiel für einen scheinbar ehrgeizigen Ansatz, aber das Endergebnis ist ein Kontinent, der in Sachen Klima hinterherhinkt, in Sachen Energie zersplittert ist und das Verschwinden einer Vorzeigebranche, der Autoindustrie, mit schrecklichen sozialen Auswirkungen erlebt.

Mit ein wenig Strategie wäre es möglich gewesen, sich auf die Wertschöpfungsketten der Zukunft – etwa Batterien und Software – einzustellen, von den Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) echte Ergebnisse zu verlangen, die für die Energiewende entscheidenden Metalle zu kontrollieren und Zölle zu antizipieren – anstatt auf die Katastrophe zu warten.

Corona-Gelder ohne klare Wirkung

Zweitens: Europa muss ein Kontinent der Umsetzung sein, nicht der großen Reden und der Verschwendung öffentlicher Gelder. Nach viereinhalb Jahren sind nur 40 Prozent der 750 Milliarden Euro, die in der Covid-Krise im Mai 2020 zusammengebracht wurden, ausgegeben worden, ohne dass eine klare Wirkung erkennbar ist. Das Geld wurde um der Ausgaben willen ausgegeben.

Die zaghaften Mahnungen des Rechnungshofs wurden beiseite geschoben. Wenn wir Europa den Populisten überlassen wollten, könnten wir es nicht besser machen. Messen wir die Wirksamkeit einer Politik nicht mehr an den investierten Milliarden, sondern an ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft. No EU-Bullshit anymore.

Bürokratisierung von F&E beenden

Europa muss der Kontinent der Effizienz und des Impacts sein: Die 240 Milliarden, die seit 1984 für F&E ausgegeben wurden, sind ein gutes Beispiel dafür – es hat zu keiner klaren technologischen Führungsrolle geführt. Diese Ressourcen sind entscheidend, aber wir müssen der ungezügelten Bürokratisierung der Programme durch die Generaldirektion F&E ein Ende setzen – die dazu führt, dass immer weniger der besten Teams mitmachen – und nicht mit Illusionen leben: trotz des Erfolgs von Instrumenten wie dem Europäischen Forschungsrat (ERC) sinkt das Niveau der Wissenschaft. Der Platz der EU unter den ersten ein Prozent der meistzitierten wissenschaftlichen Paper geht zurück.

Der Europäische Innovationsrat (EIC) – den offensichtlich niemand abschaffen will, weil er das gesamte Ökosystem “bewässert” – ist eine Art Zehn-Milliarden-Megafonds, der von Bürokraten verwaltet wird – und wir wissen, wie das immer endet. Aus diesen Instrumenten ist noch kein Tech-Gigant hervorgegangen: Es ist Zeit, dass Kommissare mit echtem Mut diese Instrumente abschaffen oder radikal reformieren. In den Berichten von Tirole, Fuest und Draghi wird dies zwar milder ausgedrückt, aber nicht anders dargestellt.

Wissenschaftliche Kompetenz der Politik stärken

Viertens muss die wissenschaftliche Kompetenz der Politik gestärkt werden. Die unbedeutende Rolle des wissenschaftlichen Gremiums des Parlaments (STOA) und das jährliche Foresight-Dokument der Kommission, das voller Allgemeinheiten steckt, gehen am Wesentlichen vorbei, nämlich an der Fähigkeit, den nächsten Schritt vorauszusehen und interdisziplinär zu denken – wie die Inkoherenz zwischen Energie-, Landwirtschafts- und Forschungspolitik zeigen.

Der AI Act ist aufschlussreich: Es hätte Europa zum zukunftsorientierten Ort für die Erprobung dieser grundlegenden Technologie machen sollen, könnte aber stattdessen dazu führen, dass sich die neuesten Innovationen vom Kontinent abwenden und die besten Leute abwandern.

Generaldirektoren verstehen die reale Welt nicht

Schließlich, liebe Kommissare, ist es Zeit, die Gesellschaft in die Verwaltung einzubinden: Wenn die Generaldirektoren, die viel mächtiger sind als Sie, weil sie die Kontrolle über die Bürokratie haben, alle seit 25 Jahren oder mehr bei der EU sind, bedeutet das, dass keiner von ihnen die reale Welt wirklich versteht. Die Laufbahnen der Beamten müssen viel diverser werden, und es muss mehr Austausch mit der Zivilgesellschaft geben, um mit den technologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten.

Europa muss strategisch vorgehen und sich auf Themen konzentrieren, bei denen es auf Scale ankommt. Wir brauchen eine Kommission, die weitsichtig handelt, mutig und agil ist und fähig, Europa erfolgreich zu machen. Sie, meine Damen und Herren Kommissare, würden damit Geschichte schreiben.

André Loesekrug-Pietri ist Präsident und wissenschaftlicher Direktor der Joint European Disruptive Initiative (JEDI), Vorläufer einer europäischen Agentur für Sprunginnovationen (ARPA).

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wenn sich Annalena Baerbock und ihre europäischen Amtskollegen heute in Brüssel treffen, dann finden sie sich in einer völlig anderen Welt wieder als beim letzten Außenrat. Diesmal ist die EU zwar besser vorbereitet als bei Trumps erster Amtszeit. Die Ukraine-Politik wurde, zumindest finanziell, einigermaßen “Trump-fest” gemacht. Auch auf mögliche Strafzölle hat sich Brüssel vorbereitet. Dennoch kommen auf die Außenpolitik neue Herausforderungen zu.

    Über vier Kernfragen müsse der Rat sprechen, sagt ein EU-Diplomat: Werden die USA ihre Unterstützung für die Ukraine einstellen? Dann müsste Europa nolens volens noch mehr tun. Dabei sind die Kassen schon jetzt leer, und der Konsens bröckelt. Stellt Trump die Zusammenarbeit in der Nato infrage? Das hätte ernste Auswirkungen auf die europäische Sicherheit.

    Kommen Strafzölle? Das würde die wirtschaftliche Erholung in Europa gefährden, die nach der jüngsten Herbstprognose der EU-Kommission ohnehin schon mickrig ausfällt. Und was wird aus der China-Politik? Wenn die USA die Daumenschrauben in Peking noch mehr anziehen, würde dies auch Deutschland und die EU treffen. Auch die Nahostpolitik und die multilaterale Ordnung werden durch Trump herausgefordert, wie ein hoher EU-Beamter sagt.

    Es wäre jedoch vermessen, jetzt schon Antworten zu erwarten. Die Außenminister wollen die neue Weltlage beim Mittagessen besprechen – in informeller Runde. Beschlüsse sind nur beim Thema Iran geplant. Die EU wird neue Sanktionen verhängen, was jedoch als Routine gilt.

    Und dann sind da noch die Berichte, wonach in China Drohnen für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine produziert werden. Sie sorgen in Brüssel für helle Aufregung. Allerdings sind die Geheimdienst-Erkenntnisse noch nicht so belastbar, um darauf reagieren zu können. Sie bestätigen nur einmal mehr, wie volatil und unsicher die Lage geworden ist – schon vor Trumps Amtsantritt.

    Ihr
    Eric Bonse
    Bild von Eric  Bonse

    Analyse

    Vestager: Konzentration führt zu mehr Ungleichheit

    Margrethe Vestager, Executive Vice-President of the European Commission in charge of Europe fit for the Digital Age, and Commissioner for Competition
    Margrethe Vestager hat als Kommissarin ein Jahrzehnt lang die Wettbewerbspolitik der EU geprägt.

    Frau Vestager, Sie haben ein Jahrzehnt lang die Wettbewerbskontrolle in der EU-Kommission verantwortet. Wie hat sich Ihre Arbeit verändert angesichts des rapiden technologischen Wandels in diesen Jahren?

    Wenn ich zurückschaue, erscheint mir die Technologie von vor zehn Jahren geradezu primitiv. Heute hat die Technologie alles durchdrungen, bis hin zur Landwirtschaft. Der erste Sektor außerhalb der Tech-Branche, der sich selbst digitalisiert hat, war wahrscheinlich Pornographie. Technologie ist jetzt überall. Gleichzeitig ist die breite Bevölkerung skeptischer geworden, die Menschen sehen Technologie nuancierter. Unsere Arbeit haben wir natürlich angepasst.

    Wie genau?

    Wir haben sie digitalisiert. Mit forensischer IT können wir heute gelöschte Dokumente wiederherstellen. Bei den unangemeldeten Inspektionen können wir Millionen an Dokumenten mitnehmen und digital durchsuchen. Paradoxerweise sehen wir auf der einen Seite sehr dynamische Märkte und gleichzeitig sehr stabile Marktmacht von großen Playern. Wenn wir nachweisen wollen, dass ein Unternehmen seine Marktmacht missbraucht, dann gehen wir immer noch nach denselben Maßstäben vor.

    Hatten Sie denn das Gefühl, Tech-Unternehmen Einhalt gebieten zu können angesichts der dramatischen Veränderungen?

    Es braucht eine Gemeinschaft, um sicherzustellen, dass Regeln eingehalten werden. Also nicht nur wir hier, sondern Behörden in Mitgliedsstaaten, Wettbewerber, Gerichte. Jeder hat seine spezifische Rolle und trägt dazu bei, dass Regeln eingehalten werden.

    Sie haben in der auslaufenden Legislaturperiode den Digital Services Act (DSA) und den Digital Markets Act (DMA) auf den Weg gebracht, um die Tech-Branche einzuhegen. Erwarten Sie davon einen großen Fortschritt?

    Gesetze zu verabschieden ist schwierig genug. Aber sie durchzusetzen ist 100 bis 1000 Mal schwieriger, weil man dann tatsächlich das Verhalten von Unternehmen verändern muss. Wenn es darum geht, Regeln auch tatsächlich durchzusetzen, stehen wir vor einer Herausforderung. Wir können für unsere DSA- und DMA-Teams wirklich schlaue Leute mit Erfahrung anheuern. Aber das Problem sind die Mittel, um ausreichend viele Leute einzustellen.

    Ist die Umsetzung von DSA und DMA in Gefahr?

    Da stehen uns durchaus Mittel zur Verfügung. Aber es müssen Prioritäten gesetzt werden. Generell gilt, je mehr Mittel zur Verfügung stehen, desto mehr kann man bei der Durchsetzung erreichen. Ich weiß, dass sich das trivial anhört. Aber wenn man mich nach Problemen fragt, dann sehe ich sie nicht bei den Gesetzen, sondern bei der Durchsetzung der Gesetze. Die muss konsequent finanziert werden.

    In den USA droht ein ganz anderes Problem. Der künftige Präsident Donald Trump hat den Tech-Unternehmer Elon Musk als Entbürokratisierer angeheuert. Der könnte sich schon bald seine eigenen Regeln basteln, um Geschäftsinteressen durchzudrücken. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

    Ich möchte Trump und Musk nicht kommentieren. Es steht mir nicht zu, über künftige Entscheidungen in den USA zu spekulieren. Aber die Haltung zu Big Tech hat sich in den USA verändert. Als ich vor zehn Jahren ins Amt kam, galt Technologie als das Tollste seit geschnittenem Brot. Das hat sich sehr gewandelt. Viele Leute in den USA treibt etwa die Sorge um Kinderpornographie im Netz um.

    In Europa könnte sich die Kartellpolitik bald ändern. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der deutsche Oppositionsführer Friedrich Merz würden Kartellregeln gerne weniger strikt durchsetzen und in den Dienst von Industriepolitik stellen. Erwarten Sie eine Neuausrichtung in der künftigen EU-Kommission?

    Ich frage mich, ob “neu” in diesem Fall wirklich heißt, dass alles auf den Kopf gestellt wird. Über die Jahre haben wir unsere Praxis schon verändert. Wir sehen uns jetzt an, wie sich Fusionen auf Innovationen auswirken. Als der Gedanke vor Jahren erstmals auftauchte, haben manche Leute mit dem Kopf geschüttelt. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass in den vergangenen 25 Jahren in allen Sektoren in Europa die Konzentration zugenommen hat. Unsere Untersuchung hat überall erhöhte Gewinne und Preisaufschläge festgestellt. Das führt zu mehr Ungleichheit. Das sollte uns in Europa Sorge bereiten, denn manche Leute haben das Gefühl, dass ihr Realeinkommen stagniert. Deswegen hat Präsidentin von der Leyen auch gesagt, dass die Marktkonzentration nicht zunehmen soll.

    Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat in seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit mehr europäische Champions gefordert. Eine gute Idee?

    Wir haben jedes Jahr europäische Champions zugelassen. Der weltgrößte Bierbrauer ist das Ergebnis einer Fusion, das weltgrößte Milchunternehmen genauso. Die Frage ist nicht die Größe, sondern ob ein Unternehmen in Europa noch dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt uns, dass Unternehmen wettbewerbsfähig sind, wenn Konkurrenz sie die ganze Zeit antreibt. Wir haben uns nach sechs Jahren den Fall Siemens Alstom wieder angesehen, das ist ja das Paradebeispiel in der Diskussion um die Fusionskontrolle in Europa. Heute sehen wir, dass bei beiden Unternehmen die Auftragsbücher voll sind mit Ordern aus der ganzen Welt. Die chinesische Konkurrenz ist in China stark, auf dem europäischen Markt aber nicht vertreten – anders als befürchtet. Wir führen hier die falsche Debatte.

    Inwiefern?

    Wettbewerbsfähigkeit hängt von vielen Faktoren ab: qualifizierten Mitarbeitern, Innovation, Steuersystemen, funktionierenden Kapitalmärkten, dem Binnenmarkt. All das verlangt harte Arbeit. Ich mache mir Sorgen, dass deswegen die Fusionskontrolle als Allheilmittel angesehen wird. Aber wir müssen wirklich die harte Arbeit erledigen.

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    Wasserstoff: Managerin Sury für Post-2030-Ziele

    Sopna Sury ist COO Hydrogen bei RWE Generation und Aufsichtsratsvorsitzende von Hydrogen Europe.

    Die Auktionen der Europäischen Wasserstoffbank sollten nach Ansicht des Energiekonzerns RWE auch in den nächsten Jahren weitergeführt werden. “Fast noch wichtiger als das genaue Budget ist Planungssicherheit über 2025 hinaus”, sagte Sopna Sury, Chief Operating Officer Hydrogen der Kraftwerkssparte RWE Generation im Interview mit Table.Briefings. Die Ökonomin ist auch Aufsichtsratsvorsitzende des Verbands Hydrogen Europe.

    Am 3. Dezember soll die zweite Auktionsrunde der European Hydrogen Bank beginnen. Mit der Zeit werde der Förderbedarf sinken, da durch Skaleneffekte die Kosten pro Tonne Wasserstoff abnähmen, so Sury.

    Eigene Ziele für Wasserstoff seien auch nach 2030 wichtig, sagte die Managerin. Derzeit steht in der EU die Setzung eines Klimaziels für 2040 an. Frankreich und andere Staaten wollen aber erreichen, dass weniger energiepolitische Ziele gesetzt werden, vor allem für erneuerbare Energien in bestimmten Sektoren und für erneuerbaren Wasserstoff. “Wenn industrielle Nachfrager wissen, in welchem regulatorischen Rahmen sie sich bewegen, können sie ihre Produktionsprozesse und ihre Einkaufsstrategie daran ausrichten”, sagte Sury.

    Langfristig nur grüner Wasserstoff nachhaltig

    Für die nächsten Jahre sei es sinnvoll, beim Wasserstoff farbenneutral zu agieren, um die Wasserstoffinfrastruktur auszulasten. Da die EU bis 2050 klimaneutral werden wolle, sei aber klar, dass langfristig nur grüner Wasserstoff die einzig nachhaltige Molekülform sei.

    Um die angestrebten Mengen an Wasserstoff und die Klimaziele zu erreichen, sprach sich Sury für Lockerungen bei den Delegierten Rechtsakten für grünen und kohlenstoffarmen Wasserstoff aus. Beim Rechtsakt für kohlenstoffarmen Wasserstoff geht es um die Vorschriften für den Einsatz von Strom für Hilfsprozesse wie Verflüssigung, Transport oder Cracking.

    “Es stellt sich die Frage, ob der Strom die gleichen Kriterien erfüllen müsse wie bei der Herstellung von grünem Wasserstoff“, sagte Sury. Besser sei es, bei der Berechnung projektspezifische Strom-CO2-Werte zuzulassen, wie sie sich durch eine Kombination aus Netz-Strom und langfristigen Direktlieferverträgen (PPAs) erreichen ließen. Das würde gemäß ihrer Darstellung die Flexibilität für Produzenten erhöhen, die Produktionskosten senken und in Folge die Erzeugung kohlenstoffarmer Brennstoffe in der EU und den entsprechenden Import steigern.

    RFNBO-Rechtsakt schon 2026 überarbeiten

    Beim Rechtsakt für grünen Wasserstoff unterstützt Sury Änderungen, wie sie kürzlich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gefordert hatte. Eine Revision des Rechtsakts erst 2028 hält Sury für zu spät, anzustreben sei stattdessen 2026. Eine Möglichkeit für mehr Flexibilität sei eine Verlängerung des Grand Fathering bis zur Mitte der 2030er-Jahre, sodass Strom aus schon bestehenden Erneuerbare-Energien-Anlagen länger zur Wasserstoffherstellung eingesetzt werden könne.

    Sury sagt: “Gleiches gilt auch bei dem Thema zeitliche Korrelation. In dem Moment, wo ich von der monatlichen auf die stündliche Korrelation von Erneuerbaren- und Wasserstoffproduktion gehe, ist das ein sehr, sehr eklatanter Kostentreiber.”

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    EU-Haushalt 2025: Mitgliedstaaten geben nach

    Der EU-Haushalt für das kommende Jahr steht. Knapp 200 Milliarden Euro können 2025 verplant werden. Darauf einigten sich Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten in der Nacht von Freitag auf Samstag, wie beide mitteilten. Nach Parlamentsangaben stehen mehr als 230 Millionen Euro zusätzlich für Prioritäten wie Gesundheitsforschung, humanitäre Hilfe und Grenzschutz zur Verfügung.

    Die Einigung muss noch offiziell von den EU-Staaten und dem Europaparlament bestätigt werden. Im vergangenen Jahr hatten sich die Länder und das Parlament auf 189,4 Milliarden Euro für den Haushalt 2024 geeinigt. Für 2025 hatte die EU-Kommission im Juni einen Haushalt von 199,7 Milliarden Euro vorgeschlagen. Die EU-Länder wollten 191,53 Milliarden Euro einplanen.

    Der Haushalt sieht laut Parlament auch mehr Geld für das EU-Katastrophenschutzverfahren vor, als ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde. Damit wird etwa auf Naturkatastrophen reagiert. Zudem sei geplant, dass die Mitgliedstaaten künftig bis zu zehn Prozent der milliardenschweren EU-Kohäsionsmittel für die Vorbeugung von und den Wiederaufbau nach solchen Katastrophen verwenden dürfen. dpa

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    Herbstprognose: Deutschland Schlusslicht beim Wachstum

    Die EU-Kommission blickt etwas skeptischer auf die Wirtschaft im Euroraum und setzt erst 2026 auf eine spürbare Konjunkturerholung. Die Brüsseler Behörde erwartet für die Währungsunion 2024 weiter einen Anstieg beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 0,8 Prozent, rechnet aber im nächsten Jahr nur noch mit plus 1,3 Prozent. Das geht aus der am Freitag vorgelegten Herbstprognose hervor. Im Mai hatte die Kommission hier noch 1,4 Prozent Wachstum vorhergesagt. 2026 soll es dann mit 1,6 Prozent stärker bergauf gehen.

    “Die europäische Wirtschaft erholt sich langsam”, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. “Das Wachstum dürfte sich in den nächsten zwei Jahren allmählich beschleunigen.” Für Schwung sorgten die abflauende Inflation und die niedrige Arbeitslosigkeit sowie das Anziehen von Privatkonsum und Investitionen.

    Deutsche Wachstumsschwäche auch 2026

    Pessimistischer sieht die Kommission vor allem die Lage in Deutschland. Hier erwartet sie ein Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr um 0,1 Prozent. Für 2025 traut die Brüsseler Behörde Deutschland ein BIP-Plus von 0,7 Prozent zu – aber dies wäre das geringste Wachstum aller Euro-Länder. 2026 soll es dann zu einem Anstieg von 1,3 Prozent reichen. Pessimistischer ist die EU hier nur für Italien mit einem erwarteten Wachstum von 1,2 Prozent.

    Gentiloni betonte wie Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis, dass Strukturreformen wichtig seien, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu erhalten. Damit könne man das Potenzialwachstum steigern und zunehmende geopolitische Risiken besser bewältigen. Hierzu gehören auch Handelskonflikte. rtr

    • Konjunktur

    Gasfluss nach Österreich um 15 Prozent reduziert

    Der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV erhält wie angekündigt kein Erdgas mehr vom russischen Energiekonzern Gazprom. Die Gaslieferungen an die OMV seien am Samstagmorgen um 6 Uhr eingestellt worden, teilte die österreichische Regulierungsbehörde E-Control mit. Die OMV bestätigte den Lieferstopp. Dennoch fließe weiterhin Gas über die Ukraine nach Europa und Österreich, wenn auch in reduzierten Mengen. “Am Knotenpunkt in Baumgarten kommen aktuell um zwölf bis 15 Prozent reduzierte Mengen an”, sagte Behörden-Chef Alfons Haber.

    Die Großhandelspreise seien stabil auf einem hohen Niveau von 47 Euro je Megawattstunde (MWh), sagte Haber. Allerdings waren die Preise bereits am Donnerstag um rund sechs Prozent gestiegen, nachdem OMV erstmals vor der drohenden Lieferunterbrechung gewarnt hatte.

    Grund für den Lieferstopp ist ein Streit zwischen Gazprom und OMV über ausgebliebene Gasmengen in Deutschland im September 2022. Ein Schiedsgericht hatte der OMV kürzlich Schadenersatz in der Höhe von 230 Millionen Euro zugesprochen. Die OMV kündigte daraufhin an, die Summe mit laufenden Gaslieferungen von Gazprom zu verrechnen, warnte jedoch gleichzeitig vor möglichen Konsequenzen in Form eines Lieferstopps seitens des russischen Konzerns.

    OMV sicherte sich alternative Bezugsquellen

    Das Land sei gut auf den Ausfall vorbereitet, sagte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Freitagabend, als noch angenommen wurde, dass die Gasflüsse nach Österreich vollständig eingestellt werden könnten. Die Gasspeicher seien mit einem Jahresbedarf für Österreich gefüllt und die Versorgung sei gesichert. Am Samstag meldete sich auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf X zu Wort: “Wieder einmal benutzt Putin Energie als Waffe. Er versucht Österreich und die EU zu erpressen.” Die EU sei jedoch vorbereitet.

    Ende des Jahres läuft ohnehin der Transitvertrag für Lieferungen durch die Ukraine aus. OMV hat sich deshalb alternative Bezugsquellen erschlossen, darunter Lieferungen aus Norwegen, Gas aus eigener Produktion sowie verflüssigtes Erdgas (LNG). Analyst Marcus How von VE Insight hatte Table.Briefings bereits im August gesagt, dass die Gaspreise in Österreich lediglich um zehn bis 20 Prozent steigen würden, falls Gazprom die Lieferungen einstellte. rtr/ber

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    Pfizergate: Verhandlung hat begonnen

    Der Prozess um SMS zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Chef des Impfstoffherstellers Pfizer geht in die heiße Phase. Vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg startete am Freitag die mündliche Verhandlung zur Klage der “New York Times” über die Herausgabe der Textnachrichten. Zu den milliardenschweren Corona-Impfstoffkäufen der EU ermittelt derzeit auch die Europäische Staatsanwaltschaft.

    Konkret geht es um ein Geschäft über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer im Frühjahr 2021. Das Vertragsvolumen wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Wie die “New York Times” berichtete, war der persönliche Kontakt zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla für den Abschluss entscheidend. Dabei sollen sie auch per SMS kommuniziert haben.

    Die Zeitung und ihre Korrespondentin Matina Stevis-Gridneff beantragten daraufhin den Zugang zu sämtlichen Textnachrichten, die von der Leyen und der CEO von Pfizer zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 11. Mai 2022 ausgetauscht hatten. Die EU-Kommission verweigerte dies: In ihrem Besitz befänden sich keine solchen Dokumente. Das fechten Stevis-Gridneff und das Medium nun vor dem Gericht der EU an. Mit einem Urteil wird in einigen Monaten gerechnet. dpa

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    COP29: EU-Länder bringen 113 fossile Lobbyisten nach Baku

    Insgesamt 113 Industrie-Vertreter von fossilen Energien sind auf einem Ticket von EU-Mitgliedsstaaten zur COP29 nach Baku gereist. Vor allem Griechenland, Italien, Schweden und Belgien haben dutzende Lobbyisten eingeladen, die großteils bei Gas-Unternehmen tätig sind, wie eine Analyse von Kick Big Polluters Out zeigt. Deutschland brachte keine fossilen Lobbyisten auf seinem Ticket mit, auch die EU-Kommission reagierte auf die Kritik am Interessenkonflikt nach der vergangenen COP28 in Dubai.

    Demnach sind 24 der Lobbyisten auf Einladung der griechischen Delegation in Baku, 22 auf Einladung von Italien, 17 von Schweden und 13 von Belgien. Diese Staaten seien zugleich die größten Abnehmer von Gas aus Aserbaidschan, dem Gastgeber der COP29; dieser finanziert seinen Staatshaushalt zur Hälfte aus fossilen Energien. “Die europäischen Staaten nutzen die COP29, um Gasdeals auszuverhandeln”, kritisiert Nathan Stewart, Koordinator von Fossil Free Politics. So unterzeichneten etwa am zweiten Tag der COP29 italienische Lobbyisten von Italgas einen Vertrag zur strategischen Partnerschaft mit dem aserbaidschanischen Öl- und Gaskonzern SOCAR. Als Alternative zu russischem Erdgas bezieht die EU mittlerweile größere Mengen an Erdgas aus Aserbaidschan, obwohl dort die Menschenrechtslage ebenfalls kritisch ist.

    Die Lobbyisten sind zwar nicht Teil der offiziellen Länderdelegationen, sondern erhalten sogenannte “Party Overflow”-Akkreditierungen im Gegensatz zu den “Party”-Akkreditierungen der Minister, Verhandler und Mitarbeiter. Doch auch COP-Teilnehmer mit Overflow-Akkreditierung werden von den jeweiligen Ländern eingeladen. Das heißt, ohne die aktive Einladung Griechenlands, Italiens, Schwedens oder Belgiens hätten die Fossil-Lobbyisten keinen Zugang zum COP-Gelände in Baku.

    EU-Kommission diesmal ohne fossile Lobbyisten

    Die Zahl fossiler Interessenvertreter auf UN-Klimagipfeln ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Mindestens 1.773 fossile Lobbyisten haben in diesem Jahr Zugang zur Klimakonferenz. Das ist laut Kick Big Polluters Out der bisher größte Anteil gemessen an der Teilnehmerzahl. Im vergangenen Jahr, als die COP wesentlich größer war, waren es sogar über 2.400 Lobbyisten, vor zwei Jahren in Ägypten waren es noch rund 630. Den zunehmenden Einfluss der fossilen Industrie kritisierte kürzlich ein offener Brief, der in Baku für viel Diskussion sorgte, weil er auch die Frage nach geeigneten Gastgeberländern aufwarf.

    Auf die Kritik am Interessenkonflikt reagierte unterdessen die Europäische Kommission. In diesem Jahr brachte sie laut Auswertung keine fossilen Lobbyisten nach Baku – anders als noch vor einem Jahr, als hochrangige Vertreter von BP, Exxon und Eni mitgenommen wurden, um laut EU-Kommission als Teilnehmer von Veranstaltungen zu sprechen. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra musste kürzlich bei seiner Anhörung im EU-Parlament Stellung nehmen; er sprach sich dabei ebenfalls für stärkere Regeln für Interessenkonflikte auf der COP aus. lb/luk

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    Presseschau

    Haushalt 2025: Einigung auf höhere EU-Ausgaben FAZ
    Nach Trump-Wahl: Das EU-Handelsabkommen mit Mercosur steht vor dem Abschluss FAZ
    Gezielter Schlag gegen Russlands Wirtschaft: EU-Parlament will neue Sanktionen MERKUR
    Bundestag, EU-Parlament, Trumps Kabinett: Die Wahl zwischen Scheiße TAZ
    “Das ist ein Fehler”: Georgien rückt wieder in Putins Umlaufbahn – die EU streitet FR
    Auswirkungen auf Gore? Sorge vor neuer Medizinprodukteverordnung: Was plant die EU? PNP
    Deutschland drängt auf EU-weite Verfolgung und Überwachung von Fahrzeugen HEISE
    Google schaltet künftig keine politische Werbung mehr in der EU DER STANDARD
    New York: NGO fordert Untersuchung der Ausgaben von EU-Abgeordneten bei Trump-Gala DERS TANDARD
    Überfischung in Westafrika: EU-Fangflotten verlassen Senegal TAZ
    4,5 Millionen Euro Schaden – Prozess wegen Veruntreuungsvorwürfen: Droht Marine Le Pen das politische Aus? RND
    Warum sind Aserbaidschan und Frankreich zerstritten? EURONEWS
    Polnischer Ministerpräsident: Tusk kritisiert Scholz-Telefonat mit Putin SPIEGEL
    USA und EU: Großbritannien wappnet sich für drohenden Handelskrieg HANDELSBLATT
    Trump ernennt Gabbard zur neuen Chefin des Geheimdienstes: Ärger für Erdogan in Sicht FR
    Der deutsche Widerstand schwindet: Die Türkei spricht von einem Durchbruch im Streit um die Eurofighter NZZ
    Erdogans Mann fürs Grobe: Dieser Staats­anwalt soll dem türkischen Präsidenten die Herrschaft auf Lebenszeit sichern TAGESANZEIGER
    Ungeachtet Erdogans Verbot – Israel bleibt Handelspartner der Türkei FR
    Lieferant für die EU: Warum viele Serben den Lithium-Abbau nicht wollen DEUTSCHLANDFUNK
    Nach Parlamentswahl in Litauen: Proteste gegen neues Regierungsbündnis TAGESSCHAU
    Werden Autisten zu Griechenlands Waffen-Trainern? TELEPOLIS
    Lohnkluft in Belgien: Frauen verdienen “nur” 5 Prozent weniger GRENZECHO
    National Health Service: Großbritannien will massiv in Gesundheitssystem investieren IDOWA
    Royaler Wohlstand – König der Landbesitzer: Finanzen der Royals werfen Fragen auf WORT
    Wegen mangelnder Inklusion: Britische Grundschule verzichtet auf Weihnachtstheaterstück RND
    Estland stärkt Ukraine mit Militärhilfe NAU
    Russischer Gasfluss nach Österreich auch am Sonntag aufrecht DER STANDARD
    Lava-Flüsse und Straßenrisse – Zurück in Grindavík: Wie Island den Vulkan-Ort schützt STERN
    Israelis wandern nach Italien aus: Das Tal, wo Frieden wohnt TAZ
    15 Tonnen Hilfsgüter aus Italien für den Gazastreifen EURONEWS
    Italien verbietet Leihmutterschaften im Ausland TAGEBLATT
    “No Meloni Day” – Sprengsatz und verletzte Polizisten bei Demo gegen Meloni-Regierung WATSON
    Arbeitslos und ausgebeutet: Siziliens Sorgenkinder SPIEGEL
    Spielabbruch in Rumänien: Kosovo verlässt den Platz – Foda: “Respekt fehlt” – Provokationen rumänischer Fans, die auf den Tribünen “Serbien”-Schlachtrufe anstimmten SPORTSCHAU
    Bandengewalt in Schweden: “Gefängnisse füllen reicht nicht” SN
    Keine krummen Dinger: Schwedische Ministerin muss sich wegen Bananenphobie erklären SPIEGEL

    Standpunkt

    Damit Europa nicht untergeht: Offener Brief an die nächsten EU-Kommissare

    Von André Loesekrug-Pietri
    André Loesekrug-Pietri ist Präsident der Joint European Disruptive Initiative (JEDI).

    Sie haben die Anhörungen des Parlaments durchlaufen, um der nächsten Europäischen Kommission anzugehören. Der Abstieg unseres Kontinents von der globalen wirtschaftlichen, technologischen und geopolitischen Bühne erfordert eine Revolution in der Arbeitsweise unserer Institutionen, keine kleinen Schritte. Sie können den Anstoß dazu geben, dass Europa ein wohlhabender, zukunftsorientierter Kontinent, eine treibende Kraft für den Planeten und ein glaubwürdiger Verfechter des demokratischen Modells bleibt.

    Ihr Handeln könnte von fünf Grundsätzen geleitet sein:

    Europa darf kein Kontinent der Ideologie, sondern muss eine Hochburg der Strategie und der Antizipation sein. Der Green Deal ist ein Beispiel für einen scheinbar ehrgeizigen Ansatz, aber das Endergebnis ist ein Kontinent, der in Sachen Klima hinterherhinkt, in Sachen Energie zersplittert ist und das Verschwinden einer Vorzeigebranche, der Autoindustrie, mit schrecklichen sozialen Auswirkungen erlebt.

    Mit ein wenig Strategie wäre es möglich gewesen, sich auf die Wertschöpfungsketten der Zukunft – etwa Batterien und Software – einzustellen, von den Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) echte Ergebnisse zu verlangen, die für die Energiewende entscheidenden Metalle zu kontrollieren und Zölle zu antizipieren – anstatt auf die Katastrophe zu warten.

    Corona-Gelder ohne klare Wirkung

    Zweitens: Europa muss ein Kontinent der Umsetzung sein, nicht der großen Reden und der Verschwendung öffentlicher Gelder. Nach viereinhalb Jahren sind nur 40 Prozent der 750 Milliarden Euro, die in der Covid-Krise im Mai 2020 zusammengebracht wurden, ausgegeben worden, ohne dass eine klare Wirkung erkennbar ist. Das Geld wurde um der Ausgaben willen ausgegeben.

    Die zaghaften Mahnungen des Rechnungshofs wurden beiseite geschoben. Wenn wir Europa den Populisten überlassen wollten, könnten wir es nicht besser machen. Messen wir die Wirksamkeit einer Politik nicht mehr an den investierten Milliarden, sondern an ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft. No EU-Bullshit anymore.

    Bürokratisierung von F&E beenden

    Europa muss der Kontinent der Effizienz und des Impacts sein: Die 240 Milliarden, die seit 1984 für F&E ausgegeben wurden, sind ein gutes Beispiel dafür – es hat zu keiner klaren technologischen Führungsrolle geführt. Diese Ressourcen sind entscheidend, aber wir müssen der ungezügelten Bürokratisierung der Programme durch die Generaldirektion F&E ein Ende setzen – die dazu führt, dass immer weniger der besten Teams mitmachen – und nicht mit Illusionen leben: trotz des Erfolgs von Instrumenten wie dem Europäischen Forschungsrat (ERC) sinkt das Niveau der Wissenschaft. Der Platz der EU unter den ersten ein Prozent der meistzitierten wissenschaftlichen Paper geht zurück.

    Der Europäische Innovationsrat (EIC) – den offensichtlich niemand abschaffen will, weil er das gesamte Ökosystem “bewässert” – ist eine Art Zehn-Milliarden-Megafonds, der von Bürokraten verwaltet wird – und wir wissen, wie das immer endet. Aus diesen Instrumenten ist noch kein Tech-Gigant hervorgegangen: Es ist Zeit, dass Kommissare mit echtem Mut diese Instrumente abschaffen oder radikal reformieren. In den Berichten von Tirole, Fuest und Draghi wird dies zwar milder ausgedrückt, aber nicht anders dargestellt.

    Wissenschaftliche Kompetenz der Politik stärken

    Viertens muss die wissenschaftliche Kompetenz der Politik gestärkt werden. Die unbedeutende Rolle des wissenschaftlichen Gremiums des Parlaments (STOA) und das jährliche Foresight-Dokument der Kommission, das voller Allgemeinheiten steckt, gehen am Wesentlichen vorbei, nämlich an der Fähigkeit, den nächsten Schritt vorauszusehen und interdisziplinär zu denken – wie die Inkoherenz zwischen Energie-, Landwirtschafts- und Forschungspolitik zeigen.

    Der AI Act ist aufschlussreich: Es hätte Europa zum zukunftsorientierten Ort für die Erprobung dieser grundlegenden Technologie machen sollen, könnte aber stattdessen dazu führen, dass sich die neuesten Innovationen vom Kontinent abwenden und die besten Leute abwandern.

    Generaldirektoren verstehen die reale Welt nicht

    Schließlich, liebe Kommissare, ist es Zeit, die Gesellschaft in die Verwaltung einzubinden: Wenn die Generaldirektoren, die viel mächtiger sind als Sie, weil sie die Kontrolle über die Bürokratie haben, alle seit 25 Jahren oder mehr bei der EU sind, bedeutet das, dass keiner von ihnen die reale Welt wirklich versteht. Die Laufbahnen der Beamten müssen viel diverser werden, und es muss mehr Austausch mit der Zivilgesellschaft geben, um mit den technologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten.

    Europa muss strategisch vorgehen und sich auf Themen konzentrieren, bei denen es auf Scale ankommt. Wir brauchen eine Kommission, die weitsichtig handelt, mutig und agil ist und fähig, Europa erfolgreich zu machen. Sie, meine Damen und Herren Kommissare, würden damit Geschichte schreiben.

    André Loesekrug-Pietri ist Präsident und wissenschaftlicher Direktor der Joint European Disruptive Initiative (JEDI), Vorläufer einer europäischen Agentur für Sprunginnovationen (ARPA).

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    Europe.Table Redaktion

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