die Industrie macht Druck. Während sich das internationale Handelsumfeld verdüstert, richtet sich der Fokus der europäischen Großunternehmen zurück auf den heimischen Binnenmarkt. Vorgestern lancierte die europäische Chemie- und Schwerindustrie ihren Appel für einen “Industrial Deal”, heute lädt der “European Roundtable for Industry” (ERT) zum großen Stelldichein im Brüsseler Auto-Museum.
Neben CEOs und anderen Unternehmensvertretern sind auch Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager und die belgische Außen- und Handelsministerin Hadja Lahbib da. Enrico Letta, der kurz zuvor im Binnenmarktkomitee des Parlaments über seinen Binnenmarktbericht sprechen soll, wird ebenfalls zugegen sein.
Der ERT war schon eine treibende Kraft bei der Geburt des Binnenmarkts. Nun fordert die Industrieallianz einen neuen “Delors-Moment”, um den Binnenmarkt vertieft zu integrieren. In zwei Publikationen, die der ERT heute präsentieren wird, zeigt die europäische Industrie auf, welche Hindernisse sie besonders stören: von der fehlenden Kapitalmarktunion bis zu Schwierigkeiten bei der Arbeiterentsendung.
Die von Existenzangst geplagten Industriellen wollen auch eine unternehmensfreundlichere Umgestaltung der EU-Kommission. Darum bringen sie die Idee einer neuen Generaldirektion für Marktintegration (DG MINT) ins Spiel.
Die Ideen und Wünsche für eine zukunftsfähige europäische Industrie sind also vorhanden. Bleibt zu hoffen, dass sie funktionieren – sonst gehören die Industriellen im Museum bald nicht mehr zu den Gästen, sondern zum Inventar.
Die CO₂-Flottengesetzgebung der EU kommt unter Druck. CDU und CSU werden mit der Forderung in die Europawahl ziehen, das darin festgeschriebene Verbrenner-Aus im Jahr 2035 zu revidieren. Sie bringen damit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Zugzwang, die als Spitzenkandidatin der christdemokratischen Parteienfamilie EVP eine zweite Amtszeit anstrebt.
In ihrer ersten Amtszeit hatte die Kommission das Verbrenner-Aus vorgeschlagen. Ob sich die CDU-Politikerin die Forderung der sie nominierenden Parteien zu eigen macht, ist offen. Bei ihrer offiziellen Vorstellung als EVP-Spitzenkandidatin durch EVP-Chef Manfred Weber wich sie aus und verwies auf die Rechtslage: “2035 müssen die CO₂-Flottengrenzwerte auf null sinken”, sagte sie auf Frage von Table.Media. Sie erwähnte den Vorschlag der Kommission, mit dem auch nach 2035 der Betrieb von Neufahrzeugen ausschließlich mit E-Fuels möglich sei. Dieser Vorschlag hat aber bislang im Rat keine Mehrheit gefunden.
Von der Leyen verwies zudem auf die im Gesetz vorgesehene Überprüfung der CO₂-Flottengesetzgebung im Jahr 2026. Dann also könnte die Kommission den Vorschlag machen, die CO₂-Flottengesetzgebung zu überarbeiten und in diesem Zuge auch das Verbrenner-Aus zurückzunehmen. Möglich wäre auch, den Herstellern eine Anrechnung von E-Fuels auf die CO₂-Flottengrenzwerte zu erlauben. Ob die nächste Kommission diesen Weg beschreitet, ist aber offen.
In der zu Ende gehenden Wahlperiode gab es weder im Rat noch im Europaparlament Mehrheiten für eine Zukunft des Verbrenners. Die Hoffnung der Anhänger der Technologie ist, dass sich mit den Europawahlen vom 2. bis 9. Juni die Mehrheiten ändern. Auch im Gremium der Mitgliedstaaten hat die Zahl der von Christdemokraten regierten Staaten zuletzt zugenommen.
Auf Seiten der Industrie gibt es erste Bewegungen. Wichtige Zulieferer halten das politisch verhängte Verbrenner-Aus 2035 für verfrüht. Sie kalkulieren damit, dass “der Verbrenner immer einen Marktanteil von 15 Prozent haben wird”, wie Vertreter Table.Media sagten.
Bislang haben die großen Zulieferer nicht öffentlich gefordert, das Verbrenner-Aus zu kippen. Nach Informationen von Table.Media wird aber gerade in den Unternehmen die Kommunikationsstrategie zum Verbrenner überdacht. In der politischen Abteilung eines großen deutschen Zulieferers heißt es: “Die Zulieferer würden sich freuen, wenn das Verbrenner-Aus gekippt würde.”
Benjamin Krieger vom europäischen Dachverband der Zulieferer Clepa ist dafür, die CO₂-Flottengesetzgebung noch einmal anzupacken: “Automobilzulieferer stehen für Technologieoffenheit und Klimaschutz.” Alle Technologien, die zur Emissionsreduktion beitragen, sollten dies tun: Elektromobilität, Wasserstoff, erneuerbare Kraftstoffe. “Dafür brauchen wir eine CO₂-Regulierung, die für Emissionsreduktion sorgt, ohne Technologien vorzuschreiben. Der Review der Regulierung sollte dies einbeziehen.”
Die Autohersteller haben sich weitgehend der E-Mobilität verschrieben. Bei ihnen basiert die Investitionsplanung darauf, im Jahr 2030 70 Prozent der Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb zu verkaufen. VW etwa will 2024 und 2025 letztmalig in die Verbrennertechnologie investieren, danach aber die Summen deutlich zurückfahren.
Auch bei den Herstellern gibt es aber erste Anzeichen für ein Umdenken. Mercedes-Chef Ola Källenius schwächte jüngst das Ziel ab, ab 2030 “überall dort, wo es die Marktlage zulässt”, vollelektrisch zu werden. Er sagte: Auch deutlich nach 2030 würden Kunden “selbstverständlich” Verbrenner von Mercedes bekommen.
BMW-Chef Oliver Zipse hat schon immer Technologieneutralität gefordert. VW-Chef Oliver Blume hat in seiner vorherigen Funktion als Porsche-Chef dafür gesorgt, dass Porsche selbst in die Produktion von klimaneutralen Kraftstoffen in Chile eingestiegen ist. Bislang hat er jedoch nicht zu erkennen gegeben, ob er E-Fuels auch im Mutterkonzern VW für eine Lösung sieht.
Die CO₂-Flottengesetzgebung wird im Jahr 2030 Herstellern in der EU nur noch erlauben, Neuwagen zuzulassen, die im Schnitt weniger als 50 Gramm CO₂ je gefahrenen Kilometer ausstoßen. Wird das Ziel verfehlt, drohen Strafzahlungen. Das entspricht einem Verbrauch von zwei Litern auf hundert Kilometern. Die EU-Regulierung stellt damit ein starkes Hindernis für Hersteller dar, sparsame Verbrennermotoren herzustellen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass mit derzeitiger Technik höchst sparsame Dieselmotoren gebaut werden können, die etwa mit drei Litern Diesel auf 100 Kilometern auskommen.
Trotz der EU-Regulierung haben die Hersteller die Entwicklung von Verbrennermotoren nicht eingestellt. Nächste Woche wird Porsche etwa einen neuen Acht-Zylinder-Motor bei einem Motorenkongress des VDI in Baden-Baden vorstellen. Mercedes entwickelt mit chinesischen Partnern einen neuen Vier-Zylinder-Motor für einen Pkw. Renault hat seine Verbrennertechnologie in ein Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern eingebracht. Das Unternehmen heißt Aurobay und hat angekündigt, “langfristig” acht Millionen Motoren für Pkw im Jahr in 19 Werken weltweit zu produzieren.
Auf den wichtigsten Exportmärkten für die deutschen Hersteller – China, USA und Großbritannien – gibt es den Trend zurück zum Verbrenner. US-Präsident Joe Biden machte kürzlich Abstriche bei der ehrgeizigen E-Auto-Strategie. Der geplante Hochlauf der Technologie solle gebremst werden. Sollte Donald Trump zurückkommen, wäre eine Renaissance des Verbrenners wahrscheinlich. Großbritannien hat das für 2030 geplante Verbrenner-Aus um fünf Jahre hinausgeschoben.
Auch in China, dem größten Automarkt der Welt, wird weiter auf den Verbrenner gesetzt: Laut einer Schätzung der chinesischen Regierung aus dem Vorjahr wird der Verbrennungsmotor bis ins Jahr 2060 im Betrieb mit E-Fuels eine “entscheidende Rolle” spielen.
Falls das Verbrenner-Aus kippt, hätte das Folgen für die Klima-Ziele der EU. Es würden mehr Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen als geplant und damit der CO₂-Ausstoß im Verkehr höher liegen. Es sei denn, die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor würden nach 2035 ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels betankt. Die CO₂-Flottengesetzgebung ist Teil des Green Deal und stellt sicher, dass die EU den CO₂-Ausstoß 2035 um 55 Prozent gegenüber 1990 senkt. Bis 2040 will die EU-Kommission den CO₂-Ausstoß um 90 Prozent senken und spätestens 2050 klimaneutral sein. Von der Leyen betonte gestern: “Wir müssen unsere Klima-Ziele erreichen.”
Die Folgenabschätzung der Kommission für das Klimaziel 2040 basiert auf dem Auslaufen der Technologie 2035. Demnach würde der Anteil von Verbrennern bis 2040 auf 26 Prozent im Pkw-Bestand sinken. Zehn Jahre später soll der Verbrenner, so die Kommission, nur noch zwei Prozent ausmachen. Der Anteil von batterieelektrischen Autos soll laut Kommissionsplanungen 2040 bei 57 Prozent liegen und 2050 bereits 79 Prozent ausmachen.
Die Folgenabschätzung zum Anteil von E-Fuels ist nicht so präzise. Hier heißt es: 2040 könnte gut zehn Prozent des Energieverbrauchs durch E-Fuels gedeckt werden. Bis 2050 gehe der Anteil dann aber deutlich zurück. Sollte das Verbrenner-Aus kippen, wären diese Zahlen Makulatur. Mit Claire Stam, Manuel Berkel
Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis und Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni präsentierten am gestrigen Mittwoch eine erfolgreiche Zwischenbilanz der Aufbau- und Resilienzfazilität RRF. Sie habe in einer schwierigen Zeit Vertrauen geschaffen, sagte Dombrovskis auf der Pressekonferenz. Gentiloni erinnerte daran, dass die Ankündigung der RRF geholfen habe, die Spreads zwischen den europäischen Staatsanleihen zu reduzieren.
Bis jetzt wurden schon 225 Milliarden Euro an Mitgliedstaaten ausgezahlt. Laut Kommission hatte dieses Geld unter anderem die folgenden Effekte:
Ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs kritisierte im vergangenen Herbst, dass die Messmethodik der EU-Kommission zwar die Erfüllung der Pläne, Reformschritte und Auszahlungen gut messen würde, aber nicht geeignet sein, um das finale Ergebnis zu prüfen.
Auch Lydia Korinek, wirtschaftspolitische Beraterin beim ZOE Institut, kritisiert die Indikatoren der EU-Kommission. Sie sagten wenig aus über die langfristigen Effekte der RRF. Um diese zu überprüfen, müsse man aber ohnehin noch abwarten.
Dennoch sieht Korinek das Ergebnis der RRF insgesamt positiv. “Es ist sehr gut, die kurz- und langfristigen Ziele zusammenzudenken“, sagte sie zum Ansatz der RRF, europäisches Geld im Gegenzug zu nationalen Reformen und Investitionen in europäische Prioritäten zu vergeben.
In einer Studie für das ZOE Institut fand sie heraus, dass die Resilienz der europäischen Wirtschaft dank der RRF trotz aller Krisen der vergangenen Jahre nicht zurückgegangen sei. Zudem habe sich die wirtschaftliche Resilienz speziell in jenen Mitgliedstaaten verbessert, die am meisten von der RRF profitieren konnten.
Sander Tordoir, Senior Economist beim Centre for European Reform (CER) sagte, die RRF müsse anhand ihrer verschiedenen Ziele unterschiedlich bewertet werden. Das primäre Ziel, den Mitgliedstaaten in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Nachfrage zusammenbrach, eine fiskalpolitische Brücke zu bieten, habe funktioniert. Dank der RRF hätten die Fiskalpolitik sowie die Geldpolitik am gleichen Strang gezogen und somit eine Wirtschaftskrise wie 2012/13 verhindert.
Das zweite Ziel, nämlich Investitionen in europäische Prioritäten zu fördern, ist laut Tordoir bisher je nach Mitgliedstaat unterschiedlich erfolgreich erreicht worden.
Hier setzt auch die Kritik Monika Hohlmeiers an. Die EVP-Abgeordnete ist Vorsitzende des Ausschusses für Budget-Kontrolle im Europäischen Parlament. Auch wenn sie die Idee der RRF für richtig hält, bewertet sie die Umsetzung als “reichlich mittelmäßig und mit vielen Problemen behaftet.”
“Es gibt in vielen Mitgliedstaaten nicht genügend administrative Kapazität, um die riesigen Summen ordnungsgemäß, effektiv und zielorientiert auszugeben.” Hohlmeier betont deshalb, dass die RRF “eine einmalige und befristete Ausnahme” bleiben soll.
In der EU-Kommission sieht man das nicht zwingend so. In einem der weniger kritischen Worte, die sie über die RRF verliert, gibt sie zwar zu, dass es bei der administrativen Kapazität der Mitgliedstaaten noch Verbesserungspotenzial gibt. Für sie ist die RRF aber auch ein Test dafür, wie die EU mit künftigen Herausforderungen umgehen soll.
Während Dombrovskis sich sehr zurückhaltend zeigt mit Aussagen zu künftigen Einsatzbeispielen eines RRF-ähnlichen Instruments, gibt Wirtschaftskommissar Gentiloni sich offensiver. Seiner Meinung nach sollte die EU im nächsten politischen Zyklus prüfen, ob ein ähnliches Instrument geeignet wäre, um europäische Herausforderungen im Verteidigungsbereich zu überwinden.
Hohlmeier begrüßt zwar, dass der Bereich Verteidigung auf europäischer Ebene angegangen wird, aber stellt sich gegen ein RRF-ähnliches Mittel mit diesem Zweck. “Ich bin überzeugt, dass ein eigenständiges umfassendes Verteidigungsprogramm über den EU-Haushalt laufen sollte, damit die Kontrolle und Einhaltung der Ziele durch das EU-Parlament sichergestellt werden”, sagte sie. Das RRF-Modell sei viel betrugsanfälliger.
Tordoir ist ebenfalls skeptisch, was eine Verteidigungs-RRF angeht. “Diese Art von Schulden-finanzierter Fiskalkapazität sollte für EU-weite Rezessionen vorbehalten sein”, sagt er. Öffentliche Güter wie zum Beispiel die Verteidigung könne man nicht in alle Ewigkeit über Schulden finanzieren. Dafür sei die Einkommensbasis der EU zu schmal.
Korinek hingegen weist darauf hin, dass die EU beim Auslaufen des aktuellen RRF im Jahr 2027 und dank der neuen EU-Schuldenregeln vor einer “gewaltigen fiskalischen Klippe” stehen werde. Die gelte es zu überwinden, gerade wenn eine europäische Industriepolitik Erfolg haben soll. “Es müssen nicht zwingend Schulden sein, aber es muss europäisch sein”, sagt sie.
Ist der Telekommunikationsmarkt in Europa dysfunktional oder nicht? Dass EU-Digitalkommissar Thierry Breton die Telekommunikationsanbieter in der EU als zu klein ansieht, ist lange bekannt. Die Vorschläge, die bereits in der vergangenen Woche durchsickerten, sind vor allem davon geprägt, dass Breton und Vestager die Tür für eine der umstrittensten Fragen der Telekommunikationsmärkte weiterhin offen lassen wollen: das sogenannte Sender-Pays- oder Fair-Share-Modell.
Table.Media hat viele Male berichtet, warum die Kritik an dieser Idee so lautstark ist: Zwar gibt es ein massives Ungleichgewicht, welcher Diensteanbieter welche Internetverkehre auf den Weg schickt. Traffic-intensive Anbieter wie Amazon oder Netflix machen einen Löwenanteil der Netzverkehre aus. Doch zugleich sind sie der Hauptgrund, warum Nutzer überhaupt teure Hochgeschwindigkeits-Internetzugänge buchen, 4k-Monitore und Fernseher kaufen: Es gibt so gut wie keinen Verkehr ohne einen Nutzer, der ihn veranlasst. Entsprechend fiel der Kommissionsvorstoß auch in dieser Legislatur jenseits der größten TK-Anbieter nicht auf fruchtbaren Boden, sondern erntete massive Kritik.
Die Kommission geht mit dem Whitepaper dennoch davon aus, dass in der Zukunft alle Segmente miteinander verschmelzen, vom Backbone über Mobilfunk bis hin zu Clouddiensten und Inhalteanbietern. Daher solle sowohl der Rechtsrahmen als auch die Kostenstrukturen überarbeitet und angepasst werden. “Wir müssen ein Level playing field für einen echten Digitalen Binnenmarkt schaffen, um die Investitionen auszulösen, die den Bau der digitalen Netzwerkinfrastrukturen von morgen ermöglichen”, sagt Breton.
Bloß ist keineswegs gesichert, dass Content- und Netzwerkanbieter künftig tatsächlich verschmelzen. Diese Tendenz wird seit 20 Jahren vorausgesagt – hat aber in Europa so nie stattgefunden und ist wissenschaftlich auch nicht belegt.
Denn gerade die Trennung von Netzinfrastruktur und Inhalten war das Erfolgsmodell des Internets. Dass sich das mit Cloud, IoT, 6G und vielen anderen aktuellen Entwicklungen tatsächlich ändert, ist real bislang nicht zu erkennen. Auch deshalb, weil der Regulierungsrahmen das mit voller Absicht erschwert. Breton aber fürchtet, dass die EU-Telekommunikationsunternehmen nicht stark genug für den Wettbewerb der Zukunft sein könnten und daher früher oder später deren Ausverkauf drohe.
Doch so ganz überzeugt scheint auch die EU-Kommission nicht: Erst einmal sollen Pilotprojekte zeigen, wie so ein skalierendes 3C-Netz praktisch aussehen würde. Das könnte etwa im Bereich Automobil und Telemedizin mit Großpiloten getestet werden, erläutern EU-Beamte. Beides Anwendungsfälle, die große Telekommunikationsunternehmen seit bald 20 Jahren als die nahe Zukunft voraussagen.
In dem Vorschlag sind auch weniger weit gehende Änderungen enthalten. Doch diese sind ebenfalls umstritten, insbesondere bei den Mitgliedstaaten. Während die Regulierer etwa beim Thema Frequenzpolitik regelmäßig wenig Handlungsnotwendigkeit sehen, will Breton die Kompetenz dafür am liebsten ganz nach Brüssel holen und damit europaweit einheitliche Standards schaffen.
Und auch die Idee, dass die Kupfer-Ausphasung bei den Breitbandanschlüssen koordinierter vonstattengehen sollte, klingt erst einmal charmant – mit 2030 ein echtes Zieldatum zu setzen, würde vielleicht einigen kupferbasierten Geschäftsmodellen Beine machen.
Allerdings verbindet Breton das erneut mit einem Vorschlag zur Entmachtung der nationalen Regulierer: Im Weißbuch wird ein Vorprodukt für Glasfaserzugänge als regulatorisch notwendig gesehen. Wer die Glasfaser hat, muss diese mit Wettbewerbern teilen – und die EU-Kommission könnte darüber anstelle der Regulierungsbehörden wachen, da dies europaweit einheitlich sein sollte. Dass das weiterhin nicht auf Gegenliebe stößt, dafür braucht es keine Wahrsagerfähigkeiten.
Um in der kommenden Legislatur eine grundsätzliche Überarbeitung des gerade erst mehrfach überarbeiteten Rechtsrahmens anzugehen, klingen viele Passagen des Whitepapers noch sehr vage. Ein EU-Beamter formulierte heute: “Zu diesem Zeitpunkt ist es noch sehr früh, vorauszusagen, was gemacht werden sollte.” Auch deshalb habe man erst Experten konsultiert, nun folge eine öffentliche Konsultation.
Lösen muss die vielen Konflikte und aufgeworfenen Fragen dann die kommende Kommission: Die Konsultation zum Weißbuch soll bis Ende Juni 2024 gehen. Erst danach könnte ein Digital Networks Act folgen, wie er Breton vorschwebt.
25.02.2024 – 18:00 Uhr, München/online
SZ, Diskussion Was können wir aus der KI-Entwicklung für die Zukunft lernen?
Die Süddeutsche Zeitung spricht mit Rudolf Seising vom Forschungsinstitut für Technik- und Wissenschaftsgeschichte am Deutschen Museum München über den Wandel von Big Data und Data Mining in der KI-Forschung und fragt, was wir aus der Entwicklung von KI für die Zukunft lernen können. INFOS & ANMELDUNG
26.02.-27.02.2024, online
FES, Workshop Journalismus und Künstliche Intelligenz: Europawahl 2024
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) schult Journalisten in der kritischen Auseinandersetzung mit den Gefahren von Desinformation und Manipulation im Wahlprozess und dem Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Beleuchtet werden konkrete Beispiele und Lösungsansätze im Kontext der Europawahl. INFOS & ANMELDUNG
27.02.2024 – 10:00-16:30 Uhr, Berlin/online
BDE, Seminar Aktuelles Vergaberecht für Abfallwirtschaft und Entsorgung
Das Seminar des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) gibt einen Überblick zu Änderungen, Rechtsprechung und Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit Ausschreibungen für die Abfallwirtschaft. INFOS & ANMELDUNG
27.02.2024 – 16:00-17:00 Uhr, online
SNV, Discussion DSA enforcement starts now – what changes can platform users expect?
Stiftung Neue Verantwortung will be hosting a background talk on the implementation of the provisions of the Digital Services Act as well as its implications for platform users, researchers and civil society. INFO & REGISTRATION
27.02.2024 – 18:00-19:00 Uhr, Berlin/online
Hertie School, Presentation Between Brexit and the general elections: the political and economic challenges confronting the UK
Anand Menon, Professor of European Politics and Foreign Affairs at King’s College London, will delve into the economic and political landscape of the UK and anticipate the impact of the general elections on the relationship between London and Brussels. INFO & REGISTRATION
Nach der CDU stellt sich auch die Europäische Volkspartei (EVP) hinter die Kandidatur von Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission. “Wir sind stolz darauf, Ursula von der Leyen als einzige Kandidatin zu haben”, sagte EVP-Partei- und Fraktionschef Manfred Weber in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Brüssel. Zwei weitere Parteien unterstützten von der Leyens Bewerbung, fügte er hinzu: die Bürgerplattform von Donald Tusk in Polen, und die Nea Dimokratia von Kyriakos Mitsotakis in Griechenland. Die französische konservative Partei kündigte hingegen an, von der Leyens Kandidatur nicht zu unterstützen.
Von der Leyen kündigte an, die Themen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und Sicherheit ins Zentrum des Europawahlkampfes zu stellen. Die Kommissionspräsidentin betonte zugleich, sie wolle “die Richtung des Green Deal beibehalten. Wir müssen unsere Klimaziele erreichen, und wir müssen es gemeinsam mit den Menschen und mit den Unternehmen schaffen.”
Manfred Weber beanspruchte die Urheberschaft für die EVP: “Wir sind die Partei des Green Deal”, sagte er. Die Christdemokraten hätten etwa für das Klimagesetz gestimmt, im Gegensatz zu den Grünen. Allerdings hatte die EVP-Fraktion angesichts lauter werdender Proteste aus Industrie und Landwirtschaft mehrere Vorhaben des Gesetzespakets infrage gestellt.
Von der Leyen pochte angesichts jüngster Kritik aus mehreren Mitgliedstaaten und der Branche auf ihrem Anspruch, eine stärkere Rolle in der Verteidigungsindustrie zu spielen. Dies sei “eine Kernkompetenz” der Kommission. Sie wiederholte ihre Idee, den Posten eines Verteidigungskommissars zu schaffen und die europäische Verteidigungsindustrie zu stärken. Die EU müsse ihre “Verteidigungsfähigkeit stärken”, und zwar in “enger Partnerschaft” mit der Nato. Auf die Frage, ob Kaja Kallas, Estlands derzeitige Premierministerin, die richtige Kandidatin für das Amt der Verteidigungskommissarin sein könnte, sagte von der Leyen, es sei “zu früh”, um über Persönlichkeiten zu sprechen.
Sie nannte auch Kriterien für Parteien, mit denen die EVP im neuen Europaparlament zusammenarbeiten könne. “Es ist mir wichtig, mit pro-europäischen, pro-Nato, pro-ukrainischen Gruppen zusammenzuarbeiten, die unsere demokratischen Werte klar unterstützen”, sagte sie. Und ergänzte: “Diejenigen, die gegen die Rechtsstaatlichkeit sind – unmöglich! Putin-Freunde – unmöglich!”. Weber wies darauf hin, dass in der nationalkonservativen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) derzeit heftige Richtungskämpfe tobten. cst/tho
Deutsche Forderungen seien ernst genommen und berücksichtigt worden, kommentiert Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) die Trilog-Einigung zur Luftreinhaltungsrichtlinie am Dienstag. Die Bundesregierung habe sich erfolgreich eingesetzt, damit es nicht zu Fahrverboten komme, so Lemke. Mit dem ursprünglichen Text der Richtlinie wären an verschiedenen Orten Fahrverbote zu befürchten gewesen, heißt es aus Ministeriumskreisen. Die Bundesregierung habe dafür gesorgt, dass Luftgrenzwerte auch ohne einschneidende Maßnahmen erreichbar sind.
Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), widerspricht dieser Auffassung jedoch. Die neue Richtlinie könne in Deutschland zu “unzumutbaren Eingriffen in Wirtschaft, Mobilität, Landwirtschaft und Wohnen führen.” Weitreichende Fahrverbote für Pkw und Lkw seien zudem wieder denkbar. “Es ist völlig unrealistisch, die im Trilog beschlossenen Luftgrenzwerte 2030 einzuhalten.” Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub seien nur durch den Hochlauf der Elektromobilität und die Wasserstofftransformation einzuhalten. “Deren Effekte werden aber erst weit nach 2030 ausreichend sein”, so Lösch.
Lemke bezeichnet den Kompromiss als “Fortschritt für saubere Luft und die Gesundheit der Menschen in Europa”. Rückendeckung kommt von der Brüsseler NGO Health and Environment Alliance (HEAL). Die Einigung umfasse die Aktualisierungen der Höchstwerte für die wichtigsten Luftschadstoffe, verschärfte Überwachungsvorschriften und eine bessere Information der Bevölkerung, einschließlich gefährdeter Gruppen. “Mit dem Gesetzentwurf werden auch neue Regeln für den Zugang zur Justiz und für Entschädigungen eingeführt”, schreibt HEAL.
Lösch hingegen moniert, das Gesetz gefährde die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität. Für die Umsetzung der beschlossenen Klimaziele sei ein Umbau weiter Teile der Wirtschaft erforderlich. “Die neuen Luftqualitätsgrenzwerte könnten Umbauprojekte verzögern oder sogar verhindern, auch wenn diese der Klimaneutralität und der Transformation dienen”, sagt Lösch.
Steffen Bilger, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, bezeichnet die Trilog-Einigung als “grotesk”. Die Bundesregierung habe die Warnung von Kommunen und Wirtschaft vor “flächendeckenden Fahrverboten und massiven Einschnitten bei der Mobilität sowie vor Einschränkungen für die industrielle Produktion bis hin zur Abschaltung von Anlagen komplett ignoriert”. Zudem rechnet Bilger aufgrund der neu vorgesehenen individuellen Entschädigungsrechte mit Klagewellen. luk
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) hat in einem Brief Bundesfinanzminister Christian Lindner dazu aufgefordert, die EU-Verpackungsverordnung nicht zu blockieren. Lindner solle vielmehr Sorge dafür tragen, dass die Bundesregierung “einen konstruktiven Beitrag zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen noch in dieser EU-Legislaturperiode” leiste.
Vergangene Woche hatte Table.Media über einen möglichen Deal zwischen Lindner und Italien berichtet, in dem Rom dem FDP-Chef zu einer Sperrminorität im Rat bei der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) verhelfe und Lindner im Gegenzug dabei unterstütze, die Verpackungsverordnung zu blockieren.
Die Verpackungsverordnung dürfe nicht “zum Gegenstand eines politischen Kuhhandels werden”, schreiben BDE-Hauptgeschäftsführer Andreas Bruckschen und der Leiter der Brüsseler Vertretung des BDE, Christian Suhl. Sie warnen vor dem “allgemeinen politischen Schaden”, den ein solcher Deal dem Ansehen der Bundesregierung auf europäischer Ebene zufügen würde.
Das Gesetz sei “für die deutsche Recyclingwirtschaft von existenzieller Bedeutung“, heißt es in dem Schreiben. Die Vorgaben zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen und zum Einsatz von Rezyklat seien notwendig, um den Markt für Rezyklate zu stimulieren. Die Recyclingindustrie für Kunststoffe stehe aufgrund der niedrigen Primärrohstoffpreise und der deshalb geringen Nachfrage nach Rezyklat unter Druck; auch die hohen Energiepreise sowie der Konkurrenzdruck durch Importe aus Asien machten der hiesigen Industrie zu schaffen.
Auf eine Anfrage vom gestrigen Mittwoch reagierte das Bundesfinanzministerium bisher nicht. Die EU-Verpackungsverordnung wird derzeit im Trilog verhandelt. Laut Entwurf sollen alle Verpackungen in der EU ab 2030 recyclingfähig sein. Hierüber sind sich Rat und Parlament weitgehend einig. Schwieriger sind die Verhandlungen über Mehrwegquoten und das Verbot einiger Einwegverpackungen. Beim nächsten Treffen auf politischer Ebene am 4. März wird eine Einigung angestrebt. leo
Zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine hat sich die EU auf neue Sanktionen geeinigt. Das 13. Sanktionspaket sei eines der “bisher umfangreichsten”, sagte der belgische Ratsvorsitz nach der Grundsatzeinigung der Ständigen Vertreter am Mittwoch in Brüssel. Der formelle Beschluss wird am Samstag erwartet, pünktlich zum Jahrestag des Kriegsbeginns.
Nach Angaben des Ratsvorsitzes werden fast 200 Personen, Unternehmen und Organisationen neu auf die Sanktionsliste gesetzt. Insgesamt hat die EU damit rund 2000 mutmaßlich Verantwortliche für den Ukraine-Krieg gelistet. Ein besonderer Fokus liegt diesmal auf der Produktion von Drohnen, die die EU erschweren möchte. Betroffen sind auch Firmen mit Sitz in China und in der Türkei.
So wird europäischen Unternehmen der Handel mit drei Firmen vom chinesischen Festland untersagt, die militärisch nutzbare Güter nach Russland liefern. Die Strafen betreffen auch den nordkoreanischen Verteidigungsminister, der Raketen an Moskau geliefert haben soll. “Wir müssen Putins Kriegsmaschinerie weiter schwächen”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel.
Das neue Sanktionspaket sei ohne Diskussion angenommen worden, teilte der belgische Ratsvorsitz mit. Nur Ungarn habe ein Statement abgegeben, sich dem Beschluss jedoch nicht widersetzt. Die Regierung von Viktor Orbán hatte versucht, mehrere Namen von der neuen Liste zu streichen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.
Gescheitert sind auch Versuche, das Paket aufzuwerten. So war im Vorfeld von einer Ausweitung der Wirtschaftssanktionen die Rede. EU-Chefdiplomat Josep Borrell kündigte zudem neue Strafen nach dem Tod des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny an. Dafür brauche es jedoch mehr Zeit, hieß es in Brüssel. Das neue Sanktionspaket hat daher vor allem symbolischen Wert – es soll zeigen, dass die EU zwei Jahre nach Kriegsbeginn nicht nachlässt.
Mehr Zeit brauchen die EU-Staaten auch für die geplante Reform der Europäischen Friedensfazilität EPF, aus der Waffenkäufe für die Ukraine finanziert werden. Borrell hatte eine Aufstockung um 5 Milliarden Euro vorgeschlagen. Deutschland hat jedoch einen Beschluss blockiert und eine Reform angemahnt. Künftig sollten auch bilaterale Hilfen angerechnet werden, fordert Berlin.
Außerdem will die Bundesregierung erreichen, dass die Freigabe von Finanzmitteln aus der EPF künftig nicht mehr von einem Land blockiert werden kann. Ungarn verhindert immer noch die Auszahlung der 8. Tranche, die bereits im vergangenen Jahr geplant war. Die Friedensfazilität brauche eine neue, effiziente Architektur, heißt es in Berlin. Dazu würden auch neue Finanzierungsschlüssel benötigt.
Die deutschen Wünsche werden jedoch nur von wenigen EU-Staaten geteilt. Die Mehrheit fordert eine schnelle Entscheidung. Einen “deutschen Rabatt” auf die Zahlungen an den EPF dürfe es nicht geben, heißt es in Brüsseler Ratskreisen, die Blockade müsse enden. Beim AStV am Mittwoch wurde jedoch keine Einigung erzielt; sie wird nun erst zum nächsten Europäischen Rat im März erwartet. ebo
Europaabgeordnete des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung sind dazu aufgerufen worden, ihre Handys auf Spionagesoftware überprüfen zu lassen. In zwei Geräten gefundene Spuren erforderten “diese besondere Aufmerksamkeit”, teilte das Parlament am Mittwoch mit.
Mitgliedern und Mitarbeitern des Unterausschusses werde dringend empfohlen, ihre Mobiltelefone auf mögliche Spyware-Installationen überprüfen zu lassen, heißt es in einer internen E-Mail der IT-Abteilung des Parlaments, die der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Nach Informationen der dpa ist eins der betroffenen Handys ein Abgeordneten-Handy.
In dem Unterausschuss sind auch die deutschen Abgeordneten Özlem Demirel (Linke), Maximilian Krah (AfD) und Hannah Neumann (Grüne) Mitglied. Neumann zeigte sich nicht überrascht. “Auch wenn in diesem Fall die finale Bestätigung noch aussteht: Der Einsatz von Spyware wird zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko in Europa.” Sie überprüfe ihr Telefon regelmäßig und habe es nach dem Vorfall erneut getan. Leider hätten noch nicht alle Kolleginnen und Kollegen dieses Bewusstsein. dpa
Olaf Scholz tritt zur Europawahl an: Das würden wohl die meisten direkt in die Welt der Fake-News verfrachten. Anders in Italien. Hier liebäugelt die Regierungschefin tatsächlich damit, ihren Namen Anfang Juni auf den Wahlzetteln zu lesen. Giorgia Meloni hat sich noch nicht entschieden, ob sie bei der Europawahl für ihre Fratelli d’Italia kandidieren wird oder nicht.
Steht Rom also bald ohne Ministerpräsidentin da? Das zumindest schließt Meloni aus, Wahlzettel hin oder her. Statt mit Fake-News haben es die Italienerinnen und Italiener vielleicht bald mit Fake-Kandidaturen zu tun. “Die Bürger wissen, dass ich nicht nach Europa gehe”, sagte Meloni bereits Anfang des Jahres. Sie schätze aber nun einmal jede Gelegenheit, sich dem Votum ihrer Mitmenschen zu stellen.
Meloni sieht keinen Widerspruch darin, für ein Amt zu kandidieren, das sie 100-prozentig nicht antreten wird. Ihre Idee: Wenn sie sich dafür entscheide, würde das vielleicht auch andere Parteichefs dazu bewegen, ihr Gesicht zu zeigen – und die Abstimmung in Italien damit auf ein ganz anderes Level heben. Und ja: Auch Elly Schlein, die Chefin des sozialdemokratischen Partito Democratico, lässt noch alles offen.
Welche Auswirkungen Fake-Kandidaturen auf das echte Wahlergebnis hätten, zeigt eine aktuelle Umfrage des Instituts Noto, über die “La Repubblica” am Mittwoch berichtete. Ohne Meloni auf dem Wahlzettel kämen die Fratelli d’Italia auf 27,5 Prozent. Mit ihr auf 30 Prozent. Der PD käme mit Schlein auf 20,5 statt auf 19,5 Prozent. Auch die Wahlbeteiligung könnte mit prominenten Namen im Rennen um vier Prozentpunkte auf 54 steigen. Fake oder nicht fake.
Klar ist momentan wohl nur: Von Ex-Premier Matteo Renzi, unter dessen Führung der PD bei den Europawahlen 2014 sagenhafte 40,8 Prozent holte, will in Italien kein Mensch mehr etwas wissen. Zehn Jahre später liegt die von ihm gegründete Kleinstpartei Italia Viva in den Umfragen bei drei Prozent – egal ob er selbst kandidiert oder nicht. Almut Siefert
die Industrie macht Druck. Während sich das internationale Handelsumfeld verdüstert, richtet sich der Fokus der europäischen Großunternehmen zurück auf den heimischen Binnenmarkt. Vorgestern lancierte die europäische Chemie- und Schwerindustrie ihren Appel für einen “Industrial Deal”, heute lädt der “European Roundtable for Industry” (ERT) zum großen Stelldichein im Brüsseler Auto-Museum.
Neben CEOs und anderen Unternehmensvertretern sind auch Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager und die belgische Außen- und Handelsministerin Hadja Lahbib da. Enrico Letta, der kurz zuvor im Binnenmarktkomitee des Parlaments über seinen Binnenmarktbericht sprechen soll, wird ebenfalls zugegen sein.
Der ERT war schon eine treibende Kraft bei der Geburt des Binnenmarkts. Nun fordert die Industrieallianz einen neuen “Delors-Moment”, um den Binnenmarkt vertieft zu integrieren. In zwei Publikationen, die der ERT heute präsentieren wird, zeigt die europäische Industrie auf, welche Hindernisse sie besonders stören: von der fehlenden Kapitalmarktunion bis zu Schwierigkeiten bei der Arbeiterentsendung.
Die von Existenzangst geplagten Industriellen wollen auch eine unternehmensfreundlichere Umgestaltung der EU-Kommission. Darum bringen sie die Idee einer neuen Generaldirektion für Marktintegration (DG MINT) ins Spiel.
Die Ideen und Wünsche für eine zukunftsfähige europäische Industrie sind also vorhanden. Bleibt zu hoffen, dass sie funktionieren – sonst gehören die Industriellen im Museum bald nicht mehr zu den Gästen, sondern zum Inventar.
Die CO₂-Flottengesetzgebung der EU kommt unter Druck. CDU und CSU werden mit der Forderung in die Europawahl ziehen, das darin festgeschriebene Verbrenner-Aus im Jahr 2035 zu revidieren. Sie bringen damit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Zugzwang, die als Spitzenkandidatin der christdemokratischen Parteienfamilie EVP eine zweite Amtszeit anstrebt.
In ihrer ersten Amtszeit hatte die Kommission das Verbrenner-Aus vorgeschlagen. Ob sich die CDU-Politikerin die Forderung der sie nominierenden Parteien zu eigen macht, ist offen. Bei ihrer offiziellen Vorstellung als EVP-Spitzenkandidatin durch EVP-Chef Manfred Weber wich sie aus und verwies auf die Rechtslage: “2035 müssen die CO₂-Flottengrenzwerte auf null sinken”, sagte sie auf Frage von Table.Media. Sie erwähnte den Vorschlag der Kommission, mit dem auch nach 2035 der Betrieb von Neufahrzeugen ausschließlich mit E-Fuels möglich sei. Dieser Vorschlag hat aber bislang im Rat keine Mehrheit gefunden.
Von der Leyen verwies zudem auf die im Gesetz vorgesehene Überprüfung der CO₂-Flottengesetzgebung im Jahr 2026. Dann also könnte die Kommission den Vorschlag machen, die CO₂-Flottengesetzgebung zu überarbeiten und in diesem Zuge auch das Verbrenner-Aus zurückzunehmen. Möglich wäre auch, den Herstellern eine Anrechnung von E-Fuels auf die CO₂-Flottengrenzwerte zu erlauben. Ob die nächste Kommission diesen Weg beschreitet, ist aber offen.
In der zu Ende gehenden Wahlperiode gab es weder im Rat noch im Europaparlament Mehrheiten für eine Zukunft des Verbrenners. Die Hoffnung der Anhänger der Technologie ist, dass sich mit den Europawahlen vom 2. bis 9. Juni die Mehrheiten ändern. Auch im Gremium der Mitgliedstaaten hat die Zahl der von Christdemokraten regierten Staaten zuletzt zugenommen.
Auf Seiten der Industrie gibt es erste Bewegungen. Wichtige Zulieferer halten das politisch verhängte Verbrenner-Aus 2035 für verfrüht. Sie kalkulieren damit, dass “der Verbrenner immer einen Marktanteil von 15 Prozent haben wird”, wie Vertreter Table.Media sagten.
Bislang haben die großen Zulieferer nicht öffentlich gefordert, das Verbrenner-Aus zu kippen. Nach Informationen von Table.Media wird aber gerade in den Unternehmen die Kommunikationsstrategie zum Verbrenner überdacht. In der politischen Abteilung eines großen deutschen Zulieferers heißt es: “Die Zulieferer würden sich freuen, wenn das Verbrenner-Aus gekippt würde.”
Benjamin Krieger vom europäischen Dachverband der Zulieferer Clepa ist dafür, die CO₂-Flottengesetzgebung noch einmal anzupacken: “Automobilzulieferer stehen für Technologieoffenheit und Klimaschutz.” Alle Technologien, die zur Emissionsreduktion beitragen, sollten dies tun: Elektromobilität, Wasserstoff, erneuerbare Kraftstoffe. “Dafür brauchen wir eine CO₂-Regulierung, die für Emissionsreduktion sorgt, ohne Technologien vorzuschreiben. Der Review der Regulierung sollte dies einbeziehen.”
Die Autohersteller haben sich weitgehend der E-Mobilität verschrieben. Bei ihnen basiert die Investitionsplanung darauf, im Jahr 2030 70 Prozent der Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb zu verkaufen. VW etwa will 2024 und 2025 letztmalig in die Verbrennertechnologie investieren, danach aber die Summen deutlich zurückfahren.
Auch bei den Herstellern gibt es aber erste Anzeichen für ein Umdenken. Mercedes-Chef Ola Källenius schwächte jüngst das Ziel ab, ab 2030 “überall dort, wo es die Marktlage zulässt”, vollelektrisch zu werden. Er sagte: Auch deutlich nach 2030 würden Kunden “selbstverständlich” Verbrenner von Mercedes bekommen.
BMW-Chef Oliver Zipse hat schon immer Technologieneutralität gefordert. VW-Chef Oliver Blume hat in seiner vorherigen Funktion als Porsche-Chef dafür gesorgt, dass Porsche selbst in die Produktion von klimaneutralen Kraftstoffen in Chile eingestiegen ist. Bislang hat er jedoch nicht zu erkennen gegeben, ob er E-Fuels auch im Mutterkonzern VW für eine Lösung sieht.
Die CO₂-Flottengesetzgebung wird im Jahr 2030 Herstellern in der EU nur noch erlauben, Neuwagen zuzulassen, die im Schnitt weniger als 50 Gramm CO₂ je gefahrenen Kilometer ausstoßen. Wird das Ziel verfehlt, drohen Strafzahlungen. Das entspricht einem Verbrauch von zwei Litern auf hundert Kilometern. Die EU-Regulierung stellt damit ein starkes Hindernis für Hersteller dar, sparsame Verbrennermotoren herzustellen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass mit derzeitiger Technik höchst sparsame Dieselmotoren gebaut werden können, die etwa mit drei Litern Diesel auf 100 Kilometern auskommen.
Trotz der EU-Regulierung haben die Hersteller die Entwicklung von Verbrennermotoren nicht eingestellt. Nächste Woche wird Porsche etwa einen neuen Acht-Zylinder-Motor bei einem Motorenkongress des VDI in Baden-Baden vorstellen. Mercedes entwickelt mit chinesischen Partnern einen neuen Vier-Zylinder-Motor für einen Pkw. Renault hat seine Verbrennertechnologie in ein Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern eingebracht. Das Unternehmen heißt Aurobay und hat angekündigt, “langfristig” acht Millionen Motoren für Pkw im Jahr in 19 Werken weltweit zu produzieren.
Auf den wichtigsten Exportmärkten für die deutschen Hersteller – China, USA und Großbritannien – gibt es den Trend zurück zum Verbrenner. US-Präsident Joe Biden machte kürzlich Abstriche bei der ehrgeizigen E-Auto-Strategie. Der geplante Hochlauf der Technologie solle gebremst werden. Sollte Donald Trump zurückkommen, wäre eine Renaissance des Verbrenners wahrscheinlich. Großbritannien hat das für 2030 geplante Verbrenner-Aus um fünf Jahre hinausgeschoben.
Auch in China, dem größten Automarkt der Welt, wird weiter auf den Verbrenner gesetzt: Laut einer Schätzung der chinesischen Regierung aus dem Vorjahr wird der Verbrennungsmotor bis ins Jahr 2060 im Betrieb mit E-Fuels eine “entscheidende Rolle” spielen.
Falls das Verbrenner-Aus kippt, hätte das Folgen für die Klima-Ziele der EU. Es würden mehr Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen als geplant und damit der CO₂-Ausstoß im Verkehr höher liegen. Es sei denn, die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor würden nach 2035 ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels betankt. Die CO₂-Flottengesetzgebung ist Teil des Green Deal und stellt sicher, dass die EU den CO₂-Ausstoß 2035 um 55 Prozent gegenüber 1990 senkt. Bis 2040 will die EU-Kommission den CO₂-Ausstoß um 90 Prozent senken und spätestens 2050 klimaneutral sein. Von der Leyen betonte gestern: “Wir müssen unsere Klima-Ziele erreichen.”
Die Folgenabschätzung der Kommission für das Klimaziel 2040 basiert auf dem Auslaufen der Technologie 2035. Demnach würde der Anteil von Verbrennern bis 2040 auf 26 Prozent im Pkw-Bestand sinken. Zehn Jahre später soll der Verbrenner, so die Kommission, nur noch zwei Prozent ausmachen. Der Anteil von batterieelektrischen Autos soll laut Kommissionsplanungen 2040 bei 57 Prozent liegen und 2050 bereits 79 Prozent ausmachen.
Die Folgenabschätzung zum Anteil von E-Fuels ist nicht so präzise. Hier heißt es: 2040 könnte gut zehn Prozent des Energieverbrauchs durch E-Fuels gedeckt werden. Bis 2050 gehe der Anteil dann aber deutlich zurück. Sollte das Verbrenner-Aus kippen, wären diese Zahlen Makulatur. Mit Claire Stam, Manuel Berkel
Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis und Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni präsentierten am gestrigen Mittwoch eine erfolgreiche Zwischenbilanz der Aufbau- und Resilienzfazilität RRF. Sie habe in einer schwierigen Zeit Vertrauen geschaffen, sagte Dombrovskis auf der Pressekonferenz. Gentiloni erinnerte daran, dass die Ankündigung der RRF geholfen habe, die Spreads zwischen den europäischen Staatsanleihen zu reduzieren.
Bis jetzt wurden schon 225 Milliarden Euro an Mitgliedstaaten ausgezahlt. Laut Kommission hatte dieses Geld unter anderem die folgenden Effekte:
Ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs kritisierte im vergangenen Herbst, dass die Messmethodik der EU-Kommission zwar die Erfüllung der Pläne, Reformschritte und Auszahlungen gut messen würde, aber nicht geeignet sein, um das finale Ergebnis zu prüfen.
Auch Lydia Korinek, wirtschaftspolitische Beraterin beim ZOE Institut, kritisiert die Indikatoren der EU-Kommission. Sie sagten wenig aus über die langfristigen Effekte der RRF. Um diese zu überprüfen, müsse man aber ohnehin noch abwarten.
Dennoch sieht Korinek das Ergebnis der RRF insgesamt positiv. “Es ist sehr gut, die kurz- und langfristigen Ziele zusammenzudenken“, sagte sie zum Ansatz der RRF, europäisches Geld im Gegenzug zu nationalen Reformen und Investitionen in europäische Prioritäten zu vergeben.
In einer Studie für das ZOE Institut fand sie heraus, dass die Resilienz der europäischen Wirtschaft dank der RRF trotz aller Krisen der vergangenen Jahre nicht zurückgegangen sei. Zudem habe sich die wirtschaftliche Resilienz speziell in jenen Mitgliedstaaten verbessert, die am meisten von der RRF profitieren konnten.
Sander Tordoir, Senior Economist beim Centre for European Reform (CER) sagte, die RRF müsse anhand ihrer verschiedenen Ziele unterschiedlich bewertet werden. Das primäre Ziel, den Mitgliedstaaten in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Nachfrage zusammenbrach, eine fiskalpolitische Brücke zu bieten, habe funktioniert. Dank der RRF hätten die Fiskalpolitik sowie die Geldpolitik am gleichen Strang gezogen und somit eine Wirtschaftskrise wie 2012/13 verhindert.
Das zweite Ziel, nämlich Investitionen in europäische Prioritäten zu fördern, ist laut Tordoir bisher je nach Mitgliedstaat unterschiedlich erfolgreich erreicht worden.
Hier setzt auch die Kritik Monika Hohlmeiers an. Die EVP-Abgeordnete ist Vorsitzende des Ausschusses für Budget-Kontrolle im Europäischen Parlament. Auch wenn sie die Idee der RRF für richtig hält, bewertet sie die Umsetzung als “reichlich mittelmäßig und mit vielen Problemen behaftet.”
“Es gibt in vielen Mitgliedstaaten nicht genügend administrative Kapazität, um die riesigen Summen ordnungsgemäß, effektiv und zielorientiert auszugeben.” Hohlmeier betont deshalb, dass die RRF “eine einmalige und befristete Ausnahme” bleiben soll.
In der EU-Kommission sieht man das nicht zwingend so. In einem der weniger kritischen Worte, die sie über die RRF verliert, gibt sie zwar zu, dass es bei der administrativen Kapazität der Mitgliedstaaten noch Verbesserungspotenzial gibt. Für sie ist die RRF aber auch ein Test dafür, wie die EU mit künftigen Herausforderungen umgehen soll.
Während Dombrovskis sich sehr zurückhaltend zeigt mit Aussagen zu künftigen Einsatzbeispielen eines RRF-ähnlichen Instruments, gibt Wirtschaftskommissar Gentiloni sich offensiver. Seiner Meinung nach sollte die EU im nächsten politischen Zyklus prüfen, ob ein ähnliches Instrument geeignet wäre, um europäische Herausforderungen im Verteidigungsbereich zu überwinden.
Hohlmeier begrüßt zwar, dass der Bereich Verteidigung auf europäischer Ebene angegangen wird, aber stellt sich gegen ein RRF-ähnliches Mittel mit diesem Zweck. “Ich bin überzeugt, dass ein eigenständiges umfassendes Verteidigungsprogramm über den EU-Haushalt laufen sollte, damit die Kontrolle und Einhaltung der Ziele durch das EU-Parlament sichergestellt werden”, sagte sie. Das RRF-Modell sei viel betrugsanfälliger.
Tordoir ist ebenfalls skeptisch, was eine Verteidigungs-RRF angeht. “Diese Art von Schulden-finanzierter Fiskalkapazität sollte für EU-weite Rezessionen vorbehalten sein”, sagt er. Öffentliche Güter wie zum Beispiel die Verteidigung könne man nicht in alle Ewigkeit über Schulden finanzieren. Dafür sei die Einkommensbasis der EU zu schmal.
Korinek hingegen weist darauf hin, dass die EU beim Auslaufen des aktuellen RRF im Jahr 2027 und dank der neuen EU-Schuldenregeln vor einer “gewaltigen fiskalischen Klippe” stehen werde. Die gelte es zu überwinden, gerade wenn eine europäische Industriepolitik Erfolg haben soll. “Es müssen nicht zwingend Schulden sein, aber es muss europäisch sein”, sagt sie.
Ist der Telekommunikationsmarkt in Europa dysfunktional oder nicht? Dass EU-Digitalkommissar Thierry Breton die Telekommunikationsanbieter in der EU als zu klein ansieht, ist lange bekannt. Die Vorschläge, die bereits in der vergangenen Woche durchsickerten, sind vor allem davon geprägt, dass Breton und Vestager die Tür für eine der umstrittensten Fragen der Telekommunikationsmärkte weiterhin offen lassen wollen: das sogenannte Sender-Pays- oder Fair-Share-Modell.
Table.Media hat viele Male berichtet, warum die Kritik an dieser Idee so lautstark ist: Zwar gibt es ein massives Ungleichgewicht, welcher Diensteanbieter welche Internetverkehre auf den Weg schickt. Traffic-intensive Anbieter wie Amazon oder Netflix machen einen Löwenanteil der Netzverkehre aus. Doch zugleich sind sie der Hauptgrund, warum Nutzer überhaupt teure Hochgeschwindigkeits-Internetzugänge buchen, 4k-Monitore und Fernseher kaufen: Es gibt so gut wie keinen Verkehr ohne einen Nutzer, der ihn veranlasst. Entsprechend fiel der Kommissionsvorstoß auch in dieser Legislatur jenseits der größten TK-Anbieter nicht auf fruchtbaren Boden, sondern erntete massive Kritik.
Die Kommission geht mit dem Whitepaper dennoch davon aus, dass in der Zukunft alle Segmente miteinander verschmelzen, vom Backbone über Mobilfunk bis hin zu Clouddiensten und Inhalteanbietern. Daher solle sowohl der Rechtsrahmen als auch die Kostenstrukturen überarbeitet und angepasst werden. “Wir müssen ein Level playing field für einen echten Digitalen Binnenmarkt schaffen, um die Investitionen auszulösen, die den Bau der digitalen Netzwerkinfrastrukturen von morgen ermöglichen”, sagt Breton.
Bloß ist keineswegs gesichert, dass Content- und Netzwerkanbieter künftig tatsächlich verschmelzen. Diese Tendenz wird seit 20 Jahren vorausgesagt – hat aber in Europa so nie stattgefunden und ist wissenschaftlich auch nicht belegt.
Denn gerade die Trennung von Netzinfrastruktur und Inhalten war das Erfolgsmodell des Internets. Dass sich das mit Cloud, IoT, 6G und vielen anderen aktuellen Entwicklungen tatsächlich ändert, ist real bislang nicht zu erkennen. Auch deshalb, weil der Regulierungsrahmen das mit voller Absicht erschwert. Breton aber fürchtet, dass die EU-Telekommunikationsunternehmen nicht stark genug für den Wettbewerb der Zukunft sein könnten und daher früher oder später deren Ausverkauf drohe.
Doch so ganz überzeugt scheint auch die EU-Kommission nicht: Erst einmal sollen Pilotprojekte zeigen, wie so ein skalierendes 3C-Netz praktisch aussehen würde. Das könnte etwa im Bereich Automobil und Telemedizin mit Großpiloten getestet werden, erläutern EU-Beamte. Beides Anwendungsfälle, die große Telekommunikationsunternehmen seit bald 20 Jahren als die nahe Zukunft voraussagen.
In dem Vorschlag sind auch weniger weit gehende Änderungen enthalten. Doch diese sind ebenfalls umstritten, insbesondere bei den Mitgliedstaaten. Während die Regulierer etwa beim Thema Frequenzpolitik regelmäßig wenig Handlungsnotwendigkeit sehen, will Breton die Kompetenz dafür am liebsten ganz nach Brüssel holen und damit europaweit einheitliche Standards schaffen.
Und auch die Idee, dass die Kupfer-Ausphasung bei den Breitbandanschlüssen koordinierter vonstattengehen sollte, klingt erst einmal charmant – mit 2030 ein echtes Zieldatum zu setzen, würde vielleicht einigen kupferbasierten Geschäftsmodellen Beine machen.
Allerdings verbindet Breton das erneut mit einem Vorschlag zur Entmachtung der nationalen Regulierer: Im Weißbuch wird ein Vorprodukt für Glasfaserzugänge als regulatorisch notwendig gesehen. Wer die Glasfaser hat, muss diese mit Wettbewerbern teilen – und die EU-Kommission könnte darüber anstelle der Regulierungsbehörden wachen, da dies europaweit einheitlich sein sollte. Dass das weiterhin nicht auf Gegenliebe stößt, dafür braucht es keine Wahrsagerfähigkeiten.
Um in der kommenden Legislatur eine grundsätzliche Überarbeitung des gerade erst mehrfach überarbeiteten Rechtsrahmens anzugehen, klingen viele Passagen des Whitepapers noch sehr vage. Ein EU-Beamter formulierte heute: “Zu diesem Zeitpunkt ist es noch sehr früh, vorauszusagen, was gemacht werden sollte.” Auch deshalb habe man erst Experten konsultiert, nun folge eine öffentliche Konsultation.
Lösen muss die vielen Konflikte und aufgeworfenen Fragen dann die kommende Kommission: Die Konsultation zum Weißbuch soll bis Ende Juni 2024 gehen. Erst danach könnte ein Digital Networks Act folgen, wie er Breton vorschwebt.
25.02.2024 – 18:00 Uhr, München/online
SZ, Diskussion Was können wir aus der KI-Entwicklung für die Zukunft lernen?
Die Süddeutsche Zeitung spricht mit Rudolf Seising vom Forschungsinstitut für Technik- und Wissenschaftsgeschichte am Deutschen Museum München über den Wandel von Big Data und Data Mining in der KI-Forschung und fragt, was wir aus der Entwicklung von KI für die Zukunft lernen können. INFOS & ANMELDUNG
26.02.-27.02.2024, online
FES, Workshop Journalismus und Künstliche Intelligenz: Europawahl 2024
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) schult Journalisten in der kritischen Auseinandersetzung mit den Gefahren von Desinformation und Manipulation im Wahlprozess und dem Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Beleuchtet werden konkrete Beispiele und Lösungsansätze im Kontext der Europawahl. INFOS & ANMELDUNG
27.02.2024 – 10:00-16:30 Uhr, Berlin/online
BDE, Seminar Aktuelles Vergaberecht für Abfallwirtschaft und Entsorgung
Das Seminar des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) gibt einen Überblick zu Änderungen, Rechtsprechung und Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit Ausschreibungen für die Abfallwirtschaft. INFOS & ANMELDUNG
27.02.2024 – 16:00-17:00 Uhr, online
SNV, Discussion DSA enforcement starts now – what changes can platform users expect?
Stiftung Neue Verantwortung will be hosting a background talk on the implementation of the provisions of the Digital Services Act as well as its implications for platform users, researchers and civil society. INFO & REGISTRATION
27.02.2024 – 18:00-19:00 Uhr, Berlin/online
Hertie School, Presentation Between Brexit and the general elections: the political and economic challenges confronting the UK
Anand Menon, Professor of European Politics and Foreign Affairs at King’s College London, will delve into the economic and political landscape of the UK and anticipate the impact of the general elections on the relationship between London and Brussels. INFO & REGISTRATION
Nach der CDU stellt sich auch die Europäische Volkspartei (EVP) hinter die Kandidatur von Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission. “Wir sind stolz darauf, Ursula von der Leyen als einzige Kandidatin zu haben”, sagte EVP-Partei- und Fraktionschef Manfred Weber in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Brüssel. Zwei weitere Parteien unterstützten von der Leyens Bewerbung, fügte er hinzu: die Bürgerplattform von Donald Tusk in Polen, und die Nea Dimokratia von Kyriakos Mitsotakis in Griechenland. Die französische konservative Partei kündigte hingegen an, von der Leyens Kandidatur nicht zu unterstützen.
Von der Leyen kündigte an, die Themen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und Sicherheit ins Zentrum des Europawahlkampfes zu stellen. Die Kommissionspräsidentin betonte zugleich, sie wolle “die Richtung des Green Deal beibehalten. Wir müssen unsere Klimaziele erreichen, und wir müssen es gemeinsam mit den Menschen und mit den Unternehmen schaffen.”
Manfred Weber beanspruchte die Urheberschaft für die EVP: “Wir sind die Partei des Green Deal”, sagte er. Die Christdemokraten hätten etwa für das Klimagesetz gestimmt, im Gegensatz zu den Grünen. Allerdings hatte die EVP-Fraktion angesichts lauter werdender Proteste aus Industrie und Landwirtschaft mehrere Vorhaben des Gesetzespakets infrage gestellt.
Von der Leyen pochte angesichts jüngster Kritik aus mehreren Mitgliedstaaten und der Branche auf ihrem Anspruch, eine stärkere Rolle in der Verteidigungsindustrie zu spielen. Dies sei “eine Kernkompetenz” der Kommission. Sie wiederholte ihre Idee, den Posten eines Verteidigungskommissars zu schaffen und die europäische Verteidigungsindustrie zu stärken. Die EU müsse ihre “Verteidigungsfähigkeit stärken”, und zwar in “enger Partnerschaft” mit der Nato. Auf die Frage, ob Kaja Kallas, Estlands derzeitige Premierministerin, die richtige Kandidatin für das Amt der Verteidigungskommissarin sein könnte, sagte von der Leyen, es sei “zu früh”, um über Persönlichkeiten zu sprechen.
Sie nannte auch Kriterien für Parteien, mit denen die EVP im neuen Europaparlament zusammenarbeiten könne. “Es ist mir wichtig, mit pro-europäischen, pro-Nato, pro-ukrainischen Gruppen zusammenzuarbeiten, die unsere demokratischen Werte klar unterstützen”, sagte sie. Und ergänzte: “Diejenigen, die gegen die Rechtsstaatlichkeit sind – unmöglich! Putin-Freunde – unmöglich!”. Weber wies darauf hin, dass in der nationalkonservativen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) derzeit heftige Richtungskämpfe tobten. cst/tho
Deutsche Forderungen seien ernst genommen und berücksichtigt worden, kommentiert Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) die Trilog-Einigung zur Luftreinhaltungsrichtlinie am Dienstag. Die Bundesregierung habe sich erfolgreich eingesetzt, damit es nicht zu Fahrverboten komme, so Lemke. Mit dem ursprünglichen Text der Richtlinie wären an verschiedenen Orten Fahrverbote zu befürchten gewesen, heißt es aus Ministeriumskreisen. Die Bundesregierung habe dafür gesorgt, dass Luftgrenzwerte auch ohne einschneidende Maßnahmen erreichbar sind.
Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), widerspricht dieser Auffassung jedoch. Die neue Richtlinie könne in Deutschland zu “unzumutbaren Eingriffen in Wirtschaft, Mobilität, Landwirtschaft und Wohnen führen.” Weitreichende Fahrverbote für Pkw und Lkw seien zudem wieder denkbar. “Es ist völlig unrealistisch, die im Trilog beschlossenen Luftgrenzwerte 2030 einzuhalten.” Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub seien nur durch den Hochlauf der Elektromobilität und die Wasserstofftransformation einzuhalten. “Deren Effekte werden aber erst weit nach 2030 ausreichend sein”, so Lösch.
Lemke bezeichnet den Kompromiss als “Fortschritt für saubere Luft und die Gesundheit der Menschen in Europa”. Rückendeckung kommt von der Brüsseler NGO Health and Environment Alliance (HEAL). Die Einigung umfasse die Aktualisierungen der Höchstwerte für die wichtigsten Luftschadstoffe, verschärfte Überwachungsvorschriften und eine bessere Information der Bevölkerung, einschließlich gefährdeter Gruppen. “Mit dem Gesetzentwurf werden auch neue Regeln für den Zugang zur Justiz und für Entschädigungen eingeführt”, schreibt HEAL.
Lösch hingegen moniert, das Gesetz gefährde die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität. Für die Umsetzung der beschlossenen Klimaziele sei ein Umbau weiter Teile der Wirtschaft erforderlich. “Die neuen Luftqualitätsgrenzwerte könnten Umbauprojekte verzögern oder sogar verhindern, auch wenn diese der Klimaneutralität und der Transformation dienen”, sagt Lösch.
Steffen Bilger, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, bezeichnet die Trilog-Einigung als “grotesk”. Die Bundesregierung habe die Warnung von Kommunen und Wirtschaft vor “flächendeckenden Fahrverboten und massiven Einschnitten bei der Mobilität sowie vor Einschränkungen für die industrielle Produktion bis hin zur Abschaltung von Anlagen komplett ignoriert”. Zudem rechnet Bilger aufgrund der neu vorgesehenen individuellen Entschädigungsrechte mit Klagewellen. luk
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) hat in einem Brief Bundesfinanzminister Christian Lindner dazu aufgefordert, die EU-Verpackungsverordnung nicht zu blockieren. Lindner solle vielmehr Sorge dafür tragen, dass die Bundesregierung “einen konstruktiven Beitrag zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen noch in dieser EU-Legislaturperiode” leiste.
Vergangene Woche hatte Table.Media über einen möglichen Deal zwischen Lindner und Italien berichtet, in dem Rom dem FDP-Chef zu einer Sperrminorität im Rat bei der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) verhelfe und Lindner im Gegenzug dabei unterstütze, die Verpackungsverordnung zu blockieren.
Die Verpackungsverordnung dürfe nicht “zum Gegenstand eines politischen Kuhhandels werden”, schreiben BDE-Hauptgeschäftsführer Andreas Bruckschen und der Leiter der Brüsseler Vertretung des BDE, Christian Suhl. Sie warnen vor dem “allgemeinen politischen Schaden”, den ein solcher Deal dem Ansehen der Bundesregierung auf europäischer Ebene zufügen würde.
Das Gesetz sei “für die deutsche Recyclingwirtschaft von existenzieller Bedeutung“, heißt es in dem Schreiben. Die Vorgaben zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen und zum Einsatz von Rezyklat seien notwendig, um den Markt für Rezyklate zu stimulieren. Die Recyclingindustrie für Kunststoffe stehe aufgrund der niedrigen Primärrohstoffpreise und der deshalb geringen Nachfrage nach Rezyklat unter Druck; auch die hohen Energiepreise sowie der Konkurrenzdruck durch Importe aus Asien machten der hiesigen Industrie zu schaffen.
Auf eine Anfrage vom gestrigen Mittwoch reagierte das Bundesfinanzministerium bisher nicht. Die EU-Verpackungsverordnung wird derzeit im Trilog verhandelt. Laut Entwurf sollen alle Verpackungen in der EU ab 2030 recyclingfähig sein. Hierüber sind sich Rat und Parlament weitgehend einig. Schwieriger sind die Verhandlungen über Mehrwegquoten und das Verbot einiger Einwegverpackungen. Beim nächsten Treffen auf politischer Ebene am 4. März wird eine Einigung angestrebt. leo
Zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine hat sich die EU auf neue Sanktionen geeinigt. Das 13. Sanktionspaket sei eines der “bisher umfangreichsten”, sagte der belgische Ratsvorsitz nach der Grundsatzeinigung der Ständigen Vertreter am Mittwoch in Brüssel. Der formelle Beschluss wird am Samstag erwartet, pünktlich zum Jahrestag des Kriegsbeginns.
Nach Angaben des Ratsvorsitzes werden fast 200 Personen, Unternehmen und Organisationen neu auf die Sanktionsliste gesetzt. Insgesamt hat die EU damit rund 2000 mutmaßlich Verantwortliche für den Ukraine-Krieg gelistet. Ein besonderer Fokus liegt diesmal auf der Produktion von Drohnen, die die EU erschweren möchte. Betroffen sind auch Firmen mit Sitz in China und in der Türkei.
So wird europäischen Unternehmen der Handel mit drei Firmen vom chinesischen Festland untersagt, die militärisch nutzbare Güter nach Russland liefern. Die Strafen betreffen auch den nordkoreanischen Verteidigungsminister, der Raketen an Moskau geliefert haben soll. “Wir müssen Putins Kriegsmaschinerie weiter schwächen”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel.
Das neue Sanktionspaket sei ohne Diskussion angenommen worden, teilte der belgische Ratsvorsitz mit. Nur Ungarn habe ein Statement abgegeben, sich dem Beschluss jedoch nicht widersetzt. Die Regierung von Viktor Orbán hatte versucht, mehrere Namen von der neuen Liste zu streichen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.
Gescheitert sind auch Versuche, das Paket aufzuwerten. So war im Vorfeld von einer Ausweitung der Wirtschaftssanktionen die Rede. EU-Chefdiplomat Josep Borrell kündigte zudem neue Strafen nach dem Tod des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny an. Dafür brauche es jedoch mehr Zeit, hieß es in Brüssel. Das neue Sanktionspaket hat daher vor allem symbolischen Wert – es soll zeigen, dass die EU zwei Jahre nach Kriegsbeginn nicht nachlässt.
Mehr Zeit brauchen die EU-Staaten auch für die geplante Reform der Europäischen Friedensfazilität EPF, aus der Waffenkäufe für die Ukraine finanziert werden. Borrell hatte eine Aufstockung um 5 Milliarden Euro vorgeschlagen. Deutschland hat jedoch einen Beschluss blockiert und eine Reform angemahnt. Künftig sollten auch bilaterale Hilfen angerechnet werden, fordert Berlin.
Außerdem will die Bundesregierung erreichen, dass die Freigabe von Finanzmitteln aus der EPF künftig nicht mehr von einem Land blockiert werden kann. Ungarn verhindert immer noch die Auszahlung der 8. Tranche, die bereits im vergangenen Jahr geplant war. Die Friedensfazilität brauche eine neue, effiziente Architektur, heißt es in Berlin. Dazu würden auch neue Finanzierungsschlüssel benötigt.
Die deutschen Wünsche werden jedoch nur von wenigen EU-Staaten geteilt. Die Mehrheit fordert eine schnelle Entscheidung. Einen “deutschen Rabatt” auf die Zahlungen an den EPF dürfe es nicht geben, heißt es in Brüsseler Ratskreisen, die Blockade müsse enden. Beim AStV am Mittwoch wurde jedoch keine Einigung erzielt; sie wird nun erst zum nächsten Europäischen Rat im März erwartet. ebo
Europaabgeordnete des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung sind dazu aufgerufen worden, ihre Handys auf Spionagesoftware überprüfen zu lassen. In zwei Geräten gefundene Spuren erforderten “diese besondere Aufmerksamkeit”, teilte das Parlament am Mittwoch mit.
Mitgliedern und Mitarbeitern des Unterausschusses werde dringend empfohlen, ihre Mobiltelefone auf mögliche Spyware-Installationen überprüfen zu lassen, heißt es in einer internen E-Mail der IT-Abteilung des Parlaments, die der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Nach Informationen der dpa ist eins der betroffenen Handys ein Abgeordneten-Handy.
In dem Unterausschuss sind auch die deutschen Abgeordneten Özlem Demirel (Linke), Maximilian Krah (AfD) und Hannah Neumann (Grüne) Mitglied. Neumann zeigte sich nicht überrascht. “Auch wenn in diesem Fall die finale Bestätigung noch aussteht: Der Einsatz von Spyware wird zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko in Europa.” Sie überprüfe ihr Telefon regelmäßig und habe es nach dem Vorfall erneut getan. Leider hätten noch nicht alle Kolleginnen und Kollegen dieses Bewusstsein. dpa
Olaf Scholz tritt zur Europawahl an: Das würden wohl die meisten direkt in die Welt der Fake-News verfrachten. Anders in Italien. Hier liebäugelt die Regierungschefin tatsächlich damit, ihren Namen Anfang Juni auf den Wahlzetteln zu lesen. Giorgia Meloni hat sich noch nicht entschieden, ob sie bei der Europawahl für ihre Fratelli d’Italia kandidieren wird oder nicht.
Steht Rom also bald ohne Ministerpräsidentin da? Das zumindest schließt Meloni aus, Wahlzettel hin oder her. Statt mit Fake-News haben es die Italienerinnen und Italiener vielleicht bald mit Fake-Kandidaturen zu tun. “Die Bürger wissen, dass ich nicht nach Europa gehe”, sagte Meloni bereits Anfang des Jahres. Sie schätze aber nun einmal jede Gelegenheit, sich dem Votum ihrer Mitmenschen zu stellen.
Meloni sieht keinen Widerspruch darin, für ein Amt zu kandidieren, das sie 100-prozentig nicht antreten wird. Ihre Idee: Wenn sie sich dafür entscheide, würde das vielleicht auch andere Parteichefs dazu bewegen, ihr Gesicht zu zeigen – und die Abstimmung in Italien damit auf ein ganz anderes Level heben. Und ja: Auch Elly Schlein, die Chefin des sozialdemokratischen Partito Democratico, lässt noch alles offen.
Welche Auswirkungen Fake-Kandidaturen auf das echte Wahlergebnis hätten, zeigt eine aktuelle Umfrage des Instituts Noto, über die “La Repubblica” am Mittwoch berichtete. Ohne Meloni auf dem Wahlzettel kämen die Fratelli d’Italia auf 27,5 Prozent. Mit ihr auf 30 Prozent. Der PD käme mit Schlein auf 20,5 statt auf 19,5 Prozent. Auch die Wahlbeteiligung könnte mit prominenten Namen im Rennen um vier Prozentpunkte auf 54 steigen. Fake oder nicht fake.
Klar ist momentan wohl nur: Von Ex-Premier Matteo Renzi, unter dessen Führung der PD bei den Europawahlen 2014 sagenhafte 40,8 Prozent holte, will in Italien kein Mensch mehr etwas wissen. Zehn Jahre später liegt die von ihm gegründete Kleinstpartei Italia Viva in den Umfragen bei drei Prozent – egal ob er selbst kandidiert oder nicht. Almut Siefert