Table.Briefing: Europe

Unklare Erfolgsaussichten für teil-harmonisiertes Insolvenzrecht + Rückenwind für Rutte als NATO-Chef + Ukrainische Wirtschaft kritisiert Wiederaufbaupläne

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Deal, der (noch) keiner war: Bei ihrem formellen Gipfel am 27. und 28. Juni werden die Staats- und Regierungschefs einen neuen Anlauf nehmen, sich auf die personelle Neuaufstellung der europäischen Institutionen zu einigen. Bei ihrem Abendessen am Montag hatten sie keine Entscheidung zustande gebracht, obwohl Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron dies angestrebt hatten. Und obgleich die Besetzung der vier Top-Jobs an der Spitze von Kommission, Rat, Europaparlament und Auswärtigem Dienst im Grunde kaum noch strittig ist.

Verantwortlich für den gescheiterten Versuch war laut Diplomaten die unglückliche Verhandlungsführung. Die Chefunterhändler der drei bisherigen Bündnispartner hatten zu Beginn des Treffens zunächst ausgiebig im kleinen Kreis verhandelt: Olaf Scholz und Pedro Sánchez für die Sozialdemokraten, Donald Tusk und Kyriakos Mitsotakis für die EVP, Emmanuel Macron und Mark Rutte für die Liberalen. Die anderen 21 Staats- und Regierungschefs blieben lange außen vor, was vor allem Giorgia Meloni sichtlich erboste. Italiens rechte Ministerpräsidentin, gestärkt durch ihr gutes Ergebnis bei der Europawahl, wollte ein Personalpaket schon deshalb nicht mittragen.

Scholz und Co. hatten vor allem deshalb das exklusive Format gewählt, um Charles Michel zu umgehen. Der Ratspräsident hat sich aus Sicht der anderen durch seine Anfeindungen gegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen disqualifiziert für die Vermittlerrolle, die eigentlich seine Aufgabe als Gipfelgastgeber wäre. Der Gedanke, mit Meloni eine Vertreterin der EKR-Parteienfamilie aus einem großen Mitgliedstaat frühzeitig einzubeziehen, kam den sechs Vertretern der traditionell in Brüssel dominierenden Mitte-Parteien offenbar nicht.

Hinzu kamen Last-Minute-Forderungen der EVP-Riege, die den Sozialdemokraten etwa nur zugestehen wollten, den neuen Ratspräsidenten für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren – statt fünf – zu stellen. Daran aber werden die Christdemokraten die Verhandlungen wohl nicht scheitern lassen: EVP-Chef Manfred Weber jedenfalls machte gestern deutlich, dass die drei proeuropäischen Lager “natürlich einen Kompromiss finden wollen”. Manch Diplomat bezeichnet das Manöver deshalb als “Geplänkel”.

Womöglich wollen die Christdemokraten sich dadurch größeren Einfluss in der EU-Kommission sichern. Zumindest die Posten der Exekutiven Vizepräsidenten sind laut Diplomaten Teil der Verhandlungen hinter den Kulissen. Die EVP könnte hier, gestärkt durch den Wahlausgang, gleich zwei der wichtigsten Stellvertreterposten beanspruchen.

Eine Einigung beim Gipfel Ende Juni scheint jedenfalls in Reichweite. Und doch gehen die Akteure durch den Deal, der keiner war, ein Risiko ein: mögliche Störfaktoren gibt es genug, etwa die Egos einzelner Staats- und Regierungschefs oder Verschiebungen im Kräfteverhältnis im Europaparlament durch Fraktionswechsel. Es braucht nicht viel, um die EU in diesen Zeiten aus dem Tritt zu bringen.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Insolvenzrecht: Frankreich und Deutschland prüfen 28. Regime für Anleiheemittenten

Deutschland und Frankreich arbeiten an neuen Insolvenzregeln für Anleiheemittenten. Beide Regierungen prüfen derzeit, wie praktikabel ein sogenanntes 28. Regime auf EU-Ebene für diesen spezifischen Kreis ist, wie Table.Briefings aus informierten Kreisen in Berlin und Paris erfuhr. Dadurch ließen sich die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse in der EU erleichtern, hieß es, ohne das nationale Insolvenzrecht der 27 Mitgliedstaaten voll harmonisieren zu müssen.

Gegen die Harmonisierung gibt es starke Widerstände in den jeweiligen Justizministerien. Ein Vorschlag der EU-Kommission, Teile der nationalen Insolvenzbestimmungen zu harmonisieren, liegt aktuell beim EU-Rat, die Verhandlungen kommen aber kaum voran. Das 28. Regime wäre eine Alternative, welche die politischen Widerstände einer Insolvenzrechtsharmonisierung eventuell umgehen könnte.

Mehr Investitionen dank Rechtssicherheit

Unternehmen, die Schuldverschreibungen begeben, würden ihren Investoren nach den Plänen im Ausgabeprospekt Rechtswahlklauseln einräumen: Diese könnten entscheiden, ob sie anhand der jeweiligen nationalen Insolvenzbestimmungen vorgehen oder anhand neuer EU-Regeln, wenn der Anleiheschuldner seine Verbindlichkeiten nicht bedienen kann.

Investoren sollen so Rechtssicherheit erhalten und das Risiko europäischer Firmenanleihen besser einschätzen können. Dies soll im Gegenzug dazu führen, dass europäische Unternehmen mehr und günstigeres Fremdkapital aufnehmen können, um ihre Investitionen zu finanzieren.

Seit die Europäische Zentralbank 2016 begonnen hat, im Rahmen ihrer quantitativen Lockerungspolitik auch Unternehmensanleihen aufzukaufen, ist der europäische Anleihemarkt um 50 Prozent gewachsen. Die Marktkapitalisierung der Unternehmensanleihen, welche die Bedingungen der EZB erfüllten, stand 2022 bei ca. 1,1 Billionen Euro.

Ungewisse Erfolgsaussichten für 28. Regime

Experten bewerten das 28. Regime für Unternehmensanleihen skeptisch. Eine echte Vereinfachung würde dabei helfen, die vergleichsweise geringen Privatinvestitionen in der EU anzukurbeln, aber viel hängt davon ab, wie ein 28. System konkret umgesetzt würde.

Nicolas Véron, Senior Fellow beim Brüsseler Think-Tank Bruegel, ist wenig optimistisch. “Als Mitgliedstaaten in der Vergangenheit versuchten, ein 28. Regime einzuführen, hat es nicht geklappt“, sagt er mit Verweis auf einen früheren Versuch, eine europäische Unternehmensform einzuführen. Das liege daran, dass viele Mitgliedstaaten schlicht keine Konkurrenz zu ihren nationalen Systemen wünschten.

Karel Lannoo, Experte für Finanzmarktregulierung und CEO des Brüsseler Think-Tanks CEPS, zeigt sich ebenfalls skeptisch. Für Investoren stelle sich die Frage, wer ihre Interessen im Falle einer Insolvenz im 28. Regime schützen würde. Das sei noch nicht klar und angesichts des Misstrauens zwischen den Mitgliedstaatsregierungen und den europäischen Behörden ein großes Hindernis, meint Lannoo, der die Erfolgsaussichten für das 28. Regime für gering hält.

Ablenkung von Harmonisierungsbemühungen

Zudem lenkt die Diskussion über das 28. Regime laut Lannoo vom Wesentlichen ab. “Wir kreieren andauernd neue Dinge und fördern damit die Fragmentierung, anstatt die Dinge zu tun, die getan werden müssen, nämlich Harmonisierung und Konsolidierung“, sagt er.

Auch in der EU-Kommission scheint man sich vor einer Ablenkung zu fürchten. Auf das 28. Regime angesprochen, sagte ein Sprecher von Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness zwar, dass die Kommission neue Ideen begrüße. Er verwies aber ebenfalls auf den im Rat hängigen Vorschlag zur Insolvenzrechtsharmonisierung. “Die Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament, an den ehrgeizigen Zielen dieses Textes festzuhalten und so bald wie möglich eine Einigung zu erzielen.”

Kapitalmarktunion als Priorität

Die Idee eines 28. Regimes auf EU-Ebene hatte der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta in seinem Bericht zum Binnenmarkt aufgebracht. Allerdings schwebte Letta ein weiterreichender Ansatz vor: ein EU-weites Regelwerk für Unternehmensrecht (European Code of Business Law). Die Unternehmen sollen sich beim Gang in andere Mitgliedstaaten nicht mehr durch das Dickicht unterschiedlicher nationaler Vorschriften kämpfen müssen.

Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron dringen aber auf zügige Fortschritte bei der Vertiefung der Kapitalmarktunion. Dafür wollen sie auch die Verbriefung von Krediten erleichtern. Mit Anpassungen in den geltenden EU-Verordnungen seien hier auch kurzfristig Fortschritte möglich, hieß es in Berlin. Die beiden Finanzministerien arbeiten zudem an einem neuen europäischen Spar- und Investitionsprodukt. Eine gemeinsame Task-Force mit den Bankenverbänden treibt die Arbeiten an der Kapitalmarktunion voran.

Auch beim kommenden EU-Gipfel vom 27. bis 28. Juni wird erwartet, dass die EU-Staats- und Regierungschefs sich wieder für die Kapitalmarktunion starkmachen werden. “Der Europäische Rat ruft insbesondere dazu auf, die Arbeiten an der Kapitalmarktunion zu beschleunigen, um wirklich integrierte Märkte zu schaffen, die für alle Bürger und Unternehmen zugänglich sind und allen Mitgliedstaaten zugutekommen”, steht im Entwurf der Schlussfolgerungen, die Table.Briefings vorliegen.

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Fehlende Fachkräfte und Investitionen: Was ukrainische Firmen jetzt brauchen – und was nicht

Die Ukraine wirbt um Investitionen. Dem Staat und privaten, einheimischen Unternehmen fehlt Kapital, die eigene Wirtschaft und Rüstungsindustrie am Laufen zu halten – und vor allem unabhängiger von westlichen militärischen Lieferungen zu werden. “Ich appelliere an die Unternehmen, mit ihren Investitionen in der Ukraine nicht bis zum Ende des Krieges zu warten. Fangen Sie jetzt an”, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz vergangene Woche. 

Zwar sind viele der deutschen Unternehmen aus dem zivilen Bereich, die bereits vor dem Krieg in der Ukraine tätig waren, geblieben. Einige Rüstungsunternehmen bauen Werke in der Ukraine neu auf. Mit Rheinmetall, dem Flensburger Fahrzeugbauer FFG und dem Drohnenhersteller Quantum Systems haben bereits deutsche Rüstungsfirmen einen Teil ihrer Produktion in die Ukraine verlegt. Auch der türkische Drohnenhersteller Baykar baut nach eigenen Angaben ein Werk auf, der britische Waffenproduzent BAE Systems hat nach Angaben des Ministeriums für strategische Industrien zumindest ein Büro in der Ukraine eröffnet. Beim Panzerhersteller KNDS gebe es ähnliche Überlegungen.

Frauen sollen umschulen, um Männer zu ersetzen

Doch viele weitere Interessenten zögern. Die ständige Gefahr, Ziel russischer Raketen zu werden, ist dabei aber nur ein Faktor. Dieses Risiko sei berechenbar, sagt der Sicherheitsexperte Friedrich-Christian Haas, Geschäftsführer der AKE Group. Er berät Unternehmen vor allem aus dem zivilen Sektor, die in Krisen- oder Kriegsgebieten investieren wollen. Es gebe viele Gegenden im Westen der Ukraine, die noch nie angegriffen wurden. “Man sollte sein Werk nicht gerade neben Güterbahnhöfen oder einem Kraftwerk oder sonstiger Kritischer Infrastruktur aufbauen, und lieber längere Logistikwege in Kauf nehmen”, sagt Haas.

Die Probleme, warum Unternehmen zögern, liegen woanders: in einem sehr starren Arbeitsrecht, teils noch angelehnt an die Sowjetzeit, an hoher Bürokratie und an der Ressource Mensch. “Die Mobilisierung ist, neben den zerstörten Energienetzen, die größte Herausforderung für Unternehmen”, sagt Ruslan Illichov, Generaldirektor des größten ukrainischen Arbeitgeberverbands (Federation of Employers of Ukraine, FEU), im Interview mit Table.Briefings. Rund 8.000 Unternehmen sind Mitglied in dem Verband.

Männer im wehrfähigen Alter einzustellen, sagt Illichov, sei für Unternehmen mit hohem Risiko verbunden, denn von heute auf morgen könnten sie an die Front geschickt werden. Nur Rüstungsbauer und Betreiber Kritischer Infrastrukturen sind aktuell von dieser Regel befreit. 

Ukrainischer Arbeitgeberverband kritisiert Initiative

Um den Fachkräftemangel abzufedern, haben das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das ukrainische Wirtschaftsministerium auf der Wiederaufbaukonferenz eine “Fachkräfte-Allianz” geschlossen. Junge Menschen und Binnenvertriebene sollten so einfacher ihre Ausbildung beginnen oder fortsetzen, die sie aufgrund des Krieges unterbrochen haben. Frauen sollen umschulen für Berufe, die bislang vor allem Männer ausführten. Mehr als 180.000 neue Fachkräfte sollten in den nächsten drei Jahren für den Wiederaufbau der Ukraine ausgebildet werden, teilt das BMZ mit. 

Im ukrainischen Arbeitgeberverband sieht man die Allianz kritisch – und symptomatisch für die Wiederaufbaukonferenz: Die Initiative sei sehr symbolisch, enthalte wenig Praktisches und sei mit niemandem aus der Industrie abgestimmt worden. Überhaupt seien keine neue Allianz nötig, kein weiteres Seminar, keine weiteren Roundtable, stattdessen: “Jeden Tag bilden unsere Unternehmen Frauen in Männerberufen aus”, sagt Illichov. Was die Ukraine brauche, seien moderne Ausbildungszentren mit neuen Maschinen, sagt er. Junge Menschen, die in Ausbildungszentren aus der Sowjetzeit lernten, kämen in Firmen mit hochmodernen Maschinen und könnten diese nicht bedienen. 

Und zum Thema Ansiedlungen deutscher Unternehmen, sagt Illichov: “Es wäre angesichts der aktuellen Situation nicht ehrlich, jetzt zu deutschen Firmen zu sagen, kommt in die Ukraine und investiert.” Was die Ukraine jetzt brauche, seien Kooperationen zwischen deutschen und ukrainischen Firmen.

Wunsch: Mehr deutsche Beteiligungen

“Wir müssen so viel wie möglich im Land produzieren, mit der Ausrüstung, mit der Beteiligung deutscher Technologien, deutschen Unternehmen. Das sollte Priorität haben. Leider sehen wir, dass das immer noch nicht der Fall ist”, sagt Illichov. Potenziale sieht Illichov neben der Rüstungsindustrie etwa in der Automobilbranche. So könnte diese in ihrer gesamten Lieferkette auch Produktionsstätten in der Ukraine einbauen.

Und noch einen Hemmschuh schildern mehrere Unternehmen: Die Ukraine schaue bei Neuansiedelungen und Investoren sehr genau hin, um russischen Einfluss, aber auch Korruption zu vermeiden. Die bürokratischen Hürden seien entsprechend hoch, diese würden wiederum zum Teil die Schwarzarbeit fördern.

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News

Medienbericht: Weg wohl frei für Rutte als neuen NATO-Chef

Der niederländische, öffentliche Rundfunk NOS meldet, dass der noch amtierende dortige Ministerpräsident Mark Rutte neuer Generalsekretär der NATO wird. NOS berichtet, dass sich der einzige verbleibende Gegenkandidat Ruttes für das Amt – der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis – bald zurückziehen werde. Damit wäre die letzte Hürde für Rutte genommen – denn die Wahl zum Nato-Chef muss einstimmig durch alle 32 Mitglieder des Militärbündnisses erfolgen.

Zuvor hatte Ungarn Regierungschef Viktor Orbán angekündigt, Ruttes Kandidatur voll zu unterstützen. Auch der slowakische Präsident Peter Pellegrini hatte am Dienstag Unterstützung für den Niederländer signalisiert.

Jens Stoltenberg, der derzeitige NATO-Generalsekretär, wollte die Medienberichte weder dementieren noch bestätigen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Stoltenberg sagte, die Auswahl des neuen Nato-Chefs sei fast abgeschlossen – und nannte Rutte “einen starken Kandidaten”.

Rutte: Fest an der Seite der Ukraine

Rutte gilt als treuer Verbündeter Kiews und Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er war eine treibende Kraft hinter der militärischen Unterstützung Europas für die Ukraine. Wiederholt betonte er, dass eine Niederlage Russlands auf dem Schlachtfeld absolut notwendig sei, um den Frieden in Europa zu sichern.
Zudem hat er die Verteidigungsausgaben in seinem Land kräftig erhöht: Sie liegen nun über der von der NATO geforderten Zwei-Prozent-Schwelle. Dazu hat seine Regierung Kiew F-16-Kampfjets, Artillerie, Drohnen und Munition zur Verfügung gestellt.

Orbán nannte als Grund für sein Einlenken in der Personalfrage am Dienstag einen Brief Ruttes, in dem dieser auf ungarische Forderungen eingeht. Dabei geht es unter anderem darum, dass Ungarn sich sicher sein will, nicht zu einer Beteiligung an einem geplanten Nato-Einsatz zur Koordinierung von Waffenlieferungen für die Ukraine gedrängt zu werden. Die Regierung von Orbán befürchtet, dass das Bündnis durch das Projekt in eine direkte Konfrontation mit Russland getrieben werden könnte.

Der derzeitige Vertrag des amtierenden Nato-Generalsekretärs Stoltenberg läuft noch bis 1. Oktober. Er hatte in der Vergangenheit schon mehrfach angekündigt, den Posten aufgeben zu wollen. Im vergangenen Sommer scheiterten allerdings Versuche der Mitgliedstaaten, sich auf einen Nachfolger zu einigen. rtr/dpa/lei

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Reintke und Eickhout kandidieren für Grünen-Fraktionsvorsitz

Die beiden Spitzenkandidaten der Europäischen Grünen, Terry Reintke und Bas Eickhout, sind laut Informationen von Table.Briefings die einzigen Kandidaten für die Wahl der Co-Vorsitzenden der Grünen-Fraktion. Die Bewerbungsfrist endet diesen Mittwoch, auch die Wahl findet Mittwoch statt. Sofern keine überraschenden Gegenkandidaten noch kurzfristig ihre Bewerbung einreichen, werden Reintke und Eickhout das Votum wohl problemlos überstehen.

Reintke hatte bereits zwei Tage nach der Europawahl ihre Kandidatur bekannt gegeben. Sie hatte den Posten bereits in der vergangenen Legislatur seit dem Rücktritt von Ska Keller inne. Eickhout war bislang stellvertretender Vorsitzender und wird nun Nachfolger des aus dem Europaparlament ausgeschiedenen Belgiers Philippe Lamberts. luk

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Repasi: Kritik an “Maximalforderungen” der EVP

Die SPD im Europaparlament hat die EVP wegen ihrer Forderungen nach mehr Gewicht bei den laufenden Personalverhandlungen zu mehr Realismus aufgefordert. “Ohne absolute Mehrheit ist die EVP auf Zusammenarbeit mit den anderen politischen Kräften im Europäischen Parlament angewiesen, in den anderen EU-Institutionen ist sie das ebenfalls. Dazu sind Maximalforderungen wenig hilfreich“, sagte René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD.

“Unser Hauptaugenmerk ist, inhaltliche Fortschritte bei der sozialen Sicherheit zu erreichen, der Friedenssicherung sowie der Fortführung des Wandels hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft, die natürlich nur mit dem passenden Personal durchsetzbar sind“, sagte Repasi weiter.

Bei einem Spitzengipfel am Montagabend hatten EVP-Verhandler verlangt, für zweieinhalb Jahre den Ratspräsidenten zu stellen sowie für volle fünf Jahre die Parlamentspräsidentin. ber

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Agenda 2030: Was die EU bisher erreicht hat – und was nicht

Auf dem Weg zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) hat die EU in den vergangenen fünf Jahren in drei Bereichen erhebliche Fortschritte gemacht: bei der Verringerung von Ungleichheiten (SDG 10), der Förderung menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum (SDG 8) sowie der Bekämpfung von Armut (SDG 1). Rückschritte hingegen hatte sie in den Bereichen erschwingliche und saubere Energie (SDG 7), Gesundheit und Wohlbefinden (SDG 3) und Leben an Land (SDG 15) zu verzeichnen. Das geht aus dem diesjährigen Monitoring-Bericht über die Fortschritte der EU im Hinblick auf die SDG hervor. Der Bericht wird einmal jährlich von Eurostat veröffentlicht.

Zu den Indikatoren, bei denen die EU laut Eurostat positive Rekorde erzielt hat, zählt zum Beispiel die Verringerung von Einkommensunterschieden zwischen den reichen und den ärmeren Bevölkerungsgruppen. Auch die Armutslücke zwischen Stadt und Land hat sich laut dem Bericht verringert. Die Beschäftigungsquote in der EU hat einen Rekordwert von 75,3 Prozent erreicht; das Pro-Kopf-BIP ist gestiegen.

Gentiloni: Trotz großer Fortschritte nicht zufrieden

“Wir können stolz sein, wie weit wir gekommen sind”, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni auf einer Konferenz der belgischen Ratspräsidentschaft in Brüssel. “Trotz der außergewöhnlichen Herausforderungen durch die Pandemie und die russische Invasion in der Ukraine ist die EU bei einer Vielzahl an SDG vorangekommen.” Dennoch könne man nicht zufrieden sein: Die Ergebnisse seien in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich, und bei einigen Zielen schneide die EU nur moderat oder sogar schlecht ab.

Den Rückgang bei drei Zielen begründet Eurostat zum einen mit den negativen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise (SDG 7). Zum anderen seien die Rückschläge der COVID-19-Pandemie nun in den Daten vollständig sichtbar (SDG 3). Das Erreichen des Ziels “Leben an Land” (SDG 15) sei durch die gefährdete Biodiversität beeinträchtigt, auch Trockenheit und daraus folgende Bodendegradation spiele eine negative Rolle.

Khattabi: Umfassende SDG-Strategie nötig

Gentiloni bezog sich zudem auf die weltweite Bilanz: Laut dem UN-Bericht von 2023 sind die Fortschritte bei mehr als 50 Prozent der Ziele schwach, bei 30 Prozent finden sogar Rückschritte statt. “Auch wenn die EU insgesamt auf einem guten Weg ist: Die Welt ist es nicht”, erklärte der Kommissar. “Wir gewinnen keine Goldmedaille, wenn wir die Ziellinie als Erste erreichen – dieses Rennen muss die Welt gemeinsam gewinnen.”

Die belgische Ministerin für nachhaltige Entwicklung, Zakia Khattabi, forderte eine kontinuierliche Aufmerksamkeit für das Thema und eine umfassende SDG-Strategie von der EU und nationalen Regierungen. Die Zuständigkeit für diese Strategie müsse explizit in einem Ministerium, beziehungsweise bei einer Vizepräsidentin der EU-Kommission liegen. Auf der Konferenz wurden auch Forderungen nach einer häufigeren Bestandsaufnahme, etwa halbjährlich, laut. Laut Agenda 2030 sind noch sechs Jahre Zeit, um die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. leo

  • SDG

Chatkontrolle: Politiker fordern in offenem Brief Ablehnung der Mitgliedstaaten

In einem offenen Brief haben 36 Politikerinnen und Politiker aus Deutschland und Europa an die EU-Mitgliedstaaten appelliert, gegen die sogenannte Chatkontrolle zu stimmen. Man sei davon überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen mit den europäischen Grundrechten unvereinbar seien, heißt es in dem Papier.

Belgien versucht offenbar in den letzten Tagen seiner EU-Ratspräsidentschaft eine allgemeine Ausrichtung bei der umstrittenen CSA-Verordnung zu erreichen. Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern steht am Donnerstag (20. Juni) beim Treffen der Ständigen Vertreter (AStV 2) als letzter Punkt auf der Tagesordnung – mit dem Vermerk “gegebenenfalls”.

Frankreich könnte seine Meinung ändern

Bisher scheiterte die Einigung an der Sperrminorität. Dafür müssen mindestens vier Staaten mit mindestens 35 Prozent der EU-Bevölkerung ihre Zustimmung verweigern. Neben Deutschland und Polen war das bisher vor allem Frankreich. Doch Beobachter erwarten, dass Paris inzwischen seine Meinung geändert hat und für den jüngsten Vorschlag der Belgier stimmt.

Neben Politikern aus nationalen Parlamenten, wie Deutschland und Österreich, unterzeichneten auch Europaabgeordnete den offenen Brief. Zu ihnen gehören die FDP-Politikerinnen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Svenja Hahn, Tabea Rößner und Kim van Sparrentak von den Grünen, Damian Boeselager von Volt und Nikolaus Scherak von NEOS, Österreich. SPD- und Unions-Abgeordnete unterzeichneten nicht.

Justizminister Buschmann hat Bedenken

In dem Brief heißt es weiter: “Wir setzen uns für den Schutz des Rechts auf anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets sowie für die Stärkung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein.” Die Unterzeichnenden rufen alle verhandelnden Regierungen dringend auf, die aktuellen Pläne abzulehnen.

Die EU-Kommission hatte 2022 einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, wonach Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können, ihre Dienste mithilfe von Software nach Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu durchsuchen. Kritiker sprechen daher von Chatkontrolle und fürchten Massenüberwachung. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat Bedenken.

Unterzeichner fordern besseren Schutz für die Kinder

Den Unterzeichnenden zufolge ist ein Ansatz nötig, der unter anderem den Schutz vor sexuellem Kindesmissbrauch in den Vordergrund stellt. Außerdem seien mehr Ressourcen und eine gezieltere Koordinierung der europäischen Strafverfolgungsbehörden nötig.

“Anstatt Kinder effektiv vor sexualisierter Gewalt im Netz zu schützen, greift der Kompromissentwurf auch weiterhin massiv in den Schutz der digitalen Privatsphäre aller ein”, kritisierte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tobias Bacherle. Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, sagte, die Chatkontrolle schaffe keine zusätzliche Sicherheit für Kinder, sondern führe zum Ende der privaten Kommunikation über Messenger, wie man sie kenne. dpa/vis

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AI Act: Kommission startet Konsultation zur Nutzung von KI im Finanzwesen

Die Europäische Kommission startet eine gezielte Konsultation und eine Workshop-Reihe zur Nutzung von künstlicher Intelligenz im Finanzwesen. Ziel ist es, Beiträge von Finanzakteuren zu Anwendungsfällen, Chancen, Hindernissen, Risiken und Bedürfnissen im Bereich KI einzuholen. Die gesammelten Informationen sollen helfen, Leitlinien für die Umsetzung des AI Acts im Finanzsektor zu entwickeln.

Alle Finanzakteure sind eingeladen, bis zum 13. September an der Konsultation teilzunehmen. Besonders erwünscht sind Stellungnahmen von Unternehmen, die bereits KI-Systeme anbieten oder entwickeln.

Zusätzlich bietet die Kommission eine Workshop-Reihe an, die gemeinsam mit den europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden organisiert wird. Diese Workshops, die im Herbst stattfinden, ermöglichen es den Teilnehmern, Projekte vorzustellen und sich über die neuesten Entwicklungen auszutauschen. Die Anmeldung für die Workshops ist bis zum 26. Juli möglich.

“Es ist entscheidend, dass die Kommission und andere relevante Behörden eng zusammenarbeiten – und auch mit Marktteilnehmern -, um diese Regeln auf sinnvolle, verantwortungsvolle und kohärente Weise umzusetzen”, sagte Mairead McGuinness, Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion. vis

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Wasserstoff: ENNOH geht weiteren Schritt

Der künftige Wasserstoffnetz-Verband ENNOH hat Regeln für seine innere Organisation festgelegt, darunter die Abstimmungsregeln für die Generalversammlung. “Ich freue mich sehr, dass wir einen ehrgeizigen Zeitplan für die Gründung von ENNOH in der ersten Hälfte des Jahres 2025 haben und Sie heute Fortschritte bei der Einigung auf Ihre künftigen Regeln gemacht haben”, sagte Energiekommissarin Kadri Simson am Dienstag bei einer Versammlung von Netzbetreibern.

Der Aufbau des Verbandes wurde jüngst mit der Novelle der Gasmarkt-Verordnung beschlossen. Vom Gasnetzbetreiberverband ENTSOG soll ENNOH bis 2027 vor allem die Planung des europäischen Wasserstoffnetzes und die Ausarbeitung von Netzkodizes übernehmen. ber

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Standpunkt

Warum Montenegros EU-Beitritt ein Ausgangspunkt für mehr sein kann

Von Vesko Garčević
Vesko Garčević war Botschafter Montenegros in Brüssel (NATO) und Wien (OSZE) – nun lehrt er als Professor für die Praxis der internationalen Beziehungen an der Universität Boston.

Jeder hat sicher schon einmal eine romantische Komödie gesehen, in der die Beziehung eines Paares sich dem Ende nähert, bis plötzlich eine unerwartete Wendung die Gefühle wieder aufflammen lässt. Diese Geschichte ähnelt der Erweiterung der Europäischen Union.

Jahrelang bestand die Brüsseler Erweiterungspolitik aus einer Mischung aus vagen Botschaften und lauwarmer Unterstützung für die Beitrittskandidaten aus dem Balkan. Im Gegenzug setzten diese die EU-Aufforderungen in halbherzige Reformen um.

Brüssel tat so, als sei die Erweiterung noch von Bedeutung, während die Beitrittskandidaten demokratische Reformen vorgaukelten. Wie in einer romantischen Komödie wurde die Wendung von demjenigen eingeleitet, an den niemand dachte – Russland. Der Einmarsch in der Ukraine hat die Union dazu veranlasst, ihre Rolle in Europa und in der Welt gründlich zu überdenken, und die Erweiterung wieder ins Rampenlicht gerückt.

Positiver Zwischenbericht zu Benchmarks

Die Tür zur Erweiterung steht aber noch nicht weit offen. Im deutsch-französischen Vorschlag heißt es zu Recht, dass die Union zunächst eine Antwort auf die Frage finden muss, wie die EU mit 30 oder mehr Mitgliedern regierbar bleiben kann. Nach den jüngsten Äußerungen von EU-Beamten zu urteilen scheint sie jedoch offen genug zu stehen, damit der kleinste Bewerber – Montenegro – in den EU-Club huschen kann.

Die Europäische Kommission hat kürzlich einen positiven Zwischenbericht zur Bewertung der Benchmarks (IBAR) für die Kapitel 23 und 24 für Montenegro vorgelegt und an die an den Rat angedockte Arbeitsgruppe “Erweiterung und Beitrittsländer” (COELA) zur Annahme weitergeleitet.

Diese bürokratische Sprache hat eine tiefere Bedeutung, als man aus einer einfachen Kommissionserklärung zunächst schließen könnte. Sollte der EU-Rat noch in diesem Monat den Vorschlag bestätigen, könnte Montenegro mit dem Abschluss der Verhandlungskapitel beginnen, dem letzten Schritt in einem langen und mühsamen Beitrittsprozess.

Hoffen auf das erste Westbalkanland in der EU

Montenegros Premierminister Milojko Spajić besuchte vor einigen Monaten Berlin und Paris, mit einem Ziel vor Augen – den Weg für die Aufnahme des Landes in die EU bis 2028 zu ebnen. Ob berechtigt oder nicht, Montenegro konzentriert sich auf diese beiden EU-Mitglieder, weil es glaubt, dass sie “die Torwächter der Erweiterung” sind und das Land mit ihrer Unterstützung die Einladung während der nächsten Amtszeit der Kommission erhalten kann.

Ermutigt von diesen Reisen, glauben montenegrinische Beamte, dass ihr Land der Union unter den gegebenen Umständen beitreten kann, da die Mitgliedschaft keine Änderungen an der derzeitigen Entscheidungsfindung, dem heikelsten Thema in der EU, mit sich bringen würde. In diesem Fall könnte fast drei Jahrzehnte nach dem EU/Westbalkan-Gipfel von Thessaloniki im Jahr 2003, auf dem der nach der gewaltsamen Auflösung des ehemaligen Jugoslawien taumelnden Region die Mitgliedschaft in der EU versprochen wurde, endlich das erste Land des Westbalkans der EU beitreten.

Beitrittsperspektive schiebt Reformen an

Für Erweiterungsenthusiasten ist es vielleicht weniger als erwartet, aber noch nicht zu spät. Die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft hat als Katalysator für den demokratischen Wandel gedient und bleibt die mächtigste “Währung” Brüssels. Wenn das Ziel klar definiert ist, entspricht die Reaktion eines Beitrittskandidaten den Erwartungen. Der Fall von Montenegro bestätigt dies. Die Aussicht auf den Abschluss der Verhandlungskapitel veranlasste Montenegro, die notwendigen Reformen durchzuführen, um eine positive Stellungnahme der Kommission zu erhalten. Mit dem montenegrinischen Beispiel signalisiert Brüssel, dass sich die Anstrengungen letztlich auszahlen, auch wenn die Anerkennung erst nach Jahren des Wartens erfolgt.

Für die Skeptiker hat Montenegro noch nicht die notwendigen Kriterien erfüllt, um ernsthaft in Betracht gezogen zu werden. Aus ihrer Sicht haben die Westbalkan-Anwärter wenig getan, um die Vereinnahmung des Staates zu verhindern, die endemische Korruption einzudämmen oder die Verletzung der Medienfreiheit zu verhindern. Die Region erlebt ein Wiederaufleben von Chauvinismus, Geschichtsrevisionismus und Völkermordleugnung, angetrieben von einem ungebremsten Nationalismus.

Ich kann nur zustimmen, dass Montenegro die Reformen fortsetzen muss. Das Modell der künftigen Union, das derzeit geprüft wird, ist jedoch breit genug, um neue Mitglieder wie ein kleines Balkanland aufzunehmen. Die Erweiterung war und wird ein politischer Prozess bleiben.

Beitritt ist vor allem eine politische Frage

Politische Motive waren jedes Mal ausschlaggebend, wenn die EU neue Mitglieder aufnahm, und das war nicht erst bei Bulgarien, Rumänien oder Zypern der Fall. Der Beitrittsantrag Griechenlands wurde zähneknirschend angenommen, während die Kommission warnte, dass “die griechische Mitgliedschaft sowohl für Griechenland als auch für die Gemeinschaft eine ernsthafte Bedrohung darstellen könnte”. Ähnliche Argumente waren zu hören, als Spanien und Portugal die Mitgliedschaft gewährt wurde, die damals als aufstrebende Demokratien mit den autokratischen Gespenstern ihrer Vergangenheit und ihren veralteten Industrie- und Agrarsektoren zu kämpfen hatten.

Obwohl es Zeit und Mühe kostet, neue Mitglieder aufzunehmen, hat sich keine dieser Entscheidungen als schädlich für das EU-Projekt erwiesen. Rückblickend hat sich jede Entscheidung zur Erweiterung, egal, wie schwierig der Integrationsprozess auch war, als richtig erwiesen.

Manche mögen die potenzielle Mitgliedschaft Montenegros als “zu riskant” und “zum falschen Zeitpunkt” betrachten, aber man kann auch argumentieren, dass die Entscheidung, die Tür für Podgorica zu öffnen, die Legitimität der Erweiterung unterstreicht und die Vitalität der EU beweist. Wenn die EU im Begriff ist, “auf hoher See zu segeln”, wie die deutsch-französische Arbeitsgruppe für institutionelle Reformen andeutet, kann Montenegro ein sicherer Ausgangspunkt für die Erweiterung sein.

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    der Deal, der (noch) keiner war: Bei ihrem formellen Gipfel am 27. und 28. Juni werden die Staats- und Regierungschefs einen neuen Anlauf nehmen, sich auf die personelle Neuaufstellung der europäischen Institutionen zu einigen. Bei ihrem Abendessen am Montag hatten sie keine Entscheidung zustande gebracht, obwohl Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron dies angestrebt hatten. Und obgleich die Besetzung der vier Top-Jobs an der Spitze von Kommission, Rat, Europaparlament und Auswärtigem Dienst im Grunde kaum noch strittig ist.

    Verantwortlich für den gescheiterten Versuch war laut Diplomaten die unglückliche Verhandlungsführung. Die Chefunterhändler der drei bisherigen Bündnispartner hatten zu Beginn des Treffens zunächst ausgiebig im kleinen Kreis verhandelt: Olaf Scholz und Pedro Sánchez für die Sozialdemokraten, Donald Tusk und Kyriakos Mitsotakis für die EVP, Emmanuel Macron und Mark Rutte für die Liberalen. Die anderen 21 Staats- und Regierungschefs blieben lange außen vor, was vor allem Giorgia Meloni sichtlich erboste. Italiens rechte Ministerpräsidentin, gestärkt durch ihr gutes Ergebnis bei der Europawahl, wollte ein Personalpaket schon deshalb nicht mittragen.

    Scholz und Co. hatten vor allem deshalb das exklusive Format gewählt, um Charles Michel zu umgehen. Der Ratspräsident hat sich aus Sicht der anderen durch seine Anfeindungen gegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen disqualifiziert für die Vermittlerrolle, die eigentlich seine Aufgabe als Gipfelgastgeber wäre. Der Gedanke, mit Meloni eine Vertreterin der EKR-Parteienfamilie aus einem großen Mitgliedstaat frühzeitig einzubeziehen, kam den sechs Vertretern der traditionell in Brüssel dominierenden Mitte-Parteien offenbar nicht.

    Hinzu kamen Last-Minute-Forderungen der EVP-Riege, die den Sozialdemokraten etwa nur zugestehen wollten, den neuen Ratspräsidenten für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren – statt fünf – zu stellen. Daran aber werden die Christdemokraten die Verhandlungen wohl nicht scheitern lassen: EVP-Chef Manfred Weber jedenfalls machte gestern deutlich, dass die drei proeuropäischen Lager “natürlich einen Kompromiss finden wollen”. Manch Diplomat bezeichnet das Manöver deshalb als “Geplänkel”.

    Womöglich wollen die Christdemokraten sich dadurch größeren Einfluss in der EU-Kommission sichern. Zumindest die Posten der Exekutiven Vizepräsidenten sind laut Diplomaten Teil der Verhandlungen hinter den Kulissen. Die EVP könnte hier, gestärkt durch den Wahlausgang, gleich zwei der wichtigsten Stellvertreterposten beanspruchen.

    Eine Einigung beim Gipfel Ende Juni scheint jedenfalls in Reichweite. Und doch gehen die Akteure durch den Deal, der keiner war, ein Risiko ein: mögliche Störfaktoren gibt es genug, etwa die Egos einzelner Staats- und Regierungschefs oder Verschiebungen im Kräfteverhältnis im Europaparlament durch Fraktionswechsel. Es braucht nicht viel, um die EU in diesen Zeiten aus dem Tritt zu bringen.

    Ihr
    Till Hoppe
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    Analyse

    Insolvenzrecht: Frankreich und Deutschland prüfen 28. Regime für Anleiheemittenten

    Deutschland und Frankreich arbeiten an neuen Insolvenzregeln für Anleiheemittenten. Beide Regierungen prüfen derzeit, wie praktikabel ein sogenanntes 28. Regime auf EU-Ebene für diesen spezifischen Kreis ist, wie Table.Briefings aus informierten Kreisen in Berlin und Paris erfuhr. Dadurch ließen sich die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse in der EU erleichtern, hieß es, ohne das nationale Insolvenzrecht der 27 Mitgliedstaaten voll harmonisieren zu müssen.

    Gegen die Harmonisierung gibt es starke Widerstände in den jeweiligen Justizministerien. Ein Vorschlag der EU-Kommission, Teile der nationalen Insolvenzbestimmungen zu harmonisieren, liegt aktuell beim EU-Rat, die Verhandlungen kommen aber kaum voran. Das 28. Regime wäre eine Alternative, welche die politischen Widerstände einer Insolvenzrechtsharmonisierung eventuell umgehen könnte.

    Mehr Investitionen dank Rechtssicherheit

    Unternehmen, die Schuldverschreibungen begeben, würden ihren Investoren nach den Plänen im Ausgabeprospekt Rechtswahlklauseln einräumen: Diese könnten entscheiden, ob sie anhand der jeweiligen nationalen Insolvenzbestimmungen vorgehen oder anhand neuer EU-Regeln, wenn der Anleiheschuldner seine Verbindlichkeiten nicht bedienen kann.

    Investoren sollen so Rechtssicherheit erhalten und das Risiko europäischer Firmenanleihen besser einschätzen können. Dies soll im Gegenzug dazu führen, dass europäische Unternehmen mehr und günstigeres Fremdkapital aufnehmen können, um ihre Investitionen zu finanzieren.

    Seit die Europäische Zentralbank 2016 begonnen hat, im Rahmen ihrer quantitativen Lockerungspolitik auch Unternehmensanleihen aufzukaufen, ist der europäische Anleihemarkt um 50 Prozent gewachsen. Die Marktkapitalisierung der Unternehmensanleihen, welche die Bedingungen der EZB erfüllten, stand 2022 bei ca. 1,1 Billionen Euro.

    Ungewisse Erfolgsaussichten für 28. Regime

    Experten bewerten das 28. Regime für Unternehmensanleihen skeptisch. Eine echte Vereinfachung würde dabei helfen, die vergleichsweise geringen Privatinvestitionen in der EU anzukurbeln, aber viel hängt davon ab, wie ein 28. System konkret umgesetzt würde.

    Nicolas Véron, Senior Fellow beim Brüsseler Think-Tank Bruegel, ist wenig optimistisch. “Als Mitgliedstaaten in der Vergangenheit versuchten, ein 28. Regime einzuführen, hat es nicht geklappt“, sagt er mit Verweis auf einen früheren Versuch, eine europäische Unternehmensform einzuführen. Das liege daran, dass viele Mitgliedstaaten schlicht keine Konkurrenz zu ihren nationalen Systemen wünschten.

    Karel Lannoo, Experte für Finanzmarktregulierung und CEO des Brüsseler Think-Tanks CEPS, zeigt sich ebenfalls skeptisch. Für Investoren stelle sich die Frage, wer ihre Interessen im Falle einer Insolvenz im 28. Regime schützen würde. Das sei noch nicht klar und angesichts des Misstrauens zwischen den Mitgliedstaatsregierungen und den europäischen Behörden ein großes Hindernis, meint Lannoo, der die Erfolgsaussichten für das 28. Regime für gering hält.

    Ablenkung von Harmonisierungsbemühungen

    Zudem lenkt die Diskussion über das 28. Regime laut Lannoo vom Wesentlichen ab. “Wir kreieren andauernd neue Dinge und fördern damit die Fragmentierung, anstatt die Dinge zu tun, die getan werden müssen, nämlich Harmonisierung und Konsolidierung“, sagt er.

    Auch in der EU-Kommission scheint man sich vor einer Ablenkung zu fürchten. Auf das 28. Regime angesprochen, sagte ein Sprecher von Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness zwar, dass die Kommission neue Ideen begrüße. Er verwies aber ebenfalls auf den im Rat hängigen Vorschlag zur Insolvenzrechtsharmonisierung. “Die Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament, an den ehrgeizigen Zielen dieses Textes festzuhalten und so bald wie möglich eine Einigung zu erzielen.”

    Kapitalmarktunion als Priorität

    Die Idee eines 28. Regimes auf EU-Ebene hatte der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta in seinem Bericht zum Binnenmarkt aufgebracht. Allerdings schwebte Letta ein weiterreichender Ansatz vor: ein EU-weites Regelwerk für Unternehmensrecht (European Code of Business Law). Die Unternehmen sollen sich beim Gang in andere Mitgliedstaaten nicht mehr durch das Dickicht unterschiedlicher nationaler Vorschriften kämpfen müssen.

    Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron dringen aber auf zügige Fortschritte bei der Vertiefung der Kapitalmarktunion. Dafür wollen sie auch die Verbriefung von Krediten erleichtern. Mit Anpassungen in den geltenden EU-Verordnungen seien hier auch kurzfristig Fortschritte möglich, hieß es in Berlin. Die beiden Finanzministerien arbeiten zudem an einem neuen europäischen Spar- und Investitionsprodukt. Eine gemeinsame Task-Force mit den Bankenverbänden treibt die Arbeiten an der Kapitalmarktunion voran.

    Auch beim kommenden EU-Gipfel vom 27. bis 28. Juni wird erwartet, dass die EU-Staats- und Regierungschefs sich wieder für die Kapitalmarktunion starkmachen werden. “Der Europäische Rat ruft insbesondere dazu auf, die Arbeiten an der Kapitalmarktunion zu beschleunigen, um wirklich integrierte Märkte zu schaffen, die für alle Bürger und Unternehmen zugänglich sind und allen Mitgliedstaaten zugutekommen”, steht im Entwurf der Schlussfolgerungen, die Table.Briefings vorliegen.

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    Fehlende Fachkräfte und Investitionen: Was ukrainische Firmen jetzt brauchen – und was nicht

    Die Ukraine wirbt um Investitionen. Dem Staat und privaten, einheimischen Unternehmen fehlt Kapital, die eigene Wirtschaft und Rüstungsindustrie am Laufen zu halten – und vor allem unabhängiger von westlichen militärischen Lieferungen zu werden. “Ich appelliere an die Unternehmen, mit ihren Investitionen in der Ukraine nicht bis zum Ende des Krieges zu warten. Fangen Sie jetzt an”, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz vergangene Woche. 

    Zwar sind viele der deutschen Unternehmen aus dem zivilen Bereich, die bereits vor dem Krieg in der Ukraine tätig waren, geblieben. Einige Rüstungsunternehmen bauen Werke in der Ukraine neu auf. Mit Rheinmetall, dem Flensburger Fahrzeugbauer FFG und dem Drohnenhersteller Quantum Systems haben bereits deutsche Rüstungsfirmen einen Teil ihrer Produktion in die Ukraine verlegt. Auch der türkische Drohnenhersteller Baykar baut nach eigenen Angaben ein Werk auf, der britische Waffenproduzent BAE Systems hat nach Angaben des Ministeriums für strategische Industrien zumindest ein Büro in der Ukraine eröffnet. Beim Panzerhersteller KNDS gebe es ähnliche Überlegungen.

    Frauen sollen umschulen, um Männer zu ersetzen

    Doch viele weitere Interessenten zögern. Die ständige Gefahr, Ziel russischer Raketen zu werden, ist dabei aber nur ein Faktor. Dieses Risiko sei berechenbar, sagt der Sicherheitsexperte Friedrich-Christian Haas, Geschäftsführer der AKE Group. Er berät Unternehmen vor allem aus dem zivilen Sektor, die in Krisen- oder Kriegsgebieten investieren wollen. Es gebe viele Gegenden im Westen der Ukraine, die noch nie angegriffen wurden. “Man sollte sein Werk nicht gerade neben Güterbahnhöfen oder einem Kraftwerk oder sonstiger Kritischer Infrastruktur aufbauen, und lieber längere Logistikwege in Kauf nehmen”, sagt Haas.

    Die Probleme, warum Unternehmen zögern, liegen woanders: in einem sehr starren Arbeitsrecht, teils noch angelehnt an die Sowjetzeit, an hoher Bürokratie und an der Ressource Mensch. “Die Mobilisierung ist, neben den zerstörten Energienetzen, die größte Herausforderung für Unternehmen”, sagt Ruslan Illichov, Generaldirektor des größten ukrainischen Arbeitgeberverbands (Federation of Employers of Ukraine, FEU), im Interview mit Table.Briefings. Rund 8.000 Unternehmen sind Mitglied in dem Verband.

    Männer im wehrfähigen Alter einzustellen, sagt Illichov, sei für Unternehmen mit hohem Risiko verbunden, denn von heute auf morgen könnten sie an die Front geschickt werden. Nur Rüstungsbauer und Betreiber Kritischer Infrastrukturen sind aktuell von dieser Regel befreit. 

    Ukrainischer Arbeitgeberverband kritisiert Initiative

    Um den Fachkräftemangel abzufedern, haben das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das ukrainische Wirtschaftsministerium auf der Wiederaufbaukonferenz eine “Fachkräfte-Allianz” geschlossen. Junge Menschen und Binnenvertriebene sollten so einfacher ihre Ausbildung beginnen oder fortsetzen, die sie aufgrund des Krieges unterbrochen haben. Frauen sollen umschulen für Berufe, die bislang vor allem Männer ausführten. Mehr als 180.000 neue Fachkräfte sollten in den nächsten drei Jahren für den Wiederaufbau der Ukraine ausgebildet werden, teilt das BMZ mit. 

    Im ukrainischen Arbeitgeberverband sieht man die Allianz kritisch – und symptomatisch für die Wiederaufbaukonferenz: Die Initiative sei sehr symbolisch, enthalte wenig Praktisches und sei mit niemandem aus der Industrie abgestimmt worden. Überhaupt seien keine neue Allianz nötig, kein weiteres Seminar, keine weiteren Roundtable, stattdessen: “Jeden Tag bilden unsere Unternehmen Frauen in Männerberufen aus”, sagt Illichov. Was die Ukraine brauche, seien moderne Ausbildungszentren mit neuen Maschinen, sagt er. Junge Menschen, die in Ausbildungszentren aus der Sowjetzeit lernten, kämen in Firmen mit hochmodernen Maschinen und könnten diese nicht bedienen. 

    Und zum Thema Ansiedlungen deutscher Unternehmen, sagt Illichov: “Es wäre angesichts der aktuellen Situation nicht ehrlich, jetzt zu deutschen Firmen zu sagen, kommt in die Ukraine und investiert.” Was die Ukraine jetzt brauche, seien Kooperationen zwischen deutschen und ukrainischen Firmen.

    Wunsch: Mehr deutsche Beteiligungen

    “Wir müssen so viel wie möglich im Land produzieren, mit der Ausrüstung, mit der Beteiligung deutscher Technologien, deutschen Unternehmen. Das sollte Priorität haben. Leider sehen wir, dass das immer noch nicht der Fall ist”, sagt Illichov. Potenziale sieht Illichov neben der Rüstungsindustrie etwa in der Automobilbranche. So könnte diese in ihrer gesamten Lieferkette auch Produktionsstätten in der Ukraine einbauen.

    Und noch einen Hemmschuh schildern mehrere Unternehmen: Die Ukraine schaue bei Neuansiedelungen und Investoren sehr genau hin, um russischen Einfluss, aber auch Korruption zu vermeiden. Die bürokratischen Hürden seien entsprechend hoch, diese würden wiederum zum Teil die Schwarzarbeit fördern.

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    News

    Medienbericht: Weg wohl frei für Rutte als neuen NATO-Chef

    Der niederländische, öffentliche Rundfunk NOS meldet, dass der noch amtierende dortige Ministerpräsident Mark Rutte neuer Generalsekretär der NATO wird. NOS berichtet, dass sich der einzige verbleibende Gegenkandidat Ruttes für das Amt – der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis – bald zurückziehen werde. Damit wäre die letzte Hürde für Rutte genommen – denn die Wahl zum Nato-Chef muss einstimmig durch alle 32 Mitglieder des Militärbündnisses erfolgen.

    Zuvor hatte Ungarn Regierungschef Viktor Orbán angekündigt, Ruttes Kandidatur voll zu unterstützen. Auch der slowakische Präsident Peter Pellegrini hatte am Dienstag Unterstützung für den Niederländer signalisiert.

    Jens Stoltenberg, der derzeitige NATO-Generalsekretär, wollte die Medienberichte weder dementieren noch bestätigen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Stoltenberg sagte, die Auswahl des neuen Nato-Chefs sei fast abgeschlossen – und nannte Rutte “einen starken Kandidaten”.

    Rutte: Fest an der Seite der Ukraine

    Rutte gilt als treuer Verbündeter Kiews und Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er war eine treibende Kraft hinter der militärischen Unterstützung Europas für die Ukraine. Wiederholt betonte er, dass eine Niederlage Russlands auf dem Schlachtfeld absolut notwendig sei, um den Frieden in Europa zu sichern.
    Zudem hat er die Verteidigungsausgaben in seinem Land kräftig erhöht: Sie liegen nun über der von der NATO geforderten Zwei-Prozent-Schwelle. Dazu hat seine Regierung Kiew F-16-Kampfjets, Artillerie, Drohnen und Munition zur Verfügung gestellt.

    Orbán nannte als Grund für sein Einlenken in der Personalfrage am Dienstag einen Brief Ruttes, in dem dieser auf ungarische Forderungen eingeht. Dabei geht es unter anderem darum, dass Ungarn sich sicher sein will, nicht zu einer Beteiligung an einem geplanten Nato-Einsatz zur Koordinierung von Waffenlieferungen für die Ukraine gedrängt zu werden. Die Regierung von Orbán befürchtet, dass das Bündnis durch das Projekt in eine direkte Konfrontation mit Russland getrieben werden könnte.

    Der derzeitige Vertrag des amtierenden Nato-Generalsekretärs Stoltenberg läuft noch bis 1. Oktober. Er hatte in der Vergangenheit schon mehrfach angekündigt, den Posten aufgeben zu wollen. Im vergangenen Sommer scheiterten allerdings Versuche der Mitgliedstaaten, sich auf einen Nachfolger zu einigen. rtr/dpa/lei

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    Reintke und Eickhout kandidieren für Grünen-Fraktionsvorsitz

    Die beiden Spitzenkandidaten der Europäischen Grünen, Terry Reintke und Bas Eickhout, sind laut Informationen von Table.Briefings die einzigen Kandidaten für die Wahl der Co-Vorsitzenden der Grünen-Fraktion. Die Bewerbungsfrist endet diesen Mittwoch, auch die Wahl findet Mittwoch statt. Sofern keine überraschenden Gegenkandidaten noch kurzfristig ihre Bewerbung einreichen, werden Reintke und Eickhout das Votum wohl problemlos überstehen.

    Reintke hatte bereits zwei Tage nach der Europawahl ihre Kandidatur bekannt gegeben. Sie hatte den Posten bereits in der vergangenen Legislatur seit dem Rücktritt von Ska Keller inne. Eickhout war bislang stellvertretender Vorsitzender und wird nun Nachfolger des aus dem Europaparlament ausgeschiedenen Belgiers Philippe Lamberts. luk

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    Repasi: Kritik an “Maximalforderungen” der EVP

    Die SPD im Europaparlament hat die EVP wegen ihrer Forderungen nach mehr Gewicht bei den laufenden Personalverhandlungen zu mehr Realismus aufgefordert. “Ohne absolute Mehrheit ist die EVP auf Zusammenarbeit mit den anderen politischen Kräften im Europäischen Parlament angewiesen, in den anderen EU-Institutionen ist sie das ebenfalls. Dazu sind Maximalforderungen wenig hilfreich“, sagte René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD.

    “Unser Hauptaugenmerk ist, inhaltliche Fortschritte bei der sozialen Sicherheit zu erreichen, der Friedenssicherung sowie der Fortführung des Wandels hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft, die natürlich nur mit dem passenden Personal durchsetzbar sind“, sagte Repasi weiter.

    Bei einem Spitzengipfel am Montagabend hatten EVP-Verhandler verlangt, für zweieinhalb Jahre den Ratspräsidenten zu stellen sowie für volle fünf Jahre die Parlamentspräsidentin. ber

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    Agenda 2030: Was die EU bisher erreicht hat – und was nicht

    Auf dem Weg zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) hat die EU in den vergangenen fünf Jahren in drei Bereichen erhebliche Fortschritte gemacht: bei der Verringerung von Ungleichheiten (SDG 10), der Förderung menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum (SDG 8) sowie der Bekämpfung von Armut (SDG 1). Rückschritte hingegen hatte sie in den Bereichen erschwingliche und saubere Energie (SDG 7), Gesundheit und Wohlbefinden (SDG 3) und Leben an Land (SDG 15) zu verzeichnen. Das geht aus dem diesjährigen Monitoring-Bericht über die Fortschritte der EU im Hinblick auf die SDG hervor. Der Bericht wird einmal jährlich von Eurostat veröffentlicht.

    Zu den Indikatoren, bei denen die EU laut Eurostat positive Rekorde erzielt hat, zählt zum Beispiel die Verringerung von Einkommensunterschieden zwischen den reichen und den ärmeren Bevölkerungsgruppen. Auch die Armutslücke zwischen Stadt und Land hat sich laut dem Bericht verringert. Die Beschäftigungsquote in der EU hat einen Rekordwert von 75,3 Prozent erreicht; das Pro-Kopf-BIP ist gestiegen.

    Gentiloni: Trotz großer Fortschritte nicht zufrieden

    “Wir können stolz sein, wie weit wir gekommen sind”, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni auf einer Konferenz der belgischen Ratspräsidentschaft in Brüssel. “Trotz der außergewöhnlichen Herausforderungen durch die Pandemie und die russische Invasion in der Ukraine ist die EU bei einer Vielzahl an SDG vorangekommen.” Dennoch könne man nicht zufrieden sein: Die Ergebnisse seien in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich, und bei einigen Zielen schneide die EU nur moderat oder sogar schlecht ab.

    Den Rückgang bei drei Zielen begründet Eurostat zum einen mit den negativen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise (SDG 7). Zum anderen seien die Rückschläge der COVID-19-Pandemie nun in den Daten vollständig sichtbar (SDG 3). Das Erreichen des Ziels “Leben an Land” (SDG 15) sei durch die gefährdete Biodiversität beeinträchtigt, auch Trockenheit und daraus folgende Bodendegradation spiele eine negative Rolle.

    Khattabi: Umfassende SDG-Strategie nötig

    Gentiloni bezog sich zudem auf die weltweite Bilanz: Laut dem UN-Bericht von 2023 sind die Fortschritte bei mehr als 50 Prozent der Ziele schwach, bei 30 Prozent finden sogar Rückschritte statt. “Auch wenn die EU insgesamt auf einem guten Weg ist: Die Welt ist es nicht”, erklärte der Kommissar. “Wir gewinnen keine Goldmedaille, wenn wir die Ziellinie als Erste erreichen – dieses Rennen muss die Welt gemeinsam gewinnen.”

    Die belgische Ministerin für nachhaltige Entwicklung, Zakia Khattabi, forderte eine kontinuierliche Aufmerksamkeit für das Thema und eine umfassende SDG-Strategie von der EU und nationalen Regierungen. Die Zuständigkeit für diese Strategie müsse explizit in einem Ministerium, beziehungsweise bei einer Vizepräsidentin der EU-Kommission liegen. Auf der Konferenz wurden auch Forderungen nach einer häufigeren Bestandsaufnahme, etwa halbjährlich, laut. Laut Agenda 2030 sind noch sechs Jahre Zeit, um die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. leo

    • SDG

    Chatkontrolle: Politiker fordern in offenem Brief Ablehnung der Mitgliedstaaten

    In einem offenen Brief haben 36 Politikerinnen und Politiker aus Deutschland und Europa an die EU-Mitgliedstaaten appelliert, gegen die sogenannte Chatkontrolle zu stimmen. Man sei davon überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen mit den europäischen Grundrechten unvereinbar seien, heißt es in dem Papier.

    Belgien versucht offenbar in den letzten Tagen seiner EU-Ratspräsidentschaft eine allgemeine Ausrichtung bei der umstrittenen CSA-Verordnung zu erreichen. Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern steht am Donnerstag (20. Juni) beim Treffen der Ständigen Vertreter (AStV 2) als letzter Punkt auf der Tagesordnung – mit dem Vermerk “gegebenenfalls”.

    Frankreich könnte seine Meinung ändern

    Bisher scheiterte die Einigung an der Sperrminorität. Dafür müssen mindestens vier Staaten mit mindestens 35 Prozent der EU-Bevölkerung ihre Zustimmung verweigern. Neben Deutschland und Polen war das bisher vor allem Frankreich. Doch Beobachter erwarten, dass Paris inzwischen seine Meinung geändert hat und für den jüngsten Vorschlag der Belgier stimmt.

    Neben Politikern aus nationalen Parlamenten, wie Deutschland und Österreich, unterzeichneten auch Europaabgeordnete den offenen Brief. Zu ihnen gehören die FDP-Politikerinnen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Svenja Hahn, Tabea Rößner und Kim van Sparrentak von den Grünen, Damian Boeselager von Volt und Nikolaus Scherak von NEOS, Österreich. SPD- und Unions-Abgeordnete unterzeichneten nicht.

    Justizminister Buschmann hat Bedenken

    In dem Brief heißt es weiter: “Wir setzen uns für den Schutz des Rechts auf anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets sowie für die Stärkung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein.” Die Unterzeichnenden rufen alle verhandelnden Regierungen dringend auf, die aktuellen Pläne abzulehnen.

    Die EU-Kommission hatte 2022 einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, wonach Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können, ihre Dienste mithilfe von Software nach Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu durchsuchen. Kritiker sprechen daher von Chatkontrolle und fürchten Massenüberwachung. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat Bedenken.

    Unterzeichner fordern besseren Schutz für die Kinder

    Den Unterzeichnenden zufolge ist ein Ansatz nötig, der unter anderem den Schutz vor sexuellem Kindesmissbrauch in den Vordergrund stellt. Außerdem seien mehr Ressourcen und eine gezieltere Koordinierung der europäischen Strafverfolgungsbehörden nötig.

    “Anstatt Kinder effektiv vor sexualisierter Gewalt im Netz zu schützen, greift der Kompromissentwurf auch weiterhin massiv in den Schutz der digitalen Privatsphäre aller ein”, kritisierte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tobias Bacherle. Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, sagte, die Chatkontrolle schaffe keine zusätzliche Sicherheit für Kinder, sondern führe zum Ende der privaten Kommunikation über Messenger, wie man sie kenne. dpa/vis

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    AI Act: Kommission startet Konsultation zur Nutzung von KI im Finanzwesen

    Die Europäische Kommission startet eine gezielte Konsultation und eine Workshop-Reihe zur Nutzung von künstlicher Intelligenz im Finanzwesen. Ziel ist es, Beiträge von Finanzakteuren zu Anwendungsfällen, Chancen, Hindernissen, Risiken und Bedürfnissen im Bereich KI einzuholen. Die gesammelten Informationen sollen helfen, Leitlinien für die Umsetzung des AI Acts im Finanzsektor zu entwickeln.

    Alle Finanzakteure sind eingeladen, bis zum 13. September an der Konsultation teilzunehmen. Besonders erwünscht sind Stellungnahmen von Unternehmen, die bereits KI-Systeme anbieten oder entwickeln.

    Zusätzlich bietet die Kommission eine Workshop-Reihe an, die gemeinsam mit den europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden organisiert wird. Diese Workshops, die im Herbst stattfinden, ermöglichen es den Teilnehmern, Projekte vorzustellen und sich über die neuesten Entwicklungen auszutauschen. Die Anmeldung für die Workshops ist bis zum 26. Juli möglich.

    “Es ist entscheidend, dass die Kommission und andere relevante Behörden eng zusammenarbeiten – und auch mit Marktteilnehmern -, um diese Regeln auf sinnvolle, verantwortungsvolle und kohärente Weise umzusetzen”, sagte Mairead McGuinness, Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion. vis

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    Wasserstoff: ENNOH geht weiteren Schritt

    Der künftige Wasserstoffnetz-Verband ENNOH hat Regeln für seine innere Organisation festgelegt, darunter die Abstimmungsregeln für die Generalversammlung. “Ich freue mich sehr, dass wir einen ehrgeizigen Zeitplan für die Gründung von ENNOH in der ersten Hälfte des Jahres 2025 haben und Sie heute Fortschritte bei der Einigung auf Ihre künftigen Regeln gemacht haben”, sagte Energiekommissarin Kadri Simson am Dienstag bei einer Versammlung von Netzbetreibern.

    Der Aufbau des Verbandes wurde jüngst mit der Novelle der Gasmarkt-Verordnung beschlossen. Vom Gasnetzbetreiberverband ENTSOG soll ENNOH bis 2027 vor allem die Planung des europäischen Wasserstoffnetzes und die Ausarbeitung von Netzkodizes übernehmen. ber

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    Standpunkt

    Warum Montenegros EU-Beitritt ein Ausgangspunkt für mehr sein kann

    Von Vesko Garčević
    Vesko Garčević war Botschafter Montenegros in Brüssel (NATO) und Wien (OSZE) – nun lehrt er als Professor für die Praxis der internationalen Beziehungen an der Universität Boston.

    Jeder hat sicher schon einmal eine romantische Komödie gesehen, in der die Beziehung eines Paares sich dem Ende nähert, bis plötzlich eine unerwartete Wendung die Gefühle wieder aufflammen lässt. Diese Geschichte ähnelt der Erweiterung der Europäischen Union.

    Jahrelang bestand die Brüsseler Erweiterungspolitik aus einer Mischung aus vagen Botschaften und lauwarmer Unterstützung für die Beitrittskandidaten aus dem Balkan. Im Gegenzug setzten diese die EU-Aufforderungen in halbherzige Reformen um.

    Brüssel tat so, als sei die Erweiterung noch von Bedeutung, während die Beitrittskandidaten demokratische Reformen vorgaukelten. Wie in einer romantischen Komödie wurde die Wendung von demjenigen eingeleitet, an den niemand dachte – Russland. Der Einmarsch in der Ukraine hat die Union dazu veranlasst, ihre Rolle in Europa und in der Welt gründlich zu überdenken, und die Erweiterung wieder ins Rampenlicht gerückt.

    Positiver Zwischenbericht zu Benchmarks

    Die Tür zur Erweiterung steht aber noch nicht weit offen. Im deutsch-französischen Vorschlag heißt es zu Recht, dass die Union zunächst eine Antwort auf die Frage finden muss, wie die EU mit 30 oder mehr Mitgliedern regierbar bleiben kann. Nach den jüngsten Äußerungen von EU-Beamten zu urteilen scheint sie jedoch offen genug zu stehen, damit der kleinste Bewerber – Montenegro – in den EU-Club huschen kann.

    Die Europäische Kommission hat kürzlich einen positiven Zwischenbericht zur Bewertung der Benchmarks (IBAR) für die Kapitel 23 und 24 für Montenegro vorgelegt und an die an den Rat angedockte Arbeitsgruppe “Erweiterung und Beitrittsländer” (COELA) zur Annahme weitergeleitet.

    Diese bürokratische Sprache hat eine tiefere Bedeutung, als man aus einer einfachen Kommissionserklärung zunächst schließen könnte. Sollte der EU-Rat noch in diesem Monat den Vorschlag bestätigen, könnte Montenegro mit dem Abschluss der Verhandlungskapitel beginnen, dem letzten Schritt in einem langen und mühsamen Beitrittsprozess.

    Hoffen auf das erste Westbalkanland in der EU

    Montenegros Premierminister Milojko Spajić besuchte vor einigen Monaten Berlin und Paris, mit einem Ziel vor Augen – den Weg für die Aufnahme des Landes in die EU bis 2028 zu ebnen. Ob berechtigt oder nicht, Montenegro konzentriert sich auf diese beiden EU-Mitglieder, weil es glaubt, dass sie “die Torwächter der Erweiterung” sind und das Land mit ihrer Unterstützung die Einladung während der nächsten Amtszeit der Kommission erhalten kann.

    Ermutigt von diesen Reisen, glauben montenegrinische Beamte, dass ihr Land der Union unter den gegebenen Umständen beitreten kann, da die Mitgliedschaft keine Änderungen an der derzeitigen Entscheidungsfindung, dem heikelsten Thema in der EU, mit sich bringen würde. In diesem Fall könnte fast drei Jahrzehnte nach dem EU/Westbalkan-Gipfel von Thessaloniki im Jahr 2003, auf dem der nach der gewaltsamen Auflösung des ehemaligen Jugoslawien taumelnden Region die Mitgliedschaft in der EU versprochen wurde, endlich das erste Land des Westbalkans der EU beitreten.

    Beitrittsperspektive schiebt Reformen an

    Für Erweiterungsenthusiasten ist es vielleicht weniger als erwartet, aber noch nicht zu spät. Die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft hat als Katalysator für den demokratischen Wandel gedient und bleibt die mächtigste “Währung” Brüssels. Wenn das Ziel klar definiert ist, entspricht die Reaktion eines Beitrittskandidaten den Erwartungen. Der Fall von Montenegro bestätigt dies. Die Aussicht auf den Abschluss der Verhandlungskapitel veranlasste Montenegro, die notwendigen Reformen durchzuführen, um eine positive Stellungnahme der Kommission zu erhalten. Mit dem montenegrinischen Beispiel signalisiert Brüssel, dass sich die Anstrengungen letztlich auszahlen, auch wenn die Anerkennung erst nach Jahren des Wartens erfolgt.

    Für die Skeptiker hat Montenegro noch nicht die notwendigen Kriterien erfüllt, um ernsthaft in Betracht gezogen zu werden. Aus ihrer Sicht haben die Westbalkan-Anwärter wenig getan, um die Vereinnahmung des Staates zu verhindern, die endemische Korruption einzudämmen oder die Verletzung der Medienfreiheit zu verhindern. Die Region erlebt ein Wiederaufleben von Chauvinismus, Geschichtsrevisionismus und Völkermordleugnung, angetrieben von einem ungebremsten Nationalismus.

    Ich kann nur zustimmen, dass Montenegro die Reformen fortsetzen muss. Das Modell der künftigen Union, das derzeit geprüft wird, ist jedoch breit genug, um neue Mitglieder wie ein kleines Balkanland aufzunehmen. Die Erweiterung war und wird ein politischer Prozess bleiben.

    Beitritt ist vor allem eine politische Frage

    Politische Motive waren jedes Mal ausschlaggebend, wenn die EU neue Mitglieder aufnahm, und das war nicht erst bei Bulgarien, Rumänien oder Zypern der Fall. Der Beitrittsantrag Griechenlands wurde zähneknirschend angenommen, während die Kommission warnte, dass “die griechische Mitgliedschaft sowohl für Griechenland als auch für die Gemeinschaft eine ernsthafte Bedrohung darstellen könnte”. Ähnliche Argumente waren zu hören, als Spanien und Portugal die Mitgliedschaft gewährt wurde, die damals als aufstrebende Demokratien mit den autokratischen Gespenstern ihrer Vergangenheit und ihren veralteten Industrie- und Agrarsektoren zu kämpfen hatten.

    Obwohl es Zeit und Mühe kostet, neue Mitglieder aufzunehmen, hat sich keine dieser Entscheidungen als schädlich für das EU-Projekt erwiesen. Rückblickend hat sich jede Entscheidung zur Erweiterung, egal, wie schwierig der Integrationsprozess auch war, als richtig erwiesen.

    Manche mögen die potenzielle Mitgliedschaft Montenegros als “zu riskant” und “zum falschen Zeitpunkt” betrachten, aber man kann auch argumentieren, dass die Entscheidung, die Tür für Podgorica zu öffnen, die Legitimität der Erweiterung unterstreicht und die Vitalität der EU beweist. Wenn die EU im Begriff ist, “auf hoher See zu segeln”, wie die deutsch-französische Arbeitsgruppe für institutionelle Reformen andeutet, kann Montenegro ein sicherer Ausgangspunkt für die Erweiterung sein.

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    Europe.Table Redaktion

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