heute lohnt sich ein kurzer Blick nach Wien. Österreich will an diesem Dienstag seinen lang erwarteten nationalen Energie- und Klimaplan vorlegen. Es ist jener Plan, mit dem die EU-Mitgliedstaaten skizzieren müssen, welche Maßnahmen sie zum Erreichen der EU-Klimaziele ergreifen.
Ein Entwurf war im Herbst an die Kommission geschickt, kurz darauf aber aufgrund von regierungsinternen Querelen wieder zurückgezogen worden. Seitdem gab es sowohl innerhalb der Regierung in Wien als auch mit der EU-Kommission Streitigkeiten. Brüssel leitete sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein.
Nun also soll der sogenannte NECP kommen, und einige Details sind schon bekannt: Durch “Carbon Capture and Storage” (CCS) will Wien offenbar unvermeidbare Emissionen aus der Industrie verhindern. Klimaschädliche Subventionen sollen wegfallen und so “mindestens zwei Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen”. Auch das Steuerprivileg für Dieselkraftstoff könnte abgeschafft werden.
Das kommt Ihnen bekannt vor? Ähnliche Debatten über klimaschädliche Subventionen werden dieser Tage auch in Deutschland geführt. Sollte Wien Nägel mit Köpfen machen, könnte das womöglich auch Berlin noch mehr unter Druck setzen. Schließlich brüstet sich die Bundesregierung gerne damit, Vorreiter in Sachen Klimaschutz in Europa zu sein.
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.
Es sind schwere Zeiten für ausländische Lebensmittelhändler in Ungarn. Seit Jahren sehen sie sich in dem Land mit Sondersteuern, bürokratischen Hürden und Kontrollen konfrontiert, die einheimische Supermarktketten nicht im gleichen Maße zu befürchten haben. Nachdem die ungarische Regierung vor Kurzem eine besonders kontroverse Regulierung ausgesetzt hat, arbeitet sie derzeit offenbar schon wieder an einer neuen Steuer, die zulasten ausländischer Lebensmittelhändler gehen könnte.
Dass Ungarn “in den strategischen Hauptbranchen den Anteil ausländischer Unternehmen senken” möchte, wie es Adrian Stadnicki, Regionaldirektor Mittelosteuropa beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, beschreibt, ist keine neue Entwicklung. Die ungarische Regierung kommuniziere seit den 2010er-Jahren ihre Ziele offen und transparent, sagt Stadnicki. Sektoren wie beispielsweise der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) seien seitdem von zahlreichen Maßnahmen betroffen.
2020 führte die Regierung von Viktor Orbán eine Einzelhandelssteuer ein, die große ausländische Lebensmittelkonzerne dazu verpflichtet, 4,5 Prozent auf ihren Jahresumsatz zu entrichten. In der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kamen zwischenzeitlich staatlich festgelegte Preisobergrenzen für einige Grundnahrungsmittel und eine sogenannte Bevorratungspflicht hinzu. Ausländische Unternehmen seien in diesem Zusammenhang besonders häufig kontrolliert worden, sagt Stadnicki.
Die Preisobergrenzen sind nun zwar zum 30. Juni 2024 ausgelaufen, sektorspezifische Sondersteuern belasten die ausländischen LEH-Konzerne aber weiterhin. Anfang Juli kündigte die ungarische Regierung an, die Einzelhandelssteuer auch 2025 nicht streichen zu wollen. Orbáns Stabschef Gergely Gulyás stellte einen Anti-Kriegs-Aktionsplan vor, in dessen Rahmen die ungarische Regierung jene Unternehmen zur Zahlung eines Verteidigungsbeitrags verpflichten will, die in Kriegszeiten zusätzliche Gewinne einstrichen.
Die EU-Kommission kommt in ihrem Länderbericht zu Ungarn von Juni 2024 zu dem Ergebnis, dass die sektorspezifischen Steuern eine unverhältnismäßig hohe Belastung für die betroffenen Unternehmen darstellten und das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigten. “Der Einzelhandelssektor ist mit besonderen Vorschriften konfrontiert, die Entwicklung behindern“, heißt es in dem Bericht. Die Steuer auf den Einzelhandel belaste überproportional größere Unternehmen, die sich in der Regel in ausländischem Besitz befänden.
Daraus, dass die Regierung von Orbán insbesondere ausländische Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels und der Baubranche aus dem Land haben will, macht sie keinen Hehl. So erklärte etwa der ungarische Bau- und Verkehrsminister János Lázár zuletzt immer wieder öffentlich, es sei Zeit, ausländische Firmen “nach Hause zu schicken”, oder, es wäre besser für sie, ihre Tochtergesellschaften zu verkaufen und Ungarn “zu verlassen”.
Nachgekommen ist dieser Aufforderung vergangenes Jahr die französische Einzelhandelskette Auchan. Ende November 2023 brach sich die Nachricht Bahn, Auchan habe fast die Hälfte ihres Ungarn-Geschäfts an die ungarische Indotek-Gruppe des Milliardärs Daniel Jellinek verkauft, der laut Medienberichten dem Schwiegersohn von Orbán nahesteht.
Der österreichische Lebensmittelkonzern Spar, Ungarns zweitgrößter Lebensmittelhändler nach Lidl, hat sich für einen anderen Weg entschieden, auf diese Signale zu reagieren: den der öffentlichen Konfrontation. Vor wenigen Monaten hat Spar bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt. In der Folge kündigte die ungarische Regierung an, den Spar-Konzern wegen Verleumdung zu verklagen. “Man will uns vertreiben”, sagte Nicole Bergmann, Sprecherin des Spar-Managements, Mitte Juli dem ORF.
In den Beschwerdebriefen wandte sich Spar nicht nur an die für Wettbewerb zuständige EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager und den Binnenmarktkommissar Thierry Breton, sondern forderte auch – gemeinsam mit der österreichischen Regierung – die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Ob die EU-Kommission dieser Aufforderung nachkommen wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Auf Anfrage von Table.Briefings teilt eine Sprecherin mit: “Die Kommission äußert sich nicht zum Stand der Dinge oder zu den Fristen für die Bearbeitung von Beschwerden.”
Währenddessen wurde auch die Bundesregierung aufgerufen, die Forderung nach der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zu unterstützen. In einem Brief wandte sich zuletzt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und forderte ihn zum Handeln auf.
Wie schwierig die Situation in Ungarn auch für deutsche LEH-Unternehmen ist, weiß die Geschäftsführerin für Europapolitik des Handelsverbands Deutschland (HDE), Antje Gerstein. “In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Problemen für Unternehmen aus dem deutschen Lebensmittelhandel in Ungarn”, sagt Gerstein. Der HDE setze sich deshalb mit Nachdruck bei den zuständigen EU-Institutionen für entsprechende Maßnahmen gegen immer wieder neu geschaffene protektionistische Gesetze in Ungarn ein. “Der Binnenmarkt und der Rechtsrahmen der EU müssen auch in Ungarn gelten”, fordert Gerstein.
Die deutschen Lebensmittel-Handelskonzerne selbst, die teilweise großflächig in Ungarn operieren, halten sich derweil mit direkter Kritik an den ungarischen Behörden zurück. Lediglich die Schwarz-Gruppe, die mit ihren Lidl-Discountern als Marktführer im ungarischen Lebensmittelhandel gilt, teilt auf Anfrage mit: “Wir halten uns grundsätzlich an gesetzliche Vorgaben und stellen uns dem Wettbewerb in Ungarn. Dabei plädieren wir für einen fairen Wettbewerb und Voraussetzungen, die für alle nationalen und internationalen Marktteilnehmer gleich sind.” Von der Rewe Group und Aldi Süd heißt es unisono: kein Kommentar.
Während sich Österreichs Spar der ungarischen Regierung öffentlich entgegenstellt, halten deutsche Lebensmittelhändler den Ball also erstaunlich flach. Das könnte nicht nur mit der Angst vor verschärften Kontrollen zusammenhängen, sondern auch mit dem möglichen Verhalten weiterer EU-Länder. Stadnicki vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft äußert die Befürchtung, dass andere Mitgliedstaaten es Ungarn gleichtun und ähnlich protektionistische Maßnahmen auf den Weg bringen könnten. Fest steht dabei für ihn: “In Europa darf sich das Modell der systematischen Diskriminierung von ausländischen Unternehmen nicht etablieren.”
22.08.2024 – 11:00-11:45 Uhr, online
DGNB, Seminar ESG-Verifikation zur EU-Taxonomie – so weisen Sie die Konformität Ihrer Immobilie nach
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gibt einen Überblick über die EU-Taxonomie. INFOS & ANMELDUNG
22.08.2024 – 18:00-19:45 Uhr, online
Polis 180, Workshop Approaching Zeitenwende: How do we initiate Change in People’s Minds?
Polis 180 addresses the question what is preventing German politics from implementing necessary policies. INFOS & ANMELDUNG
Energiekommissarin Kadri Simson hat die EU-Staaten und die internationale Gemeinschaft zu stärkerer Hilfe für die Stromversorgung der Ukraine aufgefordert. “Die Ukraine darf nicht alleingelassen werden, während sie sich auf ihren bisher schwierigsten Winter vorbereitet”, schrieb die estnische Politikerin in einem Gastbeitrag für die Financial Times. “Um eine humanitäre Katastrophe in der Ukraine zu vermeiden, müssen wir jetzt noch nie dagewesene logistische Anstrengungen unternehmen und Hilfe leisten.”
Russland habe in der Ukraine inzwischen so viele Kraftwerke zerstört, wie nötig sind, um die Hälfte des Stromverbrauchs im Winter zu decken, so die Kommissarin. In mehreren Regionen seien vorübergehende Stromabschaltungen bereits an der Tagesordnung.
Simson forderte die Mitgliedstaaten zu finanzieller Unterstützung eines Fonds der Energy Community auf, die technische Hilfe am schnellsten bereitstellen könne. Unternehmen könnten Fachkräfte schulen – etwa für die Installation von Solaranlagen. Zudem sollten die Stromübertragungskapazitäten von der EU in die Ukraine sowohl kurz- als auch mittelfristig erhöht und ausgebaut werden. ber
In Bulgarien ist die für den 20. Oktober angestrebte Neuwahl des Parlaments aufgeschoben worden. Das erklärte Staatschef Rumen Radew. Die Bildung eines Übergangskabinetts, das die Parlamentswahl organisieren sollte, scheiterte überraschend. Radew weigerte sich, das von der designierten Interimsregierungschefin Goriza Grantscharowa-Koscharewa aufgestellte Übergangskabinett per Erlass zu billigen.
Zankapfel ist der jetzige Innenminister Kalin Stojanow, der auch in der neuen Übergangsregierung seinen Posten weiter behalten sollte. Ihm werfen Staatschef Radew und das prowestliche liberal-konservative Bündnis PP-DB vor, nicht in der Lage zu sein, faire Wahlen zu organisieren.
Polizisten versammelten sich am Präsidialamt und vor den Polizeirevieren in mehreren Städten, um Stojanow zu verteidigen. Sie warfen PP-DB vor, das Innenministerium angesichts der bevorstehenden Wahl aus parteipolitischen Gründen beherrschen zu wollen. Der Aktion in Sofia schloss sich auch die gescheiterte Interimsregierungschefin Grantscharowa-Koscharewa an. Sie reichte einen Hinweis beim Chefankläger des Landes ein, wegen angeblich auf sie ausgeübten “politischen Drucks”, den jetzigen Innenminister nicht in dem von ihr aufgestellten Übergangkabinett beizubehalten.
Mit dem Scheitern der designierten Interimsregierungschefin verschärft sich die politische Krise in Bulgarien. Das südöstliche EU-Land steht vor einer siebten Parlamentswahl binnen dreieinhalb Jahren, hat aber kein Übergangskabinett, das die Wahl organisieren soll. Der Spielraum für Staatschef Radew, einen neuen Interimsregierungschef zu nominieren, ist auf einen engen Kreis hochgestellter Beamten begrenzt.
Radew rief nun das Parlament auf, über entsprechende Personalien zu entscheiden, damit er einen neuen Interimsregierungschef nominieren könne. Alle bis jetzt möglichen Kandidaten für den Posten sagten bereits eine Nominierung ab – auch der derzeitige Übergangsregierungschef Dimitar Glawtschew.
Die am 9. April 2024 nach dem Scheitern eines prowestlichen Koalitionskabinetts vereidigte Übergangsregierung bleibt weiter im Amt. Die Einstellung einer neuen Übergangsregierung dürfte sich verzögern, zumal das Parlament Sommerferien hat. dpa
Costas Kadis ist der Kandidat Zyperns für einen Posten in der nächsten EU-Kommission. Der 56-Jährige wurde von der nationalen zyprischen Regierung nominiert, die von der christdemokratischen Partei angeführt wird. Kadis war auf Zypern bereits Landwirtschafts- und Agrarminister. Auch das Bildungs- und Kulturressort hat er schon geleitet. Er ist Hochschullehrer für Artenschutz. Für welches Dossier er sich interessiert ist nicht bekannt.
Eine Übersicht, wen welches Land nach Brüssel schickt, finden Sie hier. mgr
heute lohnt sich ein kurzer Blick nach Wien. Österreich will an diesem Dienstag seinen lang erwarteten nationalen Energie- und Klimaplan vorlegen. Es ist jener Plan, mit dem die EU-Mitgliedstaaten skizzieren müssen, welche Maßnahmen sie zum Erreichen der EU-Klimaziele ergreifen.
Ein Entwurf war im Herbst an die Kommission geschickt, kurz darauf aber aufgrund von regierungsinternen Querelen wieder zurückgezogen worden. Seitdem gab es sowohl innerhalb der Regierung in Wien als auch mit der EU-Kommission Streitigkeiten. Brüssel leitete sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein.
Nun also soll der sogenannte NECP kommen, und einige Details sind schon bekannt: Durch “Carbon Capture and Storage” (CCS) will Wien offenbar unvermeidbare Emissionen aus der Industrie verhindern. Klimaschädliche Subventionen sollen wegfallen und so “mindestens zwei Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen”. Auch das Steuerprivileg für Dieselkraftstoff könnte abgeschafft werden.
Das kommt Ihnen bekannt vor? Ähnliche Debatten über klimaschädliche Subventionen werden dieser Tage auch in Deutschland geführt. Sollte Wien Nägel mit Köpfen machen, könnte das womöglich auch Berlin noch mehr unter Druck setzen. Schließlich brüstet sich die Bundesregierung gerne damit, Vorreiter in Sachen Klimaschutz in Europa zu sein.
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.
Es sind schwere Zeiten für ausländische Lebensmittelhändler in Ungarn. Seit Jahren sehen sie sich in dem Land mit Sondersteuern, bürokratischen Hürden und Kontrollen konfrontiert, die einheimische Supermarktketten nicht im gleichen Maße zu befürchten haben. Nachdem die ungarische Regierung vor Kurzem eine besonders kontroverse Regulierung ausgesetzt hat, arbeitet sie derzeit offenbar schon wieder an einer neuen Steuer, die zulasten ausländischer Lebensmittelhändler gehen könnte.
Dass Ungarn “in den strategischen Hauptbranchen den Anteil ausländischer Unternehmen senken” möchte, wie es Adrian Stadnicki, Regionaldirektor Mittelosteuropa beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, beschreibt, ist keine neue Entwicklung. Die ungarische Regierung kommuniziere seit den 2010er-Jahren ihre Ziele offen und transparent, sagt Stadnicki. Sektoren wie beispielsweise der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) seien seitdem von zahlreichen Maßnahmen betroffen.
2020 führte die Regierung von Viktor Orbán eine Einzelhandelssteuer ein, die große ausländische Lebensmittelkonzerne dazu verpflichtet, 4,5 Prozent auf ihren Jahresumsatz zu entrichten. In der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kamen zwischenzeitlich staatlich festgelegte Preisobergrenzen für einige Grundnahrungsmittel und eine sogenannte Bevorratungspflicht hinzu. Ausländische Unternehmen seien in diesem Zusammenhang besonders häufig kontrolliert worden, sagt Stadnicki.
Die Preisobergrenzen sind nun zwar zum 30. Juni 2024 ausgelaufen, sektorspezifische Sondersteuern belasten die ausländischen LEH-Konzerne aber weiterhin. Anfang Juli kündigte die ungarische Regierung an, die Einzelhandelssteuer auch 2025 nicht streichen zu wollen. Orbáns Stabschef Gergely Gulyás stellte einen Anti-Kriegs-Aktionsplan vor, in dessen Rahmen die ungarische Regierung jene Unternehmen zur Zahlung eines Verteidigungsbeitrags verpflichten will, die in Kriegszeiten zusätzliche Gewinne einstrichen.
Die EU-Kommission kommt in ihrem Länderbericht zu Ungarn von Juni 2024 zu dem Ergebnis, dass die sektorspezifischen Steuern eine unverhältnismäßig hohe Belastung für die betroffenen Unternehmen darstellten und das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigten. “Der Einzelhandelssektor ist mit besonderen Vorschriften konfrontiert, die Entwicklung behindern“, heißt es in dem Bericht. Die Steuer auf den Einzelhandel belaste überproportional größere Unternehmen, die sich in der Regel in ausländischem Besitz befänden.
Daraus, dass die Regierung von Orbán insbesondere ausländische Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels und der Baubranche aus dem Land haben will, macht sie keinen Hehl. So erklärte etwa der ungarische Bau- und Verkehrsminister János Lázár zuletzt immer wieder öffentlich, es sei Zeit, ausländische Firmen “nach Hause zu schicken”, oder, es wäre besser für sie, ihre Tochtergesellschaften zu verkaufen und Ungarn “zu verlassen”.
Nachgekommen ist dieser Aufforderung vergangenes Jahr die französische Einzelhandelskette Auchan. Ende November 2023 brach sich die Nachricht Bahn, Auchan habe fast die Hälfte ihres Ungarn-Geschäfts an die ungarische Indotek-Gruppe des Milliardärs Daniel Jellinek verkauft, der laut Medienberichten dem Schwiegersohn von Orbán nahesteht.
Der österreichische Lebensmittelkonzern Spar, Ungarns zweitgrößter Lebensmittelhändler nach Lidl, hat sich für einen anderen Weg entschieden, auf diese Signale zu reagieren: den der öffentlichen Konfrontation. Vor wenigen Monaten hat Spar bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt. In der Folge kündigte die ungarische Regierung an, den Spar-Konzern wegen Verleumdung zu verklagen. “Man will uns vertreiben”, sagte Nicole Bergmann, Sprecherin des Spar-Managements, Mitte Juli dem ORF.
In den Beschwerdebriefen wandte sich Spar nicht nur an die für Wettbewerb zuständige EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager und den Binnenmarktkommissar Thierry Breton, sondern forderte auch – gemeinsam mit der österreichischen Regierung – die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Ob die EU-Kommission dieser Aufforderung nachkommen wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Auf Anfrage von Table.Briefings teilt eine Sprecherin mit: “Die Kommission äußert sich nicht zum Stand der Dinge oder zu den Fristen für die Bearbeitung von Beschwerden.”
Währenddessen wurde auch die Bundesregierung aufgerufen, die Forderung nach der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zu unterstützen. In einem Brief wandte sich zuletzt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und forderte ihn zum Handeln auf.
Wie schwierig die Situation in Ungarn auch für deutsche LEH-Unternehmen ist, weiß die Geschäftsführerin für Europapolitik des Handelsverbands Deutschland (HDE), Antje Gerstein. “In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu Problemen für Unternehmen aus dem deutschen Lebensmittelhandel in Ungarn”, sagt Gerstein. Der HDE setze sich deshalb mit Nachdruck bei den zuständigen EU-Institutionen für entsprechende Maßnahmen gegen immer wieder neu geschaffene protektionistische Gesetze in Ungarn ein. “Der Binnenmarkt und der Rechtsrahmen der EU müssen auch in Ungarn gelten”, fordert Gerstein.
Die deutschen Lebensmittel-Handelskonzerne selbst, die teilweise großflächig in Ungarn operieren, halten sich derweil mit direkter Kritik an den ungarischen Behörden zurück. Lediglich die Schwarz-Gruppe, die mit ihren Lidl-Discountern als Marktführer im ungarischen Lebensmittelhandel gilt, teilt auf Anfrage mit: “Wir halten uns grundsätzlich an gesetzliche Vorgaben und stellen uns dem Wettbewerb in Ungarn. Dabei plädieren wir für einen fairen Wettbewerb und Voraussetzungen, die für alle nationalen und internationalen Marktteilnehmer gleich sind.” Von der Rewe Group und Aldi Süd heißt es unisono: kein Kommentar.
Während sich Österreichs Spar der ungarischen Regierung öffentlich entgegenstellt, halten deutsche Lebensmittelhändler den Ball also erstaunlich flach. Das könnte nicht nur mit der Angst vor verschärften Kontrollen zusammenhängen, sondern auch mit dem möglichen Verhalten weiterer EU-Länder. Stadnicki vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft äußert die Befürchtung, dass andere Mitgliedstaaten es Ungarn gleichtun und ähnlich protektionistische Maßnahmen auf den Weg bringen könnten. Fest steht dabei für ihn: “In Europa darf sich das Modell der systematischen Diskriminierung von ausländischen Unternehmen nicht etablieren.”
22.08.2024 – 11:00-11:45 Uhr, online
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Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gibt einen Überblick über die EU-Taxonomie. INFOS & ANMELDUNG
22.08.2024 – 18:00-19:45 Uhr, online
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Polis 180 addresses the question what is preventing German politics from implementing necessary policies. INFOS & ANMELDUNG
Energiekommissarin Kadri Simson hat die EU-Staaten und die internationale Gemeinschaft zu stärkerer Hilfe für die Stromversorgung der Ukraine aufgefordert. “Die Ukraine darf nicht alleingelassen werden, während sie sich auf ihren bisher schwierigsten Winter vorbereitet”, schrieb die estnische Politikerin in einem Gastbeitrag für die Financial Times. “Um eine humanitäre Katastrophe in der Ukraine zu vermeiden, müssen wir jetzt noch nie dagewesene logistische Anstrengungen unternehmen und Hilfe leisten.”
Russland habe in der Ukraine inzwischen so viele Kraftwerke zerstört, wie nötig sind, um die Hälfte des Stromverbrauchs im Winter zu decken, so die Kommissarin. In mehreren Regionen seien vorübergehende Stromabschaltungen bereits an der Tagesordnung.
Simson forderte die Mitgliedstaaten zu finanzieller Unterstützung eines Fonds der Energy Community auf, die technische Hilfe am schnellsten bereitstellen könne. Unternehmen könnten Fachkräfte schulen – etwa für die Installation von Solaranlagen. Zudem sollten die Stromübertragungskapazitäten von der EU in die Ukraine sowohl kurz- als auch mittelfristig erhöht und ausgebaut werden. ber
In Bulgarien ist die für den 20. Oktober angestrebte Neuwahl des Parlaments aufgeschoben worden. Das erklärte Staatschef Rumen Radew. Die Bildung eines Übergangskabinetts, das die Parlamentswahl organisieren sollte, scheiterte überraschend. Radew weigerte sich, das von der designierten Interimsregierungschefin Goriza Grantscharowa-Koscharewa aufgestellte Übergangskabinett per Erlass zu billigen.
Zankapfel ist der jetzige Innenminister Kalin Stojanow, der auch in der neuen Übergangsregierung seinen Posten weiter behalten sollte. Ihm werfen Staatschef Radew und das prowestliche liberal-konservative Bündnis PP-DB vor, nicht in der Lage zu sein, faire Wahlen zu organisieren.
Polizisten versammelten sich am Präsidialamt und vor den Polizeirevieren in mehreren Städten, um Stojanow zu verteidigen. Sie warfen PP-DB vor, das Innenministerium angesichts der bevorstehenden Wahl aus parteipolitischen Gründen beherrschen zu wollen. Der Aktion in Sofia schloss sich auch die gescheiterte Interimsregierungschefin Grantscharowa-Koscharewa an. Sie reichte einen Hinweis beim Chefankläger des Landes ein, wegen angeblich auf sie ausgeübten “politischen Drucks”, den jetzigen Innenminister nicht in dem von ihr aufgestellten Übergangkabinett beizubehalten.
Mit dem Scheitern der designierten Interimsregierungschefin verschärft sich die politische Krise in Bulgarien. Das südöstliche EU-Land steht vor einer siebten Parlamentswahl binnen dreieinhalb Jahren, hat aber kein Übergangskabinett, das die Wahl organisieren soll. Der Spielraum für Staatschef Radew, einen neuen Interimsregierungschef zu nominieren, ist auf einen engen Kreis hochgestellter Beamten begrenzt.
Radew rief nun das Parlament auf, über entsprechende Personalien zu entscheiden, damit er einen neuen Interimsregierungschef nominieren könne. Alle bis jetzt möglichen Kandidaten für den Posten sagten bereits eine Nominierung ab – auch der derzeitige Übergangsregierungschef Dimitar Glawtschew.
Die am 9. April 2024 nach dem Scheitern eines prowestlichen Koalitionskabinetts vereidigte Übergangsregierung bleibt weiter im Amt. Die Einstellung einer neuen Übergangsregierung dürfte sich verzögern, zumal das Parlament Sommerferien hat. dpa
Costas Kadis ist der Kandidat Zyperns für einen Posten in der nächsten EU-Kommission. Der 56-Jährige wurde von der nationalen zyprischen Regierung nominiert, die von der christdemokratischen Partei angeführt wird. Kadis war auf Zypern bereits Landwirtschafts- und Agrarminister. Auch das Bildungs- und Kulturressort hat er schon geleitet. Er ist Hochschullehrer für Artenschutz. Für welches Dossier er sich interessiert ist nicht bekannt.
Eine Übersicht, wen welches Land nach Brüssel schickt, finden Sie hier. mgr