Viktor Orbán sucht mal wieder den Showdown auf großer Bühne. Ungarns Ministerpräsident hat die anderen Staats- und Regierungschefs vor dem heutigen Sondergipfel im Dunkeln gelassen, wie er sich im Streit um die Finanzhilfen für die Ukraine zu verhalten gedenkt. Üblicherweise stecken die Mitarbeiter das Spielfeld bereits ab, bevor ihre Chefs sich an den Tisch setzen, nicht so diesmal: “Wir werden bis zum Beginn der Sitzung warten müssen, um von Viktor Orbán zu erfahren, wie groß sein Handlungsspielraum ist”, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.
Nur etwas mehr Klarheit gibt es beim zweiten Strang: den Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte. Ausrüstung im Wert von mindestens 21 Milliarden Euro hätten die Mitgliedstaaten bis Jahresende Aussicht gestellt, sagte der Außenbeauftragte Josep Borrell gestern, allerdings hätten noch nicht alle Regierungen Auskunft gegeben. Kanzler Olaf Scholz hatte bei Borrell eine Aufstellung der nationalen Waffenlieferungen in Auftrag gegeben, um zögerliche Partner wie Frankreich und Italien unter Zugzwang zu setzen. Das Ergebnis stellt Berlin aber nicht zufrieden – denn Borrells Papier enthält die geforderte Liste nicht. Mehr dazu lesen Sie in unserer Analyse.
Während Scholz gestern Abend bereits in Brüssel weilte, besuchte sein Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt den Neujahrsempfang von Table.Media. Ebenso wie einige seiner Kabinettskollegen, darunter Klara Geywitz, Robert Habeck und Karl Lauterbach. Weitere Fotos von dem Event in unseren Redaktionsräumen in Berlin finden Sie hier:
Beim heutigen EU-Sondergipfel sind mehrere Szenarien denkbar: Da wäre zum einen die Chance auf eine schnelle Einigung, zum anderen wäre auch eine Blamage für 26 Staats- und Regierungschefs denkbar, einmal mehr hingehalten vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Budapest halte sich im Vorfeld bedeckt, heißt es in Brüssel, Ministerpräsident Orbán wolle die Verhandlungen selbst führen. “Wir werden bis zum Beginn der Sitzung warten müssen, um von Viktor Orbán zu erfahren, wie groß sein Handlungsspielraum ist”, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.
Die EU könnte bei der Wirtschafts- und Finanzhilfe für die Ukraine einen Durchbruch als gute Nachricht gebrauchen. Denn auch bei der Unterstützung mit Militärgütern ist das Bild für die EU nicht unbedingt vorteilhaft. Die EU habe der Ukraine bisher 330.000 Artilleriegeschosse geliefert, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch nach dem informellen Treffen der Verteidigungsminister. Geliefert wurde bisher hauptsächlich aus alten Beständen. Bis Ende März sollen noch 200.000 Geschosse vom Kaliber 155 Millimeter dazukommen, versprach Borrell. Dies jetzt aus neuer Produktion, die nun langsam anläuft.
Die EU hatte der Ukraine allerdings bis Ende März eine Million Geschosse versprochen und bleibt damit weit hinter dem gesteckten Ziel zurück. Es sei ihm nicht um die genaue Zahl gegangen, sondern darum, eine Dynamik auszulösen, verteidigte sich Borrell. Dies sei gelungen. Die Rüstungsindustrie habe die Kapazitäten bereits um 40 Prozent erhöht, das sei ein Erfolg. 630.000 Artilleriegeschosse seien “in der Pipeline”, die Million werde bis Ende des Jahres übertroffen werden, die jährlichen Produktionskapazitäten sogar auf 1,4 Millionen steigen.
Auch bei der Militärhilfe insgesamt zeigte sich Borrell zuversichtlich. Die EU-Staaten hätten der Ukraine bisher Rüstungsgüter im Wert von 28 Milliarden Euro geliefert. Doch wie schaut es für das laufende Jahr aus? In Berlin hatte Bundeskanzler Olaf Scholz zuletzt bemängelt, dass Deutschland mit sieben Milliarden Euro mehr als alle anderen EU-Staaten zusammen liefere. Auch als Reaktion auf die Kritik hatte der EU-Chefdiplomat eine Abfrage in den Mitgliedstaaten geplanten Militärhilfen gestartet und präsentierte am Mittwoch eine erste Zwischenbilanz. Es gebe bisher Zusagen für 2024 in der Höhe von 21 Milliarden Euro. Das sei nur ein Teil des Bildes, illustriere aber den positiven Trend und bestätige eine deutliche Steigerung. Einige Mitgliedstaaten wollen ihre Zahlen heute am Gipfel nachliefern.
In einem Gastbeitrag in der Financial Times hat Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch zusammen mit vier anderen Regierungschefs noch einmal eindringlich die Solidarität eingefordert: “Wir rufen Freunde und Partner der Ukraine auf, sich erneut zu einer nachhaltigen, langfristigen militärischen Unterstützung für die Ukraine als gemeinsame europäische Verantwortung zu bekennen”, hieß es in dem Schreiben. Diese Entscheidung müsse von jedem Land getroffen werden – nur dann werde die Ukraine in der Lage sein, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen. “Wir Europäer haben eine besondere Verantwortung. Deshalb müssen wir handeln. Europas Zukunft hängt davon ab.”
Entsprechend dürfte die Diskussion heute mit harten Bandagen ausgetragen werden. Die anderen 26 Mitgliedstaaten zeigen sich fest entschlossen, sich nicht erneut vom ungarischen Regierungschef hinhalten zu lassen, so Diplomaten. Orbán hatte beim Gipfel eine Einigung der Staats- und Regierungschefs auf eine Aufstockung des EU-Haushalts bis 2027 verhindert, weil er die darin enthaltenen Finanzhilfen für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro für vier Jahre nicht mittragen wollte. Man strebe eine Einigung zu 27 an, sagt ein Diplomat. Die Hilfen im Rahmen des EU-Budgets zu zahlen, sei der beste und effizienteste Weg.
Sollte sich Orbán aber erneut querstellen, wollen die anderen 26 nicht mit leeren Händen nach Hause gehen. Der Plan B, die Hilfe außerhalb des Haushalts zu organisieren, hätte allerdings mit Blick auf Transparenz und Effizienz große Nachteile. Man habe Vorbereitungen getroffen, um notfalls ohne Ungarn handeln zu können, betonte ein hochrangiger EU-Diplomat: “Wir müssen Geld und Waffen jetzt in die Ukraine kriegen, auf die eine oder andere Weise.” Die Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin müsse sein, dass Europa den längeren Atem habe.
“Es gibt noch keine Einigung, ein Erfolg ist nicht garantiert”, zeigte sich ein weiterer Diplomat vorsichtig. Ungarn habe vorgeschlagen, die geplante Finanzspritze von 50 Milliarden Euro in vier jährliche Tranchen zu teilen. Dies sei jedoch “nicht akzeptabel”. Orbán selber sprach von einem “Kompromissangebot”. Da die Aufstockung des MFR jeweils einstimmig erfolgen muss, hätte der ungarische Regierungschef damit aber jedes Jahr wieder eine Blockademöglichkeit.
Es gibt keinen Appetit in den Hauptstädten, sich auf dieses Spiel einzulassen. Als gesichtswahrendes Angebot für Orbán ist im Gespräch, dass Ungarn oder auch andere Mitgliedstaaten jederzeit eine Diskussion zu den Ukraine-Hilfen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs verlangen könnten. “Wenn nicht alle 27 zustimmen, kann nicht von einem Erfolg geredet werden”, warnte der Diplomat. Sollte Ungarn sich querstellen, so würde “eine neue politische Lage” eintreten, so der Diplomat weiter. Das wäre “sehr ernst”.
Mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Kongokriegs entdecken die USA wieder die weltpolitische Bedeutung Afrikas. US-Außenminister Antony Blinken absolvierte gerade eine viertägige Afrikareise. Die Kapverden, Elfenbeinküste, Nigeria und Angola standen auf dem Flugplan. Zuvor hatte Chinas Außenminister Wang Yi den Kontinent bereist. Der russische Präsident Wladimir Putin, der wegen des Ukrainekriegs Auslandsreisen meidet, empfing Mahamat Idriss Déby. Der Präsident von Tschad kam in weißem Boubou und weißen Lederschuhen angereist.
In der vergangenen Woche fand der Gipfel der Blockfreien Staaten in Kampala statt, an dem 90 der 120 Mitgliedsstaaten vertreten waren. Ugandas Präsident Yoweri Museveni leitet die Gruppe nun bis 2027. Die Konferenz zeigte, wie wenig diese Länder blind der westlichen Außenpolitik folgen wollen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bemüht sich indes, das zerrüttete Verhältnis zu Marokko zu reparieren. Mehrfach schon wurde seine Reise nach Rabat verschoben. Jedoch soll sie noch im ersten Quartal dieses Jahres stattfinden. Auch deutsche Ministerinnen sind so oft wie nie in Afrika. Vergangene Woche war Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Marokko, um über Migration zu sprechen. Diese Woche bereiste Außenministerin Annalena Baerbock mehrere Länder in Ostafrika.
Ohne Zweifel, Afrika nimmt einen festen Platz auf der politischen Weltbühne ein. Für dieses große Interesse am afrikanischen Kontinent gibt es vier zentrale Gründe:
Europa, besonders Deutschland, ist schlecht vorbereitet, um sich auf diese neue Lage einzustellen. Dabei hätte eine europäische Afrika-Politik zahlreiche Vorteile und das Fehlen ebendieser bringt Nachteile mit sich. Denn Deutschland profitiert von Afrikas Wirtschaftsdynamik kaum. Die afrikanischen Warenexporte stiegen 2023 um 26,8 Prozent auf 724,1 Milliarden Dollar, teilte die Afreximbank vergangenen Mittwoch mit. Auch die Importe erhöhten sich um 15,5 Prozent auf 706 Milliarden Dollar. Die Exportnation Deutschland hat einen Anteil von jeweils weniger als fünf Prozent an Afrikas Exporten und an den Importen des Kontinents.
Noch gilt Europa vielen in Afrika nicht als bevorzugter Partner, insbesondere bei Themen wie Digitalisierung. Afrika wird sein Bevölkerungswachstum nur mithilfe von Innovationen bewältigen können: E-Learning, E-Medizin und E-Commerce werden sich rasant ausbreiten müssen. Europa ist bislang nicht Teil der Lösung.
Dazu kommt: In vielen Ländern haben sich stabile Demokratien etabliert, etwa in Nigeria, Südafrika, Kenia, Ghana oder Marokko. In anderen Ländern sind pluralistische Gesellschaften entstanden. Und die Putsche in Westafrika zeigen, dass sich die Jugend nicht mehr von korrupten Eliten regieren lassen will, die nach Scheinwahlen in Scheindemokratien von westlichen Mächten, häufig mit deutscher Beteiligung, an die Macht gebracht worden sind. Politische Stabilität und wirtschaftlicher Erfolg fördern ein neues afrikanisches Selbstbewusstsein, stärken den Zusammenhalt auf dem Kontinent und begünstigen den interafrikanischen Handel.
Viele Afrikaner werfen Europa eine Doppelmoral vor. Auch deutsche Politiker erteilen afrikanischen Amtskollegen gerne moralgetränkte Lektionen in puncto Geschlechterpolitik, Genitalverstümmelung oder Frauenförderung, schweigen aber zu Todesstrafe und Verheiratung Minderjähriger in den USA.
Afrika wird zudem künftig ein wichtiger Baustein in der globalen Sicherheitsarchitektur sein. Der Aufstieg der Brics und die Rolle Afrikas in der Bewegung der blockfreien Staaten sind ein Beleg dafür. Auf diese Veränderung sind Europa, aber auch Deutschland, schlecht vorbereitet. Die westliche Diplomatie entwickelt sich aus guten Gründen entlang des Prinzips der Staatlichkeit. Dieses Konzept ist jedoch unbrauchbar, um sich mit Putschregierungen zu arrangieren. Dadurch entsteht ein außenpolitisches Vakuum, das viele Schwellenländer nutzen, um ihre Beziehungen zu Afrika auszubauen.
Frankreichs sicherheitsorientierte Afrika-Politik ist dagegen gescheitert. Aber auch der deutsche entwicklungsorientierte Ansatz hat nicht verhindern können, dass die Sahelzone weitgehend eine Region gefallener Staaten geworden ist.
Die alten Großmächte müssen entsprechend dem Aufstieg von Mittelmächten Rechnung tragen wie auch einer größeren Präsenz von Mittelmächten auf dem Kontinent. Dies sind beispielsweise Brasilien, Indien, Japan, Saudi-Arabien, die VAE oder die Türkei. Bisher haben die europäischen Regierungen ihre Beziehungen zu Afrika als Teil ihrer nationalen Politik betrachtet. Das ist überholt. Europa braucht eine europäische Afrika-Politik mit dem Ziel, einen integrierten Raum zu schaffen, der Europa, Afrika und den Mittelmeerraum umfasst. Deutschland und Frankreich sollten dieses Ziel gemeinsam vorantreiben.
02.02.-03.02.2024, online
FES, Seminar Die Zukunft Europas: Mehr, aber anders?
Das Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) vermittelt Wissensinhalte über die Entscheidungsprozesse der EU, das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell und erörtert Europa als Chance und Herausforderung sozialer Demokratie. INFOS
05.02.-06.02.2024, Kranj (Slowenien)
UNESCO, Conference Global Forum on the Ethics of Artificial Intelligence 2024
The United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) will bring together decision makers, industry leaders and representatives from academia and civil society to share their expertise on governance of Artificial Intelligence and best practices of AI supervision through ethical impact assessments. The forum will also feature the launch of various UNESCO initiatives including the AI Ethics Experts without Borders Network.
INFO
06.02.2024 – 10:00-18:00 Uhr, Berlin/online
HBS, Konferenz Exit Plastik
Das zivilgesellschaftliche Bündnis Exit Plastik veranstaltet in der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) einen Runden Tisch für NGOs zum inhaltlichen Austausch und zur Vernetzung. Anschließend erörtern Gäste aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in einer öffentlichen Konferenz Wege aus der Plastikkrise. INFOS & ANMELDUNG
06.02.2024 – 14:00-17:00 Uhr, Stuttgart
DGAP, Roundtable Deutsch-Französischer Expertentreff zum Thema Energieversorgung
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) lädt in Kooperation mit dem Institut français zur Diskussionsrunde, in der sich deutsch-französische Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft über Herausforderungen und Chancen rund um das Thema Energie austauschen. INFOS & ANMELDUNG
06.02.2024 – 14:00-15:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Dynamische Tarife und regionale EE-Erzeugung
Bei der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellen zwei Unternehmen aus der Energiebranche ihren eigens entwickelten Produktansatz zu dynamischen Tarifen vor. INFOS & ANMELDUNG
Auf den letzten Metern versuchen Verhandler noch eine Einigung zur Plattformarbeit in dieser Legislaturperiode möglich zu machen. Nach der siebten Trilogrunde am Dienstag ohne Einigung, wird nun auf technischer Arbeitsebene an einem gemeinsamen Sondierungstext von Rat und Parlament gefeilt, wie Table.Media erfahren hat. Am Freitag könnte bereits ein entsprechendes Papier, den Vertretern der Mitgliedstaaten im Ausschuss der ständigen Vertreter (AStV) zur politischen Abstimmung vorgelegt werden.
Am Dienstag im Trilog wurde dem Rat ein neuer Vorschlag des Parlaments vorgestellt. Er soll einen möglichen Ausweg aus der verfahrenen Lage des Dossiers zur Bekämpfung von Scheinselbständigkeit auf den großen Digitalplattformen bieten. Der Vorschlag, den der Schattenberichterstatter der EVP, Dennis Radtke, bei Table.Media bereits Anfang der Woche ins Gespräch gebracht hatte, sieht vor, den gesamten Teil zur Statusfeststellung von Plattformarbeitern auszuklammern.
Das heißt, dass die bisher angepeilten Kriterien, die die verbindliche Einleitung einer Anstellungsvermutung auslösen sollten, in dieser kleineren Variante vom Tisch wären. Um diese hatte es immer wieder erbitterten Streit zwischen Rat und Parlament gegeben. Die Entscheidung, wann eine solche Anstellungsvermutung ausgelöst wird und wonach sich diese richtet, soll laut dem neuen Vorschlag weiter bei den Mitgliedstaaten liegen. Voraussichtlich hieße das auch, dass es in dieser Variante weiter vor allem die Plattformarbeiter selbst sein werden, die ihre Reklassifizierung vorantreiben und dafür erste Verdachtsmomente vorlegen müssen. Vorgesehen war bisher, dass eine Anstellungsvermutung auch durch nationale Behörden eingeleitet werden sollte.
Nach Table.Media-Informationen will das Parlament die Bestimmungen zum algorithmischen Management bei den Plattformen beibehalten. Diese besagen, dass es etwa keine automatisierten Kündigungen geben darf, ohne dass ein Mensch darüber geschaut hat. Dazu soll auch die Beweislastumkehr im Fall eines eingeleiteten Anstellungsverdachts bestehen bleiben. Sprich: Kann ein Beschäftigter erste Belege vorlegen, dass er oder sie eigentlich angestellt sein müsste (und im Mitgliedsland wird ein entsprechendes Prüfungsverfahren eingeleitet), müsste die Plattform künftig beweisen, dass die Person nicht angestellt, sondern selbständig ist.
Bisher liegt die Beweislast bei Arbeitnehmern. Befürworter einer Neuregelung sehen darin ein Problem, da die Plattformen deutlich mehr Informationen zu den Arbeitsbedingungen haben und auch über mehr Ressourcen verfügen, um sich rechtlich abzusichern.
Sollten die Vertreter der Staaten im AStV am Freitag noch Änderungsbedarf sehen, bliebe bis zur nächsten Sitzung kommenden Mittwoch noch einmal Zeit, Nachbesserungen vorzunehmen. Der nächste und wohl auch letzte Trilog ist für Donnerstag kommende Woche angesetzt.
Einen Tag später, am 9. Februar, endet die Frist, bis zu der es möglich ist, Gesetze auszuverhandeln, damit sie rechtzeitig für eine Bestätigung im Parlament und im Rat formalisiert werden können, ehe bei der Europawahl 2024 ein neues Parlament gewählt wird.
“Als Parlament haben wir am Dienstag mit unserem Vorschlag gezeigt, dass wir es ernst meinen mit einem Kompromiss. Jetzt hoffen wir auf das Entgegenkommen des Rates“, sagt Schattenberichterstatter Radtke. Er sei aber optimistisch. Auch aus diplomatischen Kreisen, hieß es, dass beide Seiten sich dazu bekannt hätten, einen Kompromiss noch in dieser Legislaturperiode hinzubekommen. lei
Die Europäische Union und die USA haben einen gemeinsamen Aktionsplan zur Verbesserung der Cybersicherheit von vernetzten Verbraucherprodukten (IoT) unterzeichnet. Ziel ist es, die technische Zusammenarbeit zu fördern und gegenseitige Cybersicherheitsanforderungen anzuerkennen. Dies soll die Transparenz und den Schutz für Verbraucher erhöhen und zugleich den Compliance-Aufwand für Unternehmen reduzieren.
“Der Aktionsplan besiegelt eine tiefere Cybersicherheitszusammenarbeit über den Atlantik”, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton, bei seinem Aufenthalt in Washington. Der Aktionsplan baut auf dem Cyber Resilience Act der EU und dem US Cyber Trust Mark Program auf. Anne Neuberger, stellvertretende nationale Sicherheitsberaterin der USA, begrüßte die Zusammenarbeit mit der EU. Sie freut sich, “die Sicherheitsstandards des US Cyber Trust Mark Program über die Grenzen hinweg anerkannt zu bekommen.”
Beide Seiten vereinbarten außerdem, die Zusammenarbeit im Rahmen des Cyberdialogs in folgenden Bereichen voranzutreiben:
Darüber hinaus kündigte die EU an, sich der von den USA geleiteten globalen Anti-Ransomware-Initiative anzuschließen. Darin verpflichten sich die EU und die Regierungsbehörden ihrer 27 Mitgliedstaaten, kein Lösegeld an Cyberkriminelle zu zahlen.
Außerdem hat die Kommission das erste europäische Zertifizierungssystem für Cybersicherheit eingeführt, um digitale Produkte wie Router oder ID-Karten sicherer zu machen. Dieses System ist Teil des Cyber Security Acts. Es zielt darauf ab, die Vertrauenswürdigkeit dieser Produkte mit einheitlichen Zertifizierungsverfahren zu erhöhen.
Breton hob die Bedeutung dieses Schrittes hervor. “Wir starten ein neues Rahmenwerk, um sicherzustellen, dass die Produkte, die wir verwenden, cybersicher sind.” Das freiwillige System ergänzt den Cyber Resilience Act, der verbindliche Cybersicherheitsanforderungen für alle Hardware- und Softwareprodukte in der EU vorsieht. Das System soll in Kürze im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. vis
Es gehe darum, die richtige Richtung für Europa in den kommenden Jahren zu suchen, sagte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zu Beginn einer Anhörung der EVP-Fraktion zum Kinderschutz im Internet. Es gehe dabei auch darum, dass die Betreiber ihrer Verantwortung gewahr würden. “Wir werden uns nicht auf dem in dieser Legislatur erreichten ausruhen”, kündigte Metsola an.
Der belgische Christsoziale Pascal Arimont und der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab hatten die Autorin und Schulleiterin Silke Müller eingeladen, über die Realität von Kindern online zu sprechen. Sie erläuterte und zeigte, mit welch verstörenden, illegalen, manipulativen oder diskriminierenden oder anders herabwürdigenden Inhalten und Gefahren Kinder heutzutage im Netz konfrontiert sein können. Ein Video eines von Kindern in einen Mixer gesteckten Katze war da noch eines der harmloseren Beispiele, die Müller aufzeigte.
Die Schattenseiten der Sozialen Netzwerke seien ein “Haifischbecken einer unbändigen Gefahr” mahnte die Buchautorin, die von Plattformen und Politik mehr Aktivität fordert: “Brauchen wir nicht ernsthafte Diskussionen, Kindern vor 16 den Zugang zu Social Media zu verbieten?” Das Problem sei derzeit nicht in den Griff zu bekommen. Verantwortlich seien dafür nicht primär die Plattformanbieter, sondern die Menschen, die die Inhalte zur Verfügung stellten.
Die anwesenden Vertreter großer Social Network-Anbieter erläuterten, wie sie mit dem Kinderschutz insgesamt und den neuen Vorschriften des DSA umgingen. Der Plattformsicherheitschef von Snapchat, Viraj Doshi, erläuterte, dass auf der Plattform etwa vor Konversationen mit wahrscheinlich unbekannten Dritten aktiv nachgefragt würde, ob diese wirklich stattfinden sollten. Es gehe darum, die Plattform “so sicher wie möglich” zu machen, meinte Chloe Setter von Tiktok – und Technologie sei dafür der Schlüssel. 77 Prozent der als problematisch erachteten Inhalte würden gelöscht, ehe ein einziger Nutzer sie zu sehen bekommen habe. Was den DSA angehe, würden unter Achtzehnjährige seit vergangenem Sommer keine personalisierte Werbung mehr sehen, man habe zudem ein Meldesystem eingeführt. Auch den nichtpersonalisierten Feed, den der DSA einfordert, schilderte Setter als Maßnahme für besseren Kinderschutz.
Nicole Lopez, Global Director für Kinderschutz bei Meta, dem Betreiber von Facebook und Instagram, erläuterte neben der Aufstellung für “altersangemessene Nutzererfahrungen” bei dem Konzern, wie schwierig Inhalte-Entscheidungen in der Realität oft seien, und wie altersabhängig. “Menschen lügen bei ihrer Altersangabe”, sagte Lopez. Es gehe um den Inhalt, den Teenager sähen. Abstrakt sei das einfach. Es stehe aber nicht immer klar in einem Posting, wenn es möglicherweise um Anorexie gehe – Lopez nannte als Beispiel einen Post, jemand habe “nur vier Trauben gegessen, es ist ein harter Tag gewesen.” Auch solche würden Teenagern bei Meta nicht angezeigt – aber es sei eben kompliziert und nur mit viel technologischem Einsatz möglich.
Die Antworten der Betreiber befriedigten die EVP-Abgeordneten offenkundig nicht. Die schwedische Moderaten-MEP Arba Kokalari bemängelte, dass seit August eigentlich zu wenig passiert wäre. Gerade das Vorgehen nach dem Hamas-Überfall auf Israel im Oktober habe gezeigt, dass die Betreiber mehr tun müssten. Damit würden problematische, extreme Inhalte popularisiert.
Für die EU-Kommission erläuterte DG Connect-Direktorin Rita Wezenbeek, dass der DSA eine Vielzahl an Instrumenten bieten würde, um Informationen von Plattformen abzuverlangen und Verfahren durchzuführen. Gerade beim Kinderschutz sei es allerdings ein delikates Unterfangen. Man wolle die Privatsphäre von Kindern schützen und keine neuen Probleme schaffen, etwa indem Dritte erkennen könnten, welche Nutzer Kinder seien. Mit dem Inkrafttreten des DSA auch für kleinere Plattformen am 17.02. würde sich aber eine Armee zuständiger Stellen in Bewegung setzen – weil dann die Verknüpfung von DSA und sonstigem Recht wirksam werde. fst
Bis Anfang Juni sind alle Zölle und Quoten für die Einfuhr ukrainischer Produkte in die EU ausgesetzt. Die EU-Kommission will diese temporären Maßnahmen nun um ein Jahr verlängern. Einen entsprechenden Vorschlag stellte Kommissionsvize Margaritis Schinas am Mittwoch in Brüssel vor. Die Handelserleichterungen, die 2022 erstmals eingeführt wurden, brauche es weiterhin zur wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine “in dieser kritischen Phase des Krieges”, betonte Schinas.
Die Maßnahmen sind jedoch umstritten, auch innerhalb der Kommission, wo sich der polnische Agrarkommissar Janusz Wojciechowski gegen eine Verlängerung ausgesprochen hatte. Auch mehrere Mitgliedstaaten hatten vor der Verdrängung heimischer Erzeuger vom Markt durch den Import billigerer ukrainischer Agrarprodukte gewarnt. Allen voran Polen, das weiterhin unilaterale Handelsbeschränkungen gegenüber dem Nachbarland aufrechterhält und auch unter dem neuen Regierungschef Donald Tusk bei seiner Kritik bleibt. Zusätzlicher Druck kam durch die Bauernproteste in Frankreich, die ebenfalls ein Ende des zollfreien Handels fordern.
Man sei sich der “Bedenken einiger Mitgliedstaaten” bewusst, betonte Schinas. Die Kommission schlägt deshalb verschiedene “Schutzmaßnahmen” vor. Für drei besonders “sensible” Produktgruppen – Eier, Hühnchen und Zucker – sollen die Importe aus der Ukraine auf dem Durchschnittsniveau der Jahre 2022 und 2023 gekappt werden. Übersteigen die Einfuhren diesen Wert, werden automatisch Zölle und Quoten wieder eingesetzt. Mehrere europäische Bauern- und Agrarverbände hatten einen solchen Mechanismus gefordert. Die Einfuhren für diese drei Produktgruppen aus der Ukraine sind seit Beginn der Handelserleichterungen nach Angaben der Kommission besonders stark gestiegen, für Zucker verzehnfachten sich die Importe.
Für alle anderen Produkte soll es der Kommission überlassen bleiben, im Falle von Marktverwerfungen kurzfristig Gegenmaßnahmen zu ergreifen, beispielsweise durch zeitweise Handelseinschränkungen. Neu ist, dass solche Maßnahmen auch nur für einzelne, besonders betroffene EU-Länder gelten könnten statt für die gesamte Union. Die Kommission hoffe, die kritischen Mitgliedstaaten mit diesen Maßnahmen “beruhigen” zu können, so Schinas. Dem Vorschlag der Kommission müssen EU-Parlament und Mitgliedstaaten noch zustimmen. jd
Auf einem großangelegten Sozialpartnergipfel im beglischen Val Duchesse haben sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der belgische Premierminister und EU-Ratsvorsitzende Alexander De Croo und die europäischen Sozialpartner zur Stärkung des sozialen Dialogs in der EU bekannt. Sie unterzeichneten eine “Dreigliedrige Erklärung für einen dynamischen europäischen sozialen Dialog”. Der Dialog zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern sei ein Grundbaustein des europäischen Sozialmodells.
Um die Rolle des sozialen Dialogs auf europäischer und nationaler Ebene zu fördern und zu stärken, soll innerhalb der Europäischen Kommission ein eigener Beauftragter eingesetzt werden. Der Beauftragte für den europäischen sozialen Dialog solle unparteiisch sein und als Kontaktstelle der Kommission für die Sozialpartner dienen. Die Autonomie der europäischen Sozialpartner bleibe erhalten.
Zudem will die Kommission künftig das Funktionieren der Sozialpartnerschaft systematisch erfassen. In Absprache mit den europäischen Sozialpartnern werde einen Mechanismus eingerichtet, um gemeinsame Berichte der europäischen Sozialpartner über den sozialen Dialog auf EU-Ebene zu erhalten, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung. In Fällen, in denen die Sozialpartner gemeinsam feststellten, dass der soziale Dialog auf EU-Ebene nicht respektiert oder angemessen gefördert werde, solle der neue Sozialdialog-Beauftragte die Antwort der Kommission koordinieren.
In den kommenden Monaten soll es eine Reihe von drei- und zweiseitigen Treffen mit den europäischen Sozialpartnern geben, um neue Vorschläge zur Stärkung des europäischen sozialen Dialogs zu erarbeiten. Die Treffen werden sich beispielsweise mit der institutionellen und finanziellen Unterstützung der EU für den europäischen sozialen Dialog auf allen Ebenen, dem Kapazitätsaufbau der Sozialpartner und der Sozialpartner in den Beitrittsländern befassen. Dies solle in einem “Pakt für den europäischen sozialen Dialog” münden, der bis Anfang 2025 abgeschlossen werden soll. lei
Martin Selmayr, in Brüssel bestens bekannt als früherer Generalsekretär der EU-Kommission und Kabinettschef von Jean-Claude Juncker, verlässt die Kommission. Der 53-Jährige werde am heutigen 1. Februar eine Gastprofessur an der Universität Wien übernehmen und dafür sein Amt als Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich niederlegen, teilte diese mit.
An der Universität werde Selmayr für ein halbes Jahr vor allem zu Fragen des EU-Digitalisierungsrechts und des Nachhaltigkeitsrechts forschen und lehren – von AI Act bis zum CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM. “Viele der in den letzten Jahren auf EU-Ebene beschlossenen Gesetze brauchen jetzt eine fundierte wissenschaftliche Analyse und Erläuterung”, wird Selmayr in der Pressemitteilung zitiert.
Der Jurist hatte sich in der Juncker-Kommission einen Ruf als brillanter, aber auch rücksichtsloser Strippenzieher erarbeitet. Die Umstände seiner Blitz-Beförderung vom Kabinettschef zum Generalsekretär lösten 2018 einen Skandal aus. Junckers Nachfolgerin Ursula von der Leyen setzte ihn unmittelbar nach ihrer Wahl im Juli 2019 ab, wohl auch nach dringender Empfehlung durch die Europaabgeordneten von CDU/CSU, und schickte ihn mit üppigen Bezügen als Vertreter der Kommission nach Wien.
Nach vier Jahren auf dem Posten sieht er in der Behörde offenbar keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr. In den vergangenen Monaten hatte er sich in der Kommission für andere Posten beworben, etwa als EU-Botschafter in Washington, kam aber nicht zum Zuge. Wohl auch deshalb, weil sein Verhältnis zu von der Leyen und deren Kabinettschef Björn Seibert als belastet gilt. tho
Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Abgeordneter mit der Forderung nach einem neuen Posten Gehör findet. Noch seltener kommt es vor, dass er ihn dann auch noch selbst bekommt. Dem Europaabgeordneten Markus Pieper (CDU) aus dem nördlichen Münsterland (Lotte) ist das Kunststück gelungen. Nach zwei Jahrzehnten, in denen der promovierte Geograf als Berichterstatter viele wichtigen Dossiers (zuletzt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED) verhandelt hat, wechselt der 60-Jährige jetzt in die Kommission.
Er wird der erste Beauftragte der Kommission für die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Das neu geschaffene Amt wird in der Generaldirektion für den Binnenmarkt (DG Grow) angesiedelt. Pieper arbeitet direkt der Kommissionspräsidentin zu und wird sich eng mit dem Industrie- und Binnenmarktkommissar abstimmen.
Man könnte sagen, dass der neue Job auf das Profil des passionierten Jägers zugeschnitten ist. Die Nöte von kleinen und mittelgroßen Unternehmen hat er Zeit seines Berufslebens im Blick. Bevor er 2004 erstmals ins Europaparlament gewählt wurde, war er Geschäftsführer der IHK Osnabrück–Emsland. Er ist überzeugter Marktwirtschaftler und hat sich immer als wirtschaftsnaher Abgeordneter verstanden. Seit 2013 ist er Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament.
Schon bevor der Abbau von schädlicher Bürokratie politisches Mantra von anderen wurde, hatte Pieper im Plenum, im Industrieausschuss und in den Gesprächen mit der Kommission dafür geworben, konsequent die Berichtspflichten auszudünnen. Ursula von der Leyen ist nicht gerade dafür bekannt, dass Wirtschaftsvertreter den ersten Zugang zu ihr bekommen. Im September hat die Kommissionspräsidentin in ihrer Rede zur Lage der EU ein KMU-Entlastungspaket und einen KMU-Beauftragten angekündigt. Pieper hatte es mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.
Pieper erlebte in der Arbeit in Brüssel den zunehmenden Einfluss von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf die EU-Gesetzgebung. Dies gilt vor allem für die Dossiers des Green Deal. Im Rechnungsprüfungsausschuss wollte er durchsetzen, dass NGOs, die aus dem EU-Haushalt teils hohe Geldbeträge bekommen, besser kontrolliert werden und transparent andere Geldgeber offenlegen. Mit diesen Forderungen konnte er sich nicht durchsetzen. Viele Abgeordnete von Grünen und Sozialisten, die mit NGOs gerade im Verkehrs- und Verbraucherschutz eng zusammenarbeiten, fühlten sich provoziert und verwässerten im Ausschuss und im Plenum seine Forderungen bis zur Bedeutungslosigkeit.
Wann Pieper den neuen Job anfängt, ist noch nicht bekannt. Zur Stellenbeschreibung gehört, dass er bei neuen Gesetzgebungsvorschlägen im nächsten Mandat zusammen mit dem Ausschuss für Regulierungskontrolle, Regulatory Scrutiny Board darauf achtet, dass KMU nicht überfordert werden. Außerdem hält er Kontakt zu den KMU-Beauftragten in den Mitgliedstaaten. Vor allem soll er im Gespräch sein mit den Unternehmen, um zu wissen, wo ihnen regulatorisch der Schuh drückt.
Der Job des KMU-Beauftragten war schon vor einiger Zeit ausgeschrieben. Die Konditionen und die Gestaltungsmöglichkeiten waren so attraktiv, dass es zahlreiche Interessenten gab. Auch Abgeordnetenkollegen von Pieper sollen ihren Hut in den Ring geworfen haben. Das Bewerbungsverfahren startete in einer Zeit, da die Parteien in den Mitgliedstaaten die Listen für die Europawahl am 9. Juni bestimmt haben. Gerade in NRW gab es viel Konkurrenz um die sicheren Listenplätze, weil bisher fünf von sechs CDU-MEPs aus dem Landesverband männlich sind und diesmal wegen der Frauenquote mehr Frauen zum Zuge kommen sollen. Pieper, der im Europaparlament parlamentarischer Geschäftsführer der EVP-Fraktion ist, sollte auf Platz fünf kandidieren. Ein nach derzeitigem Stand sicherer Platz.
Axel Voss und Stefan Berger, die bislang auf den Plätzen sechs und sieben vorgesehen sind, dürften erleichtert sein über die Berufung Piepers. Wenn an diesem Samstag die NRW-Landesdelegiertenversammlung zusammenkommt und die Liste wählt, werden sie wohl auf der Liste nach oben rutschen und damit bessere Chancen haben auf den Wiedereinzug. Markus Grabitz
Viktor Orbán sucht mal wieder den Showdown auf großer Bühne. Ungarns Ministerpräsident hat die anderen Staats- und Regierungschefs vor dem heutigen Sondergipfel im Dunkeln gelassen, wie er sich im Streit um die Finanzhilfen für die Ukraine zu verhalten gedenkt. Üblicherweise stecken die Mitarbeiter das Spielfeld bereits ab, bevor ihre Chefs sich an den Tisch setzen, nicht so diesmal: “Wir werden bis zum Beginn der Sitzung warten müssen, um von Viktor Orbán zu erfahren, wie groß sein Handlungsspielraum ist”, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.
Nur etwas mehr Klarheit gibt es beim zweiten Strang: den Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte. Ausrüstung im Wert von mindestens 21 Milliarden Euro hätten die Mitgliedstaaten bis Jahresende Aussicht gestellt, sagte der Außenbeauftragte Josep Borrell gestern, allerdings hätten noch nicht alle Regierungen Auskunft gegeben. Kanzler Olaf Scholz hatte bei Borrell eine Aufstellung der nationalen Waffenlieferungen in Auftrag gegeben, um zögerliche Partner wie Frankreich und Italien unter Zugzwang zu setzen. Das Ergebnis stellt Berlin aber nicht zufrieden – denn Borrells Papier enthält die geforderte Liste nicht. Mehr dazu lesen Sie in unserer Analyse.
Während Scholz gestern Abend bereits in Brüssel weilte, besuchte sein Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt den Neujahrsempfang von Table.Media. Ebenso wie einige seiner Kabinettskollegen, darunter Klara Geywitz, Robert Habeck und Karl Lauterbach. Weitere Fotos von dem Event in unseren Redaktionsräumen in Berlin finden Sie hier:
Beim heutigen EU-Sondergipfel sind mehrere Szenarien denkbar: Da wäre zum einen die Chance auf eine schnelle Einigung, zum anderen wäre auch eine Blamage für 26 Staats- und Regierungschefs denkbar, einmal mehr hingehalten vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Budapest halte sich im Vorfeld bedeckt, heißt es in Brüssel, Ministerpräsident Orbán wolle die Verhandlungen selbst führen. “Wir werden bis zum Beginn der Sitzung warten müssen, um von Viktor Orbán zu erfahren, wie groß sein Handlungsspielraum ist”, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.
Die EU könnte bei der Wirtschafts- und Finanzhilfe für die Ukraine einen Durchbruch als gute Nachricht gebrauchen. Denn auch bei der Unterstützung mit Militärgütern ist das Bild für die EU nicht unbedingt vorteilhaft. Die EU habe der Ukraine bisher 330.000 Artilleriegeschosse geliefert, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch nach dem informellen Treffen der Verteidigungsminister. Geliefert wurde bisher hauptsächlich aus alten Beständen. Bis Ende März sollen noch 200.000 Geschosse vom Kaliber 155 Millimeter dazukommen, versprach Borrell. Dies jetzt aus neuer Produktion, die nun langsam anläuft.
Die EU hatte der Ukraine allerdings bis Ende März eine Million Geschosse versprochen und bleibt damit weit hinter dem gesteckten Ziel zurück. Es sei ihm nicht um die genaue Zahl gegangen, sondern darum, eine Dynamik auszulösen, verteidigte sich Borrell. Dies sei gelungen. Die Rüstungsindustrie habe die Kapazitäten bereits um 40 Prozent erhöht, das sei ein Erfolg. 630.000 Artilleriegeschosse seien “in der Pipeline”, die Million werde bis Ende des Jahres übertroffen werden, die jährlichen Produktionskapazitäten sogar auf 1,4 Millionen steigen.
Auch bei der Militärhilfe insgesamt zeigte sich Borrell zuversichtlich. Die EU-Staaten hätten der Ukraine bisher Rüstungsgüter im Wert von 28 Milliarden Euro geliefert. Doch wie schaut es für das laufende Jahr aus? In Berlin hatte Bundeskanzler Olaf Scholz zuletzt bemängelt, dass Deutschland mit sieben Milliarden Euro mehr als alle anderen EU-Staaten zusammen liefere. Auch als Reaktion auf die Kritik hatte der EU-Chefdiplomat eine Abfrage in den Mitgliedstaaten geplanten Militärhilfen gestartet und präsentierte am Mittwoch eine erste Zwischenbilanz. Es gebe bisher Zusagen für 2024 in der Höhe von 21 Milliarden Euro. Das sei nur ein Teil des Bildes, illustriere aber den positiven Trend und bestätige eine deutliche Steigerung. Einige Mitgliedstaaten wollen ihre Zahlen heute am Gipfel nachliefern.
In einem Gastbeitrag in der Financial Times hat Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch zusammen mit vier anderen Regierungschefs noch einmal eindringlich die Solidarität eingefordert: “Wir rufen Freunde und Partner der Ukraine auf, sich erneut zu einer nachhaltigen, langfristigen militärischen Unterstützung für die Ukraine als gemeinsame europäische Verantwortung zu bekennen”, hieß es in dem Schreiben. Diese Entscheidung müsse von jedem Land getroffen werden – nur dann werde die Ukraine in der Lage sein, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen. “Wir Europäer haben eine besondere Verantwortung. Deshalb müssen wir handeln. Europas Zukunft hängt davon ab.”
Entsprechend dürfte die Diskussion heute mit harten Bandagen ausgetragen werden. Die anderen 26 Mitgliedstaaten zeigen sich fest entschlossen, sich nicht erneut vom ungarischen Regierungschef hinhalten zu lassen, so Diplomaten. Orbán hatte beim Gipfel eine Einigung der Staats- und Regierungschefs auf eine Aufstockung des EU-Haushalts bis 2027 verhindert, weil er die darin enthaltenen Finanzhilfen für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro für vier Jahre nicht mittragen wollte. Man strebe eine Einigung zu 27 an, sagt ein Diplomat. Die Hilfen im Rahmen des EU-Budgets zu zahlen, sei der beste und effizienteste Weg.
Sollte sich Orbán aber erneut querstellen, wollen die anderen 26 nicht mit leeren Händen nach Hause gehen. Der Plan B, die Hilfe außerhalb des Haushalts zu organisieren, hätte allerdings mit Blick auf Transparenz und Effizienz große Nachteile. Man habe Vorbereitungen getroffen, um notfalls ohne Ungarn handeln zu können, betonte ein hochrangiger EU-Diplomat: “Wir müssen Geld und Waffen jetzt in die Ukraine kriegen, auf die eine oder andere Weise.” Die Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin müsse sein, dass Europa den längeren Atem habe.
“Es gibt noch keine Einigung, ein Erfolg ist nicht garantiert”, zeigte sich ein weiterer Diplomat vorsichtig. Ungarn habe vorgeschlagen, die geplante Finanzspritze von 50 Milliarden Euro in vier jährliche Tranchen zu teilen. Dies sei jedoch “nicht akzeptabel”. Orbán selber sprach von einem “Kompromissangebot”. Da die Aufstockung des MFR jeweils einstimmig erfolgen muss, hätte der ungarische Regierungschef damit aber jedes Jahr wieder eine Blockademöglichkeit.
Es gibt keinen Appetit in den Hauptstädten, sich auf dieses Spiel einzulassen. Als gesichtswahrendes Angebot für Orbán ist im Gespräch, dass Ungarn oder auch andere Mitgliedstaaten jederzeit eine Diskussion zu den Ukraine-Hilfen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs verlangen könnten. “Wenn nicht alle 27 zustimmen, kann nicht von einem Erfolg geredet werden”, warnte der Diplomat. Sollte Ungarn sich querstellen, so würde “eine neue politische Lage” eintreten, so der Diplomat weiter. Das wäre “sehr ernst”.
Mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Kongokriegs entdecken die USA wieder die weltpolitische Bedeutung Afrikas. US-Außenminister Antony Blinken absolvierte gerade eine viertägige Afrikareise. Die Kapverden, Elfenbeinküste, Nigeria und Angola standen auf dem Flugplan. Zuvor hatte Chinas Außenminister Wang Yi den Kontinent bereist. Der russische Präsident Wladimir Putin, der wegen des Ukrainekriegs Auslandsreisen meidet, empfing Mahamat Idriss Déby. Der Präsident von Tschad kam in weißem Boubou und weißen Lederschuhen angereist.
In der vergangenen Woche fand der Gipfel der Blockfreien Staaten in Kampala statt, an dem 90 der 120 Mitgliedsstaaten vertreten waren. Ugandas Präsident Yoweri Museveni leitet die Gruppe nun bis 2027. Die Konferenz zeigte, wie wenig diese Länder blind der westlichen Außenpolitik folgen wollen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bemüht sich indes, das zerrüttete Verhältnis zu Marokko zu reparieren. Mehrfach schon wurde seine Reise nach Rabat verschoben. Jedoch soll sie noch im ersten Quartal dieses Jahres stattfinden. Auch deutsche Ministerinnen sind so oft wie nie in Afrika. Vergangene Woche war Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Marokko, um über Migration zu sprechen. Diese Woche bereiste Außenministerin Annalena Baerbock mehrere Länder in Ostafrika.
Ohne Zweifel, Afrika nimmt einen festen Platz auf der politischen Weltbühne ein. Für dieses große Interesse am afrikanischen Kontinent gibt es vier zentrale Gründe:
Europa, besonders Deutschland, ist schlecht vorbereitet, um sich auf diese neue Lage einzustellen. Dabei hätte eine europäische Afrika-Politik zahlreiche Vorteile und das Fehlen ebendieser bringt Nachteile mit sich. Denn Deutschland profitiert von Afrikas Wirtschaftsdynamik kaum. Die afrikanischen Warenexporte stiegen 2023 um 26,8 Prozent auf 724,1 Milliarden Dollar, teilte die Afreximbank vergangenen Mittwoch mit. Auch die Importe erhöhten sich um 15,5 Prozent auf 706 Milliarden Dollar. Die Exportnation Deutschland hat einen Anteil von jeweils weniger als fünf Prozent an Afrikas Exporten und an den Importen des Kontinents.
Noch gilt Europa vielen in Afrika nicht als bevorzugter Partner, insbesondere bei Themen wie Digitalisierung. Afrika wird sein Bevölkerungswachstum nur mithilfe von Innovationen bewältigen können: E-Learning, E-Medizin und E-Commerce werden sich rasant ausbreiten müssen. Europa ist bislang nicht Teil der Lösung.
Dazu kommt: In vielen Ländern haben sich stabile Demokratien etabliert, etwa in Nigeria, Südafrika, Kenia, Ghana oder Marokko. In anderen Ländern sind pluralistische Gesellschaften entstanden. Und die Putsche in Westafrika zeigen, dass sich die Jugend nicht mehr von korrupten Eliten regieren lassen will, die nach Scheinwahlen in Scheindemokratien von westlichen Mächten, häufig mit deutscher Beteiligung, an die Macht gebracht worden sind. Politische Stabilität und wirtschaftlicher Erfolg fördern ein neues afrikanisches Selbstbewusstsein, stärken den Zusammenhalt auf dem Kontinent und begünstigen den interafrikanischen Handel.
Viele Afrikaner werfen Europa eine Doppelmoral vor. Auch deutsche Politiker erteilen afrikanischen Amtskollegen gerne moralgetränkte Lektionen in puncto Geschlechterpolitik, Genitalverstümmelung oder Frauenförderung, schweigen aber zu Todesstrafe und Verheiratung Minderjähriger in den USA.
Afrika wird zudem künftig ein wichtiger Baustein in der globalen Sicherheitsarchitektur sein. Der Aufstieg der Brics und die Rolle Afrikas in der Bewegung der blockfreien Staaten sind ein Beleg dafür. Auf diese Veränderung sind Europa, aber auch Deutschland, schlecht vorbereitet. Die westliche Diplomatie entwickelt sich aus guten Gründen entlang des Prinzips der Staatlichkeit. Dieses Konzept ist jedoch unbrauchbar, um sich mit Putschregierungen zu arrangieren. Dadurch entsteht ein außenpolitisches Vakuum, das viele Schwellenländer nutzen, um ihre Beziehungen zu Afrika auszubauen.
Frankreichs sicherheitsorientierte Afrika-Politik ist dagegen gescheitert. Aber auch der deutsche entwicklungsorientierte Ansatz hat nicht verhindern können, dass die Sahelzone weitgehend eine Region gefallener Staaten geworden ist.
Die alten Großmächte müssen entsprechend dem Aufstieg von Mittelmächten Rechnung tragen wie auch einer größeren Präsenz von Mittelmächten auf dem Kontinent. Dies sind beispielsweise Brasilien, Indien, Japan, Saudi-Arabien, die VAE oder die Türkei. Bisher haben die europäischen Regierungen ihre Beziehungen zu Afrika als Teil ihrer nationalen Politik betrachtet. Das ist überholt. Europa braucht eine europäische Afrika-Politik mit dem Ziel, einen integrierten Raum zu schaffen, der Europa, Afrika und den Mittelmeerraum umfasst. Deutschland und Frankreich sollten dieses Ziel gemeinsam vorantreiben.
02.02.-03.02.2024, online
FES, Seminar Die Zukunft Europas: Mehr, aber anders?
Das Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) vermittelt Wissensinhalte über die Entscheidungsprozesse der EU, das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell und erörtert Europa als Chance und Herausforderung sozialer Demokratie. INFOS
05.02.-06.02.2024, Kranj (Slowenien)
UNESCO, Conference Global Forum on the Ethics of Artificial Intelligence 2024
The United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) will bring together decision makers, industry leaders and representatives from academia and civil society to share their expertise on governance of Artificial Intelligence and best practices of AI supervision through ethical impact assessments. The forum will also feature the launch of various UNESCO initiatives including the AI Ethics Experts without Borders Network.
INFO
06.02.2024 – 10:00-18:00 Uhr, Berlin/online
HBS, Konferenz Exit Plastik
Das zivilgesellschaftliche Bündnis Exit Plastik veranstaltet in der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) einen Runden Tisch für NGOs zum inhaltlichen Austausch und zur Vernetzung. Anschließend erörtern Gäste aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in einer öffentlichen Konferenz Wege aus der Plastikkrise. INFOS & ANMELDUNG
06.02.2024 – 14:00-17:00 Uhr, Stuttgart
DGAP, Roundtable Deutsch-Französischer Expertentreff zum Thema Energieversorgung
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) lädt in Kooperation mit dem Institut français zur Diskussionsrunde, in der sich deutsch-französische Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft über Herausforderungen und Chancen rund um das Thema Energie austauschen. INFOS & ANMELDUNG
06.02.2024 – 14:00-15:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Dynamische Tarife und regionale EE-Erzeugung
Bei der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellen zwei Unternehmen aus der Energiebranche ihren eigens entwickelten Produktansatz zu dynamischen Tarifen vor. INFOS & ANMELDUNG
Auf den letzten Metern versuchen Verhandler noch eine Einigung zur Plattformarbeit in dieser Legislaturperiode möglich zu machen. Nach der siebten Trilogrunde am Dienstag ohne Einigung, wird nun auf technischer Arbeitsebene an einem gemeinsamen Sondierungstext von Rat und Parlament gefeilt, wie Table.Media erfahren hat. Am Freitag könnte bereits ein entsprechendes Papier, den Vertretern der Mitgliedstaaten im Ausschuss der ständigen Vertreter (AStV) zur politischen Abstimmung vorgelegt werden.
Am Dienstag im Trilog wurde dem Rat ein neuer Vorschlag des Parlaments vorgestellt. Er soll einen möglichen Ausweg aus der verfahrenen Lage des Dossiers zur Bekämpfung von Scheinselbständigkeit auf den großen Digitalplattformen bieten. Der Vorschlag, den der Schattenberichterstatter der EVP, Dennis Radtke, bei Table.Media bereits Anfang der Woche ins Gespräch gebracht hatte, sieht vor, den gesamten Teil zur Statusfeststellung von Plattformarbeitern auszuklammern.
Das heißt, dass die bisher angepeilten Kriterien, die die verbindliche Einleitung einer Anstellungsvermutung auslösen sollten, in dieser kleineren Variante vom Tisch wären. Um diese hatte es immer wieder erbitterten Streit zwischen Rat und Parlament gegeben. Die Entscheidung, wann eine solche Anstellungsvermutung ausgelöst wird und wonach sich diese richtet, soll laut dem neuen Vorschlag weiter bei den Mitgliedstaaten liegen. Voraussichtlich hieße das auch, dass es in dieser Variante weiter vor allem die Plattformarbeiter selbst sein werden, die ihre Reklassifizierung vorantreiben und dafür erste Verdachtsmomente vorlegen müssen. Vorgesehen war bisher, dass eine Anstellungsvermutung auch durch nationale Behörden eingeleitet werden sollte.
Nach Table.Media-Informationen will das Parlament die Bestimmungen zum algorithmischen Management bei den Plattformen beibehalten. Diese besagen, dass es etwa keine automatisierten Kündigungen geben darf, ohne dass ein Mensch darüber geschaut hat. Dazu soll auch die Beweislastumkehr im Fall eines eingeleiteten Anstellungsverdachts bestehen bleiben. Sprich: Kann ein Beschäftigter erste Belege vorlegen, dass er oder sie eigentlich angestellt sein müsste (und im Mitgliedsland wird ein entsprechendes Prüfungsverfahren eingeleitet), müsste die Plattform künftig beweisen, dass die Person nicht angestellt, sondern selbständig ist.
Bisher liegt die Beweislast bei Arbeitnehmern. Befürworter einer Neuregelung sehen darin ein Problem, da die Plattformen deutlich mehr Informationen zu den Arbeitsbedingungen haben und auch über mehr Ressourcen verfügen, um sich rechtlich abzusichern.
Sollten die Vertreter der Staaten im AStV am Freitag noch Änderungsbedarf sehen, bliebe bis zur nächsten Sitzung kommenden Mittwoch noch einmal Zeit, Nachbesserungen vorzunehmen. Der nächste und wohl auch letzte Trilog ist für Donnerstag kommende Woche angesetzt.
Einen Tag später, am 9. Februar, endet die Frist, bis zu der es möglich ist, Gesetze auszuverhandeln, damit sie rechtzeitig für eine Bestätigung im Parlament und im Rat formalisiert werden können, ehe bei der Europawahl 2024 ein neues Parlament gewählt wird.
“Als Parlament haben wir am Dienstag mit unserem Vorschlag gezeigt, dass wir es ernst meinen mit einem Kompromiss. Jetzt hoffen wir auf das Entgegenkommen des Rates“, sagt Schattenberichterstatter Radtke. Er sei aber optimistisch. Auch aus diplomatischen Kreisen, hieß es, dass beide Seiten sich dazu bekannt hätten, einen Kompromiss noch in dieser Legislaturperiode hinzubekommen. lei
Die Europäische Union und die USA haben einen gemeinsamen Aktionsplan zur Verbesserung der Cybersicherheit von vernetzten Verbraucherprodukten (IoT) unterzeichnet. Ziel ist es, die technische Zusammenarbeit zu fördern und gegenseitige Cybersicherheitsanforderungen anzuerkennen. Dies soll die Transparenz und den Schutz für Verbraucher erhöhen und zugleich den Compliance-Aufwand für Unternehmen reduzieren.
“Der Aktionsplan besiegelt eine tiefere Cybersicherheitszusammenarbeit über den Atlantik”, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton, bei seinem Aufenthalt in Washington. Der Aktionsplan baut auf dem Cyber Resilience Act der EU und dem US Cyber Trust Mark Program auf. Anne Neuberger, stellvertretende nationale Sicherheitsberaterin der USA, begrüßte die Zusammenarbeit mit der EU. Sie freut sich, “die Sicherheitsstandards des US Cyber Trust Mark Program über die Grenzen hinweg anerkannt zu bekommen.”
Beide Seiten vereinbarten außerdem, die Zusammenarbeit im Rahmen des Cyberdialogs in folgenden Bereichen voranzutreiben:
Darüber hinaus kündigte die EU an, sich der von den USA geleiteten globalen Anti-Ransomware-Initiative anzuschließen. Darin verpflichten sich die EU und die Regierungsbehörden ihrer 27 Mitgliedstaaten, kein Lösegeld an Cyberkriminelle zu zahlen.
Außerdem hat die Kommission das erste europäische Zertifizierungssystem für Cybersicherheit eingeführt, um digitale Produkte wie Router oder ID-Karten sicherer zu machen. Dieses System ist Teil des Cyber Security Acts. Es zielt darauf ab, die Vertrauenswürdigkeit dieser Produkte mit einheitlichen Zertifizierungsverfahren zu erhöhen.
Breton hob die Bedeutung dieses Schrittes hervor. “Wir starten ein neues Rahmenwerk, um sicherzustellen, dass die Produkte, die wir verwenden, cybersicher sind.” Das freiwillige System ergänzt den Cyber Resilience Act, der verbindliche Cybersicherheitsanforderungen für alle Hardware- und Softwareprodukte in der EU vorsieht. Das System soll in Kürze im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. vis
Es gehe darum, die richtige Richtung für Europa in den kommenden Jahren zu suchen, sagte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zu Beginn einer Anhörung der EVP-Fraktion zum Kinderschutz im Internet. Es gehe dabei auch darum, dass die Betreiber ihrer Verantwortung gewahr würden. “Wir werden uns nicht auf dem in dieser Legislatur erreichten ausruhen”, kündigte Metsola an.
Der belgische Christsoziale Pascal Arimont und der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab hatten die Autorin und Schulleiterin Silke Müller eingeladen, über die Realität von Kindern online zu sprechen. Sie erläuterte und zeigte, mit welch verstörenden, illegalen, manipulativen oder diskriminierenden oder anders herabwürdigenden Inhalten und Gefahren Kinder heutzutage im Netz konfrontiert sein können. Ein Video eines von Kindern in einen Mixer gesteckten Katze war da noch eines der harmloseren Beispiele, die Müller aufzeigte.
Die Schattenseiten der Sozialen Netzwerke seien ein “Haifischbecken einer unbändigen Gefahr” mahnte die Buchautorin, die von Plattformen und Politik mehr Aktivität fordert: “Brauchen wir nicht ernsthafte Diskussionen, Kindern vor 16 den Zugang zu Social Media zu verbieten?” Das Problem sei derzeit nicht in den Griff zu bekommen. Verantwortlich seien dafür nicht primär die Plattformanbieter, sondern die Menschen, die die Inhalte zur Verfügung stellten.
Die anwesenden Vertreter großer Social Network-Anbieter erläuterten, wie sie mit dem Kinderschutz insgesamt und den neuen Vorschriften des DSA umgingen. Der Plattformsicherheitschef von Snapchat, Viraj Doshi, erläuterte, dass auf der Plattform etwa vor Konversationen mit wahrscheinlich unbekannten Dritten aktiv nachgefragt würde, ob diese wirklich stattfinden sollten. Es gehe darum, die Plattform “so sicher wie möglich” zu machen, meinte Chloe Setter von Tiktok – und Technologie sei dafür der Schlüssel. 77 Prozent der als problematisch erachteten Inhalte würden gelöscht, ehe ein einziger Nutzer sie zu sehen bekommen habe. Was den DSA angehe, würden unter Achtzehnjährige seit vergangenem Sommer keine personalisierte Werbung mehr sehen, man habe zudem ein Meldesystem eingeführt. Auch den nichtpersonalisierten Feed, den der DSA einfordert, schilderte Setter als Maßnahme für besseren Kinderschutz.
Nicole Lopez, Global Director für Kinderschutz bei Meta, dem Betreiber von Facebook und Instagram, erläuterte neben der Aufstellung für “altersangemessene Nutzererfahrungen” bei dem Konzern, wie schwierig Inhalte-Entscheidungen in der Realität oft seien, und wie altersabhängig. “Menschen lügen bei ihrer Altersangabe”, sagte Lopez. Es gehe um den Inhalt, den Teenager sähen. Abstrakt sei das einfach. Es stehe aber nicht immer klar in einem Posting, wenn es möglicherweise um Anorexie gehe – Lopez nannte als Beispiel einen Post, jemand habe “nur vier Trauben gegessen, es ist ein harter Tag gewesen.” Auch solche würden Teenagern bei Meta nicht angezeigt – aber es sei eben kompliziert und nur mit viel technologischem Einsatz möglich.
Die Antworten der Betreiber befriedigten die EVP-Abgeordneten offenkundig nicht. Die schwedische Moderaten-MEP Arba Kokalari bemängelte, dass seit August eigentlich zu wenig passiert wäre. Gerade das Vorgehen nach dem Hamas-Überfall auf Israel im Oktober habe gezeigt, dass die Betreiber mehr tun müssten. Damit würden problematische, extreme Inhalte popularisiert.
Für die EU-Kommission erläuterte DG Connect-Direktorin Rita Wezenbeek, dass der DSA eine Vielzahl an Instrumenten bieten würde, um Informationen von Plattformen abzuverlangen und Verfahren durchzuführen. Gerade beim Kinderschutz sei es allerdings ein delikates Unterfangen. Man wolle die Privatsphäre von Kindern schützen und keine neuen Probleme schaffen, etwa indem Dritte erkennen könnten, welche Nutzer Kinder seien. Mit dem Inkrafttreten des DSA auch für kleinere Plattformen am 17.02. würde sich aber eine Armee zuständiger Stellen in Bewegung setzen – weil dann die Verknüpfung von DSA und sonstigem Recht wirksam werde. fst
Bis Anfang Juni sind alle Zölle und Quoten für die Einfuhr ukrainischer Produkte in die EU ausgesetzt. Die EU-Kommission will diese temporären Maßnahmen nun um ein Jahr verlängern. Einen entsprechenden Vorschlag stellte Kommissionsvize Margaritis Schinas am Mittwoch in Brüssel vor. Die Handelserleichterungen, die 2022 erstmals eingeführt wurden, brauche es weiterhin zur wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine “in dieser kritischen Phase des Krieges”, betonte Schinas.
Die Maßnahmen sind jedoch umstritten, auch innerhalb der Kommission, wo sich der polnische Agrarkommissar Janusz Wojciechowski gegen eine Verlängerung ausgesprochen hatte. Auch mehrere Mitgliedstaaten hatten vor der Verdrängung heimischer Erzeuger vom Markt durch den Import billigerer ukrainischer Agrarprodukte gewarnt. Allen voran Polen, das weiterhin unilaterale Handelsbeschränkungen gegenüber dem Nachbarland aufrechterhält und auch unter dem neuen Regierungschef Donald Tusk bei seiner Kritik bleibt. Zusätzlicher Druck kam durch die Bauernproteste in Frankreich, die ebenfalls ein Ende des zollfreien Handels fordern.
Man sei sich der “Bedenken einiger Mitgliedstaaten” bewusst, betonte Schinas. Die Kommission schlägt deshalb verschiedene “Schutzmaßnahmen” vor. Für drei besonders “sensible” Produktgruppen – Eier, Hühnchen und Zucker – sollen die Importe aus der Ukraine auf dem Durchschnittsniveau der Jahre 2022 und 2023 gekappt werden. Übersteigen die Einfuhren diesen Wert, werden automatisch Zölle und Quoten wieder eingesetzt. Mehrere europäische Bauern- und Agrarverbände hatten einen solchen Mechanismus gefordert. Die Einfuhren für diese drei Produktgruppen aus der Ukraine sind seit Beginn der Handelserleichterungen nach Angaben der Kommission besonders stark gestiegen, für Zucker verzehnfachten sich die Importe.
Für alle anderen Produkte soll es der Kommission überlassen bleiben, im Falle von Marktverwerfungen kurzfristig Gegenmaßnahmen zu ergreifen, beispielsweise durch zeitweise Handelseinschränkungen. Neu ist, dass solche Maßnahmen auch nur für einzelne, besonders betroffene EU-Länder gelten könnten statt für die gesamte Union. Die Kommission hoffe, die kritischen Mitgliedstaaten mit diesen Maßnahmen “beruhigen” zu können, so Schinas. Dem Vorschlag der Kommission müssen EU-Parlament und Mitgliedstaaten noch zustimmen. jd
Auf einem großangelegten Sozialpartnergipfel im beglischen Val Duchesse haben sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der belgische Premierminister und EU-Ratsvorsitzende Alexander De Croo und die europäischen Sozialpartner zur Stärkung des sozialen Dialogs in der EU bekannt. Sie unterzeichneten eine “Dreigliedrige Erklärung für einen dynamischen europäischen sozialen Dialog”. Der Dialog zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern sei ein Grundbaustein des europäischen Sozialmodells.
Um die Rolle des sozialen Dialogs auf europäischer und nationaler Ebene zu fördern und zu stärken, soll innerhalb der Europäischen Kommission ein eigener Beauftragter eingesetzt werden. Der Beauftragte für den europäischen sozialen Dialog solle unparteiisch sein und als Kontaktstelle der Kommission für die Sozialpartner dienen. Die Autonomie der europäischen Sozialpartner bleibe erhalten.
Zudem will die Kommission künftig das Funktionieren der Sozialpartnerschaft systematisch erfassen. In Absprache mit den europäischen Sozialpartnern werde einen Mechanismus eingerichtet, um gemeinsame Berichte der europäischen Sozialpartner über den sozialen Dialog auf EU-Ebene zu erhalten, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung. In Fällen, in denen die Sozialpartner gemeinsam feststellten, dass der soziale Dialog auf EU-Ebene nicht respektiert oder angemessen gefördert werde, solle der neue Sozialdialog-Beauftragte die Antwort der Kommission koordinieren.
In den kommenden Monaten soll es eine Reihe von drei- und zweiseitigen Treffen mit den europäischen Sozialpartnern geben, um neue Vorschläge zur Stärkung des europäischen sozialen Dialogs zu erarbeiten. Die Treffen werden sich beispielsweise mit der institutionellen und finanziellen Unterstützung der EU für den europäischen sozialen Dialog auf allen Ebenen, dem Kapazitätsaufbau der Sozialpartner und der Sozialpartner in den Beitrittsländern befassen. Dies solle in einem “Pakt für den europäischen sozialen Dialog” münden, der bis Anfang 2025 abgeschlossen werden soll. lei
Martin Selmayr, in Brüssel bestens bekannt als früherer Generalsekretär der EU-Kommission und Kabinettschef von Jean-Claude Juncker, verlässt die Kommission. Der 53-Jährige werde am heutigen 1. Februar eine Gastprofessur an der Universität Wien übernehmen und dafür sein Amt als Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich niederlegen, teilte diese mit.
An der Universität werde Selmayr für ein halbes Jahr vor allem zu Fragen des EU-Digitalisierungsrechts und des Nachhaltigkeitsrechts forschen und lehren – von AI Act bis zum CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM. “Viele der in den letzten Jahren auf EU-Ebene beschlossenen Gesetze brauchen jetzt eine fundierte wissenschaftliche Analyse und Erläuterung”, wird Selmayr in der Pressemitteilung zitiert.
Der Jurist hatte sich in der Juncker-Kommission einen Ruf als brillanter, aber auch rücksichtsloser Strippenzieher erarbeitet. Die Umstände seiner Blitz-Beförderung vom Kabinettschef zum Generalsekretär lösten 2018 einen Skandal aus. Junckers Nachfolgerin Ursula von der Leyen setzte ihn unmittelbar nach ihrer Wahl im Juli 2019 ab, wohl auch nach dringender Empfehlung durch die Europaabgeordneten von CDU/CSU, und schickte ihn mit üppigen Bezügen als Vertreter der Kommission nach Wien.
Nach vier Jahren auf dem Posten sieht er in der Behörde offenbar keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr. In den vergangenen Monaten hatte er sich in der Kommission für andere Posten beworben, etwa als EU-Botschafter in Washington, kam aber nicht zum Zuge. Wohl auch deshalb, weil sein Verhältnis zu von der Leyen und deren Kabinettschef Björn Seibert als belastet gilt. tho
Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Abgeordneter mit der Forderung nach einem neuen Posten Gehör findet. Noch seltener kommt es vor, dass er ihn dann auch noch selbst bekommt. Dem Europaabgeordneten Markus Pieper (CDU) aus dem nördlichen Münsterland (Lotte) ist das Kunststück gelungen. Nach zwei Jahrzehnten, in denen der promovierte Geograf als Berichterstatter viele wichtigen Dossiers (zuletzt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED) verhandelt hat, wechselt der 60-Jährige jetzt in die Kommission.
Er wird der erste Beauftragte der Kommission für die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Das neu geschaffene Amt wird in der Generaldirektion für den Binnenmarkt (DG Grow) angesiedelt. Pieper arbeitet direkt der Kommissionspräsidentin zu und wird sich eng mit dem Industrie- und Binnenmarktkommissar abstimmen.
Man könnte sagen, dass der neue Job auf das Profil des passionierten Jägers zugeschnitten ist. Die Nöte von kleinen und mittelgroßen Unternehmen hat er Zeit seines Berufslebens im Blick. Bevor er 2004 erstmals ins Europaparlament gewählt wurde, war er Geschäftsführer der IHK Osnabrück–Emsland. Er ist überzeugter Marktwirtschaftler und hat sich immer als wirtschaftsnaher Abgeordneter verstanden. Seit 2013 ist er Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament.
Schon bevor der Abbau von schädlicher Bürokratie politisches Mantra von anderen wurde, hatte Pieper im Plenum, im Industrieausschuss und in den Gesprächen mit der Kommission dafür geworben, konsequent die Berichtspflichten auszudünnen. Ursula von der Leyen ist nicht gerade dafür bekannt, dass Wirtschaftsvertreter den ersten Zugang zu ihr bekommen. Im September hat die Kommissionspräsidentin in ihrer Rede zur Lage der EU ein KMU-Entlastungspaket und einen KMU-Beauftragten angekündigt. Pieper hatte es mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.
Pieper erlebte in der Arbeit in Brüssel den zunehmenden Einfluss von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf die EU-Gesetzgebung. Dies gilt vor allem für die Dossiers des Green Deal. Im Rechnungsprüfungsausschuss wollte er durchsetzen, dass NGOs, die aus dem EU-Haushalt teils hohe Geldbeträge bekommen, besser kontrolliert werden und transparent andere Geldgeber offenlegen. Mit diesen Forderungen konnte er sich nicht durchsetzen. Viele Abgeordnete von Grünen und Sozialisten, die mit NGOs gerade im Verkehrs- und Verbraucherschutz eng zusammenarbeiten, fühlten sich provoziert und verwässerten im Ausschuss und im Plenum seine Forderungen bis zur Bedeutungslosigkeit.
Wann Pieper den neuen Job anfängt, ist noch nicht bekannt. Zur Stellenbeschreibung gehört, dass er bei neuen Gesetzgebungsvorschlägen im nächsten Mandat zusammen mit dem Ausschuss für Regulierungskontrolle, Regulatory Scrutiny Board darauf achtet, dass KMU nicht überfordert werden. Außerdem hält er Kontakt zu den KMU-Beauftragten in den Mitgliedstaaten. Vor allem soll er im Gespräch sein mit den Unternehmen, um zu wissen, wo ihnen regulatorisch der Schuh drückt.
Der Job des KMU-Beauftragten war schon vor einiger Zeit ausgeschrieben. Die Konditionen und die Gestaltungsmöglichkeiten waren so attraktiv, dass es zahlreiche Interessenten gab. Auch Abgeordnetenkollegen von Pieper sollen ihren Hut in den Ring geworfen haben. Das Bewerbungsverfahren startete in einer Zeit, da die Parteien in den Mitgliedstaaten die Listen für die Europawahl am 9. Juni bestimmt haben. Gerade in NRW gab es viel Konkurrenz um die sicheren Listenplätze, weil bisher fünf von sechs CDU-MEPs aus dem Landesverband männlich sind und diesmal wegen der Frauenquote mehr Frauen zum Zuge kommen sollen. Pieper, der im Europaparlament parlamentarischer Geschäftsführer der EVP-Fraktion ist, sollte auf Platz fünf kandidieren. Ein nach derzeitigem Stand sicherer Platz.
Axel Voss und Stefan Berger, die bislang auf den Plätzen sechs und sieben vorgesehen sind, dürften erleichtert sein über die Berufung Piepers. Wenn an diesem Samstag die NRW-Landesdelegiertenversammlung zusammenkommt und die Liste wählt, werden sie wohl auf der Liste nach oben rutschen und damit bessere Chancen haben auf den Wiedereinzug. Markus Grabitz