Kommissionsvize Henna Virkkunen hat im Rahmen des Autodialogs die Branche für heute zur Arbeitsgruppe Digitales geladen. Während bei den Runden bisher die Kommissare eher in der Moderatorenrolle waren, dürfte Virkkunen diesmal in der Kritik stehen. Sie wird konfrontiert werden mit dem Unverständnis von Herstellern, Zulieferern und deren Verbänden, dass die Kommission überraschend den Vorschlag für mehr Rechtssicherheit und schnellere Streitbeilegung bei den Standardessentiellen Patenten zurückziehen will. Als Begründung stand im Arbeitsprogramm, dass keine Einigung in Sicht sei. Die Kommission prüfe, ob sie einen neuen Vorschlag vorlegt oder einen anderen Zugang wähle.
Egal ob Zulieferer oder OEMs: Sie sind genervt davon, von Patentinhabern finanziell zur Ader gelassen zu werden für die Nutzung von Mobilfunkpatenten, ohne die Neuwagen nicht auskommen – heute und umso mehr in der Zukunft des teilautonomen und autonomen Fahrens.
ACEA-Chefin Sigrid de Vries erwähnt in einem Brief an die Kommission, den Table.Briefings eingesehen hat, dass Kommissions-Vize Stéphane Séjourné noch bei den Anhörungen versprochen habe, sich für die zügige Verabschiedung des Vorschlags einzusetzen. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: “Wir verstehen nicht, warum die Kommission seitdem ihre Position um 180 Grad gedreht hat.” Sie erinnert daran, dass die Co-Gesetzgeber schon recht weit waren. Das Parlament hat seine Position beschlossen, die polnische Ratspräsidentschaft hatte Verhandlungen auf Arbeitsgruppenebene angesetzt.
Auch VW macht vor dem Treffen Druck. Es sei schon “höchst ungewöhnlich, dass die Kommission einen Vorschlag in diesem Stadium zurückzieht”, sagte ein Sprecher. Über Nacht werde eine “Initiative zur Schaffung dringend benötigter fairer und transparenter Rahmenbedingungen gestoppt”, heißt es weiter. “Und das, während wir gleichzeitig in einem strategischen Dialog über die Zukunft der Automobilwirtschaft stehen.” Man darf gespannt sein, wie Virkkunen auf die Breitseiten reagiert.
Kommen Sie gut in die Woche.
Der Schock von München mit den Ansagen der US-Administration der letzten Tage wirkt nach. Zuerst sollte das Krisentreffen schon am Sonntag über die Bühne gehen, nun hat Emmanuel Macron nach hektischen Konsultationen für heute Nachmittag nach Paris eingeladen.
Der französische Präsident bringe die wichtigsten europäischen Staaten zu einer Diskussion über Europas Sicherheit und zur Situation in der Ukraine zusammen, sagte Außenminister Jean-Noel Barrot zu Radio France Inter. Die Europäer müssten sich nach der Münchner Sicherheitskonferenz rasch zum angedrohten Rückzug der USA aus Europa und zu Donald Trumps Ukraine-Friedensverhandlungen mit Wladimir Putin positionieren, so Diplomaten.
Eingeladen sind neben Bundeskanzler Olaf Scholz die Regierungschefs Polens, Spaniens , Italiens, der Niederlande, Dänemarks und Großbritanniens. Mit dabei auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa. Gefragt sei eine rasche Antwort, wie Europa schnell die Verteidigungsausgaben anheben und unabhängiger von den USA werden könne.
Angestrebt wird laut Diplomaten auch eine Positionierung zur Frage, welche Sicherheitsgarantien die Europäer anbieten könnten, um einen Platz am Verhandlungstisch zur Ukraine zu bekommen. Diskutiert werden sollen auch mögliche Zusagen für eine Friedenstruppe in der Ukraine nach einem Waffenstillstand. Ziel des Treffens sei es, Konsultationen zwischen den europäischen Staats- und Regierungschefs über die Lage in der Ukraine und Sicherheitsfragen in Europa einzuleiten, bestätigen EU-Diplomaten in Brüssel. Die Gespräche könnten dann in anderen Formaten fortgesetzt werden, mit dem Ziel, alle Partner zusammenzubringen, die an Frieden und Sicherheit in Europa interessiert seien.
Auffällig ist, dass nicht António Costa zum informellen Treffen einlädt, wie es eigentlich zu erwarten wäre. Von Seiten des EU-Ratspräsidenten wurden in den letzten Tagen Anfragen zu einem Sondergipfel nicht beantwortet. Anders als Emmanuel Macron hätte der Ratspräsident alle EU-Staaten einladen müssen, also etwa auch Ungarn und die Slowakei. Regierungschef Viktor Orbán steht sowohl Wladimir Putin als auch Donald Trump nahe und hätte eine gemeinsame Positionierung verhindert.
Die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen soll in Paris die baltischen Staaten sowie Schweden und Finnland vertreten. Die Präsenz von Premierminister Keir Starmer ist aus Sicht von Emmanuel Macron zwingend, da Großbritannien bei der Unterstützung der Ukraine eine Schlüsselrolle spielt. Allerdings sorgt der Krisengipfel im kleinen Kreis auch für Verstimmung. Er wisse nicht, was genau das Thema des Treffens in Paris sei, sagte Luxemburgs Regierungschef Luc Frieden bei der Sicherheitskonferenz in München. Eingeladen seien nur wenige Staaten, während jetzt eine gemeinsame Vision aller 27 Mitgliedstaaten nötig sei.
Zeit eilt nach Einschätzung von Diplomaten, weil Teams der USA und Russlands bereits diese Woche in Riad mit den Vorbereitungen für Friedensverhandlungen zur Ukraine beginnen könnten. Ziel des US-Präsidenten sei ein Waffenstillstand bis Ostern. Dabei gibt es die Befürchtung, dass Wladimir Putin die alte Forderung nach einer neutralen Ukraine mit reduzierter eigener Armee einbringen und sich mit Donald Trump auf Einflusssphären einigen könnte.
Finnlands Präsident Alexander Stubb warnte davor, russischen Fantasien von Einflusssphären Raum zu geben. Im Gespräch ist laut Diplomaten eine automatische Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine, sollte Russland eine Waffenstillstandsvereinbarung verletzen. Die Sicherheit der Europäischen Union und der Ukraine seien miteinander verknüpft, schrieb EU-Ratspräsident Costa auf dem Nachrichtendienst X. Glaubwürdige und erfolgreiche Verhandlungen oder ein dauerhafter Friede würden ohne die Ukraine und ohne die EU nicht möglich sein.
Dreistellige Milliardensummen, so viel war am Ende der 61. MSC klar, müssten Deutschland und die anderen großen europäischen Volkswirtschaften künftig Jahr für Jahr aufbringen, wenn es nach den Vorstellungen ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitiker beziehungsweise der Erwartungen der US-Administration ginge. Ausgaben “nördlich von drei Prozent” des Bruttoinlandsprodukts hatte bereits zuvor Nato-Generalsekretär Mark Rutte als Zielmarke genannt, um die militärischen Fähigkeiten auszubauen, die Europa zur Abwehr weiterer russischer Angriffe benötige. Auf den Bundeshaushalt bezogen, wären das mehr als 120 Milliarden Euro – fast zweieinhalb so viel wie der laufende Verteidigungsetat, mehr als ein Viertel des Gesamtetats.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deutete in München einen Weg an, wie das bewerkstelligt werden könnte, ohne die Staaten der Eurozone in heftige Verteilungskonflikte zu stürzen: Nationale Verteidigungsausgaben sollten von den Maastrichter Stabilitätskriterien ausgenommen werden, so die CDU-Politikerin am MSC-Eröffnungstag. Eine Richtung, die auch der voraussichtlich in seinen letzten Amtswochen stehende SPD-Kanzler einschlug: “Wir müssen deshalb unmittelbar nach der anstehenden Bundestagswahl die Schuldenbremse in unserem Grundgesetz reformieren, indem wir Investitionen in unsere Sicherheit und Verteidigung davon ausnehmen.”
Dass der in dieser Frage bislang merklich um Zurückhaltung bemühte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz schon in den Koalitionsverhandlungen wird Farbe bekennen müssen, ließen Mitglieder seiner Fraktion in München offen durchblicken. Verstärkt wird der Druck auf die künftige Bundesregierung durch den außenpolitisch disruptiven Kurs von US-Präsident Donald Trumps. Allein der Ukraine-Fragebogen aus Washington, der die europäischen Nato-Mitglieder vergangene Woche erreichte, macht möglicherweise alle bisherigen Finanz- und Verteidigungsplanungen obsolet.
Unmittelbar vor einem Treffen von US-Außenminister Marco Rubio, dem nationalen Sicherheitsberater Mike Walz und Trumps Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff mit ihren russischen Counterparts in Saudi-Arabien kommende Woche fragte das Weiße Haus laut dpa ab: Wie viele Soldaten könnten Deutschland und andere Alliierte im Rahmen von Friedenstruppen nach einem Friedensdeal in die Ukraine schicken? Wie viele Soldaten könnte Deutschland nach einem Ende des Ukraine-Kriegs für Ausbildungsprogramme in die Ukraine schicken? Welche Waffensysteme könnte Deutschland zur Verfügung stellen? Inwieweit die Antworten aus Europa Trump zufrieden stellen werden, war am Ende der 61. MSC völlig offen.
Handelskommissar Maroš Šefčovič reist am Montag nach Washington. Er wird sich mit Wirtschaftsminister Howard Lutnick, dem Handelsrepräsentanten Jamieson Greer und Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett treffen. Die Aufgabe des EU-Handelskommissars könnte kaum anspruchsvoller sein, denn die am vergangenen Donnerstag von US-Präsident Trump angekündigten Zölle stellen die EU vor große Herausforderungen. Die reziproken Zölle greifen das “Most-Favoured-Nation-Prinzip” (MFN) der WTO an. Zudem droht die USA durch Trumps Fokus auf nationale Handelsdefizite und Mehrwertsteuern, eine Ungleichbehandlung zwischen EU-Staaten einzuführen. Der Kommission steht das Anti-Coercion Instrument (ACI) zur Verfügung, um sich gegen den Versuch von Zwangsmaßnahmen zu wehren.
Trump hat die Berichte, die zur Bestimmung der reziproken Zölle gedacht sind, auf Anfang April bestellt. Die Kommission gelobt, schnell auf Zölle zu reagieren. “Die EU wird entschlossen und umgehend gegen ungerechtfertigte Hürden für freien und fairen Handel reagieren, auch wenn Zölle verwendet werden, um legale und nichtdiskriminierende Maßnahmen infrage zu stellen”, sagte die Kommission in einer Stellungnahme am Freitag. Mit welchen Instrumenten sie reagieren wird, lässt sie offen.
Mit den reziproken Zöllen greift Trump das MFN-Prinzip der WTO frontal an. MFN besagt, dass ein Staat oder ein Staatenbund bei der Erhebung von Zöllen alle Handelspartner gleich behandeln muss, sofern nicht durch ein Freihandelsabkommen etwas anderes ausgemacht ist. Die USA würden mit den reziproken Zöllen nicht nur selbst gegen MFN verstoßen, sie würden es auch allen anderen Staaten schwerer machen, MFN einzuhalten.
Die EU könnte es in der Autobranche treffen, weil sie Autos mit einem höheren Zollsatz (10 Prozent) als die USA (2,5 Prozent) verzollt. Wenn die EU zum Beispiel reziproke Zölle auf Autos verhindern wollen würde, indem sie den Zoll für US-Autos senkt, müsste sie dies theoretisch auch für alle anderen Handelspartner tun. Laut Berichten der “Financial Times” ist die Kommission bereit, die Autozölle zu senken.
Für die EU ist aber nicht zwingend dieser direkte Effekt der reziproken Zölle am gefährlichsten – sie hat in den meisten Sektoren relativ tiefe Zollsätze und nur wenig Unterschiede zu den Zollsätzen der USA. Länder mit höheren Zollsätzen wie Indien und China werden unter stärkerem Druck stehen. Sie dürften versuchen, ihre Exporte umzuleiten, was zu Verdrängung im europäischen Markt und in anderen Exportmärkten führen könnte.
Trump nannte am Donnerstag noch weitere Faktoren für die Bestimmung der Zölle, unter anderem die Mehrwertsteuer in Europa, das US-Handelsdefizit sowie unliebsame Regulierungen. “Das Argument, dass die Mehrwertsteuer zu einem Handelsungleichgewicht führen würde, ist kompletter Nonsens”, sagt Niclas Poitiers, Handelsexperte beim Brüsseler Think Tank Bruegel.
Der Mehrwertsteuersatz variiert zwischen den Mitgliedstaaten zwischen 17 Prozent in Luxemburg und 27 Prozent in Ungarn. Auch die Handelsbilanzen mit den USA variieren je nach Mitgliedstaat stark (siehe Grafik unten). Die Gefahr besteht, dass die USA die Zölle nicht gegen die EU als Handelsblock erheben, sondern Mitgliedstaaten unterschiedlich behandeln. “Ich denke, der Fakt, dass Trump individuelle Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Zöllen belegen könnte, sollte ernster genommen werden”, sagt Sam Lowe, Handelsexperte und Partner der Beratungsfirma Flint Global.
Im Handelsstreit zwischen Airbus und Boeing hatten die USA 2020 schon einmal Zölle gegen Produkte aus Deutschland und Frankreich erhoben. Wenn die USA dies nun viel breitflächiger anwenden wollen, hätte dies wohl einen verzerrenden Effekt auf den Binnenmarkt.
Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses des Parlaments bezweifelt, dass die USA angesichts der integrierten europäischen Lieferketten überhaupt identifizieren kann, aus welchem EU-Land ein Produkt ist. Dennoch warnt er vor amerikanischen Spaltversuchen. “Ich würde das nicht als wirtschaftspolitische Überlegung sehen, sondern als ein Versuch, die Europäische Union zu spalten“, sagte er Table.Briefings.
Bisher hat die EU angesichts der US-Drohungen Einigkeit gezeigt. Mit konkreten Zollandrohungen hielt sich die EU zurück, anders als Kanada und Mexiko. Ihre Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt, unter anderem weil sie sich weiterhin an WTO-Recht halten will.
Durch Trumps Fokus auf unliebsame Regulierungen und Steuern in der EU könnte aber das ACI zum ersten Mal zur Anwendung kommen. Gemäß Bruegels Handelsexperte Niclas Poitiers sind Trumps Klagen gegen die Mehrwertsteuern als Vorwand zu sehen, die US-Zölle weiter anzuheben, um “Staaten zu zwingen, Regulierungen abzuschaffen, die gegen die Interessen einiger weniger großer US-Firmen gehen”. Damit griffen die USA einen Kernbestandteil der Souveränität der EU und ihrer Mitgliedstaaten an, so Poitiers.
Mit dem ACI könnte die EU unter anderem Import- und Exportrestriktionen einführen, amerikanische Firmen und Produkte in der öffentlichen Vergabe benachteiligen oder den Schutz geistigen Eigentums einschränken. Auch wenn der ACI-Prozess schneller geht als ein WTO-Prozess: Die ACI-Verordnung verlangt mehrere Konsultationsschritte zwischen Kommission, Rat und dem betroffenen Drittstaat, was in der Praxis mehrere Monate dauern wird.
Kommissionsvize Teresa Ribera will Beihilfen für klimafreundliche Investitionen bis Ende 2030 nach einem vereinfachten Verfahren genehmigen und kommt damit auch einer Forderung der scheidenden Bundesregierung nach. Entsprechende Regelungen aus dem bis Ende des Jahres befristeten Krisenrahmen TCTF sollen dafür verlängert werden. Das geht aus einem Entwurf hervor, den Contexte veröffentlicht hat. Das neue Kürzel für den Beihilferahmen lautet nun CISAF, kurz für Clean Industry State Aid Framework.
Vorstellen will Ribera es am 26. Februar mit dem Clean Industrial Deal. Laut Contexte ist der Vorschlag allerdings noch nicht mit den anderen Kommissaren abgestimmt. Die Gliederung entspricht den Kapiteln 2.5, 2.6 und 2.8 aus dem TCTF:
Neu sind Regeln für nichtfossile Flexibilitäten und Kapazitätsmechanismen. Unter De-Risking werden Beihilfen in Formen wie Beteiligungen und Garantien zusammengefasst, die größtenteils schon im früheren Rahmen enthalten waren.
Mit nichtfossilen Flexibilitäten sind vor allem Batterien und eine Verlagerung des Verbrauchs gemeint. Für Unmut in Deutschland sorgen könnten zwei Bedingungen in dem Entwurf. Wenn der Bund steuern möchte, wo Batterien gebaut werden, dann sollen die Mehrkosten von den Stromverbrauchern in der jeweiligen Region getragen werden. Und die Kosten für Flexibilitätstechnologien sollen ausdrücklich auch jene Verbraucher mitfinanzieren, die den Flexibilitätsbedarf verursachen. Die Bundesregierung dagegen will Unternehmen verschonen, die ihren Verbrauch nicht flexibilisieren können.
Ein Anhang des Entwurfs enthält auch Regelungen zur leichteren beihilferechtlichen Genehmigung von Kapazitätsmechanismen. Deutschland ist darauf angewiesen, um Gas- und Wasserstoffkraftwerke als Back-up für Dunkelflauten zu bauen. Das bisherige Modell der Ampel scheint mit den Vorstellungen aus Brüssel allerdings schwer vereinbar. Das BMWK unter Führung von Robert Habeck hatte sich nach einer langen Konsultation für eine Kombination aus zentralen und dezentralen Elementen ausgesprochen.
Der erste Vorschlag von Ribera enthält jedoch nur zwei Modelle: eine Strategische Reserve und einen marktweiten Kapazitätsmechanismus. Strategische Reserven sind für Notfälle konzipiert und dürfen in normalen Zeiten nicht am Strommarkt teilnehmen. Bei den Kraftwerksbetreibern sind sie deshalb unbeliebt.
Der Vorschlag für einen marktweiten Kapazitätsmechanismus aber entspreche einem zentralen Modell, heißt es in dem Entwurf. Dieses müsste 21 der insgesamt 27 Kriterien genügen: “Sollten einige dieser Anforderungen nicht erfüllt werden, wäre eine Genehmigung gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen für Klima, Umweltschutz und Energie (KUEBLL) nötig.”
Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Berlin sein Modell in einem langwierigen Verfahren genehmigen lassen müsste und sich der Bau der Reservekraftwerke weiter hinzieht. Auch sonst sind die Kriterien eher eine Konkretisierung der Strombinnenmarktverordnung als eine Deregulierung und echte Beschleunigung.
Bei der Dekarbonisierung der Industrie will Ribera Erdgas eine etwas größere Rolle zugestehen. Anlagen zur Erzeugung von Prozesswärme auf Basis von Erdgas sollen ausnahmsweise unter den neuen Beihilferahmen fallen, wenn die Emissionen um mindestens 60 Prozent sinken.
Geringfügige Erleichterungen soll es auch für kohlenstoffarmen Wasserstoff geben – also blauen und roten aus Erdgas oder Kernenergie. Förderfähig ist die Nutzung dann, wenn er grünem Wasserstoff beigemischt wird. Allerdings muss der erneuerbare immer noch den Löwenanteil ausmachen – entweder 90 Prozent oder, falls niedriger, dem Anteil von erneuerbaren Energien im nationalen Strommix plus 25 Prozentpunkten. In Deutschland würden also derzeit noch etwa 80 Prozent grüner Wasserstoff ausreichen. Auf heftigen Widerstand dürfte diese Bestimmung beim französischen Kommissar Stéphane Séjourné treffen.
Europa verliere den Anschluss beim Wettkampf im Weltraum, warnte der litauische EU-Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt, Andrius Kubilius, bei der Space-Night des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) am Freitagabend bei der Münchner Sicherheitskonferenz. China beispielsweise entwickle derzeit Erdbeobachtungssysteme, die weit produktiver seien als die europäischen Systeme.
Der russische Angriffskrieg zeige aber, dass Weltraumkapazitäten “entscheidend” seien in modernen Kriegen. Kubilius will bei den Verhandlungen zum nächsten langfristigen EU-Haushaltsplan (2028-34), im Sommer 2025 mehr Mittel für die Raumfahrt erhalten. “Das ist die Stunde Europas”, sagte er auch mit Blick auf die schwierigen Beziehungen zu den USA unter der neuen US-Administration.
Ähnlich äußerte sich der Chef der Europäischen Weltraumorganisation Esa, Josef Aschbacher. Er betonte, dass seine Organisation künftig auch vermehrt im Bereich Verteidigung aktiv sein könnte, wenn die Mitgliedsstaaten die entsprechenden Aufträge erteilen. Schon jetzt arbeite man an Programmen, die auch im Bereich Verteidigung genutzt werden können, wie das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus. “Wir können auch im Bereich Sicherheit und Verteidigung liefern”, so der Chef der Wissenschaftsorganisation, die sich der Arbeit für “friedliche Zwecke” verschrieben hat. Derzeit werden nur um die 15 Prozent der europäischen Verteidigungsausgaben in die Raumfahrt investiert, in den USA sind es um die 65 Prozent.
Die deutsche Industrie läutet auch mit Blick auf die Signale aus Washington die Alarmglocken. “Wir erleben auf der MSC den rauen Wind verschärfter internationaler Konkurrenz”, sagte die Cheflobbyistin der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI), Marie-Christine von Hahn, zu Table.Briefings. Die europäische Raumfahrtindustrie hatte zuletzt geringere Umsätze erwirtschaftet. Während die USA im Jahr 2024 auf 144 und China auf 68 Raketenstarts kam, kam Europa nur auf drei. “Jetzt geht es um Deutschlands Selbstbehauptung, gemeinsam in Europa”, mahnte von Hahn an. wp
Das Omnibusgesetz zum Bürokratieabbau im Nachhaltigkeitssektor soll nach dem Willen der rot-grünen Bundesregierung nicht zu einer Rücknahme politischer Ziele führen. Das geplante Gesetz werde “begrüßt, sofern die Ziele des Green Deal und die bestehenden Schutzstandards gewahrt bleiben“, schreibt die Bundesregierung in einem sechsseitigen Non-Paper zum Clean Industrial Deal.
Um die Industrie in der Transformation zu unterstützen, sollen Leitmärkte für grüne Produkte laut Bundesregierung in Abstimmung mit dem Klimaclub entwickelt werden, den Bundeskanzler Olaf Scholz initiiert hatte. Ihm gehören bislang auch die USA an. Der Schutz vor Produktionsverlagerungen solle nicht nur durch den Grenzausgleichmechanismus CBAM erfolgen, sondern auch durch andere Politikinstrumente wie Produktstandards.
Im Digitalbereich fordert die Bundesregierung unter anderem eine größere Zahl von IPCEIS für Künstliche Intelligenz und Infrastruktur für Edge-Computing. Der Clean Industrial Deal müsse zudem von Angeboten für neue Handelsabkommen begleitet werden. Neue Absatzmärkte brauche es etwa in Südamerika und im Indo-Pazifik. ber
Der Aktionsplan der Kommission zu erschwinglichen Energiepreisen sollte nach Ansicht der Grünen im Parlament Leitlinien zum Teilen von Energie enthalten. “Sharing ist ein Enabler von Flexibilität und kann die Strompreise senken”, sagt der klima- und energiepolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss. Wenn lokal viel Windstrom eingespeist werde, müsse es einfacher werden, den Strom regional zu teilen.
Wenn jeder Verteilnetzbetreiber eigene Bilanzierungsprotokolle festlege, sei dies sehr ineffizient. “In manchen EU-Ländern ist das Bilanzkreismanagement für das Energy Sharing einfacher als in anderen. Wir könnten voneinander lernen”, sagte Bloss. Weitere Leitlinien könne die Kommission zur Auslegung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bei intelligenten Stromzählern veröffentlichen. Dies würde den Roll-out von Smart Metern vereinfachen und die Flexibilität im Stromsystem ebenfalls voranbringen. ber
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot will “in den nächsten Wochen” nach China reisen, um eine Einigung über Pekings Zusatzzölle auf französischen Branntwein zu erzielen. Seine Reise nach China, werde dazu beitragen, “schwierige Fragen voranzubringen, insbesondere in Bezug auf Cognac und Armagnac”, sagte Barrot Euractiv am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag. Barrot hatte sich zuvor mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi getroffen.
Cognac und Armagnac sowie andere Weinbrände unterliegen seit Oktober chinesischen Anti-Dumpingzöllen. Chinas Duty-Free-Anbieter sollen zudem französische Cognac-Produkte von Herstellern wie Martell, Hennessy und Rémy Cointreau aus dem Sortiment genommen haben. Bloomberg berichtete zudem, dass die drei größten Cognac-Hersteller – Pernod Ricard SA, Rémy Cointreau SA und Hennessy von LVMH – seit Anfang Dezember nicht mehr in der Lage waren, ihre Duty-Free-Shops in China wieder voll aufzufüllen.
Alexandre Ricard, CEO von Pernod Ricard, sagte dem Bericht zufolge, dass es seit Dezember eine “technische Aussetzung” der Duty-Free-Regelung gegeben habe, nannte jedoch keine weiteren Einzelheiten. Pernod Ricard, dem Martell gehört, hat seine Gewinnprognose gesenkt und einen Rückgang der weltweiten Reiseeinzelhandelsumsätze um neun Prozent als einen Grund genannt, der größtenteils auf China zurückzuführen sei. ari
Kommissionsvize Henna Virkkunen hat im Rahmen des Autodialogs die Branche für heute zur Arbeitsgruppe Digitales geladen. Während bei den Runden bisher die Kommissare eher in der Moderatorenrolle waren, dürfte Virkkunen diesmal in der Kritik stehen. Sie wird konfrontiert werden mit dem Unverständnis von Herstellern, Zulieferern und deren Verbänden, dass die Kommission überraschend den Vorschlag für mehr Rechtssicherheit und schnellere Streitbeilegung bei den Standardessentiellen Patenten zurückziehen will. Als Begründung stand im Arbeitsprogramm, dass keine Einigung in Sicht sei. Die Kommission prüfe, ob sie einen neuen Vorschlag vorlegt oder einen anderen Zugang wähle.
Egal ob Zulieferer oder OEMs: Sie sind genervt davon, von Patentinhabern finanziell zur Ader gelassen zu werden für die Nutzung von Mobilfunkpatenten, ohne die Neuwagen nicht auskommen – heute und umso mehr in der Zukunft des teilautonomen und autonomen Fahrens.
ACEA-Chefin Sigrid de Vries erwähnt in einem Brief an die Kommission, den Table.Briefings eingesehen hat, dass Kommissions-Vize Stéphane Séjourné noch bei den Anhörungen versprochen habe, sich für die zügige Verabschiedung des Vorschlags einzusetzen. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: “Wir verstehen nicht, warum die Kommission seitdem ihre Position um 180 Grad gedreht hat.” Sie erinnert daran, dass die Co-Gesetzgeber schon recht weit waren. Das Parlament hat seine Position beschlossen, die polnische Ratspräsidentschaft hatte Verhandlungen auf Arbeitsgruppenebene angesetzt.
Auch VW macht vor dem Treffen Druck. Es sei schon “höchst ungewöhnlich, dass die Kommission einen Vorschlag in diesem Stadium zurückzieht”, sagte ein Sprecher. Über Nacht werde eine “Initiative zur Schaffung dringend benötigter fairer und transparenter Rahmenbedingungen gestoppt”, heißt es weiter. “Und das, während wir gleichzeitig in einem strategischen Dialog über die Zukunft der Automobilwirtschaft stehen.” Man darf gespannt sein, wie Virkkunen auf die Breitseiten reagiert.
Kommen Sie gut in die Woche.
Der Schock von München mit den Ansagen der US-Administration der letzten Tage wirkt nach. Zuerst sollte das Krisentreffen schon am Sonntag über die Bühne gehen, nun hat Emmanuel Macron nach hektischen Konsultationen für heute Nachmittag nach Paris eingeladen.
Der französische Präsident bringe die wichtigsten europäischen Staaten zu einer Diskussion über Europas Sicherheit und zur Situation in der Ukraine zusammen, sagte Außenminister Jean-Noel Barrot zu Radio France Inter. Die Europäer müssten sich nach der Münchner Sicherheitskonferenz rasch zum angedrohten Rückzug der USA aus Europa und zu Donald Trumps Ukraine-Friedensverhandlungen mit Wladimir Putin positionieren, so Diplomaten.
Eingeladen sind neben Bundeskanzler Olaf Scholz die Regierungschefs Polens, Spaniens , Italiens, der Niederlande, Dänemarks und Großbritanniens. Mit dabei auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa. Gefragt sei eine rasche Antwort, wie Europa schnell die Verteidigungsausgaben anheben und unabhängiger von den USA werden könne.
Angestrebt wird laut Diplomaten auch eine Positionierung zur Frage, welche Sicherheitsgarantien die Europäer anbieten könnten, um einen Platz am Verhandlungstisch zur Ukraine zu bekommen. Diskutiert werden sollen auch mögliche Zusagen für eine Friedenstruppe in der Ukraine nach einem Waffenstillstand. Ziel des Treffens sei es, Konsultationen zwischen den europäischen Staats- und Regierungschefs über die Lage in der Ukraine und Sicherheitsfragen in Europa einzuleiten, bestätigen EU-Diplomaten in Brüssel. Die Gespräche könnten dann in anderen Formaten fortgesetzt werden, mit dem Ziel, alle Partner zusammenzubringen, die an Frieden und Sicherheit in Europa interessiert seien.
Auffällig ist, dass nicht António Costa zum informellen Treffen einlädt, wie es eigentlich zu erwarten wäre. Von Seiten des EU-Ratspräsidenten wurden in den letzten Tagen Anfragen zu einem Sondergipfel nicht beantwortet. Anders als Emmanuel Macron hätte der Ratspräsident alle EU-Staaten einladen müssen, also etwa auch Ungarn und die Slowakei. Regierungschef Viktor Orbán steht sowohl Wladimir Putin als auch Donald Trump nahe und hätte eine gemeinsame Positionierung verhindert.
Die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen soll in Paris die baltischen Staaten sowie Schweden und Finnland vertreten. Die Präsenz von Premierminister Keir Starmer ist aus Sicht von Emmanuel Macron zwingend, da Großbritannien bei der Unterstützung der Ukraine eine Schlüsselrolle spielt. Allerdings sorgt der Krisengipfel im kleinen Kreis auch für Verstimmung. Er wisse nicht, was genau das Thema des Treffens in Paris sei, sagte Luxemburgs Regierungschef Luc Frieden bei der Sicherheitskonferenz in München. Eingeladen seien nur wenige Staaten, während jetzt eine gemeinsame Vision aller 27 Mitgliedstaaten nötig sei.
Zeit eilt nach Einschätzung von Diplomaten, weil Teams der USA und Russlands bereits diese Woche in Riad mit den Vorbereitungen für Friedensverhandlungen zur Ukraine beginnen könnten. Ziel des US-Präsidenten sei ein Waffenstillstand bis Ostern. Dabei gibt es die Befürchtung, dass Wladimir Putin die alte Forderung nach einer neutralen Ukraine mit reduzierter eigener Armee einbringen und sich mit Donald Trump auf Einflusssphären einigen könnte.
Finnlands Präsident Alexander Stubb warnte davor, russischen Fantasien von Einflusssphären Raum zu geben. Im Gespräch ist laut Diplomaten eine automatische Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine, sollte Russland eine Waffenstillstandsvereinbarung verletzen. Die Sicherheit der Europäischen Union und der Ukraine seien miteinander verknüpft, schrieb EU-Ratspräsident Costa auf dem Nachrichtendienst X. Glaubwürdige und erfolgreiche Verhandlungen oder ein dauerhafter Friede würden ohne die Ukraine und ohne die EU nicht möglich sein.
Dreistellige Milliardensummen, so viel war am Ende der 61. MSC klar, müssten Deutschland und die anderen großen europäischen Volkswirtschaften künftig Jahr für Jahr aufbringen, wenn es nach den Vorstellungen ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitiker beziehungsweise der Erwartungen der US-Administration ginge. Ausgaben “nördlich von drei Prozent” des Bruttoinlandsprodukts hatte bereits zuvor Nato-Generalsekretär Mark Rutte als Zielmarke genannt, um die militärischen Fähigkeiten auszubauen, die Europa zur Abwehr weiterer russischer Angriffe benötige. Auf den Bundeshaushalt bezogen, wären das mehr als 120 Milliarden Euro – fast zweieinhalb so viel wie der laufende Verteidigungsetat, mehr als ein Viertel des Gesamtetats.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deutete in München einen Weg an, wie das bewerkstelligt werden könnte, ohne die Staaten der Eurozone in heftige Verteilungskonflikte zu stürzen: Nationale Verteidigungsausgaben sollten von den Maastrichter Stabilitätskriterien ausgenommen werden, so die CDU-Politikerin am MSC-Eröffnungstag. Eine Richtung, die auch der voraussichtlich in seinen letzten Amtswochen stehende SPD-Kanzler einschlug: “Wir müssen deshalb unmittelbar nach der anstehenden Bundestagswahl die Schuldenbremse in unserem Grundgesetz reformieren, indem wir Investitionen in unsere Sicherheit und Verteidigung davon ausnehmen.”
Dass der in dieser Frage bislang merklich um Zurückhaltung bemühte Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz schon in den Koalitionsverhandlungen wird Farbe bekennen müssen, ließen Mitglieder seiner Fraktion in München offen durchblicken. Verstärkt wird der Druck auf die künftige Bundesregierung durch den außenpolitisch disruptiven Kurs von US-Präsident Donald Trumps. Allein der Ukraine-Fragebogen aus Washington, der die europäischen Nato-Mitglieder vergangene Woche erreichte, macht möglicherweise alle bisherigen Finanz- und Verteidigungsplanungen obsolet.
Unmittelbar vor einem Treffen von US-Außenminister Marco Rubio, dem nationalen Sicherheitsberater Mike Walz und Trumps Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff mit ihren russischen Counterparts in Saudi-Arabien kommende Woche fragte das Weiße Haus laut dpa ab: Wie viele Soldaten könnten Deutschland und andere Alliierte im Rahmen von Friedenstruppen nach einem Friedensdeal in die Ukraine schicken? Wie viele Soldaten könnte Deutschland nach einem Ende des Ukraine-Kriegs für Ausbildungsprogramme in die Ukraine schicken? Welche Waffensysteme könnte Deutschland zur Verfügung stellen? Inwieweit die Antworten aus Europa Trump zufrieden stellen werden, war am Ende der 61. MSC völlig offen.
Handelskommissar Maroš Šefčovič reist am Montag nach Washington. Er wird sich mit Wirtschaftsminister Howard Lutnick, dem Handelsrepräsentanten Jamieson Greer und Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett treffen. Die Aufgabe des EU-Handelskommissars könnte kaum anspruchsvoller sein, denn die am vergangenen Donnerstag von US-Präsident Trump angekündigten Zölle stellen die EU vor große Herausforderungen. Die reziproken Zölle greifen das “Most-Favoured-Nation-Prinzip” (MFN) der WTO an. Zudem droht die USA durch Trumps Fokus auf nationale Handelsdefizite und Mehrwertsteuern, eine Ungleichbehandlung zwischen EU-Staaten einzuführen. Der Kommission steht das Anti-Coercion Instrument (ACI) zur Verfügung, um sich gegen den Versuch von Zwangsmaßnahmen zu wehren.
Trump hat die Berichte, die zur Bestimmung der reziproken Zölle gedacht sind, auf Anfang April bestellt. Die Kommission gelobt, schnell auf Zölle zu reagieren. “Die EU wird entschlossen und umgehend gegen ungerechtfertigte Hürden für freien und fairen Handel reagieren, auch wenn Zölle verwendet werden, um legale und nichtdiskriminierende Maßnahmen infrage zu stellen”, sagte die Kommission in einer Stellungnahme am Freitag. Mit welchen Instrumenten sie reagieren wird, lässt sie offen.
Mit den reziproken Zöllen greift Trump das MFN-Prinzip der WTO frontal an. MFN besagt, dass ein Staat oder ein Staatenbund bei der Erhebung von Zöllen alle Handelspartner gleich behandeln muss, sofern nicht durch ein Freihandelsabkommen etwas anderes ausgemacht ist. Die USA würden mit den reziproken Zöllen nicht nur selbst gegen MFN verstoßen, sie würden es auch allen anderen Staaten schwerer machen, MFN einzuhalten.
Die EU könnte es in der Autobranche treffen, weil sie Autos mit einem höheren Zollsatz (10 Prozent) als die USA (2,5 Prozent) verzollt. Wenn die EU zum Beispiel reziproke Zölle auf Autos verhindern wollen würde, indem sie den Zoll für US-Autos senkt, müsste sie dies theoretisch auch für alle anderen Handelspartner tun. Laut Berichten der “Financial Times” ist die Kommission bereit, die Autozölle zu senken.
Für die EU ist aber nicht zwingend dieser direkte Effekt der reziproken Zölle am gefährlichsten – sie hat in den meisten Sektoren relativ tiefe Zollsätze und nur wenig Unterschiede zu den Zollsätzen der USA. Länder mit höheren Zollsätzen wie Indien und China werden unter stärkerem Druck stehen. Sie dürften versuchen, ihre Exporte umzuleiten, was zu Verdrängung im europäischen Markt und in anderen Exportmärkten führen könnte.
Trump nannte am Donnerstag noch weitere Faktoren für die Bestimmung der Zölle, unter anderem die Mehrwertsteuer in Europa, das US-Handelsdefizit sowie unliebsame Regulierungen. “Das Argument, dass die Mehrwertsteuer zu einem Handelsungleichgewicht führen würde, ist kompletter Nonsens”, sagt Niclas Poitiers, Handelsexperte beim Brüsseler Think Tank Bruegel.
Der Mehrwertsteuersatz variiert zwischen den Mitgliedstaaten zwischen 17 Prozent in Luxemburg und 27 Prozent in Ungarn. Auch die Handelsbilanzen mit den USA variieren je nach Mitgliedstaat stark (siehe Grafik unten). Die Gefahr besteht, dass die USA die Zölle nicht gegen die EU als Handelsblock erheben, sondern Mitgliedstaaten unterschiedlich behandeln. “Ich denke, der Fakt, dass Trump individuelle Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Zöllen belegen könnte, sollte ernster genommen werden”, sagt Sam Lowe, Handelsexperte und Partner der Beratungsfirma Flint Global.
Im Handelsstreit zwischen Airbus und Boeing hatten die USA 2020 schon einmal Zölle gegen Produkte aus Deutschland und Frankreich erhoben. Wenn die USA dies nun viel breitflächiger anwenden wollen, hätte dies wohl einen verzerrenden Effekt auf den Binnenmarkt.
Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses des Parlaments bezweifelt, dass die USA angesichts der integrierten europäischen Lieferketten überhaupt identifizieren kann, aus welchem EU-Land ein Produkt ist. Dennoch warnt er vor amerikanischen Spaltversuchen. “Ich würde das nicht als wirtschaftspolitische Überlegung sehen, sondern als ein Versuch, die Europäische Union zu spalten“, sagte er Table.Briefings.
Bisher hat die EU angesichts der US-Drohungen Einigkeit gezeigt. Mit konkreten Zollandrohungen hielt sich die EU zurück, anders als Kanada und Mexiko. Ihre Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt, unter anderem weil sie sich weiterhin an WTO-Recht halten will.
Durch Trumps Fokus auf unliebsame Regulierungen und Steuern in der EU könnte aber das ACI zum ersten Mal zur Anwendung kommen. Gemäß Bruegels Handelsexperte Niclas Poitiers sind Trumps Klagen gegen die Mehrwertsteuern als Vorwand zu sehen, die US-Zölle weiter anzuheben, um “Staaten zu zwingen, Regulierungen abzuschaffen, die gegen die Interessen einiger weniger großer US-Firmen gehen”. Damit griffen die USA einen Kernbestandteil der Souveränität der EU und ihrer Mitgliedstaaten an, so Poitiers.
Mit dem ACI könnte die EU unter anderem Import- und Exportrestriktionen einführen, amerikanische Firmen und Produkte in der öffentlichen Vergabe benachteiligen oder den Schutz geistigen Eigentums einschränken. Auch wenn der ACI-Prozess schneller geht als ein WTO-Prozess: Die ACI-Verordnung verlangt mehrere Konsultationsschritte zwischen Kommission, Rat und dem betroffenen Drittstaat, was in der Praxis mehrere Monate dauern wird.
Kommissionsvize Teresa Ribera will Beihilfen für klimafreundliche Investitionen bis Ende 2030 nach einem vereinfachten Verfahren genehmigen und kommt damit auch einer Forderung der scheidenden Bundesregierung nach. Entsprechende Regelungen aus dem bis Ende des Jahres befristeten Krisenrahmen TCTF sollen dafür verlängert werden. Das geht aus einem Entwurf hervor, den Contexte veröffentlicht hat. Das neue Kürzel für den Beihilferahmen lautet nun CISAF, kurz für Clean Industry State Aid Framework.
Vorstellen will Ribera es am 26. Februar mit dem Clean Industrial Deal. Laut Contexte ist der Vorschlag allerdings noch nicht mit den anderen Kommissaren abgestimmt. Die Gliederung entspricht den Kapiteln 2.5, 2.6 und 2.8 aus dem TCTF:
Neu sind Regeln für nichtfossile Flexibilitäten und Kapazitätsmechanismen. Unter De-Risking werden Beihilfen in Formen wie Beteiligungen und Garantien zusammengefasst, die größtenteils schon im früheren Rahmen enthalten waren.
Mit nichtfossilen Flexibilitäten sind vor allem Batterien und eine Verlagerung des Verbrauchs gemeint. Für Unmut in Deutschland sorgen könnten zwei Bedingungen in dem Entwurf. Wenn der Bund steuern möchte, wo Batterien gebaut werden, dann sollen die Mehrkosten von den Stromverbrauchern in der jeweiligen Region getragen werden. Und die Kosten für Flexibilitätstechnologien sollen ausdrücklich auch jene Verbraucher mitfinanzieren, die den Flexibilitätsbedarf verursachen. Die Bundesregierung dagegen will Unternehmen verschonen, die ihren Verbrauch nicht flexibilisieren können.
Ein Anhang des Entwurfs enthält auch Regelungen zur leichteren beihilferechtlichen Genehmigung von Kapazitätsmechanismen. Deutschland ist darauf angewiesen, um Gas- und Wasserstoffkraftwerke als Back-up für Dunkelflauten zu bauen. Das bisherige Modell der Ampel scheint mit den Vorstellungen aus Brüssel allerdings schwer vereinbar. Das BMWK unter Führung von Robert Habeck hatte sich nach einer langen Konsultation für eine Kombination aus zentralen und dezentralen Elementen ausgesprochen.
Der erste Vorschlag von Ribera enthält jedoch nur zwei Modelle: eine Strategische Reserve und einen marktweiten Kapazitätsmechanismus. Strategische Reserven sind für Notfälle konzipiert und dürfen in normalen Zeiten nicht am Strommarkt teilnehmen. Bei den Kraftwerksbetreibern sind sie deshalb unbeliebt.
Der Vorschlag für einen marktweiten Kapazitätsmechanismus aber entspreche einem zentralen Modell, heißt es in dem Entwurf. Dieses müsste 21 der insgesamt 27 Kriterien genügen: “Sollten einige dieser Anforderungen nicht erfüllt werden, wäre eine Genehmigung gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen für Klima, Umweltschutz und Energie (KUEBLL) nötig.”
Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Berlin sein Modell in einem langwierigen Verfahren genehmigen lassen müsste und sich der Bau der Reservekraftwerke weiter hinzieht. Auch sonst sind die Kriterien eher eine Konkretisierung der Strombinnenmarktverordnung als eine Deregulierung und echte Beschleunigung.
Bei der Dekarbonisierung der Industrie will Ribera Erdgas eine etwas größere Rolle zugestehen. Anlagen zur Erzeugung von Prozesswärme auf Basis von Erdgas sollen ausnahmsweise unter den neuen Beihilferahmen fallen, wenn die Emissionen um mindestens 60 Prozent sinken.
Geringfügige Erleichterungen soll es auch für kohlenstoffarmen Wasserstoff geben – also blauen und roten aus Erdgas oder Kernenergie. Förderfähig ist die Nutzung dann, wenn er grünem Wasserstoff beigemischt wird. Allerdings muss der erneuerbare immer noch den Löwenanteil ausmachen – entweder 90 Prozent oder, falls niedriger, dem Anteil von erneuerbaren Energien im nationalen Strommix plus 25 Prozentpunkten. In Deutschland würden also derzeit noch etwa 80 Prozent grüner Wasserstoff ausreichen. Auf heftigen Widerstand dürfte diese Bestimmung beim französischen Kommissar Stéphane Séjourné treffen.
Europa verliere den Anschluss beim Wettkampf im Weltraum, warnte der litauische EU-Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt, Andrius Kubilius, bei der Space-Night des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) am Freitagabend bei der Münchner Sicherheitskonferenz. China beispielsweise entwickle derzeit Erdbeobachtungssysteme, die weit produktiver seien als die europäischen Systeme.
Der russische Angriffskrieg zeige aber, dass Weltraumkapazitäten “entscheidend” seien in modernen Kriegen. Kubilius will bei den Verhandlungen zum nächsten langfristigen EU-Haushaltsplan (2028-34), im Sommer 2025 mehr Mittel für die Raumfahrt erhalten. “Das ist die Stunde Europas”, sagte er auch mit Blick auf die schwierigen Beziehungen zu den USA unter der neuen US-Administration.
Ähnlich äußerte sich der Chef der Europäischen Weltraumorganisation Esa, Josef Aschbacher. Er betonte, dass seine Organisation künftig auch vermehrt im Bereich Verteidigung aktiv sein könnte, wenn die Mitgliedsstaaten die entsprechenden Aufträge erteilen. Schon jetzt arbeite man an Programmen, die auch im Bereich Verteidigung genutzt werden können, wie das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus. “Wir können auch im Bereich Sicherheit und Verteidigung liefern”, so der Chef der Wissenschaftsorganisation, die sich der Arbeit für “friedliche Zwecke” verschrieben hat. Derzeit werden nur um die 15 Prozent der europäischen Verteidigungsausgaben in die Raumfahrt investiert, in den USA sind es um die 65 Prozent.
Die deutsche Industrie läutet auch mit Blick auf die Signale aus Washington die Alarmglocken. “Wir erleben auf der MSC den rauen Wind verschärfter internationaler Konkurrenz”, sagte die Cheflobbyistin der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI), Marie-Christine von Hahn, zu Table.Briefings. Die europäische Raumfahrtindustrie hatte zuletzt geringere Umsätze erwirtschaftet. Während die USA im Jahr 2024 auf 144 und China auf 68 Raketenstarts kam, kam Europa nur auf drei. “Jetzt geht es um Deutschlands Selbstbehauptung, gemeinsam in Europa”, mahnte von Hahn an. wp
Das Omnibusgesetz zum Bürokratieabbau im Nachhaltigkeitssektor soll nach dem Willen der rot-grünen Bundesregierung nicht zu einer Rücknahme politischer Ziele führen. Das geplante Gesetz werde “begrüßt, sofern die Ziele des Green Deal und die bestehenden Schutzstandards gewahrt bleiben“, schreibt die Bundesregierung in einem sechsseitigen Non-Paper zum Clean Industrial Deal.
Um die Industrie in der Transformation zu unterstützen, sollen Leitmärkte für grüne Produkte laut Bundesregierung in Abstimmung mit dem Klimaclub entwickelt werden, den Bundeskanzler Olaf Scholz initiiert hatte. Ihm gehören bislang auch die USA an. Der Schutz vor Produktionsverlagerungen solle nicht nur durch den Grenzausgleichmechanismus CBAM erfolgen, sondern auch durch andere Politikinstrumente wie Produktstandards.
Im Digitalbereich fordert die Bundesregierung unter anderem eine größere Zahl von IPCEIS für Künstliche Intelligenz und Infrastruktur für Edge-Computing. Der Clean Industrial Deal müsse zudem von Angeboten für neue Handelsabkommen begleitet werden. Neue Absatzmärkte brauche es etwa in Südamerika und im Indo-Pazifik. ber
Der Aktionsplan der Kommission zu erschwinglichen Energiepreisen sollte nach Ansicht der Grünen im Parlament Leitlinien zum Teilen von Energie enthalten. “Sharing ist ein Enabler von Flexibilität und kann die Strompreise senken”, sagt der klima- und energiepolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss. Wenn lokal viel Windstrom eingespeist werde, müsse es einfacher werden, den Strom regional zu teilen.
Wenn jeder Verteilnetzbetreiber eigene Bilanzierungsprotokolle festlege, sei dies sehr ineffizient. “In manchen EU-Ländern ist das Bilanzkreismanagement für das Energy Sharing einfacher als in anderen. Wir könnten voneinander lernen”, sagte Bloss. Weitere Leitlinien könne die Kommission zur Auslegung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bei intelligenten Stromzählern veröffentlichen. Dies würde den Roll-out von Smart Metern vereinfachen und die Flexibilität im Stromsystem ebenfalls voranbringen. ber
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot will “in den nächsten Wochen” nach China reisen, um eine Einigung über Pekings Zusatzzölle auf französischen Branntwein zu erzielen. Seine Reise nach China, werde dazu beitragen, “schwierige Fragen voranzubringen, insbesondere in Bezug auf Cognac und Armagnac”, sagte Barrot Euractiv am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag. Barrot hatte sich zuvor mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi getroffen.
Cognac und Armagnac sowie andere Weinbrände unterliegen seit Oktober chinesischen Anti-Dumpingzöllen. Chinas Duty-Free-Anbieter sollen zudem französische Cognac-Produkte von Herstellern wie Martell, Hennessy und Rémy Cointreau aus dem Sortiment genommen haben. Bloomberg berichtete zudem, dass die drei größten Cognac-Hersteller – Pernod Ricard SA, Rémy Cointreau SA und Hennessy von LVMH – seit Anfang Dezember nicht mehr in der Lage waren, ihre Duty-Free-Shops in China wieder voll aufzufüllen.
Alexandre Ricard, CEO von Pernod Ricard, sagte dem Bericht zufolge, dass es seit Dezember eine “technische Aussetzung” der Duty-Free-Regelung gegeben habe, nannte jedoch keine weiteren Einzelheiten. Pernod Ricard, dem Martell gehört, hat seine Gewinnprognose gesenkt und einen Rückgang der weltweiten Reiseeinzelhandelsumsätze um neun Prozent als einen Grund genannt, der größtenteils auf China zurückzuführen sei. ari