heute kommt er endlich, der Draghi-Report. Der ehemalige EZB-Präsident und italienische Ministerpräsident hat aufgeschrieben, was die Probleme des EU-Binnenmarkts sind und unter welchen Bedingungen er eine Zukunft hat. Draghi hat den Bericht im Auftrag der Kommissionspräsidentin erarbeitet. Seine Diagnose ist eindeutig: Europa verliert gerade in den Bereichen, wo künftig am meisten Geld verdient werden kann, massiv an Wettbewerbsfähigkeit. Vor den EU-Botschaftern und bei den Fraktionschefs im Europäischen Parlament hat er deutliche Worte gefunden, um seinen Empfehlungen Nachdruck zu verleihen: “Wenn wir nicht konkurrenzfähig werden, geht die EU unter.” Heute Mittag wissen wir, welche Rezepte Draghi zur Gesundung Europas vorschlägt. Sein Rat dürfte die Binnenmarkt-Agenda bis 2029 bestimmen.
Am Mittwoch will von der Leyen die Fraktionschefs unterrichten, wer die Bewerber sind für die 26 Posten in ihrer zweiten Kommission und welche Portfolios diese bekommen sollen. Auch die Struktur der Kommission, etwa ob es wieder leitende Vize-Präsidenten geben soll, wird man dann erfahren. Zäh kämpft von der Leyen unterdessen immer noch dafür, dass Frauen in ihrer Kommission möglichst den Anteil der Jobs bekommen, der ihnen zusteht. Jetzt machte etwa Tomaž Vesel einen Rückzieher – den Richter hatte Slowenien für ihre Kommission nominiert. Noch ist nicht bestätigt, dass Slowenien stattdessen eine Frau vorschlägt, weil etwa ein gewichtigeres Portfolio im Berlaymont in Aussicht gestellt wurde. Wenn es so kommt, wäre Geschlechterparität zwar noch nicht erreicht, aber elf von 27 Kommissionsmitgliedern wären dann weiblich. Am Anfang ihrer Bemühungen sollen es gerade einmal vier Frauen gewesen sein. Ich wünsche einen guten Start in diese spannende EU-Woche!
Der Spendenaufruf auf der Website von der selbst ernannten Recht- und Gerechtigkeitspartei (PiS) von Jarosław Kaczyński klingt bedrohlich. “Heute brauchen wir mehr denn je Ihre Hilfe! Die Koalition vom 13. Dezember (Red. PiS-Bezeichnung für die Regierung unter Führung von Donald Tusk) wird alles tun, um die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Polen zu zerstören. Nur mit Ihrer Hilfe werden wir weiter für ein würdiges, souveränes und gesetzestreues Polen kämpfen können. Unterstützen Sie unsere Arbeit.”
Vor wenigen Tagen hat die staatliche Wahlkommission der rechtspopulistischen PiS Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkampffinanzierung 2023 in Höhe von 3,6 Mio. Zloty (850.000 Euro) vorgeworfen. Die Partei wird verpflichtet, das Geld samt Strafen zurückzuzahlen und könnte womöglich bis zum Ende der Legislaturperiode 2027 keine staatlichen Zuschüsse mehr erhalten. Kaczynski will die Entscheidung vor dem Obersten Gericht anfechten, das von PiS-Richtern kontrolliert wird.
Um den Bankrott der Partei zu verhindern, appelliert der Oppositionschef an seine treuen Wähler und bittet auch PiS-Parlamentarier zu Kasse. Wer für die PiS in Sejm oder Senat sitzt, muss nun monatlich 1000 Zloty (235 Euro) überweisen, ein PiS-Abgeordneter in Straßburg – 5000 Zloty (1170 Euro). In wenigen Tagen haben die PiS-Anhänger über 700.000 Euro gespendet.
Zum ersten Mal seit der Amtseinführung von Ministerpräsident Donald Tusk vor acht Monaten ist es der Regierung gelungen, der PiS massive Rechtsverstöße nachzuweisen, und sie auch zu Rechenschaft zu ziehen. Im Herbst sollen weitere milliardenschwere PiS-Affären vor Gericht landen, verspricht der Ministerpräsident. 62 Personen sollen auf der Anklagebank landen, 149 Hinweise auf weitere mögliche Straftaten wurden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die Finanzverwaltung überprüft insgesamt 90 Staatsfonds, Agenturen und Behörden, die das Geld der Steuerzahler an PiS-Profiteure rechtswidrig weitergeleitet haben sollen. Es gehe um einen Gesamtschaden von bis zu 23 Milliarden Euro, sagt Tusk.
Von Erfolgen dieser Aufarbeitung hängt die Zukunft der Regierung ab. Denn bisher tut sich die demokratische Koalition schwer, die vielen Wahlversprechen zu erfüllen. Vor der Sommerpause ist sie mit dem Vorstoß gescheitert, das nahezu komplette Abtreibungsverbot zu lockern – an Gegenstimmen aus der eigenen Koalition. Vor allem tut sie sich bei der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit schwer. Es wird jeder Reformversuch von Präsident Andrzej Duda blockiert, einem treuen PiS-Diener. Auch das Verfassungsgericht und der Nationale Justizrat werden weiter von den Rechtspopulisten kontrolliert.
Trotz solchen Niederlagen rüttelt niemand am Sessel des Ministerpräsidenten. In der Koalition hört man zwar manchmal Klagen, dass Tusk zu viele Entscheidungen allein trifft. Doch jeder weiß, dass es zu ihm gegenwärtig keine Alternative gibt. Das große Ziel des Ministerpräsidenten sind die Präsidentschaftswahlen im kommenden Sommer, die ein Kandidat der Bürgerkoalition gewinnen muss, damit die Reform-Blockade der PiS aufgehoben werden kann. Der Kampf um das Amt dürfte heftig werden, schließlich geht es für Kaczynski um das politische Überleben.
Um seine Wähler nicht zu vergraulen, schreckt Tusk von einer strikten Finanzpolitik zurück, für die er früher bekannt war. Im laufenden Jahr wird das Haushaltsdefizit 5,1 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) betragen und 2025 sogar auf 7,3 Prozent steigen. Warschau will 187 Milliarden Zloty (44 Milliarden Euro) für Verteidigung ausgeben, etwa 4,7 Prozent des BIP. Rund 220 Milliarden Zloty (47 Milliarden Euro) sollen in das Gesundheit-System fließen. Das sind 16 Prozent mehr als 2024. Brüssel hat im Juni ein Defizitverfahren gegen Polen eingeleitet. Die einzige gute Nachricht: Polens Gesamtverschuldung ist mit knapp über 50 Prozent des BIP noch recht niedrig (Deutschland kommt auf 65 Prozent).
Tusk profitiert von einer recht guten Wirtschaftsentwicklung. Das BIP soll in diesem Jahr um drei Prozent wachsen, in 2025 sogar um vier Prozent. Leider geht die Zahl der neu gegründeten Firmen zurück, denn die Arbeitskosten nehmen rapide zu. In diesem Jahr steigen die polnischen Durchschnittslöhne um 13,6 Prozent, viel schneller als die Inflation. Ausländische Investoren warnen, dass Polen einen seiner größten Standortvorteile verlieren könnte. Schon jetzt liegt der Durchschnittslohn jenseits der Oder bei knapp 2000 Euro.
Während Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron mit einer starken, europafeindlichen Opposition kämpfen, kann Tusk in Polen auf viel Unterstützung zählen. In seiner Rede zum 85. Jahrestag des Kriegsausbruchs äußerte er ganz klar Polens proeuropäische Position: “Wir können es uns nicht leisten, isoliert zu sein, wir müssen gemeinsam handeln, sowohl innerhalb der NATO als auch in einem geeinten Europa”, sagte der Premierminister.
Am 15. September treten in China Ausfuhrkontrollen für das Metall Antimon in Kraft, das für Autobatterien und Solaranlagen, aber auch für Waffen und militärische Ausrüstung wie Munition und Nachtsichtgeräte benötigt wird. Es ist nach Gallium, Germanium und hochreinem Grafit das vierte Metall, für das Peking die Ausfuhren staatlich reguliert. Und so ist es kein Wunder, dass der Westen sich wegen der Abhängigkeiten von China bei kritischen Mineralien zunehmend sorgt. Das Land ist die weltweit wichtigste Quelle für zahlreiche wichtige Mineralien oder aus ihnen verarbeiteten Produkten.
Die Zielländer verstärken zwar ihre Bemühungen, die Beschaffung kritischer Mineralien zu diversifizieren. Das EU-Gesetz über kritische Rohstoffe (EU Critical Raw Materials Act ) etwa legt für 2030 einen Maximalanteil von 65 Prozent fest, die vom Bedarf jedes kritischen Rohstoffs aus einem einzigen Land bezogen werden darf. Doch die Umstellung benötigt vielleicht mehr Zeit, als es das Gesetz vorsieht.
Das Argument Pekings lautet stets, dass die Kontrollen dem Schutz der “nationalen Sicherheit” dienten. Viele Experten sehen sie eher als Reaktion auf Ausfuhrbeschränkungen der USA oder Untersuchungen und Ausgleichszölle wie jene der EU zu E-Autos.
Im Dezember verbot Peking zudem den Export von Technologien zur Herstellung sogenannter Dauermagneten aus Seltenen Erden, die für E-Autos, Turbinen und Elektronik gebraucht werden. Das gilt als Warnschuss, dass auch die Seltenen Erden selbst ins Visier geraten könnten.
“Von seinem kleinen Arsenal möglicher Vergeltungsmaßnahmen ist die Verhängung von Ausfuhrbeschränkungen für kritische Mineralien die praktischste Option“, meint Cory Combs, Associate Director Climate-Energy-Industrial Policy der Beratungsagentur Trivium China. Denn China habe durch seinen Mineralien-Reichtum “Einfluss auf eine Vielzahl nachgelagerter Verbraucher.” Combs erwartete schon im Frühjahr neue Kontrollen für 2024. “Die große Frage ist, welche Mineralienausfuhr China als Nächstes ins Visier nehmen wird”, schrieb er. Peking gab inzwischen die Antwort: Antimon.
Das Metall gehörte zu jenen neun Mineralien, für das Combs und sein Team Kontrollen vorhergesagt hatten, nachdem sie, basierend auf Chinas strategischen Interessen, die Wahrscheinlichkeit solcher Kontrollen für 73 kritische Rohstoffe nach einem Punktesystem untersucht hatten. Peking werde für Exportkontrollen Mineralien auswählen, die diese Kriterien erfüllen:
Vermeiden werde Peking dagegen Kontrollen
Das Punktesystem berücksichtigte all diese Aspekte. Neben Antimon landeten dadurch folgende acht Mineralien in der Trivium-Liste für Mineralien, die von Exportkontrollen betroffen sein könnten:
Alle diese Mineralien werden laut Trivium in den USA, der EU und Japan als “kritische Mineralien” geführt – bis auf Wismut, das in Japan nicht auf der Liste stehe. Bei den bereits unter Ausfuhrkontrollen stehenden Mineralien sind die Abhängigkeiten ähnlich groß: Chinas Anteil an der weltweiten Grafitproduktion liegt bei 78 Prozent. Bei der Antimon-Förderung sind es immerhin 48 Prozent.
Ob es zu den von Combs befürchteten Kontrollen wirklich kommt, ist offen. Bislang sind die Regeln für den Export von Grafit, Gallium und Germanium vor allem eine Drohung, die der Abschreckung dient. Tatsächlich hat China noch keine Ausfuhren dieser Metalle unterbunden.
Trotzdem hatten die Ankündigungen Folgen für den Handel. Laut Bloomberg stiegen die Überseeverkäufe von Gallium, Germanium und Grafit jeweils in dem Monat vor Beginn der Ausfuhrkontrollen sprunghaft an, da sich die Käufer mit Vorräten eindeckten – worauf ein steiler Rückgang und dann eine Erholung folgten. Das Gleiche könnte nun bei Antimon passieren.
Während Gallium sich weitgehend erholt habe, hinken Germanium und Grafit nach dem Bloomberg-Bericht etwas hinterher – was unter anderem damit zu tun habe, dass Käufer bereits dabei sind, ihre Quellen zu diversifizieren. So vereinbarten die EU und die USA mit der Demokratischen Republik Kongo im April die Lieferung von Germanium.
Chinas Ausfuhren von Naturgrafit lagen in den ersten sieben Monaten 2024 um 17 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum, was laut Xu Peng von Bloomberg NEF sowohl auf einen Anstieg des Grafit-Bergbaus im Ausland, als auch auf die nachlassende Nachfrage nach E-Autos zurückzuführen sei. Die Lage ist also komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint.
Die Anhörungen aller Bewerber für die neue Kommission könnten innerhalb einer einzigen Woche stattfinden. Dies geht aus einem Entwurf des Zeitplans für die Anhörungen in den Ausschüssen des Parlaments hervor, der Table.Briefings vorliegt und den die Fraktionschefs am 19. September beschließen könnten. Jeweils zwei Anhörungen finden parallel statt.
Geplant ist, die Anhörungen in der Fraktionswoche vom 14. bis 18. Oktober durchzuziehen. Montag sollen je zwei Bewerber am Nachmittag und am Abend angehört werden. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag sind je sechs Anhörungen geplant. Am Freitag sind morgens und nachmittags je zwei Gespräche vorgesehen. Sollten alle Kandidaten durchkommen, könnte bereits am 24. Oktober das Europaparlament über die neue Kommission abstimmen. Damit wird allerdings nicht gerechnet. Wie zu hören ist, sollen diesmal die Fraktionen jeweils ein Zeitkonto für mündliche Fragen haben, die sie sich frei einteilen können. 2019 durften die Fraktionen 25 mündliche Fragen stellen. Die Anhörungen sollen mit einem 15-minütigen Statement des Bewerbers beginnen, danach folgen die Fragen. Es sind drei bis vier Stunden je Gespräch angesetzt. mgr
Am Freitag veröffentlichte die Europäische Kommission einen Bericht über das Fusionskontrollgesetz von 2023 und die Erfahrungen, die in den vergangenen zwanzig Jahren damit gemacht wurden. Obwohl die Kommission die Regulierung insgesamt positiv bewertet, identifiziert sie unter anderem folgende Probleme in Wettbewerbsverfahren:
Insgesamt verlangsamen diese Probleme das Wettbewerbsfahren, sagt das Generaldirektorat für Wettbewerb (DG COMP), das für den Kommissionsbericht verantwortlich ist. DG COMP argumentiert, dass es die Wettbewerbsverfahren mit mehr Durchsetzungs- und Bestrafungskompetenzen schneller und effizienter durchführen könnte.
Der Bericht ist auch als Vorbereitung für das neue Kommissionsmandat zu sehen. Aktuell wird aus verschiedenen politischen Richtungen eine Reform der Fusionskontrollverordnung gefordert. Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs setzen sich für eine Lockerung der Wettbewerbsbestimmungen ein, um “Europäische Champions” zu ermöglichen. Andere Mitgliedstaaten sehen das kritisch, da sie negative Konsequenzen für europäische Konsumenten befürchten.
Die Diskussion um eine Reform der Fusionskontrollverordnung wurde in der vergangenen Woche auch durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) angeheizt. Der EUGH hatte das Vorgehen der Kommission im Falle von “Killerakquisitionen” für rechtswidrig erklärt. Einflussreiche Europaabgeordnete wie René Repasi (SPD) und Stéphanie Yon-Courtin (Renew) forderten in der Folge eine Reform der Verordnung.
In ihrer Rede in Florenz äußerte sich auch die scheidende Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zu den Killerakquisitionen. Um dem Problem beizukommen, müsse man nun entweder die Verordnung reformieren oder auf Anpassungen in den Mitgliedstaaten hoffen. jaa
Wegen sinkender Nachfrage bei Elektrofahrzeugen drohen laut Renault-Chef Luca de Meo der europäischen Autoindustrie Milliardenstrafen. “Wenn die Elektrofahrzeuge auf dem heutigen Niveau bleiben, muss die europäische Industrie möglicherweise 15 Milliarden Euro an Strafen zahlen oder die Produktion von mehr als 2,5 Millionen Fahrzeugen aufgeben”, sagte de Meo. Die Autohersteller sehen sich ab 2025 mit strengeren CO₂-Zielen konfrontiert, da die Obergrenze für die durchschnittlichen Emissionen von Neuwagenverkäufen von 116 Gramm pro Kilometer im Jahr 2024 auf 94 Gramm pro Kilometer sinkt.
“Das Tempo der Umstellung auf Elektrofahrzeuge ist nur halb so hoch wie das, was wir bräuchten, um die Ziele zu erreichen, die es uns erlauben würden, keine Geldstrafen zu zahlen”, sagte de Meo, der auch Präsident des Europäischen Automobilherstellerverbandes (ACEA) ist, über den Sektor. Die Überschreitung der CO₂-Grenzwerte kann zu Geldstrafen in Höhe von 95 Euro pro überschrittenem CO₂-Gramm pro Kilometer multipliziert mit der Anzahl der verkauften Fahrzeuge führen. Das könnte für große Automobilhersteller Strafen von Hunderten von Millionen Euro zur Folge haben. “Alle reden von 2035, also in zehn Jahren, aber wir sollten über 2025 reden, weil wir schon jetzt Probleme haben”, sagte er. “Wir müssen ein wenig Flexibilität bekommen. Es ist sehr, sehr gefährlich, Fristen und Bußgelder festzulegen, ohne die Möglichkeit zu haben, dies flexibler zu gestalten.” rtr
Die Niederlande weiten die Exportkontrollen für Maschinen zur Chipherstellung aus. Wie die Regierung in Den Haag am Freitag mitteilte, wird sie die Anforderungen für die Erteilung von Exportlizenzen für Tauchlithografie-Anlagen des Weltmarktführers ASML verschärfen. Damit werden die Niederlande ihre Regeln an die Exportbeschränkungen der USA für diese Anlagen anpassen. Konkret geht es um die ASML-Modelle 1970i und 1980i DUV (Deep Ultraviolet).
Aus Peking kam am Sonntag harsche Kritik. China lehne es ab, dass die USA andere Länder zur Verschärfung von Exportkontrollen für Halbleiter und verwandte Geräte zwingen, teilte das Handelsministerium mit. Die niederländische Seite forderte das Ministerium auf, die Exportkontrollen nicht zu missbrauchen, sowie Maßnahmen vermeiden, die der chinesisch-niederländischen Zusammenarbeit bei Halbleitern schaden. Den Haag solle die “gemeinsamen Interessen chinesischer und niederländischer Unternehmen” schützen. Auch ASML-Chef Christophe Fouquet hat im Juli ein Ende der Sanktionen gegen China gefordert. Die Volksrepublik produziere Chips, die im Westen dringend benötigt würden, sagte er damals dem Handelsblatt.
Die US-Lobbyarbeit hindert ASML, den weltgrößten Anbieter von Chipherstellungsanlagen, effektiv daran, seine modernsten Lithografie-Systeme nach China zu exportieren. Stattdessen kauft die Volksrepublik derzeit in großem Stil anderswo Herstellungsausrüstung ein, wo dies derzeit noch erlaubt ist. So gab das Land im ersten Halbjahr 2024 mehr für den Einkauf von Chip-Maschinen aus als Südkorea, Taiwan und die USA zusammen. rtr/ck
In der belgischen Stadt Lüttich wurde im März der Grundstein für eine zentrale neue Aufgabe der europäischen Sozialpolitik gelegt. Die Handelsminister und hohe Beamte aus 19 europäischen Ländern unterzeichneten dort die “Erklärung von Lüttich zur Zugänglichkeit von Wohnraum in der EU”. Kommissionspräsidentin von der Leyen hat in ihrer Bewerbungsrede ein Engagement der EU-Kommission zugesagt. Die wiedergewählte Kommissionspräsidentin wird in diesen Tagen die Aufgabenbereiche des 27-köpfigen Kollegiums vorstellen.
Um eine pro-europäische Mehrheit für ihr neues Team zu erreichen, braucht Ursula von der Leyen die Stimmen der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. Zentrale Forderung der Sozialdemokratie ist, dass Wohnen zu den Prioritäten der nächsten fünf Jahre gehören muss.
Denn die Probleme in der EU sind mannigfaltig. Wo die Mieter-Nation Deutschland unter hohen Belastungen ächzt, leiden Hausbesitzer in Osteuropa besonders unter gestiegenen Energiekosten und Niederländerinnen und Niederländer unter permanent steigenden Kaufpreisen von Immobilien. In Barcelona sind Proteste gegen Kurzzeitvermietungen in eine ablehnende Haltung gegen Touristen übergegangen. Eurostat-Zahlen belegen, dass im Jahr 2022 9,6 Millionen Vollzeitbeschäftigte im Alter von 25 bis 34 Jahren noch zu Hause bei ihren Eltern lebten, was einem Fünftel aller Menschen in diesem Alter in der EU entspricht. Die EU wird zwar weder Mieten und Hypotheken bezahlen, noch Wohnraum schaffen können – aber ein Handeln auf europäischer Ebene ist unabdingbar, um den Rahmen für die Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten auszudehnen.
Folgende drei Pfeiler sollten die Arbeit eines Wohnressorts in der Kommission leiten. Erstens: Ein Programm des Europäischen Sozialfonds (ESF) könnte nationale Wohnbauprojekte kofinanzieren. Sinnvoll wäre hierfür eine bessere Koordinierung zwischen der EU-Politik und den Maßnahmen der Mitgliedstaaten sowie der Kommunen und Städte. In Europa findet man unterschiedliche Systeme zur Wohnraumförderung, welche eine EU-Förderung berücksichtigen müsse. Für den Erfolg solcher EU-Förderprogramme ist es notwendig, dass die Mitgliedstaaten EU-kofinanzierte Projekte bei der Berechnung ihrer Schuldenquote außer Acht lassen. Eine der Neuerungen der reformierten EU-Fiskalregeln ist gerade, Kofinanzierungsmittel von Schuldenbremsen auszunehmen. Die Anforderungen für den Zugang zu den bestehenden Förderungen bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) müssen vereinfacht werden.
Zweitens: Hürden im europäischen Wettbewerbsrecht für nationale Wohnungsraumprogramme müssen abgebaut werden. Konkret heißt dies, dass die Freistellung der Wohnungsraumförderung als sogenannte “Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse” (DAWI) ausgeweitet werden muss. Derzeit ist lediglich der soziale Wohnungsbau davon ausgenommen, der EU-Kommission als Beihilfe deklariert werden zu müssen. Die Wohnraumkrise ist jedoch so dramatisch, dass dies auf die Wohnraumförderung für Haushalte mit mittleren Einkommen ausgeweitet werden muss.
Drittens: Von der Leyens Mann oder Frau fürs Wohnen sollte mit hohem Tempo an bestehenden EU-rechtlichen Vorgaben arbeiten, damit Wohnungsbau erleichtert und bestehender Wohnraum wieder verfügbar wird. Dazu zählen insbesondere die Begrenzung von Kurzzeitvermietungen in Metropolen. Ein weiterer Bereich, in dem die EU eine klare Kompetenz für legislative Vorschriften innehält, sind Rechtsvorschriften für Banken und Kapitalmärkte. Die Spekulation mit Wohneigentum ist einer der Treiber für die dramatische Situation, in der sich Europäer und Europäerinnen bei der Suche nach Wohnraum befinden. Hier müssen wir einen Riegel vorschieben, denn Wohnraum ist mit anderen Spekulationsprodukten in keiner Weise vergleichbar.
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist ein wachsendes Problem für das Funktionieren des Binnenmarktes. Alle Mitgliedstaaten sollten also ein Interesse daran haben, die Herausforderungen ihres individuellen Wohnungsmarktes zu lösen. Damit die EU ihren Beitrag hierzu leisten kann, bedarf es einer Bündelung der hier genannten Einflussmöglichkeiten in einer Hand, einschließlich der dazu gehörenden Kommissionsdienststellen und Haushaltsbefugnisse.
Der wohl wichtigste Grund für ein gemeinsames europäisches Handeln ist: Wohnen muss bezahlbar sein, weil Wohnen ein Grundrecht ist. Diese zu verteidigen gehört zu den Kernaufgaben der EU.
René Repasi leitet seit März die deutsche Gruppe der sozialdemokratischen Abgeordneten im Europaparlament. Er ist Rechtswissenschaftler und zog 2022 erstmals ins Europaparlament ein.
heute kommt er endlich, der Draghi-Report. Der ehemalige EZB-Präsident und italienische Ministerpräsident hat aufgeschrieben, was die Probleme des EU-Binnenmarkts sind und unter welchen Bedingungen er eine Zukunft hat. Draghi hat den Bericht im Auftrag der Kommissionspräsidentin erarbeitet. Seine Diagnose ist eindeutig: Europa verliert gerade in den Bereichen, wo künftig am meisten Geld verdient werden kann, massiv an Wettbewerbsfähigkeit. Vor den EU-Botschaftern und bei den Fraktionschefs im Europäischen Parlament hat er deutliche Worte gefunden, um seinen Empfehlungen Nachdruck zu verleihen: “Wenn wir nicht konkurrenzfähig werden, geht die EU unter.” Heute Mittag wissen wir, welche Rezepte Draghi zur Gesundung Europas vorschlägt. Sein Rat dürfte die Binnenmarkt-Agenda bis 2029 bestimmen.
Am Mittwoch will von der Leyen die Fraktionschefs unterrichten, wer die Bewerber sind für die 26 Posten in ihrer zweiten Kommission und welche Portfolios diese bekommen sollen. Auch die Struktur der Kommission, etwa ob es wieder leitende Vize-Präsidenten geben soll, wird man dann erfahren. Zäh kämpft von der Leyen unterdessen immer noch dafür, dass Frauen in ihrer Kommission möglichst den Anteil der Jobs bekommen, der ihnen zusteht. Jetzt machte etwa Tomaž Vesel einen Rückzieher – den Richter hatte Slowenien für ihre Kommission nominiert. Noch ist nicht bestätigt, dass Slowenien stattdessen eine Frau vorschlägt, weil etwa ein gewichtigeres Portfolio im Berlaymont in Aussicht gestellt wurde. Wenn es so kommt, wäre Geschlechterparität zwar noch nicht erreicht, aber elf von 27 Kommissionsmitgliedern wären dann weiblich. Am Anfang ihrer Bemühungen sollen es gerade einmal vier Frauen gewesen sein. Ich wünsche einen guten Start in diese spannende EU-Woche!
Der Spendenaufruf auf der Website von der selbst ernannten Recht- und Gerechtigkeitspartei (PiS) von Jarosław Kaczyński klingt bedrohlich. “Heute brauchen wir mehr denn je Ihre Hilfe! Die Koalition vom 13. Dezember (Red. PiS-Bezeichnung für die Regierung unter Führung von Donald Tusk) wird alles tun, um die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Polen zu zerstören. Nur mit Ihrer Hilfe werden wir weiter für ein würdiges, souveränes und gesetzestreues Polen kämpfen können. Unterstützen Sie unsere Arbeit.”
Vor wenigen Tagen hat die staatliche Wahlkommission der rechtspopulistischen PiS Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkampffinanzierung 2023 in Höhe von 3,6 Mio. Zloty (850.000 Euro) vorgeworfen. Die Partei wird verpflichtet, das Geld samt Strafen zurückzuzahlen und könnte womöglich bis zum Ende der Legislaturperiode 2027 keine staatlichen Zuschüsse mehr erhalten. Kaczynski will die Entscheidung vor dem Obersten Gericht anfechten, das von PiS-Richtern kontrolliert wird.
Um den Bankrott der Partei zu verhindern, appelliert der Oppositionschef an seine treuen Wähler und bittet auch PiS-Parlamentarier zu Kasse. Wer für die PiS in Sejm oder Senat sitzt, muss nun monatlich 1000 Zloty (235 Euro) überweisen, ein PiS-Abgeordneter in Straßburg – 5000 Zloty (1170 Euro). In wenigen Tagen haben die PiS-Anhänger über 700.000 Euro gespendet.
Zum ersten Mal seit der Amtseinführung von Ministerpräsident Donald Tusk vor acht Monaten ist es der Regierung gelungen, der PiS massive Rechtsverstöße nachzuweisen, und sie auch zu Rechenschaft zu ziehen. Im Herbst sollen weitere milliardenschwere PiS-Affären vor Gericht landen, verspricht der Ministerpräsident. 62 Personen sollen auf der Anklagebank landen, 149 Hinweise auf weitere mögliche Straftaten wurden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die Finanzverwaltung überprüft insgesamt 90 Staatsfonds, Agenturen und Behörden, die das Geld der Steuerzahler an PiS-Profiteure rechtswidrig weitergeleitet haben sollen. Es gehe um einen Gesamtschaden von bis zu 23 Milliarden Euro, sagt Tusk.
Von Erfolgen dieser Aufarbeitung hängt die Zukunft der Regierung ab. Denn bisher tut sich die demokratische Koalition schwer, die vielen Wahlversprechen zu erfüllen. Vor der Sommerpause ist sie mit dem Vorstoß gescheitert, das nahezu komplette Abtreibungsverbot zu lockern – an Gegenstimmen aus der eigenen Koalition. Vor allem tut sie sich bei der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit schwer. Es wird jeder Reformversuch von Präsident Andrzej Duda blockiert, einem treuen PiS-Diener. Auch das Verfassungsgericht und der Nationale Justizrat werden weiter von den Rechtspopulisten kontrolliert.
Trotz solchen Niederlagen rüttelt niemand am Sessel des Ministerpräsidenten. In der Koalition hört man zwar manchmal Klagen, dass Tusk zu viele Entscheidungen allein trifft. Doch jeder weiß, dass es zu ihm gegenwärtig keine Alternative gibt. Das große Ziel des Ministerpräsidenten sind die Präsidentschaftswahlen im kommenden Sommer, die ein Kandidat der Bürgerkoalition gewinnen muss, damit die Reform-Blockade der PiS aufgehoben werden kann. Der Kampf um das Amt dürfte heftig werden, schließlich geht es für Kaczynski um das politische Überleben.
Um seine Wähler nicht zu vergraulen, schreckt Tusk von einer strikten Finanzpolitik zurück, für die er früher bekannt war. Im laufenden Jahr wird das Haushaltsdefizit 5,1 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) betragen und 2025 sogar auf 7,3 Prozent steigen. Warschau will 187 Milliarden Zloty (44 Milliarden Euro) für Verteidigung ausgeben, etwa 4,7 Prozent des BIP. Rund 220 Milliarden Zloty (47 Milliarden Euro) sollen in das Gesundheit-System fließen. Das sind 16 Prozent mehr als 2024. Brüssel hat im Juni ein Defizitverfahren gegen Polen eingeleitet. Die einzige gute Nachricht: Polens Gesamtverschuldung ist mit knapp über 50 Prozent des BIP noch recht niedrig (Deutschland kommt auf 65 Prozent).
Tusk profitiert von einer recht guten Wirtschaftsentwicklung. Das BIP soll in diesem Jahr um drei Prozent wachsen, in 2025 sogar um vier Prozent. Leider geht die Zahl der neu gegründeten Firmen zurück, denn die Arbeitskosten nehmen rapide zu. In diesem Jahr steigen die polnischen Durchschnittslöhne um 13,6 Prozent, viel schneller als die Inflation. Ausländische Investoren warnen, dass Polen einen seiner größten Standortvorteile verlieren könnte. Schon jetzt liegt der Durchschnittslohn jenseits der Oder bei knapp 2000 Euro.
Während Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron mit einer starken, europafeindlichen Opposition kämpfen, kann Tusk in Polen auf viel Unterstützung zählen. In seiner Rede zum 85. Jahrestag des Kriegsausbruchs äußerte er ganz klar Polens proeuropäische Position: “Wir können es uns nicht leisten, isoliert zu sein, wir müssen gemeinsam handeln, sowohl innerhalb der NATO als auch in einem geeinten Europa”, sagte der Premierminister.
Am 15. September treten in China Ausfuhrkontrollen für das Metall Antimon in Kraft, das für Autobatterien und Solaranlagen, aber auch für Waffen und militärische Ausrüstung wie Munition und Nachtsichtgeräte benötigt wird. Es ist nach Gallium, Germanium und hochreinem Grafit das vierte Metall, für das Peking die Ausfuhren staatlich reguliert. Und so ist es kein Wunder, dass der Westen sich wegen der Abhängigkeiten von China bei kritischen Mineralien zunehmend sorgt. Das Land ist die weltweit wichtigste Quelle für zahlreiche wichtige Mineralien oder aus ihnen verarbeiteten Produkten.
Die Zielländer verstärken zwar ihre Bemühungen, die Beschaffung kritischer Mineralien zu diversifizieren. Das EU-Gesetz über kritische Rohstoffe (EU Critical Raw Materials Act ) etwa legt für 2030 einen Maximalanteil von 65 Prozent fest, die vom Bedarf jedes kritischen Rohstoffs aus einem einzigen Land bezogen werden darf. Doch die Umstellung benötigt vielleicht mehr Zeit, als es das Gesetz vorsieht.
Das Argument Pekings lautet stets, dass die Kontrollen dem Schutz der “nationalen Sicherheit” dienten. Viele Experten sehen sie eher als Reaktion auf Ausfuhrbeschränkungen der USA oder Untersuchungen und Ausgleichszölle wie jene der EU zu E-Autos.
Im Dezember verbot Peking zudem den Export von Technologien zur Herstellung sogenannter Dauermagneten aus Seltenen Erden, die für E-Autos, Turbinen und Elektronik gebraucht werden. Das gilt als Warnschuss, dass auch die Seltenen Erden selbst ins Visier geraten könnten.
“Von seinem kleinen Arsenal möglicher Vergeltungsmaßnahmen ist die Verhängung von Ausfuhrbeschränkungen für kritische Mineralien die praktischste Option“, meint Cory Combs, Associate Director Climate-Energy-Industrial Policy der Beratungsagentur Trivium China. Denn China habe durch seinen Mineralien-Reichtum “Einfluss auf eine Vielzahl nachgelagerter Verbraucher.” Combs erwartete schon im Frühjahr neue Kontrollen für 2024. “Die große Frage ist, welche Mineralienausfuhr China als Nächstes ins Visier nehmen wird”, schrieb er. Peking gab inzwischen die Antwort: Antimon.
Das Metall gehörte zu jenen neun Mineralien, für das Combs und sein Team Kontrollen vorhergesagt hatten, nachdem sie, basierend auf Chinas strategischen Interessen, die Wahrscheinlichkeit solcher Kontrollen für 73 kritische Rohstoffe nach einem Punktesystem untersucht hatten. Peking werde für Exportkontrollen Mineralien auswählen, die diese Kriterien erfüllen:
Vermeiden werde Peking dagegen Kontrollen
Das Punktesystem berücksichtigte all diese Aspekte. Neben Antimon landeten dadurch folgende acht Mineralien in der Trivium-Liste für Mineralien, die von Exportkontrollen betroffen sein könnten:
Alle diese Mineralien werden laut Trivium in den USA, der EU und Japan als “kritische Mineralien” geführt – bis auf Wismut, das in Japan nicht auf der Liste stehe. Bei den bereits unter Ausfuhrkontrollen stehenden Mineralien sind die Abhängigkeiten ähnlich groß: Chinas Anteil an der weltweiten Grafitproduktion liegt bei 78 Prozent. Bei der Antimon-Förderung sind es immerhin 48 Prozent.
Ob es zu den von Combs befürchteten Kontrollen wirklich kommt, ist offen. Bislang sind die Regeln für den Export von Grafit, Gallium und Germanium vor allem eine Drohung, die der Abschreckung dient. Tatsächlich hat China noch keine Ausfuhren dieser Metalle unterbunden.
Trotzdem hatten die Ankündigungen Folgen für den Handel. Laut Bloomberg stiegen die Überseeverkäufe von Gallium, Germanium und Grafit jeweils in dem Monat vor Beginn der Ausfuhrkontrollen sprunghaft an, da sich die Käufer mit Vorräten eindeckten – worauf ein steiler Rückgang und dann eine Erholung folgten. Das Gleiche könnte nun bei Antimon passieren.
Während Gallium sich weitgehend erholt habe, hinken Germanium und Grafit nach dem Bloomberg-Bericht etwas hinterher – was unter anderem damit zu tun habe, dass Käufer bereits dabei sind, ihre Quellen zu diversifizieren. So vereinbarten die EU und die USA mit der Demokratischen Republik Kongo im April die Lieferung von Germanium.
Chinas Ausfuhren von Naturgrafit lagen in den ersten sieben Monaten 2024 um 17 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum, was laut Xu Peng von Bloomberg NEF sowohl auf einen Anstieg des Grafit-Bergbaus im Ausland, als auch auf die nachlassende Nachfrage nach E-Autos zurückzuführen sei. Die Lage ist also komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint.
Die Anhörungen aller Bewerber für die neue Kommission könnten innerhalb einer einzigen Woche stattfinden. Dies geht aus einem Entwurf des Zeitplans für die Anhörungen in den Ausschüssen des Parlaments hervor, der Table.Briefings vorliegt und den die Fraktionschefs am 19. September beschließen könnten. Jeweils zwei Anhörungen finden parallel statt.
Geplant ist, die Anhörungen in der Fraktionswoche vom 14. bis 18. Oktober durchzuziehen. Montag sollen je zwei Bewerber am Nachmittag und am Abend angehört werden. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag sind je sechs Anhörungen geplant. Am Freitag sind morgens und nachmittags je zwei Gespräche vorgesehen. Sollten alle Kandidaten durchkommen, könnte bereits am 24. Oktober das Europaparlament über die neue Kommission abstimmen. Damit wird allerdings nicht gerechnet. Wie zu hören ist, sollen diesmal die Fraktionen jeweils ein Zeitkonto für mündliche Fragen haben, die sie sich frei einteilen können. 2019 durften die Fraktionen 25 mündliche Fragen stellen. Die Anhörungen sollen mit einem 15-minütigen Statement des Bewerbers beginnen, danach folgen die Fragen. Es sind drei bis vier Stunden je Gespräch angesetzt. mgr
Am Freitag veröffentlichte die Europäische Kommission einen Bericht über das Fusionskontrollgesetz von 2023 und die Erfahrungen, die in den vergangenen zwanzig Jahren damit gemacht wurden. Obwohl die Kommission die Regulierung insgesamt positiv bewertet, identifiziert sie unter anderem folgende Probleme in Wettbewerbsverfahren:
Insgesamt verlangsamen diese Probleme das Wettbewerbsfahren, sagt das Generaldirektorat für Wettbewerb (DG COMP), das für den Kommissionsbericht verantwortlich ist. DG COMP argumentiert, dass es die Wettbewerbsverfahren mit mehr Durchsetzungs- und Bestrafungskompetenzen schneller und effizienter durchführen könnte.
Der Bericht ist auch als Vorbereitung für das neue Kommissionsmandat zu sehen. Aktuell wird aus verschiedenen politischen Richtungen eine Reform der Fusionskontrollverordnung gefordert. Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs setzen sich für eine Lockerung der Wettbewerbsbestimmungen ein, um “Europäische Champions” zu ermöglichen. Andere Mitgliedstaaten sehen das kritisch, da sie negative Konsequenzen für europäische Konsumenten befürchten.
Die Diskussion um eine Reform der Fusionskontrollverordnung wurde in der vergangenen Woche auch durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) angeheizt. Der EUGH hatte das Vorgehen der Kommission im Falle von “Killerakquisitionen” für rechtswidrig erklärt. Einflussreiche Europaabgeordnete wie René Repasi (SPD) und Stéphanie Yon-Courtin (Renew) forderten in der Folge eine Reform der Verordnung.
In ihrer Rede in Florenz äußerte sich auch die scheidende Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zu den Killerakquisitionen. Um dem Problem beizukommen, müsse man nun entweder die Verordnung reformieren oder auf Anpassungen in den Mitgliedstaaten hoffen. jaa
Wegen sinkender Nachfrage bei Elektrofahrzeugen drohen laut Renault-Chef Luca de Meo der europäischen Autoindustrie Milliardenstrafen. “Wenn die Elektrofahrzeuge auf dem heutigen Niveau bleiben, muss die europäische Industrie möglicherweise 15 Milliarden Euro an Strafen zahlen oder die Produktion von mehr als 2,5 Millionen Fahrzeugen aufgeben”, sagte de Meo. Die Autohersteller sehen sich ab 2025 mit strengeren CO₂-Zielen konfrontiert, da die Obergrenze für die durchschnittlichen Emissionen von Neuwagenverkäufen von 116 Gramm pro Kilometer im Jahr 2024 auf 94 Gramm pro Kilometer sinkt.
“Das Tempo der Umstellung auf Elektrofahrzeuge ist nur halb so hoch wie das, was wir bräuchten, um die Ziele zu erreichen, die es uns erlauben würden, keine Geldstrafen zu zahlen”, sagte de Meo, der auch Präsident des Europäischen Automobilherstellerverbandes (ACEA) ist, über den Sektor. Die Überschreitung der CO₂-Grenzwerte kann zu Geldstrafen in Höhe von 95 Euro pro überschrittenem CO₂-Gramm pro Kilometer multipliziert mit der Anzahl der verkauften Fahrzeuge führen. Das könnte für große Automobilhersteller Strafen von Hunderten von Millionen Euro zur Folge haben. “Alle reden von 2035, also in zehn Jahren, aber wir sollten über 2025 reden, weil wir schon jetzt Probleme haben”, sagte er. “Wir müssen ein wenig Flexibilität bekommen. Es ist sehr, sehr gefährlich, Fristen und Bußgelder festzulegen, ohne die Möglichkeit zu haben, dies flexibler zu gestalten.” rtr
Die Niederlande weiten die Exportkontrollen für Maschinen zur Chipherstellung aus. Wie die Regierung in Den Haag am Freitag mitteilte, wird sie die Anforderungen für die Erteilung von Exportlizenzen für Tauchlithografie-Anlagen des Weltmarktführers ASML verschärfen. Damit werden die Niederlande ihre Regeln an die Exportbeschränkungen der USA für diese Anlagen anpassen. Konkret geht es um die ASML-Modelle 1970i und 1980i DUV (Deep Ultraviolet).
Aus Peking kam am Sonntag harsche Kritik. China lehne es ab, dass die USA andere Länder zur Verschärfung von Exportkontrollen für Halbleiter und verwandte Geräte zwingen, teilte das Handelsministerium mit. Die niederländische Seite forderte das Ministerium auf, die Exportkontrollen nicht zu missbrauchen, sowie Maßnahmen vermeiden, die der chinesisch-niederländischen Zusammenarbeit bei Halbleitern schaden. Den Haag solle die “gemeinsamen Interessen chinesischer und niederländischer Unternehmen” schützen. Auch ASML-Chef Christophe Fouquet hat im Juli ein Ende der Sanktionen gegen China gefordert. Die Volksrepublik produziere Chips, die im Westen dringend benötigt würden, sagte er damals dem Handelsblatt.
Die US-Lobbyarbeit hindert ASML, den weltgrößten Anbieter von Chipherstellungsanlagen, effektiv daran, seine modernsten Lithografie-Systeme nach China zu exportieren. Stattdessen kauft die Volksrepublik derzeit in großem Stil anderswo Herstellungsausrüstung ein, wo dies derzeit noch erlaubt ist. So gab das Land im ersten Halbjahr 2024 mehr für den Einkauf von Chip-Maschinen aus als Südkorea, Taiwan und die USA zusammen. rtr/ck
In der belgischen Stadt Lüttich wurde im März der Grundstein für eine zentrale neue Aufgabe der europäischen Sozialpolitik gelegt. Die Handelsminister und hohe Beamte aus 19 europäischen Ländern unterzeichneten dort die “Erklärung von Lüttich zur Zugänglichkeit von Wohnraum in der EU”. Kommissionspräsidentin von der Leyen hat in ihrer Bewerbungsrede ein Engagement der EU-Kommission zugesagt. Die wiedergewählte Kommissionspräsidentin wird in diesen Tagen die Aufgabenbereiche des 27-köpfigen Kollegiums vorstellen.
Um eine pro-europäische Mehrheit für ihr neues Team zu erreichen, braucht Ursula von der Leyen die Stimmen der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. Zentrale Forderung der Sozialdemokratie ist, dass Wohnen zu den Prioritäten der nächsten fünf Jahre gehören muss.
Denn die Probleme in der EU sind mannigfaltig. Wo die Mieter-Nation Deutschland unter hohen Belastungen ächzt, leiden Hausbesitzer in Osteuropa besonders unter gestiegenen Energiekosten und Niederländerinnen und Niederländer unter permanent steigenden Kaufpreisen von Immobilien. In Barcelona sind Proteste gegen Kurzzeitvermietungen in eine ablehnende Haltung gegen Touristen übergegangen. Eurostat-Zahlen belegen, dass im Jahr 2022 9,6 Millionen Vollzeitbeschäftigte im Alter von 25 bis 34 Jahren noch zu Hause bei ihren Eltern lebten, was einem Fünftel aller Menschen in diesem Alter in der EU entspricht. Die EU wird zwar weder Mieten und Hypotheken bezahlen, noch Wohnraum schaffen können – aber ein Handeln auf europäischer Ebene ist unabdingbar, um den Rahmen für die Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten auszudehnen.
Folgende drei Pfeiler sollten die Arbeit eines Wohnressorts in der Kommission leiten. Erstens: Ein Programm des Europäischen Sozialfonds (ESF) könnte nationale Wohnbauprojekte kofinanzieren. Sinnvoll wäre hierfür eine bessere Koordinierung zwischen der EU-Politik und den Maßnahmen der Mitgliedstaaten sowie der Kommunen und Städte. In Europa findet man unterschiedliche Systeme zur Wohnraumförderung, welche eine EU-Förderung berücksichtigen müsse. Für den Erfolg solcher EU-Förderprogramme ist es notwendig, dass die Mitgliedstaaten EU-kofinanzierte Projekte bei der Berechnung ihrer Schuldenquote außer Acht lassen. Eine der Neuerungen der reformierten EU-Fiskalregeln ist gerade, Kofinanzierungsmittel von Schuldenbremsen auszunehmen. Die Anforderungen für den Zugang zu den bestehenden Förderungen bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) müssen vereinfacht werden.
Zweitens: Hürden im europäischen Wettbewerbsrecht für nationale Wohnungsraumprogramme müssen abgebaut werden. Konkret heißt dies, dass die Freistellung der Wohnungsraumförderung als sogenannte “Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse” (DAWI) ausgeweitet werden muss. Derzeit ist lediglich der soziale Wohnungsbau davon ausgenommen, der EU-Kommission als Beihilfe deklariert werden zu müssen. Die Wohnraumkrise ist jedoch so dramatisch, dass dies auf die Wohnraumförderung für Haushalte mit mittleren Einkommen ausgeweitet werden muss.
Drittens: Von der Leyens Mann oder Frau fürs Wohnen sollte mit hohem Tempo an bestehenden EU-rechtlichen Vorgaben arbeiten, damit Wohnungsbau erleichtert und bestehender Wohnraum wieder verfügbar wird. Dazu zählen insbesondere die Begrenzung von Kurzzeitvermietungen in Metropolen. Ein weiterer Bereich, in dem die EU eine klare Kompetenz für legislative Vorschriften innehält, sind Rechtsvorschriften für Banken und Kapitalmärkte. Die Spekulation mit Wohneigentum ist einer der Treiber für die dramatische Situation, in der sich Europäer und Europäerinnen bei der Suche nach Wohnraum befinden. Hier müssen wir einen Riegel vorschieben, denn Wohnraum ist mit anderen Spekulationsprodukten in keiner Weise vergleichbar.
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist ein wachsendes Problem für das Funktionieren des Binnenmarktes. Alle Mitgliedstaaten sollten also ein Interesse daran haben, die Herausforderungen ihres individuellen Wohnungsmarktes zu lösen. Damit die EU ihren Beitrag hierzu leisten kann, bedarf es einer Bündelung der hier genannten Einflussmöglichkeiten in einer Hand, einschließlich der dazu gehörenden Kommissionsdienststellen und Haushaltsbefugnisse.
Der wohl wichtigste Grund für ein gemeinsames europäisches Handeln ist: Wohnen muss bezahlbar sein, weil Wohnen ein Grundrecht ist. Diese zu verteidigen gehört zu den Kernaufgaben der EU.
René Repasi leitet seit März die deutsche Gruppe der sozialdemokratischen Abgeordneten im Europaparlament. Er ist Rechtswissenschaftler und zog 2022 erstmals ins Europaparlament ein.