auch gut 35 Jahre nach der Einführung europäischer Verkehrspolitik sind die Transportwege Europas längst nicht so interoperabel wie nötig. Seit Jahren gibt es Initiativen, Konferenzen, Lösungsversprechen. Doch nur ganz allmählich tut sich etwas. Transportwege und -modalitäten werden über Jahrzehnte geplant – meist mit Fokus auf nationale Bedarfe.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine führte deutlich vor Augen: Die Transportmöglichkeiten aus der Ukraine in Richtung EU und damit wortwörtlich in sichere Häfen sind begrenzt. Ein Grund: unterschiedliche Schienennetze. Der Großteil des ukrainischen Netzes liegt zarenzeitbedingt noch bei 1520 Millimetern – damit auch ja kein denkbarer Aggressor jemals darauf fahren könne. Im Großteil Westeuropas, mit Ausnahme Finnlands und des Baltikums einerseits, Irlands, Portugals und Spaniens andererseits, wird auf 1435 Millimetern “Normalspur” gefahren.
Die Spurweite ist nicht die einzige Hürde, wenn ein Zug von einem ins andere Land soll: Unterschiedliche Fahrdrahtspannungen, Signalisierungsstandards und natürlich Sicherheitsvorgaben erschweren den grenzüberschreitenden Verkehr. In Zeiten, in denen möglicherweise auch schnelle Truppenverlegungen quer durch Europa nötig sind, ist das ein ganz besonderes Ärgernis.
An Projekten, die das irgendwann ändern soll, besteht kein Mangel – von ERTMS über Baltic-Rail und doch viele Vorhaben glänzen mit dem, womit auch viele Bahnunternehmen auffallen: massiven Verspätungen. Und so kann man nur mit gedämpfter Erwartungshaltung auf die “Connecting Europe Days” schauen, die sich ab heute in Brüssel am schnecklichen Fortschritt abarbeiten. Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing will darüber sprechen, welche Baustellen es beim innereuropäischen Güterverkehr noch geben soll.
Starten Sie gut in die neue Woche.
Weniger als ein Jahr vor Auslaufen des aktuellen Beschlusses zum temporären Schutz der aus der Ukraine Geflüchteten bleibt die Lage kompliziert. Derzeit läuft alles auf eine weitere Verlängerung im Herbst hinaus. Die Kommission würde die Verlängerung gemeinsam mit einer überarbeiteten Ausführungsverordnung gemäß Massenzustromrichtlinie (englisch TPD genannt) unterbreiten, die Mitgliedstaaten ihn beschließen. Doch das wird frühestens im Spätsommer der Fall sein, wenn die neue Kommission im Amt ist. Das bedeutet Unsicherheit – für die Mitgliedstaaten, die zuständigen Behörden und für die Ukrainerinnen und Ukrainer.
Man müsse jetzt eine Diskussion für das Vorgehen über den März 2025 hinaus führen, teilt ein Sprecher des österreichischen Innenministeriums auf Anfrage mit. Nationale Vorbereitungen bräuchten Zeit. “Wichtig ist, dass in weiterer Folge Rechtssicherheit für Mitgliedstaaten und temporär Schutzberechtigte besteht. Außerdem gilt es, eine Überlastung der Asyl- und Aufenthaltsbehörden zu verhindern.” Österreich hat seit dem Großangriff Russlands 110.000 Ukraine-Vertriebene bei knapp 9 Millionen Einwohnern registriert. Unter Deutschlands fast 84 Millionen Einwohner befanden sich Mitte März 958.640 Personen im temporären Schutzstatus, davon 286.965 Minderjährige.
Würde die Regelung nach Massenzustrom-Richtlinie ersatzlos auslaufen, würden in vielen Mitgliedstaaten der EU die Ukrainerinnen und Ukrainer als Kriegsflüchtlinge unter die Regelungen der Genfer Konvention fallen, also subsidiären Schutz erhalten. Dies würde Millionen Einzelverfahren nach Asylrecht bedeuten. Eigentlich sollte die Richtlinie mit dem neuen Krisenmechanismus des Asylpakets komplett ersetzt werden. Doch dieser Plan wurde angesichts der Realität wieder gestrichen. Erst für zukünftige Fälle könnte der neue Mechanismus greifen, der Anfang April im Europaparlament angenommen werden soll.
“Wir setzen uns für eine rechtzeitige Lösung ein, möglichst auf europäischer Ebene, aber wenn das nicht gelingt, dann auf nationaler Ebene“, sagt Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag. Das Ziel müsse sein, den Aufwand sowohl “für die Behörden – Ausländerbehörden, Jobcenter, Sozialämter – als auch die Menschen möglichst gering zu halten.” Doch dass es rechtzeitig klappt, viele Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem temporären Schutz in andere Schutzstati zu migrieren, ist unwahrscheinlich. Damit rückt das Behördenüberlastungsszenario mit jedem Tag ein Stückchen näher, an dem der Schutzstatus nicht weiter verlängert ist.
Ein Wechsel aller Ukrainer unter dem temporären Schutz in das Asylsystem 2025 wäre kaum zu bewältigen: “Das wäre großes Chaos”, meint der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt. Er fordert von EU-Kommission und Mitgliedstaaten: “Man muss das jetzt beschließen.” Die Kommunen müssten Kapazitäten aufbauen und planen können. “Für die Ukrainerinnen und Ukrainer ist es wichtig, zu wissen, dass sie nicht im nächsten März zurückmüssen.” Es brauche ein Signal, dass es sinnvoll wäre, die Sprache zu lernen und sich zu integrieren – unabhängig von einer späteren Rückkehr. Und das könne eben die Verlängerung sein.
Doch derzeit gibt es gleich drei Gründe, warum die EU-Kommission sich schwertut, diesen Prozess anzustoßen. Der erste ist hausgemacht und hängt mit dem Wortlaut der TPD-Richtlinie zusammen. Ende 2023 dachte man sich in der EU-Kommission, dass die Anwendung der Richtlinie erneut verlängert werden könnte. Eigentlich sieht sie vor: maximal zwei Verlängerungen – und die zweite ist im vergangenen Herbst bis März 2025 beschlossen worden.
Martin Wagner vom International Center for Migration Policy and Development (ICMPD) sieht den Plan als “rechtlichen Spagat”: “Die Richtlinie spricht in Artikel 6 von einer Höchstdauer, bei weiterer Anwendbarkeit bräuchte es diese maximale Dauer nicht, das ist schon ein klarer Hinweis.” Bloß: Es gibt keine verfügbare andere Möglichkeit.
“Wir sind fast alternativlos zu einer Verlängerung: Das Zeitfenster ist eng und es betrifft vier Millionen Menschen in der EU”, sagt Wagner. “Alle Alternativen hätten bereits auf den Weg gebracht werden müssen.” Allerdings könnte ein einziger Mitgliedstaat, der gegen die jetzt geplante Rechtsinterpretation klagt, bereits ausreichen, um die Verlängerung zu Fall zu bringen.
Der zweite Grund: die jetzige Kommission will hier nicht mehr tätig werden. Und wann die neue im Amt ist, ist offen. Vor dem Spätsommer oder Frühherbst ist aber kaum zu erwarten, dass sie von den Mitgliedstaaten benannt wurde und die Parlamentsanhörungen vorbei sind.
Der dritte Grund: Eine frühzeitige Verlängerung des Schutzstatus würde in die Ukraine das Signal senden, dass die EU von einer längeren Dauer des Krieges ausgeht. Eine mögliche Folge: dass die Flüchtlinge hier heimisch würden und vielleicht nicht mehr zurückgehen wollten. Das widerspricht eigentlich der Idee der Richtlinie über den temporären Schutz. Und diese der Realität nach über zwei Jahren Krieg.
“Die TPD-Richtlinie hat viele Vorteile, aber auch Nachteile: Das betrifft insbesondere die Verfestigung, denn nur wenige wollen Temporären Unterkunft und Arbeit geben”, erläutert der ICMPD-Senior Policy Advisor Martin Wagner. Es gebe aber große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, sowohl was Arbeitserlaubnisse als auch Wohnmöglichkeiten angehe. Es ist ein Zielkonflikt: Einerseits ist der dauerhafte Schwebezustand für die Menschen und die Empfängerstaaten mit Problemen behaftet. Für die Ukraine aber wäre es wichtig, dass die eigenen Staatsbürger dann, wenn es möglich ist, zurückkehren.
Für den Grünen-MdEP Erik Marquardt ist eine schnelle Verlängerung in jedem Fall unumgänglich. Statt mit Heimkehr müsse man realistischerweise derzeit eher mit weiteren Flüchtlingen rechnen. “Es kann ja durchaus sein, dass es eine Million Leute gibt, die in diesem Jahr aus der Ukraine nach Deutschland fliehen”, meint er. Das hänge schlicht vom Verlauf der Kampfhandlungen ab. Auch aus der Generaldirektion Innen, der DG Home, heißt es, dass bei einer Verschlechterung der Lage in der Ukraine mit massiven Flüchtlingsbewegungen zu rechnen sei, innerhalb und außerhalb des Landes.
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Alexander Throm fordert daher eine Änderung: “Die Verlängerung des EU-Schutzes für Ukrainer ist richtig, allerdings muss die Bundesregierung sich hier endlich für eine EU-weite Verteilung einsetzen.” Auch aus Österreich kommt der Wunsch nach Änderungen: “Ein koordinierter Zugang wird jedenfalls für sinnvoll erachtet, um Sekundärmigration zu verhindern”, teilt ein Ministeriumssprecher auf Table.Briefings-Anfrage mit.
Allerdings ist fraglich, ob das alle Staaten bei einer Verlängerung mittragen würden. Bislang sind es vor allem die Länder Nord-, Mittel- und Osteuropas, die den Großteil der Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben. In Frankreich sind gerade einmal 65.000 Flüchtlinge registriert worden. Und damit etwa so viele wie in Finnland, das weniger als ein Zehntel der Einwohner hat. “Bisher gibt es absolut keine Bemühung der Ampel für einen verpflichtenden europäischen Verteilmechanismus – obwohl Deutschland zu den Hauptzielländern der ukrainischen Kriegsflucht zählt”, bemängelt Throm.
Genau das aber ist unwahrscheinlich – weshalb jetzt eine Zersplitterung droht. “Mich macht es nervös, dass die Länder beginnen, sich national Gedanken zu machen”, meint ICMPD-Experte Martin Wagner.
Deutschland etwa versucht seit mehreren Monaten, möglichst viele der Ukraine-Flüchtlinge in andere “Rechtskreise” des Aufenthaltsrechts zu bringen. “Schnelle Erfolge wird es aber wohl nicht geben”, sagt Irene Vorholz vom Landkreistag und verweist auf eine Grundvoraussetzung: “Die Integration ist auch von den Sprachkenntnissen abhängig.”
Das Ziel wäre ein Aufenthaltsstatus, der mit geregeltem Erwerbsleben, Studium oder Ausbildung verbunden ist. Doch das bedeutet für die Betroffenen, einen sicheren Aufenthaltsstatus nach § 24 Aufenthaltsgesetz gegen einen unsicheren einzutauschen: Nach einer abgeschlossenen Ausbildung etwa hätten sie keine direkten Ansprüche wie unter dem temporären Schutz. Und müssten theoretisch sogar zurückkehren.
Ein deutsches Problem, das aber auch in einigen anderen Staaten Europas existiert. Die TPD-Richtlinie, das Arbeitsmigrations- und das Asylrecht sind oft parallele Systeme, die nicht ineinandergreifen. Diese mangelnde Flexibilität, sagt Martin Wagner, sei aus der Perspektive der Flüchtlinge ein Teil des Problems. “Warum sollten die von einem Rechtsstatus, der alles ermöglicht, zu einem Status wechseln, wo sie etwa nur studieren dürfen? Das ist die Krux im Zusammenspiel mit unseren Migrationsgesetzen.”
Deutschland hoffe weiter auf eine gemeinsame Lösung, heißt es vom zuständigen Pressesprecher des Bundesinnenministeriums: “Eine Änderung des § 24 AufenthG wird dabei nicht angestrebt.”
Tatsächlich könnte ein ganz anderes Gesetz in Deutschland dazu führen, dass ein Teil der 2022 aus der Ukraine gekommenen Flüchtlinge aus dem TPD-Schutz herausfällt. Am 26.03. wurde die Novelle des Staatsangehörigkeitsrechts im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit geht ab Ende Juni die Möglichkeit einher, unter Umständen bereits nach drei Jahren rechtmäßigem Aufenthalt deutscher Staatsbürger zu werden. Zwar ist das unter dem temporären Schutzstatus des Paragrafen 24 Aufenthaltsgesetz nicht möglich. Bei einem Wechsel in einen regulären Aufenthaltsstatus könnten diese Zeiten aber anrechenbar sein.
Für die Ukraine wäre das ein Problem. Für einige Flüchtlinge jedoch endlich eine planbare Perspektive. Der Migrationsexperte Martin Wagner fordert Pragmatismus: “Natürlich wird ein großer Teil zurückkehren – wir müssen gar nicht so tun, als ob alle dableiben.” Einige der Bürger bräuchte die Ukraine aber nach dem Krieg dringend selbst. Doch auch bei denen, die bleiben, stellten sich Fragen: “Gekommen sind vor allem Frauen und Kinder. Man wird sich perspektivisch also auch über Familienzusammenführung Gedanken machen müssen.”
Nachhaltige, klimafreundliche Verteidigung klingt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch in sich. Doch selbst Nato und EU haben sich zuletzt das Ziel einer “grünen Armee” beziehungsweise die Entwicklung von möglichst klimaneutralen Rüstungsgütern auf die Fahne geschrieben.
Industrie und Regierungen als Kunden hätten zu lange zur gesellschaftspolitischen Bedeutung der Branche geschwiegen, sagt Debbie Allen, beim britischen Rüstungskonzern BAE Systems als Direktorin unter anderem für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig. Das ändere sich für die breite Öffentlichkeit erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine.
Dabei bemüht sich die Branche schon länger um ein besseres Image. Die Wahrnehmung sei lange Zeit weitestgehend negativ gewesen, sagt Allen, die beim in Brüssel ansässigen Branchenverband Aerospace, Security and Defence Industry Association (ASD) eine Taskforce zum Thema Klima und Verteidigung leitet: “Das versuchen wir nun zu ändern, ohne dabei Greenwashing zu betreiben.”
Das sei zwar eine schwierige Gratwanderung, aber in Zukunft auch wichtig, um für Investoren und potenzielle Mitarbeiter attraktiv zu bleiben – oder es wieder zu werden. Der Klimawandel habe Einfluss auf Verteidigung, und Verteidigung gleichzeitig auf das Klima. Die Rüstungsindustrie wolle ihren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten, auch aus eigenem Interesse.
Die Regierungen hätten sich auf Klimaneutralität bis 2050 festgelegt, das sei auch für Verteidigungsministerien und Industrie verpflichtend, so Allen. Die westliche Welt verabschiede sich von den fossilen Brennstoffen, darauf müsse sich auch die Rüstungsindustrie einstellen. Wenn durch den EU-Emissionshandel (ETS) und das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) die Energiekosten steigen, ist das ein weiterer Grund für die Branche, umzudenken. Wobei Rüstungsgüter, die heute entworfen werden, womöglich 2050 oder 2060 noch im Einsatz sind, wenn Diesel oder Kerosin knapp oder teuer sein dürften. Auch dies müsse berücksichtigt werden.
Bei Rüstungsgütern werden die CO₂-Emissionen in drei Kategorien unterteilt. Erstens kann die Industrie ihre eigenen produktionsbedingten CO₂-Emissionen beeinflussen, zum Beispiel bei der Herstellung von Verteidigungsplattformen. Ein weiterer Bereich umfasst die Lieferketten beziehungsweise Zulieferer inklusive der Rohstoffgewinnung. Zwei Drittel der CO₂-Emissionen fallen jedoch in der dritten Kategorie an, nämlich beim Einsatz der Rüstungsgüter. Bei Kampfflugzeugen laufen laut Allen beispielsweise Versuche mit klimaneutralen Treibstoffen, wobei die kommerzielle Luftfahrt selbstverständlich Priorität bei der Versorgung mit diesen Treibstoffen habe.
Viel an Einsparungen könne auch erreicht werden, wenn Piloten noch mehr in Simulatoren statt in Kampfflugzeugen trainieren könnten. BAE Systems und andere Hersteller seien zudem dabei, Prototypen von Militärfahrzeugen mit Hybridantrieb oder elektrifizierten Antrieben zu testen. Das kann gleich mehrere Vorteile haben. Das Risiko bei der Energieversorgung könne reduziert werden. Die Verletzlichkeit des Nachschubs mit fossilen Brennstoffen und von Treibstofflagern zeige sich gerade in der Ukraine.
Elektrifizierte Fahrzeuge, die zumindest temporär im Elektromodus betrieben werden können, strahlten weniger Hitze ab und seien damit weniger sichtbar und praktisch geräuschlos. In der Ukraine hätten sich ferner auch kleine solarbetriebene Mikroenergienetze bewährt.
Nach Darstellung des Branchenverbands ASD, der sich auf internationale Studien beruft, trägt der globale Verteidigungssektor rund ein Prozent zu den weltweiten Treibhausgasemissionen anthropogenen Ursprungs bei. Die Rüstungsindustrie erhebe nicht den Anspruch, das Klima zu retten; die Einsatzfähigkeit bleibe Priorität, so Allen. Doch ohne Sicherheit gebe es auch keine Nachhaltigkeit.
Die EU kofinanziert unter anderem über ihren European Defence Fund Forschung und Entwicklung von klimaneutralen Rüstungsgütern. Die Nato hat bereits 2021 auf ihrem Gipfel in Brüssel einen Climate Change and Security Action Plan verabschiedet, mit dem Ziel einer Reduktion der Klimaschadstoffe um 45 Prozent bis 2030. Die Transition weg von fossilen Brennstoffen soll jedoch die Interoperabilität und die Einsatzfähigkeit der Verbündeten nicht infrage stellen. Die Streitkräfte der Nato-Staaten müssten “gleichzeitig grün und stark” sein, sagte Stoltenberg 2023.
03.04.2024 – 11:00-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
FES, Presentation How politicians got away with autocratizing Hungary
The Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) discusses the study “Identity, Partisanship, Polarization: How democratically elected politicians got away with autocratising Hungary”. INFOS & REGISTRATION
03.05.-02.07.2024, online
FSR, Seminar Electric Vehicles – Mobility meets the Power System
The Florence School of Regulation (FSR) addresses current developments in the Electric Vehicles sector. REGISTRATION BY 3 APRIL
Neben dem grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir stellt sich jetzt auch das BMUV hinter die Forderung, die Übergangsfrist für die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten zu verlängern. Beim EU-Agrarrat vergangene Woche hatten sich neben Özdemir auf Initiative Österreichs 20 Minister für einen Aufschub der seit vergangenem Jahr beschlossenen Regeln ausgesprochen.
Entscheidend ist aus BMUV-Sicht, ob die EU-Kommission rechtzeitig das sogenannte Länder-Benchmarking veröffentlicht: eine Liste, die jedem Land eine bestimmte Risikostufe für Entwaldung zuweist. Geschehe dies nicht, “befürwortet die Bundesregierung die Verlängerung der Übergangsphase“, sagte ein Sprecher Table.Briefings. Schon während der Verhandlungen zum Gesetz habe sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass dieses “nur umsetzbar” sei, wenn das Benchmarking vor Inkrafttreten der Regeln vorliegt.
Durch das Ranking sollen Behörden und Wirtschaftsakteure bei der Umsetzung der Verordnung besser einschätzen können, in welchen Ländern sie bei Lieferanten auf besonders genaue Nachweise dafür pochen müssen, dass für ein Produkt kein Wald abgeholzt wurde. Die Kommission hatte zuletzt Verzögerungen eingeräumt.
Es sei “möglich”, dass das Benchmarking nicht vor Ende des Jahres bereit sei, erklärte Astrid Schomaker von der Generaldirektion Umwelt kürzlich vor dem EU-Agrarausschuss. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Datenerhebung sei die Vorbereitung komplex, zudem wolle man sich die Zeit für den Austausch mit Behörden vor Ort nehmen, bevor man ein Land als Hochrisikostaat einstufe.
Trotz der Verzögerungen hat die Kommission einen Aufschub der Verordnung bislang ausgeschlossen. “Natürlich hören wir uns die Argumente an, aber ehrlich gesagt sehe ich keine Probleme”, so Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius vergangene Woche. Für einen Aufschub wäre zudem ein vollständiges Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung von Rat und Parlament nötig, um die entsprechenden Passagen zu ändern.
Auch ohne fertiges Länderranking könnten die Regeln aber aus Schomakers Sicht ohne Probleme in Kraft treten: “In diesem Fall würden alle Länder erst einmal automatisch als Standardrisiko eingestuft.” Genau das wäre aus deutscher Sicht jedoch unvorteilhaft. Denn in einem fertigen Länder-Benchmarking würde die Bundesrepublik mit großer Wahrscheinlichkeit als Niedrigrisikoland eingeordnet.
“Ohne das Länder-Benchmarking gelten essenzielle Erleichterungen für Niedrigrisikoländer nicht und die Verordnung ist nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für Wirtschaft und Verwaltung anwendbar”, moniert das BMUV. Waldbesitzer und Rinderhalter in Deutschland – neben Holz fallen unter anderem Rindererzeugnisse unter die Regeln – müssten mehr Aufwand betreiben, um zu belegen, dass ihre Erzeugnisse nicht mit Abholzung in Verbindung stehen, so die Befürchtung.
Während unter anderem Özdemir den geforderten Aufschub auch mit besonderen Belastungen “für Klein- und Kleinstwaldbesitzer” begründet, verweisen Umweltschützer darauf, dass das Gesetz für kleine Betriebe ohnehin eine längere Übergangsfrist vorsehe – erst ab Mitte 2025 gelten die Regeln auch für sie. jd
Vor dem nächsten Treffen des EU-US-Handels- und Technologierates (TTC) hat der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) eine signifikante Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten gefordert. In einem Brief ruft der VDMA beide Seiten dazu auf, Konformitätsbewertungsbarrieren zwischen der EU und den USA abzubauen und den Weg für eine erleichterte Zertifizierung von Investitionsgütern auf beiden Seiten des Atlantiks zu ebnen.
Den Brief schickte der VDMA nach eigenen Angaben sowohl nach Brüssel an Exekutiv-Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis und Binnenmarktkommissar Thierry Breton als auch an die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai und Handelsministerin Gina Raimondo. Das EU-US-TTC wird sein sechstes Ministertreffen am 4. und 5. April in Leuven abhalten. Der Handels- und Technologierat soll die transatlantischen Beziehungen verbessern, insbesondere in Bereichen, die für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind.
Im Kern des VDMA-Vorschlags steht die Erweiterung des EU-USA-Mutual-Recognition-Agreement von 1998, um den Handel mit Maschinen und Industrieausrüstungen zu vereinfachen. Der Verband schlägt vor, eine neue oder erweiterte regulatorische Vereinbarung zu treffen, die eine gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungsstellen ermöglicht. Dies würde die Zertifizierungsverfahren für Exporteure von Investitionsgütern deutlich vereinfachen und die Wartezeiten reduzieren. Die können aktuell zwischen drei und neun Monate betragen.
Der VDMA betont die potenziellen Vorteile einer solchen Vereinbarung für die Resilienz der Lieferketten und den Umweltschutz. Ein leichterer Handel mit Investitionsgütern könnte nicht nur die Kosten für die Herstellung sauberer Technologien senken, sondern auch die Abhängigkeit von externen Lieferquellen wie China reduzieren. Eine Studie des European Centre for International Political Economy (ECIPE) unterstützt diese Ansicht. Sie prognostiziert, dass eine solche Vereinbarung den transatlantischen Handel von Maschinen und elektrischen Ausrüstungen um 75 Milliarden Dollar steigern könnte. vis
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) erwartet einen hohen Bürokratieaufwand für Unternehmen durch die geplante EU-Verpackungsverordnung. Befürchtungen des Verbandes, die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) könne zu Störungen bei den etablierten deutschen Mehrweg- und Einwegsystemen führen, konnten dagegen verringert werden, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Peter Feller im Gespräch mit Table.Briefings. Die EU-Staaten hatten sich nach schwierigen Verhandlungen am 15. März auf eine Kompromisslösung zur EU-Verpackungsverordnung geeinigt.
Die EU-Kommission muss das Gesetz noch durch eine Vielzahl von delegierten Rechtsakten konkretisieren. Zudem liegt eine finale Textfassung bisher noch nicht vor. Deshalb sei die Verordnung weiterhin mit einigen Unwägbarkeiten behaftet, so Feller.
“Wir gehen aber jetzt schon davon aus, dass der Bürokratieaufwand für die Unternehmen steigen wird”, sagte er. So müsse die Bundesregierung zukünftig regelmäßig Daten an die EU liefern, die von den Unternehmen generiert werden müssten: etwa zu Recycling-, Rezyklateinsatz-, Mehrweg- und Einwegquoten. Darüber hinaus müssten Hersteller künftig für alle Verpackungen, die sie in den Verkehr bringen, Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Darin müssen sie prüfen und dokumentieren, dass die Verpackungen allen Anforderungen der Verordnung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Kennzeichnung entsprechen.
Positiv bewertet Feller dagegen Veränderungen hinsichtlich von Mehrweg- und Einwegsystemen. Hier habe es im ursprünglichen Verordnungstext der EU-Kommission einige Detailregelungen gegeben, die das reibungslose Funktionieren der etablierten deutschen Systeme hätten beeinträchtigen können. “Da ist unser Eindruck, dass einem erheblichen Teil unserer Bedenken Rechnung getragen wurde. Ob das schlussendlich reicht, um alle Beeinträchtigungen zu vermeiden, muss man abwarten”, erklärt Feller.
Eine Herausforderung sieht die BVE in den vorgesehenen Quoten zum Rezyklateinsatz bei Kunststoffverpackungen. Bei Lebensmittelverpackungen müsse der Rezyklateinsatz vereinbar sein mit dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit. “Das ist bisher nur bei PET-Verpackungen gelungen. In allen anderen Bereichen ist der Rezyklateinsatz im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit zurzeit so gut wie unmöglich”, sagt der BVE-Vertreter.
Das Verhandlungsergebnis zur Verpackungsverordnung soll im April im EU-Parlament angenommen werden, was als Formalie gilt. Es wird jedoch damit gerechnet, dass sich die finale Beschlussfassung durch Parlament und Rat in die kommende Legislaturperiode zieht. mo
Für den Slowaken Miroslav Lajčák ist es eher ein Abstieg: Der bisherige EU-Sondergesandte für den Dialog zwischen Belgrad und Pristina soll am 1. September als EU-Botschafter nach Bern wechseln. Die EU-Kommission hat vergangene Woche die Liste der Rotationen gutgeheißen und Lajčák ist dort der prominenteste Name. Die Ernennungen sollen in den nächsten ein bis zwei Wochen bestätigt werden.
Der 61-Jährige war auch als potentieller Nachfolger des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell im Gespräch. Die Nähe zum slowakischen Regierungschef Robert Fico dürfte einer Karriere in Brüssel derzeit allerdings wenig förderlich sein. Selber zwar parteiunabhängig, war Lajčák Außenminister in früheren Regierungen des Linksnationalisten.
Seit 2020 im Amt als Borrells Sonderbeauftragter fällt seine Bilanz zudem negativ aus. Lajčák sollte eine Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo herbeiführen, doch die Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina haben sich zuletzt nur verschlechtert und die Spannungen zugenommen. Die Regierung in Pristina wirft dem Sonderbeauftragten Einseitigkeit zugunsten Belgrads vor. Der Slowake kommt aus einem der fünf EU-Staaten, die Kosovo bisher nicht anerkannt haben.
Mit dem Wechsel nach Bern rettet sich Miroslav Lajčák rechtzeitig vor dem Ende der Amtszeit der derzeitigen EU-Kommission auf einen ruhigeren Anschlussposten. Wobei es mit dem Neustart der Verhandlungen zwischen Brüssel und der Schweiz auch einiges zu tun geben dürfte. Für den Job hatte sich auch Martin Selmayr interessiert, bis vor kurzem noch Leiter der EU-Vertretung in Wien und derzeit Gastprofessor an der Uni Wien. Die EU-Kommission hatte Selmayr Ende Januar auf Wunsch der österreichischen Regierung kurzfristig abberufen.
Der frühere Generalsekretär der EU-Kommission soll nun EU-Botschafter beim Vatikan werden, zuständig auch für die Beziehungen zu den UN-Organisationen in Rom und zu San Marino. Dies, nachdem Bewerbungen des starken Mannes der Juncker-Ära für die Botschafterposten in Washington und bei der UNO in New York gescheitert waren. Weitere Rotationen betreffen ebenfalls den Balkan: Aivo Orav, Estlands ständiger Vertreter in Brüssel, soll neu EU-Botschafter in Pristina werden. Der Österreicher Johann Sattler, EU-Sonderbeauftragter und Botschafter in Sarajevo, soll nach Podgorica wechseln. Der italienische EU-Diplomat Luici Soreca soll ihm in die bosnische Hauptstadt folgen. sti
Rumänien und Bulgarien sind am Ostersonntag dem Schengen-Raum beigetreten. Damit entfallen zunächst die Personenkontrollen an den internen Luft- und Seegrenzen, also an Flughäfen und Seehäfen. Die EU-Länder hatten sich bereits Ende Dezember auf den Schritt verständigt. Über die Aufhebung der Kontrollen an den Landgrenzen soll zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Dem Schengen-Raum gehören nun 25 der 27 EU-Mitgliedsländer sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz an.
Rumänien und Bulgarien hatten seit 2011 auf den Schengen-Beitritt gewartet. Darüber gab es aus unterschiedlichen Gründen lange keine Einstimmigkeit unter den EU-Staats- und Regierungschefs. Rumänien und Bulgarien waren bereits 2007 der EU beigetreten. Bis September 2023 standen Justiz und Rechtsstaat dort aber wegen Korruption und organisierter Kriminalität unter Sonder-Überwachung der EU-Kommission. Insbesondere Österreich hatte bis zuletzt Bedenken am Beitritt der beiden Länder zum Schengen-Raum geäußert und Bulgarien etwa den unzureichenden Schutz der Außengrenze vorgeworfen.
Die geschäftsführende Regierung in Bulgarien würdigte den eingeschränkten Schengen-Beitritt. Er sei der größte Erfolg nach der Aufnahme des Landes in die EU, sagte der Anfang März zurückgetretene Regierungschef Nikolaj Denkow bei einer feierlichen Zeremonie am internationalen Flughafen Sofia nach der Landung einer Maschine aus Berlin.
Für eine Entscheidung zur Aufhebung der Kontrollen auch an den Landgrenzen werde nun nach einem “politisch geeigneten Moment” nach der Europawahl und wahrscheinlich nach der Parlamentswahl in Österreich gesucht, sagte Denkow. dpa
Mit einer neuen europäischen “Kohlenstoff-Zentralbank” sollen nach den Vorstellungen des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) die CO₂-Menge, die Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre und Haftungsfragen reguliert werden. Das fordern Forscher des PIK in einer neuen Studie.
So wie die Europäische Union den CO₂-Ausstoß durch einen CO₂-Preis verteuert, sollte sie demnach die CO₂-Entnahme in der gleichen Höhe subventionieren. 0,3 bis drei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung wird es laut dem PIK-Direktor und Klimaökonomen Ottmar Edenhofer kosten, unvermeidbare Restemissionen technologisch der Atmosphäre zu entziehen und einzulagern. Die Studie solle ein konkretes Konzept für die Finanzierung liefern, so das PIK.
Um zu verhindern, dass kostengünstige landbasierte Entnahme-Methoden gegenüber teuren technologischen an Attraktivität verlieren, empfehlen die Forschenden zunächst, die Subventionen an die Speicherdauer des entnommenen Kohlenstoffs zu koppeln. Emissionen im Agrar- und Landnutzungssektor unterliegen derzeit noch nicht der CO₂-Bepreisung der EU. Daher ist der Anreiz gering, diese zu verhindern oder zu kompensieren. Erst wenn auch die CO₂-Emissionen im Landsektor umfassend ermittelt seien und der Bepreisung unterliegen, könnten Entnahmen unterschiedslos gefördert werden, so die Forschenden.
Um eine integre und wirksame Entnahme-Förderung aufzubauen, legt die Studie vier Schlüsselempfehlungen für eine europäische Governance-Struktur vor:
Ein neuer “European Clean Tech Tracker” soll Orientierung zur Entwicklung des grünen Umbaus und der Umsetzung des Green Deals in Europa geben. Das Informationsportal des Brüsseler Thinktanks Bruegel soll einen “klaren, aktuellen und politikrelevanten Überblick” über Innovationen, Herstellung und Aufbau der wichtigsten grünen Techniken bieten. Der Tracker solle Informationen für öffentliche und private Entscheidungen liefern, da die Datenlage zu grüner Technologie in Europa derzeit häufig zersplittert, schwer zu erreichen und oft nur kommerziell zu bekommen sei, heißt es auf der Website von Bruegel.
Die Datenbank, die noch im Aufbau ist und auch auf die Rückmeldung aus der Öffentlichkeit angewiesen sei, will vor allem Informationen in folgenden Gebieten liefern:
Die Informationen sollen sich vor allem auf folgende Techniken beziehen und regelmäßig aktualisiert werden:
In seiner ersten Version konzentriert sich der Tracker auf die ersten fünf dieser Themen. Rückmeldungen und zusätzliche Daten von Interessierten sind ausdrücklich erwünscht. bpo
Mit einem “Aktionsplan 100 Prozent Erneuerbare Energie für die nächste Europäische Kommission” legen die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung eine Planung für den schnelleren Ausbau der Öko-Energien vor. Kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament haben die beiden Organisationen eine Gruppe von mehr als 20 Experten aus Wissenschaft, Industrie, EU-Behörden und Zivilgesellschaft zusammengeholt, um Argumente für eine Konzentration auf die Erneuerbaren zusammenzutragen. Der Aktionsplan liegt Table.Briefing exklusiv vorab vor.
Demnach hat der Ausbau von Erneuerbaren große Vorteile:
Im Detail schlägt das Konzept vor:
Barbara Gessler kennt Berlin gut. Von 1998 bis 2003 arbeitete sie bereits in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin. Da stand das heutige Europäische Haus am Brandenburger Tor noch gar nicht. “Ich kenne dieses Gebäude schon, bevor es das Gebäude überhaupt gab”, sagt die 59-Jährige. “Und ich kenne auch den Potsdamer Platz noch als Tabula rasa.” Auch in all den Jahren dazwischen ist Berlin ihr immer wieder eine Reise wert. Sie besucht hier regelmäßig Familie, Freunde und mit großer Begeisterung die Theater und die Berlinale.
Seit dem 18. März leitet Barbara Gessler nun die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. “Ich hatte immer mehrere Träume. Einer der Träume war, als Leiterin der Vertretung nach Berlin zu gehen, als das Optimum, das ich erreichen kann. Und ich freue mich sehr, dass es jetzt wirklich geklappt hat.”
Dabei hat man ihr wegen ihrer Sprachbegabung schon früh eine Karriere bei der EU vorhergesagt: “Als ich noch ein Kind war, sagten sie in meiner Großfamilie bereits: Die Barbara geht mal nach Europa”, erinnert sich die 1964 in Gent Geborene. Die Mutter ist Flämin, der Vater Deutscher. “In meiner Familie sind verschiedene kulturelle Räume zusammengekommen: die flämische, also etwas barocke Lebensweise, und der etwas preußische Habitus meines Vaters aus Potsdam.” Beides passte erstaunlich gut zueinander. “Zusammen haben wir etwas Neues, Europäisches, gelebt. Das hat uns geprägt in der Familie – bis heute.”
Nach dem Abitur geht Barbara Gessler zunächst nach Paris, arbeitet dort als Sekretärin, verdient mit 18 Jahren ihr erstes Geld. Vor allem aber entdeckt sie dort die Kultur für sich, geht ins Kino und Theater, besucht die Lieblingscafés von Ernest Hemingway. Sie betrachtet das Jahr in Paris heute als eine Art Erweckungserlebnis.
Eigentlich will sie Sprachen studieren. “Aber mein Vater hat gesagt: Studiere lieber etwas Anständiges und setz’ die Sprachen obendrauf.” Das “Anständige” ist dann Verwaltungswissenschaft in Konstanz, wo Ralf Dahrendorf einst Gründungsprofessor war. “Das war ein interdisziplinärer Studiengang für Menschen, die in Verbänden, Institutionen oder Regierungen arbeiten wollten, die nicht nur Jura, nur VWL, Politik oder Soziologie studieren wollten, sondern ein breites Spektrum”, erklärt Barbara Gessler. “Das fand ich ansprechend.”
Während des Studiums verbrachte sie acht Monate in Buenos Aires beim Praktikum im Goethe-Institut und als Sekretärin in der Botschaft. Sie habe schon zu jener Zeit immer versucht, “eine Sichtweise zu finden weg vom rein Institutionellen hin zum Kulturellen, Lebendigen und Schönen.”
In ihrer Studienzeit “stand Europa noch nicht so richtig auf der Agenda der Hochschulen”, erinnert sie sich. Sie und ihre Studienfreunde hätten das aber anders gesehen. So geht sie für ihren Master in Europastudien ans College of Europe nach Brügge. Anschließend startet sie ihre berufliche Laufbahn als Assistentin des niedersächsischen Europaabgeordneten Klaus Wettig. 1994 wechselt sie dann zur Europäischen Kommission als Beamtin in den Bereichen Audiovisuelles, Umwelt und Kommunikation.
Ab 2011 arbeitet sie als Leiterin der Kultureinheit bei der Europäischen Exekutivagentur für Bildung und Kultur (EACEA), zuletzt leitet sie das Referat Internationaler Kapazitätsaufbau im Hochschulbereich. “Ich hatte das Glück, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte – insbesondere in den vergangenen elf Jahren, in denen ich Creative Europe in der einen oder anderen Funktion geleitet habe. Das war ein großes Glück.”
Als großes Glück empfindet sie es auch, jetzt in Berlin wirken zu können. “Ich sehe meine Aufgabe hier in drei Facetten”, sagt Barbara Gessler. “Das Wichtigste ist sicherlich, das Gesicht Europas zu sein.” Natürlich sei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Gesicht Europas. “Aber wenn die Präsidentin nicht da ist, sind wir als Haus hier die Kommission in Deutschland.”
Sie möchte zugänglich sein für die Menschen hier im Land. “Meine Rolle ist, Ansprechpartnerin zu sein, zuzuhören, Anregungen aufzunehmen, zu sehen, was liegt den Menschen auf dem Magen oder am Herzen? Und das dann nach Brüssel zurückzutragen.” Sie ist überzeugt, dass es für Brüssel immer wichtiger wird zu sehen, wie die Menschen vor Ort ticken und was das für die Politik Europa bedeutet.
Die andere Facette ist, dass sie auch diejenige will, die erklärt, was in Brüssel passiert. “Ich habe dafür zu sorgen, dass die Menschen hier verstehen, was wir in Europa machen, wie und warum. Das ist meines Erachtens eine Zweibahnstraße. Das kann nur funktionieren, wenn wir zuhören und rückkoppeln.”
Schließlich habe sie noch eine interne Aufgabe: die Leitung des Teams Deutschland mit den neuen Regionalleitungen in Bonn und München. “Dieses Team will ich stärken.” Obwohl Barbara Gessler nicht den Status einer Botschafterin hat, da sie ja innerhalb der EU arbeitet, ist ihre Rolle der einer Botschafterin doch sehr ähnlich.
Sie ist überzeugt, dass die Menschen mit dem Ukrainekrieg heute auch wieder den Wert der europäischen Einigung erkennen und die Notwendigkeit, geeint aufgestellt zu sein. “Ich glaube, diese Krisen haben den Wert Europas wieder deutlich gezeigt.” Daher hofft sie auf eine rege Beteiligung der deutschen Bürgerinnen und Bürger bei der Europawahl.
Und was wird das neue Mandat bringen? “Wir erreichen jetzt eine neue Phase”, sagt die EU-Vertreterin. “Wir haben unter Ursula von der Leyen vieles angestoßen und wir kommen jetzt in eine Phase der Konsolidierung und Umsetzung.” Und all jenen, die sich vor allem über zu viel Bürokratie aus Brüssel beklagen, erwidert sie: “Wir wissen natürlich auch, dass wir der deutschen Wirtschaft und generell der europäischen Wirtschaft keine Steine in den Weg legen dürfen, sondern dass wir im Gegenteil konkrete Unterstützung durch Bürokratieabbau und schnellere Verfahren anbieten müssen.” Und fügt hinzu: “Bürokratieabbau ist auch unser Begehren.”
Aus ihrer langen Zeit in Brüssel, weiß sie allerdings auch, dass es einfacher ist, Bürokratieabbau zu versprechen als ihn umzusetzen. “Ich habe elf Jahre für die Kulturförderung gearbeitet und wir haben immer gesagt, wir machen es leichter. Aber es ist ein dickes Brett zu bohren.”
Etwas leichter ist dagegen die Umgestaltung ihres hellen Eckbüros im Obergeschoss des Europäischen Hauses, von dem aus sie das Brandenburger Tor im Blick hat. Als Erstes möchte sie das Porträt von Ursula Hirschmann umhängen. Das Gemälde der Aktivistin und Verfechterin des europäischen Föderalismus soll nicht mehr im Flur, sondern einen Ehrenplatz an der Wand hinter ihrem Schreibtisch hängen.
Barbara Gessler spricht voller Bewunderung über Ursula Hirschmann, die 1975 in Brüssel die Vereinigung “Femmes pour l’Europe” gründete. Und über sich sagt sie: “Ich bin natürlich schon sehr stolz, dass ich die erste Frau hier in dieser Position bin.”
auch gut 35 Jahre nach der Einführung europäischer Verkehrspolitik sind die Transportwege Europas längst nicht so interoperabel wie nötig. Seit Jahren gibt es Initiativen, Konferenzen, Lösungsversprechen. Doch nur ganz allmählich tut sich etwas. Transportwege und -modalitäten werden über Jahrzehnte geplant – meist mit Fokus auf nationale Bedarfe.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine führte deutlich vor Augen: Die Transportmöglichkeiten aus der Ukraine in Richtung EU und damit wortwörtlich in sichere Häfen sind begrenzt. Ein Grund: unterschiedliche Schienennetze. Der Großteil des ukrainischen Netzes liegt zarenzeitbedingt noch bei 1520 Millimetern – damit auch ja kein denkbarer Aggressor jemals darauf fahren könne. Im Großteil Westeuropas, mit Ausnahme Finnlands und des Baltikums einerseits, Irlands, Portugals und Spaniens andererseits, wird auf 1435 Millimetern “Normalspur” gefahren.
Die Spurweite ist nicht die einzige Hürde, wenn ein Zug von einem ins andere Land soll: Unterschiedliche Fahrdrahtspannungen, Signalisierungsstandards und natürlich Sicherheitsvorgaben erschweren den grenzüberschreitenden Verkehr. In Zeiten, in denen möglicherweise auch schnelle Truppenverlegungen quer durch Europa nötig sind, ist das ein ganz besonderes Ärgernis.
An Projekten, die das irgendwann ändern soll, besteht kein Mangel – von ERTMS über Baltic-Rail und doch viele Vorhaben glänzen mit dem, womit auch viele Bahnunternehmen auffallen: massiven Verspätungen. Und so kann man nur mit gedämpfter Erwartungshaltung auf die “Connecting Europe Days” schauen, die sich ab heute in Brüssel am schnecklichen Fortschritt abarbeiten. Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing will darüber sprechen, welche Baustellen es beim innereuropäischen Güterverkehr noch geben soll.
Starten Sie gut in die neue Woche.
Weniger als ein Jahr vor Auslaufen des aktuellen Beschlusses zum temporären Schutz der aus der Ukraine Geflüchteten bleibt die Lage kompliziert. Derzeit läuft alles auf eine weitere Verlängerung im Herbst hinaus. Die Kommission würde die Verlängerung gemeinsam mit einer überarbeiteten Ausführungsverordnung gemäß Massenzustromrichtlinie (englisch TPD genannt) unterbreiten, die Mitgliedstaaten ihn beschließen. Doch das wird frühestens im Spätsommer der Fall sein, wenn die neue Kommission im Amt ist. Das bedeutet Unsicherheit – für die Mitgliedstaaten, die zuständigen Behörden und für die Ukrainerinnen und Ukrainer.
Man müsse jetzt eine Diskussion für das Vorgehen über den März 2025 hinaus führen, teilt ein Sprecher des österreichischen Innenministeriums auf Anfrage mit. Nationale Vorbereitungen bräuchten Zeit. “Wichtig ist, dass in weiterer Folge Rechtssicherheit für Mitgliedstaaten und temporär Schutzberechtigte besteht. Außerdem gilt es, eine Überlastung der Asyl- und Aufenthaltsbehörden zu verhindern.” Österreich hat seit dem Großangriff Russlands 110.000 Ukraine-Vertriebene bei knapp 9 Millionen Einwohnern registriert. Unter Deutschlands fast 84 Millionen Einwohner befanden sich Mitte März 958.640 Personen im temporären Schutzstatus, davon 286.965 Minderjährige.
Würde die Regelung nach Massenzustrom-Richtlinie ersatzlos auslaufen, würden in vielen Mitgliedstaaten der EU die Ukrainerinnen und Ukrainer als Kriegsflüchtlinge unter die Regelungen der Genfer Konvention fallen, also subsidiären Schutz erhalten. Dies würde Millionen Einzelverfahren nach Asylrecht bedeuten. Eigentlich sollte die Richtlinie mit dem neuen Krisenmechanismus des Asylpakets komplett ersetzt werden. Doch dieser Plan wurde angesichts der Realität wieder gestrichen. Erst für zukünftige Fälle könnte der neue Mechanismus greifen, der Anfang April im Europaparlament angenommen werden soll.
“Wir setzen uns für eine rechtzeitige Lösung ein, möglichst auf europäischer Ebene, aber wenn das nicht gelingt, dann auf nationaler Ebene“, sagt Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag. Das Ziel müsse sein, den Aufwand sowohl “für die Behörden – Ausländerbehörden, Jobcenter, Sozialämter – als auch die Menschen möglichst gering zu halten.” Doch dass es rechtzeitig klappt, viele Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem temporären Schutz in andere Schutzstati zu migrieren, ist unwahrscheinlich. Damit rückt das Behördenüberlastungsszenario mit jedem Tag ein Stückchen näher, an dem der Schutzstatus nicht weiter verlängert ist.
Ein Wechsel aller Ukrainer unter dem temporären Schutz in das Asylsystem 2025 wäre kaum zu bewältigen: “Das wäre großes Chaos”, meint der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt. Er fordert von EU-Kommission und Mitgliedstaaten: “Man muss das jetzt beschließen.” Die Kommunen müssten Kapazitäten aufbauen und planen können. “Für die Ukrainerinnen und Ukrainer ist es wichtig, zu wissen, dass sie nicht im nächsten März zurückmüssen.” Es brauche ein Signal, dass es sinnvoll wäre, die Sprache zu lernen und sich zu integrieren – unabhängig von einer späteren Rückkehr. Und das könne eben die Verlängerung sein.
Doch derzeit gibt es gleich drei Gründe, warum die EU-Kommission sich schwertut, diesen Prozess anzustoßen. Der erste ist hausgemacht und hängt mit dem Wortlaut der TPD-Richtlinie zusammen. Ende 2023 dachte man sich in der EU-Kommission, dass die Anwendung der Richtlinie erneut verlängert werden könnte. Eigentlich sieht sie vor: maximal zwei Verlängerungen – und die zweite ist im vergangenen Herbst bis März 2025 beschlossen worden.
Martin Wagner vom International Center for Migration Policy and Development (ICMPD) sieht den Plan als “rechtlichen Spagat”: “Die Richtlinie spricht in Artikel 6 von einer Höchstdauer, bei weiterer Anwendbarkeit bräuchte es diese maximale Dauer nicht, das ist schon ein klarer Hinweis.” Bloß: Es gibt keine verfügbare andere Möglichkeit.
“Wir sind fast alternativlos zu einer Verlängerung: Das Zeitfenster ist eng und es betrifft vier Millionen Menschen in der EU”, sagt Wagner. “Alle Alternativen hätten bereits auf den Weg gebracht werden müssen.” Allerdings könnte ein einziger Mitgliedstaat, der gegen die jetzt geplante Rechtsinterpretation klagt, bereits ausreichen, um die Verlängerung zu Fall zu bringen.
Der zweite Grund: die jetzige Kommission will hier nicht mehr tätig werden. Und wann die neue im Amt ist, ist offen. Vor dem Spätsommer oder Frühherbst ist aber kaum zu erwarten, dass sie von den Mitgliedstaaten benannt wurde und die Parlamentsanhörungen vorbei sind.
Der dritte Grund: Eine frühzeitige Verlängerung des Schutzstatus würde in die Ukraine das Signal senden, dass die EU von einer längeren Dauer des Krieges ausgeht. Eine mögliche Folge: dass die Flüchtlinge hier heimisch würden und vielleicht nicht mehr zurückgehen wollten. Das widerspricht eigentlich der Idee der Richtlinie über den temporären Schutz. Und diese der Realität nach über zwei Jahren Krieg.
“Die TPD-Richtlinie hat viele Vorteile, aber auch Nachteile: Das betrifft insbesondere die Verfestigung, denn nur wenige wollen Temporären Unterkunft und Arbeit geben”, erläutert der ICMPD-Senior Policy Advisor Martin Wagner. Es gebe aber große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, sowohl was Arbeitserlaubnisse als auch Wohnmöglichkeiten angehe. Es ist ein Zielkonflikt: Einerseits ist der dauerhafte Schwebezustand für die Menschen und die Empfängerstaaten mit Problemen behaftet. Für die Ukraine aber wäre es wichtig, dass die eigenen Staatsbürger dann, wenn es möglich ist, zurückkehren.
Für den Grünen-MdEP Erik Marquardt ist eine schnelle Verlängerung in jedem Fall unumgänglich. Statt mit Heimkehr müsse man realistischerweise derzeit eher mit weiteren Flüchtlingen rechnen. “Es kann ja durchaus sein, dass es eine Million Leute gibt, die in diesem Jahr aus der Ukraine nach Deutschland fliehen”, meint er. Das hänge schlicht vom Verlauf der Kampfhandlungen ab. Auch aus der Generaldirektion Innen, der DG Home, heißt es, dass bei einer Verschlechterung der Lage in der Ukraine mit massiven Flüchtlingsbewegungen zu rechnen sei, innerhalb und außerhalb des Landes.
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Alexander Throm fordert daher eine Änderung: “Die Verlängerung des EU-Schutzes für Ukrainer ist richtig, allerdings muss die Bundesregierung sich hier endlich für eine EU-weite Verteilung einsetzen.” Auch aus Österreich kommt der Wunsch nach Änderungen: “Ein koordinierter Zugang wird jedenfalls für sinnvoll erachtet, um Sekundärmigration zu verhindern”, teilt ein Ministeriumssprecher auf Table.Briefings-Anfrage mit.
Allerdings ist fraglich, ob das alle Staaten bei einer Verlängerung mittragen würden. Bislang sind es vor allem die Länder Nord-, Mittel- und Osteuropas, die den Großteil der Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben. In Frankreich sind gerade einmal 65.000 Flüchtlinge registriert worden. Und damit etwa so viele wie in Finnland, das weniger als ein Zehntel der Einwohner hat. “Bisher gibt es absolut keine Bemühung der Ampel für einen verpflichtenden europäischen Verteilmechanismus – obwohl Deutschland zu den Hauptzielländern der ukrainischen Kriegsflucht zählt”, bemängelt Throm.
Genau das aber ist unwahrscheinlich – weshalb jetzt eine Zersplitterung droht. “Mich macht es nervös, dass die Länder beginnen, sich national Gedanken zu machen”, meint ICMPD-Experte Martin Wagner.
Deutschland etwa versucht seit mehreren Monaten, möglichst viele der Ukraine-Flüchtlinge in andere “Rechtskreise” des Aufenthaltsrechts zu bringen. “Schnelle Erfolge wird es aber wohl nicht geben”, sagt Irene Vorholz vom Landkreistag und verweist auf eine Grundvoraussetzung: “Die Integration ist auch von den Sprachkenntnissen abhängig.”
Das Ziel wäre ein Aufenthaltsstatus, der mit geregeltem Erwerbsleben, Studium oder Ausbildung verbunden ist. Doch das bedeutet für die Betroffenen, einen sicheren Aufenthaltsstatus nach § 24 Aufenthaltsgesetz gegen einen unsicheren einzutauschen: Nach einer abgeschlossenen Ausbildung etwa hätten sie keine direkten Ansprüche wie unter dem temporären Schutz. Und müssten theoretisch sogar zurückkehren.
Ein deutsches Problem, das aber auch in einigen anderen Staaten Europas existiert. Die TPD-Richtlinie, das Arbeitsmigrations- und das Asylrecht sind oft parallele Systeme, die nicht ineinandergreifen. Diese mangelnde Flexibilität, sagt Martin Wagner, sei aus der Perspektive der Flüchtlinge ein Teil des Problems. “Warum sollten die von einem Rechtsstatus, der alles ermöglicht, zu einem Status wechseln, wo sie etwa nur studieren dürfen? Das ist die Krux im Zusammenspiel mit unseren Migrationsgesetzen.”
Deutschland hoffe weiter auf eine gemeinsame Lösung, heißt es vom zuständigen Pressesprecher des Bundesinnenministeriums: “Eine Änderung des § 24 AufenthG wird dabei nicht angestrebt.”
Tatsächlich könnte ein ganz anderes Gesetz in Deutschland dazu führen, dass ein Teil der 2022 aus der Ukraine gekommenen Flüchtlinge aus dem TPD-Schutz herausfällt. Am 26.03. wurde die Novelle des Staatsangehörigkeitsrechts im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit geht ab Ende Juni die Möglichkeit einher, unter Umständen bereits nach drei Jahren rechtmäßigem Aufenthalt deutscher Staatsbürger zu werden. Zwar ist das unter dem temporären Schutzstatus des Paragrafen 24 Aufenthaltsgesetz nicht möglich. Bei einem Wechsel in einen regulären Aufenthaltsstatus könnten diese Zeiten aber anrechenbar sein.
Für die Ukraine wäre das ein Problem. Für einige Flüchtlinge jedoch endlich eine planbare Perspektive. Der Migrationsexperte Martin Wagner fordert Pragmatismus: “Natürlich wird ein großer Teil zurückkehren – wir müssen gar nicht so tun, als ob alle dableiben.” Einige der Bürger bräuchte die Ukraine aber nach dem Krieg dringend selbst. Doch auch bei denen, die bleiben, stellten sich Fragen: “Gekommen sind vor allem Frauen und Kinder. Man wird sich perspektivisch also auch über Familienzusammenführung Gedanken machen müssen.”
Nachhaltige, klimafreundliche Verteidigung klingt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch in sich. Doch selbst Nato und EU haben sich zuletzt das Ziel einer “grünen Armee” beziehungsweise die Entwicklung von möglichst klimaneutralen Rüstungsgütern auf die Fahne geschrieben.
Industrie und Regierungen als Kunden hätten zu lange zur gesellschaftspolitischen Bedeutung der Branche geschwiegen, sagt Debbie Allen, beim britischen Rüstungskonzern BAE Systems als Direktorin unter anderem für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig. Das ändere sich für die breite Öffentlichkeit erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine.
Dabei bemüht sich die Branche schon länger um ein besseres Image. Die Wahrnehmung sei lange Zeit weitestgehend negativ gewesen, sagt Allen, die beim in Brüssel ansässigen Branchenverband Aerospace, Security and Defence Industry Association (ASD) eine Taskforce zum Thema Klima und Verteidigung leitet: “Das versuchen wir nun zu ändern, ohne dabei Greenwashing zu betreiben.”
Das sei zwar eine schwierige Gratwanderung, aber in Zukunft auch wichtig, um für Investoren und potenzielle Mitarbeiter attraktiv zu bleiben – oder es wieder zu werden. Der Klimawandel habe Einfluss auf Verteidigung, und Verteidigung gleichzeitig auf das Klima. Die Rüstungsindustrie wolle ihren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten, auch aus eigenem Interesse.
Die Regierungen hätten sich auf Klimaneutralität bis 2050 festgelegt, das sei auch für Verteidigungsministerien und Industrie verpflichtend, so Allen. Die westliche Welt verabschiede sich von den fossilen Brennstoffen, darauf müsse sich auch die Rüstungsindustrie einstellen. Wenn durch den EU-Emissionshandel (ETS) und das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) die Energiekosten steigen, ist das ein weiterer Grund für die Branche, umzudenken. Wobei Rüstungsgüter, die heute entworfen werden, womöglich 2050 oder 2060 noch im Einsatz sind, wenn Diesel oder Kerosin knapp oder teuer sein dürften. Auch dies müsse berücksichtigt werden.
Bei Rüstungsgütern werden die CO₂-Emissionen in drei Kategorien unterteilt. Erstens kann die Industrie ihre eigenen produktionsbedingten CO₂-Emissionen beeinflussen, zum Beispiel bei der Herstellung von Verteidigungsplattformen. Ein weiterer Bereich umfasst die Lieferketten beziehungsweise Zulieferer inklusive der Rohstoffgewinnung. Zwei Drittel der CO₂-Emissionen fallen jedoch in der dritten Kategorie an, nämlich beim Einsatz der Rüstungsgüter. Bei Kampfflugzeugen laufen laut Allen beispielsweise Versuche mit klimaneutralen Treibstoffen, wobei die kommerzielle Luftfahrt selbstverständlich Priorität bei der Versorgung mit diesen Treibstoffen habe.
Viel an Einsparungen könne auch erreicht werden, wenn Piloten noch mehr in Simulatoren statt in Kampfflugzeugen trainieren könnten. BAE Systems und andere Hersteller seien zudem dabei, Prototypen von Militärfahrzeugen mit Hybridantrieb oder elektrifizierten Antrieben zu testen. Das kann gleich mehrere Vorteile haben. Das Risiko bei der Energieversorgung könne reduziert werden. Die Verletzlichkeit des Nachschubs mit fossilen Brennstoffen und von Treibstofflagern zeige sich gerade in der Ukraine.
Elektrifizierte Fahrzeuge, die zumindest temporär im Elektromodus betrieben werden können, strahlten weniger Hitze ab und seien damit weniger sichtbar und praktisch geräuschlos. In der Ukraine hätten sich ferner auch kleine solarbetriebene Mikroenergienetze bewährt.
Nach Darstellung des Branchenverbands ASD, der sich auf internationale Studien beruft, trägt der globale Verteidigungssektor rund ein Prozent zu den weltweiten Treibhausgasemissionen anthropogenen Ursprungs bei. Die Rüstungsindustrie erhebe nicht den Anspruch, das Klima zu retten; die Einsatzfähigkeit bleibe Priorität, so Allen. Doch ohne Sicherheit gebe es auch keine Nachhaltigkeit.
Die EU kofinanziert unter anderem über ihren European Defence Fund Forschung und Entwicklung von klimaneutralen Rüstungsgütern. Die Nato hat bereits 2021 auf ihrem Gipfel in Brüssel einen Climate Change and Security Action Plan verabschiedet, mit dem Ziel einer Reduktion der Klimaschadstoffe um 45 Prozent bis 2030. Die Transition weg von fossilen Brennstoffen soll jedoch die Interoperabilität und die Einsatzfähigkeit der Verbündeten nicht infrage stellen. Die Streitkräfte der Nato-Staaten müssten “gleichzeitig grün und stark” sein, sagte Stoltenberg 2023.
03.04.2024 – 11:00-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
FES, Presentation How politicians got away with autocratizing Hungary
The Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) discusses the study “Identity, Partisanship, Polarization: How democratically elected politicians got away with autocratising Hungary”. INFOS & REGISTRATION
03.05.-02.07.2024, online
FSR, Seminar Electric Vehicles – Mobility meets the Power System
The Florence School of Regulation (FSR) addresses current developments in the Electric Vehicles sector. REGISTRATION BY 3 APRIL
Neben dem grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir stellt sich jetzt auch das BMUV hinter die Forderung, die Übergangsfrist für die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten zu verlängern. Beim EU-Agrarrat vergangene Woche hatten sich neben Özdemir auf Initiative Österreichs 20 Minister für einen Aufschub der seit vergangenem Jahr beschlossenen Regeln ausgesprochen.
Entscheidend ist aus BMUV-Sicht, ob die EU-Kommission rechtzeitig das sogenannte Länder-Benchmarking veröffentlicht: eine Liste, die jedem Land eine bestimmte Risikostufe für Entwaldung zuweist. Geschehe dies nicht, “befürwortet die Bundesregierung die Verlängerung der Übergangsphase“, sagte ein Sprecher Table.Briefings. Schon während der Verhandlungen zum Gesetz habe sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass dieses “nur umsetzbar” sei, wenn das Benchmarking vor Inkrafttreten der Regeln vorliegt.
Durch das Ranking sollen Behörden und Wirtschaftsakteure bei der Umsetzung der Verordnung besser einschätzen können, in welchen Ländern sie bei Lieferanten auf besonders genaue Nachweise dafür pochen müssen, dass für ein Produkt kein Wald abgeholzt wurde. Die Kommission hatte zuletzt Verzögerungen eingeräumt.
Es sei “möglich”, dass das Benchmarking nicht vor Ende des Jahres bereit sei, erklärte Astrid Schomaker von der Generaldirektion Umwelt kürzlich vor dem EU-Agrarausschuss. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Datenerhebung sei die Vorbereitung komplex, zudem wolle man sich die Zeit für den Austausch mit Behörden vor Ort nehmen, bevor man ein Land als Hochrisikostaat einstufe.
Trotz der Verzögerungen hat die Kommission einen Aufschub der Verordnung bislang ausgeschlossen. “Natürlich hören wir uns die Argumente an, aber ehrlich gesagt sehe ich keine Probleme”, so Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius vergangene Woche. Für einen Aufschub wäre zudem ein vollständiges Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung von Rat und Parlament nötig, um die entsprechenden Passagen zu ändern.
Auch ohne fertiges Länderranking könnten die Regeln aber aus Schomakers Sicht ohne Probleme in Kraft treten: “In diesem Fall würden alle Länder erst einmal automatisch als Standardrisiko eingestuft.” Genau das wäre aus deutscher Sicht jedoch unvorteilhaft. Denn in einem fertigen Länder-Benchmarking würde die Bundesrepublik mit großer Wahrscheinlichkeit als Niedrigrisikoland eingeordnet.
“Ohne das Länder-Benchmarking gelten essenzielle Erleichterungen für Niedrigrisikoländer nicht und die Verordnung ist nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für Wirtschaft und Verwaltung anwendbar”, moniert das BMUV. Waldbesitzer und Rinderhalter in Deutschland – neben Holz fallen unter anderem Rindererzeugnisse unter die Regeln – müssten mehr Aufwand betreiben, um zu belegen, dass ihre Erzeugnisse nicht mit Abholzung in Verbindung stehen, so die Befürchtung.
Während unter anderem Özdemir den geforderten Aufschub auch mit besonderen Belastungen “für Klein- und Kleinstwaldbesitzer” begründet, verweisen Umweltschützer darauf, dass das Gesetz für kleine Betriebe ohnehin eine längere Übergangsfrist vorsehe – erst ab Mitte 2025 gelten die Regeln auch für sie. jd
Vor dem nächsten Treffen des EU-US-Handels- und Technologierates (TTC) hat der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) eine signifikante Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten gefordert. In einem Brief ruft der VDMA beide Seiten dazu auf, Konformitätsbewertungsbarrieren zwischen der EU und den USA abzubauen und den Weg für eine erleichterte Zertifizierung von Investitionsgütern auf beiden Seiten des Atlantiks zu ebnen.
Den Brief schickte der VDMA nach eigenen Angaben sowohl nach Brüssel an Exekutiv-Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis und Binnenmarktkommissar Thierry Breton als auch an die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai und Handelsministerin Gina Raimondo. Das EU-US-TTC wird sein sechstes Ministertreffen am 4. und 5. April in Leuven abhalten. Der Handels- und Technologierat soll die transatlantischen Beziehungen verbessern, insbesondere in Bereichen, die für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind.
Im Kern des VDMA-Vorschlags steht die Erweiterung des EU-USA-Mutual-Recognition-Agreement von 1998, um den Handel mit Maschinen und Industrieausrüstungen zu vereinfachen. Der Verband schlägt vor, eine neue oder erweiterte regulatorische Vereinbarung zu treffen, die eine gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungsstellen ermöglicht. Dies würde die Zertifizierungsverfahren für Exporteure von Investitionsgütern deutlich vereinfachen und die Wartezeiten reduzieren. Die können aktuell zwischen drei und neun Monate betragen.
Der VDMA betont die potenziellen Vorteile einer solchen Vereinbarung für die Resilienz der Lieferketten und den Umweltschutz. Ein leichterer Handel mit Investitionsgütern könnte nicht nur die Kosten für die Herstellung sauberer Technologien senken, sondern auch die Abhängigkeit von externen Lieferquellen wie China reduzieren. Eine Studie des European Centre for International Political Economy (ECIPE) unterstützt diese Ansicht. Sie prognostiziert, dass eine solche Vereinbarung den transatlantischen Handel von Maschinen und elektrischen Ausrüstungen um 75 Milliarden Dollar steigern könnte. vis
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) erwartet einen hohen Bürokratieaufwand für Unternehmen durch die geplante EU-Verpackungsverordnung. Befürchtungen des Verbandes, die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) könne zu Störungen bei den etablierten deutschen Mehrweg- und Einwegsystemen führen, konnten dagegen verringert werden, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Peter Feller im Gespräch mit Table.Briefings. Die EU-Staaten hatten sich nach schwierigen Verhandlungen am 15. März auf eine Kompromisslösung zur EU-Verpackungsverordnung geeinigt.
Die EU-Kommission muss das Gesetz noch durch eine Vielzahl von delegierten Rechtsakten konkretisieren. Zudem liegt eine finale Textfassung bisher noch nicht vor. Deshalb sei die Verordnung weiterhin mit einigen Unwägbarkeiten behaftet, so Feller.
“Wir gehen aber jetzt schon davon aus, dass der Bürokratieaufwand für die Unternehmen steigen wird”, sagte er. So müsse die Bundesregierung zukünftig regelmäßig Daten an die EU liefern, die von den Unternehmen generiert werden müssten: etwa zu Recycling-, Rezyklateinsatz-, Mehrweg- und Einwegquoten. Darüber hinaus müssten Hersteller künftig für alle Verpackungen, die sie in den Verkehr bringen, Konformitätsbewertungsverfahren durchführen. Darin müssen sie prüfen und dokumentieren, dass die Verpackungen allen Anforderungen der Verordnung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Kennzeichnung entsprechen.
Positiv bewertet Feller dagegen Veränderungen hinsichtlich von Mehrweg- und Einwegsystemen. Hier habe es im ursprünglichen Verordnungstext der EU-Kommission einige Detailregelungen gegeben, die das reibungslose Funktionieren der etablierten deutschen Systeme hätten beeinträchtigen können. “Da ist unser Eindruck, dass einem erheblichen Teil unserer Bedenken Rechnung getragen wurde. Ob das schlussendlich reicht, um alle Beeinträchtigungen zu vermeiden, muss man abwarten”, erklärt Feller.
Eine Herausforderung sieht die BVE in den vorgesehenen Quoten zum Rezyklateinsatz bei Kunststoffverpackungen. Bei Lebensmittelverpackungen müsse der Rezyklateinsatz vereinbar sein mit dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit. “Das ist bisher nur bei PET-Verpackungen gelungen. In allen anderen Bereichen ist der Rezyklateinsatz im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit zurzeit so gut wie unmöglich”, sagt der BVE-Vertreter.
Das Verhandlungsergebnis zur Verpackungsverordnung soll im April im EU-Parlament angenommen werden, was als Formalie gilt. Es wird jedoch damit gerechnet, dass sich die finale Beschlussfassung durch Parlament und Rat in die kommende Legislaturperiode zieht. mo
Für den Slowaken Miroslav Lajčák ist es eher ein Abstieg: Der bisherige EU-Sondergesandte für den Dialog zwischen Belgrad und Pristina soll am 1. September als EU-Botschafter nach Bern wechseln. Die EU-Kommission hat vergangene Woche die Liste der Rotationen gutgeheißen und Lajčák ist dort der prominenteste Name. Die Ernennungen sollen in den nächsten ein bis zwei Wochen bestätigt werden.
Der 61-Jährige war auch als potentieller Nachfolger des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell im Gespräch. Die Nähe zum slowakischen Regierungschef Robert Fico dürfte einer Karriere in Brüssel derzeit allerdings wenig förderlich sein. Selber zwar parteiunabhängig, war Lajčák Außenminister in früheren Regierungen des Linksnationalisten.
Seit 2020 im Amt als Borrells Sonderbeauftragter fällt seine Bilanz zudem negativ aus. Lajčák sollte eine Normalisierung zwischen Serbien und Kosovo herbeiführen, doch die Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina haben sich zuletzt nur verschlechtert und die Spannungen zugenommen. Die Regierung in Pristina wirft dem Sonderbeauftragten Einseitigkeit zugunsten Belgrads vor. Der Slowake kommt aus einem der fünf EU-Staaten, die Kosovo bisher nicht anerkannt haben.
Mit dem Wechsel nach Bern rettet sich Miroslav Lajčák rechtzeitig vor dem Ende der Amtszeit der derzeitigen EU-Kommission auf einen ruhigeren Anschlussposten. Wobei es mit dem Neustart der Verhandlungen zwischen Brüssel und der Schweiz auch einiges zu tun geben dürfte. Für den Job hatte sich auch Martin Selmayr interessiert, bis vor kurzem noch Leiter der EU-Vertretung in Wien und derzeit Gastprofessor an der Uni Wien. Die EU-Kommission hatte Selmayr Ende Januar auf Wunsch der österreichischen Regierung kurzfristig abberufen.
Der frühere Generalsekretär der EU-Kommission soll nun EU-Botschafter beim Vatikan werden, zuständig auch für die Beziehungen zu den UN-Organisationen in Rom und zu San Marino. Dies, nachdem Bewerbungen des starken Mannes der Juncker-Ära für die Botschafterposten in Washington und bei der UNO in New York gescheitert waren. Weitere Rotationen betreffen ebenfalls den Balkan: Aivo Orav, Estlands ständiger Vertreter in Brüssel, soll neu EU-Botschafter in Pristina werden. Der Österreicher Johann Sattler, EU-Sonderbeauftragter und Botschafter in Sarajevo, soll nach Podgorica wechseln. Der italienische EU-Diplomat Luici Soreca soll ihm in die bosnische Hauptstadt folgen. sti
Rumänien und Bulgarien sind am Ostersonntag dem Schengen-Raum beigetreten. Damit entfallen zunächst die Personenkontrollen an den internen Luft- und Seegrenzen, also an Flughäfen und Seehäfen. Die EU-Länder hatten sich bereits Ende Dezember auf den Schritt verständigt. Über die Aufhebung der Kontrollen an den Landgrenzen soll zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Dem Schengen-Raum gehören nun 25 der 27 EU-Mitgliedsländer sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz an.
Rumänien und Bulgarien hatten seit 2011 auf den Schengen-Beitritt gewartet. Darüber gab es aus unterschiedlichen Gründen lange keine Einstimmigkeit unter den EU-Staats- und Regierungschefs. Rumänien und Bulgarien waren bereits 2007 der EU beigetreten. Bis September 2023 standen Justiz und Rechtsstaat dort aber wegen Korruption und organisierter Kriminalität unter Sonder-Überwachung der EU-Kommission. Insbesondere Österreich hatte bis zuletzt Bedenken am Beitritt der beiden Länder zum Schengen-Raum geäußert und Bulgarien etwa den unzureichenden Schutz der Außengrenze vorgeworfen.
Die geschäftsführende Regierung in Bulgarien würdigte den eingeschränkten Schengen-Beitritt. Er sei der größte Erfolg nach der Aufnahme des Landes in die EU, sagte der Anfang März zurückgetretene Regierungschef Nikolaj Denkow bei einer feierlichen Zeremonie am internationalen Flughafen Sofia nach der Landung einer Maschine aus Berlin.
Für eine Entscheidung zur Aufhebung der Kontrollen auch an den Landgrenzen werde nun nach einem “politisch geeigneten Moment” nach der Europawahl und wahrscheinlich nach der Parlamentswahl in Österreich gesucht, sagte Denkow. dpa
Mit einer neuen europäischen “Kohlenstoff-Zentralbank” sollen nach den Vorstellungen des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) die CO₂-Menge, die Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre und Haftungsfragen reguliert werden. Das fordern Forscher des PIK in einer neuen Studie.
So wie die Europäische Union den CO₂-Ausstoß durch einen CO₂-Preis verteuert, sollte sie demnach die CO₂-Entnahme in der gleichen Höhe subventionieren. 0,3 bis drei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung wird es laut dem PIK-Direktor und Klimaökonomen Ottmar Edenhofer kosten, unvermeidbare Restemissionen technologisch der Atmosphäre zu entziehen und einzulagern. Die Studie solle ein konkretes Konzept für die Finanzierung liefern, so das PIK.
Um zu verhindern, dass kostengünstige landbasierte Entnahme-Methoden gegenüber teuren technologischen an Attraktivität verlieren, empfehlen die Forschenden zunächst, die Subventionen an die Speicherdauer des entnommenen Kohlenstoffs zu koppeln. Emissionen im Agrar- und Landnutzungssektor unterliegen derzeit noch nicht der CO₂-Bepreisung der EU. Daher ist der Anreiz gering, diese zu verhindern oder zu kompensieren. Erst wenn auch die CO₂-Emissionen im Landsektor umfassend ermittelt seien und der Bepreisung unterliegen, könnten Entnahmen unterschiedslos gefördert werden, so die Forschenden.
Um eine integre und wirksame Entnahme-Förderung aufzubauen, legt die Studie vier Schlüsselempfehlungen für eine europäische Governance-Struktur vor:
Ein neuer “European Clean Tech Tracker” soll Orientierung zur Entwicklung des grünen Umbaus und der Umsetzung des Green Deals in Europa geben. Das Informationsportal des Brüsseler Thinktanks Bruegel soll einen “klaren, aktuellen und politikrelevanten Überblick” über Innovationen, Herstellung und Aufbau der wichtigsten grünen Techniken bieten. Der Tracker solle Informationen für öffentliche und private Entscheidungen liefern, da die Datenlage zu grüner Technologie in Europa derzeit häufig zersplittert, schwer zu erreichen und oft nur kommerziell zu bekommen sei, heißt es auf der Website von Bruegel.
Die Datenbank, die noch im Aufbau ist und auch auf die Rückmeldung aus der Öffentlichkeit angewiesen sei, will vor allem Informationen in folgenden Gebieten liefern:
Die Informationen sollen sich vor allem auf folgende Techniken beziehen und regelmäßig aktualisiert werden:
In seiner ersten Version konzentriert sich der Tracker auf die ersten fünf dieser Themen. Rückmeldungen und zusätzliche Daten von Interessierten sind ausdrücklich erwünscht. bpo
Mit einem “Aktionsplan 100 Prozent Erneuerbare Energie für die nächste Europäische Kommission” legen die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung eine Planung für den schnelleren Ausbau der Öko-Energien vor. Kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament haben die beiden Organisationen eine Gruppe von mehr als 20 Experten aus Wissenschaft, Industrie, EU-Behörden und Zivilgesellschaft zusammengeholt, um Argumente für eine Konzentration auf die Erneuerbaren zusammenzutragen. Der Aktionsplan liegt Table.Briefing exklusiv vorab vor.
Demnach hat der Ausbau von Erneuerbaren große Vorteile:
Im Detail schlägt das Konzept vor:
Barbara Gessler kennt Berlin gut. Von 1998 bis 2003 arbeitete sie bereits in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin. Da stand das heutige Europäische Haus am Brandenburger Tor noch gar nicht. “Ich kenne dieses Gebäude schon, bevor es das Gebäude überhaupt gab”, sagt die 59-Jährige. “Und ich kenne auch den Potsdamer Platz noch als Tabula rasa.” Auch in all den Jahren dazwischen ist Berlin ihr immer wieder eine Reise wert. Sie besucht hier regelmäßig Familie, Freunde und mit großer Begeisterung die Theater und die Berlinale.
Seit dem 18. März leitet Barbara Gessler nun die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. “Ich hatte immer mehrere Träume. Einer der Träume war, als Leiterin der Vertretung nach Berlin zu gehen, als das Optimum, das ich erreichen kann. Und ich freue mich sehr, dass es jetzt wirklich geklappt hat.”
Dabei hat man ihr wegen ihrer Sprachbegabung schon früh eine Karriere bei der EU vorhergesagt: “Als ich noch ein Kind war, sagten sie in meiner Großfamilie bereits: Die Barbara geht mal nach Europa”, erinnert sich die 1964 in Gent Geborene. Die Mutter ist Flämin, der Vater Deutscher. “In meiner Familie sind verschiedene kulturelle Räume zusammengekommen: die flämische, also etwas barocke Lebensweise, und der etwas preußische Habitus meines Vaters aus Potsdam.” Beides passte erstaunlich gut zueinander. “Zusammen haben wir etwas Neues, Europäisches, gelebt. Das hat uns geprägt in der Familie – bis heute.”
Nach dem Abitur geht Barbara Gessler zunächst nach Paris, arbeitet dort als Sekretärin, verdient mit 18 Jahren ihr erstes Geld. Vor allem aber entdeckt sie dort die Kultur für sich, geht ins Kino und Theater, besucht die Lieblingscafés von Ernest Hemingway. Sie betrachtet das Jahr in Paris heute als eine Art Erweckungserlebnis.
Eigentlich will sie Sprachen studieren. “Aber mein Vater hat gesagt: Studiere lieber etwas Anständiges und setz’ die Sprachen obendrauf.” Das “Anständige” ist dann Verwaltungswissenschaft in Konstanz, wo Ralf Dahrendorf einst Gründungsprofessor war. “Das war ein interdisziplinärer Studiengang für Menschen, die in Verbänden, Institutionen oder Regierungen arbeiten wollten, die nicht nur Jura, nur VWL, Politik oder Soziologie studieren wollten, sondern ein breites Spektrum”, erklärt Barbara Gessler. “Das fand ich ansprechend.”
Während des Studiums verbrachte sie acht Monate in Buenos Aires beim Praktikum im Goethe-Institut und als Sekretärin in der Botschaft. Sie habe schon zu jener Zeit immer versucht, “eine Sichtweise zu finden weg vom rein Institutionellen hin zum Kulturellen, Lebendigen und Schönen.”
In ihrer Studienzeit “stand Europa noch nicht so richtig auf der Agenda der Hochschulen”, erinnert sie sich. Sie und ihre Studienfreunde hätten das aber anders gesehen. So geht sie für ihren Master in Europastudien ans College of Europe nach Brügge. Anschließend startet sie ihre berufliche Laufbahn als Assistentin des niedersächsischen Europaabgeordneten Klaus Wettig. 1994 wechselt sie dann zur Europäischen Kommission als Beamtin in den Bereichen Audiovisuelles, Umwelt und Kommunikation.
Ab 2011 arbeitet sie als Leiterin der Kultureinheit bei der Europäischen Exekutivagentur für Bildung und Kultur (EACEA), zuletzt leitet sie das Referat Internationaler Kapazitätsaufbau im Hochschulbereich. “Ich hatte das Glück, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte – insbesondere in den vergangenen elf Jahren, in denen ich Creative Europe in der einen oder anderen Funktion geleitet habe. Das war ein großes Glück.”
Als großes Glück empfindet sie es auch, jetzt in Berlin wirken zu können. “Ich sehe meine Aufgabe hier in drei Facetten”, sagt Barbara Gessler. “Das Wichtigste ist sicherlich, das Gesicht Europas zu sein.” Natürlich sei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Gesicht Europas. “Aber wenn die Präsidentin nicht da ist, sind wir als Haus hier die Kommission in Deutschland.”
Sie möchte zugänglich sein für die Menschen hier im Land. “Meine Rolle ist, Ansprechpartnerin zu sein, zuzuhören, Anregungen aufzunehmen, zu sehen, was liegt den Menschen auf dem Magen oder am Herzen? Und das dann nach Brüssel zurückzutragen.” Sie ist überzeugt, dass es für Brüssel immer wichtiger wird zu sehen, wie die Menschen vor Ort ticken und was das für die Politik Europa bedeutet.
Die andere Facette ist, dass sie auch diejenige will, die erklärt, was in Brüssel passiert. “Ich habe dafür zu sorgen, dass die Menschen hier verstehen, was wir in Europa machen, wie und warum. Das ist meines Erachtens eine Zweibahnstraße. Das kann nur funktionieren, wenn wir zuhören und rückkoppeln.”
Schließlich habe sie noch eine interne Aufgabe: die Leitung des Teams Deutschland mit den neuen Regionalleitungen in Bonn und München. “Dieses Team will ich stärken.” Obwohl Barbara Gessler nicht den Status einer Botschafterin hat, da sie ja innerhalb der EU arbeitet, ist ihre Rolle der einer Botschafterin doch sehr ähnlich.
Sie ist überzeugt, dass die Menschen mit dem Ukrainekrieg heute auch wieder den Wert der europäischen Einigung erkennen und die Notwendigkeit, geeint aufgestellt zu sein. “Ich glaube, diese Krisen haben den Wert Europas wieder deutlich gezeigt.” Daher hofft sie auf eine rege Beteiligung der deutschen Bürgerinnen und Bürger bei der Europawahl.
Und was wird das neue Mandat bringen? “Wir erreichen jetzt eine neue Phase”, sagt die EU-Vertreterin. “Wir haben unter Ursula von der Leyen vieles angestoßen und wir kommen jetzt in eine Phase der Konsolidierung und Umsetzung.” Und all jenen, die sich vor allem über zu viel Bürokratie aus Brüssel beklagen, erwidert sie: “Wir wissen natürlich auch, dass wir der deutschen Wirtschaft und generell der europäischen Wirtschaft keine Steine in den Weg legen dürfen, sondern dass wir im Gegenteil konkrete Unterstützung durch Bürokratieabbau und schnellere Verfahren anbieten müssen.” Und fügt hinzu: “Bürokratieabbau ist auch unser Begehren.”
Aus ihrer langen Zeit in Brüssel, weiß sie allerdings auch, dass es einfacher ist, Bürokratieabbau zu versprechen als ihn umzusetzen. “Ich habe elf Jahre für die Kulturförderung gearbeitet und wir haben immer gesagt, wir machen es leichter. Aber es ist ein dickes Brett zu bohren.”
Etwas leichter ist dagegen die Umgestaltung ihres hellen Eckbüros im Obergeschoss des Europäischen Hauses, von dem aus sie das Brandenburger Tor im Blick hat. Als Erstes möchte sie das Porträt von Ursula Hirschmann umhängen. Das Gemälde der Aktivistin und Verfechterin des europäischen Föderalismus soll nicht mehr im Flur, sondern einen Ehrenplatz an der Wand hinter ihrem Schreibtisch hängen.
Barbara Gessler spricht voller Bewunderung über Ursula Hirschmann, die 1975 in Brüssel die Vereinigung “Femmes pour l’Europe” gründete. Und über sich sagt sie: “Ich bin natürlich schon sehr stolz, dass ich die erste Frau hier in dieser Position bin.”