Table.Briefing: Europe

Streit über Ukraine-Fonds + Neue Renew-Vorsitzende + Gentechnik

Liebe Leserin, lieber Leser,

es galt als Frage der Zeit, wann er geht. Jetzt ist es so weit. Diederik Samsom verlässt die Kommission. Der Niederländer hatte als Kabinettschef von Frans Timmermans einen erheblichen Anteil, dass Timmermans in Brüssel den Beinamen Klima-Taliban bekam. Samsom war Ideologe und Antreiber im Hintergrund. Er schärfte die Green-Deal-Vorschläge an. Er war kein klassischer Kommissionsbeamter. Bevor er nach Brüssel kam, war er Greenpeace-Aktivist und auch einmal Spitzenpolitiker, nämlich Chef der sozialistischen Partij van de Arbeid in den Niederlanden.

Sei es das Verbrenner-Aus für Neufahrzeuge 2035, das Naturwiederherstellungsgesetz oder die Pestizidverordnung: Samsom hat bei allen Gesetzgebungsvorschlägen seine Handschrift hinterlassen, die Autoherstellern und Bauern wehtun. Für führende EVP-Umweltpolitiker war er ein rotes Tuch, sie forderten seit Monaten seine Ablösung. Als Timmermans, Vizepräsident für den Green Deal, im Sommer überraschend in die Niederlande abbog und da Regierungschef werden wollte, setzte ein Klimawandel in der Kommission bei der Umweltgesetzgebung ein. Vorschläge zum Green Deal, die nach dem Timmermans-Abgang vorgelegt wurden, fielen weniger radikal aus.

Wopke Hoekstra, der Christdemokrat, der auf Timmermans folgte, hielt zunächst an Samsom fest. Vermutlich brauchte er den gewieften Verhandler bei der Klimakonferenz. Jetzt trennen sich die Wege von Samsom und Hoekstra. Wie de Volkskrant schreibt, bleibt Samsom Brüssel erhalten. Er schreibe erst einmal das Klima-Programm für das nächste Mandat Green Deal 2.0. Wenn das stimmt, muss man sich warm anziehen. Einen schönen Tag wünscht

Ihr
Markus Grabitz
Bild von Markus  Grabitz

Analyse

EU streitet über Waffenhilfe für die Ukraine: Alle Länder müssen 2024 höhere Beiträge leisten

Was wird aus der Europäischen Friedensfazilität EPF, mit deren Hilfe europäische Waffenlieferungen an die Ukraine finanziert werden? Über diese Frage ist ein komplizierter Streit zwischen den EU-Staaten entbrannt, in den auch Deutschland verwickelt ist. Ein Kompromissvorschlag des Europäischen Auswärtigen Dienstes EAD konnte den Konflikt bisher nicht lösen. Beim EU-Sondergipfel am 1. Februar sei noch keine Einigung zu erwarten, heißt es in Brüssel, aber es gebe ein positives Momentum. 

Eigentlich sollte über die Zukunft der EPF bereits beim letzten Gipfeltreffen im Dezember entschieden werden. Vereinbart war, den ursprünglich für Friedensmissionen konzipierten und aus nationalen Beiträgen jenseits des EU-Budgets finanzierten Fonds abzulösen und einen neuen “Ukraine Assistance Fund” (UAF) aufzulegen. Daraus sollten dann Waffenlieferungen finanziert werden – und zwar ohne die Probleme, die den EPF zuletzt plagten. 

Deutschland: Bilaterale Hilfen voll anrechnen

Doch daraus wurde nichts. Deutschland forderte, bilaterale Hilfen an die Ukraine vollständig anzurechnen. Man könne “keinem UAF zustimmen”, der bilaterale Hilfen “nicht zu 100 Prozent als gleichwertige Alternative zu finanziellen Beiträgen zur EPF behandeln würde”, hieß es in einem Drahtbericht, der Table.Media vorliegt. Für das laufende Jahr hat Deutschland der Ukraine bereits Waffenhilfen im Wert von acht Milliarden Euro zugesagt

Auch die “Governance” müsse verändert werden, findet die Bundesregierung. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Länder wie Ungarn die Auszahlung von EPF-Mitteln durch ein Veto verzögern können. Es komme darauf an, dass die Militärhilfe die Ukraine ohne Verzögerung erreiche, erklärte der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß. Alle Länder müssten 2024 höhere Beiträge leisten- dies sei der eigentliche Knackpunkt der Verhandlungen. 

Bisher nur Bewegung statt Einigung

Bisher kreist die Debatte aber weiter um fünf Milliarden Euro, die bereits Ende 2023 für die Aufrüstung der Ukraine vorgesehen waren. “Wir werden – so hoffe ich – eine Einigung über eine Aufstockung der Europäischen Friedensfazilität um fünf Milliarden Euro erzielen, damit wir einen Hilfsfonds für die Ukraine einrichten können”, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Brüssel. 

Auch bei Treffen der Ständigen Vertreter sowie des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees (PSK) am Mittwoch in Brüssel wurde nach Angaben von Diplomaten keine Einigung erzielt. Ein “Non Paper” des EAD wurde zwar von allen Seiten als gute Diskussionsgrundlage bezeichnet. Man bewege sich in die richtige Richtung, hieß es, unter anderem auch aus Berlin.  

Beim Vergleich der Beiträge zum neuen Ukraine-Fonds sollen künftig auch bilaterale Hilfen berücksichtigt werden, wie dies die Bundesregierung fordert. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Finanzierung sollen aber gemeinsame Rüstungsprojekte stehen – ein Wunsch, den Paris seit Jahren hegt. “Buy European” würde es künftig heißen, wenn es um die Ukraine-Hilfe geht. Zudem sollen die Regeln für die Rückerstattung nationaler Beiträge verschärft werden. 

Klamme Kassen bereiten Probleme

Für Berlin ist dies noch zu wenig, für viele andere EU-Länder ist es aber bereits zu viel. Vor allem kleinere Länder setzen weiter auf die bisher übliche Rückerstattung aus dem EPF. Zudem gibt es Bedenken gegen eine gemeinsame Rüstungsproduktion – zu langsam und zu teuer sei das. Das Hauptproblem sind aber die überall knappen Kassen. Schon Deutschland hatte Mühe, seine Waffenhilfe aufzustocken. Andere Länder sehen sich dazu schlicht außerstande. 

Doch der Druck steigt, wie die jüngsten Äußerungen aus Berlin zeigen. “Am Ende kann es nicht so sein, dass Deutschland finanziell mehr tut, damit andere weiter weniger tun können”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). “Wenn 50 Prozent der gesamten europäischen Hilfe aus Deutschland kommt, dann besteht die Gefahr der Überdehnung unserer fiskalischen Möglichkeiten.”

Scholz und Lindner machen Druck

Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). “Die Beiträge, die die europäischen Staaten bisher für 2024 vorgesehen haben, sind noch nicht groß genug”, sagte Scholz der Zeit. “Europa muss diskutieren, was jedes Land beitragen kann, damit wir die Unterstützung erheblich ausweiten können.” Beim EU-Sondergipfel am 1. Februar dürfte er das Streitthema ansprechen. 

Der Budgetexperte und Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen, mahnt zu Eile: “Wir können es uns nicht erlauben, gleich an mehreren Stellen wochen- und monatelang um Art und Höhe der europäischen Unterstützung für die Ukraine zu streiten“, sagte er Table.Media. “Gerade jetzt, wo auch die Unterstützung aus den USA zurückgeht und mit einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps das Schlimmste zu befürchten ist, muss die Europäische Union ein verlässlicher Partner sein.” 

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Europäischer Rechnungshof stellt CO₂-Flottenregulierung vernichtendes Zeugnis aus

Die EU-Flottengesetzgebung hat nicht dazu geführt, den CO₂-Ausstoß neu zugelassener Fahrzeuge in dem erwünschten Umfang zu senken. Erst nach 2020, also elf Jahre nach Inkrafttreten der ersten CO₂-Flottengrenzwertregulierung, die den Herstellern spezifische Obergrenzen für den CO₂-Ausstoß vorschreibt, begannen die CO₂-Emissionen von Pkw deutlich zurückzugehen. Der Rückgang war zudem nur dem höheren Marktanteil von batterieelektrischen Fahrzeugen geschuldet. Der CO₂-Ausstoß von neuen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nahm nicht nennenswert ab. Die CO₂-Flottengesetzgebung ist das zentrale Instrument der EU, um den CO₂-Ausstoß von neuen Fahrzeugen zu senken.  

Dieses vernichtende Urteil fällt der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht “Reduktion der CO₂-Emissionen von Pkw”. Der Bericht, den das Mitglied Pietro Russo verantwortet, basiert auf Recherchen in drei Mitgliedstaaten, Deutschland, Italien und Niederlande.

Messung im Labor setzte falsche Anreize

Der Bericht macht zudem deutlich, dass die Methodik der CO₂-Messung den Herstellern lange die falschen Anreize gesetzt hat. So seien im Zeitraum 2009 bis 2020 die durchschnittlichen, im praktischen Fahrbetrieb entstanden Emissionen nicht zurückgegangen. Das habe vor allem daran gelegen, “dass sich die Hersteller auf die Verringerung der im Labor gemessenen Emissionen statt auf die Verringerung der tatsächlichen Emissionen konzentrierten”. Erst 2017 ist dann auf einen Testbetrieb umgestiegen worden, der den realen Fahrbetrieb besser simuliert. Und bei Neufahrzeugen, die seit 2022 zugelassen wurden, sammelt die Kommission über Geräte in jedem einzelnen Fahrzeug Daten zum realen Verbrauch.

2021 hatten verkehrsbedingte CO₂-Emissionen einen Anteil von 23 Prozent an den Treibhausgasemissionen der EU. Der Verkehr ist damit nach der Energiebereitstellung die zweitgrößte Treibhausgas-Quelle in der EU. Der Verkehr ist zudem der einzige Wirtschaftszweig, in dem die Emissionen seit 1990 nicht zurückgegangen sind.

Neue Messmethodik nach Dieselskandal

Der Rechnungshof spricht in seinem Bericht davon, dass vor 2020 “der angestrebte Nutzen der Verordnung weitgehend hinfällig” war. Grund dafür sei die große Diskrepanz zwischen den Messungen im Labor und den realen Emissionen auf der Straße gewesen. Ab 2010 gab es verbindliche Flottengrenzwerte, dennoch seien die Emissionen im Zeitraum vor 2020 um weniger als sieben Prozent zurückgegangen. Die im Labor gemessenen Werte seien im gleichen Zeitraum um 16 Prozent zurückgegangen – von durchschnittlich 145,7 Gramm je gefahrenen Kilometer 2009 auf 122,3 Gramm 2019. Die durchschnittliche Differenz zwischen Laborergebnis und Ergebnis auf der Straße sei bis 2018 auf 38 Prozent gestiegen.

Der Dieselskandal 2015 gab den Anstoß, den Labortestzyklus NEFZ auf das weltweit harmonisierte Prüfverfahren für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge WLTP umzustellen. Außerdem werden nun Daten im realen Fahrbetrieb gesammelt. Ein Vergleich der Daten aus 2021 zum realen Verbrauch und den Laborergebnissen ergab immer noch hohe Diskrepanzen von:

  • 18,1 Prozent bei Dieselfahrzeugen
  • 23,7 Prozent bei Benzinern
  • 250 Prozent bei Plug-in-Hybriden

Die hohe Abweichung bei Plug-in-Hybriden erklärt sich so: Die Kommission unterstellt, dass Plug-in-Hybride einen hohen Kilometeranteil im Elektrobetrieb zurücklegen. Tatsächlich fahren Plug-in-Hybride weitere Strecken im Verbrennermodus. Zudem handele es sich häufig um Dienstwagen. Sodass der Arbeitgeber den Treibstoff zahle und der Fahrer keinen Ansporn habe, batterieelektrisch zu fahren.

Der Hof konzentrierte sich in seinem Sonderbericht nur auf den tatsächlichen CO₂-Ausstoß der Neufahrzeuge. Die Energie, die nötig ist, um die Batterien für E-Autos herzustellen, sowie der Anteil von fossiler Energie im Strommix bleiben außen vor.

Zehn Prozent schwerer, 25 Prozent mehr PS

Die Daten zum CO₂-Ausstoß bei Verbrennern im realen Fahrbetrieb zeigen, dass die Verbräuche über die Jahre kaum oder gar nicht zurückgegangen sind. Bei Dieselfahrzeugen blieben die Emissionen von Neufahrzeugen im Untersuchungszeitraum annähernd konstant. Bei Benzinern ist lediglich ein Rückgang um 4,6 Prozent zu verzeichnen. Die Motoren seien zwar durch bessere Technik und die Einführung von hybriden Antriebssträngen effizienter geworden. Doch das höhere Gewicht und stärkere Motorleistung hätten den technologischen Fortschritt wieder aufgehoben. Zwischen 2011 und 2022 habe das Gewicht von Neuwagen im Schnitt um zehn Prozent zugenommen und die Motorleistung um 25 Prozent.

  • CO2-Emissionen
  • Rechnungshof

Termine

26.01.2023 – 10:00-12:00 Uhr, Hamburg
HK, Konferenz Internationales Klima-Forum der Hamburger Wirtschaft
Die Handelskammer (HK) Hamburg stellt eine Studie zum Gemeinwohlbeitrag vor. INFOS & ANMELDUNG

29.01-02.02.2024, online
ERA, Seminar Fundamentals of EU State Aid Law: Substantive and Procedural Aspects
The European Academy of Law (ERA) provides legal practitioners with a thorough overview of EU State aid law. INFOS & REGISTRATION

29.01.2023 – 09:00-16:00 Uhr, Berlin
HBS, Konferenz KI: Immer größer statt grüner
Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) geht der Frage nach, wie Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen von KI-Systemen in der Entwicklung und im Einsatz verringert werden können. INFOS & ANMELDUNG

29.01.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Biomethan-KWK im Flex-Betrieb
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) beschäftigt sich mit dem Potenzial von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen für die flexible Strom- und Wärmeerzeugung. INFOS & ANMELDUNG

29.01.2024 – 19:30-21:00 Uhr, Konstanz
FNF, Vortrag Was, wenn Trump zurückkommt? Vier Strategien, wie Deutschland sich wappnen kann
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert die Herausforderungen einer möglichen Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten für die deutsche und europäische Politik. INFOS & ANMELDUNG

30.01.2024 – 10:30-12:30 Uhr, online
ZIA, Seminar EU-Provisionsverbot: Tiefer Einschnitt in die gesamte Vertriebsstrategie
Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) analysiert die zu erwartende Rechtslage der EU-Kleinanlegerstrategie. INFOS & ANMELDUNG

30.01.2024 – 14:00-16:00 Uhr, online
ASEW, Vortrag Update GEG 2024 und BEG EM
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) gibt einen Überblick über die neuen Regelungen des GEG. INFOS & ANMELDUNG

30.01.2024 – 17:30 Uhr, Hamburg
Europe Direct, Podiumsdiskussion Made in EU: Wie kann Hamburg zur Technologischen Souveränität Europas beitragen?
Europe Direct geht der Frage nach, warum technologische Souveränität wichtig und Protektionismus (wieder) ein Thema ist. INFOS & ANMELDUNG

31.01.-25.03.2024, online
FSR, Seminar EU Gas Network Codes
The Florence School of Regulation (FSR) provides information on the EU Gas Network Codes. REGISTRATION BY 28 JANUARY

14.02.-20.03.2024, online
EUI, Seminar Regulating Digital Networks and Infrastructures
The Centre for a Digital Society (EUI) addresses critical aspects such as regulatory challenges in fixed and mobile networks, cloud computing, and cybersecurity, as well as the main geopolitical issues in infrastructure development. REGISTRATION BY 28 JANUARY

News

Studie erwartet Rechtsruck bei Europawahl

Weit rechts stehende Parteien könnten die großen Gewinner der Europawahl im Juni werden. Laut einer Studie im Auftrag des European Council on Foreign Affairs (ECFR) kann die rechtsradikale Fraktion Identität und Demokratie (ID) mit einem Zuwachs um 40 auf künftig 98 Sitze im neuen Europaparlament rechnen. Die nationalkonservative Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) könnte demnach um 18 auf 85 Sitze zulegen. Sollte sich die ungarische Regierungspartei Fidesz der EKR anschließen, käme sie sogar auf 99 Sitze.

Die ECFR-Studie kommt damit zu ähnlichen Ergebnissen wie andere Experten. Die drei großen proeuropäischen Fraktionen im heutigen Europaparlament würden demnach deutlich Stimmen einbüßen. EVP, Sozialdemokraten und Liberalen hätten aber noch eine Mehrheit von 54 Prozent der Sitze im neuen Parlament und könnten somit die sogenannte Von-der-Leyen-Koalition fortsetzen.

Theoretisch könnten EVP, EKR und ID demnach auch ein rechtes Bündnis formen, aber eine Kooperation der Christdemokraten mit der antieuropäischen ID-Fraktion ist schwer vorstellbar. Der linke Teil des Parlaments aus S&D, Grünen und Linke käme laut Studie auf 33 Prozent der Sitze, etwas weniger als heute. tho

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EU-Umweltausschuss stimmt für Deregulierung neuer Züchtungstechniken

Mit 47 zu 31 Stimmen haben die Abgeordneten des EU-Umweltausschusses (ENVI) am Mittwoch dafür gestimmt, den europäischen Rechtsrahmen zu neuen Züchtungstechniken zu liberalisieren. Die Abstimmung im Parlamentsplenum ist zwischen dem 5. und 8. Februar geplant. Anders als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag sieht der Ausschuss eine Klausel vor, dass mithilfe neuer Gentechnik gewonnene Pflanzen und Pflanzenmaterial sowie deren Erbgut nicht patentierbar sind. Mit der Zusatzklausel war Berichterstatterin Jessica Polfjärd (EVP) auf Kritiker zugegangen, die befürchteten, dass die Reform zu mehr Patenten und weniger Diversität auf dem Saatgutmarkt führen könnte.

In anderen wesentlichen Punkten bleibt der Umweltausschuss, der bei dem Dossier federführend ist, nah am Kommissionsvorschlag. Dieser sieht für gentechnisch veränderte Pflanzen, die auch durch konventionelle Züchtung hätten entstehen können (Kategorie 1), laxere Vorgaben vor, beispielsweise zu Kennzeichnungspflichten. Demnach soll gentechnisch verändertes Saatgut der Kategorie 1 kennzeichnungspflichtig bleiben, verarbeitete Produkte hieraus entlang der Lieferkette aber nicht. Ebenfalls beibehalten wird das Verbot neuer Gentechniken im Biolandbau. Zusätzliche Maßnahmen zur Ermöglichung einer garantiert gentechnikfreien Produktion, wie sie unter anderem Grüne und Bioverbände gefordert hatten, nahm der Ausschuss nicht auf.

Grüne enttäuscht, Erfolg für EVP

Die Annahme des Textes ist ein Erfolg für EVP-Politikerin Polfjärd, die die Abstimmung als Schritt hin zu “mehr Ernährungssicherheit auf nachhaltige Weise” begrüßt. Auch die CDU-Europaabgeordneten Norbert Lins und Peter Liese begrüßten das Votum. Mit der Zusatzklausel zum Patentrecht seien die Konservativen den Kritikern “einen wichtigen Schritt entgegengekommen”, so Lins. Die Grünen, die sich immer wieder lautstark gegen den Vorschlag gestellt haben, überzeugt das nicht. Das Abstimmungsergebnis sei “eine mittlere Katastrophe für Umwelt- und Verbraucherschutz”, kritisiert Martin Häusling, Verhandlungsführer der Grünen. Der Europaabgeordnete sieht die Wahlfreiheit der Verbraucher sowie den Ökolandbau gefährdet.

Derweil dürfte das positive Votum in dem Parlamentsausschuss auch den Druck auf die belgische EU-Ratspräsidentschaft erhöhen, einen Kompromiss unter den Mitgliedstaaten zu erreichen. Nachdem der Versuch einer Einigung unter den EU-Agrarministern im Dezember gescheitert war, suchen die Belgier aktuell auf Arbeitsebene nach Kompromissmöglichkeiten. Dem Vernehmen nach gestalten sich die Gespräche schwierig. Um den Vorschlag noch vor der EU-Wahl zu verabschieden, müssen eigentlich die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament bis 9. Februar abgeschlossen sein. Eine Fristverlängerung bis März ist möglich. In diesem Fall wäre eine rechtzeitige Einigung theoretisch noch möglich, die Zeit wäre aber sehr knapp. jd

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Brüssel will Forschung besser gegen China abschirmen

Die Europäische Union möchte die eigene Forschung und Entwicklung effektiver vor chinesischem Einfluss und Zugriff abschirmen. Die EU-Kommission stellte dazu am Mittwoch im Rahmen ihrer Strategie für wirtschaftliche Sicherheit mehrere Punkte vor:

  • Mehr Unterstützung für Forschung und Entwicklung, die mit Dual-Use-Technologie zu tun hat. Dazu hat die Brüsseler Behörde ein Weißbuch veröffentlicht. Dieses soll eine öffentliche Konsultation der EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments, der Interessenträger und der Zivilgesellschaft einleiten, um zur Entwicklung des nächsten EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation, dem Nachfolger des Horizon-Programms, beizutragen.
  • Mehr Forschungssicherheit: Die EU-Behörde möchte einen Teil des Risikomanagements auf europäischer Ebene zentralisieren, mit einem europäischen Kompetenzzentrum für Forschungssicherheit. Dieses soll mit einer Plattform der Kommission zur Bekämpfung ausländischer Einmischung in den Forschungs- und Innovationsbereich verknüpft werden. Ein solches Zentrum sei “ein entscheidendes Element in den Bemühungen Europas, den unerwünschten Transfer kritischer Technologie zu verhindern und hybriden Bedrohungen entgegenzuwirken”, erklärte die EU-Kommission.
  • Mehr Unterstützung in den Mitgliedsstaaten: Die EU-Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten, eine Unterstützungsstruktur zu schaffen, “um Forschung und Innovatoren bei der Bewältigung von Risiken im Zusammenhang mit der internationalen Zusammenarbeit in Forschung und Innovation zu unterstützen” “Red Flag”-Projekte sollen so eine bessere Risikobewertung erhalten.

Das EU-Paket für wirtschaftliche Sicherheit enthält Initiativen in weiteren Bereichen: von Plänen für eine Verschärfung der Verordnung über ausländische Direktinvestitionen, über eine effektivere Kontrolle, um die Weitergabe von sensiblem Tech-Knowhow zu vermeiden, bis hin zu einer besseren Koordinierung der Ausfuhrkontrollen von Technologien.

Kritische Reaktionen in Wirtschaft und Wissenschaft

Die Strategie der Brüsseler Behörde wurde am Mittwoch gemischt aufgenommen: Der Europäische Forschungsrat betonte, dass die EU ihr Budget für Forschung und Entwicklung erhöhen müsse, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch die Wirtschaft sah die Vorschläge kritisch. Die Wirtschaftssicherheit in der EU sollte mehr beinhalten als den immer wieder angeführten Instrumentenkasten, betonte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie. “Bisher hat die Kommission fast ausschließlich zu den Schutzmaßnahmen ihrer Drei-Säulen-Strategie geliefert. Das ist zu wenig.”

Der Fahrplan der EU sei nun an das Ergebnis des Megawahljahrs 2024 gebunden, erklärte Tobias Gehrke vom Thinktank European Council on Foreign Relations. Die Strategie von Ursula von der Leyen konzentriere sich auf drei Dinge, sagt Gehrke: Eine transatlantische Ausrichtung, die Beobachtung von China und die Navigation im “Labyrinth kritischer Technologien.” ari

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Kulturausschuss winkt Trilog-Kompromiss für Medienfreiheitsgesetz durch

Der Kultur- und Medienausschuss des Europäischen Parlaments (CULT) hat das Trilogergebnis zum European Media Freedom Act ohne längere Debatte am Mittwoch mit 24 Ja- und 6 Nein-Stimmen angenommen. “Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass wir an dem einen oder anderen Punkt mehr Einsicht bei den Mitgliedstaaten gehabt hätten, haben wir den Großteil der uns wichtigen Punkte im Dossier widerspiegeln können und uns auch gegen den Rat durchsetzen können”, sagte die Berichterstatterin und CULT-Vorsitzende Sabine Verheyen (CDU). Insbesondere beim Schutz von Journalisten habe man viele Parlamentspositionen durchsetzen können.

Die Alternative wäre gewesen, keinen Media Freedom Act mehr zu bekommen, weil der Rat dann nicht mehr weiterverhandelt hätte, meint Verheyen. Auch in Zukunft sei der Text überarbeitbar – und die Wechselwirkung insbesondere mit der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste und anderen relevanten EU-Rechtsakten müsse in der Zukunft genau beobachtet werden.

Am 19. Januar hatten die Mitgliedstaatenvertreter im COREPER I dem Ergebnis nach einigen Diskussionen zugestimmt. Damit ist der Weg jetzt frei für die endgültige Verabschiedung des EMFA bis April 2024. fst

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KI: Besserer Zugang für Start-ups und KMU zu Hochleistungscomputern

Wer Künstliche Intelligenz entwickeln will, braucht für das Training seiner Modelle eine riesige Menge Daten, enorme Rechenleistung und das Wissen, wie man diese Ressourcen effizient nutzt. Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen können sich diese Zutaten in der Regel nicht leisten. Da die KI-Hoffnungen in Europa aber zu großen Teilen auf Start-ups und KMU ruhen, will die EU diese bei der “Entwicklung einer vertrauenswürdigen künstlichen Intelligenz” unterstützen. Dafür hat sie ein Paket zusammengestellt.

Dazu gehören unter anderem die Einrichtung von KI-Fabriken, der leichtere Zugang zu Hochleistungsrechnern sowie die Einrichtung eines KI-Büros in der EU-Kommission. Erstaunlich ist dabei, dass die Kommission das im AI Act vorgesehene KI-Büro bereits einrichten will, bevor das Gesetz überhaupt angenommen ist.

Zugang zu Supercomputern

“Man braucht Rechenleistung, um KI zu entwickeln. Sehr viel davon”, sagte Margrethe Vestager, zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, zu dem Maßnahmenpaket. Deshalb wolle die Kommission KMU und Start-ups einen privilegierten Zugang zum Netz der europäischen Supercomputer ermöglichen.

Dazu wird die Kommission die Regulierung der europäischen Hochleistungscomputer (EuroHPC-Verordnung) ändern. Sie will KI-Fabriken (AI Factories) als eine neue Säule für die Aktivitäten des EU-Supercomputers Joint Undertaking einrichten. Da diese Hochleistungsrechner mit EU-Geldern finanziert werden, ist deren Nutzung kostenfrei. Allerdings gibt es mehr Nutzungsanfragen als Kapazitäten, weswegen Start-ups und KMU bisher zu wenig zum Zuge kommen. Außerdem müssen die Hochleistungsrechner erst für den Einsatz von KI optimiert werden.

Kommission will Geld geben und Talente fördern

Darüber hinaus hat die Kommission weitere Unterstützung angekündigt. So wird sie finanzielle Mittel im Rahmen von Horizon und Digital Europe der Entwicklung generativer KI widmen. Das Paket werde bis 2027 zusätzliche öffentliche und private Investitionen in Höhe von insgesamt rund vier Milliarden Euro auslösen, teilte die Kommission mit.

Begleitend soll es Initiativen zur Stärkung des generativen KI-Talentpools in der EU durch Bildungs-, Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen geben. Über die schnellere Entwicklung gemeinsamer europäischer Datenräume sollen dem KI-Ökosystem zudem mehr Daten für das Trainieren der Modelle zur Verfügung stehen.

Zusätzlich gründet die EU-Kommission zusammen mit einer Reihe von Mitgliedstaaten zwei europäische Konsortien für digitale Infrastrukturen (EDICs): die Allianz für Sprachtechnologien (ALT-EDIC) und das CitiVERSE EDIC. Letzteres soll lokale digitale Zwillinge entwickeln. Diese helfen Kommunen bei der Planung und Optimierung von Prozessen – vom Verkehrsmanagement bis zur Abfallwirtschaft.

Im AI Office soll alles zusammenlaufen

Das KI-Büro (AI Office) innerhalb der EU-Kommission soll die KI-Politik auf europäischer Ebene entwickeln und koordinieren. Es ist auch dafür vorgesehen, den künftigen AI Act umzusetzen und zu überwachen. Es war das Parlament, das ein solches AI Office in seinen Vorschlag zum AI Act einfügte, um die KI-Regulierung in der EU zu harmonisieren. Allerdings sahen die Abgeordneten es als eine unabhängige Organisation vor – und nicht als ein Büro der Kommission.

Obwohl der AI Act nach der politischen Trilog-Einigung im Dezember noch gar nicht verabschiedet ist, teilte die Kommission mit: Der Beschluss zur Einrichtung des KI-Büros tritt am 24. Januar in Kraft. Das AI Office werde in den folgenden Monaten seine Arbeit aufnehmen. Die Kommission stellt es sich als zentrale Koordinierungsstelle für die KI-Politik auf EU-Ebene vor. Es soll mit anderen Kommissionsdienststellen, EU-Einrichtungen, Mitgliedstaaten und dem KI-Ökosystem zusammenarbeiten – auch auf internationaler Ebene. vis

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Kommission will als erste den AI Act befolgen

Die Kommission möchte mit gutem Beispiel vorangehen und in der eigenen Verwaltung vertrauenswürdige KI einsetzen. Sie will KI nutzen, um ihr Personal zu unterstützen, den Verwaltungsaufwand zu verringern und die Qualität und Wirkung ihrer Arbeit zu verbessern. Dabei greift sie dem Beschluss des entsprechenden KI-Gesetzes voraus. Um die Zeit bis zum Inkrafttreten des AI Acts zu überbrücken, hatte Kommissar Thierry Breton bereits im Sommer vergangenen Jahres einen AI Pact angekündigt: KI-Entwickler sind eingeladen, die Anforderungen des AI Acts bereits jetzt zu erfüllen.

Um die Vorteile und Chancen der KI-Technik voll auszuschöpfen, wird die Kommission sich selbst unverzüglich den geplanten Vorschriften unterwerfen. Dazu hat die EU-Kommission am Mittwoch ihre strategische Vision veröffentlicht. Darin steht, wie sie die Entwicklung und Nutzung rechtmäßiger, sicherer und vertrauenswürdiger Systeme der künstlichen Intelligenz intern fördern will.

Kommission richtet interne KI-Governance ein

Folgende Maßnahmen hat die Kommission angekündigt:

  • interne operative Leitlinien ausarbeiten, mit klaren und pragmatischen Anleitungen
  • KI-Systeme bewerten und klassifizieren, die die Kommission bereits verwendet oder künftig verwenden wird
  • die Verwendung von KI-Systemen vermeiden, die mit europäischen Werten unvereinbar sind oder von denen eine Bedrohung für die Gefahrenabwehr, die Sicherheit, die Gesundheit und die Grundrechte der Menschen ausgeht
  • geeignete Organisations- und Leitungsstrukturen schaffen, damit die Kommission ihren Verpflichtungen in Bezug auf die KI nachkommen kann.

Außerdem richtet die Kommission eine besondere interne KI-Governance ein. Die soll KI-Aspekte bei neuen IT-Investitionen bewerten, die Einhaltung der operativen Leitlinien der Kommission unterstützen und überwachen sowie ein breit angelegtes Netzwerk aufbauen. Die soll auf dem bereits existierenden AI@EC-Netzwerk basieren. Die Kommission will darüber hinaus ein Register der von ihr genutzten KI-Systeme erstellen und pflegen.

KI soll in Zukunft bei der Gesetzgebung helfen

Zu den operativen Maßnahmen gehört auch, ein reibungslos funktionierendes Datenökosystem im Rahmen der internen Datenstrategie der Kommission (DataStrategy@EC) zu schaffen. Dafür will die Kommission ihre eigenen Datenbestände miteinander verknüpfen, um die Prozesse in der Kommission zu unterstützen.

Tatsächlich nutzt die Kommission bereits eine Reihe von KI-Systemen. Dazu gehören zum Beispiel KI-gestützte Sprachdienste und die semantische Textanalyse. In der Erprobung befinden sich Systeme etwa um Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit zu analysieren, Wettbewerbssachen zu bearbeiten, Betrug zu erkennen oder Förderanträge und Ausschreibungen benutzerfreundlicher zu gestalten. Künftig will sich die Kommission auch bei Gesetzgebungsverfahren von KI unterstützen lassen. vis

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Kommission legt Entwurf zu europäischen Betriebsräten vor

Die Richtlinie zu europäischen Betriebsräten (EBR) soll nach Willen der Kommission überarbeitet werden. Einen entsprechenden Vorschlag haben am Mittwoch Arbeitskommissar Nicolas Schmitt und Handelskommissar Valdis Dombrovskis vorgestellt. Unter anderem sollen bestehende Lücken zur Einrichtung von EBRs geschlossen werden. Es gibt derzeit laut Kommission mehr als 300 grenzüberschreitend arbeitende Betriebe mit mehr als fünf Millionen Beschäftigten, in denen laut den aktuellen Regelungen kein europäischer Betriebsrat erforderlich ist. Das soll sich künftig ändern.

Darüber hinaus will die Kommission sicherstellen, dass:

  • EBR-Mitglieder besser einbezogen werden, bevor länderübergreifende Entscheidungen anstehen und in dem Prozess Antworten auf ihre Stellungnahmen erhalten sollen, bevor die Entscheidung getroffen wird;
  • die Unternehmensleitung künftig begründen muss, wenn sie keine Informationen an den EBR weitergeben kann, wenn diese Infos vertraulich sind;
  • die europäischen Betriebsräte künftig leichter Zugang zu Gerichten in den Mitgliedsstaaten erhalten sollen;
  • die Mitgliedstaaten die Richtlinie besser durchsetzen.

Europäische Betriebsräte können derzeit in grenzüberschreitenden Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten eingerichtet werden, wenn diese in mindestens zwei Mitgliedstaaten der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums tätig sind. Entsprechend werden EBR-Mitglieder angehört, wenn länderübergreifende Entscheidungen, etwa Umstrukturierungen, anstehen.

Allerdings kam die Kommission selbst in einer Evaluation der Richtlinie zu dem Schluss, dass die Einbindung der EBRs bisher in einigen Fällen ineffektiv sei und es in einigen Mitgliedstaaten an wirksamen und abschreckenden Sanktionen mangele. Es seien darauf nichtlegislative Maßnahmen eingeleitet worden. Diese hätten aber nicht die erhofften Verbesserungen bei der Durchsetzung gezeigt, heißt es im Vorschlag der Kommission. Im vergangenen Jahr hatte bereits das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert, auf dem Feld aktiv zu werden. lei

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Agora: Klimaschutz dauerhaft durch EU-Schulden finanzieren

Klimaschutz in Europa soll nach einem Vorschlag der Agora-Think-Tanks auch nach 2026 durch gemeinsame EU-Schulden finanziert werden. “Ein neuer Klimafonds sollte die Lücke nach dem Auslaufen des Wiederaufbaufonds RRF schließen“, sagte Andreas Graf von Agora Energiewende am Mittwoch bei einer Veranstaltung in Brüssel. Die Einnahmen sollten unter anderem aus CO₂-Zertifikaten und EU-Schulden stammen.

“In Zukunft kann die EU-Finanzierung auch eine stabilisierende Rolle spielen, da die Regierungen mit allmählich sinkenden Einnahmen aus der Besteuerung fossiler Brennstoffe rechnen müssen, während sich die EU in Richtung Klimaneutralität bewegt”, hieß es weiter. Aus dem Corona-Wiederaufbaufonds RRF können die EU-Mitglieder noch bis Ende 2026 bestimmte Investitionen finanzieren. Zuvor hatte Agora bereits auf die Bedeutung des neuen EU-Haushalts, der ab 2028 gilt, für die Festlegung des Klimaziels 2040 hingewiesen. ber

  • CO2-Zertifikate
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Valérie Hayer – Macron-Vertraute rückt an Spitze der Renew-Fraktion

Die Französin Valérie Hayer ist die einzige Kandidatin für den Renew-Fraktionsvorsitz.

Wir haben unsere Camemberts gerettet“, triumphierte Valérie Hayer im November letzten Jahres auf X (ex-Twitter). Die französische Europaabgeordnete bezog sich auf die Beibehaltung der Holzschachteln für Camemberts, die während der Verhandlungen über die Verpackungsverordnung zu einem Reizthema geworden waren.

Dass sich die 37-Jährige für Camembert-Packungen interessiert, überrascht nicht: Hayer ist Tochter von Landwirten, ihr Heimatdepartement Mayenne besteht zu 80 Prozent aus landwirtschaftlicher Nutzfläche. Das Departement liegt in der Nähe der Loire-Schlösser. Hayer kennt sich in der Landwirtschaft also aus – ein Vorteil in einer Zeit, in der sich die Proteste der Landwirte in der Europäischen Union ausbreiten, wie es eine liberale Parlamentsquelle sieht.

Niederländer hat wegen Wilders-Kooperation Nachsehen

An diesem Donnerstag dürfte Hayer neue Fraktionsvorsitzende der liberalen Fraktion im Europaparlament werden. Dann wählen die 101 Abgeordneten die Nachfolgerin des bisherigen Vorsitzenden Stéphane Séjourné, und Hayer ist die einzige verbliebene Kandidatin. Séjourné war zuvor zum neuen Außenminister in der Regierung Gabriel Attals ernannt worden.

Kommissarisch hatte der Niederländer Malik Azmani, der erste stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Liberalen, das Amt übernommen. Azmani hatte auch Interesse an dem Posten signalisiert, verzichtete nach ausgiebigen Sondierungen aber letztlich auf eine Kandidatur. Die Unterstützer seiner Rivalin Hayer führten insbesondere die Verhandlungen seiner Partei VVD mit dem rechtsextremen Geert Wilders über die Bildung einer Regierung in den Niederlanden ins Feld.

Einflussreiche Haushaltspolitikerin

Hayers Kompetenz beim Thema Landwirtschaft ist nicht ihr einziger Trumpf: “Unter den französischen Europaabgeordneten aller Parteien hat sie sich seit Beginn ihrer Amtszeit Einfluss verschafft“, sagt ein Beobachter. Im Parlament sitzt Hayer im Haushaltsausschuss und war insbesondere für die Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 sowie das europäische Konjunkturprogramm nach der Covid-19-Krise verantwortlich. Sie wurde außerdem zur ständigen Co-Berichterstatterin für das Thema Eigenmittel der EU ernannt. “Die Suche nach Kompromissen ist das, was sie auszeichnet“, sagt eine Quelle.

Kompromissfähigkeit ist eine notwendige Eigenschaft in einer politischen Gruppe wie Renew, die den Ruf hat, oft gespalten zu sein. Insbesondere zwischen den französischen Mitgliedern von Renaissance und den deutschen Mitgliedern der FDP knirscht es. “Innerhalb von Renew werfen die Franzosen den Deutschen vor, dass sie wie die deutschen Konservativen stimmen“, sagt eine französische Quelle. “Und die Deutschen in Renew werfen den Franzosen vor, den Interessen von Emmanuel Macron zu dienen”, entgegnet eine deutsche Stimme.

Langjährige Macron-Unterstützerin

Die französische Delegation ist die größte in der Gruppe (23 von 101 gewählten Vertretern) und sie unterstützte mehrheitlich eine Kandidatur Hayers. Zumal sie den französischen Präsidenten seit Beginn seiner Kandidatur für den Elysée-Palast im Jahr 2017 unterstützt hat und somit zu den treuen Anhängern von Emmanuel Macron zählt, was ein weiterer wichtiger Pluspunkt für sie ist, zumindest aus französischer Sicht. Claire Stam

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    es galt als Frage der Zeit, wann er geht. Jetzt ist es so weit. Diederik Samsom verlässt die Kommission. Der Niederländer hatte als Kabinettschef von Frans Timmermans einen erheblichen Anteil, dass Timmermans in Brüssel den Beinamen Klima-Taliban bekam. Samsom war Ideologe und Antreiber im Hintergrund. Er schärfte die Green-Deal-Vorschläge an. Er war kein klassischer Kommissionsbeamter. Bevor er nach Brüssel kam, war er Greenpeace-Aktivist und auch einmal Spitzenpolitiker, nämlich Chef der sozialistischen Partij van de Arbeid in den Niederlanden.

    Sei es das Verbrenner-Aus für Neufahrzeuge 2035, das Naturwiederherstellungsgesetz oder die Pestizidverordnung: Samsom hat bei allen Gesetzgebungsvorschlägen seine Handschrift hinterlassen, die Autoherstellern und Bauern wehtun. Für führende EVP-Umweltpolitiker war er ein rotes Tuch, sie forderten seit Monaten seine Ablösung. Als Timmermans, Vizepräsident für den Green Deal, im Sommer überraschend in die Niederlande abbog und da Regierungschef werden wollte, setzte ein Klimawandel in der Kommission bei der Umweltgesetzgebung ein. Vorschläge zum Green Deal, die nach dem Timmermans-Abgang vorgelegt wurden, fielen weniger radikal aus.

    Wopke Hoekstra, der Christdemokrat, der auf Timmermans folgte, hielt zunächst an Samsom fest. Vermutlich brauchte er den gewieften Verhandler bei der Klimakonferenz. Jetzt trennen sich die Wege von Samsom und Hoekstra. Wie de Volkskrant schreibt, bleibt Samsom Brüssel erhalten. Er schreibe erst einmal das Klima-Programm für das nächste Mandat Green Deal 2.0. Wenn das stimmt, muss man sich warm anziehen. Einen schönen Tag wünscht

    Ihr
    Markus Grabitz
    Bild von Markus  Grabitz

    Analyse

    EU streitet über Waffenhilfe für die Ukraine: Alle Länder müssen 2024 höhere Beiträge leisten

    Was wird aus der Europäischen Friedensfazilität EPF, mit deren Hilfe europäische Waffenlieferungen an die Ukraine finanziert werden? Über diese Frage ist ein komplizierter Streit zwischen den EU-Staaten entbrannt, in den auch Deutschland verwickelt ist. Ein Kompromissvorschlag des Europäischen Auswärtigen Dienstes EAD konnte den Konflikt bisher nicht lösen. Beim EU-Sondergipfel am 1. Februar sei noch keine Einigung zu erwarten, heißt es in Brüssel, aber es gebe ein positives Momentum. 

    Eigentlich sollte über die Zukunft der EPF bereits beim letzten Gipfeltreffen im Dezember entschieden werden. Vereinbart war, den ursprünglich für Friedensmissionen konzipierten und aus nationalen Beiträgen jenseits des EU-Budgets finanzierten Fonds abzulösen und einen neuen “Ukraine Assistance Fund” (UAF) aufzulegen. Daraus sollten dann Waffenlieferungen finanziert werden – und zwar ohne die Probleme, die den EPF zuletzt plagten. 

    Deutschland: Bilaterale Hilfen voll anrechnen

    Doch daraus wurde nichts. Deutschland forderte, bilaterale Hilfen an die Ukraine vollständig anzurechnen. Man könne “keinem UAF zustimmen”, der bilaterale Hilfen “nicht zu 100 Prozent als gleichwertige Alternative zu finanziellen Beiträgen zur EPF behandeln würde”, hieß es in einem Drahtbericht, der Table.Media vorliegt. Für das laufende Jahr hat Deutschland der Ukraine bereits Waffenhilfen im Wert von acht Milliarden Euro zugesagt

    Auch die “Governance” müsse verändert werden, findet die Bundesregierung. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Länder wie Ungarn die Auszahlung von EPF-Mitteln durch ein Veto verzögern können. Es komme darauf an, dass die Militärhilfe die Ukraine ohne Verzögerung erreiche, erklärte der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß. Alle Länder müssten 2024 höhere Beiträge leisten- dies sei der eigentliche Knackpunkt der Verhandlungen. 

    Bisher nur Bewegung statt Einigung

    Bisher kreist die Debatte aber weiter um fünf Milliarden Euro, die bereits Ende 2023 für die Aufrüstung der Ukraine vorgesehen waren. “Wir werden – so hoffe ich – eine Einigung über eine Aufstockung der Europäischen Friedensfazilität um fünf Milliarden Euro erzielen, damit wir einen Hilfsfonds für die Ukraine einrichten können”, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Brüssel. 

    Auch bei Treffen der Ständigen Vertreter sowie des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees (PSK) am Mittwoch in Brüssel wurde nach Angaben von Diplomaten keine Einigung erzielt. Ein “Non Paper” des EAD wurde zwar von allen Seiten als gute Diskussionsgrundlage bezeichnet. Man bewege sich in die richtige Richtung, hieß es, unter anderem auch aus Berlin.  

    Beim Vergleich der Beiträge zum neuen Ukraine-Fonds sollen künftig auch bilaterale Hilfen berücksichtigt werden, wie dies die Bundesregierung fordert. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Finanzierung sollen aber gemeinsame Rüstungsprojekte stehen – ein Wunsch, den Paris seit Jahren hegt. “Buy European” würde es künftig heißen, wenn es um die Ukraine-Hilfe geht. Zudem sollen die Regeln für die Rückerstattung nationaler Beiträge verschärft werden. 

    Klamme Kassen bereiten Probleme

    Für Berlin ist dies noch zu wenig, für viele andere EU-Länder ist es aber bereits zu viel. Vor allem kleinere Länder setzen weiter auf die bisher übliche Rückerstattung aus dem EPF. Zudem gibt es Bedenken gegen eine gemeinsame Rüstungsproduktion – zu langsam und zu teuer sei das. Das Hauptproblem sind aber die überall knappen Kassen. Schon Deutschland hatte Mühe, seine Waffenhilfe aufzustocken. Andere Länder sehen sich dazu schlicht außerstande. 

    Doch der Druck steigt, wie die jüngsten Äußerungen aus Berlin zeigen. “Am Ende kann es nicht so sein, dass Deutschland finanziell mehr tut, damit andere weiter weniger tun können”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). “Wenn 50 Prozent der gesamten europäischen Hilfe aus Deutschland kommt, dann besteht die Gefahr der Überdehnung unserer fiskalischen Möglichkeiten.”

    Scholz und Lindner machen Druck

    Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). “Die Beiträge, die die europäischen Staaten bisher für 2024 vorgesehen haben, sind noch nicht groß genug”, sagte Scholz der Zeit. “Europa muss diskutieren, was jedes Land beitragen kann, damit wir die Unterstützung erheblich ausweiten können.” Beim EU-Sondergipfel am 1. Februar dürfte er das Streitthema ansprechen. 

    Der Budgetexperte und Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen, mahnt zu Eile: “Wir können es uns nicht erlauben, gleich an mehreren Stellen wochen- und monatelang um Art und Höhe der europäischen Unterstützung für die Ukraine zu streiten“, sagte er Table.Media. “Gerade jetzt, wo auch die Unterstützung aus den USA zurückgeht und mit einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps das Schlimmste zu befürchten ist, muss die Europäische Union ein verlässlicher Partner sein.” 

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    Europäischer Rechnungshof stellt CO₂-Flottenregulierung vernichtendes Zeugnis aus

    Die EU-Flottengesetzgebung hat nicht dazu geführt, den CO₂-Ausstoß neu zugelassener Fahrzeuge in dem erwünschten Umfang zu senken. Erst nach 2020, also elf Jahre nach Inkrafttreten der ersten CO₂-Flottengrenzwertregulierung, die den Herstellern spezifische Obergrenzen für den CO₂-Ausstoß vorschreibt, begannen die CO₂-Emissionen von Pkw deutlich zurückzugehen. Der Rückgang war zudem nur dem höheren Marktanteil von batterieelektrischen Fahrzeugen geschuldet. Der CO₂-Ausstoß von neuen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nahm nicht nennenswert ab. Die CO₂-Flottengesetzgebung ist das zentrale Instrument der EU, um den CO₂-Ausstoß von neuen Fahrzeugen zu senken.  

    Dieses vernichtende Urteil fällt der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht “Reduktion der CO₂-Emissionen von Pkw”. Der Bericht, den das Mitglied Pietro Russo verantwortet, basiert auf Recherchen in drei Mitgliedstaaten, Deutschland, Italien und Niederlande.

    Messung im Labor setzte falsche Anreize

    Der Bericht macht zudem deutlich, dass die Methodik der CO₂-Messung den Herstellern lange die falschen Anreize gesetzt hat. So seien im Zeitraum 2009 bis 2020 die durchschnittlichen, im praktischen Fahrbetrieb entstanden Emissionen nicht zurückgegangen. Das habe vor allem daran gelegen, “dass sich die Hersteller auf die Verringerung der im Labor gemessenen Emissionen statt auf die Verringerung der tatsächlichen Emissionen konzentrierten”. Erst 2017 ist dann auf einen Testbetrieb umgestiegen worden, der den realen Fahrbetrieb besser simuliert. Und bei Neufahrzeugen, die seit 2022 zugelassen wurden, sammelt die Kommission über Geräte in jedem einzelnen Fahrzeug Daten zum realen Verbrauch.

    2021 hatten verkehrsbedingte CO₂-Emissionen einen Anteil von 23 Prozent an den Treibhausgasemissionen der EU. Der Verkehr ist damit nach der Energiebereitstellung die zweitgrößte Treibhausgas-Quelle in der EU. Der Verkehr ist zudem der einzige Wirtschaftszweig, in dem die Emissionen seit 1990 nicht zurückgegangen sind.

    Neue Messmethodik nach Dieselskandal

    Der Rechnungshof spricht in seinem Bericht davon, dass vor 2020 “der angestrebte Nutzen der Verordnung weitgehend hinfällig” war. Grund dafür sei die große Diskrepanz zwischen den Messungen im Labor und den realen Emissionen auf der Straße gewesen. Ab 2010 gab es verbindliche Flottengrenzwerte, dennoch seien die Emissionen im Zeitraum vor 2020 um weniger als sieben Prozent zurückgegangen. Die im Labor gemessenen Werte seien im gleichen Zeitraum um 16 Prozent zurückgegangen – von durchschnittlich 145,7 Gramm je gefahrenen Kilometer 2009 auf 122,3 Gramm 2019. Die durchschnittliche Differenz zwischen Laborergebnis und Ergebnis auf der Straße sei bis 2018 auf 38 Prozent gestiegen.

    Der Dieselskandal 2015 gab den Anstoß, den Labortestzyklus NEFZ auf das weltweit harmonisierte Prüfverfahren für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge WLTP umzustellen. Außerdem werden nun Daten im realen Fahrbetrieb gesammelt. Ein Vergleich der Daten aus 2021 zum realen Verbrauch und den Laborergebnissen ergab immer noch hohe Diskrepanzen von:

    • 18,1 Prozent bei Dieselfahrzeugen
    • 23,7 Prozent bei Benzinern
    • 250 Prozent bei Plug-in-Hybriden

    Die hohe Abweichung bei Plug-in-Hybriden erklärt sich so: Die Kommission unterstellt, dass Plug-in-Hybride einen hohen Kilometeranteil im Elektrobetrieb zurücklegen. Tatsächlich fahren Plug-in-Hybride weitere Strecken im Verbrennermodus. Zudem handele es sich häufig um Dienstwagen. Sodass der Arbeitgeber den Treibstoff zahle und der Fahrer keinen Ansporn habe, batterieelektrisch zu fahren.

    Der Hof konzentrierte sich in seinem Sonderbericht nur auf den tatsächlichen CO₂-Ausstoß der Neufahrzeuge. Die Energie, die nötig ist, um die Batterien für E-Autos herzustellen, sowie der Anteil von fossiler Energie im Strommix bleiben außen vor.

    Zehn Prozent schwerer, 25 Prozent mehr PS

    Die Daten zum CO₂-Ausstoß bei Verbrennern im realen Fahrbetrieb zeigen, dass die Verbräuche über die Jahre kaum oder gar nicht zurückgegangen sind. Bei Dieselfahrzeugen blieben die Emissionen von Neufahrzeugen im Untersuchungszeitraum annähernd konstant. Bei Benzinern ist lediglich ein Rückgang um 4,6 Prozent zu verzeichnen. Die Motoren seien zwar durch bessere Technik und die Einführung von hybriden Antriebssträngen effizienter geworden. Doch das höhere Gewicht und stärkere Motorleistung hätten den technologischen Fortschritt wieder aufgehoben. Zwischen 2011 und 2022 habe das Gewicht von Neuwagen im Schnitt um zehn Prozent zugenommen und die Motorleistung um 25 Prozent.

    • CO2-Emissionen
    • Rechnungshof

    Termine

    26.01.2023 – 10:00-12:00 Uhr, Hamburg
    HK, Konferenz Internationales Klima-Forum der Hamburger Wirtschaft
    Die Handelskammer (HK) Hamburg stellt eine Studie zum Gemeinwohlbeitrag vor. INFOS & ANMELDUNG

    29.01-02.02.2024, online
    ERA, Seminar Fundamentals of EU State Aid Law: Substantive and Procedural Aspects
    The European Academy of Law (ERA) provides legal practitioners with a thorough overview of EU State aid law. INFOS & REGISTRATION

    29.01.2023 – 09:00-16:00 Uhr, Berlin
    HBS, Konferenz KI: Immer größer statt grüner
    Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) geht der Frage nach, wie Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen von KI-Systemen in der Entwicklung und im Einsatz verringert werden können. INFOS & ANMELDUNG

    29.01.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
    ASEW, Seminar Biomethan-KWK im Flex-Betrieb
    Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) beschäftigt sich mit dem Potenzial von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen für die flexible Strom- und Wärmeerzeugung. INFOS & ANMELDUNG

    29.01.2024 – 19:30-21:00 Uhr, Konstanz
    FNF, Vortrag Was, wenn Trump zurückkommt? Vier Strategien, wie Deutschland sich wappnen kann
    Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert die Herausforderungen einer möglichen Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten für die deutsche und europäische Politik. INFOS & ANMELDUNG

    30.01.2024 – 10:30-12:30 Uhr, online
    ZIA, Seminar EU-Provisionsverbot: Tiefer Einschnitt in die gesamte Vertriebsstrategie
    Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) analysiert die zu erwartende Rechtslage der EU-Kleinanlegerstrategie. INFOS & ANMELDUNG

    30.01.2024 – 14:00-16:00 Uhr, online
    ASEW, Vortrag Update GEG 2024 und BEG EM
    Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) gibt einen Überblick über die neuen Regelungen des GEG. INFOS & ANMELDUNG

    30.01.2024 – 17:30 Uhr, Hamburg
    Europe Direct, Podiumsdiskussion Made in EU: Wie kann Hamburg zur Technologischen Souveränität Europas beitragen?
    Europe Direct geht der Frage nach, warum technologische Souveränität wichtig und Protektionismus (wieder) ein Thema ist. INFOS & ANMELDUNG

    31.01.-25.03.2024, online
    FSR, Seminar EU Gas Network Codes
    The Florence School of Regulation (FSR) provides information on the EU Gas Network Codes. REGISTRATION BY 28 JANUARY

    14.02.-20.03.2024, online
    EUI, Seminar Regulating Digital Networks and Infrastructures
    The Centre for a Digital Society (EUI) addresses critical aspects such as regulatory challenges in fixed and mobile networks, cloud computing, and cybersecurity, as well as the main geopolitical issues in infrastructure development. REGISTRATION BY 28 JANUARY

    News

    Studie erwartet Rechtsruck bei Europawahl

    Weit rechts stehende Parteien könnten die großen Gewinner der Europawahl im Juni werden. Laut einer Studie im Auftrag des European Council on Foreign Affairs (ECFR) kann die rechtsradikale Fraktion Identität und Demokratie (ID) mit einem Zuwachs um 40 auf künftig 98 Sitze im neuen Europaparlament rechnen. Die nationalkonservative Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) könnte demnach um 18 auf 85 Sitze zulegen. Sollte sich die ungarische Regierungspartei Fidesz der EKR anschließen, käme sie sogar auf 99 Sitze.

    Die ECFR-Studie kommt damit zu ähnlichen Ergebnissen wie andere Experten. Die drei großen proeuropäischen Fraktionen im heutigen Europaparlament würden demnach deutlich Stimmen einbüßen. EVP, Sozialdemokraten und Liberalen hätten aber noch eine Mehrheit von 54 Prozent der Sitze im neuen Parlament und könnten somit die sogenannte Von-der-Leyen-Koalition fortsetzen.

    Theoretisch könnten EVP, EKR und ID demnach auch ein rechtes Bündnis formen, aber eine Kooperation der Christdemokraten mit der antieuropäischen ID-Fraktion ist schwer vorstellbar. Der linke Teil des Parlaments aus S&D, Grünen und Linke käme laut Studie auf 33 Prozent der Sitze, etwas weniger als heute. tho

    • EKR
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    EU-Umweltausschuss stimmt für Deregulierung neuer Züchtungstechniken

    Mit 47 zu 31 Stimmen haben die Abgeordneten des EU-Umweltausschusses (ENVI) am Mittwoch dafür gestimmt, den europäischen Rechtsrahmen zu neuen Züchtungstechniken zu liberalisieren. Die Abstimmung im Parlamentsplenum ist zwischen dem 5. und 8. Februar geplant. Anders als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag sieht der Ausschuss eine Klausel vor, dass mithilfe neuer Gentechnik gewonnene Pflanzen und Pflanzenmaterial sowie deren Erbgut nicht patentierbar sind. Mit der Zusatzklausel war Berichterstatterin Jessica Polfjärd (EVP) auf Kritiker zugegangen, die befürchteten, dass die Reform zu mehr Patenten und weniger Diversität auf dem Saatgutmarkt führen könnte.

    In anderen wesentlichen Punkten bleibt der Umweltausschuss, der bei dem Dossier federführend ist, nah am Kommissionsvorschlag. Dieser sieht für gentechnisch veränderte Pflanzen, die auch durch konventionelle Züchtung hätten entstehen können (Kategorie 1), laxere Vorgaben vor, beispielsweise zu Kennzeichnungspflichten. Demnach soll gentechnisch verändertes Saatgut der Kategorie 1 kennzeichnungspflichtig bleiben, verarbeitete Produkte hieraus entlang der Lieferkette aber nicht. Ebenfalls beibehalten wird das Verbot neuer Gentechniken im Biolandbau. Zusätzliche Maßnahmen zur Ermöglichung einer garantiert gentechnikfreien Produktion, wie sie unter anderem Grüne und Bioverbände gefordert hatten, nahm der Ausschuss nicht auf.

    Grüne enttäuscht, Erfolg für EVP

    Die Annahme des Textes ist ein Erfolg für EVP-Politikerin Polfjärd, die die Abstimmung als Schritt hin zu “mehr Ernährungssicherheit auf nachhaltige Weise” begrüßt. Auch die CDU-Europaabgeordneten Norbert Lins und Peter Liese begrüßten das Votum. Mit der Zusatzklausel zum Patentrecht seien die Konservativen den Kritikern “einen wichtigen Schritt entgegengekommen”, so Lins. Die Grünen, die sich immer wieder lautstark gegen den Vorschlag gestellt haben, überzeugt das nicht. Das Abstimmungsergebnis sei “eine mittlere Katastrophe für Umwelt- und Verbraucherschutz”, kritisiert Martin Häusling, Verhandlungsführer der Grünen. Der Europaabgeordnete sieht die Wahlfreiheit der Verbraucher sowie den Ökolandbau gefährdet.

    Derweil dürfte das positive Votum in dem Parlamentsausschuss auch den Druck auf die belgische EU-Ratspräsidentschaft erhöhen, einen Kompromiss unter den Mitgliedstaaten zu erreichen. Nachdem der Versuch einer Einigung unter den EU-Agrarministern im Dezember gescheitert war, suchen die Belgier aktuell auf Arbeitsebene nach Kompromissmöglichkeiten. Dem Vernehmen nach gestalten sich die Gespräche schwierig. Um den Vorschlag noch vor der EU-Wahl zu verabschieden, müssen eigentlich die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament bis 9. Februar abgeschlossen sein. Eine Fristverlängerung bis März ist möglich. In diesem Fall wäre eine rechtzeitige Einigung theoretisch noch möglich, die Zeit wäre aber sehr knapp. jd

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    Brüssel will Forschung besser gegen China abschirmen

    Die Europäische Union möchte die eigene Forschung und Entwicklung effektiver vor chinesischem Einfluss und Zugriff abschirmen. Die EU-Kommission stellte dazu am Mittwoch im Rahmen ihrer Strategie für wirtschaftliche Sicherheit mehrere Punkte vor:

    • Mehr Unterstützung für Forschung und Entwicklung, die mit Dual-Use-Technologie zu tun hat. Dazu hat die Brüsseler Behörde ein Weißbuch veröffentlicht. Dieses soll eine öffentliche Konsultation der EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments, der Interessenträger und der Zivilgesellschaft einleiten, um zur Entwicklung des nächsten EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation, dem Nachfolger des Horizon-Programms, beizutragen.
    • Mehr Forschungssicherheit: Die EU-Behörde möchte einen Teil des Risikomanagements auf europäischer Ebene zentralisieren, mit einem europäischen Kompetenzzentrum für Forschungssicherheit. Dieses soll mit einer Plattform der Kommission zur Bekämpfung ausländischer Einmischung in den Forschungs- und Innovationsbereich verknüpft werden. Ein solches Zentrum sei “ein entscheidendes Element in den Bemühungen Europas, den unerwünschten Transfer kritischer Technologie zu verhindern und hybriden Bedrohungen entgegenzuwirken”, erklärte die EU-Kommission.
    • Mehr Unterstützung in den Mitgliedsstaaten: Die EU-Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten, eine Unterstützungsstruktur zu schaffen, “um Forschung und Innovatoren bei der Bewältigung von Risiken im Zusammenhang mit der internationalen Zusammenarbeit in Forschung und Innovation zu unterstützen” “Red Flag”-Projekte sollen so eine bessere Risikobewertung erhalten.

    Das EU-Paket für wirtschaftliche Sicherheit enthält Initiativen in weiteren Bereichen: von Plänen für eine Verschärfung der Verordnung über ausländische Direktinvestitionen, über eine effektivere Kontrolle, um die Weitergabe von sensiblem Tech-Knowhow zu vermeiden, bis hin zu einer besseren Koordinierung der Ausfuhrkontrollen von Technologien.

    Kritische Reaktionen in Wirtschaft und Wissenschaft

    Die Strategie der Brüsseler Behörde wurde am Mittwoch gemischt aufgenommen: Der Europäische Forschungsrat betonte, dass die EU ihr Budget für Forschung und Entwicklung erhöhen müsse, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch die Wirtschaft sah die Vorschläge kritisch. Die Wirtschaftssicherheit in der EU sollte mehr beinhalten als den immer wieder angeführten Instrumentenkasten, betonte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie. “Bisher hat die Kommission fast ausschließlich zu den Schutzmaßnahmen ihrer Drei-Säulen-Strategie geliefert. Das ist zu wenig.”

    Der Fahrplan der EU sei nun an das Ergebnis des Megawahljahrs 2024 gebunden, erklärte Tobias Gehrke vom Thinktank European Council on Foreign Relations. Die Strategie von Ursula von der Leyen konzentriere sich auf drei Dinge, sagt Gehrke: Eine transatlantische Ausrichtung, die Beobachtung von China und die Navigation im “Labyrinth kritischer Technologien.” ari

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    Kulturausschuss winkt Trilog-Kompromiss für Medienfreiheitsgesetz durch

    Der Kultur- und Medienausschuss des Europäischen Parlaments (CULT) hat das Trilogergebnis zum European Media Freedom Act ohne längere Debatte am Mittwoch mit 24 Ja- und 6 Nein-Stimmen angenommen. “Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass wir an dem einen oder anderen Punkt mehr Einsicht bei den Mitgliedstaaten gehabt hätten, haben wir den Großteil der uns wichtigen Punkte im Dossier widerspiegeln können und uns auch gegen den Rat durchsetzen können”, sagte die Berichterstatterin und CULT-Vorsitzende Sabine Verheyen (CDU). Insbesondere beim Schutz von Journalisten habe man viele Parlamentspositionen durchsetzen können.

    Die Alternative wäre gewesen, keinen Media Freedom Act mehr zu bekommen, weil der Rat dann nicht mehr weiterverhandelt hätte, meint Verheyen. Auch in Zukunft sei der Text überarbeitbar – und die Wechselwirkung insbesondere mit der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste und anderen relevanten EU-Rechtsakten müsse in der Zukunft genau beobachtet werden.

    Am 19. Januar hatten die Mitgliedstaatenvertreter im COREPER I dem Ergebnis nach einigen Diskussionen zugestimmt. Damit ist der Weg jetzt frei für die endgültige Verabschiedung des EMFA bis April 2024. fst

    • EMFA
    • European Media Freedom Act
    • Medienfreiheit
    • Medienfreiheitsgesetz

    KI: Besserer Zugang für Start-ups und KMU zu Hochleistungscomputern

    Wer Künstliche Intelligenz entwickeln will, braucht für das Training seiner Modelle eine riesige Menge Daten, enorme Rechenleistung und das Wissen, wie man diese Ressourcen effizient nutzt. Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen können sich diese Zutaten in der Regel nicht leisten. Da die KI-Hoffnungen in Europa aber zu großen Teilen auf Start-ups und KMU ruhen, will die EU diese bei der “Entwicklung einer vertrauenswürdigen künstlichen Intelligenz” unterstützen. Dafür hat sie ein Paket zusammengestellt.

    Dazu gehören unter anderem die Einrichtung von KI-Fabriken, der leichtere Zugang zu Hochleistungsrechnern sowie die Einrichtung eines KI-Büros in der EU-Kommission. Erstaunlich ist dabei, dass die Kommission das im AI Act vorgesehene KI-Büro bereits einrichten will, bevor das Gesetz überhaupt angenommen ist.

    Zugang zu Supercomputern

    “Man braucht Rechenleistung, um KI zu entwickeln. Sehr viel davon”, sagte Margrethe Vestager, zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, zu dem Maßnahmenpaket. Deshalb wolle die Kommission KMU und Start-ups einen privilegierten Zugang zum Netz der europäischen Supercomputer ermöglichen.

    Dazu wird die Kommission die Regulierung der europäischen Hochleistungscomputer (EuroHPC-Verordnung) ändern. Sie will KI-Fabriken (AI Factories) als eine neue Säule für die Aktivitäten des EU-Supercomputers Joint Undertaking einrichten. Da diese Hochleistungsrechner mit EU-Geldern finanziert werden, ist deren Nutzung kostenfrei. Allerdings gibt es mehr Nutzungsanfragen als Kapazitäten, weswegen Start-ups und KMU bisher zu wenig zum Zuge kommen. Außerdem müssen die Hochleistungsrechner erst für den Einsatz von KI optimiert werden.

    Kommission will Geld geben und Talente fördern

    Darüber hinaus hat die Kommission weitere Unterstützung angekündigt. So wird sie finanzielle Mittel im Rahmen von Horizon und Digital Europe der Entwicklung generativer KI widmen. Das Paket werde bis 2027 zusätzliche öffentliche und private Investitionen in Höhe von insgesamt rund vier Milliarden Euro auslösen, teilte die Kommission mit.

    Begleitend soll es Initiativen zur Stärkung des generativen KI-Talentpools in der EU durch Bildungs-, Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen geben. Über die schnellere Entwicklung gemeinsamer europäischer Datenräume sollen dem KI-Ökosystem zudem mehr Daten für das Trainieren der Modelle zur Verfügung stehen.

    Zusätzlich gründet die EU-Kommission zusammen mit einer Reihe von Mitgliedstaaten zwei europäische Konsortien für digitale Infrastrukturen (EDICs): die Allianz für Sprachtechnologien (ALT-EDIC) und das CitiVERSE EDIC. Letzteres soll lokale digitale Zwillinge entwickeln. Diese helfen Kommunen bei der Planung und Optimierung von Prozessen – vom Verkehrsmanagement bis zur Abfallwirtschaft.

    Im AI Office soll alles zusammenlaufen

    Das KI-Büro (AI Office) innerhalb der EU-Kommission soll die KI-Politik auf europäischer Ebene entwickeln und koordinieren. Es ist auch dafür vorgesehen, den künftigen AI Act umzusetzen und zu überwachen. Es war das Parlament, das ein solches AI Office in seinen Vorschlag zum AI Act einfügte, um die KI-Regulierung in der EU zu harmonisieren. Allerdings sahen die Abgeordneten es als eine unabhängige Organisation vor – und nicht als ein Büro der Kommission.

    Obwohl der AI Act nach der politischen Trilog-Einigung im Dezember noch gar nicht verabschiedet ist, teilte die Kommission mit: Der Beschluss zur Einrichtung des KI-Büros tritt am 24. Januar in Kraft. Das AI Office werde in den folgenden Monaten seine Arbeit aufnehmen. Die Kommission stellt es sich als zentrale Koordinierungsstelle für die KI-Politik auf EU-Ebene vor. Es soll mit anderen Kommissionsdienststellen, EU-Einrichtungen, Mitgliedstaaten und dem KI-Ökosystem zusammenarbeiten – auch auf internationaler Ebene. vis

    • AI Act
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    Kommission will als erste den AI Act befolgen

    Die Kommission möchte mit gutem Beispiel vorangehen und in der eigenen Verwaltung vertrauenswürdige KI einsetzen. Sie will KI nutzen, um ihr Personal zu unterstützen, den Verwaltungsaufwand zu verringern und die Qualität und Wirkung ihrer Arbeit zu verbessern. Dabei greift sie dem Beschluss des entsprechenden KI-Gesetzes voraus. Um die Zeit bis zum Inkrafttreten des AI Acts zu überbrücken, hatte Kommissar Thierry Breton bereits im Sommer vergangenen Jahres einen AI Pact angekündigt: KI-Entwickler sind eingeladen, die Anforderungen des AI Acts bereits jetzt zu erfüllen.

    Um die Vorteile und Chancen der KI-Technik voll auszuschöpfen, wird die Kommission sich selbst unverzüglich den geplanten Vorschriften unterwerfen. Dazu hat die EU-Kommission am Mittwoch ihre strategische Vision veröffentlicht. Darin steht, wie sie die Entwicklung und Nutzung rechtmäßiger, sicherer und vertrauenswürdiger Systeme der künstlichen Intelligenz intern fördern will.

    Kommission richtet interne KI-Governance ein

    Folgende Maßnahmen hat die Kommission angekündigt:

    • interne operative Leitlinien ausarbeiten, mit klaren und pragmatischen Anleitungen
    • KI-Systeme bewerten und klassifizieren, die die Kommission bereits verwendet oder künftig verwenden wird
    • die Verwendung von KI-Systemen vermeiden, die mit europäischen Werten unvereinbar sind oder von denen eine Bedrohung für die Gefahrenabwehr, die Sicherheit, die Gesundheit und die Grundrechte der Menschen ausgeht
    • geeignete Organisations- und Leitungsstrukturen schaffen, damit die Kommission ihren Verpflichtungen in Bezug auf die KI nachkommen kann.

    Außerdem richtet die Kommission eine besondere interne KI-Governance ein. Die soll KI-Aspekte bei neuen IT-Investitionen bewerten, die Einhaltung der operativen Leitlinien der Kommission unterstützen und überwachen sowie ein breit angelegtes Netzwerk aufbauen. Die soll auf dem bereits existierenden AI@EC-Netzwerk basieren. Die Kommission will darüber hinaus ein Register der von ihr genutzten KI-Systeme erstellen und pflegen.

    KI soll in Zukunft bei der Gesetzgebung helfen

    Zu den operativen Maßnahmen gehört auch, ein reibungslos funktionierendes Datenökosystem im Rahmen der internen Datenstrategie der Kommission (DataStrategy@EC) zu schaffen. Dafür will die Kommission ihre eigenen Datenbestände miteinander verknüpfen, um die Prozesse in der Kommission zu unterstützen.

    Tatsächlich nutzt die Kommission bereits eine Reihe von KI-Systemen. Dazu gehören zum Beispiel KI-gestützte Sprachdienste und die semantische Textanalyse. In der Erprobung befinden sich Systeme etwa um Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit zu analysieren, Wettbewerbssachen zu bearbeiten, Betrug zu erkennen oder Förderanträge und Ausschreibungen benutzerfreundlicher zu gestalten. Künftig will sich die Kommission auch bei Gesetzgebungsverfahren von KI unterstützen lassen. vis

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    • Thierry Breton

    Kommission legt Entwurf zu europäischen Betriebsräten vor

    Die Richtlinie zu europäischen Betriebsräten (EBR) soll nach Willen der Kommission überarbeitet werden. Einen entsprechenden Vorschlag haben am Mittwoch Arbeitskommissar Nicolas Schmitt und Handelskommissar Valdis Dombrovskis vorgestellt. Unter anderem sollen bestehende Lücken zur Einrichtung von EBRs geschlossen werden. Es gibt derzeit laut Kommission mehr als 300 grenzüberschreitend arbeitende Betriebe mit mehr als fünf Millionen Beschäftigten, in denen laut den aktuellen Regelungen kein europäischer Betriebsrat erforderlich ist. Das soll sich künftig ändern.

    Darüber hinaus will die Kommission sicherstellen, dass:

    • EBR-Mitglieder besser einbezogen werden, bevor länderübergreifende Entscheidungen anstehen und in dem Prozess Antworten auf ihre Stellungnahmen erhalten sollen, bevor die Entscheidung getroffen wird;
    • die Unternehmensleitung künftig begründen muss, wenn sie keine Informationen an den EBR weitergeben kann, wenn diese Infos vertraulich sind;
    • die europäischen Betriebsräte künftig leichter Zugang zu Gerichten in den Mitgliedsstaaten erhalten sollen;
    • die Mitgliedstaaten die Richtlinie besser durchsetzen.

    Europäische Betriebsräte können derzeit in grenzüberschreitenden Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten eingerichtet werden, wenn diese in mindestens zwei Mitgliedstaaten der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums tätig sind. Entsprechend werden EBR-Mitglieder angehört, wenn länderübergreifende Entscheidungen, etwa Umstrukturierungen, anstehen.

    Allerdings kam die Kommission selbst in einer Evaluation der Richtlinie zu dem Schluss, dass die Einbindung der EBRs bisher in einigen Fällen ineffektiv sei und es in einigen Mitgliedstaaten an wirksamen und abschreckenden Sanktionen mangele. Es seien darauf nichtlegislative Maßnahmen eingeleitet worden. Diese hätten aber nicht die erhofften Verbesserungen bei der Durchsetzung gezeigt, heißt es im Vorschlag der Kommission. Im vergangenen Jahr hatte bereits das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert, auf dem Feld aktiv zu werden. lei

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    Agora: Klimaschutz dauerhaft durch EU-Schulden finanzieren

    Klimaschutz in Europa soll nach einem Vorschlag der Agora-Think-Tanks auch nach 2026 durch gemeinsame EU-Schulden finanziert werden. “Ein neuer Klimafonds sollte die Lücke nach dem Auslaufen des Wiederaufbaufonds RRF schließen“, sagte Andreas Graf von Agora Energiewende am Mittwoch bei einer Veranstaltung in Brüssel. Die Einnahmen sollten unter anderem aus CO₂-Zertifikaten und EU-Schulden stammen.

    “In Zukunft kann die EU-Finanzierung auch eine stabilisierende Rolle spielen, da die Regierungen mit allmählich sinkenden Einnahmen aus der Besteuerung fossiler Brennstoffe rechnen müssen, während sich die EU in Richtung Klimaneutralität bewegt”, hieß es weiter. Aus dem Corona-Wiederaufbaufonds RRF können die EU-Mitglieder noch bis Ende 2026 bestimmte Investitionen finanzieren. Zuvor hatte Agora bereits auf die Bedeutung des neuen EU-Haushalts, der ab 2028 gilt, für die Festlegung des Klimaziels 2040 hingewiesen. ber

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    Presseschau

    Ringtausch: London bietet Scholz einen Ausweg aus dem Taurus-Dilemma HANDELSBLATT
    Ukraine: Scholz kündigt baldiges Sicherheitsabkommen an TAGESSCHAU
    Scholz fordert mehr Hilfe für die Ukraine von den EU-Partnern FRANKFURTER RUNDSCHAU
    Kanzler Olaf Scholz empfängt neuen slowakischen Regierungschef Fico SÜDDEUTSCHE
    Ungarns Premier Viktor Orbán kündigt Zustimmung für Schwedens Nato-Beitritt an ZEIT
    Treffen in Uschgorod: Slowakei will Ukraine bei EU-Beitritt unterstützen DEUTSCHLANDFUNK
    EU-Politiker kommen Biobauern bei Gentechnik entgegen SCHWAEBISCHE
    Bericht des EU-Rechnungshofs: CO2-Ausstoß bei den meisten Verbrenner-Autos genauso hoch wie vor zwölf Jahren RND
    EU-Allianz gegen Drogenhandel: Europas Häfen sollen Festungen werden EURONEWS
    Huthi-Rebellen: Reaktion der EU offenbart zahnlose Verteidigungspolitik WIWO
    EU-Gericht bestätigt Schutz: Lego gewinnt Rechtsstreit um besonderen Stein N-TV
    Neue Sicherheitspläne: EU will schärfere Kontrollen von chinesischen Investitionen in Europa RND
    Datenschutz: Europaweiter Zugriff auf deutsche Patientendaten? TAGESSCHAU
    Frankreich macht Druck bei der Kapitalmarktunion HANDELSBLATT
    Moldaus Außenminister Nicu Popescu überraschend zurückgetreten VOL
    Frankreichs Bauern wollen Autobahn A31 Frankreich-Luxemburg für 35 Stunden blockieren WORT
    Rechtsextremismus: Gegen die Fakten kommt auch Marine Le Pen nicht an FR
    Polens neue Regierung will Abtreibungsverbot kippen ORF
    Polens Präsident Duda empfängt begnadigte PiS-Politiker DEUTSCHLANDFUNK
    Italien: Parlament billigt Albanien-Migrationsabkommen RP-ONLINE
    Schweizer Bundesrat will Böllern keinen Riegel vorschieben SRF
    Schweden checkt Bahnfähren-Comeback THB
    Estland: Die Eisbrecher-Saison im Osten der Ostsee hat begonnen NORDISCH

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    Valérie Hayer – Macron-Vertraute rückt an Spitze der Renew-Fraktion

    Die Französin Valérie Hayer ist die einzige Kandidatin für den Renew-Fraktionsvorsitz.

    Wir haben unsere Camemberts gerettet“, triumphierte Valérie Hayer im November letzten Jahres auf X (ex-Twitter). Die französische Europaabgeordnete bezog sich auf die Beibehaltung der Holzschachteln für Camemberts, die während der Verhandlungen über die Verpackungsverordnung zu einem Reizthema geworden waren.

    Dass sich die 37-Jährige für Camembert-Packungen interessiert, überrascht nicht: Hayer ist Tochter von Landwirten, ihr Heimatdepartement Mayenne besteht zu 80 Prozent aus landwirtschaftlicher Nutzfläche. Das Departement liegt in der Nähe der Loire-Schlösser. Hayer kennt sich in der Landwirtschaft also aus – ein Vorteil in einer Zeit, in der sich die Proteste der Landwirte in der Europäischen Union ausbreiten, wie es eine liberale Parlamentsquelle sieht.

    Niederländer hat wegen Wilders-Kooperation Nachsehen

    An diesem Donnerstag dürfte Hayer neue Fraktionsvorsitzende der liberalen Fraktion im Europaparlament werden. Dann wählen die 101 Abgeordneten die Nachfolgerin des bisherigen Vorsitzenden Stéphane Séjourné, und Hayer ist die einzige verbliebene Kandidatin. Séjourné war zuvor zum neuen Außenminister in der Regierung Gabriel Attals ernannt worden.

    Kommissarisch hatte der Niederländer Malik Azmani, der erste stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Liberalen, das Amt übernommen. Azmani hatte auch Interesse an dem Posten signalisiert, verzichtete nach ausgiebigen Sondierungen aber letztlich auf eine Kandidatur. Die Unterstützer seiner Rivalin Hayer führten insbesondere die Verhandlungen seiner Partei VVD mit dem rechtsextremen Geert Wilders über die Bildung einer Regierung in den Niederlanden ins Feld.

    Einflussreiche Haushaltspolitikerin

    Hayers Kompetenz beim Thema Landwirtschaft ist nicht ihr einziger Trumpf: “Unter den französischen Europaabgeordneten aller Parteien hat sie sich seit Beginn ihrer Amtszeit Einfluss verschafft“, sagt ein Beobachter. Im Parlament sitzt Hayer im Haushaltsausschuss und war insbesondere für die Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 sowie das europäische Konjunkturprogramm nach der Covid-19-Krise verantwortlich. Sie wurde außerdem zur ständigen Co-Berichterstatterin für das Thema Eigenmittel der EU ernannt. “Die Suche nach Kompromissen ist das, was sie auszeichnet“, sagt eine Quelle.

    Kompromissfähigkeit ist eine notwendige Eigenschaft in einer politischen Gruppe wie Renew, die den Ruf hat, oft gespalten zu sein. Insbesondere zwischen den französischen Mitgliedern von Renaissance und den deutschen Mitgliedern der FDP knirscht es. “Innerhalb von Renew werfen die Franzosen den Deutschen vor, dass sie wie die deutschen Konservativen stimmen“, sagt eine französische Quelle. “Und die Deutschen in Renew werfen den Franzosen vor, den Interessen von Emmanuel Macron zu dienen”, entgegnet eine deutsche Stimme.

    Langjährige Macron-Unterstützerin

    Die französische Delegation ist die größte in der Gruppe (23 von 101 gewählten Vertretern) und sie unterstützte mehrheitlich eine Kandidatur Hayers. Zumal sie den französischen Präsidenten seit Beginn seiner Kandidatur für den Elysée-Palast im Jahr 2017 unterstützt hat und somit zu den treuen Anhängern von Emmanuel Macron zählt, was ein weiterer wichtiger Pluspunkt für sie ist, zumindest aus französischer Sicht. Claire Stam

    • Emmanuel Macron
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    Europe.Table Redaktion

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