Table.Briefing: Europe

Stand der Agrarwende + Importe von Konfliktmineralien + Metallindustrie: Forderung an EU

  • Wie die Agrarwende gelingen soll
  • Konfliktmineralien: Unternehmen erfüllen Sorgfaltspflichten kaum
  • Termine
  • Metallindustrie fordert starke Antwort auf den IRA
  • Kommission will mehr sozialen Dialog
  • Data Act: Der vierte Kompromiss des Rates
  • Versuchsaffen werden europaweit knapp
  • Presseschau
  • Simone Peter: Antreiberin für die Erneuerbaren
Liebe Leserin, lieber Leser,

neben der Energie- und Verkehrswende muss auch die Landwirtschaft reformiert werden. Da war man sich in Brüssel weitgehend einig. Wo das noch zu langsam funktioniert und wie die Wende doch noch gelingen kann, weiß Timo Landenberger.

Unternehmen, die potenziell konfliktbehaftete Mineralien nach Deutschland importieren, müssen eine Sorgfaltspflicht einhalten. Denn in diesem Zusammenhang kommt es häufig zu Menschenrechtsverletzungen – etwa durch Zwangsarbeit in den Minen oder durch bewaffnete Gruppen, die sich aus den Erlösen des Abbaus finanzieren. Eine erste Bilanz zeichnet kein gutes Bild. Meine Kollegen Leonie Düngefeld und Nicolas Heronymus kennen die Einzelheiten.

Die Kommission hat sich außerdem darauf verständig, den sozialen Dialog stärker zu fördern. Die Ratsempfehlung sieht dabei drei Punkte vor. Markus Grabitz weiß mehr.

Ihre
Josephin Hartwig
Bild von Josephin  Hartwig

Analyse

Wie die Agrarwende gelingen soll

Agrarwende Landwirtschaft
Pflanzenschutzmittel wird mit dem Traktor auf ein Feld versprüht.

Klar ist: Nachhaltige Landwirtschaft funktioniert nicht ohne Naturschutz. Gleichzeitig können die Umwelt- und Klimaziele ohne den Agrarsektor nicht erreicht werden. “Die Artenvielfalt erhalten, das Klima schützen, Wasser, Boden und Luft sauber halten – all das kommt auch der Landwirtschaft und unserer Ernährungssicherheit zugute. Gerade krisenhafte Zeiten erfordern den Schulterschluss von Umwelt und Landwirtschaft”, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vergangene Woche anlässlich des 7. Internationalen Agrarkongresses zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin.

Kurz um: Neben Energie- und Verkehrswende bedarf es auch einer grünen Transformation der Landwirtschaft, dessen ist man sich auch in Brüssel bewusst. Biodiversitäts- und Farm-to-Fork-Strategie geben den Rahmen vor, wie die Agrarwende gelingen soll. Doch bei der Übersetzung in konkrete Maßnahmen und Gesetzesvorhaben scheiden sich die Geister.

Neue GAP-Förderperiode begonnen

Mit dem Jahr 2023 hat auch die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) begonnen, die seit jeher den größten Posten im EU-Haushalt ausmacht und damit das stärkste Instrument für den Umbau der Landwirtschaft darstellt. Obwohl die Gelder in den vergangenen Jahren immer stärker an Umweltschutzauflagen geknüpft wurden, verbesserte sich die Öko-Bilanz des Agrarsektors kaum. Das sollte sich durch die Reform, die nach zähem Ringen in Brüssel erst im zweiten Anlauf zustande kam, nun ändern.

Um dabei den regionalen Unterschieden gerecht zu werden, wurde das Modell der nationalen Strategiepläne eingeführt – verbunden mit der Hoffnung, ambitionierte Staaten würden vorangehen. Doch der Plan ging nach hinten los. Auch mit dem deutschen Plan, größtenteils noch aus der Feder der Großen Koalition, können weder die EU-Umweltziele noch die selbst gesteckten Ziele der Bundesregierung erreicht werden.

Dessen ist sich auch das Landwirtschaftsministerium bewusst und hat einen Begleitausschuss ins Leben gerufen, der die Rahmenbedingungen der GAP-Förderung jährlich anpassen und auf mehr Umweltschutz ausrichten soll. Das EU-Recht ermögliche eine derartige Weiterentwicklung, heißt es aus dem BMEL.

Streit um Naturschutz-Paket

In Brüssel wird derweil über weitere Naturschutz-Maßnahmen im Agrarbereich gerungen: Der Kommissionsvorschlag für eine neue Pestizide-Verordnung sieht vor, den Einsatz bis 2030 zu halbieren. Das entspricht einer Einigung auf globaler Ebene von der Weltnaturkonferenz (COP15) in Montreal. Dennoch gibt es in Brüssel teils heftigen Widerstand gegen das Vorhaben.

In ihren Dezember-Sitzungen beschlossen Agrar- und Energierat, zunächst eine Folgenabschätzung insbesondere hinsichtlich Ernährungssicherung von der Kommission einzufordern. Damit wurde die Verordnung vorerst auf die lange Bank geschoben. Sarah Wiener (Grüne), Berichterstatterin im EU-Parlament, lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie will ihren Entwurf noch im Januar einreichen.

César Luena (S&D), Berichterstatter für das Renaturierungsgesetz hat seine Vorschläge bereits präsentiert und fordert teils deutliche Verschärfungen. So soll das Gesamtziel, 20 Prozent der Fläche an Land und auf See zu renaturieren, auf 30 Prozent angehoben werden. Im Parlament haben die Verhandlungen begonnen.

Luena will seinen Bericht möglichst noch vor der Sommerpause durch das Plenum bringen, um den Gesetzgebungsprozess in der laufenden Legislaturperiode abschließen zu können. Ob das angesichts der vielen Konflikte und zu erwartenden Anzahl an Änderungsanträgen gelingt, bleibt abzuwarten.

Neue Richtlinie für Bodengesundheit geplant

Als Teil der Biodiversitätsziele legt die EU-Bodenstrategie einen Rahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der Bodengesundheit fest. Insbesondere durch nicht nachhaltige Bewirtschaftung ist die Fähigkeit der Böden, CO₂ zu speichern und Nährstoffe sowie Wasser aufzunehmen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Laut Kommission sind bis zu 70 Prozent der Böden nicht gesund, jährlich gehe eine Milliarde Tonnen an Boden durch Erosion verloren, was auch in der Nahrungsmittelproduktion zu erheblichen Verlusten führe. Das soll sich ändern.

Zur Umsetzung der Strategie plant die Kommission unter anderem eine neue Richtlinie, die im zweiten Quartal 2023 vorgestellt werden soll. Zu den Zielen gehört, den Flächenverbrauch zu reduzieren und die Bodenverschmutzung bis spätestens 2050 auf ein Niveau zu senken, “das für die Gesundheit der Menschen und für die Ökosysteme nicht mehr schädlich ist”.

Nachhaltigeres Lebensmittelsystem und mehr Tierschutz

Im dritten Quartal dieses Jahres will die Kommission außerdem eine Verordnung über ein nachhaltigeres Lebensmittelsystem vorstellen. Dabei soll es insbesondere um eine EU-weit einheitliche Kennzeichnung der Nahrungsmittel hinsichtlich der Nachhaltigkeit ihrer Produktion gehen.

Außerdem plant die Behörde, bis zum Ende des Jahres die Rechtsvorschriften zum Tierschutz zu überarbeiten. Das Tierschutzniveau sei in der EU nach wie vor nur “subobtimal” heißt es in einem Bericht der Brüsseler Behörde. Durch die Novellierung soll der Geltungsbereich erweitert und vorwiegend die Durchsetzung der Vorschriften vereinfacht werden. Tier- und Umweltschutz hängen unmittelbar zusammen. In Folge intensiver Nutztierhaltung kommt es beispielsweise zu Überdüngung und damit zu Belastungen von Böden und Grundwasser.

  • Agrarwende
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Konfliktmineralien: Unternehmen erfüllen Sorgfaltspflichten kaum

Ein großer Teil der Unternehmen, die potenziell konfliktbehaftete Mineralien nach Deutschland importieren, hat in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten der EU-Konfliktmineralienverordnung ihre Sorgfaltspflichten nicht erfüllt. Das geht aus dem ersten Kontrollbericht der Deutschen Kontrollstelle EU-Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten (DEKSOR) hervor.

Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze und Gold werden vielfach in Regionen gewonnen, wo bewaffnete Gruppen Land und Minen kontrollieren. In diesem Zusammenhang kommt es häufig zu Menschenrechtsverletzungen – etwa durch Zwangsarbeit in den Minen oder die bewaffneten Gruppen, die sich aus den Erlösen des Abbaus finanzieren. Die EU hat deshalb 2017 eine Verordnung verabschiedet, die Importeure von großen Mengen dieser Mineralien verpflichtet, Sorgfaltspflichten einzuhalten. Im Fokus steht ein unternehmensinternes Risikomanagement.

Mangelnde Transparenz großes Hindernis für Kontrolle

Die DEKSOR kontrolliert die Einhaltung der Verordnung in Deutschland. Hier wird sie durch das Mineralische-Rohstoffe-Sorgfaltspflichten-Gesetz (MinRohSorgG) umgesetzt, das 2020 in Kraft trat und seit 2021 vollumfänglich gilt. Die DEKSOR führte 2022, rückwirkend für 2021, erstmals Kontrollen bei den Importeuren durch. Im ersten Kontrollbericht sind die Ergebnisse der beiden Jahre kombiniert. Für 2021 hat sie 23 Importeure kontrolliert, die überwiegend Mineralien aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (CAHRAs) einführten.

Insgesamt wurden 2021 rund 10.600 Tonnen Zinn, Tantal und Wolfram sowie 175 Tonnen Gold nach Deutschland eingeführt145 Unternehmen, die Zinn, Tantal, Wolfram und Gold nach Deutschland importierten, lagen über der Mengenschwelle, die sie zur Erfüllung besonderer Sorgfaltspflichten verpflichtet. Sie decken für die meisten Mineralien über 90 Prozent der Gesamt-Menge ab, die eingeführt wurde.

Laut der EU-Verordnung müssen kontrollierte Importeure der nationalen Kontrollbehörde Audit-Berichte von unabhängigen Dritten zur Verfügung stellen. Diese Berichte sollen darlegen, welche Maßnahmen sie verfolgen, um Risiken in ihren Lieferketten zu reduzieren. Die DEKSOR bemängelt, dass die nachträglich für 2021 kontrollierten Importeure nur Zusammenfassungen von Audit-Berichten zur Verfügung gestellt haben.

Unternehmen betreiben kein eigenes Risikomanagement

Vor allem kritisiert die deutsche Kontrollstelle, dass Importeure keine Audit-Berichte über eigene Risikomanagementsysteme einreichten, sondern über Hütten und Raffinieren, von denen sie Mineralien und Metalle kauften. Sie bezogen sich dabei auf eine Ausnahme in der Verordnung, nach der eigene Audit-Berichte verzichtbar sind, wenn alle Hütten und Raffinieren in der Lieferkette die Verordnung einhalten. Dies könnte zwar dadurch belegt werden, dass die Verarbeiter zu Industrieinitiativen wie der Responsible Minerals Initiative (RMI) gehören, aber Importeure müssten laut DEKSOR trotzdem ein eigenes Risikomanagement betreiben und zusätzliche Nachweise für die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten vorlegen.

Aktuell gibt es allerdings noch keine Industrieinitiative, die von der EU-Kommission anerkannt ist. Daher könnten Importeure sich derzeit ohnehin nicht darauf berufen. Wann die Initiativen, die sich bei der Kommission um Anerkennung beworben haben, zugelassen werden, ist noch unklar.

Die DEKSOR bemängelt außerdem, dass Audit-Berichte über Hütten und Raffinieren in Industrieinitiativen wie der RMI auch nur in zusammengefasster Form übermittelt wurden. Matthias Baier, Leiter der DEKSOR, sagt: “Das Wichtigste ist Transparenz. Die Importeure müssen uns schlüssige und überprüfbare Nachweise zukommen lassen. Sonst können wir als Kontrollstelle nicht beurteilen, ob sie ihren Sorgfaltspflichten nachkommen.”

OECD: Kaum Anstrengungen in den EU-Mitgliedstaaten

Aus Sicht der Unternehmen erfüllen Initiativen wie die RMI eine wichtige Funktion als Datenlieferanten. “Die Anforderung für KMU, die Lieferketten bis zum Ursprung zurückzuverfolgen, ist ohne entsprechende Systeme in der Praxis nicht umsetzbar”, sagt eine Sprecherin der Wirtschaftsvereinigung Metalle. Hier sei mehr Unterstützung von der Politik notwendig: Die versprochenen Hilfsmittel der EU-Kommission seien bislang nicht vorhanden, wie die Anerkennung der Initiativen oder die angekündigte weltweite Liste verantwortungsvoller Hütten und Raffinerien – oder sie seien nicht ausreichend aussagekräftig, wie die Liste der Konflikt- und Hochrisikogebiete (CAHRA-Liste).

Auch in anderen Ländern läuft die Umsetzung schleppend: “Viele EU-Mitgliedstaaten scheinen sich der Aktivitäten im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Verordnung über Konfliktmineralien nicht bewusst zu sein oder haben nicht darüber berichtet”, schreibt die OECD in einem Bericht von Mai 2022.

Laut Angaben der EU-Kommission sind in der gesamten EU zwischen 600 und 1.000 Unternehmen von der Verordnung betroffen. Im Rahmen einer Umfrage von Table Media bei den nationalen Kontrollbehörden berichteten jedoch mehrere, sie hätten keine oder nur sehr wenige Importeure identifiziert, welche die Mengenschwellen überschreiten. Zusätzlich zu den 145 Unternehmen in Deutschland meldete Österreich 15 FirmenBulgarien drei und Finnland drei bis sieben. In Luxemburg wurde noch nicht einmal das Durchführungsgesetz verabschiedet.

Bewusstsein und Motivation fehlt

Viele Unternehmen haben sich bisher anscheinend darauf verlassen, dass es ausreicht, sich auf eine Industrieinitiative zu beziehen. Es fehlt aber auch an Bewusstsein. “Das erste volle Jahr der Anwendung der Verordnung hat gezeigt, dass nur eine sehr begrenzte Zahl von Einführern ihre Verpflichtungen im Rahmen der Verordnung vollständig versteht”, sagt ein Sprecher des in Irland zuständigen Department of the Environment, Climate and Communications.

Ein weiterer möglicher Grund: “Dass Verstöße nicht mit scharfen Sanktionen belegt sind, könnte für einige Unternehmen auch ein Grund sein, sich nicht an die Verordnung zu halten”, sagt Baier von der DEKSOR. Allerdings wussten die Unternehmen seit 2017, dass sie ab 2021 ihre Sorgfaltspflichten einhalten müssen. Sie hatten also vier Jahre Zeit, sich vorzubereiten.

Die Europäische Kommission überprüft zurzeit die Konfliktmineralienverordnung. Sie hat den Review-Prozess im Herbst gestartet und lässt unter anderem eine Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit durchführen. Der Abschlussbericht soll wahrscheinlich im dritten Quartal 2023 fertig sein. Danach wird die Verordnung alle drei Jahre überprüft. Nicolas Heronymus und Leonie Düngefeld

  • Deutschland
  • Import
  • Lieferketten
  • Rohstoffe

Termine

27.01.2023 – 15:00-16:30 Uhr, online
FNF, Diskussion Was Frankreich bewegt – 60 Jahre Élysée-Vertrag
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) analysiert und diskutiert mit Experten die aktuelle politische Lage in Frankreich und die deutsch-französischen Beziehungen. INFOS & ANMELDUNG

27.01.2023 – 19:00-20:00 Uhr, online
Europe Direct, Diskussion Bosnien-Herzegowina, der Balkan und Europa
Europe Direct geht der Frage nach, ob die europäische Perspektive für Bosnien-Herzegowina mit dem Status als EU-Beitrittskandidat konkreter geworden ist. INFOS & ANMELDUNG

30.01.2023 – 09:00 Uhr, Hamburg
KS, Diskussion Let’s talk about Feministische Außenpolitik
Die Körber Stiftung (KS) beschäftigt sich mit der Frage, worum es bei der feministischen Außenpolitik geht. INFOS & ANMELDUNG

30.01.2023 – 16:00-17:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
Eco, Podiumsdiskussion bxlTalk CSAM
Eco (Verband der Internetwirtschaft) diskutiert die vorgeschlagene CSAM-Verordnung mit politischen Vertretern. INFOS & ANMELDUNG

30.01.2023 – 18:00-19:00 Uhr, online
KAS, Diskussion Die europäische Klimapolitik – Wie verbraucherfreundlich ist die Europäische Union?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) setzt sich mit möglichen Maßnahmen der EU zur Klimaneutralität auseinander. INFOS & ANMELDUNG

30.01.2023 – 19:00-20:15 Uhr, online
FNF, Diskussion Ausblick auf China für 2023
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) beschäftigt sich mit den Herausforderungen der Kooperation mit China im Jahr 2023. INFOS & ANMELDUNG

31.01.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Mönchengladbach
KAS, Diskussion Die Energiekrise – Wendepunkt für eine gerechte und nachhaltige Energieversorgung
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) adressiert notwendige Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Klimaschutz und bezahlbarer Energieversorgung. INFOS & ANMELDUNG

31.01.2023 – 18:30-19:30 Uhr, online
KAS, Diskussion Europa als Friedensmacht? Was kann die deutsch-französische Freundschaft dazu beitragen?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) setzt sich im Rahmen der deutsch-französischen Zukunftswerkstatt mit den politischen Vorschlägen Macrons zu einer europäischen strategischen Autonomie und der Europäischen Politischen Gemeinschaft auseinander. INFOS & ANMELDUNG

31.01.2023 – 19:00-20:00 Uhr, online
Diskussion EU-Erweiterung – die Balkanfrage
Die Veranstaltung geht der Frage nach, wie konkret sich die EU-Beitrittsperspektive der Westbalkan-Staaten gestaltet. INFOS & ANMELDUNG

News

Metallindustrie fordert starke Antwort auf den IRA

Der Verband der europäischen Metallindustrie Eurometaux fordert in einem Brief an die EU-Kommission eine wirksame industriepolitische Antwort auf den US Inflation Reduction Act (IRA). Der Industrieplan des EU Green Deal und der geplante Critical Raw Materials Act müssten ein stärkeres Investitions- und Wettbewerbssignal an die gesamte Lieferkette für saubere Energietechnologien senden, heißt es in dem gestern veröffentlichten Schreiben.

Die EU-Pläne für die Herstellung von Solarzellen, Batterien, Wasserstoff, Chips und anderen Technologien erforderten erhebliche neue Metallmengen, deren Angebot knapp sei. Der US Inflation Reduction Act sei zwar diskriminierend, habe aber gezeigt, “wie eine proaktive Industriepolitik für saubere Technologien aussehen könnte”. Aufgrund der Vorhersehbarkeit, des Wertschöpfungskettenansatzes, der Finanzierung und steuerlichen Anreize würden neue Investitionen in die US-Mineralienproduktion vorangetrieben.

Mit ihrem geplanten Industriepaket könne die EU nicht nur den bestehenden Kapazitäten helfen, sich zu erholen und zu dekarbonisieren, sondern könne auch neue Investitionen in Basismetalle, Batteriematerialien und Seltene Erden steigern.

Eurometaux nennt dafür fünf Empfehlungen:

  • Festlegung von EU-Produktionszielen, Anreizen und beschleunigter Projektverfolgung für die gesamte Lieferkette für saubere Energietechnologien,
  • Bereitstellung einer straffen und umfassenden finanziellen Unterstützung der EU für strategische Lieferketten nach dem Vorbild der IRA,
  • Senkung der EU-Strompreise durch eine Verbesserung der Bedingungen für langfristige Lieferverträge, insbesondere mit erneuerbaren Energien,
  • Beibehaltung des Vorübergehenden Krisenrahmens mit Schwerpunkt auf der Abmilderung der Energiekrise, Verbesserung seiner Bestimmungen und der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, um eine vollständige Erholung der bedrohten europäischen Industrien zu gewährleisten,
  • Regulatorische Vorhersehbarkeit und Kohärenz in anderen Politikbereichen, zum Beispiel Einbeziehung der industriepolitischen Prioritäten in die laufenden Überprüfungen der EU-Chemikaliengesetzgebung, Beschleunigung der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der EU, Sicherstellung eines freien und fairen Welthandels mit strategischen Rohstoffen.

Aus Sicht von Eurometaux sollte der Critical Raw Materials Act die für die Energiewende und den digitalen Wandel sowie für andere strategische Wertschöpfungsketten erforderlichen Metalle und Mineralien formell definieren. Die Liste kritischer Rohstoffe müsste dann um einige Batteriemetalle, Seltenerdmetalle und Basismetalle wie Aluminium, Zink und Kupfer erweitert werden. leo

  • Europäische Kommission
  • Industrie
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  • Inflation Reduction Act
  • Metalle

Kommission will mehr sozialen Dialog

Der Dialog zwischen Arbeitgebern und Belegschaften soll intensiver werden. “Ein lebhafter sozialer Dialog und starke Sozialpartner sind notwendig, damit Europa wettbewerbsfähig und umfassend bleibt”, fordert Sozialkommissar Nicolas Schmit. Die Kommission hat in ihrer gestrigen Sitzung eine Kommunikation sowie eine Ratsempfehlung zur Förderung des sozialen Dialogs beschlossen.

Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite und Tarifverhandlungen würden dazu beitragen, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten zu verbessern, etwa bei der Entlohnung, Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Familienzeiten, Weiterbildung und Gesundheits- und Arbeitsschutz.

Der soziale Dialog unterscheide sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Gleichwohl gehe der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder unter den Beschäftigten zurück. Der Organisationsgrad lag EU-weit 2000 im Schnitt bei 66 Prozent und bei 56 Prozent in 2019. Die Ratsempfehlung sieht drei Punkte vor:

  • Konsultation der Sozialpartner gemäß den nationalen Gegebenheiten zur Wirtschafts-, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik
  • Ermutigung der Sozialpartner, sich auch um atypische Beschäftigungsverhältnissen und neue Formen des Arbeitens zu kümmern
  • mehr Fähigkeiten für die Organisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mgr
  • Europäische Kommission
  • Europapolitik

Data Act: Vierter Kompromiss des Rates liegt vor

Die schwedische Ratspräsidentschaft hat wie erwartet ein viertes Kompromisspapier zum Data Act erarbeitet, das Europe.Table vorliegt. Darin gibt es Änderungsvorschläge zu zentralen Punkten wie Geschäftsgeheimnisse, Anwendungsbereich (Kapitel II), KMU und Kompensation (Kapitel V) sowie dem Zusammenspiel zwischen Data Act und DSGVO. Auch Deutschland sieht einer jüngsten Stellungnahme zufolge an einigen Stellen noch Klärungsbedarf.

Der Ratsvorsitz gibt den Mitgliedstaaten auf, die Änderungen auf der Sitzung der Arbeitsgruppe Telekommunikation am 31. Januar 2023 zu erörtern. Dann haben die Delegationen noch bis zum 3. Februar 2023 Zeit, eine Rückmeldung zu geben. Die Schweden streben an, noch im Laufe ihres Vorsitzes zu einer Allgemeinen Ausrichtung zu kommen.

Neue Definition von Daten

Die wichtigsten Änderungen sind:

  • Geschäftsgeheimnisse: Hier gibt es eine Ergänzung, um die Weitergabe von Daten an Dritte im Zusammenhang mit der Entwicklung von Konkurrenzprodukten zu verhindern. Auch können Dateninhaber und Dritte zusätzliche Maßnahmen zur Wahrung der Vertraulichkeit vereinbaren. Außerdem nehmen die Erwägungsgründe nun Bezug auf die Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse.
  • Scope: Der Schwerpunkt liegt jetzt auf der Funktionalität der Daten statt auf den Produkten. Die Definition lautet entsprechend: “Daten, die durch die Nutzung eines Produkts oder einer damit verbundenen Dienstleistung erzeugt werden.” In den Erwägungsgründen steht jetzt “vorverarbeitet” statt “aufbereitet”, um Daten zu bezeichnen, die weder wesentliche Veränderungen erfahren haben noch größere Investitionen erfordern.
  • Kompensation: Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen sollen nur noch in Notfällen Daten an öffentliche Stellen liefern müssen und dafür eine Entschädigung verlangen können.
  • DSGVO: Das Gesetz sieht eine Meldung an eine unabhängige Datenschutzbehörde vor, wenn es um personenbezogene Daten geht. Zusätzlich betonen die Erwägungsgründe den besonderen Schutz, den diese Daten genießen – auch in den Fällen, wo Produkte sie verarbeiten oder speichern.
  • Fairness: Der Schutz vor missbräuchlichen Vertragsklauseln wurde erweitert, indem die spezifischen Verweise auf KMU durch einen allgemeinen Verweis auf alle Unternehmen ersetzt wurde.
  • Cloud Switching: Der Text erläutert die möglichen Hindernisse für einen effektiven Anbieterwechsel und erklärt die Schritte des Umstellungsprozesses sowie die Rechte und Pflichten der verschiedenen Parteien. Ergänzend stellt er die Transparenzpflichten für Anbieter von Datenverarbeitungsdiensten beim internationalen Zugang und bei der internationalen Übermittlung klar. vis
  • Data Act
  • Digitalpolitik
  • Europäischer Rat
  • Schweden

Versuchsaffen werden europaweit knapp

Versuchsaffen in der biomedizinischen Forschung werden knapp. Bis 2020 kamen die Affen für die Forschung vor allem aus China. Doch die Volksrepublik stoppte den Export ausgerechnet zu Beginn der Coronapandemie. Damals war nicht sicher, ob das Coronavirus auch von den Versuchsprimaten übertragen werden kann. Peking hat den Ausfuhrstopp allerdings seitdem nicht wieder aufgehoben.

Für den Forschungsstandort Europa ist es dadurch zunehmend schwierig geworden, geeignete Laboraffen zu bekommen. Eine jüngst in Kraft getretene strengere EU-Regulierung, welche Affen zur Forschung eingesetzt werden dürfen, verschärft die Lage der Labore zusätzlich. Durch den erschwerten Zugang zu Forschungsprimaten und steigende Kosten könnte die Forschung in der EU in Zukunft unattraktiver werden – und Richtung China abwandern.

Während der Suche nach Impfstoffen und Medikamenten gegen Corona ist der Bedarf an Tieren rasant gestiegen. Wer etwa gegen das Coronavirus mit einem in der EU zugelassenen Vakzin geimpft ist, hat einen an Versuchsaffen getesteten Impfstoff erhalten. Die Tiere sind für einen Teil dieser biomedizinischen Forschung unersetzlich.

Deutschland benötigte bis vor dem chinesischen Exportbann zwischen 2.000 und 3.000 Versuchsaffen pro Jahr, zum allergrößten Teil für gesetzlich vorgeschriebene Medikamententests pharmazeutischer Firmen, erklärt Stefan Treue, Leiter des Deutschen Primatenzentrums (DPZ). Insgesamt seien es in Europa rund 10.000 gewesen.

Züchter verkaufen in Länder ohne Einschränkungen

Probleme macht nun auch Brüssel: Europäische Firmen und Forschungseinrichtungen dürfen laut einer neuen EU-Regulierung seit November nur noch Tiere ab der sogenannten F2-Generation einsetzen. F0-Tiere sind in der freien Natur geboren. F1-Tiere sind deren Nachkommen, F2 dann die nachfolgende Generation. Diese Regulierung hatte die EU schon vor gut zehn Jahren beschlossen. Die Übergangsfrist lief aber erst im November 2022 aus. Um eine F2-Generation zu züchten, muss allerdings F1 vorhanden sein. In der aktuellen Krise ist die Nachfrage aber so groß, dass die Züchter die Tiere in Länder verkauften, in der es keine solchen Generations-Einschränkungen gebe, so der Biologe.

An eine zeitnahe Verbesserung der Situation in der EU glaubt Stefan Treue nicht. “Das Problem wird eher drängender.” Die Auswirkungen des Exportbanns seien auch beim DPZ zu spüren, erklärt Treue. Wegen der für die Coronaforschung aktuell sehr hohen Nachfrage nach Versuchstieren würde das Zentrum normalerweise Affen dazukaufen, sagt Treue. Es gibt aber keine auf dem Markt.

Die EU-Kommission sei sich der Lage bewusst, teilte eine Sprecherin mit. Sie verwies auf die Möglichkeit, dass die EU-Staaten Ausnahmen zulassen. “Hier wäre es wichtig, dass die EU-Länder eine sinnvolle Abwägung zwischen dem Verbot der weiteren Verwendung bestimmter Tiere und der Risiken dieser Regel für das Tierwohl und die Wissenschaft in Europa finden”, betont Treue. Amelie Richter

Presseschau

Lindner tauscht Europa-Staatssekretär aus – Nachfolger soll demnach Heiko Thoms werden, derzeit Botschafter in Brasilien WALLSTREET-ONLINE
Nach EU-Sanktionen: Iran verhängt ebenfalls Strafmaßnahmen DEUTSCHLANDFUNK
Bei Milliardenzahlung der EU an Deutschland drohte Kürzung OLDENBURGER-ONLINEZEITUNG
EU-Korruptionsskandal: Panzeri-Familie wird nicht von Italien nach Belgien ausgeliefert HANDELSBLATT
Hinweis der Bafin: EU-Kommission muss bei EU-Offenlegungsverordnung nachbessern PRIVATE-BANKING-MAGAZIN
Mindesteinkommens-Initiativen helfen Bedürftigen in der EU EURONEWS
Verkehrsminister droht mit Protestaktionen mit Frächtern am Brenner – Transit: Salvini fordert EU-Verfahren gegen Österreich SUEDTIROLNEWS
Verkehrsgerichtstag will auch Empfehlungen an EU richten BOERSENNEWS
Regierung will EU-weite Lösung: Dänemark stoppt Pläne zu Asylzentrum in Ruanda TAGESSCHAU
Ministerium: EU-Kommission vorerst ohne Bedenken zu Tierhaltungslabel ARIVA
EU unter Druck, chinesische Fischerei zu sanktionieren EURACTIV
Großer Ärger für Microsoft: EU vor Wettbewerbsverfahren wegen Teams WINFUTURE
Von wegen nachhaltig: Fast alle grünen Aktienfonds scheitern am EU-Standard UTOPIA
Malaysia droht der EU mit einem Palmöl-Lieferstopp HANDELSBLATT
Weniger Nutzfahrzeuge in Europa verkauft BOERSEN-ZEITUNG
EU stellt Weichen: Intel-Förderung für Magdeburg rückt näher MDR
Krypto und Banken: EU-Gesetzgeber stimmen über strengere Kapitalanforderungen ab COINTELEGRAPH
1 in 3 bees, butterflies and hoverflies are disappearing. Can a new EU deal save our pollinators? EURONEWS

Heads

Simone Peter – Antreiberin für die Erneuerbaren

Die ehemalige Grünen-Vorsitzende Simone Peter ist Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE).

Als der Bau des französischen Atomkraftwerks im grenznahen Cattenom angekündigt wurde, demonstrierten im Saarland Tausende gegen die Kernenergie. Mitten unter ihnen die jugendliche Simone Peter mit ihrer ganzen Familie. “Ich bin ein klassisches Kind der 1980er Jahre“, sagt die heutige Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE). Das Bewusstsein für Umweltthemen lag in der Familie: “Wir waren die Ersten in der Stadt mit Solarzellen auf dem Dach und einem Elektroauto. Das war 1988.”

Geboren wurde Simone Peter 1965 in Quierschied im Saarland. Sie studierte Biologie an der Universität des Saarlandes, wo sie 2000 am Lehrstuhl für Mikrobiologie auch ihren Doktortitel erlangte.

Politisch engagierte sich Peter schon früh bei den Grünen. “Die Grünen und ihre Themen – vom Waldsterben über Frauen, bis hin zur Friedenspolitik – haben mich angezogen.” Peters Engagement wurde zum Beruf. 2009 wurde sie Umweltministerin in ihrem Heimatbundesland, 2013 Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen. 2018 gab sie den Posten an Annalena Baerbock ab und wurde Präsidentin des BEE.

Schmerzhafte Rückschritte bei Erneuerbaren

Trotz ihres Engagements ist Deutschland weit von einem ausreichenden Ausbau der erneuerbaren Energien entfernt, sagt Simone Peter: “Wir erleben jetzt die Folgen einer Politik, die den Erneuerbaren nicht mehr den gesetzlich garantierten Vorrang gewährt hat.” Deutschland hat die Fotovoltaik-Industrie an chinesische Konkurrenz verloren. Ein Grund ist auch, dass der Staat die Vergütungen für die Anlagen kürzte. Rotorblattfertigungen für Windenergieanlagen gibt es Deutschland auch nicht mehr. “Das schmerzt sehr.”

Um wieder Vorreiter zu werden beim Klimaschutz, müsse sich die Politik drei Felder vorknöpfen: Ausbau der Erneuerbaren im Strom-, Wärme-, und Verkehrssektor. Bisher packe die Regierung die Wärmewende in Gebäuden noch zu vorsichtig an, sagt Peter. “Hier muss noch eine ganze Schippe drauf.” Und wenn das passiert, so glaubt Peter, könne die Energiewende insgesamt noch schneller vorangehen, als man es Anfang 2022 gedacht habe. Zudem hält sie es für richtig, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Versorgungssicherheit zu Kompromissen bereit war, da er gleichzeitig eine Agenda für die Erneuerbaren hatte.

Für Flexibilität im Strommarktdesign

Auf EU-Ebene kämpft Peter gerade gegen eine drohende neue “Planwirtschaft” im Stromsektor. Erneuerbare über sogenannte Differenzverträge zu fördern, hält sie für den falschen Weg. Das Marktdesign müsse langfristig tragfähig sein. “Das bedeutet nicht, ein starres System durch ein anderes starres System zu ersetzen”, sagt Peter. Was die Erneuerbaren bräuchten, sei mehr Flexibilität im Strommarkt.

Trotz der schleppenden Fortschritte in Deutschland erkennt die BEE-Präsidentin Bewegung in der Politik: “Wir erkennen an, dass die Bundesregierung mit ihren rund 30 Gesetzespaketen in den letzten Monaten mehr gemacht hat als die letzten Regierungen in den vergangenen zehn Jahren.”

Ob sie noch Parteimitglied ist? “Natürlich bin ich noch bei den Grünen. Das ist und bleibt Teil meiner Biografie.” Der BEE ist allerdings parteiübergreifend organisiert. Und das sei auch gut so. Svenja Schlicht

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Wie die Agrarwende gelingen soll
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    neben der Energie- und Verkehrswende muss auch die Landwirtschaft reformiert werden. Da war man sich in Brüssel weitgehend einig. Wo das noch zu langsam funktioniert und wie die Wende doch noch gelingen kann, weiß Timo Landenberger.

    Unternehmen, die potenziell konfliktbehaftete Mineralien nach Deutschland importieren, müssen eine Sorgfaltspflicht einhalten. Denn in diesem Zusammenhang kommt es häufig zu Menschenrechtsverletzungen – etwa durch Zwangsarbeit in den Minen oder durch bewaffnete Gruppen, die sich aus den Erlösen des Abbaus finanzieren. Eine erste Bilanz zeichnet kein gutes Bild. Meine Kollegen Leonie Düngefeld und Nicolas Heronymus kennen die Einzelheiten.

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    Wie die Agrarwende gelingen soll

    Agrarwende Landwirtschaft
    Pflanzenschutzmittel wird mit dem Traktor auf ein Feld versprüht.

    Klar ist: Nachhaltige Landwirtschaft funktioniert nicht ohne Naturschutz. Gleichzeitig können die Umwelt- und Klimaziele ohne den Agrarsektor nicht erreicht werden. “Die Artenvielfalt erhalten, das Klima schützen, Wasser, Boden und Luft sauber halten – all das kommt auch der Landwirtschaft und unserer Ernährungssicherheit zugute. Gerade krisenhafte Zeiten erfordern den Schulterschluss von Umwelt und Landwirtschaft”, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vergangene Woche anlässlich des 7. Internationalen Agrarkongresses zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin.

    Kurz um: Neben Energie- und Verkehrswende bedarf es auch einer grünen Transformation der Landwirtschaft, dessen ist man sich auch in Brüssel bewusst. Biodiversitäts- und Farm-to-Fork-Strategie geben den Rahmen vor, wie die Agrarwende gelingen soll. Doch bei der Übersetzung in konkrete Maßnahmen und Gesetzesvorhaben scheiden sich die Geister.

    Neue GAP-Förderperiode begonnen

    Mit dem Jahr 2023 hat auch die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) begonnen, die seit jeher den größten Posten im EU-Haushalt ausmacht und damit das stärkste Instrument für den Umbau der Landwirtschaft darstellt. Obwohl die Gelder in den vergangenen Jahren immer stärker an Umweltschutzauflagen geknüpft wurden, verbesserte sich die Öko-Bilanz des Agrarsektors kaum. Das sollte sich durch die Reform, die nach zähem Ringen in Brüssel erst im zweiten Anlauf zustande kam, nun ändern.

    Um dabei den regionalen Unterschieden gerecht zu werden, wurde das Modell der nationalen Strategiepläne eingeführt – verbunden mit der Hoffnung, ambitionierte Staaten würden vorangehen. Doch der Plan ging nach hinten los. Auch mit dem deutschen Plan, größtenteils noch aus der Feder der Großen Koalition, können weder die EU-Umweltziele noch die selbst gesteckten Ziele der Bundesregierung erreicht werden.

    Dessen ist sich auch das Landwirtschaftsministerium bewusst und hat einen Begleitausschuss ins Leben gerufen, der die Rahmenbedingungen der GAP-Förderung jährlich anpassen und auf mehr Umweltschutz ausrichten soll. Das EU-Recht ermögliche eine derartige Weiterentwicklung, heißt es aus dem BMEL.

    Streit um Naturschutz-Paket

    In Brüssel wird derweil über weitere Naturschutz-Maßnahmen im Agrarbereich gerungen: Der Kommissionsvorschlag für eine neue Pestizide-Verordnung sieht vor, den Einsatz bis 2030 zu halbieren. Das entspricht einer Einigung auf globaler Ebene von der Weltnaturkonferenz (COP15) in Montreal. Dennoch gibt es in Brüssel teils heftigen Widerstand gegen das Vorhaben.

    In ihren Dezember-Sitzungen beschlossen Agrar- und Energierat, zunächst eine Folgenabschätzung insbesondere hinsichtlich Ernährungssicherung von der Kommission einzufordern. Damit wurde die Verordnung vorerst auf die lange Bank geschoben. Sarah Wiener (Grüne), Berichterstatterin im EU-Parlament, lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie will ihren Entwurf noch im Januar einreichen.

    César Luena (S&D), Berichterstatter für das Renaturierungsgesetz hat seine Vorschläge bereits präsentiert und fordert teils deutliche Verschärfungen. So soll das Gesamtziel, 20 Prozent der Fläche an Land und auf See zu renaturieren, auf 30 Prozent angehoben werden. Im Parlament haben die Verhandlungen begonnen.

    Luena will seinen Bericht möglichst noch vor der Sommerpause durch das Plenum bringen, um den Gesetzgebungsprozess in der laufenden Legislaturperiode abschließen zu können. Ob das angesichts der vielen Konflikte und zu erwartenden Anzahl an Änderungsanträgen gelingt, bleibt abzuwarten.

    Neue Richtlinie für Bodengesundheit geplant

    Als Teil der Biodiversitätsziele legt die EU-Bodenstrategie einen Rahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der Bodengesundheit fest. Insbesondere durch nicht nachhaltige Bewirtschaftung ist die Fähigkeit der Böden, CO₂ zu speichern und Nährstoffe sowie Wasser aufzunehmen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Laut Kommission sind bis zu 70 Prozent der Böden nicht gesund, jährlich gehe eine Milliarde Tonnen an Boden durch Erosion verloren, was auch in der Nahrungsmittelproduktion zu erheblichen Verlusten führe. Das soll sich ändern.

    Zur Umsetzung der Strategie plant die Kommission unter anderem eine neue Richtlinie, die im zweiten Quartal 2023 vorgestellt werden soll. Zu den Zielen gehört, den Flächenverbrauch zu reduzieren und die Bodenverschmutzung bis spätestens 2050 auf ein Niveau zu senken, “das für die Gesundheit der Menschen und für die Ökosysteme nicht mehr schädlich ist”.

    Nachhaltigeres Lebensmittelsystem und mehr Tierschutz

    Im dritten Quartal dieses Jahres will die Kommission außerdem eine Verordnung über ein nachhaltigeres Lebensmittelsystem vorstellen. Dabei soll es insbesondere um eine EU-weit einheitliche Kennzeichnung der Nahrungsmittel hinsichtlich der Nachhaltigkeit ihrer Produktion gehen.

    Außerdem plant die Behörde, bis zum Ende des Jahres die Rechtsvorschriften zum Tierschutz zu überarbeiten. Das Tierschutzniveau sei in der EU nach wie vor nur “subobtimal” heißt es in einem Bericht der Brüsseler Behörde. Durch die Novellierung soll der Geltungsbereich erweitert und vorwiegend die Durchsetzung der Vorschriften vereinfacht werden. Tier- und Umweltschutz hängen unmittelbar zusammen. In Folge intensiver Nutztierhaltung kommt es beispielsweise zu Überdüngung und damit zu Belastungen von Böden und Grundwasser.

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    Konfliktmineralien: Unternehmen erfüllen Sorgfaltspflichten kaum

    Ein großer Teil der Unternehmen, die potenziell konfliktbehaftete Mineralien nach Deutschland importieren, hat in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten der EU-Konfliktmineralienverordnung ihre Sorgfaltspflichten nicht erfüllt. Das geht aus dem ersten Kontrollbericht der Deutschen Kontrollstelle EU-Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten (DEKSOR) hervor.

    Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze und Gold werden vielfach in Regionen gewonnen, wo bewaffnete Gruppen Land und Minen kontrollieren. In diesem Zusammenhang kommt es häufig zu Menschenrechtsverletzungen – etwa durch Zwangsarbeit in den Minen oder die bewaffneten Gruppen, die sich aus den Erlösen des Abbaus finanzieren. Die EU hat deshalb 2017 eine Verordnung verabschiedet, die Importeure von großen Mengen dieser Mineralien verpflichtet, Sorgfaltspflichten einzuhalten. Im Fokus steht ein unternehmensinternes Risikomanagement.

    Mangelnde Transparenz großes Hindernis für Kontrolle

    Die DEKSOR kontrolliert die Einhaltung der Verordnung in Deutschland. Hier wird sie durch das Mineralische-Rohstoffe-Sorgfaltspflichten-Gesetz (MinRohSorgG) umgesetzt, das 2020 in Kraft trat und seit 2021 vollumfänglich gilt. Die DEKSOR führte 2022, rückwirkend für 2021, erstmals Kontrollen bei den Importeuren durch. Im ersten Kontrollbericht sind die Ergebnisse der beiden Jahre kombiniert. Für 2021 hat sie 23 Importeure kontrolliert, die überwiegend Mineralien aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (CAHRAs) einführten.

    Insgesamt wurden 2021 rund 10.600 Tonnen Zinn, Tantal und Wolfram sowie 175 Tonnen Gold nach Deutschland eingeführt145 Unternehmen, die Zinn, Tantal, Wolfram und Gold nach Deutschland importierten, lagen über der Mengenschwelle, die sie zur Erfüllung besonderer Sorgfaltspflichten verpflichtet. Sie decken für die meisten Mineralien über 90 Prozent der Gesamt-Menge ab, die eingeführt wurde.

    Laut der EU-Verordnung müssen kontrollierte Importeure der nationalen Kontrollbehörde Audit-Berichte von unabhängigen Dritten zur Verfügung stellen. Diese Berichte sollen darlegen, welche Maßnahmen sie verfolgen, um Risiken in ihren Lieferketten zu reduzieren. Die DEKSOR bemängelt, dass die nachträglich für 2021 kontrollierten Importeure nur Zusammenfassungen von Audit-Berichten zur Verfügung gestellt haben.

    Unternehmen betreiben kein eigenes Risikomanagement

    Vor allem kritisiert die deutsche Kontrollstelle, dass Importeure keine Audit-Berichte über eigene Risikomanagementsysteme einreichten, sondern über Hütten und Raffinieren, von denen sie Mineralien und Metalle kauften. Sie bezogen sich dabei auf eine Ausnahme in der Verordnung, nach der eigene Audit-Berichte verzichtbar sind, wenn alle Hütten und Raffinieren in der Lieferkette die Verordnung einhalten. Dies könnte zwar dadurch belegt werden, dass die Verarbeiter zu Industrieinitiativen wie der Responsible Minerals Initiative (RMI) gehören, aber Importeure müssten laut DEKSOR trotzdem ein eigenes Risikomanagement betreiben und zusätzliche Nachweise für die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten vorlegen.

    Aktuell gibt es allerdings noch keine Industrieinitiative, die von der EU-Kommission anerkannt ist. Daher könnten Importeure sich derzeit ohnehin nicht darauf berufen. Wann die Initiativen, die sich bei der Kommission um Anerkennung beworben haben, zugelassen werden, ist noch unklar.

    Die DEKSOR bemängelt außerdem, dass Audit-Berichte über Hütten und Raffinieren in Industrieinitiativen wie der RMI auch nur in zusammengefasster Form übermittelt wurden. Matthias Baier, Leiter der DEKSOR, sagt: “Das Wichtigste ist Transparenz. Die Importeure müssen uns schlüssige und überprüfbare Nachweise zukommen lassen. Sonst können wir als Kontrollstelle nicht beurteilen, ob sie ihren Sorgfaltspflichten nachkommen.”

    OECD: Kaum Anstrengungen in den EU-Mitgliedstaaten

    Aus Sicht der Unternehmen erfüllen Initiativen wie die RMI eine wichtige Funktion als Datenlieferanten. “Die Anforderung für KMU, die Lieferketten bis zum Ursprung zurückzuverfolgen, ist ohne entsprechende Systeme in der Praxis nicht umsetzbar”, sagt eine Sprecherin der Wirtschaftsvereinigung Metalle. Hier sei mehr Unterstützung von der Politik notwendig: Die versprochenen Hilfsmittel der EU-Kommission seien bislang nicht vorhanden, wie die Anerkennung der Initiativen oder die angekündigte weltweite Liste verantwortungsvoller Hütten und Raffinerien – oder sie seien nicht ausreichend aussagekräftig, wie die Liste der Konflikt- und Hochrisikogebiete (CAHRA-Liste).

    Auch in anderen Ländern läuft die Umsetzung schleppend: “Viele EU-Mitgliedstaaten scheinen sich der Aktivitäten im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Verordnung über Konfliktmineralien nicht bewusst zu sein oder haben nicht darüber berichtet”, schreibt die OECD in einem Bericht von Mai 2022.

    Laut Angaben der EU-Kommission sind in der gesamten EU zwischen 600 und 1.000 Unternehmen von der Verordnung betroffen. Im Rahmen einer Umfrage von Table Media bei den nationalen Kontrollbehörden berichteten jedoch mehrere, sie hätten keine oder nur sehr wenige Importeure identifiziert, welche die Mengenschwellen überschreiten. Zusätzlich zu den 145 Unternehmen in Deutschland meldete Österreich 15 FirmenBulgarien drei und Finnland drei bis sieben. In Luxemburg wurde noch nicht einmal das Durchführungsgesetz verabschiedet.

    Bewusstsein und Motivation fehlt

    Viele Unternehmen haben sich bisher anscheinend darauf verlassen, dass es ausreicht, sich auf eine Industrieinitiative zu beziehen. Es fehlt aber auch an Bewusstsein. “Das erste volle Jahr der Anwendung der Verordnung hat gezeigt, dass nur eine sehr begrenzte Zahl von Einführern ihre Verpflichtungen im Rahmen der Verordnung vollständig versteht”, sagt ein Sprecher des in Irland zuständigen Department of the Environment, Climate and Communications.

    Ein weiterer möglicher Grund: “Dass Verstöße nicht mit scharfen Sanktionen belegt sind, könnte für einige Unternehmen auch ein Grund sein, sich nicht an die Verordnung zu halten”, sagt Baier von der DEKSOR. Allerdings wussten die Unternehmen seit 2017, dass sie ab 2021 ihre Sorgfaltspflichten einhalten müssen. Sie hatten also vier Jahre Zeit, sich vorzubereiten.

    Die Europäische Kommission überprüft zurzeit die Konfliktmineralienverordnung. Sie hat den Review-Prozess im Herbst gestartet und lässt unter anderem eine Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit durchführen. Der Abschlussbericht soll wahrscheinlich im dritten Quartal 2023 fertig sein. Danach wird die Verordnung alle drei Jahre überprüft. Nicolas Heronymus und Leonie Düngefeld

    • Deutschland
    • Import
    • Lieferketten
    • Rohstoffe

    Termine

    27.01.2023 – 15:00-16:30 Uhr, online
    FNF, Diskussion Was Frankreich bewegt – 60 Jahre Élysée-Vertrag
    Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) analysiert und diskutiert mit Experten die aktuelle politische Lage in Frankreich und die deutsch-französischen Beziehungen. INFOS & ANMELDUNG

    27.01.2023 – 19:00-20:00 Uhr, online
    Europe Direct, Diskussion Bosnien-Herzegowina, der Balkan und Europa
    Europe Direct geht der Frage nach, ob die europäische Perspektive für Bosnien-Herzegowina mit dem Status als EU-Beitrittskandidat konkreter geworden ist. INFOS & ANMELDUNG

    30.01.2023 – 09:00 Uhr, Hamburg
    KS, Diskussion Let’s talk about Feministische Außenpolitik
    Die Körber Stiftung (KS) beschäftigt sich mit der Frage, worum es bei der feministischen Außenpolitik geht. INFOS & ANMELDUNG

    30.01.2023 – 16:00-17:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
    Eco, Podiumsdiskussion bxlTalk CSAM
    Eco (Verband der Internetwirtschaft) diskutiert die vorgeschlagene CSAM-Verordnung mit politischen Vertretern. INFOS & ANMELDUNG

    30.01.2023 – 18:00-19:00 Uhr, online
    KAS, Diskussion Die europäische Klimapolitik – Wie verbraucherfreundlich ist die Europäische Union?
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) setzt sich mit möglichen Maßnahmen der EU zur Klimaneutralität auseinander. INFOS & ANMELDUNG

    30.01.2023 – 19:00-20:15 Uhr, online
    FNF, Diskussion Ausblick auf China für 2023
    Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) beschäftigt sich mit den Herausforderungen der Kooperation mit China im Jahr 2023. INFOS & ANMELDUNG

    31.01.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Mönchengladbach
    KAS, Diskussion Die Energiekrise – Wendepunkt für eine gerechte und nachhaltige Energieversorgung
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) adressiert notwendige Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Klimaschutz und bezahlbarer Energieversorgung. INFOS & ANMELDUNG

    31.01.2023 – 18:30-19:30 Uhr, online
    KAS, Diskussion Europa als Friedensmacht? Was kann die deutsch-französische Freundschaft dazu beitragen?
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) setzt sich im Rahmen der deutsch-französischen Zukunftswerkstatt mit den politischen Vorschlägen Macrons zu einer europäischen strategischen Autonomie und der Europäischen Politischen Gemeinschaft auseinander. INFOS & ANMELDUNG

    31.01.2023 – 19:00-20:00 Uhr, online
    Diskussion EU-Erweiterung – die Balkanfrage
    Die Veranstaltung geht der Frage nach, wie konkret sich die EU-Beitrittsperspektive der Westbalkan-Staaten gestaltet. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Metallindustrie fordert starke Antwort auf den IRA

    Der Verband der europäischen Metallindustrie Eurometaux fordert in einem Brief an die EU-Kommission eine wirksame industriepolitische Antwort auf den US Inflation Reduction Act (IRA). Der Industrieplan des EU Green Deal und der geplante Critical Raw Materials Act müssten ein stärkeres Investitions- und Wettbewerbssignal an die gesamte Lieferkette für saubere Energietechnologien senden, heißt es in dem gestern veröffentlichten Schreiben.

    Die EU-Pläne für die Herstellung von Solarzellen, Batterien, Wasserstoff, Chips und anderen Technologien erforderten erhebliche neue Metallmengen, deren Angebot knapp sei. Der US Inflation Reduction Act sei zwar diskriminierend, habe aber gezeigt, “wie eine proaktive Industriepolitik für saubere Technologien aussehen könnte”. Aufgrund der Vorhersehbarkeit, des Wertschöpfungskettenansatzes, der Finanzierung und steuerlichen Anreize würden neue Investitionen in die US-Mineralienproduktion vorangetrieben.

    Mit ihrem geplanten Industriepaket könne die EU nicht nur den bestehenden Kapazitäten helfen, sich zu erholen und zu dekarbonisieren, sondern könne auch neue Investitionen in Basismetalle, Batteriematerialien und Seltene Erden steigern.

    Eurometaux nennt dafür fünf Empfehlungen:

    • Festlegung von EU-Produktionszielen, Anreizen und beschleunigter Projektverfolgung für die gesamte Lieferkette für saubere Energietechnologien,
    • Bereitstellung einer straffen und umfassenden finanziellen Unterstützung der EU für strategische Lieferketten nach dem Vorbild der IRA,
    • Senkung der EU-Strompreise durch eine Verbesserung der Bedingungen für langfristige Lieferverträge, insbesondere mit erneuerbaren Energien,
    • Beibehaltung des Vorübergehenden Krisenrahmens mit Schwerpunkt auf der Abmilderung der Energiekrise, Verbesserung seiner Bestimmungen und der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, um eine vollständige Erholung der bedrohten europäischen Industrien zu gewährleisten,
    • Regulatorische Vorhersehbarkeit und Kohärenz in anderen Politikbereichen, zum Beispiel Einbeziehung der industriepolitischen Prioritäten in die laufenden Überprüfungen der EU-Chemikaliengesetzgebung, Beschleunigung der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der EU, Sicherstellung eines freien und fairen Welthandels mit strategischen Rohstoffen.

    Aus Sicht von Eurometaux sollte der Critical Raw Materials Act die für die Energiewende und den digitalen Wandel sowie für andere strategische Wertschöpfungsketten erforderlichen Metalle und Mineralien formell definieren. Die Liste kritischer Rohstoffe müsste dann um einige Batteriemetalle, Seltenerdmetalle und Basismetalle wie Aluminium, Zink und Kupfer erweitert werden. leo

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    Kommission will mehr sozialen Dialog

    Der Dialog zwischen Arbeitgebern und Belegschaften soll intensiver werden. “Ein lebhafter sozialer Dialog und starke Sozialpartner sind notwendig, damit Europa wettbewerbsfähig und umfassend bleibt”, fordert Sozialkommissar Nicolas Schmit. Die Kommission hat in ihrer gestrigen Sitzung eine Kommunikation sowie eine Ratsempfehlung zur Förderung des sozialen Dialogs beschlossen.

    Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite und Tarifverhandlungen würden dazu beitragen, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten zu verbessern, etwa bei der Entlohnung, Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Familienzeiten, Weiterbildung und Gesundheits- und Arbeitsschutz.

    Der soziale Dialog unterscheide sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Gleichwohl gehe der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder unter den Beschäftigten zurück. Der Organisationsgrad lag EU-weit 2000 im Schnitt bei 66 Prozent und bei 56 Prozent in 2019. Die Ratsempfehlung sieht drei Punkte vor:

    • Konsultation der Sozialpartner gemäß den nationalen Gegebenheiten zur Wirtschafts-, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik
    • Ermutigung der Sozialpartner, sich auch um atypische Beschäftigungsverhältnissen und neue Formen des Arbeitens zu kümmern
    • mehr Fähigkeiten für die Organisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mgr
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    Data Act: Vierter Kompromiss des Rates liegt vor

    Die schwedische Ratspräsidentschaft hat wie erwartet ein viertes Kompromisspapier zum Data Act erarbeitet, das Europe.Table vorliegt. Darin gibt es Änderungsvorschläge zu zentralen Punkten wie Geschäftsgeheimnisse, Anwendungsbereich (Kapitel II), KMU und Kompensation (Kapitel V) sowie dem Zusammenspiel zwischen Data Act und DSGVO. Auch Deutschland sieht einer jüngsten Stellungnahme zufolge an einigen Stellen noch Klärungsbedarf.

    Der Ratsvorsitz gibt den Mitgliedstaaten auf, die Änderungen auf der Sitzung der Arbeitsgruppe Telekommunikation am 31. Januar 2023 zu erörtern. Dann haben die Delegationen noch bis zum 3. Februar 2023 Zeit, eine Rückmeldung zu geben. Die Schweden streben an, noch im Laufe ihres Vorsitzes zu einer Allgemeinen Ausrichtung zu kommen.

    Neue Definition von Daten

    Die wichtigsten Änderungen sind:

    • Geschäftsgeheimnisse: Hier gibt es eine Ergänzung, um die Weitergabe von Daten an Dritte im Zusammenhang mit der Entwicklung von Konkurrenzprodukten zu verhindern. Auch können Dateninhaber und Dritte zusätzliche Maßnahmen zur Wahrung der Vertraulichkeit vereinbaren. Außerdem nehmen die Erwägungsgründe nun Bezug auf die Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse.
    • Scope: Der Schwerpunkt liegt jetzt auf der Funktionalität der Daten statt auf den Produkten. Die Definition lautet entsprechend: “Daten, die durch die Nutzung eines Produkts oder einer damit verbundenen Dienstleistung erzeugt werden.” In den Erwägungsgründen steht jetzt “vorverarbeitet” statt “aufbereitet”, um Daten zu bezeichnen, die weder wesentliche Veränderungen erfahren haben noch größere Investitionen erfordern.
    • Kompensation: Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen sollen nur noch in Notfällen Daten an öffentliche Stellen liefern müssen und dafür eine Entschädigung verlangen können.
    • DSGVO: Das Gesetz sieht eine Meldung an eine unabhängige Datenschutzbehörde vor, wenn es um personenbezogene Daten geht. Zusätzlich betonen die Erwägungsgründe den besonderen Schutz, den diese Daten genießen – auch in den Fällen, wo Produkte sie verarbeiten oder speichern.
    • Fairness: Der Schutz vor missbräuchlichen Vertragsklauseln wurde erweitert, indem die spezifischen Verweise auf KMU durch einen allgemeinen Verweis auf alle Unternehmen ersetzt wurde.
    • Cloud Switching: Der Text erläutert die möglichen Hindernisse für einen effektiven Anbieterwechsel und erklärt die Schritte des Umstellungsprozesses sowie die Rechte und Pflichten der verschiedenen Parteien. Ergänzend stellt er die Transparenzpflichten für Anbieter von Datenverarbeitungsdiensten beim internationalen Zugang und bei der internationalen Übermittlung klar. vis
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    Versuchsaffen werden europaweit knapp

    Versuchsaffen in der biomedizinischen Forschung werden knapp. Bis 2020 kamen die Affen für die Forschung vor allem aus China. Doch die Volksrepublik stoppte den Export ausgerechnet zu Beginn der Coronapandemie. Damals war nicht sicher, ob das Coronavirus auch von den Versuchsprimaten übertragen werden kann. Peking hat den Ausfuhrstopp allerdings seitdem nicht wieder aufgehoben.

    Für den Forschungsstandort Europa ist es dadurch zunehmend schwierig geworden, geeignete Laboraffen zu bekommen. Eine jüngst in Kraft getretene strengere EU-Regulierung, welche Affen zur Forschung eingesetzt werden dürfen, verschärft die Lage der Labore zusätzlich. Durch den erschwerten Zugang zu Forschungsprimaten und steigende Kosten könnte die Forschung in der EU in Zukunft unattraktiver werden – und Richtung China abwandern.

    Während der Suche nach Impfstoffen und Medikamenten gegen Corona ist der Bedarf an Tieren rasant gestiegen. Wer etwa gegen das Coronavirus mit einem in der EU zugelassenen Vakzin geimpft ist, hat einen an Versuchsaffen getesteten Impfstoff erhalten. Die Tiere sind für einen Teil dieser biomedizinischen Forschung unersetzlich.

    Deutschland benötigte bis vor dem chinesischen Exportbann zwischen 2.000 und 3.000 Versuchsaffen pro Jahr, zum allergrößten Teil für gesetzlich vorgeschriebene Medikamententests pharmazeutischer Firmen, erklärt Stefan Treue, Leiter des Deutschen Primatenzentrums (DPZ). Insgesamt seien es in Europa rund 10.000 gewesen.

    Züchter verkaufen in Länder ohne Einschränkungen

    Probleme macht nun auch Brüssel: Europäische Firmen und Forschungseinrichtungen dürfen laut einer neuen EU-Regulierung seit November nur noch Tiere ab der sogenannten F2-Generation einsetzen. F0-Tiere sind in der freien Natur geboren. F1-Tiere sind deren Nachkommen, F2 dann die nachfolgende Generation. Diese Regulierung hatte die EU schon vor gut zehn Jahren beschlossen. Die Übergangsfrist lief aber erst im November 2022 aus. Um eine F2-Generation zu züchten, muss allerdings F1 vorhanden sein. In der aktuellen Krise ist die Nachfrage aber so groß, dass die Züchter die Tiere in Länder verkauften, in der es keine solchen Generations-Einschränkungen gebe, so der Biologe.

    An eine zeitnahe Verbesserung der Situation in der EU glaubt Stefan Treue nicht. “Das Problem wird eher drängender.” Die Auswirkungen des Exportbanns seien auch beim DPZ zu spüren, erklärt Treue. Wegen der für die Coronaforschung aktuell sehr hohen Nachfrage nach Versuchstieren würde das Zentrum normalerweise Affen dazukaufen, sagt Treue. Es gibt aber keine auf dem Markt.

    Die EU-Kommission sei sich der Lage bewusst, teilte eine Sprecherin mit. Sie verwies auf die Möglichkeit, dass die EU-Staaten Ausnahmen zulassen. “Hier wäre es wichtig, dass die EU-Länder eine sinnvolle Abwägung zwischen dem Verbot der weiteren Verwendung bestimmter Tiere und der Risiken dieser Regel für das Tierwohl und die Wissenschaft in Europa finden”, betont Treue. Amelie Richter

    Presseschau

    Lindner tauscht Europa-Staatssekretär aus – Nachfolger soll demnach Heiko Thoms werden, derzeit Botschafter in Brasilien WALLSTREET-ONLINE
    Nach EU-Sanktionen: Iran verhängt ebenfalls Strafmaßnahmen DEUTSCHLANDFUNK
    Bei Milliardenzahlung der EU an Deutschland drohte Kürzung OLDENBURGER-ONLINEZEITUNG
    EU-Korruptionsskandal: Panzeri-Familie wird nicht von Italien nach Belgien ausgeliefert HANDELSBLATT
    Hinweis der Bafin: EU-Kommission muss bei EU-Offenlegungsverordnung nachbessern PRIVATE-BANKING-MAGAZIN
    Mindesteinkommens-Initiativen helfen Bedürftigen in der EU EURONEWS
    Verkehrsminister droht mit Protestaktionen mit Frächtern am Brenner – Transit: Salvini fordert EU-Verfahren gegen Österreich SUEDTIROLNEWS
    Verkehrsgerichtstag will auch Empfehlungen an EU richten BOERSENNEWS
    Regierung will EU-weite Lösung: Dänemark stoppt Pläne zu Asylzentrum in Ruanda TAGESSCHAU
    Ministerium: EU-Kommission vorerst ohne Bedenken zu Tierhaltungslabel ARIVA
    EU unter Druck, chinesische Fischerei zu sanktionieren EURACTIV
    Großer Ärger für Microsoft: EU vor Wettbewerbsverfahren wegen Teams WINFUTURE
    Von wegen nachhaltig: Fast alle grünen Aktienfonds scheitern am EU-Standard UTOPIA
    Malaysia droht der EU mit einem Palmöl-Lieferstopp HANDELSBLATT
    Weniger Nutzfahrzeuge in Europa verkauft BOERSEN-ZEITUNG
    EU stellt Weichen: Intel-Förderung für Magdeburg rückt näher MDR
    Krypto und Banken: EU-Gesetzgeber stimmen über strengere Kapitalanforderungen ab COINTELEGRAPH
    1 in 3 bees, butterflies and hoverflies are disappearing. Can a new EU deal save our pollinators? EURONEWS

    Heads

    Simone Peter – Antreiberin für die Erneuerbaren

    Die ehemalige Grünen-Vorsitzende Simone Peter ist Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE).

    Als der Bau des französischen Atomkraftwerks im grenznahen Cattenom angekündigt wurde, demonstrierten im Saarland Tausende gegen die Kernenergie. Mitten unter ihnen die jugendliche Simone Peter mit ihrer ganzen Familie. “Ich bin ein klassisches Kind der 1980er Jahre“, sagt die heutige Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE). Das Bewusstsein für Umweltthemen lag in der Familie: “Wir waren die Ersten in der Stadt mit Solarzellen auf dem Dach und einem Elektroauto. Das war 1988.”

    Geboren wurde Simone Peter 1965 in Quierschied im Saarland. Sie studierte Biologie an der Universität des Saarlandes, wo sie 2000 am Lehrstuhl für Mikrobiologie auch ihren Doktortitel erlangte.

    Politisch engagierte sich Peter schon früh bei den Grünen. “Die Grünen und ihre Themen – vom Waldsterben über Frauen, bis hin zur Friedenspolitik – haben mich angezogen.” Peters Engagement wurde zum Beruf. 2009 wurde sie Umweltministerin in ihrem Heimatbundesland, 2013 Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen. 2018 gab sie den Posten an Annalena Baerbock ab und wurde Präsidentin des BEE.

    Schmerzhafte Rückschritte bei Erneuerbaren

    Trotz ihres Engagements ist Deutschland weit von einem ausreichenden Ausbau der erneuerbaren Energien entfernt, sagt Simone Peter: “Wir erleben jetzt die Folgen einer Politik, die den Erneuerbaren nicht mehr den gesetzlich garantierten Vorrang gewährt hat.” Deutschland hat die Fotovoltaik-Industrie an chinesische Konkurrenz verloren. Ein Grund ist auch, dass der Staat die Vergütungen für die Anlagen kürzte. Rotorblattfertigungen für Windenergieanlagen gibt es Deutschland auch nicht mehr. “Das schmerzt sehr.”

    Um wieder Vorreiter zu werden beim Klimaschutz, müsse sich die Politik drei Felder vorknöpfen: Ausbau der Erneuerbaren im Strom-, Wärme-, und Verkehrssektor. Bisher packe die Regierung die Wärmewende in Gebäuden noch zu vorsichtig an, sagt Peter. “Hier muss noch eine ganze Schippe drauf.” Und wenn das passiert, so glaubt Peter, könne die Energiewende insgesamt noch schneller vorangehen, als man es Anfang 2022 gedacht habe. Zudem hält sie es für richtig, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Versorgungssicherheit zu Kompromissen bereit war, da er gleichzeitig eine Agenda für die Erneuerbaren hatte.

    Für Flexibilität im Strommarktdesign

    Auf EU-Ebene kämpft Peter gerade gegen eine drohende neue “Planwirtschaft” im Stromsektor. Erneuerbare über sogenannte Differenzverträge zu fördern, hält sie für den falschen Weg. Das Marktdesign müsse langfristig tragfähig sein. “Das bedeutet nicht, ein starres System durch ein anderes starres System zu ersetzen”, sagt Peter. Was die Erneuerbaren bräuchten, sei mehr Flexibilität im Strommarkt.

    Trotz der schleppenden Fortschritte in Deutschland erkennt die BEE-Präsidentin Bewegung in der Politik: “Wir erkennen an, dass die Bundesregierung mit ihren rund 30 Gesetzespaketen in den letzten Monaten mehr gemacht hat als die letzten Regierungen in den vergangenen zehn Jahren.”

    Ob sie noch Parteimitglied ist? “Natürlich bin ich noch bei den Grünen. Das ist und bleibt Teil meiner Biografie.” Der BEE ist allerdings parteiübergreifend organisiert. Und das sei auch gut so. Svenja Schlicht

    Europe.Table Redaktion

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