Table.Briefing: Europe

Spitzenposten weitgehend klar + Renaturierung: Durchbruch möglich + Grüne auf Kuschelkurs

Liebe Leserin, lieber Leser,

um 18 Uhr heute kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, um über die Top-Personalien für die nächsten fünf Jahre zu diskutieren. Alles deutet darauf hin, dass sie sich schnell einigen können, denn weder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch sonst einer der üblichen Verdächtigen hat aktuell die Nerven für Machtkämpfe um die europäischen Topjobs.

  • EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen werden die Chefs absehbar erneut als Kommissionspräsidentin vorschlagen.
  • António Costa, der sozialistische Ex-Ministerpräsident Portugals, dürfte als Präsident des Europäischen Rates nominiert werden.
  • Die bisherige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas, eine Liberale, wird wohl neue Außenbeauftragte.
  • Nicht Sache der Staats- und Regierungschefs, aber ebenfalls absehbar, ist, dass Amtsinhaberin Roberta Metsola (EVP) für die nächsten zweieinhalb Jahre Präsidentin des Europaparlaments bleibt. Für die zweite Hälfte der Legislaturperiode beanspruchen die Sozialdemokraten den Posten.

Die Unterhändler der politischen Lager, für die Sozialdemokraten Kanzler Olaf Scholz und Spaniens Pedro Sánchez, haben das Personalpaket weitgehend festgezurrt. Der Gipfel dürfte daher den scheidenden Ratspräsidenten Charles Michel beauftragen, Gespräche mit dem Europaparlament aufzunehmen. Die Abgeordneten müssen die Kommissionspräsidentin mit absoluter Mehrheit wählen, bevor sie eine neue Kommission formen kann.

Trotz der weitgehenden Einigkeit dürfte der Gipfel nicht unbedingt rechtzeitig um 21 Uhr für das EM-Spiel Frankreich gegen Österreich vorüber sein. Von der Leyen selbst wird zwar nur kurz im Saal sein, die Personalien diskutieren die Chefs anschließend ohne die Kandidatin. Michel will aber auch über den Führungsstil seiner Rivalin diskutieren lassen; er hält von der Leyen mangelnde Transparenz und präsidiale Tendenzen vor. Unklar ist, wie viel Widerhall er damit finden wird. In Berlin und anderen Hauptstädten wird die Fehde des Belgiers gegen von der Leyen nur mit Kopfschütteln bedacht.

Andere Gipfelteilnehmer könnten versuchen, für ihre Länder einflussreiche Dossiers in der neuen Kommission zu beanspruchen. Sánchez etwa hat klare Ambitionen, seine Kandidatin Teresa Ribera als erste Vizepräsidentin für den Green Deal zu installieren. Allerdings haben die Chefs aktuell nur relativ wenig Druckmittel, um von der Leyen ihre Wünsche zu diktieren.

Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart!

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Von-der-Leyen-Koalition: Warum die Grünen sich anbiedern

“Wir sind bereit für Verhandlungen“, betonen Grünen-Spitzenkandidaten Terry Reintke und Bas Eickhout dieser Tage bei jeder Gelegenheit. Dafür scheinen sie auch Kompromisse machen zu wollen. Niemand verlasse Verhandlungen mit 100 Prozent dessen, was man beim Hineingehen wollte, sagte Reintke vergangene Woche.

Über rote Linien wollten sie in der Öffentlichkeit jedoch nicht sprechen. Auch nicht, ob die Zukunft des Verbrennungsmotors dazu zählt. EVP-Chef Manfred Weber und andere Abgeordnete von CDU/CSU wollen das Verbot von neuen Verbrenner-Autos ab 2035 in dieser Legislatur wieder rückgängig machen. Für die Grünen ist es bislang indiskutabel, Green-Deal-Gesetze zurückzunehmen.

Aktuell lassen Weber und seine EVP die Grünen am ausgestreckten Arm verhungern. Einladungen zu informellen Koalitionsgesprächen haben nur die Sozialdemokraten und Liberalen erhalten, trotz des Anbiederns der Grünen. Stattdessen macht der EVP-Chef immer wieder deutlich, die Zusammenarbeit mit Teilen der rechtskonservativen EKR-Fraktion nicht auszuschließen.

Braucht die EVP die Grünen überhaupt?

Ob Weber tatsächlich lieber Giorgia Melonis Fratelli d’Italia im Unterstützerkreis für Ursula von der Leyen hätte oder die Grünen lediglich unter Druck setzen will, ihre Forderungen herunterzuschrauben, wird sich zeigen. Am Montag kommen die Staats- und Regierungschefs zusammen, um ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin für die Kommissionsspitze zu bestimmen. Sollte Meloni ihre Unterstützung für eine zweite Amtszeit von der Leyens aussprechen und dies entsprechend auch für die Fratelli-Abgeordneten im Europaparlament gelten, bräuchte die EVP die Grünen theoretisch gar nicht.

Der Druck für die Grünen, möglichst früh in die Verhandlungen einbezogen zu werden, ist daher hoch. Tritt die Fratelli der informellen von der Leyen-Koalition bei, ist für die Grünen kein Platz mehr. Für sie ist die Zusammenarbeit mit EKR-Parteien die eine unverhandelbare rote Linie.

Doch zu stark darf Weber die Fratelli nicht umwerben. Die Sozialdemokraten und die Liberalen lehnen eine Zusammenarbeit mit der EKR ebenfalls entschieden ab. Doch da es sich um eine geheime Wahl im Parlament handelt, muss niemand seine Karten vollständig offenlegen.

Caspary wirbt für Gespräche mit den Grünen

Es könnte also doch so kommen, dass Meloni und ihre Fratelli von der Leyen unterstützen und die Grünen dennoch Teil der von der Leyen-Koalition werden. Daniel Caspary, CDU/CSU-Chef im Europaparlament, warb am Mittwoch dafür, den Grünen als demokratische Partei die Hand zu reichen, wenn sie gesprächs- und kompromissbereit sind.

Der Plan Reintkes und Eickhouts, sich offensiv verhandlungsbereit zu zeigen, könnte aufgehen, wenn nicht nur Sozialdemokraten für eine grüne Beteiligung werben, sondern auch hochrangige EVP-Politiker. Webers Voreingenommenheit den Grünen gegenüber könnte so elegant umgangen werden.

Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius, der für die litauischen Grünen im nächsten EU-Parlament sitzen wird, appelliert ebenfalls an seine Noch-Chefin von der Leyen für eine Zusammenarbeit. “Wenn die Koalition zusammen mit den Grünen gebildet wird, ergibt das eine sehr komfortable Mehrheit für die pro-europäischen Kräfte”, sagte er im Table.Briefings-Interview. Es sei nur logisch, wenn die Grünen dabei wären. “Denn eine der großen Herausforderungen für Europa ist die Wettbewerbsfähigkeit, und die kann durch die Politik des Green Deal erreicht werden.”

Auch EVP-Chef Weber stellt Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund. Allerdings denkt er dabei nicht an den Green Deal.

Hofreiter: “Weber verfolgt doppelten Plan”

Anton Hofreiter, Grünen-Bundestagsabgeordneter, glaubt, Weber verfolge einen doppelten Plan mit seinem Schmeichelkurs bei Meloni und seiner Distanz zu den Grünen. Weber hätte schon gern, dass von der Leyen vom Rat vorgeschlagen wird. “Er hat aber auch kein Problem, wenn sie im Parlament scheitert, um dann den Grünen die Schuld zu geben, weil sie von der Leyen nicht unterstützt haben”, so Hofreiter zu Table.Briefings. Der Europaausschuss-Vorsitzende sieht zudem keinen Grund, die Forderungen der Grünen beim Klimaschutz herunterzuschrauben. Schließlich sei es neben den Grünen auch den Sozialdemokraten wichtig, den Green Deal fortzusetzen.

Auch in der EVP gibt es Leute, die auch weiterhin Klimaschutzpolitik machen wollen. Darauf setzen die Grünen, da Meloni diesem Thema kaum Relevanz zuschreibt und den Green Deal schon mal als “Klimafundamentalismus” beschrieben hat. Da wäre zum einen die Spitzenkandidatin selbst. Von der Leyen hat eine “Phase der Implementierung” ihres Green Deals ausgerufen. Etwas, das Meloni eigentlich nicht schmecken dürfte. Und auch Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der EVP, stellte klar, der Kern des Green Deals stehe nicht zur Debatte. Von der Leyen sei “die Richtige auch für diese neue Phase des Green Deal”.

So könnte es schlussendlich doch noch zum Schulterschluss zwischen EVP und Grünen kommen, entweder indem Weber umgangen wird oder er doch noch die ausgestreckte Hand der Grünen annimmt.  

  • Die Grünen
  • Europawahlen 2024
  • Grüne/EFA
Translation missing.

News

Renaturierungsgesetz: Wie sich eine Wende abzeichnet

Das umstrittene Gesetz zur Wiederherstellung der Natur könnte am Montag überraschend die letzte Hürde nehmen. Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler kündigte am Sonntag an, dem Gesetz beim Treffen mit ihren Amtskollegen in Luxemburg zustimmen zu wollen. Damit ist eine qualifizierte Mehrheit für das Renaturierungsgesetz erreicht, hieß es aus Kreisen des Rates.

Allerdings müssten alle bisherigen Befürworter unter den Mitgliedstaaten ihrer Linie treu bleiben. Die Bundesregierung in Berlin hatte sich im März nach Protesten der FDP auf eine Zustimmung geeinigt. Das Umweltministerium hatte damals mitgeteilt, in einer Protokollerklärung solle festgehalten werden, dass Landwirten bei der Umsetzung keine zusätzlichen Belastungen entstehen sollen.

Ziel des Gesetzes ist, bis 2030 mindestens 20 Prozent der Landflächen in der EU zu renaturieren. In Österreich hatte es sowohl innerhalb der Regierung als auch von den Ländern Widerstände gegen das Gesetz gegeben. Nach intensiven Gesprächen habe man eine Lösung gefunden, schrieb Gewessler. Die mitregierende ÖVP bestritt dies jedoch. EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler drohte auf “X” mit rechtlichen Konsequenzen. Gewessler begründete ihre Haltung auch mit den Gefahren durch Hochwasser: “Wenn es regnet, versickert im Asphalt kein Wasser.” ber

  • EU-Renaturierungsgesetz
  • Nature Restoration Law
  • Naturschutz
  • Österreich
Translation missing.

Green Deal: Wie ihn die SPD sichern will

Der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier will durch eine neue Organisation die Umsetzung des Green Deals sicherstellen und ihn so vor politischen Angriffen schützen. “Ein neues Implementing Office sollte künftig jährlich über die Umsetzung des Green Deals berichten”, sagte Geier, der in der vergangenen Legislatur die Gasmarkt-Richtlinie verhandelt und die Europa-SPD geführt hat. Vorbild sei die “Prime Minister’s Delivery Unit” des ehemaligen sozialdemokratischen britischen Regierungschefs Tony Blair.

“Die jährlichen Berichte zum Green Deal sollten Vorschläge enthalten, wie wir parallel die Klimaziele einhalten und die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie sicherstellen. Wir müssen über politische Instrumente diskutieren können, ohne gleich die komplette Regulierung über Bord zu werfen“, sagte Geier weiter. Mögliche zusätzliche Maßnahmen seien Handelsschutzmaßnahmen, erleichterte Beihilfen und Eingriffe in die Strompreise. Die Berichte könnten außerdem Prognosen über Anlagen wie Offshore-Windparks oder Elektrolyseure enthalten, die in den kommenden zwölf Monaten voraussichtlich in Betrieb gehen.

“CDU wird versuchen, Green Deal punktuell zurückzudrehen”

Eine ähnliche Behörde hatte kürzlich Enrico Letta in seinem Binnenmarkt-Bericht für den Rat vorgeschlagen: eine Clean Energy Delivery Agency. Regelmäßige Berichte über Fortschritte in der Klima- und Energiepolitik (NECPs) müssen die Mitgliedstaaten nach der Governance-Verordnung bislang nur alle fünf Jahre vorlegen.

Die EVP griff Geier wegen ihrer Haltung zu den rechten Fraktionen scharf an: “Die CDU hat beim Green Deal so viel schlucken müssen, dass sie todsicher versuchen wird, ihn mit der EKR punktuell zurückzudrehen – auch wenn sie vor der Wahl Ursula von der Leyens hoch und heilig verspricht, dies nicht zu tun.” ber

  • EKR
  • Elektrolyseure
  • Europawahlen 2024
  • EVP
  • Green Deal
  • S+D

Edenhofer appelliert an EU, beim Klimaschutz nicht nachzulassen

Der renommierte Ökonom und Klimaforscher Ottmar Edenhofer hält diese Legislaturperiode für einen “entscheidenden Moment für die europäischen Entscheidungsträger”. Die Einhaltung der Klimaziele der EU sei wichtiger denn je, sagt der Vorsitzende des europäischen wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel.

Um ihre ehrgeizigen Ziele und Verpflichtungen bis 2050 zu erfüllen, müsse die EU in erster Linie das Fit-for-55-Paket rasch und wirksam umsetzen. Zudem müsse die EU “ein Etappenziel für 2040 festlegen, das sowohl fair als auch machbar ist”, so der Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung. Klimaschutzmaßnahmen gingen Hand in Hand mit der Verbesserung der Energiesicherheit der EU, der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrie und der Schaffung neuer Arbeitsplätze. “Da Emissionsreduzierungen Zeit brauchen, um sich zu verwirklichen, ist es für die EU jetzt an der Zeit, in eine wohlhabende, widerstandsfähige und nachhaltige Zukunft für alle Europäerinnen und Europäer zu investieren.”

Der Beirat hatte Anfang des Jahres 13 Empfehlungen ausgesprochen, wie Europa den Übergang zur Klimaneutralität meistern kann. luk

  • EU-Klimapolitik
  • EU-Klimaziel 2040
  • Fit for 55
  • Klima & Umwelt

Ukaine-Friedensgipfel: Welche Erwartungen Selenskyj weckt

Das wichtigste Ergebnis des Ukraine-Friedensgipfels in der Schweiz bildeten symbolisch die Teilnehmer des Abschlussstatements ab: Vertreter Ghanas, der EU, Chiles, Kanadas und der Schweiz standen am Sonntagnachmittag an der Seite der Ukraine – die Welt ist solidarisch mit dem Opfer der russischen Aggression, sollte das Bild vermitteln.

Konkret gibt es zwei Ergebnisse: 80 von 93 Teilnehmern unterstützen das Abschlusskommuniqué und ein zweiter Gipfel soll bald folgen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weckte in seinem Statement am Ende des Gipfels durchaus hohe Erwartungen: Ein zweiter Gipfel soll in einigen “Monaten und nicht Jahren folgen”, sagte er. Mehrere Staaten hätten Interesse an der Ausrichtung des zweiten Gipfels bekundet. Konkreter wurde Selenskyj nicht. Er deutete jedoch an, dass er mit Saudi-Arabien Gespräche darüber geführt habe. Ob Russland beim zweiten Gipfel dabei sein werde, ließ Selenskyj zwar offen. Wenn eine Folgekonferenz in einem der BRICS-Staaten stattfinden sollte, wird Russland mit Sicherheit vertreten sein.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte, dass “der Frieden in der Ukraine nicht mit einem Schritt erreicht werden kann”. Sie betonte zudem, dass die Unterstützung für die Ukraine “so lange wie nötig” gewährt werde.

Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau

Für die Ukraine und die Republik Moldau gibt es außerdem eine gute Nachricht: In dieser Woche soll der Beginn von Beitrittsverhandlungen für diese Staaten bei einem EU-Ministertreffen formell beschlossen werden. 

Selenskyj zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des Gipfels im schweizerischen Bürgenstock, obwohl mehrere Teilnehmer das Abschlusskommuniqué nicht unterzeichnet haben – unter anderem Saudi-Arabien sowie die BRICS-Staaten Südafrika, Vereinige Arabische Emirate, Indien sowie Brasilien. Die 80 Unterzeichner unter den 93 Teilnehmerstaaten erinnern im Kommuniqué an die UN-Charta und an die territoriale Integrität der Ukraine. Kernpunkte sind jene, die vor der Konferenz bekannt waren: Nukleare Sicherheit, globale Lebensmittelsicherheit sowie der Austausch aller Kriegsgefangener und Rückkehr aller entführten Kinder und ukrainischer Zivilisten aus Russland.  

Russlands Außenministerium sowie Staatsmedien haben vor und während des Gipfels diesen erneut zu diskreditieren versucht und als sinnlos bezeichnet. Am Abschlusstag des Gipfels forderte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, das Angebot des Präsidenten Wladimir Putin zu prüfen. Putin hatte vor dem Gipfel unter anderem gefordert, die ukrainische Armee solle weiteres Gebiet Russland überlassen. Der hohe Aufwand, den das russische Außenministerium betreibt, um den Gipfel abzuwerten, spricht eher dafür, dass Moskau unter Druck gerät. Auf dem Kampffeld verzeichnet Russland sehr hohe Verluste bei minimalen Geländegewinnen. vf

  • Brics
  • Russland
  • Schweiz
  • Ukraine
  • Ukraine-Krieg
Translation missing.

Polen: Historiker soll Zusammenarbeit mit Deutschland koordinieren

Deutschland-Kenner Krysztof Ruchniewicz (rechts) erhielt 2023 den Viadrina-Preis in Frankfurt an der Oder.

Der Historiker und Deutschlandexperte Krzysztof Ruchniewicz ist Polens neuer Beauftragter für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Außenminister Radoslaw Sikorski habe den 57-Jährigen auf diesen Posten berufen, teilte das Ministerium am Samstag auf der Plattform X mit. Die Ernennung sei eine Würdigung seines “Beitrags zur deutsch-polnischen Verständigung und zur europäischen Idee”, hieß es weiter. Ruchniewicz ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wroclaw und Direktor des dortigen Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien.

Die Ernennung ist ein weiteres deutliches Zeichen der seit Dezember amtierenden Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk, dass man das zwischenzeitlich angeschlagene nachbarschaftliche Verhältnis wieder verbessern will. Zu Ruchniewiczs Aufgaben wird unter anderem die Verbesserung der gesellschaftlichen und grenznahen Zusammenarbeit gehören. Der Beauftragte soll aber auch das Außenministerium in seinem Dialog mit der deutschen Seite über den Umgang mit der Geschichte unterstützen. Insbesondere gilt das für den geplanten Bau des Deutsch-Polnischen Hauses in Berlin – einem Ort der Begegnung und des Erinnerns an die Opfer der deutschen Besatzung in Polen von 1939 bis 1945. dpa

  • Polen

Europäische Bewegung Deutschland bekommt neue Präsidentin

Anna-Maija Mertens leitet zurzeit das Deutsche Institut für Compliance (DICO).

Die deutsch-finnische Politikwissenschaftlerin Anna-Maija Mertens soll neue Präsidentin der Europäische Bewegung Deutschland (EBD) werden. Der EBD-Vorstand nominierte die 49-Jährige einstimmig als Nachfolgerin von Linn Selle für den ehrenamtlichen Posten. Die Wahl ist für den 14. Oktober vorgesehen.

Mertens war von 2014 bis 2024 Geschäftsführerin von Transparency International Deutschland. Seit April leitet sie als Vorständin das Deutsche Institut für Compliance (DICO). Die bisherige EBD-Präsidentin Linn Selle führt das größte Netzwerk für Europapolitik in Deutschland seit 6 Jahren. tho

  • Europapolitik

Korrektur: Cedec wählt Präsidenten

Durch ein redaktionelles Versehen wurde im Europe.Table-Briefing vom 14. Juni eine Personalmeldung veröffentlicht, die an diesem Tag nicht hätte erscheinen sollen. Urban Keussen, Technikvorstand des Energieversorgers EWE, wurde nicht wie berichtet am 12. Juni zum Präsidenten des europäischen Stadtwerkeverbandes Cedec gewählt. Vielmehr kandidiert Keussen für die Wahl, die am 19. Juni stattfinden soll. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

  • Table.Briefings

MUST-READS

EU-Spitzenposten: Scholz rechnet mit Wiederwahl von der Leyens WEB.DE
EU-Kommission: Es soll jetzt schnell gehen SÜDDEUTSCHE
Mario Draghi: An Industrial Strategy For Europe GEOPOLITIQUE
Fed wartet, EZB nicht: “Historisch einmalig” SÜDDEUTSCHE
Neue Vorwürfe gegen Krahs EU-Büro T-ONLINE
Italien fordert Posten des EU-Kommissionsvizepräsidenten DER STANDARD
EU-Kommission kündigt Strafzölle auf Elektroautos aus China an WELT
Lösung ohne Zölle? In Europa ist die Lust gering, auf Deutschlands Klagen einzugehen WELT
Abstimmung über Renaturierungsgesetz: Letzte Chance für Europas Natur? TAGESSCHAU
Kreml droht mit schärferen Forderungen bei Ablehnung der Putin-Offerte WEB.DE
Neue Kuchensteuer der EU: So wirkt sie sich in Deutschland aus CHIP
Rechtsextremismus: “Die Europawahl war der letzte Weckruf” SÜDDEUTSCHE
Linke “dezidiert antijüdisch”: Nazijäger Klarsfeld würde Le-Pen-Partei wählen N-TV
Zehntausende demonstrieren in Frankreich gegen die extreme Rechte WEB.DE
Ehemaliger Präsident François Hollande tritt bei Neuwahlen als Abgeordneter an ZEIT
Liberal Democrats profitieren von Misere der regierenden Torys ZEIT

Standpunkt

Jan Philipp Albrecht: Die Europawahl ist ein Weckruf

Von Jan Philipp Albrecht
Jan Phillip Albrecht ist Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und ruft nach der Europawahl Deutschland und Frankreich zu besonderen Anstrengungen auf, den autoritären Populismus zurückzudrängen.

Nach der Europawahl sind die demokratischen und proeuropäischen Kräfte im Europäischen Parlament geschwächt. Das ist ein Weckruf, die Zusammenarbeit nun deutlich verbindlicher zu gestalten. Nur so lassen sich verlässliche Mehrheiten für eine handlungsfähige EU sicherstellen. Ursula von der Leyen wird für ihre Wiederwahl wohl nicht nur das bisherige Bündnis aus Konservativen, Sozialdemokratie und Liberalen brauchen, sondern auch die Grünen.

Für den Fall, dass dies scheitert, hat von der Leyen kürzlich auch mit der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) gesprochen – jener Fraktion aus Rechtskonservativen, Nationalisten und Rechtspopulisten, der auch die Fratelli d’Italia von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni angehören.

Noch nie war das Europäische Parlament so rechts. Seit einigen Jahren verzeichnen rechtsradikale Parteien in allen Regionen der EU signifikante Zugewinne. Mehr noch: Bei dieser Wahl haben ihre Fraktionen als einzige Zugewinne im Vergleich zu ihrer bisherigen Fraktionsstärke eingefahren.

Parlament war bisher wichtiges Korrektiv zum Rat

Bereits vor dieser Europawahl beeinflusste dies auch auf die Einigungsfähigkeit und Politik im Europäischen Rat, wo etwa der ungarische Präsident Viktor Orbán immer wieder die Handlungsfähigkeit der EU in Frage stellt. In der vergangenen Legislaturperiode war das Europäische Parlament in dieser Hinsicht ein wichtiges Korrektiv. Doch das steht nun in Frage.

In einigen Ländern ist der Rechtsruck besonders extrem ausgefallen und sorgt entsprechend für politische Nachbeben. In Belgien, wo parallel zur Europawahl auch ein neues nationales Parlament und die Regionalparlamente gewählt wurden, reichte der belgische Premierminister Alexander De Croo seinen Rücktritt ein.

In Frankreich gewann der rechtsextreme Rassemblement National doppelt so viele Wählerstimmen wie Emmanuel Macrons Regierungsbündnis. Frankreichs Präsident löste daraufhin die Nationalversammlung auf und kündigte Neuwahlen an. Nicht nur in Frankreich sorgt diese Entscheidung für Überraschung und Ratlosigkeit. Ob es Macron gelingt, in drei Wochen eine Mehrheit hinter seinem Bündnis zu vereinen, welches nicht in seine Entscheidung eingebunden war, ist fraglich.

Macrons Pokerspiel gefährdet auch die EU

Macron läuft Gefahr, stattdessen zwischen zwei entstehenden Bündnissen links und rechts zerrieben zu werden. Der Präsident pokert hoch und riskiert die Verschärfung einer innenpolitischen Krise, die auch für die EU gefährlich werden könnte.

Auch in Deutschland verzeichnete das rechte Lager große Zugewinne: Die AfD landete hier vor der SPD und den Grünen mit 15,9 Prozent auf Platz zwei. Und das, obwohl gegen den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah zwei Vorermittlungsverfahren wegen möglicher Bestechlichkeit und mutmaßlicher Zahlungen aus Russland laufen.

Aufhorchen lassen besonders die Ergebnisse in Frankreich und den ostdeutschen Bundesländern, wo Rechtsextreme nahezu flächendeckend stärkste Kraft wurden. Dass Emmanuel Macron und die Ampelregierung derart geschwächt aus dieser Wahl hervorgehen, ist in Anbetracht der bedeutenden Rolle Frankreichs und Deutschlands in der EU eine der schlechtesten Nachrichten dieser Wahl.

Für Kommunikation auf Augenhöhe

Die Propaganda-Arbeit international vernetzter, demokratiefeindlicher Kräfte konzentriert sich im Vorfeld der entscheidenden Wahlen zum Bundestag und der französischen Präsidentschaft offensichtlich nicht umsonst besonders auf diese beiden Länder. In Deutschland und Frankreich bedarf es daher besonderer Anstrengungen, den autoritären Populismus zurückzudrängen – die Folgen einer rechten Regierungsbeteiligung oder gar Machtübernahme wären für die Demokratie in der EU unabsehbar.

Für die Grünen ist das Ergebnis besonders schmerzhaft. 2019 stellten sie die viertgrößte Fraktion im Europaparlament. Nun fallen sie hinter die Rechtsaußen-Fraktionen auf Platz sechs. Von den insgesamt verlorenen 18 Sitzen sind neun den deutschen und sieben den französischen Grünen zuzuschreiben. Verloren haben die Grünen vor allem in ihren traditionellen Hochburgen und auch dort, wo sie aktuell an Regierungen beteiligt sind. In Deutschland haben sie auf den ersten Blick eine starke Demobilisierung des eigenen Wählerpotenzials erlitten, vor allem bei der jungen Wählerschaft.

Die Gründe für diese mangelnde Mobilisierung müssen nun schnell und kritisch aufgearbeitet werden. Nur so kann die Partei mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen und die kommende Bundestagswahl Wege finden, die Menschen wieder zu erreichen, die sie als Partei in den vergangenen Jahren schon einmal erreicht hat. Nötig sind jetzt eine Kommunikation auf Augenhöhe und emotional überzeugende Ziele.

  • AfD
  • Belgien
  • Die Grünen
  • EKR
  • Europawahlen 2024
  • Frankreich
  • Grüne/EFA
  • Italien
  • Rassemblement national

Dessert

Demokratie spielerisch lernen: Faboulous Council heißt ein Online-Spiel der EU, das jetzt in neuer Version für Schulen verfügbar ist.

Demokratie will gelernt sein. Tatsächlich, so sagte es vor 20 Jahren der Soziologe Oskar Negt, ist Demokratie “die einzige Staatsform, die gelernt werden muss“. Und man möchte ergänzen, dass das ganz besonders für die Europäische Union gilt. Denn hier hat die Demokratie noch einmal ganz eigene Spielregeln. Alles ist noch eine Spur komplexer als auf nationaler Ebene. Doch es lohnt sich, die Spielregeln zu lernen. Je früher man damit beginnt, umso besser.

Und wie erreicht man junge Menschen am besten? Na klar, mit einem Computerspiel. Fabulous Council hat die EU-Kommission ihr Online Game genannt, mit dem Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 lernen können, wie man Interessenkonflikte überwindet und zu Kompromissen findet, die für alle funktionieren.

In dem interaktiven Spiel schlüpfen die Schülerinnen und Schüler in die Rollen von fünf Wesensgruppen: Vampire, Hexen und Hexer, Naturgeister, Drachenreiter:innen und Bauernschaft. Sie entscheiden über Regeln, die das Alltagsleben im Fantasieland Nafasia bestimmen.

Es droht der Fluch des letzten Königs

Den Gruppen sind jeweils andere Werte wichtig – Geld, Gemeinschaft, Natur oder Komfort. In neun Abstimmungen zu verschiedenen Themen verändert sich die Punkteanzahl aller vier Werte je nach Abstimmungsergebnis. Als Gewinnerin geht eine Gruppe aus der Ratssitzung hervor, wenn am Ende beide Werte der Gruppe mehr als null Punkte haben. Aber: Wenn eine der fünf Gruppen am Ende für keine ihrer beiden Werte Punkte holen konnte, verliert der gesamte Fabulous Council. Dann droht Nafasia der Fluch des letzten Königs. Und wer möchte das riskieren?

Die neue Version des Online Games Fabulous Council startet am heutigen Montag im Computerspiele-Museum in Berlin mit neuen Features. Sie bringen Umweltschutz, das Recht auf Reparatur und Künstliche Intelligenz in die Klassenzimmer. Eine Berliner Schulklasse probiert die neue Version vor Ort aus.

Mit dabei ist die Kommissionsvertreterin in Deutschland, Barbara Gessler. “Wir wollen die jungen Menschen in Deutschland erreichen, und dafür begeben wir uns in Welten, in denen sich viele von ihnen zu Hause fühlen”, sagt Gessler. “Auch Gaming kann vermitteln, wie Europa funktioniert und was wichtig ist.” Eines kann man auf jeden Fall von dem Spiel lernen: Demokratie ist, wenn alle mitspielen.

Das neue Teaser-Video sowie weitere Informationen zum Spiel finden Sie hier. vis

  • Demokratie
  • Europa
  • Europäischer Rat

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    um 18 Uhr heute kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, um über die Top-Personalien für die nächsten fünf Jahre zu diskutieren. Alles deutet darauf hin, dass sie sich schnell einigen können, denn weder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch sonst einer der üblichen Verdächtigen hat aktuell die Nerven für Machtkämpfe um die europäischen Topjobs.

    • EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen werden die Chefs absehbar erneut als Kommissionspräsidentin vorschlagen.
    • António Costa, der sozialistische Ex-Ministerpräsident Portugals, dürfte als Präsident des Europäischen Rates nominiert werden.
    • Die bisherige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas, eine Liberale, wird wohl neue Außenbeauftragte.
    • Nicht Sache der Staats- und Regierungschefs, aber ebenfalls absehbar, ist, dass Amtsinhaberin Roberta Metsola (EVP) für die nächsten zweieinhalb Jahre Präsidentin des Europaparlaments bleibt. Für die zweite Hälfte der Legislaturperiode beanspruchen die Sozialdemokraten den Posten.

    Die Unterhändler der politischen Lager, für die Sozialdemokraten Kanzler Olaf Scholz und Spaniens Pedro Sánchez, haben das Personalpaket weitgehend festgezurrt. Der Gipfel dürfte daher den scheidenden Ratspräsidenten Charles Michel beauftragen, Gespräche mit dem Europaparlament aufzunehmen. Die Abgeordneten müssen die Kommissionspräsidentin mit absoluter Mehrheit wählen, bevor sie eine neue Kommission formen kann.

    Trotz der weitgehenden Einigkeit dürfte der Gipfel nicht unbedingt rechtzeitig um 21 Uhr für das EM-Spiel Frankreich gegen Österreich vorüber sein. Von der Leyen selbst wird zwar nur kurz im Saal sein, die Personalien diskutieren die Chefs anschließend ohne die Kandidatin. Michel will aber auch über den Führungsstil seiner Rivalin diskutieren lassen; er hält von der Leyen mangelnde Transparenz und präsidiale Tendenzen vor. Unklar ist, wie viel Widerhall er damit finden wird. In Berlin und anderen Hauptstädten wird die Fehde des Belgiers gegen von der Leyen nur mit Kopfschütteln bedacht.

    Andere Gipfelteilnehmer könnten versuchen, für ihre Länder einflussreiche Dossiers in der neuen Kommission zu beanspruchen. Sánchez etwa hat klare Ambitionen, seine Kandidatin Teresa Ribera als erste Vizepräsidentin für den Green Deal zu installieren. Allerdings haben die Chefs aktuell nur relativ wenig Druckmittel, um von der Leyen ihre Wünsche zu diktieren.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart!

    Ihr
    Till Hoppe
    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    Von-der-Leyen-Koalition: Warum die Grünen sich anbiedern

    “Wir sind bereit für Verhandlungen“, betonen Grünen-Spitzenkandidaten Terry Reintke und Bas Eickhout dieser Tage bei jeder Gelegenheit. Dafür scheinen sie auch Kompromisse machen zu wollen. Niemand verlasse Verhandlungen mit 100 Prozent dessen, was man beim Hineingehen wollte, sagte Reintke vergangene Woche.

    Über rote Linien wollten sie in der Öffentlichkeit jedoch nicht sprechen. Auch nicht, ob die Zukunft des Verbrennungsmotors dazu zählt. EVP-Chef Manfred Weber und andere Abgeordnete von CDU/CSU wollen das Verbot von neuen Verbrenner-Autos ab 2035 in dieser Legislatur wieder rückgängig machen. Für die Grünen ist es bislang indiskutabel, Green-Deal-Gesetze zurückzunehmen.

    Aktuell lassen Weber und seine EVP die Grünen am ausgestreckten Arm verhungern. Einladungen zu informellen Koalitionsgesprächen haben nur die Sozialdemokraten und Liberalen erhalten, trotz des Anbiederns der Grünen. Stattdessen macht der EVP-Chef immer wieder deutlich, die Zusammenarbeit mit Teilen der rechtskonservativen EKR-Fraktion nicht auszuschließen.

    Braucht die EVP die Grünen überhaupt?

    Ob Weber tatsächlich lieber Giorgia Melonis Fratelli d’Italia im Unterstützerkreis für Ursula von der Leyen hätte oder die Grünen lediglich unter Druck setzen will, ihre Forderungen herunterzuschrauben, wird sich zeigen. Am Montag kommen die Staats- und Regierungschefs zusammen, um ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin für die Kommissionsspitze zu bestimmen. Sollte Meloni ihre Unterstützung für eine zweite Amtszeit von der Leyens aussprechen und dies entsprechend auch für die Fratelli-Abgeordneten im Europaparlament gelten, bräuchte die EVP die Grünen theoretisch gar nicht.

    Der Druck für die Grünen, möglichst früh in die Verhandlungen einbezogen zu werden, ist daher hoch. Tritt die Fratelli der informellen von der Leyen-Koalition bei, ist für die Grünen kein Platz mehr. Für sie ist die Zusammenarbeit mit EKR-Parteien die eine unverhandelbare rote Linie.

    Doch zu stark darf Weber die Fratelli nicht umwerben. Die Sozialdemokraten und die Liberalen lehnen eine Zusammenarbeit mit der EKR ebenfalls entschieden ab. Doch da es sich um eine geheime Wahl im Parlament handelt, muss niemand seine Karten vollständig offenlegen.

    Caspary wirbt für Gespräche mit den Grünen

    Es könnte also doch so kommen, dass Meloni und ihre Fratelli von der Leyen unterstützen und die Grünen dennoch Teil der von der Leyen-Koalition werden. Daniel Caspary, CDU/CSU-Chef im Europaparlament, warb am Mittwoch dafür, den Grünen als demokratische Partei die Hand zu reichen, wenn sie gesprächs- und kompromissbereit sind.

    Der Plan Reintkes und Eickhouts, sich offensiv verhandlungsbereit zu zeigen, könnte aufgehen, wenn nicht nur Sozialdemokraten für eine grüne Beteiligung werben, sondern auch hochrangige EVP-Politiker. Webers Voreingenommenheit den Grünen gegenüber könnte so elegant umgangen werden.

    Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius, der für die litauischen Grünen im nächsten EU-Parlament sitzen wird, appelliert ebenfalls an seine Noch-Chefin von der Leyen für eine Zusammenarbeit. “Wenn die Koalition zusammen mit den Grünen gebildet wird, ergibt das eine sehr komfortable Mehrheit für die pro-europäischen Kräfte”, sagte er im Table.Briefings-Interview. Es sei nur logisch, wenn die Grünen dabei wären. “Denn eine der großen Herausforderungen für Europa ist die Wettbewerbsfähigkeit, und die kann durch die Politik des Green Deal erreicht werden.”

    Auch EVP-Chef Weber stellt Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund. Allerdings denkt er dabei nicht an den Green Deal.

    Hofreiter: “Weber verfolgt doppelten Plan”

    Anton Hofreiter, Grünen-Bundestagsabgeordneter, glaubt, Weber verfolge einen doppelten Plan mit seinem Schmeichelkurs bei Meloni und seiner Distanz zu den Grünen. Weber hätte schon gern, dass von der Leyen vom Rat vorgeschlagen wird. “Er hat aber auch kein Problem, wenn sie im Parlament scheitert, um dann den Grünen die Schuld zu geben, weil sie von der Leyen nicht unterstützt haben”, so Hofreiter zu Table.Briefings. Der Europaausschuss-Vorsitzende sieht zudem keinen Grund, die Forderungen der Grünen beim Klimaschutz herunterzuschrauben. Schließlich sei es neben den Grünen auch den Sozialdemokraten wichtig, den Green Deal fortzusetzen.

    Auch in der EVP gibt es Leute, die auch weiterhin Klimaschutzpolitik machen wollen. Darauf setzen die Grünen, da Meloni diesem Thema kaum Relevanz zuschreibt und den Green Deal schon mal als “Klimafundamentalismus” beschrieben hat. Da wäre zum einen die Spitzenkandidatin selbst. Von der Leyen hat eine “Phase der Implementierung” ihres Green Deals ausgerufen. Etwas, das Meloni eigentlich nicht schmecken dürfte. Und auch Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der EVP, stellte klar, der Kern des Green Deals stehe nicht zur Debatte. Von der Leyen sei “die Richtige auch für diese neue Phase des Green Deal”.

    So könnte es schlussendlich doch noch zum Schulterschluss zwischen EVP und Grünen kommen, entweder indem Weber umgangen wird oder er doch noch die ausgestreckte Hand der Grünen annimmt.  

    • Die Grünen
    • Europawahlen 2024
    • Grüne/EFA
    Translation missing.

    News

    Renaturierungsgesetz: Wie sich eine Wende abzeichnet

    Das umstrittene Gesetz zur Wiederherstellung der Natur könnte am Montag überraschend die letzte Hürde nehmen. Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler kündigte am Sonntag an, dem Gesetz beim Treffen mit ihren Amtskollegen in Luxemburg zustimmen zu wollen. Damit ist eine qualifizierte Mehrheit für das Renaturierungsgesetz erreicht, hieß es aus Kreisen des Rates.

    Allerdings müssten alle bisherigen Befürworter unter den Mitgliedstaaten ihrer Linie treu bleiben. Die Bundesregierung in Berlin hatte sich im März nach Protesten der FDP auf eine Zustimmung geeinigt. Das Umweltministerium hatte damals mitgeteilt, in einer Protokollerklärung solle festgehalten werden, dass Landwirten bei der Umsetzung keine zusätzlichen Belastungen entstehen sollen.

    Ziel des Gesetzes ist, bis 2030 mindestens 20 Prozent der Landflächen in der EU zu renaturieren. In Österreich hatte es sowohl innerhalb der Regierung als auch von den Ländern Widerstände gegen das Gesetz gegeben. Nach intensiven Gesprächen habe man eine Lösung gefunden, schrieb Gewessler. Die mitregierende ÖVP bestritt dies jedoch. EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler drohte auf “X” mit rechtlichen Konsequenzen. Gewessler begründete ihre Haltung auch mit den Gefahren durch Hochwasser: “Wenn es regnet, versickert im Asphalt kein Wasser.” ber

    • EU-Renaturierungsgesetz
    • Nature Restoration Law
    • Naturschutz
    • Österreich
    Translation missing.

    Green Deal: Wie ihn die SPD sichern will

    Der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier will durch eine neue Organisation die Umsetzung des Green Deals sicherstellen und ihn so vor politischen Angriffen schützen. “Ein neues Implementing Office sollte künftig jährlich über die Umsetzung des Green Deals berichten”, sagte Geier, der in der vergangenen Legislatur die Gasmarkt-Richtlinie verhandelt und die Europa-SPD geführt hat. Vorbild sei die “Prime Minister’s Delivery Unit” des ehemaligen sozialdemokratischen britischen Regierungschefs Tony Blair.

    “Die jährlichen Berichte zum Green Deal sollten Vorschläge enthalten, wie wir parallel die Klimaziele einhalten und die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie sicherstellen. Wir müssen über politische Instrumente diskutieren können, ohne gleich die komplette Regulierung über Bord zu werfen“, sagte Geier weiter. Mögliche zusätzliche Maßnahmen seien Handelsschutzmaßnahmen, erleichterte Beihilfen und Eingriffe in die Strompreise. Die Berichte könnten außerdem Prognosen über Anlagen wie Offshore-Windparks oder Elektrolyseure enthalten, die in den kommenden zwölf Monaten voraussichtlich in Betrieb gehen.

    “CDU wird versuchen, Green Deal punktuell zurückzudrehen”

    Eine ähnliche Behörde hatte kürzlich Enrico Letta in seinem Binnenmarkt-Bericht für den Rat vorgeschlagen: eine Clean Energy Delivery Agency. Regelmäßige Berichte über Fortschritte in der Klima- und Energiepolitik (NECPs) müssen die Mitgliedstaaten nach der Governance-Verordnung bislang nur alle fünf Jahre vorlegen.

    Die EVP griff Geier wegen ihrer Haltung zu den rechten Fraktionen scharf an: “Die CDU hat beim Green Deal so viel schlucken müssen, dass sie todsicher versuchen wird, ihn mit der EKR punktuell zurückzudrehen – auch wenn sie vor der Wahl Ursula von der Leyens hoch und heilig verspricht, dies nicht zu tun.” ber

    • EKR
    • Elektrolyseure
    • Europawahlen 2024
    • EVP
    • Green Deal
    • S+D

    Edenhofer appelliert an EU, beim Klimaschutz nicht nachzulassen

    Der renommierte Ökonom und Klimaforscher Ottmar Edenhofer hält diese Legislaturperiode für einen “entscheidenden Moment für die europäischen Entscheidungsträger”. Die Einhaltung der Klimaziele der EU sei wichtiger denn je, sagt der Vorsitzende des europäischen wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel.

    Um ihre ehrgeizigen Ziele und Verpflichtungen bis 2050 zu erfüllen, müsse die EU in erster Linie das Fit-for-55-Paket rasch und wirksam umsetzen. Zudem müsse die EU “ein Etappenziel für 2040 festlegen, das sowohl fair als auch machbar ist”, so der Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung. Klimaschutzmaßnahmen gingen Hand in Hand mit der Verbesserung der Energiesicherheit der EU, der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrie und der Schaffung neuer Arbeitsplätze. “Da Emissionsreduzierungen Zeit brauchen, um sich zu verwirklichen, ist es für die EU jetzt an der Zeit, in eine wohlhabende, widerstandsfähige und nachhaltige Zukunft für alle Europäerinnen und Europäer zu investieren.”

    Der Beirat hatte Anfang des Jahres 13 Empfehlungen ausgesprochen, wie Europa den Übergang zur Klimaneutralität meistern kann. luk

    • EU-Klimapolitik
    • EU-Klimaziel 2040
    • Fit for 55
    • Klima & Umwelt

    Ukaine-Friedensgipfel: Welche Erwartungen Selenskyj weckt

    Das wichtigste Ergebnis des Ukraine-Friedensgipfels in der Schweiz bildeten symbolisch die Teilnehmer des Abschlussstatements ab: Vertreter Ghanas, der EU, Chiles, Kanadas und der Schweiz standen am Sonntagnachmittag an der Seite der Ukraine – die Welt ist solidarisch mit dem Opfer der russischen Aggression, sollte das Bild vermitteln.

    Konkret gibt es zwei Ergebnisse: 80 von 93 Teilnehmern unterstützen das Abschlusskommuniqué und ein zweiter Gipfel soll bald folgen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weckte in seinem Statement am Ende des Gipfels durchaus hohe Erwartungen: Ein zweiter Gipfel soll in einigen “Monaten und nicht Jahren folgen”, sagte er. Mehrere Staaten hätten Interesse an der Ausrichtung des zweiten Gipfels bekundet. Konkreter wurde Selenskyj nicht. Er deutete jedoch an, dass er mit Saudi-Arabien Gespräche darüber geführt habe. Ob Russland beim zweiten Gipfel dabei sein werde, ließ Selenskyj zwar offen. Wenn eine Folgekonferenz in einem der BRICS-Staaten stattfinden sollte, wird Russland mit Sicherheit vertreten sein.

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte, dass “der Frieden in der Ukraine nicht mit einem Schritt erreicht werden kann”. Sie betonte zudem, dass die Unterstützung für die Ukraine “so lange wie nötig” gewährt werde.

    Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau

    Für die Ukraine und die Republik Moldau gibt es außerdem eine gute Nachricht: In dieser Woche soll der Beginn von Beitrittsverhandlungen für diese Staaten bei einem EU-Ministertreffen formell beschlossen werden. 

    Selenskyj zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des Gipfels im schweizerischen Bürgenstock, obwohl mehrere Teilnehmer das Abschlusskommuniqué nicht unterzeichnet haben – unter anderem Saudi-Arabien sowie die BRICS-Staaten Südafrika, Vereinige Arabische Emirate, Indien sowie Brasilien. Die 80 Unterzeichner unter den 93 Teilnehmerstaaten erinnern im Kommuniqué an die UN-Charta und an die territoriale Integrität der Ukraine. Kernpunkte sind jene, die vor der Konferenz bekannt waren: Nukleare Sicherheit, globale Lebensmittelsicherheit sowie der Austausch aller Kriegsgefangener und Rückkehr aller entführten Kinder und ukrainischer Zivilisten aus Russland.  

    Russlands Außenministerium sowie Staatsmedien haben vor und während des Gipfels diesen erneut zu diskreditieren versucht und als sinnlos bezeichnet. Am Abschlusstag des Gipfels forderte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, das Angebot des Präsidenten Wladimir Putin zu prüfen. Putin hatte vor dem Gipfel unter anderem gefordert, die ukrainische Armee solle weiteres Gebiet Russland überlassen. Der hohe Aufwand, den das russische Außenministerium betreibt, um den Gipfel abzuwerten, spricht eher dafür, dass Moskau unter Druck gerät. Auf dem Kampffeld verzeichnet Russland sehr hohe Verluste bei minimalen Geländegewinnen. vf

    • Brics
    • Russland
    • Schweiz
    • Ukraine
    • Ukraine-Krieg
    Translation missing.

    Polen: Historiker soll Zusammenarbeit mit Deutschland koordinieren

    Deutschland-Kenner Krysztof Ruchniewicz (rechts) erhielt 2023 den Viadrina-Preis in Frankfurt an der Oder.

    Der Historiker und Deutschlandexperte Krzysztof Ruchniewicz ist Polens neuer Beauftragter für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Außenminister Radoslaw Sikorski habe den 57-Jährigen auf diesen Posten berufen, teilte das Ministerium am Samstag auf der Plattform X mit. Die Ernennung sei eine Würdigung seines “Beitrags zur deutsch-polnischen Verständigung und zur europäischen Idee”, hieß es weiter. Ruchniewicz ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wroclaw und Direktor des dortigen Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien.

    Die Ernennung ist ein weiteres deutliches Zeichen der seit Dezember amtierenden Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk, dass man das zwischenzeitlich angeschlagene nachbarschaftliche Verhältnis wieder verbessern will. Zu Ruchniewiczs Aufgaben wird unter anderem die Verbesserung der gesellschaftlichen und grenznahen Zusammenarbeit gehören. Der Beauftragte soll aber auch das Außenministerium in seinem Dialog mit der deutschen Seite über den Umgang mit der Geschichte unterstützen. Insbesondere gilt das für den geplanten Bau des Deutsch-Polnischen Hauses in Berlin – einem Ort der Begegnung und des Erinnerns an die Opfer der deutschen Besatzung in Polen von 1939 bis 1945. dpa

    • Polen

    Europäische Bewegung Deutschland bekommt neue Präsidentin

    Anna-Maija Mertens leitet zurzeit das Deutsche Institut für Compliance (DICO).

    Die deutsch-finnische Politikwissenschaftlerin Anna-Maija Mertens soll neue Präsidentin der Europäische Bewegung Deutschland (EBD) werden. Der EBD-Vorstand nominierte die 49-Jährige einstimmig als Nachfolgerin von Linn Selle für den ehrenamtlichen Posten. Die Wahl ist für den 14. Oktober vorgesehen.

    Mertens war von 2014 bis 2024 Geschäftsführerin von Transparency International Deutschland. Seit April leitet sie als Vorständin das Deutsche Institut für Compliance (DICO). Die bisherige EBD-Präsidentin Linn Selle führt das größte Netzwerk für Europapolitik in Deutschland seit 6 Jahren. tho

    • Europapolitik

    Korrektur: Cedec wählt Präsidenten

    Durch ein redaktionelles Versehen wurde im Europe.Table-Briefing vom 14. Juni eine Personalmeldung veröffentlicht, die an diesem Tag nicht hätte erscheinen sollen. Urban Keussen, Technikvorstand des Energieversorgers EWE, wurde nicht wie berichtet am 12. Juni zum Präsidenten des europäischen Stadtwerkeverbandes Cedec gewählt. Vielmehr kandidiert Keussen für die Wahl, die am 19. Juni stattfinden soll. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

    • Table.Briefings

    MUST-READS

    EU-Spitzenposten: Scholz rechnet mit Wiederwahl von der Leyens WEB.DE
    EU-Kommission: Es soll jetzt schnell gehen SÜDDEUTSCHE
    Mario Draghi: An Industrial Strategy For Europe GEOPOLITIQUE
    Fed wartet, EZB nicht: “Historisch einmalig” SÜDDEUTSCHE
    Neue Vorwürfe gegen Krahs EU-Büro T-ONLINE
    Italien fordert Posten des EU-Kommissionsvizepräsidenten DER STANDARD
    EU-Kommission kündigt Strafzölle auf Elektroautos aus China an WELT
    Lösung ohne Zölle? In Europa ist die Lust gering, auf Deutschlands Klagen einzugehen WELT
    Abstimmung über Renaturierungsgesetz: Letzte Chance für Europas Natur? TAGESSCHAU
    Kreml droht mit schärferen Forderungen bei Ablehnung der Putin-Offerte WEB.DE
    Neue Kuchensteuer der EU: So wirkt sie sich in Deutschland aus CHIP
    Rechtsextremismus: “Die Europawahl war der letzte Weckruf” SÜDDEUTSCHE
    Linke “dezidiert antijüdisch”: Nazijäger Klarsfeld würde Le-Pen-Partei wählen N-TV
    Zehntausende demonstrieren in Frankreich gegen die extreme Rechte WEB.DE
    Ehemaliger Präsident François Hollande tritt bei Neuwahlen als Abgeordneter an ZEIT
    Liberal Democrats profitieren von Misere der regierenden Torys ZEIT

    Standpunkt

    Jan Philipp Albrecht: Die Europawahl ist ein Weckruf

    Von Jan Philipp Albrecht
    Jan Phillip Albrecht ist Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und ruft nach der Europawahl Deutschland und Frankreich zu besonderen Anstrengungen auf, den autoritären Populismus zurückzudrängen.

    Nach der Europawahl sind die demokratischen und proeuropäischen Kräfte im Europäischen Parlament geschwächt. Das ist ein Weckruf, die Zusammenarbeit nun deutlich verbindlicher zu gestalten. Nur so lassen sich verlässliche Mehrheiten für eine handlungsfähige EU sicherstellen. Ursula von der Leyen wird für ihre Wiederwahl wohl nicht nur das bisherige Bündnis aus Konservativen, Sozialdemokratie und Liberalen brauchen, sondern auch die Grünen.

    Für den Fall, dass dies scheitert, hat von der Leyen kürzlich auch mit der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) gesprochen – jener Fraktion aus Rechtskonservativen, Nationalisten und Rechtspopulisten, der auch die Fratelli d’Italia von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni angehören.

    Noch nie war das Europäische Parlament so rechts. Seit einigen Jahren verzeichnen rechtsradikale Parteien in allen Regionen der EU signifikante Zugewinne. Mehr noch: Bei dieser Wahl haben ihre Fraktionen als einzige Zugewinne im Vergleich zu ihrer bisherigen Fraktionsstärke eingefahren.

    Parlament war bisher wichtiges Korrektiv zum Rat

    Bereits vor dieser Europawahl beeinflusste dies auch auf die Einigungsfähigkeit und Politik im Europäischen Rat, wo etwa der ungarische Präsident Viktor Orbán immer wieder die Handlungsfähigkeit der EU in Frage stellt. In der vergangenen Legislaturperiode war das Europäische Parlament in dieser Hinsicht ein wichtiges Korrektiv. Doch das steht nun in Frage.

    In einigen Ländern ist der Rechtsruck besonders extrem ausgefallen und sorgt entsprechend für politische Nachbeben. In Belgien, wo parallel zur Europawahl auch ein neues nationales Parlament und die Regionalparlamente gewählt wurden, reichte der belgische Premierminister Alexander De Croo seinen Rücktritt ein.

    In Frankreich gewann der rechtsextreme Rassemblement National doppelt so viele Wählerstimmen wie Emmanuel Macrons Regierungsbündnis. Frankreichs Präsident löste daraufhin die Nationalversammlung auf und kündigte Neuwahlen an. Nicht nur in Frankreich sorgt diese Entscheidung für Überraschung und Ratlosigkeit. Ob es Macron gelingt, in drei Wochen eine Mehrheit hinter seinem Bündnis zu vereinen, welches nicht in seine Entscheidung eingebunden war, ist fraglich.

    Macrons Pokerspiel gefährdet auch die EU

    Macron läuft Gefahr, stattdessen zwischen zwei entstehenden Bündnissen links und rechts zerrieben zu werden. Der Präsident pokert hoch und riskiert die Verschärfung einer innenpolitischen Krise, die auch für die EU gefährlich werden könnte.

    Auch in Deutschland verzeichnete das rechte Lager große Zugewinne: Die AfD landete hier vor der SPD und den Grünen mit 15,9 Prozent auf Platz zwei. Und das, obwohl gegen den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah zwei Vorermittlungsverfahren wegen möglicher Bestechlichkeit und mutmaßlicher Zahlungen aus Russland laufen.

    Aufhorchen lassen besonders die Ergebnisse in Frankreich und den ostdeutschen Bundesländern, wo Rechtsextreme nahezu flächendeckend stärkste Kraft wurden. Dass Emmanuel Macron und die Ampelregierung derart geschwächt aus dieser Wahl hervorgehen, ist in Anbetracht der bedeutenden Rolle Frankreichs und Deutschlands in der EU eine der schlechtesten Nachrichten dieser Wahl.

    Für Kommunikation auf Augenhöhe

    Die Propaganda-Arbeit international vernetzter, demokratiefeindlicher Kräfte konzentriert sich im Vorfeld der entscheidenden Wahlen zum Bundestag und der französischen Präsidentschaft offensichtlich nicht umsonst besonders auf diese beiden Länder. In Deutschland und Frankreich bedarf es daher besonderer Anstrengungen, den autoritären Populismus zurückzudrängen – die Folgen einer rechten Regierungsbeteiligung oder gar Machtübernahme wären für die Demokratie in der EU unabsehbar.

    Für die Grünen ist das Ergebnis besonders schmerzhaft. 2019 stellten sie die viertgrößte Fraktion im Europaparlament. Nun fallen sie hinter die Rechtsaußen-Fraktionen auf Platz sechs. Von den insgesamt verlorenen 18 Sitzen sind neun den deutschen und sieben den französischen Grünen zuzuschreiben. Verloren haben die Grünen vor allem in ihren traditionellen Hochburgen und auch dort, wo sie aktuell an Regierungen beteiligt sind. In Deutschland haben sie auf den ersten Blick eine starke Demobilisierung des eigenen Wählerpotenzials erlitten, vor allem bei der jungen Wählerschaft.

    Die Gründe für diese mangelnde Mobilisierung müssen nun schnell und kritisch aufgearbeitet werden. Nur so kann die Partei mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen und die kommende Bundestagswahl Wege finden, die Menschen wieder zu erreichen, die sie als Partei in den vergangenen Jahren schon einmal erreicht hat. Nötig sind jetzt eine Kommunikation auf Augenhöhe und emotional überzeugende Ziele.

    • AfD
    • Belgien
    • Die Grünen
    • EKR
    • Europawahlen 2024
    • Frankreich
    • Grüne/EFA
    • Italien
    • Rassemblement national

    Dessert

    Demokratie spielerisch lernen: Faboulous Council heißt ein Online-Spiel der EU, das jetzt in neuer Version für Schulen verfügbar ist.

    Demokratie will gelernt sein. Tatsächlich, so sagte es vor 20 Jahren der Soziologe Oskar Negt, ist Demokratie “die einzige Staatsform, die gelernt werden muss“. Und man möchte ergänzen, dass das ganz besonders für die Europäische Union gilt. Denn hier hat die Demokratie noch einmal ganz eigene Spielregeln. Alles ist noch eine Spur komplexer als auf nationaler Ebene. Doch es lohnt sich, die Spielregeln zu lernen. Je früher man damit beginnt, umso besser.

    Und wie erreicht man junge Menschen am besten? Na klar, mit einem Computerspiel. Fabulous Council hat die EU-Kommission ihr Online Game genannt, mit dem Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 lernen können, wie man Interessenkonflikte überwindet und zu Kompromissen findet, die für alle funktionieren.

    In dem interaktiven Spiel schlüpfen die Schülerinnen und Schüler in die Rollen von fünf Wesensgruppen: Vampire, Hexen und Hexer, Naturgeister, Drachenreiter:innen und Bauernschaft. Sie entscheiden über Regeln, die das Alltagsleben im Fantasieland Nafasia bestimmen.

    Es droht der Fluch des letzten Königs

    Den Gruppen sind jeweils andere Werte wichtig – Geld, Gemeinschaft, Natur oder Komfort. In neun Abstimmungen zu verschiedenen Themen verändert sich die Punkteanzahl aller vier Werte je nach Abstimmungsergebnis. Als Gewinnerin geht eine Gruppe aus der Ratssitzung hervor, wenn am Ende beide Werte der Gruppe mehr als null Punkte haben. Aber: Wenn eine der fünf Gruppen am Ende für keine ihrer beiden Werte Punkte holen konnte, verliert der gesamte Fabulous Council. Dann droht Nafasia der Fluch des letzten Königs. Und wer möchte das riskieren?

    Die neue Version des Online Games Fabulous Council startet am heutigen Montag im Computerspiele-Museum in Berlin mit neuen Features. Sie bringen Umweltschutz, das Recht auf Reparatur und Künstliche Intelligenz in die Klassenzimmer. Eine Berliner Schulklasse probiert die neue Version vor Ort aus.

    Mit dabei ist die Kommissionsvertreterin in Deutschland, Barbara Gessler. “Wir wollen die jungen Menschen in Deutschland erreichen, und dafür begeben wir uns in Welten, in denen sich viele von ihnen zu Hause fühlen”, sagt Gessler. “Auch Gaming kann vermitteln, wie Europa funktioniert und was wichtig ist.” Eines kann man auf jeden Fall von dem Spiel lernen: Demokratie ist, wenn alle mitspielen.

    Das neue Teaser-Video sowie weitere Informationen zum Spiel finden Sie hier. vis

    • Demokratie
    • Europa
    • Europäischer Rat

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen