Table.Briefing: Europe

Sorge um Georgien + Webers EVP-Reform

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Wochenende war von mehreren Wahlen geprägt. In Litauen und Bulgarien haben die Bürgerinnen und Bürger bei Parlamentswahlen ihre Stimme abgegeben – in Bulgarien zum siebten Mal innerhalb von dreieinhalb Jahren. Doch Europa schaute vor allem nach Georgien, und das mit Sorge: Berichte über Versuche von Wahlmanipulation nähren die Befürchtung, dass sich die Regierung des Landes weiter von einem demokratischen Weg verabschiedet. Aus Tiflis berichtet Lisa-Martina Klein.

Seit Manfred Weber die Führung der Europäischen Volkspartei 2022 übernommen hat, ist es eher ruhig geworden um die Partei. Die Fraktion mit den beinahe 200 Abgeordneten hatte zuletzt deutlich mehr Gewicht. Nun soll eine Reform neuen Schwung bringen. Eines der Ziele: Die EVP-Kommissare und -Ministerinnen aus den Mitgliedstaaten sollen sich künftig besser vernetzen. Was Weber konkret plant, erfahren Sie in der Analyse von Markus Grabitz.

Wenn mal wieder um die deutsche Schuldenbremse gestritten wird, verweist Bundesfinanzminister Christian Lindner gern auf die strengen EU-Fiskalregeln. Doch so einfach sei die Sache nicht, schreibt Marina Guldimann von der NGO Fiscal Future im Standpunkt: Deutschlands Problem sei weniger die staatliche Ausgabensucht als vielmehr eine wachstumsfeindliche Sparpolitik. Das schränke die Möglichkeiten künftiger Generationen deutlich ein.

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Sarah Schaefer
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Analyse

Wahlen in Georgien: Präsidentin lehnt Ergebnisse ab und ruft zu Protesten auf

“Wir waren Zeugen und Opfer einer russischen Spezialoperation”, sagte Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili nach den Wahlen.

Zwei Tage nach der Parlamentswahl in Georgien ist völlig unklar, ob eine Regierung zustande kommt oder Neuwahlen anstehen. Die Regierungspartei Georgischer Traum hat nach den umstrittenen Ergebnissen des Zentralen Wahlkomitees eine deutliche Mehrheit von 54 Prozent der Stimmen. Zwar hat die Partei des russlandfreundlichen Oligarchen Bidsina Iwanischwili ihr Ziel einer verfassungsändernden Mehrheit im Parlament damit nicht erreicht. Trotzdem ist es das beste Ergebnis für die Partei seit 2012. 

Für die Opposition fiel das Wahlergebnis trotz einer Wahlbeteiligung auf Rekordniveau von knapp 60 Prozent überraschend schlecht aus. Die vier größten Gruppierungen kommen nach offiziellen Angaben zusammen auf 37,6 Prozent. Politiker des stärksten Oppositionsbündnisses, die Vereinte Nationale Bewegung (UNM) und einige Politiker der liberalen Koalition der Einheit, wollen wegen des Verdachts auf Wahlfälschungen ihre Mandate aber nicht antreten. Sergo Chikhladze von der liberalen Koalition der Einheit sagte zu Table.Briefings: “Die Wahlen waren nicht frei und fair. Wir werden das Ergebnis nicht anerkennen.”

Klima des Hasses und der Einschüchterung

Georgiens EU-freundliche Präsidentin Salome Surabischwili sprach am Sonntagabend ebenfalls von einem “totalen Betrug” und “Stimmenraub”. “Wir waren Zeugen und Opfer einer russischen Spezialoperation”, sagte sie und rief die Bürgerinnen und Bürger für Montagabend zu Protesten auf. Im Vorfeld war damit gerechnet worden, dass es nach den Wahlen zu einer Situation der Instabilität kommt.

Am Wahltag hat es zahlreiche Manipulationsversuche von Unterstützern der Partei Georgischer Traum gegeben. Wahlbeobachter berichteten von Einschüchterungen und gewaltsamen Übergriffen auf Wähler, Journalisten und Politiker. Wähler versuchten, in mehreren Wahllokalen abzustimmen oder mehrere Wahlzettel in einer Urne abzugeben. Ein Wahllokal musste deshalb vorzeitig geschlossen und alle Stimmen für ungültig erklärt werden. 

In ihrem Bericht vom Sonntag äußerte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse und forderte eine Untersuchung der Wahlunregelmäßigkeiten. Auch Wahlbeobachter des Europaparlaments äußerten sich besorgt über die Ereignisse: “Wir befürchten, dass das Klima des Hasses und der Einschüchterung, das wir am Wahltag erlebt haben, den politischen Prozess in Georgien ernsthaft untergraben könnte”, sagte Antonio López-Istúriz White, Leiter der Wahlbeobachtungsdelegation des Europäischen Parlaments, am Sonntag in Tiflis. 

Untersuchungen zu Wahlen könnten Ergebnis beeinflussen

In der Zivilgesellschaft mobilisierte sich bereits in der Nacht zu Sonntag Widerstand. Eine Sprecherin der lokalen Beobachtermission My Vote sagte, die Wahl sei in großem Stil manipuliert worden. Sie kündigte an, eine Annullierung der offiziellen Ergebnisse anzufordern. 

Zurückhaltender war Nino Dolidze, Leiterin der Internationalen Gesellschaft für faire Wahlen und Demokratie (ISFED), Georgiens wichtigste Wahlbeobachtungsgruppe. Sie sagte am Sonntag auf einer Pressekonferenz: “Wir hinterfragen den Prozess, wie das Wahlergebnis zustande kam.” Es sei zu schweren Verstößen und Manipulationsversuchen vor und während der Wahl gekommen. Die Untersuchungen liefen noch, und diese könnten am Ende das Wahlergebnis beeinflussen.

Ratspräsident Charles Michel kündigte an, Georgien auf die Tagesordnung der informellen Ratssitzung in Budapest zu setzen und forderte eine rasche, transparente Untersuchung von Wahlunregelmäßigkeiten durch die zuständigen Behörden. “Wir wiederholen den Aufruf der EU an die Führung Georgiens, ihr Festhalten am EU-Kurs des Landes zu demonstrieren”, schrieb Michel auf X. 

Außenpolitiker fordern klare Haltung von der EU

Außenpolitiker mehrerer Länder riefen die EU auf, die Wahlen nicht anzuerkennen. “Wir sind sehr besorgt über eine ‘Belarussifizierung’ des Landes”, schreiben die Politiker, darunter Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, in einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden gemeinsamen Erklärung. Wenn die Regierungspartei ihrer Ankündigung Taten folgen lasse, drohe die Verfolgung und das Verbot der Opposition, unabhängiger Medien und kritischer Nichtregierungsorganisationen.

“Die EU muss der Regierungspartei deutlich machen, dass sie dies nicht akzeptieren wird und in diesem Fall ein vollständiger Abbruch der Beziehungen folgen wird”, heißt es in der Erklärung, die die Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse der Parlamente Deutschlands, Litauens, Lettlands, der Ukraine, Kanadas sowie führenden Außenpolitikern aus Polen, Italien und Schweden unterzeichnet haben.

Die Parlamentswahlen galten als Schicksalswahl zu Georgiens Entscheidung zwischen Russland und Europa. Sie folgten auf andauernde antidemokratische Maßnahmen der Regierungspartei. Im Mai verabschiedete sie das sogenannte Agentengesetz nach russischem Vorbild. Kürzlich kam ein Gesetz hinzu, das die Rechte von Angehörigen der LGBTQ-Community einschränkt. Die EU hat die Beitrittsverhandlungen im Juni deshalb de facto auf Eis gelegtMit dpa/rtr/sas

Der Text ist auf einer Recherchereise in Georgien entstanden. Organisiert und finanziert wurde die Reise von der Friedrich-Naumann-Stiftung. Die Autorin war für den Wahltag als internationale Wahlbeobachterin akkreditiert. 

  • Demokratie
  • Europäisches Parlament
  • Geopolitik
  • Georgien
  • Russland
  • Wahlen
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EVP: So will Manfred Weber die Partei reformieren

Die christdemokratische Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) soll ein Update bekommen. Manfred Weber, der neben seinem Amt als Fraktionschef im Europaparlament auch Parteichef ist, will die Partei moderner, schlagkräftiger und kampagnenfähiger aufstellen. Die Fraktion mit den beinahe 200 Abgeordneten sowie zahlreichen Mitarbeitern in den Abgeordnetenbüros hatte zuletzt deutlich mehr Gewicht, während die inhaltliche Arbeit der Partei verkümmerte.

Weber hatte zwei hauptamtliche Vize-Generalsekretäre gefeuert und die Posten nicht wieder besetzt. Der deutsche Christian Kremer war einer der beiden Vize-Generalsekretäre, zuständig für die Entwicklung der Programmatik. Friedrich Merz holte Kremer im September 2023 als Leiter der Außenabteilung ins Konrad-Adenauer-Haus. Abgesehen von dem gewählten Generalsekretär Thanasis Bakolas, einigen Pressereferenten und Sekretären arbeitete zuletzt in der EVP-Zentrale in der Rue de Commerce in Brüssel kaum jemand mehr.  

Weber will zweite Amtszeit

Weber tritt im April 2025 beim Wahlparteitag im spanischen Valencia wieder als Parteichef an und will bis dahin das Konzept für die Parteireform fertig haben. Er hat Siegfried Mureșan, einer seiner zehn Stellvertreter, sowie Schatzmeister Francois-Xavier Bellamy damit beauftragt, die Reform auszuarbeiten. Mureșan, Webers Stellvertreter auch in der Fraktion, sagte zu Table.Media: “Wir wollen in einem transparenten und inklusiven Prozess, der alle Mitgliedsparteien mitnimmt, die Reform ausarbeiten.”

Die Reform soll von einer Lenkungsgruppe konzipiert werden, in der etwa 10 bis 15 hochrangige Funktionäre und EVP-Persönlichkeiten mitarbeiten. Unterhalb der Lenkungsgruppe soll es eine Taskforce geben, in die jede Mitgliedspartei eine Person entsenden kann. Der EVP gehören derzeit 82 Parteien und Partner aus 43 Ländern an. Darunter sind Parteien aus Nicht-EU-Ländern wie Albanien, Belarus und Bosnien-Herzegowina.

Treffen der EVP-Minister vor den Räten

Die Vernetzung der EVP-Kommissare und -Minister aus den Mitgliedstaaten soll besser werden. Dafür will die EVP das Format der Treffen im Vorfeld von Ministerräten wiederbeleben – ähnlich wie die “Summits” vor Europäischen Räten, bei denen die EVP-Staats- und Regierungschefs vor dem EU-Gipfel zusammenkommen. Während der Staatsschuldenkrise etwa koordinierten sich die EVP-Minister aus den Mitgliedstaaten intensiv vor wichtigen Räten. Treffen dieser Art waren auch deswegen eingeschlafen, weil es zwischenzeitlich kaum mehr EVP-geführte Regierungen gab. Das hat sich inzwischen geändert. Sowohl in den Ministerräten und in der Kommission dominieren Minister und Kommissare mit EVP-Hintergrund.

Das EVP-Parteigremium der Politischen Versammlung (political assembly) soll beibehalten werden. Sie tagt viermal im Jahr, rund 200 Delegierte der Mitgliedsparteien nehmen an der Versammlung teil. Die CDU etwa schickt zwölf gewählte Delegierte. Seitdem Weber die EVP leitet, hat die Politische Versammlung einmal in München und einmal in Lissabon getagt. An der Praxis, sich einmal im Jahr nicht in Brüssel zu treffen, soll ebenfalls festgehalten werden.

Wahlkampf-Expertise soll in der Zentrale bleiben

Es gibt Überlegungen, ein weiteres Parteigremium zwischen Politischer Versammlung und dem 14-köpfigen Parteipräsidium anzusiedeln. Dieses Gremium würde die EVP-Aktivitäten in Parlament, Rat und Kommission koordinieren. Dem Parteipräsidium gehören der Parteichef, seine zehn Vize, der Schatzmeister, der Generalsekretär sowie die Kommissionspräsidentin an. In der Parteizentrale soll außerdem eine Grundsatzabteilung aufgebaut werden.

Auch beim Team, das die Wahlkämpfe für die Spitzenkandidaten verantwortet, soll es Veränderungen geben. Bislang hat die EVP-Zentrale drei Wahlkämpfe für Spitzenkandidaten vorbereitet:

  • 2014 für Jean-Claude Juncker
  • 2019 für Manfred Weber
  • 2024 für Ursula von der Leyen

Jedes Mal brachte der Spitzenkandidat seine Leute mit, die den Wahlkampf vorbereitet und geführt haben. Nach jeder Europawahl verließ das Team die EVP-Zentrale wieder – und nahm seine Expertise mit. Künftig will man einen Weg finden, die Erfahrung aus den Wahlkämpfen in der Zentrale zu halten.

Erwartungen der Mitgliedsparteien klären

Im Zuge der Parteireform soll auch geklärt werden, welche Aufgaben die Zentrale für die Mitgliedsparteien erledigen soll, welche Unterstützung die Mitgliedsparteien von der Zentrale erwarten und was die Mitgliedsparteien der Zentrale liefern können. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, werde sich das Organigramm der Zentrale ergeben.

Klar ist bereits heute, dass Generalsekretär Thanasis Bakolas keine Rolle mehr spielen wird: Sein Vertrag endet mit dem Parteitag im April. Früher hatte die EVP immer einen Generalsekretär, der auch Europaabgeordneter war. Auch diese Konstruktion hatte Weber geändert. Ob es bei einem hauptamtlichen Generalsekretär bleibt, ist noch nicht klar. Es wird spekuliert, dass der ehemalige Europaabgeordnete Tom Vandenkendelaere neuer Generalsekretär wird. Weber hatte ihn kürzlich zum “Chief of staff” in der Parteizentrale gemacht. Darüber war es zu einem Zerwürfnis zwischen Weber und seinem Generalsekretär Bakolas gekommen.

  • EU-Gipfel
  • Europäischer Rat
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News

Bulgarien: Prognosen sehen prowestliche Bündnisse bei den Wahlen vorn

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Bulgarien liegen ersten Prognosen zufolge prowestliche Parteien vorn. Für das Mitte-Rechts-Bündnis Gerb-SDS stimmten zwischen 25,1 und 26,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler, für das liberal-konservative Bündnis PP-DB 15,4 bis 14,9 Prozent. Das teilten die Meinungsforschungsinstitute Gallup International Balkan und Alpha Research basierend auf Nachwahlbefragungen mit.

Beide Bündnisse wollen an Bulgariens euro-atlantischer Orientierung festhalten und die Ukraine im russischen Angriffskrieg weiter unterstützen. Die beiden rivalisierenden Lager hatten jüngst etwas weniger als ein Jahr lang gemeinsam regiert – allerdings ohne Koalitionsvertrag. Ihre Regierung zerbrach in diesem Frühjahr nach Streit über Reformen, Personalien und den Kampf gegen die Korruption.

Gerb-Chef Borissow: Zu allen Kompromissen bereit

Ob jetzt eine ähnliche Koalition zustande kommen kann, war am Wahlabend noch offen. Allerdings versicherte Gerb-Chef Boiko Borissow vor der Abstimmung, dass seine Partei alle Kompromisse eingehen werde, damit es eine Regierung gibt. Das PP-DB-Lager lehnt Borissow als künftigen Regierungschef ab, da es ihm korrupte Amtsführung bei seinen drei Regierungen bis 2021 vorwirft. 

“Die Bildung einer neuen Regierung wird sowohl mathematisch als auch politisch sehr schwierig sein”, sagte der Direktor von Gallup International Balkan, Parwan Simeonow, dem Staatsrundfunk in Sofia. Die prorussische, nationalistische und populistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt) könnte mit zwischen 13,8 und 12,9 Prozent der Stimmen auf Platz drei landen und dürfte bei der Regierungsbildung kaum eine Rolle spielen. 

Die Bulgarinnen und Bulgaren hatten erst im Juni ein neues Parlament gewählt, doch keine Partei konnte eine reguläre Regierung bilden. Ein Interimskabinett wurde eingesetzt.

“Eine weitere Neuwahl würde Bulgariens Image als unregierbares Land weiter festigen”, sagt die Vize-Direktorin des European Council on Foreign Relations (ECFR), Wessela Tschernewa vor der Wahl. Das Balkanland hatte seit 2021 in der Tat nur zwei kurzlebige reguläre Regierungen, dafür aber mehrere Übergangskabinette. Mit aussagekräftigen amtlichen Zwischenergebnissen zur Wahl wird am Montag gerechnet. dpa

  • Bulgarien
  • ECFR
  • Wahlen

EU-Zusatzzölle: Handelskammer kritisiert Verhandlungen

Wenige Tage vor Ablauf der Frist für die EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge zeigt sich die chinesische Seite unzufrieden mit den Verhandlungen. “Die europäische Seite hat während des Verhandlungsprozesses ‘Yin-Yang-Taktiken‘ angewandt und versucht, die chinesische Regierung zu umgehen und separat mit einzelnen Unternehmen zu verhandeln”, wird ein nicht näher genannter Experte bei Yuyuan Tantian zitiert. Der Social-Media-Kanal steht dem chinesischen Staatssender CCTV nahe. Die chinesische Handelskammer bei der EU hatte den Artikel am Sonntag unter Journalisten gestreut. 

Im Fokus der noch laufenden Verhandlungen stehen demnach Preisverpflichtungen für die chinesischen Hersteller. Mit einer “überraschenden Kehrtwende aus Brüssel” werde nicht gerechnet. Dabei seien unterschiedliche Ansichten darüber, wie eine Preisverpflichtung funktionieren würde, das größte Hindernis: “Das europäische technische Team verlangt von China, einen Mindestpreis für jede Marke und jedes Modell von Elektrofahrzeugen festzulegen, die nach Europa exportiert werden”, heißt es in dem Bericht. Außerdem würden separate Mindestpreise für Fahrzeuge derselben Marke für verschiedene EU-Länder und Regionen Europas gewollt. Brüssel hatte sich bisher zu Details der Verhandlungen nicht geäußert.

Am Freitag hatte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis mit Chinas Handelsminister Wang Wentao gesprochen. Am Mittwoch, 30. Oktober, läuft die Frist für eine Entscheidung über die Zusatzzölle ab. Die EU-Kommission hatte allerdings schon über mehrere Kanäle zu verstehen gegeben, dass die Verhandlungen auch danach noch weitergehen könnenari

  • Autoindustrie
  • EU-Kommission
  • Handel

Grenzkontrollen: Abgeordnete appellieren an von der Leyen

In einem gemeinsamen Brief fordern die Europaparlamentarier Rasmus Andresen (Grüne) und Delara Burkhardt (SPD) sowie der Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler (SSW) EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) auf, Stellung zu Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums zu beziehen.

In den vergangenen Jahren hätten Mitgliedstaaten in mehr als 400 Fällen vorübergehende Grenzkontrollen vorgenommen. Diese würden jedoch häufig nicht wieder beendet, sondern mit wechselnden Begründungen fortgesetzt. “Hierbei ist jedoch infrage zu stellen, inwieweit die laut Schengener Grenzkodex erforderlichen Sachgründe tatsächlich erfüllt sind”, schreiben die drei Abgeordneten. Für sie sei “nicht nachvollziehbar”, weshalb die EU-Kommission nicht ihr Recht nutze, dazu formelle Stellungnahmen abzugeben.

“Errungenschaften des Schengen-Raums nicht aufs Spiel setzen”

Die von den drei Absendern vertretene deutsch-dänische Grenzregion sei von den Kontrollen stark belastet. So führe die dänische Regierung bereits seit neun Jahren Grenzkontrollen durch. Auch Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser, denen zufolge die Bundesregierung Kontrollen an allen deutschen Grenzen bis zur Implementierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im Jahr 2026 fortsetzen will, widersprächen “ganz klar dem Tenor einer vorübergehenden Maßnahme”.

Die EU-Kommission müsse daher ihre Rolle als “Hüterin der Verträge” stärker wahrnehmen und die Mitgliedstaaten daran erinnern, “dass die Errungenschaften des Schengen-Raums nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfen”. max

  • EU-Kommission
  • Grenzkontrollen
  • Migrationspolitik
  • Schengen-Raum
  • Ursula von der Leyen

Presseschau

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Nach umstrittener Wahl: Georgiens Opposition ruft zu Massenprotesten auf STERN
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Standpunkt

“Starre Schuldengrenzen gefährden den Handlungsspielraum künftiger Generationen”

Von Marina Guldimann
Marina Guldimann (22) ist Junior Economist bei FiscalFuture, einer überparteilichen NGO, die sich für eine zukunftsfähige Finanzpolitik einsetzt. Die Initiative vertritt die Interessen junger Menschen im finanzpolitischen Diskurs und fördert ökonomische Bildung, indem sie Veranstaltungen und Workshops organisiert. Marina Guldimann hat Ökonomie und Politische Theorie an der SciencesPo in Reims studiert.
Marina Guldimann ist Junior Economist bei Fiscal Future, einer überparteilichen NGO, die sich für eine zukunftsfähige Finanzpolitik einsetzt.

Im vergangenen April haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine Reform der EU-Fiskalregeln geeinigt, die nun ihre Wirkung entfaltet. Dabei hatte insbesondere Finanzminister Christian Lindner auf strikte numerische Grenzen bestanden – die nun auch in Deutschland Anwendung finden müssen. Lindners Argument: Nicht nur die deutsche Schuldenbremse, sondern auch die EU-Fiskalregeln würden ihn zu Einsparungen zwingen.

In der aktuellen, wirtschaftlich unsicheren Lage auf Sparpolitik zu setzen, ist allerdings keine ökonomische Notwendigkeit, sondern eine politische Entscheidung. Als Vertreter:innen von Fiscal Future, einer NGO junger Menschen für eine zukunftsfähige Finanzpolitik, haben wir deshalb einen differenzierteren Blick: Die neuen EU-Fiskalregeln sind kein “absichtliches Eigentor” für Lindners Sparpolitik, sondern ein echtes Eigentor für Deutschlands wirtschaftliche Zukunft.

Der Vorzeige-Sparer hat seine Finanzen nicht im Griff

Konkret geht es dabei um die Schuldentragfähigkeitsanalyse (Debt Sustainability Analysis, kurz: DSA), auf deren Grundlage die EU-Kommission einen Nettoausgabenpfad mit den Mitgliedstaaten vereinbart, die die Benchmarks überschreiten. Auch Deutschland sollte eigentlich bis zum 15. Oktober einen Ausgabenplan vorlegen. Diese Frist wurde vom Finanzministerium nicht eingehalten. Nun überlege man, den Anpassungszeitraum von vier auf sieben Jahre zu verlängern – eine Opt-out-Option der neuen Regelungen.

Schadenfreude kommt dazu aus Brüssel – ausgerechnet Deutschland, der Vorzeige-Sparer der EU, habe seine Staatsfinanzen nicht im Griff. Und Lindner nutzt die Lage als Rückendeckung im Streit um die Schuldenbremse, indem er darauf verweist, dass die neuen EU-Fiskalregeln noch strikter seien als die nationalen.

Die Schuldenbremse steht der Investitionspolitik im Weg

Aber: So einfach ist das nicht. Dass Deutschland Gefahr läuft, den Nettoausgabenpfad nicht einzuhalten, liegt nicht an staatlicher Ausgabensucht, sondern an wachstumsfeindlicher Sparpolitik. Für die DSA zählt nämlich nicht nur der Schuldenstand, sondern vor allem auch die Wachstumsprognosen. Dass diese momentan so pessimistisch sind, führen immer mehr Ökonom:innen auf den Investitionsmangel und die restriktive Haushaltspolitik zurück. Aus diesem Grund hat auch der IWF gerade die Konjunkturprognose für Deutschland für 2025 um 0,5 Prozentpunkte nach unten angepasst und empfiehlt schon länger eine Lockerung der Schuldenbremse.

Lindners Logik “Deutschland ist der kranke Mann Europas, deswegen müssen wir sparen”, gilt also nicht – und findet sich so auch nicht in der DSA. Denn: Bedingung für die Ausweitung des Anpassungszeitraumes ist, dass das Land Pläne für strukturelle Reformen sowie wachstums- und resilienzfördernde Investitionen vorweist. Verlangt wird also genau die Investitionspolitik, die Deutschland jetzt benötigt – und der die Schuldenbremse im Weg steht.

Eine Chance für generationengerechtere Politik

Nils Redeker vom Jacques Delors Centre empfiehlt daher, dass eine neue Regierung nach der Bundestagswahl die Ausgabenpläne neu aushandelt, und als Grundlage für eine ambitionierte Investitionspolitik nutzt. Eine Ausweitung des Anpassungszeitraumes von vier auf sieben Jahre ist also kein “Nachsitzen”, weil Deutschland seine “Hausaufgaben nicht gemacht hat”. Es ist eine Chance für eine weitsichtigere, investitionsfördernde und damit auch generationengerechtere Finanzpolitik.

Trotz des geringen zusätzlichen Spielraumes, den die neuen EU-Fiskalregeln damit lassen, verfehlen sie aber insgesamt bei Weitem ihr ursprüngliches Ziel: einen zukunftsfähigen europäischen Finanzrahmen zu schaffen. Berechnungen des New Economic Forums zufolge werden unter dem neuen Regelwerk nur drei Mitgliedstaaten in der Lage sein, ausreichend in die sozial-ökologische Transformation zu investieren.

Die EU braucht einen Zukunftsfonds

Gleichzeitig steht die DSA auch in der Kritik, intransparent zu sein und die negativen Wachstumseffekte von fiskalischer Konsolidierung zu unterschätzen. Wie auch schon der Draghi-Report nahegelegt hat, wird die EU langfristig ein kreditfinanziertes gemeinsames Investitionsprogramm – einen Zukunftsfonds benötigen, um den Herausforderungen der Transformation und neuer geoökonomischer Realitäten gerecht zu werden.

Für uns ist klar: Starre Schuldengrenzen gefährden den Handlungsspielraum künftiger Generationen – auf nationaler sowie auf europäischer Ebene. Sie dürfen nicht als politisches Argument genutzt werden, um die notwendigen Investitionen in die Zukunft zu blockieren.

  • Christian Lindner
  • EU-Schuldenregeln
  • Fiskalpolitik
  • IWF
  • Mario Draghi
  • NGO
  • Schuldenbremse
  • Transformation

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Seit Manfred Weber die Führung der Europäischen Volkspartei 2022 übernommen hat, ist es eher ruhig geworden um die Partei. Die Fraktion mit den beinahe 200 Abgeordneten hatte zuletzt deutlich mehr Gewicht. Nun soll eine Reform neuen Schwung bringen. Eines der Ziele: Die EVP-Kommissare und -Ministerinnen aus den Mitgliedstaaten sollen sich künftig besser vernetzen. Was Weber konkret plant, erfahren Sie in der Analyse von Markus Grabitz.

    Wenn mal wieder um die deutsche Schuldenbremse gestritten wird, verweist Bundesfinanzminister Christian Lindner gern auf die strengen EU-Fiskalregeln. Doch so einfach sei die Sache nicht, schreibt Marina Guldimann von der NGO Fiscal Future im Standpunkt: Deutschlands Problem sei weniger die staatliche Ausgabensucht als vielmehr eine wachstumsfeindliche Sparpolitik. Das schränke die Möglichkeiten künftiger Generationen deutlich ein.

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    Zwei Tage nach der Parlamentswahl in Georgien ist völlig unklar, ob eine Regierung zustande kommt oder Neuwahlen anstehen. Die Regierungspartei Georgischer Traum hat nach den umstrittenen Ergebnissen des Zentralen Wahlkomitees eine deutliche Mehrheit von 54 Prozent der Stimmen. Zwar hat die Partei des russlandfreundlichen Oligarchen Bidsina Iwanischwili ihr Ziel einer verfassungsändernden Mehrheit im Parlament damit nicht erreicht. Trotzdem ist es das beste Ergebnis für die Partei seit 2012. 

    Für die Opposition fiel das Wahlergebnis trotz einer Wahlbeteiligung auf Rekordniveau von knapp 60 Prozent überraschend schlecht aus. Die vier größten Gruppierungen kommen nach offiziellen Angaben zusammen auf 37,6 Prozent. Politiker des stärksten Oppositionsbündnisses, die Vereinte Nationale Bewegung (UNM) und einige Politiker der liberalen Koalition der Einheit, wollen wegen des Verdachts auf Wahlfälschungen ihre Mandate aber nicht antreten. Sergo Chikhladze von der liberalen Koalition der Einheit sagte zu Table.Briefings: “Die Wahlen waren nicht frei und fair. Wir werden das Ergebnis nicht anerkennen.”

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    Georgiens EU-freundliche Präsidentin Salome Surabischwili sprach am Sonntagabend ebenfalls von einem “totalen Betrug” und “Stimmenraub”. “Wir waren Zeugen und Opfer einer russischen Spezialoperation”, sagte sie und rief die Bürgerinnen und Bürger für Montagabend zu Protesten auf. Im Vorfeld war damit gerechnet worden, dass es nach den Wahlen zu einer Situation der Instabilität kommt.

    Am Wahltag hat es zahlreiche Manipulationsversuche von Unterstützern der Partei Georgischer Traum gegeben. Wahlbeobachter berichteten von Einschüchterungen und gewaltsamen Übergriffen auf Wähler, Journalisten und Politiker. Wähler versuchten, in mehreren Wahllokalen abzustimmen oder mehrere Wahlzettel in einer Urne abzugeben. Ein Wahllokal musste deshalb vorzeitig geschlossen und alle Stimmen für ungültig erklärt werden. 

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    Untersuchungen zu Wahlen könnten Ergebnis beeinflussen

    In der Zivilgesellschaft mobilisierte sich bereits in der Nacht zu Sonntag Widerstand. Eine Sprecherin der lokalen Beobachtermission My Vote sagte, die Wahl sei in großem Stil manipuliert worden. Sie kündigte an, eine Annullierung der offiziellen Ergebnisse anzufordern. 

    Zurückhaltender war Nino Dolidze, Leiterin der Internationalen Gesellschaft für faire Wahlen und Demokratie (ISFED), Georgiens wichtigste Wahlbeobachtungsgruppe. Sie sagte am Sonntag auf einer Pressekonferenz: “Wir hinterfragen den Prozess, wie das Wahlergebnis zustande kam.” Es sei zu schweren Verstößen und Manipulationsversuchen vor und während der Wahl gekommen. Die Untersuchungen liefen noch, und diese könnten am Ende das Wahlergebnis beeinflussen.

    Ratspräsident Charles Michel kündigte an, Georgien auf die Tagesordnung der informellen Ratssitzung in Budapest zu setzen und forderte eine rasche, transparente Untersuchung von Wahlunregelmäßigkeiten durch die zuständigen Behörden. “Wir wiederholen den Aufruf der EU an die Führung Georgiens, ihr Festhalten am EU-Kurs des Landes zu demonstrieren”, schrieb Michel auf X. 

    Außenpolitiker fordern klare Haltung von der EU

    Außenpolitiker mehrerer Länder riefen die EU auf, die Wahlen nicht anzuerkennen. “Wir sind sehr besorgt über eine ‘Belarussifizierung’ des Landes”, schreiben die Politiker, darunter Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, in einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden gemeinsamen Erklärung. Wenn die Regierungspartei ihrer Ankündigung Taten folgen lasse, drohe die Verfolgung und das Verbot der Opposition, unabhängiger Medien und kritischer Nichtregierungsorganisationen.

    “Die EU muss der Regierungspartei deutlich machen, dass sie dies nicht akzeptieren wird und in diesem Fall ein vollständiger Abbruch der Beziehungen folgen wird”, heißt es in der Erklärung, die die Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse der Parlamente Deutschlands, Litauens, Lettlands, der Ukraine, Kanadas sowie führenden Außenpolitikern aus Polen, Italien und Schweden unterzeichnet haben.

    Die Parlamentswahlen galten als Schicksalswahl zu Georgiens Entscheidung zwischen Russland und Europa. Sie folgten auf andauernde antidemokratische Maßnahmen der Regierungspartei. Im Mai verabschiedete sie das sogenannte Agentengesetz nach russischem Vorbild. Kürzlich kam ein Gesetz hinzu, das die Rechte von Angehörigen der LGBTQ-Community einschränkt. Die EU hat die Beitrittsverhandlungen im Juni deshalb de facto auf Eis gelegtMit dpa/rtr/sas

    Der Text ist auf einer Recherchereise in Georgien entstanden. Organisiert und finanziert wurde die Reise von der Friedrich-Naumann-Stiftung. Die Autorin war für den Wahltag als internationale Wahlbeobachterin akkreditiert. 

    • Demokratie
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    EVP: So will Manfred Weber die Partei reformieren

    Die christdemokratische Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) soll ein Update bekommen. Manfred Weber, der neben seinem Amt als Fraktionschef im Europaparlament auch Parteichef ist, will die Partei moderner, schlagkräftiger und kampagnenfähiger aufstellen. Die Fraktion mit den beinahe 200 Abgeordneten sowie zahlreichen Mitarbeitern in den Abgeordnetenbüros hatte zuletzt deutlich mehr Gewicht, während die inhaltliche Arbeit der Partei verkümmerte.

    Weber hatte zwei hauptamtliche Vize-Generalsekretäre gefeuert und die Posten nicht wieder besetzt. Der deutsche Christian Kremer war einer der beiden Vize-Generalsekretäre, zuständig für die Entwicklung der Programmatik. Friedrich Merz holte Kremer im September 2023 als Leiter der Außenabteilung ins Konrad-Adenauer-Haus. Abgesehen von dem gewählten Generalsekretär Thanasis Bakolas, einigen Pressereferenten und Sekretären arbeitete zuletzt in der EVP-Zentrale in der Rue de Commerce in Brüssel kaum jemand mehr.  

    Weber will zweite Amtszeit

    Weber tritt im April 2025 beim Wahlparteitag im spanischen Valencia wieder als Parteichef an und will bis dahin das Konzept für die Parteireform fertig haben. Er hat Siegfried Mureșan, einer seiner zehn Stellvertreter, sowie Schatzmeister Francois-Xavier Bellamy damit beauftragt, die Reform auszuarbeiten. Mureșan, Webers Stellvertreter auch in der Fraktion, sagte zu Table.Media: “Wir wollen in einem transparenten und inklusiven Prozess, der alle Mitgliedsparteien mitnimmt, die Reform ausarbeiten.”

    Die Reform soll von einer Lenkungsgruppe konzipiert werden, in der etwa 10 bis 15 hochrangige Funktionäre und EVP-Persönlichkeiten mitarbeiten. Unterhalb der Lenkungsgruppe soll es eine Taskforce geben, in die jede Mitgliedspartei eine Person entsenden kann. Der EVP gehören derzeit 82 Parteien und Partner aus 43 Ländern an. Darunter sind Parteien aus Nicht-EU-Ländern wie Albanien, Belarus und Bosnien-Herzegowina.

    Treffen der EVP-Minister vor den Räten

    Die Vernetzung der EVP-Kommissare und -Minister aus den Mitgliedstaaten soll besser werden. Dafür will die EVP das Format der Treffen im Vorfeld von Ministerräten wiederbeleben – ähnlich wie die “Summits” vor Europäischen Räten, bei denen die EVP-Staats- und Regierungschefs vor dem EU-Gipfel zusammenkommen. Während der Staatsschuldenkrise etwa koordinierten sich die EVP-Minister aus den Mitgliedstaaten intensiv vor wichtigen Räten. Treffen dieser Art waren auch deswegen eingeschlafen, weil es zwischenzeitlich kaum mehr EVP-geführte Regierungen gab. Das hat sich inzwischen geändert. Sowohl in den Ministerräten und in der Kommission dominieren Minister und Kommissare mit EVP-Hintergrund.

    Das EVP-Parteigremium der Politischen Versammlung (political assembly) soll beibehalten werden. Sie tagt viermal im Jahr, rund 200 Delegierte der Mitgliedsparteien nehmen an der Versammlung teil. Die CDU etwa schickt zwölf gewählte Delegierte. Seitdem Weber die EVP leitet, hat die Politische Versammlung einmal in München und einmal in Lissabon getagt. An der Praxis, sich einmal im Jahr nicht in Brüssel zu treffen, soll ebenfalls festgehalten werden.

    Wahlkampf-Expertise soll in der Zentrale bleiben

    Es gibt Überlegungen, ein weiteres Parteigremium zwischen Politischer Versammlung und dem 14-köpfigen Parteipräsidium anzusiedeln. Dieses Gremium würde die EVP-Aktivitäten in Parlament, Rat und Kommission koordinieren. Dem Parteipräsidium gehören der Parteichef, seine zehn Vize, der Schatzmeister, der Generalsekretär sowie die Kommissionspräsidentin an. In der Parteizentrale soll außerdem eine Grundsatzabteilung aufgebaut werden.

    Auch beim Team, das die Wahlkämpfe für die Spitzenkandidaten verantwortet, soll es Veränderungen geben. Bislang hat die EVP-Zentrale drei Wahlkämpfe für Spitzenkandidaten vorbereitet:

    • 2014 für Jean-Claude Juncker
    • 2019 für Manfred Weber
    • 2024 für Ursula von der Leyen

    Jedes Mal brachte der Spitzenkandidat seine Leute mit, die den Wahlkampf vorbereitet und geführt haben. Nach jeder Europawahl verließ das Team die EVP-Zentrale wieder – und nahm seine Expertise mit. Künftig will man einen Weg finden, die Erfahrung aus den Wahlkämpfen in der Zentrale zu halten.

    Erwartungen der Mitgliedsparteien klären

    Im Zuge der Parteireform soll auch geklärt werden, welche Aufgaben die Zentrale für die Mitgliedsparteien erledigen soll, welche Unterstützung die Mitgliedsparteien von der Zentrale erwarten und was die Mitgliedsparteien der Zentrale liefern können. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, werde sich das Organigramm der Zentrale ergeben.

    Klar ist bereits heute, dass Generalsekretär Thanasis Bakolas keine Rolle mehr spielen wird: Sein Vertrag endet mit dem Parteitag im April. Früher hatte die EVP immer einen Generalsekretär, der auch Europaabgeordneter war. Auch diese Konstruktion hatte Weber geändert. Ob es bei einem hauptamtlichen Generalsekretär bleibt, ist noch nicht klar. Es wird spekuliert, dass der ehemalige Europaabgeordnete Tom Vandenkendelaere neuer Generalsekretär wird. Weber hatte ihn kürzlich zum “Chief of staff” in der Parteizentrale gemacht. Darüber war es zu einem Zerwürfnis zwischen Weber und seinem Generalsekretär Bakolas gekommen.

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    News

    Bulgarien: Prognosen sehen prowestliche Bündnisse bei den Wahlen vorn

    Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Bulgarien liegen ersten Prognosen zufolge prowestliche Parteien vorn. Für das Mitte-Rechts-Bündnis Gerb-SDS stimmten zwischen 25,1 und 26,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler, für das liberal-konservative Bündnis PP-DB 15,4 bis 14,9 Prozent. Das teilten die Meinungsforschungsinstitute Gallup International Balkan und Alpha Research basierend auf Nachwahlbefragungen mit.

    Beide Bündnisse wollen an Bulgariens euro-atlantischer Orientierung festhalten und die Ukraine im russischen Angriffskrieg weiter unterstützen. Die beiden rivalisierenden Lager hatten jüngst etwas weniger als ein Jahr lang gemeinsam regiert – allerdings ohne Koalitionsvertrag. Ihre Regierung zerbrach in diesem Frühjahr nach Streit über Reformen, Personalien und den Kampf gegen die Korruption.

    Gerb-Chef Borissow: Zu allen Kompromissen bereit

    Ob jetzt eine ähnliche Koalition zustande kommen kann, war am Wahlabend noch offen. Allerdings versicherte Gerb-Chef Boiko Borissow vor der Abstimmung, dass seine Partei alle Kompromisse eingehen werde, damit es eine Regierung gibt. Das PP-DB-Lager lehnt Borissow als künftigen Regierungschef ab, da es ihm korrupte Amtsführung bei seinen drei Regierungen bis 2021 vorwirft. 

    “Die Bildung einer neuen Regierung wird sowohl mathematisch als auch politisch sehr schwierig sein”, sagte der Direktor von Gallup International Balkan, Parwan Simeonow, dem Staatsrundfunk in Sofia. Die prorussische, nationalistische und populistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt) könnte mit zwischen 13,8 und 12,9 Prozent der Stimmen auf Platz drei landen und dürfte bei der Regierungsbildung kaum eine Rolle spielen. 

    Die Bulgarinnen und Bulgaren hatten erst im Juni ein neues Parlament gewählt, doch keine Partei konnte eine reguläre Regierung bilden. Ein Interimskabinett wurde eingesetzt.

    “Eine weitere Neuwahl würde Bulgariens Image als unregierbares Land weiter festigen”, sagt die Vize-Direktorin des European Council on Foreign Relations (ECFR), Wessela Tschernewa vor der Wahl. Das Balkanland hatte seit 2021 in der Tat nur zwei kurzlebige reguläre Regierungen, dafür aber mehrere Übergangskabinette. Mit aussagekräftigen amtlichen Zwischenergebnissen zur Wahl wird am Montag gerechnet. dpa

    • Bulgarien
    • ECFR
    • Wahlen

    EU-Zusatzzölle: Handelskammer kritisiert Verhandlungen

    Wenige Tage vor Ablauf der Frist für die EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge zeigt sich die chinesische Seite unzufrieden mit den Verhandlungen. “Die europäische Seite hat während des Verhandlungsprozesses ‘Yin-Yang-Taktiken‘ angewandt und versucht, die chinesische Regierung zu umgehen und separat mit einzelnen Unternehmen zu verhandeln”, wird ein nicht näher genannter Experte bei Yuyuan Tantian zitiert. Der Social-Media-Kanal steht dem chinesischen Staatssender CCTV nahe. Die chinesische Handelskammer bei der EU hatte den Artikel am Sonntag unter Journalisten gestreut. 

    Im Fokus der noch laufenden Verhandlungen stehen demnach Preisverpflichtungen für die chinesischen Hersteller. Mit einer “überraschenden Kehrtwende aus Brüssel” werde nicht gerechnet. Dabei seien unterschiedliche Ansichten darüber, wie eine Preisverpflichtung funktionieren würde, das größte Hindernis: “Das europäische technische Team verlangt von China, einen Mindestpreis für jede Marke und jedes Modell von Elektrofahrzeugen festzulegen, die nach Europa exportiert werden”, heißt es in dem Bericht. Außerdem würden separate Mindestpreise für Fahrzeuge derselben Marke für verschiedene EU-Länder und Regionen Europas gewollt. Brüssel hatte sich bisher zu Details der Verhandlungen nicht geäußert.

    Am Freitag hatte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis mit Chinas Handelsminister Wang Wentao gesprochen. Am Mittwoch, 30. Oktober, läuft die Frist für eine Entscheidung über die Zusatzzölle ab. Die EU-Kommission hatte allerdings schon über mehrere Kanäle zu verstehen gegeben, dass die Verhandlungen auch danach noch weitergehen könnenari

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    Grenzkontrollen: Abgeordnete appellieren an von der Leyen

    In einem gemeinsamen Brief fordern die Europaparlamentarier Rasmus Andresen (Grüne) und Delara Burkhardt (SPD) sowie der Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler (SSW) EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) auf, Stellung zu Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums zu beziehen.

    In den vergangenen Jahren hätten Mitgliedstaaten in mehr als 400 Fällen vorübergehende Grenzkontrollen vorgenommen. Diese würden jedoch häufig nicht wieder beendet, sondern mit wechselnden Begründungen fortgesetzt. “Hierbei ist jedoch infrage zu stellen, inwieweit die laut Schengener Grenzkodex erforderlichen Sachgründe tatsächlich erfüllt sind”, schreiben die drei Abgeordneten. Für sie sei “nicht nachvollziehbar”, weshalb die EU-Kommission nicht ihr Recht nutze, dazu formelle Stellungnahmen abzugeben.

    “Errungenschaften des Schengen-Raums nicht aufs Spiel setzen”

    Die von den drei Absendern vertretene deutsch-dänische Grenzregion sei von den Kontrollen stark belastet. So führe die dänische Regierung bereits seit neun Jahren Grenzkontrollen durch. Auch Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser, denen zufolge die Bundesregierung Kontrollen an allen deutschen Grenzen bis zur Implementierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im Jahr 2026 fortsetzen will, widersprächen “ganz klar dem Tenor einer vorübergehenden Maßnahme”.

    Die EU-Kommission müsse daher ihre Rolle als “Hüterin der Verträge” stärker wahrnehmen und die Mitgliedstaaten daran erinnern, “dass die Errungenschaften des Schengen-Raums nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfen”. max

    • EU-Kommission
    • Grenzkontrollen
    • Migrationspolitik
    • Schengen-Raum
    • Ursula von der Leyen

    Presseschau

    EU-Ratspräsident fordert Aufklärung zu Georgien-Wahl SÜDKURIER
    Nach umstrittener Wahl: Georgiens Opposition ruft zu Massenprotesten auf STERN
    Israels Angriff auf Iran: EU fordert alle Seiten im Nahostkonflikt zu Zurückhaltung auf SPIEGEL
    Gegen Frust auf dem Balkan: Von der Leyen will EU-Beitritte verwirklichen EURONEWS
    Die Länder am Balkan lassen Reformfortschritte Richtung EU vermissen DER STANDARD
    Heil buhlt um indische Fachkräfte: “Indien ist idealer Partner außerhalb der EU” N-TV
    Der Vatikan: Metsola lobt Papst für Förderung des Friedens EURONEWS
    Debatte: EU-Abgeordnete fordern Ende der Zeitumstellung DEUTSCHLANDFUNK
    Brüssel sendet EU-Fluthilfe nach Deutschland nach Hochwasser FR
    EVP und Rechtsaußenparteien: Bröckelt die Brandmauer im EU-Parlament? TAGESSCHAU
    Wirtschaftsmagazin über Ex-Kanzlerin: “The Economist” gibt Merkel Mitschuld am Abstieg Deutschlands und der EU SPIEGEL
    EZB-Chefin: vorsichtiger, datenbasierter Ansatz für weitere Zinssenkungen EURONEWS
    Fehlende Finanzspritze: EU gibt nicht mehr Geld zur Tierseuchenbekämpfung TOPAGRAR
    Agrarwirtschaft: Bauern nutzen EU-Gelder auch für Umwelt- und Klimaschutz ZEIT
    Was steckt dahinter? Die positiven Seiten der EU-Strafzölle auf Chinas E-Autos N-TV
    Reservat im Rhein: Naturschützer legen EU-Beschwerde ein ALLGEMEINE ZEITUNG
    Niederlande: Kompromiss verhindert Scheitern des Kabinetts SÜDDEUTSCHE
    Siebte Parlamentswahl seit 2021: Prowestliche Parteien in Bulgarien vorn ZDF
    Zweite Runde der Parlamentswahl in Litauen STERN
    Nach Erschießung eines Schwarzen: Tausende protestieren in Lissabon gegen Polizeigewalt SPIEGEL
    Italien: Zehntausende demonstrieren für Ende der Kriege weltweit DEUTSCHLANDFUNK
    Hackergruppe soll italienische Prominenz ausspioniert haben – auch Meloni betroffen WATSON
    Hunderte Neofaschisten versammelten sich in Mussolinis Geburtsort DER STANDARD
    Fast 3 Millionen Euro veruntreut – Geldwäsche im Nachtclub: Katholische Priester in Griechenland unter Verdacht RND
    Bildungs-Champion Estland: Warum braucht ein Zweijähriger einen Lehrplan, Frau Kallas? WELT
    Finnlands Präsident über Ukrainekrieg: “Putin hat einen der schwersten strategischen Fehler in der jüngeren Geschichte begangen” SPIEGEL
    Nach Anschlag in Ankara: Türkei greift nach eigenen Angaben erneut Ziele in Nordsyrien an DEUTSCHLANDFUNK
    Atomkraft: Merz will mit Frankreich über Beteiligungen reden SÜDDEUTSCHE
    Martinique in der Karibik: Paradies, Preisprobleme und Proteste ZDF
    Volksinitiative erfolgreich: Liechtenstein muss öffentlich-rechtlichen Rundfunk einstellen DEUTSCHLANDFUNK
    Eurovision Song Contest in der Schweiz: Volksabstimmung über “Propaganda-Show” SWR3
    Angriff mit Korruptionsvorwürfen: Ungarischer Polit-Newcomer Péter Magyar will Viktor Orbán stürzen N-TV
    Polen will EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um die Finanzierung des “Schutzschilds Ost” voranzutreiben POLSKIE RADIO
    Sprengsätze in Luftfracht: Polen nimmt Verdächtige fest FAZ
    In Schweden darf ein Endlager für Atommüll gebaut werden: Widerstand gibt es kaum NZZ
    Die Lage des literarischen Lebens in Rumänien FAZ
    Rückzug von Sumar-Fraktionschef Íñigo Errejón bringt die spanische Linke in Erklärungsnöte und die Minderheitsregierung unter Sánchez in Bedrängnis FAZ
    Spaniens besonderer Migrationskurs: Warum das Land einen anderen Weg geht als der Rest Europas TAGESSPIEGEL

    Standpunkt

    “Starre Schuldengrenzen gefährden den Handlungsspielraum künftiger Generationen”

    Von Marina Guldimann
    Marina Guldimann (22) ist Junior Economist bei FiscalFuture, einer überparteilichen NGO, die sich für eine zukunftsfähige Finanzpolitik einsetzt. Die Initiative vertritt die Interessen junger Menschen im finanzpolitischen Diskurs und fördert ökonomische Bildung, indem sie Veranstaltungen und Workshops organisiert. Marina Guldimann hat Ökonomie und Politische Theorie an der SciencesPo in Reims studiert.
    Marina Guldimann ist Junior Economist bei Fiscal Future, einer überparteilichen NGO, die sich für eine zukunftsfähige Finanzpolitik einsetzt.

    Im vergangenen April haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine Reform der EU-Fiskalregeln geeinigt, die nun ihre Wirkung entfaltet. Dabei hatte insbesondere Finanzminister Christian Lindner auf strikte numerische Grenzen bestanden – die nun auch in Deutschland Anwendung finden müssen. Lindners Argument: Nicht nur die deutsche Schuldenbremse, sondern auch die EU-Fiskalregeln würden ihn zu Einsparungen zwingen.

    In der aktuellen, wirtschaftlich unsicheren Lage auf Sparpolitik zu setzen, ist allerdings keine ökonomische Notwendigkeit, sondern eine politische Entscheidung. Als Vertreter:innen von Fiscal Future, einer NGO junger Menschen für eine zukunftsfähige Finanzpolitik, haben wir deshalb einen differenzierteren Blick: Die neuen EU-Fiskalregeln sind kein “absichtliches Eigentor” für Lindners Sparpolitik, sondern ein echtes Eigentor für Deutschlands wirtschaftliche Zukunft.

    Der Vorzeige-Sparer hat seine Finanzen nicht im Griff

    Konkret geht es dabei um die Schuldentragfähigkeitsanalyse (Debt Sustainability Analysis, kurz: DSA), auf deren Grundlage die EU-Kommission einen Nettoausgabenpfad mit den Mitgliedstaaten vereinbart, die die Benchmarks überschreiten. Auch Deutschland sollte eigentlich bis zum 15. Oktober einen Ausgabenplan vorlegen. Diese Frist wurde vom Finanzministerium nicht eingehalten. Nun überlege man, den Anpassungszeitraum von vier auf sieben Jahre zu verlängern – eine Opt-out-Option der neuen Regelungen.

    Schadenfreude kommt dazu aus Brüssel – ausgerechnet Deutschland, der Vorzeige-Sparer der EU, habe seine Staatsfinanzen nicht im Griff. Und Lindner nutzt die Lage als Rückendeckung im Streit um die Schuldenbremse, indem er darauf verweist, dass die neuen EU-Fiskalregeln noch strikter seien als die nationalen.

    Die Schuldenbremse steht der Investitionspolitik im Weg

    Aber: So einfach ist das nicht. Dass Deutschland Gefahr läuft, den Nettoausgabenpfad nicht einzuhalten, liegt nicht an staatlicher Ausgabensucht, sondern an wachstumsfeindlicher Sparpolitik. Für die DSA zählt nämlich nicht nur der Schuldenstand, sondern vor allem auch die Wachstumsprognosen. Dass diese momentan so pessimistisch sind, führen immer mehr Ökonom:innen auf den Investitionsmangel und die restriktive Haushaltspolitik zurück. Aus diesem Grund hat auch der IWF gerade die Konjunkturprognose für Deutschland für 2025 um 0,5 Prozentpunkte nach unten angepasst und empfiehlt schon länger eine Lockerung der Schuldenbremse.

    Lindners Logik “Deutschland ist der kranke Mann Europas, deswegen müssen wir sparen”, gilt also nicht – und findet sich so auch nicht in der DSA. Denn: Bedingung für die Ausweitung des Anpassungszeitraumes ist, dass das Land Pläne für strukturelle Reformen sowie wachstums- und resilienzfördernde Investitionen vorweist. Verlangt wird also genau die Investitionspolitik, die Deutschland jetzt benötigt – und der die Schuldenbremse im Weg steht.

    Eine Chance für generationengerechtere Politik

    Nils Redeker vom Jacques Delors Centre empfiehlt daher, dass eine neue Regierung nach der Bundestagswahl die Ausgabenpläne neu aushandelt, und als Grundlage für eine ambitionierte Investitionspolitik nutzt. Eine Ausweitung des Anpassungszeitraumes von vier auf sieben Jahre ist also kein “Nachsitzen”, weil Deutschland seine “Hausaufgaben nicht gemacht hat”. Es ist eine Chance für eine weitsichtigere, investitionsfördernde und damit auch generationengerechtere Finanzpolitik.

    Trotz des geringen zusätzlichen Spielraumes, den die neuen EU-Fiskalregeln damit lassen, verfehlen sie aber insgesamt bei Weitem ihr ursprüngliches Ziel: einen zukunftsfähigen europäischen Finanzrahmen zu schaffen. Berechnungen des New Economic Forums zufolge werden unter dem neuen Regelwerk nur drei Mitgliedstaaten in der Lage sein, ausreichend in die sozial-ökologische Transformation zu investieren.

    Die EU braucht einen Zukunftsfonds

    Gleichzeitig steht die DSA auch in der Kritik, intransparent zu sein und die negativen Wachstumseffekte von fiskalischer Konsolidierung zu unterschätzen. Wie auch schon der Draghi-Report nahegelegt hat, wird die EU langfristig ein kreditfinanziertes gemeinsames Investitionsprogramm – einen Zukunftsfonds benötigen, um den Herausforderungen der Transformation und neuer geoökonomischer Realitäten gerecht zu werden.

    Für uns ist klar: Starre Schuldengrenzen gefährden den Handlungsspielraum künftiger Generationen – auf nationaler sowie auf europäischer Ebene. Sie dürfen nicht als politisches Argument genutzt werden, um die notwendigen Investitionen in die Zukunft zu blockieren.

    • Christian Lindner
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    Europe.Table Redaktion

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