Table.Briefing: Europe

Solar-Subventionen + COP-Forderungen + Fahrgastrechte

Liebe Leserin, lieber Leser,

versucht Thierry Breton die europäische Solarindustrie zwangszubeglücken? Gegen Gerüchte einer erneuten Antisubventionsuntersuchung – diesmal gegen chinesische PV-Module – wehrt sich nun die Branche selbst.

Morgen trifft der Industriekommissar online auf Solar-CEOs und Minister der Mitgliedstaaten. Zum einjährigen Bestehen der European Solar PV Industry Alliance wollen sie eigentlich eine erste Bilanz ziehen, wie der generalstabsmäßige Wiederaufbau der europäischen Produktionskapazitäten läuft. Doch die jüngsten Gerüchte stören die Arbeit am gemeinsamen Ziel gewaltig.

In einem offenen Brief an Breton warnen 429 Unternehmen und Verbände der Solarwirtschaft, dass ihnen handelspolitische Schutzmaßnahmen nur schaden und die Energiewende gefährden würden – Strafzölle hätten schon einmal Beschäftigungszahlen und Investitionen einbrechen lassen. “Wir haben bessere, schnellere und wirksamere Lösungen für die Krise, mit der die europäischen Hersteller konfrontiert sind”, sagt Walburga Hemetsberger, CEO von SolarPower Europe.

Die gewünschten Alternativen laufen alle auf eine Maßnahme hinaus: mehr staatliche Förderung. In Zeiten knapper Kassen keine frohe Botschaft für Thierry Breton.

Ihr
Manuel Berkel
Bild von Manuel  Berkel

Analyse

Global Stocktake: Das fordern die Staaten von einem COP28-Beschluss

Für die zentrale Entscheidung der COP28 zum “Global Stocktake” (GST) stehen den Delegationen harte Verhandlungen bevor. Denn die Vorstellungen der einzelnen Staaten und Ländergruppen, welche Folgen aus der ersten globalen Bestandsaufnahme zum Klimaschutz zu ziehen sind, gehen weit auseinander. Sie widersprechen sich teilweise sogar direkt. Das zeigt ein Überblick über die Vorschläge, die 23 UN-Staaten und Ländergruppen und etwa 50 internationale Organisationen dem Klimasekretariat UNFCCC vorgelegt haben. Table.Media hat die Dokumente ausgewertet.

Der GST zieht zum ersten Mal seit dem Beschluss des Pariser Abkommens 2015 eine Bilanz, was im Klimaschutz seitdem erreicht wurde und wie es weitergehen soll. Im September gab es eine Zusammenfassung der Erkenntnisse aus dem “technischen Dialog”. Dann fasste das UNFCCC-Sekretariat die Ergebnisse aus seiner Sicht zusammen. Auf der COP28 muss nun ein Dokument vorgelegt werden, das Grundlage für eine Entscheidung sein soll.

COP-Beschluss: Wer will was?

In den bisherigen Papieren gibt es große Übereinstimmung bei der Benennung von Lücken im bisherigen Klimaschutz. Beispielsweise beim Punkt, Emissionsreduzierungen. Die nötigen Einsparungen von minus 43 Prozent bis 2030 sind nicht absehbar. Auch finanziell gibt es Defizite. Die Industrieländer haben für die Jahre 2020 und 2021 ihre Zusage von 100 Milliarden Dollar Klimahilfen pro Jahr nicht eingehalten.

In anderen Punkten gehen die Vorstellungen und Sichtweisen weit auseinander. Das zeigt ein Überblick über die wichtigsten Akteure und ihre besonderen Schwerpunkte.

EU: Vorreiter drängt Öl- und Gasindustrie

Die Europäische Union sieht sich gern als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Der Block aus 27 Staaten hat seit 1990 seinen CO₂-Ausstoß um etwa 25 Prozent gesenkt, für 2030 mit dem “Green Deal” ein Minus von 55 Prozent angestrebt und für 2050 Netto-Null-Emissionen. Die Mitgliedsstaaten der EU sind die größten Finanziers im internationalen Klimaschutz und bemühen sich um strategische Bündnisse mit Schwellen- und Entwicklungsländern. In die Schlusserklärung gehört für Europa deshalb:

  • eine “Kurskorrektur” und der politische Willen, auf den 1,5 Grad-Pfad zu gelangen. Dafür aber brauche es “drastisch verbesserte Anstrengungen”. Der Emissionshöhepunkt müsse spätestens 2025 kommen – was vor allem China unter Druck setzt und von der IEA bereits als realistisch angekündigt wurde.
  • Die internationale Gemeinschaft müsse die Hürden für die Klimafinanzierung in den verschuldeten Ländern des Globalen Südens abbauen. Anpassung solle in allen Plänen und Investmentstrategien vorkommen.
  • Die EU möchte in der GST-Erklärung auch die Bereiche angesprochen sehen, die das Leben der Menschen direkt betreffen: Gesundheit, Wasser, Nahrung, Schutz von Ökosystemen, Geschlechtergerechtigkeit
  • Anders als etwa Saudi-Arabien will die EU eine Verteilung von Lasten und Vorteilen als zentral für den Klimaschutz genannt wissen. Auch zur “Gerechtigkeit” (equity) beim Klimaschutz, einem Buzz-Wort der Verhandlungen, müssten alle beitragen, die hohe Emissionen pro Kopf oder als Land aufweisen – also nicht nur die Industriestaaten.
  • Die EU sieht bei der Klimafinanzierung genügend Kapital vorhanden, nur in die falschen Bereiche investiert. Es sei dringend, die grünen Finanzströme von Milliarden in Billionen zu vergrößern und eine Wirtschaft ohne Fossile aufzubauen.
  • Die besten Beispiele aus dem GST will die EU in einem Anhang an die Erklärung veröffentlichen, der nicht den Verhandlungen unterliegt.
  • Verdreifachung der Erneuerbaren, Verdopplung der Effizienz, Verminderung des Methanausstoßes um 75 Prozent bis 2030 sollen als Ziele für 2030 verankert werden.
  • Die EU will die “Öl und Gasindustrie drängen, ihr Versprechen zu halten, die Energiewende voranzutreiben. 2030 mehr als 80 Prozent ihrer Upstream-Investitionen in saubere Energien zu stecken, im Vergleich zu weniger als 5 Prozent derzeit”.

China: Protektionismus schadet dem Klima

China ist der vielleicht mächtigste Player bei den Klimaverhandlungen. Die Großmacht verfolgt ihre eigenen Ziele, leidet unter den Klimafolgen und treibt zu Hause den Ausbau der Erneuerbaren massiv voran. Gleichzeitig ist es vom fossilen Wirtschaftsmodell und dem Export abhängig. Das Land definiert sich nach wie vor als Entwicklungsland, um die Verhandlungsgruppe der G77/China zusammenzuhalten. Diese Rolle kommt nun etwa bei den Finanzierungsfragen des “Loss and Damage” Fonds immer stärker unter Druck. China als derzeit bei Weitem größter CO₂-Emittent will deshalb unter anderem:

  • Die Verantwortung für die Klimakrise vor allem den Industrieländern zuweisen. Es müsse anerkannt werden, dass die historischen Emissionen aus der Industrie zu 70 Prozent aus den Industrieländern stammen. Neuere Zahlen und der Blick auf Landnutzung zeichnen allerdings ein anderes Bild.
  • Betonen, welche Fortschritte im Klimaschutz bereits gemacht wurden. Steuerte die Welt vor dem Paris-Abkommen auf 3,5 Grad zu, liege sie nun im besten Fall bei 1,7 bis 2,5 Grad.
  • Festschreiben, dass die Finanzierung des “Loss and Damage”-Funds Sache der Industrieländer ist.
  • China warnt vor Protektionismus und Sanktionen auf Produkte zur Energiewende. Solarmodule könnten wegen dieser Maßnahmen 2030 bis zu 25 Prozent teurer werden und 160 bis 370 GW weniger produziert und installiert werden. Neue Handelshemmnisse könnten bedeuten, dass bis 2060 drei bis vier Milliarden Tonnen mehr CO₂ ausgestoßen werden als im Freihandel.

USA: Regeln für privates Kapital nötig

Die USA sind traditionell der große Gegenspieler Chinas. Mit dem politischen und ökonomischen Rivalen verbindet Washington Konkurrenz und Kooperation. Soll der Klimaprozess funktionieren, müssen sich China und die USA einig sein. Doch bei den Forderungen zum abschließenden GST-Beschluss der COP28 markiert die US-Regierung, die zu Hause vor einem Wahljahr steht, ihre Positionen:

  • Die Erklärung soll eine “angemessen Balance zwischen Sorge und Hoffnung” treffen und “ehrlich” sein. Keinesfalls dürfe durch die “Hintertür” das Pariser Abkommen geändert werden. Man sei “besorgt über Kommentare, dass nur die Industrieländer die Lücken zum Erreichen der Klimaziele füllen sollen”.
  • Ein “gerechter Übergang” bedeutet für die USA nicht, Netto-Null-Ziele nach hinten zu schieben, die Nutzung fossiler Brennstoffe auszuweiten oder einen “Bedarf für neue internationale Finanzen” zu begründen. “Just transition” sei eher ein Konzept für die Innenpolitik als international. Das verweist auf die IRA-Gelder in den USA und ihre Weigerung, im großen Stil zur globalen Finanzierung beizutragen.
  • Die USA sind für den fossilen Ausstieg bei “unverminderten” (“unabated”) Fossilen, unterstützen also den Kurs der VAE für den verstärkten Einsatz von CCS.
  • Bei der Anpassung raten sie, vor allem Projekte vorzustellen, die schnell umsetzbar sind und private Investitionen anreizen.
  • Auch beim heiß umstrittenen Thema Finanzen setzen die USA auf bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen. Die USA zitieren IPCC-Daten: Es sei genug Geld da, es fließe nur in die fossile statt in die erneuerbare Infrastruktur.
  • Beim Rückgang der fossilen Subventionen gebe es für die Jahre 2019 bis 2020 Fortschritt, genauso wie beim Ziel der 100 Milliarden für Klimafinanzierung. Klimafinanzierung sei kein Wert an sich, sondern müsse gemessen werden an Emissionsreduzierung und Aufbau von Resilienz.
  • Aussagen zur Finanzierung des “Loss and Damage”-Fonds oder zu den historischen Emissionen der USA finden sich nicht.

G77 und China

Die Position der G77 und China wird vom derzeitigen Vorsitz Kuba vorgetragen. Sie entspricht weitgehend den bekannten Positionen dieses großen Zusammenschlusses von Entwicklungsländern in der UNO (inzwischen etwa 130 Staaten). Auch ihre Untergruppen wie LDC oder Basic ebenso wie große Länder wie China oder Indien wiederholen viele dieser Standpunkte:

  • Die Klimakrise ist vor allem von den Industriestaaten verursacht worden. Diese haben weder ihre Verpflichtungen nach der Klimarahmenkonvention und dem Pariser Abkommen zur schnellen Reduktionsminderung noch zur ausreichenden Finanzierung von Klimapolitik im Globalen Süden erfüllt.
  • Die Umsetzung von Maßnahmen im Klimaschutz (“Response Measures”) darf nicht zu sozio-ökonomischen Nachteilen für die armen Länder führen.
  • Eine schnelle Umsetzung des “Loss and Damage”-Fonds, die zugesagten 100 Milliarden für Klimafinanzierung, der Rückstand bei Technologietransfer und dem Aufbau von Kapazitäten müssen im Text an prominenter Stelle stehen
  • “Einseitige Zwangsmaßnahmen sollten in der Klimapolitik nicht genutzt werden”. Dahinter verbirgt sich eine Ablehnung des europäischen CO₂-Außenzolls CBAM.
  • Alle Beschlüsse müssen sich auf die Formel der “gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung im Licht der länderspezifischen Umstände” (CBDR-RC) beziehen. Das ist die Teilung der Lasten und Verantwortungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

BASIC: Konfrontation mit dem Norden

Die Gruppe um Brasilien, Südafrika, Indien und China (BASIC) sieht sich als Führungsgruppe der G77/China. Gleichzeitig sind sie derzeit vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen und der Vergrößerung der BRICS-Gruppe, die außerdem noch Russland enthält, deutlich selbstbewusster. Die Forderungen der BASIC sind deutlich schärfer formuliert als die Erklärung der G77. Für sie ist die Klimakrise “die abstoßende Erbschaft von Kolonialismus und Imperialismus der letzten fünf Jahrhunderte”.

  • Die BASIC-Staaten fordern, die Industriestaaten müssen ihre Netto-Null-Ziele “viel früher als 2050 erreichen” – damit die Schwellenländer sich länger Zeit lassen können. Erst mal nur der Globale Norden soll seine Konsum- und Produktionsmuster klimaneutral und mit Blick auf die UN-Nachhaltigkeitsziele SDG umstellen.
  • Die BASIC fordern Ehrlichkeit bei der GST-Bilanz. Dazu gehört für sie, das Versagen des Globalen Nordens bei Emissionsreduktion und Finanzhilfen öffentlich anzuerkennen. Sie fordern eine Richtschnur, wie diese (Un)-Gerechtigkeit in Klimafragen umzusetzen ist.
  • Auch die BASIC betonen stark die Teilung der Welt in Globalen Norden und Rest der Welt laut dem Prinzip CBDR-RC – eine Teilung, die die Industriestaaten beim Klima mit dem Pariser Abkommen für beendet erklären – schließlich haben dort alle Staaten akzeptiert, dass sie handeln müssen. Allerdings darf auch für BASIC der Bezug auf CBDR-RC “nicht benutzt werden, um Nichthandeln zu entschuldigen”.
  • Sie beziehen sich auf den aktuellen IPCC-Bericht, warnen aber vor unkritischer Übernahme der Modellrechnungen, weil sie “keine Annahmen zu Klima-Gerechtigkeit und Einkommensverteilung machen”. Das heißt, sie werfen den IPCC-Szenarien vor, nicht im Sinne der CBDR-RC zu unterscheiden.
  • Auch bei der Betrachtung der historischen Emissionen sind die BASIC-Staaten nicht mit dem IPCC einverstanden. Zwar zitieren sie die Zahlen, nach denen inzwischen Industrie- und Entwicklungsländer insgesamt etwa gleich viel CO₂ in die Atmosphäre entlassen haben – sie verweisen aber auf eine pro-Kopf-Rechnung, die den Industrieländern mehr Verantwortung gibt.
  • Die Klimafinanzen müssen “deutlich über die 100 Milliarden hinausgehen”, um die “Billionen von Dollar” auszugleichen, die Klimaschutz und -schäden im Globalen Süden kosten. Nämlich neun Billionen für die Bedürfnisse der Schwellen- und Entwicklungsländer im Klimaschutz, oder allein sechs Billionen, wenn der Globale Süden seine Klimapläne (NDC) umsetzen soll.  

Afrikanische Gruppe: Am schwersten getroffen

Die afrikanischen Länder legen größten Wert darauf, dass die Erklärung nachhaltige Entwicklung ihres Kontinents mit Klimazielen verbindet. Es müsse “Fortschritt bei den SDG” geben, eine Erklärung zum GST dürfe auf keinen Fall “die Unterentwicklung Afrikas vertiefen”. Oberstes Ziel müsse es sein, den 600 Millionen Menschen in Afrika ohne Zugang zu Strom und den 900 Millionen ohne sauberes Wasser zu helfen. Außerdem fordern sie:

  • anzuerkennen, dass Afrika etwa durch Meeresspiegelanstieg und Stürme verwundbarer in der Klimakrise sei als andere Regionen.
  • Investitionen in Erneuerbare in Afrika drastisch zu erhöhen, der Kontinent habe sehr gute Potenziale für grüne Energie.
  • Ein globales Ziel für die Anpassung (GGA) an den Klimawandel.
  • deutlich mehr Kapital nach Afrika fließen zu lassen. Seit dem Pariser Abkommen haben sich demnach diese Finanzflüsse kaum erhöht: Im Schnitt waren das 18 Milliarden Dollar im Jahr, gebraucht würden 18 bis 30 Milliarden jährlich über 20 Jahre. Insgesamt bringt Afrika derzeit aus eigenen und internationalen Mitteln nur zwölf Prozent des nötigen Kapitals für den Klimaschutz auf.
  • anzuerkennen, dass selbst bei Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze immer noch über 50 Prozent der afrikanischen Wirtschaftsleistung von Klimafolgen getroffen werden.
  • Afrika das Recht zugestanden werde, seine fossilen Ressourcen auszubeuten, um seine Entwicklung zu finanzieren. “Afrika steht davor, dieses Kapital als gestrandete Investitionen zu verlieren, wenn Maßnahmen wie CO₂-Steuern die Präferenzen der Konsumenten verändern”, warnt die Gruppe. Auch habe Afrika nicht die Instrumente, um Klimabilanzen etwa für das europäische CBAM aufzustellen.

Saudi-Arabien: Kein Zwang zum Klimaschutz

Saudi-Arabien findet sich in mehreren Rollen wieder. Als dominanter Ölproduzent, dem die momentanen Preise große Gewinne sichern, als traditioneller Bremser in den Verhandlungen, der taktisch klug agiert. Gleichzeitig will das Land global eine wichtigere Rolle spielen und auch in der Zukunft einer dekarbonisierten Wirtschaft eine wichtige Rolle einnehmen. Die Forderungen des Königreichs:   

  • Kein Zwang zu “besonderen Wegen und Zeitrahmen für irgendjemanden”, “keine neuen Kategorien, Sektorziele, Maßnahmen gegen einzelne Energiequellen oder Bestrafungsmaßnahmen”. Das ist eine Kritik an CO₂-Zöllen oder einem Beschluss zum fossilen Ausstieg.
  • Anerkennung, welchen “beträchtlichen Fortschritt” der Klimaschutz seit Paris gemacht hat. Mit den derzeitigen Ambitionen könnten die Klimaziele des Abkommens erreicht werden.
  • Kritik am IPCC: Emissionspfade und Szenarien sind demnach Projektionen, keine Vorhersagen oder Vorschriften, es fehlt Unterscheidung nach länderspezifischen Bedingungen.  
  • Die Erwähung im Text, der größte Anteil der historischen und derzeitigen Emissionen komme aus den Industriestaaten (was umstritten ist).
  • Alle technischen Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung, vor allem auch CCUS oder CDR zu verstärken.
  • “keinen Raum” für die Abschaffung der Differenzierung der Länder nach CBDR-RC oder dafür “eine Lastenteilung zu etablieren”. Das widerspricht nach Ansicht Saudi-Arabiens der Klima-Rahmenkonvention und dem Pariser Abkommen. Das richtet sich gegen die Vorschläge, auch die reichen Schwellenländer wie etwa Ölstaaten zur Finanzierung des globalen Klimaschutzes zu bewegen.

Russland: Njet zu fossilem Ausstieg

Russland hält sich bei den Konferenzen traditionell im Hintergrund. Besonders seit dem Angriff auf die Ukraine suchen die Delegierten nicht die große Bühne, sind aber im Prozess immer präsent. Ihre Forderungen sind davon geprägt, dass die russische Volkswirtschaft zu einem großen Teil auf dem Export von Gas und Öl beruht. Deshalb:

  • Betont Russland, wie wichtig “Übergangsbrennstoffe” und naturbasierte Lösungen sind: Gas und die großen russischen Waldflächen.
  • Ein Njet kommt zu den Plänen für einen Ausstieg aus den Fossilen. “Wir wehren uns gegen jedes Ergebnis, das Brennstoffe unterscheidet oder nach einem Auslaufen einer spezifischen Energiequelle oder eines Brennstofftyps ruft”, heißt es.
  • Das Land, in dem inzwischen Umweltorganisationen an der Arbeit gehindert und ihre Arbeit verboten wird, erklärt, man “verstehe den Wert der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren, um Transparenz und Verantwortung zu erhöhen”. Das sei wichtig, um “Vertrauen zwischen den Handelnden” zu schaffen und einen gerechten Umbau der Volkswirtschaft zu garantieren.
  • Bei Klimaschutz und Finanzierung sollten die Annex II-Länder der Rahmenkonvention vorangehen. Das sind die Industrieländer – allerdings ohne Russland und seine ehemaligen Republiken.
  • Die Umlenkung der Finanzflüsse in Klimaschutzmaßnahmen, wie im Pariser Abkommen vereinbart, dürfe nicht die “soziale und ökonomische Entwicklung” benachteiligen – etwa durch “einen Ausstieg oder eine Absenkung von kritischen fossilen Brennstoffen”.

CAN: Eine Billion Dollar jährlich fürs Klima

CAN International, das “Climate Action Network”, ein Zusammenschluss von mehr als 1.900 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen aus 130 Ländern, begleitet die COPs von Anfang an. Die Experten und Lobbyisten der Gruppen sitzen inzwischen in vielen Länderdelegationen. Die deutsche Klimabeauftragte Jennifer Morgan oder der kanadische Umweltminister Steven Guilbeault arbeiteten früher hier. CAN liefert traditionell neben Expertise auch die Stimme der armen Entwicklungsländer und des Naturschutzes. Konkret fordern sie von einer Erklärung zum GST:

  • Ein Auslaufen aller fossilen Energien bis 2050 unter Einhaltung der Menschenrechte und ohne Abhängigkeit von CCS.
  • Einen Beschluss, alle öffentlichen Mittel für Fossile und alle privaten Investitionen in ihren Ausbau zu stoppen.
  • Die Kapazität der Erneuerbaren jährlich um 1,5 Terrawatt und die Energieeffizienz um vier Prozent zu erhöhen.
  • Suffizienz (“was ist genug?”) in die Klimapläne besonders der großen Emittenten aufzunehmen.
  • Die OECD und Russland sollen Hilfen für Klimaschutz und Erneuerbare auf jährlich eine Billion Dollar erhöhen.
  • Einen Fahrplan für die Verdopplung der Anpassungsfinanzierung bis 2050.

LDCs: Schäden auch bei 1,5 Grad

Die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) sind oft auch jene, die von der Klimakrise am stärksten getroffen werden: Ihr geografische Lage, ihre oft schwachen Institutionen, ihre Wirtschaftsstruktur und geringer Wohlstand führen dazu, dass Verluste und Schäden kaum abgepuffert werden können. Daher sind ihre Forderungen teilweise noch weitergehend. Sie plädieren unter anderem für folgende Elemente in der Erklärung:

  • Das Ziel der Klima-Rahmenkonvention, die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, ist nicht mehr mit den Zielen der Konvention zum allgemeinen Klimaschutz vereinbar.
  • Ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist zentral für die Ziele von Netto-Null.
  • Als Anpassungsmaßnahme ist es wichtig, Frühwarnsysteme in allen Weltregionen zu installieren, wie es auch der UN-Generalsekretär fordert.
  • Eine konkrete Formulierung für das globale Anpassungsziel, das nächstes Jahr beschlossen werden soll, lautet für die LDC: “Bis 20xx die Verletzlichkeit gegenüber dem Klimawandel zu reduzieren, xx Milliarden Menschen damit in Schutz nehmen, xx Prozent von Land, Süßwasser und Ozeanen unter Schutz stellen und gleichzeitig die Hilfen im Klimaschutz auszudehnen”.
  • Bei den Finanzen sind an einer Stelle die Industrieländer und an einer anderen alle Länder aufgerufen, Anpassungsgelder zu verdoppeln, den Green Climate Fund aufzufüllen, den “Loss and Damage”-Fonds zu finanzieren und über das neue Finanzziel ab 2025 verhandeln.

Alle bisher erschienenen Texte zur COP28 lesen Sie hier. 

  • CBAM
  • COP28
  • Global Stocktake
  • Green Climate Fund
  • Klima & Umwelt
  • Klimafinanzierung
  • Klimapolitik
  • SDG
  • UNFCCC

Mobility Package: Mehr Rechte und Daten für besseren Service

Reisen ist mit modernen Transportmöglichkeiten und Pauschalangeboten immer bequemer, zugleich aber auch immer komplizierter geworden. Wer zahlt, wie viel und wann, wenn eine Pauschalreise storniert werden muss? Warum gelten bei der Bahn andere Fahrgastrechte als im Flugverkehr? Wer steht dafür ein, wenn ich wegen einer Verspätung bei der Bahn meinen Flug verpasse? In der aktuellen Regulierung gibt es viele Defizite. Das haben nicht zuletzt die Corona-Pandemie und auch die Insolvenz des Reiseunternehmens Thomas Cook gezeigt.

Das hat die Kommission veranlasst, noch kurz vor dem Ende ihres Mandats ein ganzes Gesetzespaket aus neuen und zu überarbeiteten Vorschriften zur Mobilität von Reisenden (Passenger Mobility Package) vorzulegen. Außerdem startet sie eine Initiative zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Mobilitätsdatenraums (European Mobility Data Space, EMDS).

Parlament will nachbessern

EU-Parlamentarier begrüßen die Vorschläge der Kommission, kritisieren aber den Zeitpunkt. “Es ist grundsätzlich richtig, das Thema Fahrgastrechte anzupacken”, sagt Jens Gieseke (CDU), verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Gruppe. Europa dürfe die Verbraucher nicht allein lassen. Das gelte vor allem dann, wenn sich Buchungsportale und Verkehrsgesellschaften den Schwarzen Peter gegenseitig in die Schuhe schöben. “Eine einheitliche Erstattung bei Reisen mit verschiedenen Verkehrsträgern wäre auf jeden Fall zu begrüßen.”

Thomas Rudner (SPD) meint, es gehe dabei “um mehr als nur um die Behebung vergangener Probleme. Es geht darum, einen Standard zu setzen, der die Rechte Reisender auch in der Zukunft respektiert und schützt.” Das Parlament werde den Vorschlag genau prüfen und auch eigene Vorschläge unterbreiten, um den Schutz von Fluggästen und faire Praktiken in der Reiseindustrie sicherzustellen.

“Wenn die Kommission zum Ende der Legislaturperiode einen Vorschlag für die Überarbeitung der Passagierrechte vorschlägt, dann weiß man, wie hoch im Kurs das Thema Verbraucherfreundlichkeit bei der Kommission steht”, kritisiert Markus Ferber (CSU). Dass die Vorschläge so spät in der Legislatur kommen, bedeute, dass Fahrgäste und ihre Rechte ganz hinten in der Rangordnung stehen. “Das ist nicht nur abenteuerlich, sondern enttäuschend.”

Neu: Fahrgastrechte bei multimodalen Reisen

Das von der Kommission vorgeschlagene Mobilitätspaket für Reisende umfasst drei Bereiche:

  • stärkere Fahrgastrechte: Mit der Überarbeitung der Verordnungen über Fluggastrechte will die Kommission die Durchsetzungsmechanismen verbessern und Vorschriften für Fluggäste einführen, die ihre Flüge über einen Vermittler gebucht haben. Mit dem Vorschlag zu Fahrgastrechten im Zusammenhang mit multimodalen Reisen enthält das Paket erstmals auch neue Vorschriften zum Schutz von Fahrgästen, die verschiedene Verkehrsmittel (intermodale Reisen) wie Busse, Züge und Flugzeuge nutzen. Fahrgästen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität sollen dabei besondere Unterstützung bekommen.
  • Schutz von Pauschalreisenden: Er soll mit der Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie von 2015 vor allem in Krisensituationen besser werden. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen den Reisenden stärkere und klarere Rechte einräumen und die Pflichten und Verantwortlichkeiten der Pauschalreiseveranstalter klären.
  • Bessere multimodale Reiseinformationsdienste und Schaffung eines gemeinsamen europäischen Mobilitätsdatenraums: Die Kombination von Verkehrsträgern (Multimodalität) kann verkehrsbedingte Emissionen insgesamt verringern, da die Reisenden das jeweils effizienteste und nachhaltigste Verkehrsmittel wählen können. Die Überarbeitung der Delegierten Verordnung über EU-weite multimodale Reiseinformationsdienste (MMTIS) soll es Fahrgästen leichter machen, Echtzeitinformationen zu verschiedenen Verkehrsträgern zu finden. Dazu soll auch die Initiative für einen gemeinsamen europäischen Mobilitätsdatenraum (EMDS) dienen. Der EMDS soll den Zugang zu, die Bündelung und den Austausch von Daten aus bestehenden und künftigen Verkehrs- und Mobilitätsdatenquellen verbessern.

Data Space soll den Datentausch ermöglichen

Heute liegen immer noch viele Daten ungenutzt brach. Im Mai ergab eine Umfrage des Bitkom, dass nur vier von zehn Unternehmen Daten von anderen nutzen oder eigene Daten an andere weitergeben. Würden Mobilitätsdaten verschiedener Verkehrsträger gesammelt, analysiert und untereinander ausgetauscht, könnte Mobilität insgesamt effizienter und damit auch nachhaltiger werden. Für diesen Austausch eignen sich Datenräume (Data Spaces), die ein durch Regeln und Standards abgesichertes Umfeld bieten.

Die EU plant mehrere Datenräume für verschiedene Sektoren, wie etwa den European Industrial Data Space für Daten aus der Produktion oder den Gesundheitsdatenraum. Der jetzt vorgeschlagene European Mobility Data Space kann dabei auf vorhandene Projekte – auch aus Deutschland – aufbauen.

“Für uns ist es eine sehr wichtige Entwicklung, dass auf europäischer Ebene die Dinge zusammenlaufen”, sagt Tobias Miethaner, Sprecher der Geschäftsführung des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten Mobility Data Space (MDS). “Wir sind heute bereits in einem sehr guten Austausch mit anderen Initiativen aus anderen Mitgliedstaaten.” Auch 20 Prozent der Teilnehmer an dem deutschen Leuchtturmprojekt hätten ihren Sitz nicht in Deutschland.

Deutscher Mobilitätsdatenraum als Blueprint

Der Mobility Data Space wolle seinen Ansatz auf europäischer Ebene einbringen und habe sich auch bereits stark in den EMDS eingebracht, erläutert Miethaner. “Unser Mobility Data Space kann als Blueprint für andere dienen.” Der MDS sei sehr breit aufgestellt und habe zum Thema intermodales Reisen die wichtigsten Player an Bord. “Wir sind offen für weitere Teilnehmer, zum Beispiel aus der Logistik. Auch für Google sind wir offen.” Letztlich müsse es darum gehen, das Konzept europaweit auszurollen, Deutschland sei als Markt zu klein. “Die EU kann dabei eine gute Schnittstelle sein.”

Mit dem Inkrafttreten des Data Acts, sollte es zudem eine weitere Grundlage geben, auf der der Austausch von Daten stattfinden kann. “Aber beim Data Act gibt es noch große Unsicherheiten, welche Daten bereitgestellt werden müssen”, sagt Miethaner. Aber dort, wo neue Daten bereitgestellt würden, könne die Vernetzung über den MDS erfolgen. “Am Ende geht es aber nicht nur darum, dass wir möglichst viele Daten auf dem Marktplatz haben, sondern dass es viele Anwendungsfälle gibt und daraus neue Geschäftsmodelle und ein Mehrwert für den Nutzer entstehen.” Ein verbesserter Service zum Beispiel. 

  • Data Act
  • Europäische Kommission
  • Mobilität
  • Tourismus

Termine

01.12.2023 – 09:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ECIIA, Conference The ESG Day
The European Confederation of Institutes of Internal Auditing (ECIIA) provides a forward-looking overview of the EU Sustainability regulatory developments, with a particular focus on Sustainability Reporting, and the European Sustainability Reporting Standards. INFOS

01.12.2023 – 11:30-14:00 Uhr, Berlin
EC, Podiumsdiskussion Wie kann die energetische Gebäudesanierung verbraucherfreundlich gestaltet werden?
Die Europäische Kommission (EC) lädt zur Debatte rund um eine verbraucherfreundliche Gebäudesanierung ein. INFOS & ANMELDUNG

03.12.2023 – 08:30-11:00 Uhr, Dubai (online)
FSR, Panel Discussion The Evolving Voluntary Carbon Market: Reconciling the paradox between innovation and supervision
The Florence School of Regulation (FSR) discusses the contrasting trends of increasing transparency and innovation in the realm of carbon credits. INFOS & REGISTRATION

04.12.-05.12.2023, Brüssel (Belgien)
EESC, Conference European Migration Forum
The European Economic and Social Committee (EESC) addresses the specific needs, skills and communication for the stronger inclusion of migration. INFOS & REGISTRATION

05.12.2023 – 08:30-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
EC, Symposium Regions 2030 Final Event: Monitoring the SDGs in the EU Regions
The European Commission (EC) aims to design and develop an indicator set for monitoring the Sustainable Development Goals (SDGs) at regional level in Europe. INFOS & REGISTRATION

05.12.2023 – 12:00 Uhr, Berlin
EBD Briefing zum Vorsitz Liechtensteins im Ministerkomitee des Europarates
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) lädt zum Briefing anlässlich des Vorsitzes Liechtensteins im Ministerkomitee des Europarates ein.  INFOS & ANMELDUNG

News

Renaturierung: ENVI gibt grünes Licht

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) hat das Verhandlungsergebnis zum EU-Renaturierungsgesetz angenommen. Damit ermöglicht der Umweltausschuss, dass der Gesetzentwurf final vom Plenum abgestimmt werden kann.

Die Ausschussmitglieder haben mit 53 gegen 28 Stimmen bei vier Enthaltungen den Gesetzentwurf angenommen. Um das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen, muss das Plenum des Parlaments über den Gesetzentwurf noch abstimmen. Dies wird voraussichtlich in der Woche vom 26. Februar sein. Dann muss der Rat auch seine förmliche Zustimmung erteilen. Da der Text bereits letzte Woche grünes Licht von den EU-Mitgliedstaaten erhalten hat, ist dies nur noch eine Formalität.

Grünes Licht im Plenum wahrscheinlich

Damit nähert sich das Ende einer sehr turbulenten legislativen Reise, die vor dem Sommer angefangen hatte. EVP, Konservative sowie die rechtsextreme ID-Fraktion hatten sich gegen den ursprünglichen Vorschlag, den die Europäische Kommission vorgelegt hatte, ausgesprochen. Die gestrige Abstimmung zeigt, dass einige EVP-Abgeordnete nun die aktuelle Fassung des Textes unterstützen, was Jutta Paulus, Umweltexpertin und Verhandlerin der Grünen für das Renaturierungsgesetz begrüßt. “Ich freue mich, dass einige Abgeordnete der EVP den Feldzug ihres Vorsitzenden Manfred Weber gegen den Green Deal nicht mehr unterstützen und für das Verhandlungsergebnis gestimmt haben. Daher erwarte ich eine solide Mehrheit bei der Plenarabstimmung”, sagte sie.

Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist eine der wichtigsten Säulen des Green Deal. Es sieht vor, dass die Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen ergreifen müssen, um 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen bis 2030 und bis 2050 alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme wiederherzustellen. 80 Prozent der Lebensräume in der EU sind in schlechtem Zustand. Mit dieser Vereinbarung ist die EU die erste Region, die ihre internationalen Verpflichtungen aus dem UN-Abkommen von Kunming und Montreal – das von 196 Ländern ratifiziert wurde – in einen verbindlichen Rechtsrahmen umsetzt. cst

  • ENVI
  • Green Deal
  • Renaturierung
  • Umwelt
  • Umweltpolitik

Industrieemissionen: Einigung im Trilog

Die Verhandlungsführer des Rates und des Europäischen Parlaments haben in der Nacht zum Mittwoch eine vorläufige politische Einigung über die Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen (IED) und die Verordnung über die Einrichtung eines Industrieemissionsportals (IEP) erzielt. Die Vereinbarung ist vorläufig, bis sie von beiden Institutionen formell angenommen wird.

Ziel sei es, die Verschmutzung bis 2050 auf ein Niveau zu senken, das für die menschliche Gesundheit nicht mehr schädlich sei. Das sagte Teresa Ribera, die spanische Ministerin für den ökologischen Wandel, die die EU-Mitgliedstaaten bei den Gesprächen im Namen der spanischen EU-Ratspräsidentschaft vertrat. “Die neuen Regeln werden die Verschmutzungsgrenzen auf ein effektiveres Niveau setzen und der Industrie eine klare Anleitung für die richtigen Investitionen geben, um ihre Emissionen effektiv zu reduzieren”, sagte Ribera.

Die Vereinbarung zielt darauf ab, die Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung durch Unternehmen zu verringern, indem bestehende Vorschriften für Emissionen und Abfalldeponien überarbeitet werden. Außerdem soll ein europäisches Register für die Freisetzung und Verbringung von Schadstoffen, das sogenannte E-PRTR, aktualisiert werden.

Auch importierte Güter sollen Auflagen erfüllen

Die aktualisierten Vorschriften werden ab 2030 für intensive Schweinehaltungsbetriebe mit mehr als 350 Großvieheinheiten gelten – eine Referenzeinheit, die je nach Alter und Größe insgesamt mehr als 1.000 Schweine umfasst. Sie wird auch für Geflügelbetriebe mit mehr als 300 Großvieheinheiten Legehennen – oder mehr als 21.400 Hühnern – gelten.

Die überarbeiteten Vorschriften würden auch für den industriellen Abbau von Erzen wie Eisen, Kupfer, Gold, Nickel und Platin gelten. Die Europäische Kommission könnte zu einem späteren Zeitpunkt auch den Abbau von Industriemineralien einbeziehen. Außerdem wird eine “Gegenseitigkeitsklausel” (“reciprocity clause”) dafür sorgen, dass importierte landwirtschaftliche Erzeugnisse vergleichbaren Anforderungen genügen müssen, wie sie für europäische Landwirte gelten.

Ausnahmen für Rinder und Kritik an langer Umsetzung

“Wir haben Rinder aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie über Industrieemissionen herausgehalten“, sagte der Berichterstatter Radan Kanev (EVP) in einer Erklärung. “Die Europäische Kommission muss nun eine neue Folgenabschätzung vornehmen und fair und transparent mit den Landwirten kommunizieren, bevor sie dem Parlament einen neuen Legislativvorschlag zur Einbeziehung von Rindern vorlegt”, fügte Kanev hinzu.

Die Einigung hat zu Kritik seitens der Umweltverbände geführt. Für das Europäische Umweltbüro (EEB), Europas größtem Netzwerk von Umwelt-Bürgerorganisationen, wird die Einigung den Zielen des Green Deal “nicht gerecht”. Die “Ausklammerung” industrieller Viehzuchtbetriebe aus dem Geltungsbereich, die “jahrzehntelangen Verzögerungen” bei der Umgestaltung der Industrie und der “fehlende Schutz” der von illegaler Verschmutzung betroffenen Menschen “untergraben das Potenzial einer Verordnung, die ein Schutzschild für die Bürger und nicht für die Verursacher sein sollte.” Das teilte das EEB weiter mit. cst

  • Agrarpolitik
  • Emissionen
  • Klima & Umwelt
  • Landwirtschaft
  • Legehennen

AI Act: Datenschützer fordern Regulierung von Basismodellen

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat sich dagegen ausgesprochen, Basismodelle (Foundation Models) aus der Regulierung des AI Acts herauszunehmen und stattdessen auf eine Selbstregulierung zu setzen. Rechtsunsicherheit würde Bürger und Unternehmen verunsichern, schreiben sie in einem gemeinsamen Statement.

“Die kommende KI-Verordnung sollte daher für alle Beteiligten – auch für Hersteller und Anbieter von Basismodellen – festlegen, welche Anforderungen sie erfüllen müssen. Eine einseitige Verschiebung der rechtlichen Verantwortung auf die letzten Stufen der Wertschöpfungskette wäre datenschutzrechtlich und wirtschaftlich die falsche Wahl”, schreiben die Datenschutzbehörden. Nur mit der notwendigen Vertrauenswürdigkeit werde es eine hohe Akzeptanz für die mit KI verbundenen Chancen geben.

Gemeinsam mit Frankreich und Italien hatte Deutschland vorgeschlagen, auf eine Regulierung von Basismodellen (Foundation Models) im AI Act zu verzichten und auf eine “regulierte Selbstregulierung zu setzen. Auch andere Mitgliedsländer schließen sich dem an. Das Parlament hat in seinem Vorschlag dagegen mehrheitlich eine Regulierung von Foundation Models vorgeschlagen.

BMWK: Innovationskraft nicht ausbremsen

Zur Position der Bundesregierung sagte das federführende Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) am Mittwoch auf Anfrage: Es gehe um einen Regulierungsrahmen, der die Sicherheitsrisiken von KI-Anwendungen adressiere, ohne die Innovationskraft dieser jungen, vielversprechenden Technologie auszubremsen. “Gesetze und staatliche Kontrolle sollten daher dort ansetzen, wo es um die Anwendung künstlicher Intelligenz in der Wirtschaft und im Alltagsleben geht. Die Entwicklung von KI-Modellen, die sich noch nicht in der Anwendung befinden und noch nicht auf den Markt gebracht wurden, soll hingegen nicht gesondert staatlich reglementiert werden.”

Am Mittwoch saßen die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten zusammen, um ihre Position abzustimmen. Die Verhandlungen liefen ganz gut, hieß es aus Brüssel. Das Thema Foundation Models steht erst am Freitag auf der Agenda. Am 6. Dezember ist der nächste Trilog, der eigentlich der letzte sein sollte. Die spanische Ratspräsidentschaft will jetzt schnell zu einer Einigung kommen. Doch in Kreisen der Bundesregierung heißt es bereits: Die Belgier, die im Januar den Vorsitz im Rat übernehmen, seien gute und effiziente Verhandlungsführer. vis

  • Künstliche Intelligenz
  • Künstliche Intelligenz-Verordnung

Autoverband beklagt Kosten treibende EU-Regeln

Die Europäische Union muss nach Ansicht des Autobauerverbands ACEA bei der Regulierung in den kommenden Jahren einen Gang zurückschalten. ACEA-Präsident Luca de Meo warnte am Mittwoch in Brüssel vor einem “Tsunami” an neuen Regeln, der auf die Schlüsselbranche zurolle. Bis 2030 stünden im Schnitt acht bis neun neue Vorschriften im Jahr an. Der damit verbundene Aufwand für die Ingenieure sei zu groß, die Vorschriften verteuerten Autos.

“Die große Sorge ist, wenn die Regulierung so weitergeht, treibt das die Produktkosten in eine Dimension, dass der europäische Markt viel kleiner wird“, warnte de Meo, der zugleich Renault-Chef ist und den Herstellerverband ein weiteres Jahr führen wird. Es gebe Szenarien mit einer Halbierung in den nächsten zehn bis 15 Jahren.

In einem “Manifest” zur Europawahl und der nächsten Legislaturperiode der EU-Kommission fordern die Autohersteller eine umfassende Industriestrategie, damit die Umstellung auf klimafreundliche Elektroautos bewältigt werden kann. “Regulierung aufzutürmen ist keine Strategie – wir brauchen eine Strategie, andernfalls verliert Europa an Boden”, betonte de Meo.

Verband: Steuervorteile und mehr Ladestellen

Die Autoindustrie pocht auf faire Wettbewerbsbedingungen, etwa gegenüber China. Die Bedingungen für Investitionen und Beschäftigung müssten günstig, Energie bezahlbar bleiben, so dass in Europa erschwingliche kleinere E-Autos gebaut werden könnten. Die Nachfrage müsse mit Kaufanreizen und Steuervorteilen angekurbelt werden, das Ladestellennetz bis zu zehnmal so schnell verdichtet werden wie bisher. Es gelte, Prioritäten zu setzen und sich auf das Umsetzen der Klimaschutzvorschriften des “Green Deal” zu konzentrieren, ergänzte ACEA-Generaldirektorin Sigrid de Vries.

Für das kommende Jahr rechnet der Verband mit einem deutlich langsameren Wachstum der Neuzulassungen in der Europäischen Union als 2023. Nach der Prognose sollen 2024 mit rund 10,7 Millionen 2,5 Prozent mehr Neuwagen als in diesem Jahr auf die Straße kommen. Der Marktanteil von Elektroautos werde von rund 14 auf 20 Prozent steigen. Das laufende Jahr soll mit einem Plus von zwölf Prozent enden, so dass mit 10,4 Millionen neuen Pkw der Markt noch rund ein Fünftel unter 2019 liegt, dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie. rtr

  • E-Autos
  • Elektromobilität
  • Green Deal
  • Industrie
  • Klima & Umwelt
  • Verkehrspolitik

Slowakei weitet Importverbot für ukrainisches Getreide aus

Die Regierung der Slowakei hat ein Importverbot für bestimmte Agrarprodukte aus der Ukraine verlängert und ausgeweitet. Das ursprüngliche Importverbot war bis zum Jahresende befristet und auf Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumensamen beschränkt gewesen. Die am Mittwoch beschlossene neue Regelung gilt zeitlich unbefristet und für zehn weitere Produkte, darunter Hopfen, Honig, Rohr- und Rübenzucker. Ähnliche Beschränkungen hatten davor auch Polen und Ungarn verhängt.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 kann das Land seine Schwarzmeerhäfen kaum noch zur Ausfuhr in alle Welt nutzen. So kommen ukrainische Agrarprodukte überwiegend über die Landesgrenzen Richtung Europa. Die Europäische Union erlaubte es Bulgarien, Polen, Rumänien, der Slowakei und Ungarn, den Verkauf auf dem heimischen Markt zu verbieten, um die Preise nicht kaputtzumachen. Die EU-Bestimmungen liefen im September aus. Polen, Ungarn und die Slowakei führten daraufhin eigenmächtig Importverbote ein.

Transit weiter möglich

Die slowakischen Bauern hätten durch die Einfuhr von ukrainischem Billiggetreide Verluste von rund 110 Millionen Euro erlitten, sagte der slowakische Landwirtschaftsminister Richard Takáč der Nachrichtenagentur TASR. Kompensationszahlungen der Europäischen Union deckten mit rund fünf Millionen Euro nur einen Bruchteil davon ab. Die Maßnahme sei daher unausweichlich, solange die EU nicht wieder zu einer gemeinsamen Importbeschränkung zurückkehre.

Den Transit ukrainischer Agrarprodukte wolle man weiterhin ermöglichen, aber strenger kontrollieren. Derzeit blieben rund 80 Prozent der eigentlich nur zum Transit vorgesehenen Agrarprodukte im Land und schadeten damit heimischen Produzenten, sagte Takáč. dpa

  • Agrarpolitik
  • Handelspolitik
  • Landwirtschaft
  • Slowakei
  • Ukraine
  • Ukraine-Krieg

Presseschau

EU einigt sich auf neue Schadstoffregeln für Industrie und Landwirtschaft SPIEGEL
EU macht Zusammenarbeit mit Türkei vom Flüchtlingspakt abhängig MIGAZIN
EU erhöht Unterstützung für ukrainisches Militär EURONEWS
Spain and Brazil leaders to discuss EU-Mercosur deal at COP – sources REUTERS
Verstöße gegen EU-Recht: Polnische Regierung verklagt Deutschland wegen illegaler Verbringung von Abfällen N-TV
Blockaden an polnisch-ukrainischer Grenze: EU-Verkehrskommissarin wirft Polen mangelndes Engagement zur Konfliktlösung vor DEUTSCHLANDFUNK
Euro-Clearing soll nur noch in der EU stattfinden FAZ
Drohung mit Vetos in der EU: Orbáns Erpressung hat Aussicht auf Erfolg N-TV
EU-Gesundheit­sausschuss votiert für Europäischen Gesundheits­datenraum ÄRZTEBLATT
Zeitschriftenverleger beklagen Mängel bei EU-Mediengesetz HANDELSBLATT
Stromnetz: EU-Kommission will Notfall-Maßnahmen verlängern ENERGIE-UND-MANAGEMENT
“Bedrohungslage”: EU-Kommission warnt in vertraulichem Papier, dass Europa beim Gas immer noch “verwundbar” ist BUSINESSINSIDER
Pro-Kopf-Einkommen im EU-Vergleich: Früher Überholspur, jetzt abgehängt – Der lange Abstieg von Spaniens Wirtschaft RND
Deutsche Bank chief says EU should consider scrapping bonus cap FT

Standpunkt

KI kann babylonische Sprachverwirrung Europas auflösen

Von Patrick Stockebrandt und Anselm Küsters
Patrick Stockebrandt (links) und Anselm Küsters leiten die Fachbereiche Verbraucher und Gesundheit sowie Digitalisierung und Neue Technologien am Centrum für Europäische Politik (cep) in Freiburg.

Staatsgebiet, Staatsgewalt und Staatsvolk: das sind die traditionellen Kriterien, mit denen Völkerrechtler einen Staat messen. Doch die Europäische Union gleicht mehr einem Mosaik denn einem monolithischen Block und wird entsprechend als “Staatenverbund” beschrieben. Die Idee eines gemeinsamen “Staatsvolkes” steht einer tieferen europäischen Integration entgegen. Was bedeutet das für die aktuellen Reform- und Erweiterungsbemühungen der EU, die im kommenden Jahr intensiviert werden sollen?

Ein Staatsvolk formt sich durch ein gemeinsames Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, doch die Vielsprachigkeit Europas wirkt sich hier zweischneidig aus. Sie ist einerseits Ausdruck der reichen kulturellen Diversität, andererseits aber auch eine Barriere für die Entstehung einer breit gefühlten europäischen Öffentlichkeit.

Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt

Im Europäischen Parlament manifestiert sich diese Spaltung etwa in der Verteilung der Sitze nach Mitgliedstaaten und in der Wahl der EU-Abgeordneten durch nationale Wahlen. Dieses System bringt die nationale Identität in den europäischen Diskurs ein, erweckt jedoch auch den Eindruck einer Fragmentierung.

Mit den jüngsten Erfolgen in generativer Künstlicher Intelligenz (KI) bietet sich ein Ausweg aus der babylonischen Sprachverwirrung. Dank neuer KI-Schreibassistenten können Sprachbarrieren schneller überwunden werden. Durch die Bereitstellung präziser Übersetzungen helfen Technologien wie DeepL und ChatGPT Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, die Bräuche und Perspektiven des jeweils anderen zu verstehen. Mit Video-Apps kann man sogar lippensynchron in diversen Sprachen sprechen und Videos erzeugen. Der globale Markt für solche zunehmend KI-betriebenen Sprachdienstleistungen wird bis 2027 voraussichtlich 72,2 Milliarden Dollar erreichen.

Abhilfe durch Künstliche Intelligenz?

Indem sie einen grenzüberschreitenden Dialog fördern, erlauben solche technologischen Hilfsmittel, die Vielfalt Europas in einen gemeinsamen Erfahrungsraum zu transformieren. Neun von zehn EU-Bürgern schätzen Fremdsprachen als sehr nützlich ein. Was bisher nur einer Elite zugänglich war – die Simultanübersetzung in Echtzeit im Europäischen Parlament – könnte bald zum Alltag jedes europäischen Bürgers gehören, ob in virtuellen Welten oder durch portable Technologie. Das hätte auch positive Auswirkungen auf den Binnenmarkt, denn Verbraucher kaufen lieber Produkte in ihrer Muttersprache.

Während einer Epochenwende, in der aufgrund geopolitischer Spannungen intensiv über Erweiterungen und Reformen nachgedacht werden muss, könnte eine exponentielle Digitalisierung als Katalysator für mehr Integration wirken. Die Anwendung von KI-Technologien im Fremdsprachen-Unterricht führt bereits heute zu bemerkenswerten Fortschritten beim Spracherwerb und wirkt motivierend.

Indes kann die Digitalisierung auch vorhandene Differenzen intensivieren. Dies zeigt sich aktuell in den divergierenden Social-Media-Diskussionen zum Israel-Hamas-Konflikt. Hier reflektiert die Technologie nicht nur sprachliche Unterschiede, sondern auch stark unterschiedliche Wertvorstellungen und politische Ideen. Die Art, wie brisante Themen wie etwa Migration oder kriegerische Auseinandersetzungen in EU-Mitgliedsstaaten online diskutiert werden, offenbart eine Vielschichtigkeit, die durch die Technologie zwar erlebbar gemacht, aber nicht zwangsläufig vereinheitlicht wird. Zudem können mit generativen KI-Tools schnell und kostenfrei Deepfakes erstellt werden.

Technologie ist kein Allheilmittel

Selbst die beste Simultanübersetzung kann die feinen Nuancen von Begriffen und Konzepten, die aus unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten stammen, nicht immer einfangen. Die Geschichte und die kulturellen Besonderheiten jedes Landes prägen die Wahrnehmung und Interpretation von Informationen, Normen und Gesetzen – ein Umstand, der sich seit Beginn der europäischen Vertragsverhandlungen beobachten lässt.

Ein gemeinsamer Diskurs, geführt auf der Basis einer geteilten Sprache – und sei es nur über eine KI-Anwendung – ermöglicht es immerhin, solche Unterschiede zu erkennen und auszuhandeln. Nur durch fortwährenden Dialog können die Mitgliedsstaaten der EU einen “common ground” identifizieren und eine Zukunft gestalten, die sowohl ihre individuelle Geschichte respektiert als auch ein kollektives europäisches Bewusstsein schafft. Dafür braucht es zuallererst eine gemeinsame Sprache, die zunehmend digital vermittelt und virtuell erlebt werden wird.

Dr. Patrick Stockebrandt ist Fachbereichsleiter für Verbraucher und Gesundheit am Centrum für Europäische Politik (cep) in Freiburg.

Dr. Anselm Küsters ist Fachbereichsleiter für Digitalisierung und Neue Technologien am Centrum für Europäische Politik (cep) in Berlin.

  • Digitalisierung
  • Europapolitik
  • Künstliche Intelligenz

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    versucht Thierry Breton die europäische Solarindustrie zwangszubeglücken? Gegen Gerüchte einer erneuten Antisubventionsuntersuchung – diesmal gegen chinesische PV-Module – wehrt sich nun die Branche selbst.

    Morgen trifft der Industriekommissar online auf Solar-CEOs und Minister der Mitgliedstaaten. Zum einjährigen Bestehen der European Solar PV Industry Alliance wollen sie eigentlich eine erste Bilanz ziehen, wie der generalstabsmäßige Wiederaufbau der europäischen Produktionskapazitäten läuft. Doch die jüngsten Gerüchte stören die Arbeit am gemeinsamen Ziel gewaltig.

    In einem offenen Brief an Breton warnen 429 Unternehmen und Verbände der Solarwirtschaft, dass ihnen handelspolitische Schutzmaßnahmen nur schaden und die Energiewende gefährden würden – Strafzölle hätten schon einmal Beschäftigungszahlen und Investitionen einbrechen lassen. “Wir haben bessere, schnellere und wirksamere Lösungen für die Krise, mit der die europäischen Hersteller konfrontiert sind”, sagt Walburga Hemetsberger, CEO von SolarPower Europe.

    Die gewünschten Alternativen laufen alle auf eine Maßnahme hinaus: mehr staatliche Förderung. In Zeiten knapper Kassen keine frohe Botschaft für Thierry Breton.

    Ihr
    Manuel Berkel
    Bild von Manuel  Berkel

    Analyse

    Global Stocktake: Das fordern die Staaten von einem COP28-Beschluss

    Für die zentrale Entscheidung der COP28 zum “Global Stocktake” (GST) stehen den Delegationen harte Verhandlungen bevor. Denn die Vorstellungen der einzelnen Staaten und Ländergruppen, welche Folgen aus der ersten globalen Bestandsaufnahme zum Klimaschutz zu ziehen sind, gehen weit auseinander. Sie widersprechen sich teilweise sogar direkt. Das zeigt ein Überblick über die Vorschläge, die 23 UN-Staaten und Ländergruppen und etwa 50 internationale Organisationen dem Klimasekretariat UNFCCC vorgelegt haben. Table.Media hat die Dokumente ausgewertet.

    Der GST zieht zum ersten Mal seit dem Beschluss des Pariser Abkommens 2015 eine Bilanz, was im Klimaschutz seitdem erreicht wurde und wie es weitergehen soll. Im September gab es eine Zusammenfassung der Erkenntnisse aus dem “technischen Dialog”. Dann fasste das UNFCCC-Sekretariat die Ergebnisse aus seiner Sicht zusammen. Auf der COP28 muss nun ein Dokument vorgelegt werden, das Grundlage für eine Entscheidung sein soll.

    COP-Beschluss: Wer will was?

    In den bisherigen Papieren gibt es große Übereinstimmung bei der Benennung von Lücken im bisherigen Klimaschutz. Beispielsweise beim Punkt, Emissionsreduzierungen. Die nötigen Einsparungen von minus 43 Prozent bis 2030 sind nicht absehbar. Auch finanziell gibt es Defizite. Die Industrieländer haben für die Jahre 2020 und 2021 ihre Zusage von 100 Milliarden Dollar Klimahilfen pro Jahr nicht eingehalten.

    In anderen Punkten gehen die Vorstellungen und Sichtweisen weit auseinander. Das zeigt ein Überblick über die wichtigsten Akteure und ihre besonderen Schwerpunkte.

    EU: Vorreiter drängt Öl- und Gasindustrie

    Die Europäische Union sieht sich gern als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Der Block aus 27 Staaten hat seit 1990 seinen CO₂-Ausstoß um etwa 25 Prozent gesenkt, für 2030 mit dem “Green Deal” ein Minus von 55 Prozent angestrebt und für 2050 Netto-Null-Emissionen. Die Mitgliedsstaaten der EU sind die größten Finanziers im internationalen Klimaschutz und bemühen sich um strategische Bündnisse mit Schwellen- und Entwicklungsländern. In die Schlusserklärung gehört für Europa deshalb:

    • eine “Kurskorrektur” und der politische Willen, auf den 1,5 Grad-Pfad zu gelangen. Dafür aber brauche es “drastisch verbesserte Anstrengungen”. Der Emissionshöhepunkt müsse spätestens 2025 kommen – was vor allem China unter Druck setzt und von der IEA bereits als realistisch angekündigt wurde.
    • Die internationale Gemeinschaft müsse die Hürden für die Klimafinanzierung in den verschuldeten Ländern des Globalen Südens abbauen. Anpassung solle in allen Plänen und Investmentstrategien vorkommen.
    • Die EU möchte in der GST-Erklärung auch die Bereiche angesprochen sehen, die das Leben der Menschen direkt betreffen: Gesundheit, Wasser, Nahrung, Schutz von Ökosystemen, Geschlechtergerechtigkeit
    • Anders als etwa Saudi-Arabien will die EU eine Verteilung von Lasten und Vorteilen als zentral für den Klimaschutz genannt wissen. Auch zur “Gerechtigkeit” (equity) beim Klimaschutz, einem Buzz-Wort der Verhandlungen, müssten alle beitragen, die hohe Emissionen pro Kopf oder als Land aufweisen – also nicht nur die Industriestaaten.
    • Die EU sieht bei der Klimafinanzierung genügend Kapital vorhanden, nur in die falschen Bereiche investiert. Es sei dringend, die grünen Finanzströme von Milliarden in Billionen zu vergrößern und eine Wirtschaft ohne Fossile aufzubauen.
    • Die besten Beispiele aus dem GST will die EU in einem Anhang an die Erklärung veröffentlichen, der nicht den Verhandlungen unterliegt.
    • Verdreifachung der Erneuerbaren, Verdopplung der Effizienz, Verminderung des Methanausstoßes um 75 Prozent bis 2030 sollen als Ziele für 2030 verankert werden.
    • Die EU will die “Öl und Gasindustrie drängen, ihr Versprechen zu halten, die Energiewende voranzutreiben. 2030 mehr als 80 Prozent ihrer Upstream-Investitionen in saubere Energien zu stecken, im Vergleich zu weniger als 5 Prozent derzeit”.

    China: Protektionismus schadet dem Klima

    China ist der vielleicht mächtigste Player bei den Klimaverhandlungen. Die Großmacht verfolgt ihre eigenen Ziele, leidet unter den Klimafolgen und treibt zu Hause den Ausbau der Erneuerbaren massiv voran. Gleichzeitig ist es vom fossilen Wirtschaftsmodell und dem Export abhängig. Das Land definiert sich nach wie vor als Entwicklungsland, um die Verhandlungsgruppe der G77/China zusammenzuhalten. Diese Rolle kommt nun etwa bei den Finanzierungsfragen des “Loss and Damage” Fonds immer stärker unter Druck. China als derzeit bei Weitem größter CO₂-Emittent will deshalb unter anderem:

    • Die Verantwortung für die Klimakrise vor allem den Industrieländern zuweisen. Es müsse anerkannt werden, dass die historischen Emissionen aus der Industrie zu 70 Prozent aus den Industrieländern stammen. Neuere Zahlen und der Blick auf Landnutzung zeichnen allerdings ein anderes Bild.
    • Betonen, welche Fortschritte im Klimaschutz bereits gemacht wurden. Steuerte die Welt vor dem Paris-Abkommen auf 3,5 Grad zu, liege sie nun im besten Fall bei 1,7 bis 2,5 Grad.
    • Festschreiben, dass die Finanzierung des “Loss and Damage”-Funds Sache der Industrieländer ist.
    • China warnt vor Protektionismus und Sanktionen auf Produkte zur Energiewende. Solarmodule könnten wegen dieser Maßnahmen 2030 bis zu 25 Prozent teurer werden und 160 bis 370 GW weniger produziert und installiert werden. Neue Handelshemmnisse könnten bedeuten, dass bis 2060 drei bis vier Milliarden Tonnen mehr CO₂ ausgestoßen werden als im Freihandel.

    USA: Regeln für privates Kapital nötig

    Die USA sind traditionell der große Gegenspieler Chinas. Mit dem politischen und ökonomischen Rivalen verbindet Washington Konkurrenz und Kooperation. Soll der Klimaprozess funktionieren, müssen sich China und die USA einig sein. Doch bei den Forderungen zum abschließenden GST-Beschluss der COP28 markiert die US-Regierung, die zu Hause vor einem Wahljahr steht, ihre Positionen:

    • Die Erklärung soll eine “angemessen Balance zwischen Sorge und Hoffnung” treffen und “ehrlich” sein. Keinesfalls dürfe durch die “Hintertür” das Pariser Abkommen geändert werden. Man sei “besorgt über Kommentare, dass nur die Industrieländer die Lücken zum Erreichen der Klimaziele füllen sollen”.
    • Ein “gerechter Übergang” bedeutet für die USA nicht, Netto-Null-Ziele nach hinten zu schieben, die Nutzung fossiler Brennstoffe auszuweiten oder einen “Bedarf für neue internationale Finanzen” zu begründen. “Just transition” sei eher ein Konzept für die Innenpolitik als international. Das verweist auf die IRA-Gelder in den USA und ihre Weigerung, im großen Stil zur globalen Finanzierung beizutragen.
    • Die USA sind für den fossilen Ausstieg bei “unverminderten” (“unabated”) Fossilen, unterstützen also den Kurs der VAE für den verstärkten Einsatz von CCS.
    • Bei der Anpassung raten sie, vor allem Projekte vorzustellen, die schnell umsetzbar sind und private Investitionen anreizen.
    • Auch beim heiß umstrittenen Thema Finanzen setzen die USA auf bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen. Die USA zitieren IPCC-Daten: Es sei genug Geld da, es fließe nur in die fossile statt in die erneuerbare Infrastruktur.
    • Beim Rückgang der fossilen Subventionen gebe es für die Jahre 2019 bis 2020 Fortschritt, genauso wie beim Ziel der 100 Milliarden für Klimafinanzierung. Klimafinanzierung sei kein Wert an sich, sondern müsse gemessen werden an Emissionsreduzierung und Aufbau von Resilienz.
    • Aussagen zur Finanzierung des “Loss and Damage”-Fonds oder zu den historischen Emissionen der USA finden sich nicht.

    G77 und China

    Die Position der G77 und China wird vom derzeitigen Vorsitz Kuba vorgetragen. Sie entspricht weitgehend den bekannten Positionen dieses großen Zusammenschlusses von Entwicklungsländern in der UNO (inzwischen etwa 130 Staaten). Auch ihre Untergruppen wie LDC oder Basic ebenso wie große Länder wie China oder Indien wiederholen viele dieser Standpunkte:

    • Die Klimakrise ist vor allem von den Industriestaaten verursacht worden. Diese haben weder ihre Verpflichtungen nach der Klimarahmenkonvention und dem Pariser Abkommen zur schnellen Reduktionsminderung noch zur ausreichenden Finanzierung von Klimapolitik im Globalen Süden erfüllt.
    • Die Umsetzung von Maßnahmen im Klimaschutz (“Response Measures”) darf nicht zu sozio-ökonomischen Nachteilen für die armen Länder führen.
    • Eine schnelle Umsetzung des “Loss and Damage”-Fonds, die zugesagten 100 Milliarden für Klimafinanzierung, der Rückstand bei Technologietransfer und dem Aufbau von Kapazitäten müssen im Text an prominenter Stelle stehen
    • “Einseitige Zwangsmaßnahmen sollten in der Klimapolitik nicht genutzt werden”. Dahinter verbirgt sich eine Ablehnung des europäischen CO₂-Außenzolls CBAM.
    • Alle Beschlüsse müssen sich auf die Formel der “gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung im Licht der länderspezifischen Umstände” (CBDR-RC) beziehen. Das ist die Teilung der Lasten und Verantwortungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

    BASIC: Konfrontation mit dem Norden

    Die Gruppe um Brasilien, Südafrika, Indien und China (BASIC) sieht sich als Führungsgruppe der G77/China. Gleichzeitig sind sie derzeit vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen und der Vergrößerung der BRICS-Gruppe, die außerdem noch Russland enthält, deutlich selbstbewusster. Die Forderungen der BASIC sind deutlich schärfer formuliert als die Erklärung der G77. Für sie ist die Klimakrise “die abstoßende Erbschaft von Kolonialismus und Imperialismus der letzten fünf Jahrhunderte”.

    • Die BASIC-Staaten fordern, die Industriestaaten müssen ihre Netto-Null-Ziele “viel früher als 2050 erreichen” – damit die Schwellenländer sich länger Zeit lassen können. Erst mal nur der Globale Norden soll seine Konsum- und Produktionsmuster klimaneutral und mit Blick auf die UN-Nachhaltigkeitsziele SDG umstellen.
    • Die BASIC fordern Ehrlichkeit bei der GST-Bilanz. Dazu gehört für sie, das Versagen des Globalen Nordens bei Emissionsreduktion und Finanzhilfen öffentlich anzuerkennen. Sie fordern eine Richtschnur, wie diese (Un)-Gerechtigkeit in Klimafragen umzusetzen ist.
    • Auch die BASIC betonen stark die Teilung der Welt in Globalen Norden und Rest der Welt laut dem Prinzip CBDR-RC – eine Teilung, die die Industriestaaten beim Klima mit dem Pariser Abkommen für beendet erklären – schließlich haben dort alle Staaten akzeptiert, dass sie handeln müssen. Allerdings darf auch für BASIC der Bezug auf CBDR-RC “nicht benutzt werden, um Nichthandeln zu entschuldigen”.
    • Sie beziehen sich auf den aktuellen IPCC-Bericht, warnen aber vor unkritischer Übernahme der Modellrechnungen, weil sie “keine Annahmen zu Klima-Gerechtigkeit und Einkommensverteilung machen”. Das heißt, sie werfen den IPCC-Szenarien vor, nicht im Sinne der CBDR-RC zu unterscheiden.
    • Auch bei der Betrachtung der historischen Emissionen sind die BASIC-Staaten nicht mit dem IPCC einverstanden. Zwar zitieren sie die Zahlen, nach denen inzwischen Industrie- und Entwicklungsländer insgesamt etwa gleich viel CO₂ in die Atmosphäre entlassen haben – sie verweisen aber auf eine pro-Kopf-Rechnung, die den Industrieländern mehr Verantwortung gibt.
    • Die Klimafinanzen müssen “deutlich über die 100 Milliarden hinausgehen”, um die “Billionen von Dollar” auszugleichen, die Klimaschutz und -schäden im Globalen Süden kosten. Nämlich neun Billionen für die Bedürfnisse der Schwellen- und Entwicklungsländer im Klimaschutz, oder allein sechs Billionen, wenn der Globale Süden seine Klimapläne (NDC) umsetzen soll.  

    Afrikanische Gruppe: Am schwersten getroffen

    Die afrikanischen Länder legen größten Wert darauf, dass die Erklärung nachhaltige Entwicklung ihres Kontinents mit Klimazielen verbindet. Es müsse “Fortschritt bei den SDG” geben, eine Erklärung zum GST dürfe auf keinen Fall “die Unterentwicklung Afrikas vertiefen”. Oberstes Ziel müsse es sein, den 600 Millionen Menschen in Afrika ohne Zugang zu Strom und den 900 Millionen ohne sauberes Wasser zu helfen. Außerdem fordern sie:

    • anzuerkennen, dass Afrika etwa durch Meeresspiegelanstieg und Stürme verwundbarer in der Klimakrise sei als andere Regionen.
    • Investitionen in Erneuerbare in Afrika drastisch zu erhöhen, der Kontinent habe sehr gute Potenziale für grüne Energie.
    • Ein globales Ziel für die Anpassung (GGA) an den Klimawandel.
    • deutlich mehr Kapital nach Afrika fließen zu lassen. Seit dem Pariser Abkommen haben sich demnach diese Finanzflüsse kaum erhöht: Im Schnitt waren das 18 Milliarden Dollar im Jahr, gebraucht würden 18 bis 30 Milliarden jährlich über 20 Jahre. Insgesamt bringt Afrika derzeit aus eigenen und internationalen Mitteln nur zwölf Prozent des nötigen Kapitals für den Klimaschutz auf.
    • anzuerkennen, dass selbst bei Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze immer noch über 50 Prozent der afrikanischen Wirtschaftsleistung von Klimafolgen getroffen werden.
    • Afrika das Recht zugestanden werde, seine fossilen Ressourcen auszubeuten, um seine Entwicklung zu finanzieren. “Afrika steht davor, dieses Kapital als gestrandete Investitionen zu verlieren, wenn Maßnahmen wie CO₂-Steuern die Präferenzen der Konsumenten verändern”, warnt die Gruppe. Auch habe Afrika nicht die Instrumente, um Klimabilanzen etwa für das europäische CBAM aufzustellen.

    Saudi-Arabien: Kein Zwang zum Klimaschutz

    Saudi-Arabien findet sich in mehreren Rollen wieder. Als dominanter Ölproduzent, dem die momentanen Preise große Gewinne sichern, als traditioneller Bremser in den Verhandlungen, der taktisch klug agiert. Gleichzeitig will das Land global eine wichtigere Rolle spielen und auch in der Zukunft einer dekarbonisierten Wirtschaft eine wichtige Rolle einnehmen. Die Forderungen des Königreichs:   

    • Kein Zwang zu “besonderen Wegen und Zeitrahmen für irgendjemanden”, “keine neuen Kategorien, Sektorziele, Maßnahmen gegen einzelne Energiequellen oder Bestrafungsmaßnahmen”. Das ist eine Kritik an CO₂-Zöllen oder einem Beschluss zum fossilen Ausstieg.
    • Anerkennung, welchen “beträchtlichen Fortschritt” der Klimaschutz seit Paris gemacht hat. Mit den derzeitigen Ambitionen könnten die Klimaziele des Abkommens erreicht werden.
    • Kritik am IPCC: Emissionspfade und Szenarien sind demnach Projektionen, keine Vorhersagen oder Vorschriften, es fehlt Unterscheidung nach länderspezifischen Bedingungen.  
    • Die Erwähung im Text, der größte Anteil der historischen und derzeitigen Emissionen komme aus den Industriestaaten (was umstritten ist).
    • Alle technischen Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung, vor allem auch CCUS oder CDR zu verstärken.
    • “keinen Raum” für die Abschaffung der Differenzierung der Länder nach CBDR-RC oder dafür “eine Lastenteilung zu etablieren”. Das widerspricht nach Ansicht Saudi-Arabiens der Klima-Rahmenkonvention und dem Pariser Abkommen. Das richtet sich gegen die Vorschläge, auch die reichen Schwellenländer wie etwa Ölstaaten zur Finanzierung des globalen Klimaschutzes zu bewegen.

    Russland: Njet zu fossilem Ausstieg

    Russland hält sich bei den Konferenzen traditionell im Hintergrund. Besonders seit dem Angriff auf die Ukraine suchen die Delegierten nicht die große Bühne, sind aber im Prozess immer präsent. Ihre Forderungen sind davon geprägt, dass die russische Volkswirtschaft zu einem großen Teil auf dem Export von Gas und Öl beruht. Deshalb:

    • Betont Russland, wie wichtig “Übergangsbrennstoffe” und naturbasierte Lösungen sind: Gas und die großen russischen Waldflächen.
    • Ein Njet kommt zu den Plänen für einen Ausstieg aus den Fossilen. “Wir wehren uns gegen jedes Ergebnis, das Brennstoffe unterscheidet oder nach einem Auslaufen einer spezifischen Energiequelle oder eines Brennstofftyps ruft”, heißt es.
    • Das Land, in dem inzwischen Umweltorganisationen an der Arbeit gehindert und ihre Arbeit verboten wird, erklärt, man “verstehe den Wert der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren, um Transparenz und Verantwortung zu erhöhen”. Das sei wichtig, um “Vertrauen zwischen den Handelnden” zu schaffen und einen gerechten Umbau der Volkswirtschaft zu garantieren.
    • Bei Klimaschutz und Finanzierung sollten die Annex II-Länder der Rahmenkonvention vorangehen. Das sind die Industrieländer – allerdings ohne Russland und seine ehemaligen Republiken.
    • Die Umlenkung der Finanzflüsse in Klimaschutzmaßnahmen, wie im Pariser Abkommen vereinbart, dürfe nicht die “soziale und ökonomische Entwicklung” benachteiligen – etwa durch “einen Ausstieg oder eine Absenkung von kritischen fossilen Brennstoffen”.

    CAN: Eine Billion Dollar jährlich fürs Klima

    CAN International, das “Climate Action Network”, ein Zusammenschluss von mehr als 1.900 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen aus 130 Ländern, begleitet die COPs von Anfang an. Die Experten und Lobbyisten der Gruppen sitzen inzwischen in vielen Länderdelegationen. Die deutsche Klimabeauftragte Jennifer Morgan oder der kanadische Umweltminister Steven Guilbeault arbeiteten früher hier. CAN liefert traditionell neben Expertise auch die Stimme der armen Entwicklungsländer und des Naturschutzes. Konkret fordern sie von einer Erklärung zum GST:

    • Ein Auslaufen aller fossilen Energien bis 2050 unter Einhaltung der Menschenrechte und ohne Abhängigkeit von CCS.
    • Einen Beschluss, alle öffentlichen Mittel für Fossile und alle privaten Investitionen in ihren Ausbau zu stoppen.
    • Die Kapazität der Erneuerbaren jährlich um 1,5 Terrawatt und die Energieeffizienz um vier Prozent zu erhöhen.
    • Suffizienz (“was ist genug?”) in die Klimapläne besonders der großen Emittenten aufzunehmen.
    • Die OECD und Russland sollen Hilfen für Klimaschutz und Erneuerbare auf jährlich eine Billion Dollar erhöhen.
    • Einen Fahrplan für die Verdopplung der Anpassungsfinanzierung bis 2050.

    LDCs: Schäden auch bei 1,5 Grad

    Die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) sind oft auch jene, die von der Klimakrise am stärksten getroffen werden: Ihr geografische Lage, ihre oft schwachen Institutionen, ihre Wirtschaftsstruktur und geringer Wohlstand führen dazu, dass Verluste und Schäden kaum abgepuffert werden können. Daher sind ihre Forderungen teilweise noch weitergehend. Sie plädieren unter anderem für folgende Elemente in der Erklärung:

    • Das Ziel der Klima-Rahmenkonvention, die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, ist nicht mehr mit den Zielen der Konvention zum allgemeinen Klimaschutz vereinbar.
    • Ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist zentral für die Ziele von Netto-Null.
    • Als Anpassungsmaßnahme ist es wichtig, Frühwarnsysteme in allen Weltregionen zu installieren, wie es auch der UN-Generalsekretär fordert.
    • Eine konkrete Formulierung für das globale Anpassungsziel, das nächstes Jahr beschlossen werden soll, lautet für die LDC: “Bis 20xx die Verletzlichkeit gegenüber dem Klimawandel zu reduzieren, xx Milliarden Menschen damit in Schutz nehmen, xx Prozent von Land, Süßwasser und Ozeanen unter Schutz stellen und gleichzeitig die Hilfen im Klimaschutz auszudehnen”.
    • Bei den Finanzen sind an einer Stelle die Industrieländer und an einer anderen alle Länder aufgerufen, Anpassungsgelder zu verdoppeln, den Green Climate Fund aufzufüllen, den “Loss and Damage”-Fonds zu finanzieren und über das neue Finanzziel ab 2025 verhandeln.

    Alle bisher erschienenen Texte zur COP28 lesen Sie hier. 

    • CBAM
    • COP28
    • Global Stocktake
    • Green Climate Fund
    • Klima & Umwelt
    • Klimafinanzierung
    • Klimapolitik
    • SDG
    • UNFCCC

    Mobility Package: Mehr Rechte und Daten für besseren Service

    Reisen ist mit modernen Transportmöglichkeiten und Pauschalangeboten immer bequemer, zugleich aber auch immer komplizierter geworden. Wer zahlt, wie viel und wann, wenn eine Pauschalreise storniert werden muss? Warum gelten bei der Bahn andere Fahrgastrechte als im Flugverkehr? Wer steht dafür ein, wenn ich wegen einer Verspätung bei der Bahn meinen Flug verpasse? In der aktuellen Regulierung gibt es viele Defizite. Das haben nicht zuletzt die Corona-Pandemie und auch die Insolvenz des Reiseunternehmens Thomas Cook gezeigt.

    Das hat die Kommission veranlasst, noch kurz vor dem Ende ihres Mandats ein ganzes Gesetzespaket aus neuen und zu überarbeiteten Vorschriften zur Mobilität von Reisenden (Passenger Mobility Package) vorzulegen. Außerdem startet sie eine Initiative zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Mobilitätsdatenraums (European Mobility Data Space, EMDS).

    Parlament will nachbessern

    EU-Parlamentarier begrüßen die Vorschläge der Kommission, kritisieren aber den Zeitpunkt. “Es ist grundsätzlich richtig, das Thema Fahrgastrechte anzupacken”, sagt Jens Gieseke (CDU), verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Gruppe. Europa dürfe die Verbraucher nicht allein lassen. Das gelte vor allem dann, wenn sich Buchungsportale und Verkehrsgesellschaften den Schwarzen Peter gegenseitig in die Schuhe schöben. “Eine einheitliche Erstattung bei Reisen mit verschiedenen Verkehrsträgern wäre auf jeden Fall zu begrüßen.”

    Thomas Rudner (SPD) meint, es gehe dabei “um mehr als nur um die Behebung vergangener Probleme. Es geht darum, einen Standard zu setzen, der die Rechte Reisender auch in der Zukunft respektiert und schützt.” Das Parlament werde den Vorschlag genau prüfen und auch eigene Vorschläge unterbreiten, um den Schutz von Fluggästen und faire Praktiken in der Reiseindustrie sicherzustellen.

    “Wenn die Kommission zum Ende der Legislaturperiode einen Vorschlag für die Überarbeitung der Passagierrechte vorschlägt, dann weiß man, wie hoch im Kurs das Thema Verbraucherfreundlichkeit bei der Kommission steht”, kritisiert Markus Ferber (CSU). Dass die Vorschläge so spät in der Legislatur kommen, bedeute, dass Fahrgäste und ihre Rechte ganz hinten in der Rangordnung stehen. “Das ist nicht nur abenteuerlich, sondern enttäuschend.”

    Neu: Fahrgastrechte bei multimodalen Reisen

    Das von der Kommission vorgeschlagene Mobilitätspaket für Reisende umfasst drei Bereiche:

    • stärkere Fahrgastrechte: Mit der Überarbeitung der Verordnungen über Fluggastrechte will die Kommission die Durchsetzungsmechanismen verbessern und Vorschriften für Fluggäste einführen, die ihre Flüge über einen Vermittler gebucht haben. Mit dem Vorschlag zu Fahrgastrechten im Zusammenhang mit multimodalen Reisen enthält das Paket erstmals auch neue Vorschriften zum Schutz von Fahrgästen, die verschiedene Verkehrsmittel (intermodale Reisen) wie Busse, Züge und Flugzeuge nutzen. Fahrgästen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität sollen dabei besondere Unterstützung bekommen.
    • Schutz von Pauschalreisenden: Er soll mit der Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie von 2015 vor allem in Krisensituationen besser werden. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen den Reisenden stärkere und klarere Rechte einräumen und die Pflichten und Verantwortlichkeiten der Pauschalreiseveranstalter klären.
    • Bessere multimodale Reiseinformationsdienste und Schaffung eines gemeinsamen europäischen Mobilitätsdatenraums: Die Kombination von Verkehrsträgern (Multimodalität) kann verkehrsbedingte Emissionen insgesamt verringern, da die Reisenden das jeweils effizienteste und nachhaltigste Verkehrsmittel wählen können. Die Überarbeitung der Delegierten Verordnung über EU-weite multimodale Reiseinformationsdienste (MMTIS) soll es Fahrgästen leichter machen, Echtzeitinformationen zu verschiedenen Verkehrsträgern zu finden. Dazu soll auch die Initiative für einen gemeinsamen europäischen Mobilitätsdatenraum (EMDS) dienen. Der EMDS soll den Zugang zu, die Bündelung und den Austausch von Daten aus bestehenden und künftigen Verkehrs- und Mobilitätsdatenquellen verbessern.

    Data Space soll den Datentausch ermöglichen

    Heute liegen immer noch viele Daten ungenutzt brach. Im Mai ergab eine Umfrage des Bitkom, dass nur vier von zehn Unternehmen Daten von anderen nutzen oder eigene Daten an andere weitergeben. Würden Mobilitätsdaten verschiedener Verkehrsträger gesammelt, analysiert und untereinander ausgetauscht, könnte Mobilität insgesamt effizienter und damit auch nachhaltiger werden. Für diesen Austausch eignen sich Datenräume (Data Spaces), die ein durch Regeln und Standards abgesichertes Umfeld bieten.

    Die EU plant mehrere Datenräume für verschiedene Sektoren, wie etwa den European Industrial Data Space für Daten aus der Produktion oder den Gesundheitsdatenraum. Der jetzt vorgeschlagene European Mobility Data Space kann dabei auf vorhandene Projekte – auch aus Deutschland – aufbauen.

    “Für uns ist es eine sehr wichtige Entwicklung, dass auf europäischer Ebene die Dinge zusammenlaufen”, sagt Tobias Miethaner, Sprecher der Geschäftsführung des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten Mobility Data Space (MDS). “Wir sind heute bereits in einem sehr guten Austausch mit anderen Initiativen aus anderen Mitgliedstaaten.” Auch 20 Prozent der Teilnehmer an dem deutschen Leuchtturmprojekt hätten ihren Sitz nicht in Deutschland.

    Deutscher Mobilitätsdatenraum als Blueprint

    Der Mobility Data Space wolle seinen Ansatz auf europäischer Ebene einbringen und habe sich auch bereits stark in den EMDS eingebracht, erläutert Miethaner. “Unser Mobility Data Space kann als Blueprint für andere dienen.” Der MDS sei sehr breit aufgestellt und habe zum Thema intermodales Reisen die wichtigsten Player an Bord. “Wir sind offen für weitere Teilnehmer, zum Beispiel aus der Logistik. Auch für Google sind wir offen.” Letztlich müsse es darum gehen, das Konzept europaweit auszurollen, Deutschland sei als Markt zu klein. “Die EU kann dabei eine gute Schnittstelle sein.”

    Mit dem Inkrafttreten des Data Acts, sollte es zudem eine weitere Grundlage geben, auf der der Austausch von Daten stattfinden kann. “Aber beim Data Act gibt es noch große Unsicherheiten, welche Daten bereitgestellt werden müssen”, sagt Miethaner. Aber dort, wo neue Daten bereitgestellt würden, könne die Vernetzung über den MDS erfolgen. “Am Ende geht es aber nicht nur darum, dass wir möglichst viele Daten auf dem Marktplatz haben, sondern dass es viele Anwendungsfälle gibt und daraus neue Geschäftsmodelle und ein Mehrwert für den Nutzer entstehen.” Ein verbesserter Service zum Beispiel. 

    • Data Act
    • Europäische Kommission
    • Mobilität
    • Tourismus

    Termine

    01.12.2023 – 09:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    ECIIA, Conference The ESG Day
    The European Confederation of Institutes of Internal Auditing (ECIIA) provides a forward-looking overview of the EU Sustainability regulatory developments, with a particular focus on Sustainability Reporting, and the European Sustainability Reporting Standards. INFOS

    01.12.2023 – 11:30-14:00 Uhr, Berlin
    EC, Podiumsdiskussion Wie kann die energetische Gebäudesanierung verbraucherfreundlich gestaltet werden?
    Die Europäische Kommission (EC) lädt zur Debatte rund um eine verbraucherfreundliche Gebäudesanierung ein. INFOS & ANMELDUNG

    03.12.2023 – 08:30-11:00 Uhr, Dubai (online)
    FSR, Panel Discussion The Evolving Voluntary Carbon Market: Reconciling the paradox between innovation and supervision
    The Florence School of Regulation (FSR) discusses the contrasting trends of increasing transparency and innovation in the realm of carbon credits. INFOS & REGISTRATION

    04.12.-05.12.2023, Brüssel (Belgien)
    EESC, Conference European Migration Forum
    The European Economic and Social Committee (EESC) addresses the specific needs, skills and communication for the stronger inclusion of migration. INFOS & REGISTRATION

    05.12.2023 – 08:30-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    EC, Symposium Regions 2030 Final Event: Monitoring the SDGs in the EU Regions
    The European Commission (EC) aims to design and develop an indicator set for monitoring the Sustainable Development Goals (SDGs) at regional level in Europe. INFOS & REGISTRATION

    05.12.2023 – 12:00 Uhr, Berlin
    EBD Briefing zum Vorsitz Liechtensteins im Ministerkomitee des Europarates
    Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) lädt zum Briefing anlässlich des Vorsitzes Liechtensteins im Ministerkomitee des Europarates ein.  INFOS & ANMELDUNG

    News

    Renaturierung: ENVI gibt grünes Licht

    Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) hat das Verhandlungsergebnis zum EU-Renaturierungsgesetz angenommen. Damit ermöglicht der Umweltausschuss, dass der Gesetzentwurf final vom Plenum abgestimmt werden kann.

    Die Ausschussmitglieder haben mit 53 gegen 28 Stimmen bei vier Enthaltungen den Gesetzentwurf angenommen. Um das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen, muss das Plenum des Parlaments über den Gesetzentwurf noch abstimmen. Dies wird voraussichtlich in der Woche vom 26. Februar sein. Dann muss der Rat auch seine förmliche Zustimmung erteilen. Da der Text bereits letzte Woche grünes Licht von den EU-Mitgliedstaaten erhalten hat, ist dies nur noch eine Formalität.

    Grünes Licht im Plenum wahrscheinlich

    Damit nähert sich das Ende einer sehr turbulenten legislativen Reise, die vor dem Sommer angefangen hatte. EVP, Konservative sowie die rechtsextreme ID-Fraktion hatten sich gegen den ursprünglichen Vorschlag, den die Europäische Kommission vorgelegt hatte, ausgesprochen. Die gestrige Abstimmung zeigt, dass einige EVP-Abgeordnete nun die aktuelle Fassung des Textes unterstützen, was Jutta Paulus, Umweltexpertin und Verhandlerin der Grünen für das Renaturierungsgesetz begrüßt. “Ich freue mich, dass einige Abgeordnete der EVP den Feldzug ihres Vorsitzenden Manfred Weber gegen den Green Deal nicht mehr unterstützen und für das Verhandlungsergebnis gestimmt haben. Daher erwarte ich eine solide Mehrheit bei der Plenarabstimmung”, sagte sie.

    Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist eine der wichtigsten Säulen des Green Deal. Es sieht vor, dass die Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen ergreifen müssen, um 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen bis 2030 und bis 2050 alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme wiederherzustellen. 80 Prozent der Lebensräume in der EU sind in schlechtem Zustand. Mit dieser Vereinbarung ist die EU die erste Region, die ihre internationalen Verpflichtungen aus dem UN-Abkommen von Kunming und Montreal – das von 196 Ländern ratifiziert wurde – in einen verbindlichen Rechtsrahmen umsetzt. cst

    • ENVI
    • Green Deal
    • Renaturierung
    • Umwelt
    • Umweltpolitik

    Industrieemissionen: Einigung im Trilog

    Die Verhandlungsführer des Rates und des Europäischen Parlaments haben in der Nacht zum Mittwoch eine vorläufige politische Einigung über die Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen (IED) und die Verordnung über die Einrichtung eines Industrieemissionsportals (IEP) erzielt. Die Vereinbarung ist vorläufig, bis sie von beiden Institutionen formell angenommen wird.

    Ziel sei es, die Verschmutzung bis 2050 auf ein Niveau zu senken, das für die menschliche Gesundheit nicht mehr schädlich sei. Das sagte Teresa Ribera, die spanische Ministerin für den ökologischen Wandel, die die EU-Mitgliedstaaten bei den Gesprächen im Namen der spanischen EU-Ratspräsidentschaft vertrat. “Die neuen Regeln werden die Verschmutzungsgrenzen auf ein effektiveres Niveau setzen und der Industrie eine klare Anleitung für die richtigen Investitionen geben, um ihre Emissionen effektiv zu reduzieren”, sagte Ribera.

    Die Vereinbarung zielt darauf ab, die Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung durch Unternehmen zu verringern, indem bestehende Vorschriften für Emissionen und Abfalldeponien überarbeitet werden. Außerdem soll ein europäisches Register für die Freisetzung und Verbringung von Schadstoffen, das sogenannte E-PRTR, aktualisiert werden.

    Auch importierte Güter sollen Auflagen erfüllen

    Die aktualisierten Vorschriften werden ab 2030 für intensive Schweinehaltungsbetriebe mit mehr als 350 Großvieheinheiten gelten – eine Referenzeinheit, die je nach Alter und Größe insgesamt mehr als 1.000 Schweine umfasst. Sie wird auch für Geflügelbetriebe mit mehr als 300 Großvieheinheiten Legehennen – oder mehr als 21.400 Hühnern – gelten.

    Die überarbeiteten Vorschriften würden auch für den industriellen Abbau von Erzen wie Eisen, Kupfer, Gold, Nickel und Platin gelten. Die Europäische Kommission könnte zu einem späteren Zeitpunkt auch den Abbau von Industriemineralien einbeziehen. Außerdem wird eine “Gegenseitigkeitsklausel” (“reciprocity clause”) dafür sorgen, dass importierte landwirtschaftliche Erzeugnisse vergleichbaren Anforderungen genügen müssen, wie sie für europäische Landwirte gelten.

    Ausnahmen für Rinder und Kritik an langer Umsetzung

    “Wir haben Rinder aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie über Industrieemissionen herausgehalten“, sagte der Berichterstatter Radan Kanev (EVP) in einer Erklärung. “Die Europäische Kommission muss nun eine neue Folgenabschätzung vornehmen und fair und transparent mit den Landwirten kommunizieren, bevor sie dem Parlament einen neuen Legislativvorschlag zur Einbeziehung von Rindern vorlegt”, fügte Kanev hinzu.

    Die Einigung hat zu Kritik seitens der Umweltverbände geführt. Für das Europäische Umweltbüro (EEB), Europas größtem Netzwerk von Umwelt-Bürgerorganisationen, wird die Einigung den Zielen des Green Deal “nicht gerecht”. Die “Ausklammerung” industrieller Viehzuchtbetriebe aus dem Geltungsbereich, die “jahrzehntelangen Verzögerungen” bei der Umgestaltung der Industrie und der “fehlende Schutz” der von illegaler Verschmutzung betroffenen Menschen “untergraben das Potenzial einer Verordnung, die ein Schutzschild für die Bürger und nicht für die Verursacher sein sollte.” Das teilte das EEB weiter mit. cst

    • Agrarpolitik
    • Emissionen
    • Klima & Umwelt
    • Landwirtschaft
    • Legehennen

    AI Act: Datenschützer fordern Regulierung von Basismodellen

    Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat sich dagegen ausgesprochen, Basismodelle (Foundation Models) aus der Regulierung des AI Acts herauszunehmen und stattdessen auf eine Selbstregulierung zu setzen. Rechtsunsicherheit würde Bürger und Unternehmen verunsichern, schreiben sie in einem gemeinsamen Statement.

    “Die kommende KI-Verordnung sollte daher für alle Beteiligten – auch für Hersteller und Anbieter von Basismodellen – festlegen, welche Anforderungen sie erfüllen müssen. Eine einseitige Verschiebung der rechtlichen Verantwortung auf die letzten Stufen der Wertschöpfungskette wäre datenschutzrechtlich und wirtschaftlich die falsche Wahl”, schreiben die Datenschutzbehörden. Nur mit der notwendigen Vertrauenswürdigkeit werde es eine hohe Akzeptanz für die mit KI verbundenen Chancen geben.

    Gemeinsam mit Frankreich und Italien hatte Deutschland vorgeschlagen, auf eine Regulierung von Basismodellen (Foundation Models) im AI Act zu verzichten und auf eine “regulierte Selbstregulierung zu setzen. Auch andere Mitgliedsländer schließen sich dem an. Das Parlament hat in seinem Vorschlag dagegen mehrheitlich eine Regulierung von Foundation Models vorgeschlagen.

    BMWK: Innovationskraft nicht ausbremsen

    Zur Position der Bundesregierung sagte das federführende Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) am Mittwoch auf Anfrage: Es gehe um einen Regulierungsrahmen, der die Sicherheitsrisiken von KI-Anwendungen adressiere, ohne die Innovationskraft dieser jungen, vielversprechenden Technologie auszubremsen. “Gesetze und staatliche Kontrolle sollten daher dort ansetzen, wo es um die Anwendung künstlicher Intelligenz in der Wirtschaft und im Alltagsleben geht. Die Entwicklung von KI-Modellen, die sich noch nicht in der Anwendung befinden und noch nicht auf den Markt gebracht wurden, soll hingegen nicht gesondert staatlich reglementiert werden.”

    Am Mittwoch saßen die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten zusammen, um ihre Position abzustimmen. Die Verhandlungen liefen ganz gut, hieß es aus Brüssel. Das Thema Foundation Models steht erst am Freitag auf der Agenda. Am 6. Dezember ist der nächste Trilog, der eigentlich der letzte sein sollte. Die spanische Ratspräsidentschaft will jetzt schnell zu einer Einigung kommen. Doch in Kreisen der Bundesregierung heißt es bereits: Die Belgier, die im Januar den Vorsitz im Rat übernehmen, seien gute und effiziente Verhandlungsführer. vis

    • Künstliche Intelligenz
    • Künstliche Intelligenz-Verordnung

    Autoverband beklagt Kosten treibende EU-Regeln

    Die Europäische Union muss nach Ansicht des Autobauerverbands ACEA bei der Regulierung in den kommenden Jahren einen Gang zurückschalten. ACEA-Präsident Luca de Meo warnte am Mittwoch in Brüssel vor einem “Tsunami” an neuen Regeln, der auf die Schlüsselbranche zurolle. Bis 2030 stünden im Schnitt acht bis neun neue Vorschriften im Jahr an. Der damit verbundene Aufwand für die Ingenieure sei zu groß, die Vorschriften verteuerten Autos.

    “Die große Sorge ist, wenn die Regulierung so weitergeht, treibt das die Produktkosten in eine Dimension, dass der europäische Markt viel kleiner wird“, warnte de Meo, der zugleich Renault-Chef ist und den Herstellerverband ein weiteres Jahr führen wird. Es gebe Szenarien mit einer Halbierung in den nächsten zehn bis 15 Jahren.

    In einem “Manifest” zur Europawahl und der nächsten Legislaturperiode der EU-Kommission fordern die Autohersteller eine umfassende Industriestrategie, damit die Umstellung auf klimafreundliche Elektroautos bewältigt werden kann. “Regulierung aufzutürmen ist keine Strategie – wir brauchen eine Strategie, andernfalls verliert Europa an Boden”, betonte de Meo.

    Verband: Steuervorteile und mehr Ladestellen

    Die Autoindustrie pocht auf faire Wettbewerbsbedingungen, etwa gegenüber China. Die Bedingungen für Investitionen und Beschäftigung müssten günstig, Energie bezahlbar bleiben, so dass in Europa erschwingliche kleinere E-Autos gebaut werden könnten. Die Nachfrage müsse mit Kaufanreizen und Steuervorteilen angekurbelt werden, das Ladestellennetz bis zu zehnmal so schnell verdichtet werden wie bisher. Es gelte, Prioritäten zu setzen und sich auf das Umsetzen der Klimaschutzvorschriften des “Green Deal” zu konzentrieren, ergänzte ACEA-Generaldirektorin Sigrid de Vries.

    Für das kommende Jahr rechnet der Verband mit einem deutlich langsameren Wachstum der Neuzulassungen in der Europäischen Union als 2023. Nach der Prognose sollen 2024 mit rund 10,7 Millionen 2,5 Prozent mehr Neuwagen als in diesem Jahr auf die Straße kommen. Der Marktanteil von Elektroautos werde von rund 14 auf 20 Prozent steigen. Das laufende Jahr soll mit einem Plus von zwölf Prozent enden, so dass mit 10,4 Millionen neuen Pkw der Markt noch rund ein Fünftel unter 2019 liegt, dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie. rtr

    • E-Autos
    • Elektromobilität
    • Green Deal
    • Industrie
    • Klima & Umwelt
    • Verkehrspolitik

    Slowakei weitet Importverbot für ukrainisches Getreide aus

    Die Regierung der Slowakei hat ein Importverbot für bestimmte Agrarprodukte aus der Ukraine verlängert und ausgeweitet. Das ursprüngliche Importverbot war bis zum Jahresende befristet und auf Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumensamen beschränkt gewesen. Die am Mittwoch beschlossene neue Regelung gilt zeitlich unbefristet und für zehn weitere Produkte, darunter Hopfen, Honig, Rohr- und Rübenzucker. Ähnliche Beschränkungen hatten davor auch Polen und Ungarn verhängt.

    Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 kann das Land seine Schwarzmeerhäfen kaum noch zur Ausfuhr in alle Welt nutzen. So kommen ukrainische Agrarprodukte überwiegend über die Landesgrenzen Richtung Europa. Die Europäische Union erlaubte es Bulgarien, Polen, Rumänien, der Slowakei und Ungarn, den Verkauf auf dem heimischen Markt zu verbieten, um die Preise nicht kaputtzumachen. Die EU-Bestimmungen liefen im September aus. Polen, Ungarn und die Slowakei führten daraufhin eigenmächtig Importverbote ein.

    Transit weiter möglich

    Die slowakischen Bauern hätten durch die Einfuhr von ukrainischem Billiggetreide Verluste von rund 110 Millionen Euro erlitten, sagte der slowakische Landwirtschaftsminister Richard Takáč der Nachrichtenagentur TASR. Kompensationszahlungen der Europäischen Union deckten mit rund fünf Millionen Euro nur einen Bruchteil davon ab. Die Maßnahme sei daher unausweichlich, solange die EU nicht wieder zu einer gemeinsamen Importbeschränkung zurückkehre.

    Den Transit ukrainischer Agrarprodukte wolle man weiterhin ermöglichen, aber strenger kontrollieren. Derzeit blieben rund 80 Prozent der eigentlich nur zum Transit vorgesehenen Agrarprodukte im Land und schadeten damit heimischen Produzenten, sagte Takáč. dpa

    • Agrarpolitik
    • Handelspolitik
    • Landwirtschaft
    • Slowakei
    • Ukraine
    • Ukraine-Krieg

    Presseschau

    EU einigt sich auf neue Schadstoffregeln für Industrie und Landwirtschaft SPIEGEL
    EU macht Zusammenarbeit mit Türkei vom Flüchtlingspakt abhängig MIGAZIN
    EU erhöht Unterstützung für ukrainisches Militär EURONEWS
    Spain and Brazil leaders to discuss EU-Mercosur deal at COP – sources REUTERS
    Verstöße gegen EU-Recht: Polnische Regierung verklagt Deutschland wegen illegaler Verbringung von Abfällen N-TV
    Blockaden an polnisch-ukrainischer Grenze: EU-Verkehrskommissarin wirft Polen mangelndes Engagement zur Konfliktlösung vor DEUTSCHLANDFUNK
    Euro-Clearing soll nur noch in der EU stattfinden FAZ
    Drohung mit Vetos in der EU: Orbáns Erpressung hat Aussicht auf Erfolg N-TV
    EU-Gesundheit­sausschuss votiert für Europäischen Gesundheits­datenraum ÄRZTEBLATT
    Zeitschriftenverleger beklagen Mängel bei EU-Mediengesetz HANDELSBLATT
    Stromnetz: EU-Kommission will Notfall-Maßnahmen verlängern ENERGIE-UND-MANAGEMENT
    “Bedrohungslage”: EU-Kommission warnt in vertraulichem Papier, dass Europa beim Gas immer noch “verwundbar” ist BUSINESSINSIDER
    Pro-Kopf-Einkommen im EU-Vergleich: Früher Überholspur, jetzt abgehängt – Der lange Abstieg von Spaniens Wirtschaft RND
    Deutsche Bank chief says EU should consider scrapping bonus cap FT

    Standpunkt

    KI kann babylonische Sprachverwirrung Europas auflösen

    Von Patrick Stockebrandt und Anselm Küsters
    Patrick Stockebrandt (links) und Anselm Küsters leiten die Fachbereiche Verbraucher und Gesundheit sowie Digitalisierung und Neue Technologien am Centrum für Europäische Politik (cep) in Freiburg.

    Staatsgebiet, Staatsgewalt und Staatsvolk: das sind die traditionellen Kriterien, mit denen Völkerrechtler einen Staat messen. Doch die Europäische Union gleicht mehr einem Mosaik denn einem monolithischen Block und wird entsprechend als “Staatenverbund” beschrieben. Die Idee eines gemeinsamen “Staatsvolkes” steht einer tieferen europäischen Integration entgegen. Was bedeutet das für die aktuellen Reform- und Erweiterungsbemühungen der EU, die im kommenden Jahr intensiviert werden sollen?

    Ein Staatsvolk formt sich durch ein gemeinsames Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, doch die Vielsprachigkeit Europas wirkt sich hier zweischneidig aus. Sie ist einerseits Ausdruck der reichen kulturellen Diversität, andererseits aber auch eine Barriere für die Entstehung einer breit gefühlten europäischen Öffentlichkeit.

    Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt

    Im Europäischen Parlament manifestiert sich diese Spaltung etwa in der Verteilung der Sitze nach Mitgliedstaaten und in der Wahl der EU-Abgeordneten durch nationale Wahlen. Dieses System bringt die nationale Identität in den europäischen Diskurs ein, erweckt jedoch auch den Eindruck einer Fragmentierung.

    Mit den jüngsten Erfolgen in generativer Künstlicher Intelligenz (KI) bietet sich ein Ausweg aus der babylonischen Sprachverwirrung. Dank neuer KI-Schreibassistenten können Sprachbarrieren schneller überwunden werden. Durch die Bereitstellung präziser Übersetzungen helfen Technologien wie DeepL und ChatGPT Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, die Bräuche und Perspektiven des jeweils anderen zu verstehen. Mit Video-Apps kann man sogar lippensynchron in diversen Sprachen sprechen und Videos erzeugen. Der globale Markt für solche zunehmend KI-betriebenen Sprachdienstleistungen wird bis 2027 voraussichtlich 72,2 Milliarden Dollar erreichen.

    Abhilfe durch Künstliche Intelligenz?

    Indem sie einen grenzüberschreitenden Dialog fördern, erlauben solche technologischen Hilfsmittel, die Vielfalt Europas in einen gemeinsamen Erfahrungsraum zu transformieren. Neun von zehn EU-Bürgern schätzen Fremdsprachen als sehr nützlich ein. Was bisher nur einer Elite zugänglich war – die Simultanübersetzung in Echtzeit im Europäischen Parlament – könnte bald zum Alltag jedes europäischen Bürgers gehören, ob in virtuellen Welten oder durch portable Technologie. Das hätte auch positive Auswirkungen auf den Binnenmarkt, denn Verbraucher kaufen lieber Produkte in ihrer Muttersprache.

    Während einer Epochenwende, in der aufgrund geopolitischer Spannungen intensiv über Erweiterungen und Reformen nachgedacht werden muss, könnte eine exponentielle Digitalisierung als Katalysator für mehr Integration wirken. Die Anwendung von KI-Technologien im Fremdsprachen-Unterricht führt bereits heute zu bemerkenswerten Fortschritten beim Spracherwerb und wirkt motivierend.

    Indes kann die Digitalisierung auch vorhandene Differenzen intensivieren. Dies zeigt sich aktuell in den divergierenden Social-Media-Diskussionen zum Israel-Hamas-Konflikt. Hier reflektiert die Technologie nicht nur sprachliche Unterschiede, sondern auch stark unterschiedliche Wertvorstellungen und politische Ideen. Die Art, wie brisante Themen wie etwa Migration oder kriegerische Auseinandersetzungen in EU-Mitgliedsstaaten online diskutiert werden, offenbart eine Vielschichtigkeit, die durch die Technologie zwar erlebbar gemacht, aber nicht zwangsläufig vereinheitlicht wird. Zudem können mit generativen KI-Tools schnell und kostenfrei Deepfakes erstellt werden.

    Technologie ist kein Allheilmittel

    Selbst die beste Simultanübersetzung kann die feinen Nuancen von Begriffen und Konzepten, die aus unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten stammen, nicht immer einfangen. Die Geschichte und die kulturellen Besonderheiten jedes Landes prägen die Wahrnehmung und Interpretation von Informationen, Normen und Gesetzen – ein Umstand, der sich seit Beginn der europäischen Vertragsverhandlungen beobachten lässt.

    Ein gemeinsamer Diskurs, geführt auf der Basis einer geteilten Sprache – und sei es nur über eine KI-Anwendung – ermöglicht es immerhin, solche Unterschiede zu erkennen und auszuhandeln. Nur durch fortwährenden Dialog können die Mitgliedsstaaten der EU einen “common ground” identifizieren und eine Zukunft gestalten, die sowohl ihre individuelle Geschichte respektiert als auch ein kollektives europäisches Bewusstsein schafft. Dafür braucht es zuallererst eine gemeinsame Sprache, die zunehmend digital vermittelt und virtuell erlebt werden wird.

    Dr. Patrick Stockebrandt ist Fachbereichsleiter für Verbraucher und Gesundheit am Centrum für Europäische Politik (cep) in Freiburg.

    Dr. Anselm Küsters ist Fachbereichsleiter für Digitalisierung und Neue Technologien am Centrum für Europäische Politik (cep) in Berlin.

    • Digitalisierung
    • Europapolitik
    • Künstliche Intelligenz

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen