eine Annäherung, aber keinen Durchbruch im Streit um den Inflation Reduction Act hat der gestrige Handels- und Technologierat (TTC) von EU-Kommission und US-Regierung gebracht. “Wir verlassen das Treffen etwas zuversichtlicher als wir hineingegangen sind”, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis am Abend. Noch aber sei viel zu tun, und die Zeit dränge. Mehr dazu hat Till Hoppe in den News.
In der Nacht haben sich die Unterhändler von Europaparlament und Mitgliedstaaten im Trilog auf ein Importverbot für Waren geeinigt, für deren Produktion Wälder abgeholzt wurden. Die Verordnung gilt etwa für Rindfleisch, Holz, Kautschuk oder Kaffee. Die EU schaffe damit einen “globalen Goldstandard für Sorgfaltspflichten für entwaldungsfreie Lieferketten”, sagt die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt, sie könne auf der Weltnaturschutzkonferenz in Kanada “als glaubwürdiger Vorreiter” auftreten.
Die Konferenz in Montréal beginnt morgen. Fast 200 Staaten verhandeln bis zum 19. Dezember über ein neues globales Abkommen für den Artenschutz. Die Erwartungen sind hoch: Bislang wurden alle Ziele verfehlt, nun soll die Konferenz die große Wende bringen. Die EU-Umweltminister unterstützen die Forderung, 30 Prozent der Gesamtfläche jedes Landes bis 2030 unter Schutz zu stellen. Dabei sind jedoch etliche Fragen ungeklärt, wie Timo Landenberger analysiert.
Erst in diesem Jahr sind in der EU Einweg-E-Zigaretten auf den Markt gekommen und haben bereits in kurzer Zeit hohe Marktanteile erreicht. Nun aber schaut die Branche mit Sorge auf den laufenden Trilog zur EU-Batterieverordnung. Sollte es zu einer Einigung auf eine Rücknahmepflicht für die Lithium-Ionen-Batterie aus Einweg-E-Zigaretten kommen, dann bedeute dies das wirtschaftliche Aus für das Produkt, so die Befürchtung. Markus Grabitz hat die Details.
Die Erwartungen sind groß vor der 15. UN-Biodiversitätskonferenz in Montréal (CBD-COP15). Vom 7. bis zum 19. Dezember verhandeln dort die 196 Vertragsstaaten der Convention on Biological Diversity (CBD) über ein neues globales Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt.
Nachdem bisherige Ziele allesamt verfehlt wurden, soll die Vernichtung der natürlichen Lebensräume endlich gestoppt und umgekehrt werden. Ökosysteme sollen renaturiert, schädliche Subventionen beendet und die Finanzierung erhöht werden. So steht es im ambitionierten Entwurf des Global Biodiversity Framework (GBF).
In Anlehnung an das weitreichende Klimaabkommen von 2015 sollen die Verhandlungen einen “Paris-Moment” für die Biodiversität hervorbringen. Doch an der Pariser Konferenz nahmen mehr als 100 Staats- und Regierungschefs teil und sorgten allein dadurch für die nötige öffentliche Wahrnehmung. Ein solches Treffen ist in Montréal nicht vorgesehen.
Die Konferenz fällt in eine schwierige Zeit. Zwar bekam der Artenschutz zuletzt Rückenwind von der Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh, wo die Notwendigkeit intakter Ökosysteme auch für den Klimaschutz noch einmal unterstrichen wurde. Im Kampf gegen multiple Krisen und zur Sicherstellung der Energie- und Lebensmittelversorgung wurden Umweltschutzambitionen in vielen Ländern zuletzt jedoch zurückgestellt. Oft fehlt es an politischem Willen. Besonders umstritten ist die Frage der Finanzierung. So liegen die Positionen im Vorfeld der Verhandlungen teils weit auseinander.
Dass die COP15 nach jahrzehntelangen Zielverfehlungen also tatsächlich zum großen Game-Changer wird, scheint zweifelhaft. Doch ein schwaches Abkommen könnte den Schutz der Biodiversität erneut um Jahre verzögern. “Ein Abkommen mit einem zu niedrigen Ambitionsniveau und ohne eine solide und reale Möglichkeit zur Umsetzung würde für die EU eine rote Linie darstellen”, sagte Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius, der die EU-Delegation anführen wird, dem französischen Nachrichtendienst “Contexte”.
Auch die EU-Umweltminister setzen sich für ein ambitioniertes Vorgehen ein. Der Rat unterstützt im jüngsten Beschluss die Forderung der High Ambition Coalition, der wiederum rund 100 Staaten angehören, 30 Prozent der Gesamtfläche jedes Landes bis 2030 unter Schutz zu stellen. Das entspricht einer Verdopplung der Fläche an Land und einer Vervierfachung der Meeresfläche. 30×30 lautet das griffige Äquivalent zum 1,5-Grad-Ziel.
Um zu vermeiden, dass dies nur eine weitere Zahl ohne Inhalt wird, sollen die globalen Ziele in nationale Strategien (Nationale Biodiversity Strategies and Actions Plans, NBSAPs) übersetzt werden. Die Staaten werden in Montréal über einen Mechanismus verhandeln, der ein einheitliches Monitoring und regelmäßige Berichtspflichten vorsieht, um Fortschritte sichtbar zu machen und kontrollieren zu können – ähnlich der Klimaziele (NDCs) aus dem Pariser Klimaabkommen.
Doch im Gegensatz zur Offenlegung der Treibhausgasemissionen ist eine vergleichbare Darstellung über den Zustand der Ökosysteme schwierig. Fragen nach der Messbarkeit und geeigneten Indikatoren sind noch ungeklärt. Etliche Staaten kritisierten bereits den nicht leistbaren Verwaltungsaufwand zur Erhebung der Daten. Selbst in Europa laufen Kommunen und regionale Verwaltungen Sturm gegen die zu erwartende Bürokratiewelle.
Auch wirkt das 30-Prozent-Ziel etwas aus der Luft gegriffen. Noch fehlt es an Informationen, und es ist nicht klar, wo genau die zu schützenden Gebiete liegen sollen. In der EU beispielsweise befinden sich laut Kommission rund 80 Prozent aller Ökosysteme in einem schlechten Erhaltungszustand. Der GBF-Entwurf sieht deshalb parallele Renaturierungsmaßnahmen in 20 Prozent der degenerierten Bereiche vor, obgleich weiter unklar ist, wie genau diese definiert werden.
In dem Zusammenhang betonte der EU-Ministerrat das große Potenzial von sogenannten Nature-based Solutions. Künstliche Korallenriffe, der Anbau von Seegras und Algen, die Vernässung von Mooren oder Wiederbewaldung schaffen Lebensräume. Außerdem binden sie in großem Umfang CO2 und tragen somit auch entscheidend zum Klimaschutz bei. Unter anderem mit dem geplanten Nature Restoration Law im Gepäck will die EU hier mit gutem Beispiel vorangehen, streitet jedoch selbst noch über die Umsetzung.
Die größte Debatte wird rund um die Frage der Finanzierung erwartet. Ziel 19 des GBF-Entwurfs gilt als Achillesferse der Verhandlungen und sieht eine Erhöhung des Gesamtbudgets für Umweltschutz auf mindestens 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr vor. Mindestens zehn Milliarden sollen von reichen Staaten zur Unterstützung ärmerer Länder mobilisiert werden. Diese dürften keine Rückschritte in ihrer Entwicklung machen müssen, um die Ziele umzusetzen, heißt es. Einige Länder des globalen Südens fordern deutlich höhere Summen.
Um die Finanzierungslücke beim Umweltschutz zu schließen, werden auch 200 Milliarden nicht reichen. Deshalb sieht der GBF-Entwurf vor, umweltschädliche Subventionen in einer Größenordnung von mindestens 500 Milliarden Dollar jährlich umzuleiten oder ganz abzuschaffen. Allerdings wurden ebendiese zur Gewährleistung der Energie- und Ernährungssicherung in vielen Ländern zuletzt eher erhöht.
Auch die Privatwirtschaft soll in die Pflicht genommen werden. Zu den GBF-Zielen gehört, dass alle Unternehmen und Finanzinstitute ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt überwachen, bewerten und offenlegen. Negative Auswirkungen sollen schrittweise beendet, positive erhöht werden. Unter dem Dach der Initiative Business for Nature unterstützen etwa 330 Konzerne und Finanzinstitute dieses Vorhaben und fordern eine Berichtspflicht für Unternehmen inklusive der gesamten Lieferkette.
Wie genau das aussehen könnte, ist noch ungeklärt und wird Gegenstand der Verhandlungen sein. Mögliche Leitlinien hat unter anderen die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) über die vergangenen Jahre erarbeitet. Während die Klimaberichterstattung inzwischen zum unternehmerischen Einmaleins gehört, ist die Offenlegung der Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Biodiversität für die meisten nicht nur Neuland, sondern auch ungleich komplizierter.
Die E-Zigaretten-Branche befürchtet, dass die EU-Batterieverordnung die guten Geschäfte mit Einwegprodukten kaputtmacht. Sollte man sich im laufenden Trilog – die Verhandlungen gehen Freitag weiter – auch auf eine Rücknahmepflicht für die Lithium-Ionen-Batterie aus Einweg-E-Zigaretten einigen, dann bedeute dies das wirtschaftliche Aus. Der kleinteilige Handel sei nicht dazu in der Lage, ein Pfand-System für Einweg-E-Zigaretten aufzubauen. Einweg-E-Zigaretten sind in der EU erst in diesem Jahr auf den Markt gekommen und haben in kurzer Zeit hohe Marktanteile erobert.
Das Produkt, das etwa zehn Euro kostet und nach einmaligem Gebrauch auf dem Müll landet, steuert rund 40 Prozent zum Umsatz der Branche in Deutschland bei, schätzt der Branchenverband Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG). Monatlich liege der Absatz bei rund fünf Millionen Stück. Die Branche hat in Deutschland 2021 410 Millionen Euro Umsatz gemacht. Für 2022 rechnet man mit 575 Millionen Euro Umsatz. Das Plus gehe weitgehend auf das Konto des neuen Produkts der Einweg-E-Zigarette, die Hunderttausende von neuen Kunden erschlossen habe.
Mit der Batterieverordnung nimmt die EU in erster Linie Produkte wie Laptops, Smartphones und batterieelektrische Autos in den Fokus. Der Vorschlag der Kommission will erreichen, dass mehr Akkus und Batterien recycelt werden. Außerdem sind schärfere Regelungen für die Austauschbarkeit und Entfernbarkeit von Batterien geplant.
Die Kommission behält sich auch vor, bis Ende 2030 schrittweise Gerätebatterien zu verbieten, die nicht wiederaufladbar sind. Wie aus Verhandlungskreisen zu hören ist, spielen dabei E-Zigaretten nicht direkt eine Rolle. Die Branche befürchtet aber, dass Regelungen erlassen werden, die dann auch für sie gelten. Mit Spannung wird erwartet, auf welche Übergangsfristen sich die Co-Gesetzgeber einigten und in welche Batteriekategorie Einweg-E-Zigaretten fallen. Davon hänge letztlich ab, ob die Batterieverordnung schlagartig, schleichend oder gar nicht das regulative Aus für die Einweg-E-Zigarette bedeute.
Die Kommission will die Sammelquoten für Gerätebatterien erhöhen. Derzeit liegen sie bei 45 Prozent. Ende 2025 sollen sie bei 60 Prozent und Ende 2027 bei 70 Prozent liegen. Das Parlament will noch höhere Quoten durchsetzen. Höhere Sammelquoten würden nach Einschätzung von Branchenexperten dazu führen, dass Mitgliedstaaten nationale Regelungen erlassen wie etwa die Pflicht zur Rücknahme von Batterien durch den Handel.
Dies sind weitere Unsicherheiten für die E-Zigarettenhersteller bei der Batterieverordnung:
07.12.-09.12.2022, online
EUA, Conference Artificial Intelligence and the Digital Economy
EUA (EU Agenda) introduces the Artificial Intelligence Act adopted by the European Commission in April 2021 and discusses its implications in the main sectors of the digital economy. INFOS & REGISTRATION
07.12.-08.12.2022, Brüssel (Belgien)
European Innovation Council Summit 2022
Der European Innovation Council (EIC) lädt zu mehreren Workshops zu den Themen Finanzen, Rechte an geistigem Eigentum (IPR) und Deep-Tech-Technologien. INFOS & ANMELDUNG
07.12.2022 – 09:30-12:00, Prag/online
Eurogas, Conference Czech Republic: The Energy Transition and the role of Gas
Eurogas addresses the role of gas in the energy transition in the Czech Republic. INFOS & REGISTRATION
07.12.2022 – 11:00 Uhr, Berlin/online
BDE, Pressekonferenz Klimaziele und Industriepolitik – BDE stellt Vorschläge der Wirtschaft für Nationale Kreislaufstrategie vor
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) stellt die Ergebnisse seiner Überlegungen zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie vor. ANMELDUNG PER E-MAIL
07.12.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
DIHK, Diskussion Sabine Verheyen (MdEP) zum European Media Freedom Act
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) diskutiert das europäische Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act). INFOS & ANMELDUNG
07.12.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
Eurelectric, Seminar The coming storm: Building electricity resilience to extreme weather
Eurelectric addresses the question of how resilience will play an increasing role in the performance of the power sector. INFOS & REGISTRATION
07.12.2022 – 15:00 Uhr, online
EASE, Seminar The Electricity Market Design Revision: Enabling energy storage for a carbon-neutral future
The European Association for Storage of Energy (EASE) asks how to make sure energy storage can support achieving carbon-neutral security of supply, help reach renewable targets, while having sufficient revenue streams to operate in a competitive market. INFOS & REGISTRATION
07.12.2022 – 17:30-20:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Forum für Zukunftsenergien, Podiumsdiskussion Welche Impulse gibt das REPowerEU-Paket für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft?
Das Forum für Zukunftsenergien beschäftigt sich mit den Auswirkungen des REPowerEU-Pakets auf den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. INFOS
08.12.-09.12.2022, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Competition Law 2022
The Academy of European Law (ERA) provides an opportunity for competition law specialists from all over Europe to meet and exchange with practitioners and enforcers on the latest developments in EU competition law at both EU and national levels. INFOS & REGISTRATION
08.12.-09.12.2022, Berlin
D21, Konferenz Digital-Gipfel
Die Initiative D21 diskutiert mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft über Möglichkeiten der Digitalisierung im Bereich der Datenökonomie. INFOS & ANMELDUNG
08.12.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
Hydrogen Europe, Seminar RePowering returns: Early mover investors in the hydrogen sector
Hydrogen Europe discusses the role of private investors in the hydrogen sector. INFOS & ANMELDUNG
Die EU und die USA haben sich beim Handels- und Technologierat (TTC) auf eine engere Zusammenarbeit in einer Reihe von Bereichen geeinigt, ohne einen Durchbruch in der Streitfrage der Subventionen für klimafreundliche Subventionen zu erzielen. “Wir verlassen das Treffen etwas zuversichtlicher, als wir hineingegangen sind”, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis nach dem Treffen am Montagabend. Aber die Zeit dränge, da Teile des Inflation Reduction Act (IRA) bereits Anfang Januar in Kraft träten.
Die Europäer hatten insbesondere die “Buy American”-Klauseln des IRA im Vorfeld scharf kritisiert, das Thema bestimmte das dritte Treffen des TTC am Rande Washingtons. Man habe etwa über die Steuervorteile für in den USA produzierte Elektroautos und über die Lieferketten für kritische Rohstoffe gesprochen, sagte US-Außenminister Antony Blinken. Er sei nach der Sitzung “überzeugt, dass wir dieses Gespräch weiter vorantreiben und die Differenzen ausräumen werden” – so wie Präsident Joe Biden dies nach seinem Treffen mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron versichert habe.
In der gemeinsamen Erklärung beider Seiten ist von “ersten Fortschritten” in den Verhandlungen die Rede, die vor allem in einer eigens eingerichteten Taskforce geführt werden. Kommissionsvize Margrethe Vestager verwies in dem Zusammenhang vornehmlich auf die “bemerkenswerte” Transparenz bei den jeweiligen Subventionen für die Chipindustrie, die beide Seiten bei dem Treffen vereinbarten (einen Überblick über die Vereinbarungen finden Sie hier). Zugleich lobte sie das Anliegen des IRA: Die “beste Nachricht” sei, dass sich die USA im Kampf gegen den globalen Klimawandel voll engagierten. “Wir können die Dinge lösen, die uns Sorgen bereiten.”
Beide Seiten sprachen auch über die Abstimmung bei Exportkontrollen. Washington hatte die Ausfuhrbeschränkungen für Chiptechnologie nach China im Oktober erheblich verschärft und drängt die Europäer nachzuziehen. Dagegen aber sträuben sich insbesondere die Niederlande, die mit ASML den führenden Hersteller von Belichtungsmaschinen im Land haben. Man habe nicht direkt über ASML gesprochen, sagte US-Wirtschaftsministerin Gina Raimondo. Der TTC sei aber hilfreich, um sich bei den Exportkontrollen abzustimmen.
Wenig neue Impulse gibt die gemeinsame Erklärung für einen Abbau der Handelshemmnisse – ein Anliegen vor allem der Bundesregierung. Beide Seiten wollen aber einen neuen Anlauf nehmen, bei der Konformitätsbewertung von Produkten zusammenzuarbeiten. Geprüft werden soll dies zunächst unter anderem für den Maschinenbau. tho
Die Verhandlungen um das Statut und die Finanzierung der europäischen Parteienfamilien sind gescheitert. Die Verhandlungsführer des Europaparlaments, Rainer Wieland (CDU) und Charles Goerens (Renew), haben den Trilog abgebrochen. Grund für den Abbruch ist, dass der Rat das Dossier nicht auf die Tagesordnung der Sitzung des Allgemeinen Rats am 13. Dezember gesetzt hat.
Rat und Parlament streiten darum, ob die europäischen Parteienfamilien Parteien aus Nicht-EU-Ländern aufnehmen dürfen. Die Christdemokraten etwa haben mehrere Mitgliedsparteien in der Ukraine, die Linke zählt eine moskaukritische Partei aus Belarus zu ihren Mitgliedern, die Sozialisten unterhalten enge Beziehungen mit der britischen Labourpartei.
Wieland sagte bei der Sitzung des Ausschusses für Verfassungsfragen (AFCO): “Es geht mittlerweile um das Selbstorganisationsrecht der Parteien.” Es gehe nicht ums Geld, sonders ums Prinzip. Derzeit sei nicht einmal mehr die Basis für Verhandlungen auf technischer Ebene gegeben. Der Brief des Ausschussvorsitzenden an den tschechischen Ratsvorsitz zum Abbruch der Gespräche ist dem Vernehmen nach unterwegs. mgr
Etwas mehr als die Hälfte der EU-Abgeordneten hat in der laufenden Wahlperiode Treffen mit Lobbyvertretern öffentlich gemacht. Dies ergab eine Studie der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, die am Montag in Brüssel veröffentlicht wurde. Demnach zeigten von insgesamt 705 Abgeordneten 412 mindestens ein Treffen an – ein Anteil von 58 Prozent. Transparency bezeichnete dies als lückenhaft.
Die Analyse umfasst einen Zeitraum von drei Jahren – von Juli 2019, dem Beginn der Wahlperiode, bis Ende Juni. Insgesamt machten Abgeordnete 28.344 Treffen bekannt.
Das EU-Transparenzregister gibt es seit Jahr 2011. Aktuell sind rund 13.600 Lobby-Organisationen eingetragen. 2019 hatte das Europaparlament entschieden, offenzulegen, welche Lobbyisten auf die Entstehung von Gesetzen Einfluss nehmen. Ausschussvorsitzende und Berichterstatter in Gesetzgebungsverfahren müssen seitdem im Internet auflisten, welche Lobbyisten sie treffen. Die anderen Parlamentarier können selbst entscheiden, ob oder ob nicht.
Die Zahlen unterscheiden sich deutlich nach Parteizugehörigkeit. Spitzenreiter bei den Meldungen war demzufolge die Grünen-Fraktion. Im Durchschnitt meldete jeder ihrer Abgeordneten 111,8 Lobby-Treffen pro Jahr. Es folgen demnach die liberale Fraktion Renew Europe (60,8) sowie die Fraktionen der Sozialdemokraten (50,0), der Linken (33,2) und der Christdemokraten (27,2). Schlusslicht ist die rechte Fraktion Identität und Demokratie mit 2,5 Treffen pro Abgeordnetem und Jahr.
Größere Unterschiede gibt es auch je nach Herkunftsland. Vorreiter sind Politiker aus Luxemburg (100 Prozent), Schweden (95) sowie aus Dänemark und Finnland (je 93). Von den deutschen Mitgliedern des EU-Parlaments machten 76 Prozent in den drei Jahren mindestens ein Treffen öffentlich. Am Ende des Rankings stehen die Abgeordneten aus Zypern (17,0) und Griechenland (10,0). dpa
Vor dem Treffen der EU-Verkehrsminister am Montag forderte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein schnelleres Vorankommen bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs. Er sehe es mit Sorge, dass man “immer noch eine Kerosinbesteuerung diskutiert”. Dies erschwere den Einstieg in die Dekarbonisierung durch synthetische Kraftstoffe und den globalen Wettbewerb, sagte Wissing und bezeichnete die Debatte über die Einführung einer Kerosinsteuer als “Sackgasse”.
Die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission zur Kerosinbesteuerung betreffen ausschließlich intra-europäische Flüge. Viele europäische Airlines, darunter auch die Lufthansa, fürchten, dass Anbieter, die ihre Flugzeuge außerhalb der EU auftanken, eine solche Steuer umgehen könnten und weiter Billigtickets anbieten. Wissing fordert deshalb eine streckenabhängige Lösung mit Berücksichtigung des Flugziels als Grundlage für die Besteuerung. Man dürfe das Thema nicht “rein europäisch” denken, sondern global.
Wissing setzt auf einen schnelleren Hochlauf von klimafreundlichen Antriebsformen im Flugverkehr wie E-Kerosin und Wasserstoff. Umweltorganisationen fordern dagegen eine Steuer, um die Emissionen des Sektors über einen negativen Preisanreiz zu reduzieren. Gegner der Steuer fürchten dagegen CO2-Abwanderung (Carbon Leakage) durch die einseitige Besteuerung innerhalb der EU. luk
Europas Verteidigungsindustrie hat mit regem Interesse auf die zweite Ausschreibung des Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) reagiert: Die EU-Kommission meldet nach Ablauf der Bewerbungsfrist Ende November 134 Bewerbungen für gemeinsame Forschungsprojekte.
Aus dem Verteidigungsfonds stehen für die Förderung der Projekte insgesamt 924 Millionen Euro zur Verfügung. Die Kommission will die Projekte nun zusammen mit externen Experten evaluieren. Das Ergebnis soll Ende des zweiten Quartals 2023 feststehen.
Der Europäische Verteidigungsfonds ist ein junges Instrument der EU, 2017 zur Förderung von Kooperationen und grenzüberschreitender Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie gegründet. Kommission und Mitgliedstaaten hatten für die Ausschreibung im Rahmen des Arbeitsprogramms 2022 verschiedene Kategorien und Prioritäten festgelegt.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprach bei der Präsentation davon, gemeinsame Verteidigungsprojekte insbesondere im Weltraum- und Cyberbereich sowie für verschiedene hoch entwickelte Fähigkeiten voranzutreiben. In der Kategorie Cyber zum Beispiel sollen die Entwicklung resilienter Systeme und eine Informationstoolbox zur Kriegsführung im Internet gefördert werden. In der Kategorie Weltraum sind Fördermittel für die Entwicklung von Frühwarnsystemen vorgesehen.
Andere Kategorien sind Land-, Luft- und Seestreitkräfte oder Unterwasserkriegführung. Die Ausschreibung speziell für grenzüberschreitende Kooperationen von kleinen und mittleren Unternehmen sei auf besonderes Interesse gestoßen, so die EU-Kommission.
Am Montag hat die EU-Kommission zudem die Ergebnisse einer ersten Ausschreibung von 2021 bekannt gegeben. 1,2 Milliarden Euro sollen in 61 europäische Kooperationen fließen für die Entwicklung von Kampfflugzeugen der nächsten Generation, Panzern, Schiffen sowie kritischer Verteidigungstechnologien wie einer militärischen Cloud, Künstlicher Intelligenz oder Halbleitern.
In einem nächsten Schritt müssen nun die Verträge zwischen EU-Kommission und den Konsortien ausgehandelt werden. Der Europäische Verteidigungsfonds verfügt für die Haushaltsperiode bis 2027 über ein Budget von knapp acht Milliarden Euro. sti
Kroatien wird nach dem Euro-Beitritt das 20. Mitglied im europäischen Rettungsfonds ESM. Dieser teilte am Montag mit, der aus den Euro-Finanzministern bestehende ESM-Verwaltungsrat habe den entsprechenden Antrag Kroatiens gebilligt.
Der Balkan-Staat führt die europäische Gemeinschaftswährung zum 1. Januar 2023 ein. Ende Juli hatte die Regierung in Zagreb auch einen Antrag gestellt, Teil des ESM werden zu wollen. Mit dem ESM-Beschluss könne dies nun umgesetzt werden. Kroatien müsse dafür noch den ESM-Vertrag ratifizieren. Sobald dies geschehen sei, werde das Land offiziell Mitglied.
Der 500 Milliarden Euro schwere ESM wurde als Reaktion auf die europäische Staatsschuldenkrise vor zehn Jahren gegründet, um Ländern zu helfen, die vom Kapitalmarkt abgeschnitten wurden. rtr
Die EU-Kommission will die illegale Migration über den Westbalkan in die Europäische Union mit einem Aktionsplan eindämmen. “Unser Ziel ist es, durch diese abgestimmten Maßnahmen die Zahlen zu senken”, sagte EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas am Montag.
Über Serbien, Albanien und die anderen Westbalkan-Länder waren zuletzt deutlich mehr Menschen in die EU gekommen. Allein im Oktober wurden nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex 22.300 unerlaubte Grenzübertritte gezählt – fast dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum.
Der nun vorgelegte Aktionsplan sieht unter anderem vor, die Grenzkontrollen entlang der Westbalkan-Route deutlich zu verstärken, auch mithilfe der EU-Grenzschutztruppe Frontex. Außerdem sollen Rückführungen abgelehnter Asylsuchender beschleunigt und zugleich das Asylsystem der Balkanstaaten gestärkt werden. “Jeder, der irregulär einreist, muss registriert werden, sonst funktioniert unser System nicht richtig”, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.
Anträge sollen künftig schneller bearbeitet und die Möglichkeiten zur Unterbringung Schutzsuchender verbessert werden. Mithilfe der EU-Polizeibehörde Europol soll zudem der Kampf gegen die Schleusung von Migranten über Landesgrenzen hinweg verstärkt werden.
Außerdem hält die EU den Druck auf die Balkanländer aufrecht, ihre Visa-Politik an die der Europäischen Union anzugleichen. Zuletzt hatte Serbien bereits die Visumfreiheit für Reisende aus Tunesien und Burundi aufgehoben. Nach Ansicht der EU-Kommission sollen weitere Staaten folgen. Dies dürfte auch beim am heutigen Dienstag stattfindenden EU-Westbalkan-Gipfel in der albanischen Hauptstadt Tirana Thema sein. dpa
Seine Großeltern waren durch die deutsch-deutsche Grenze voneinander getrennt, zur Schule ging er in Neustadt bei Coburg – in unmittelbarer Nähe zur DDR. Das dürfte ein Grund sein dafür, dass Michael Gehler früh ein Interesse an Geschichte entwickelte. “Ich wollte herausfinden, was hinter Entscheidungen steckt. Das geschichtswissenschaftliche Interesse für die EU ist ganz nebenbei entstanden”, sagt er.
Seit 2006 lehrt der gebürtige Innsbrucker Neuere Deutsche und Europäische Geschichte an der Universität Hildesheim. Bereits viermal verlieh ihm die Europäische Kommission den Jean-Monnet-Chair – eine Mischung aus Fördermitteln und Ehrung für eine dreijährige Lehrveranstaltung über europäische Geschichte. Gehler ist einer der wenigen deutschen Professoren, die diese Auszeichnung erhalten haben.
Mit Interesse beobachtet der Geschichtsprofessor auch die europäische Energiepolitik, denn diese habe lange keine große Rolle in der EU gespielt. Dabei hätten sich die heutigen Probleme mit der Gasversorgung lange angekündigt: Schon 2014, Günther Oettinger war da noch Energiekommissar, hatte Russland bewiesen, dass es bereit ist, den Gashahn zuzudrehen. Damals traf es die Ukraine.
Die EU stecke beim Thema Energie in einem Dilemma: “Wir haben den Traum von einem europäischen Energiepool. Geregelt wird aber alles national auf unterschiedlichsten Wegen.”
Putins Krieg in der Ukraine setzt die EU auch im Thema Verteidigung unter Druck. Die einst so pazifistische Institution sieht sich jetzt mit einem Krieg unmittelbar vor den eignen Toren konfrontiert. Gehler ist davon auch persönlich nicht unberührt. Sein Vater kämpfte an der Ostfront, saß später in russischer Kriegsgefangenschaft und schärfte seinem Sohn ein: “Du wirst niemals eine Waffe in die Hand nehmen!” Mit dem Blick des Historikers kommt Gehler aber zu anderen Schlüssen, “Ich muss offen sagen, wären diese Waffenlieferungen nicht erfolgt, fürchte ich, wären Kiew und die Westukraine vermutlich schon in russischer Hand.”
Den aktuellen Fokus auf Verteidigung sieht er dennoch kritisch, “Die Art, wie wir Frieden derzeit umsetzen, zeigt sich in einem Hype der Rüstungsindustrie und einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Solche Investitionen gehen zulasten von Bildung, Forschung und Sozialpolitik.” Eine europäische Armee kann er sich derzeit nicht vorstellen. Emmanuel Macron ist der oberste Befehlshaber der französischen Armee, die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee – diese Interessen zu vereinen, sei schwer vorstellbar.
Mit drei Millionen Geflüchteten in der Türkei, dem Brexit und dem Krieg in der Ukraine liege die Zukunft der EU vor allem im Erhalt der Union. “Wenn wir es schaffen, den derzeitigen Stand und den Zusammenhalt zu wahren, ist schon sehr viel erreicht”, so Gehler. Die EU habe immer noch die Möglichkeit, andere Länder zu inspirieren. “Sie können in Europa gegen ihren eigenen Staat klagen und Menschenrechte einfordern, auch wenn es kompliziert ist. Damit ist Europa einzigartig.”
Gehlers größte Hoffnung liegt aber im Kleinen: “Die EU kann man in den Städten am besten erleben. Solange wir europäische Bürgermeister und Städtepartnerschaften haben, geht es voran. Wir sollten die Regionen nicht vergessen. Wenn die ihre Interessen in der EU vertreten können, kann auch so manche Spannung mit den Staaten abgefedert werden.”
Die Verbundenheit zur Europäischen Union hat Michael Gehler an seine Kinder weitergegeben. Drei haben bereits ein Erasmus-Semester in einem anderen EU-Land gemacht. Svenja Schlicht
Es war die Nachricht des Tages gestern in Luxemburg: Jean Asselborn, leidenschaftlicher Rennradfahrer, wurde am Knie operiert. Eine Tragödie in vier Etappen.
Düstere Stimmung bei den Luxemburger Sozialisten. Nächstes Jahr sind Parlamentswahlen in Luxemburg. Was, wenn das treue sozialistische Zugpferd, Stimmenfänger und Mann vom Volke, sich nicht auf sein Rennrad schwingen kann?
Die Beziehung zwischen dem Außenminister und seinem Fahrrad ist von nationalem Interesse. Solange Jang den Mont Ventoux hochkommt, will er dem Land weiter dienen – als Minister und zweitbeliebtester Politiker, seit es Vizepremierministerin “Paulette nationale” gibt.
Der Mont Ventoux. Das ist der gefürchtete Berg aller Tour-de-France-Fahrer und Möchtegernradlegenden. Länge: 21 Kilometer. Höchster Punkt: 1901 Meter. Durchschnittliche Steigung: 7,5 Prozent.
Jeden Sommer, wenn der gemeine Politiker sein Strandnickerchen hält, schwingt sich Jean Asselborn im engen Sportleroutfit aufs Rennrad und fährt los. Wind, Sonne und Regen können ihn nicht aufhalten. Der dienstälteste Außenminister Europas macht es Größen wie Jan Ulrich und Frank Schleck nach und erobert den Mont Ventoux.
Es ist das Highlight der Sommerpause: Gelangweilte Urlauber und Journalisten auf der Suche nach Themen können Jangs Fortschritt live verfolgen. Selfies und Facebook sei Dank! Tatsächlich besteht Asselborns Facebook-Profil zu großen Teilen aus Fotos, die ihn auf dem Rad zeigen.
Beispiel: 13. August 2022. Neongelbe Weste, schwarze Leggings. Jang saß ganze 4 Stunden und 13 Minuten auf dem Fahrrad. Strecke: 86,74 Kilometer. Durchschnittliche Geschwindigkeit: 20,5 Stundenkilometer. 752 verbrauchte Kalorien. So verstoffwechselt man als Außenministerprofi die vielen Staatsbankette, Dinner und Working Lunches.
Was also, wenn Asselborn, im Volksmund auch Quasselborn genannt, in diesem Jahr auf seine Radtouren verzichten muss? Und sich auch im Wahljahr nicht jedes Wochenende mit dem Fahrrad auf einer Dorffeier (Luxemburgisch: Dëppefest) zeigen und seine Bürgernähe per Foto festhalten kann?
Gut, dass Jean Asselborn am Tag vor seiner OP mit gewohntem Optimismus das Volk beruhigt. Das Fahrrad steht bereits im Wohnzimmer, damit das Knie direkt nach der OP wieder trainiert wird. “Es gibt Leute, die sind an beiden Knien und beiden Hüftseiten operiert und fahren trotzdem noch Fahrrad. Man kann mir die Politik wegnehmen, aber nicht das Fahrrad“, sagte er denn auch dem “Tageblatt”.
Erleichterte Seufzer in der Parteizentrale. Die Wahlen sind gerettet.
Wir wünschen gute Besserung.
eine Annäherung, aber keinen Durchbruch im Streit um den Inflation Reduction Act hat der gestrige Handels- und Technologierat (TTC) von EU-Kommission und US-Regierung gebracht. “Wir verlassen das Treffen etwas zuversichtlicher als wir hineingegangen sind”, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis am Abend. Noch aber sei viel zu tun, und die Zeit dränge. Mehr dazu hat Till Hoppe in den News.
In der Nacht haben sich die Unterhändler von Europaparlament und Mitgliedstaaten im Trilog auf ein Importverbot für Waren geeinigt, für deren Produktion Wälder abgeholzt wurden. Die Verordnung gilt etwa für Rindfleisch, Holz, Kautschuk oder Kaffee. Die EU schaffe damit einen “globalen Goldstandard für Sorgfaltspflichten für entwaldungsfreie Lieferketten”, sagt die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt, sie könne auf der Weltnaturschutzkonferenz in Kanada “als glaubwürdiger Vorreiter” auftreten.
Die Konferenz in Montréal beginnt morgen. Fast 200 Staaten verhandeln bis zum 19. Dezember über ein neues globales Abkommen für den Artenschutz. Die Erwartungen sind hoch: Bislang wurden alle Ziele verfehlt, nun soll die Konferenz die große Wende bringen. Die EU-Umweltminister unterstützen die Forderung, 30 Prozent der Gesamtfläche jedes Landes bis 2030 unter Schutz zu stellen. Dabei sind jedoch etliche Fragen ungeklärt, wie Timo Landenberger analysiert.
Erst in diesem Jahr sind in der EU Einweg-E-Zigaretten auf den Markt gekommen und haben bereits in kurzer Zeit hohe Marktanteile erreicht. Nun aber schaut die Branche mit Sorge auf den laufenden Trilog zur EU-Batterieverordnung. Sollte es zu einer Einigung auf eine Rücknahmepflicht für die Lithium-Ionen-Batterie aus Einweg-E-Zigaretten kommen, dann bedeute dies das wirtschaftliche Aus für das Produkt, so die Befürchtung. Markus Grabitz hat die Details.
Die Erwartungen sind groß vor der 15. UN-Biodiversitätskonferenz in Montréal (CBD-COP15). Vom 7. bis zum 19. Dezember verhandeln dort die 196 Vertragsstaaten der Convention on Biological Diversity (CBD) über ein neues globales Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt.
Nachdem bisherige Ziele allesamt verfehlt wurden, soll die Vernichtung der natürlichen Lebensräume endlich gestoppt und umgekehrt werden. Ökosysteme sollen renaturiert, schädliche Subventionen beendet und die Finanzierung erhöht werden. So steht es im ambitionierten Entwurf des Global Biodiversity Framework (GBF).
In Anlehnung an das weitreichende Klimaabkommen von 2015 sollen die Verhandlungen einen “Paris-Moment” für die Biodiversität hervorbringen. Doch an der Pariser Konferenz nahmen mehr als 100 Staats- und Regierungschefs teil und sorgten allein dadurch für die nötige öffentliche Wahrnehmung. Ein solches Treffen ist in Montréal nicht vorgesehen.
Die Konferenz fällt in eine schwierige Zeit. Zwar bekam der Artenschutz zuletzt Rückenwind von der Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh, wo die Notwendigkeit intakter Ökosysteme auch für den Klimaschutz noch einmal unterstrichen wurde. Im Kampf gegen multiple Krisen und zur Sicherstellung der Energie- und Lebensmittelversorgung wurden Umweltschutzambitionen in vielen Ländern zuletzt jedoch zurückgestellt. Oft fehlt es an politischem Willen. Besonders umstritten ist die Frage der Finanzierung. So liegen die Positionen im Vorfeld der Verhandlungen teils weit auseinander.
Dass die COP15 nach jahrzehntelangen Zielverfehlungen also tatsächlich zum großen Game-Changer wird, scheint zweifelhaft. Doch ein schwaches Abkommen könnte den Schutz der Biodiversität erneut um Jahre verzögern. “Ein Abkommen mit einem zu niedrigen Ambitionsniveau und ohne eine solide und reale Möglichkeit zur Umsetzung würde für die EU eine rote Linie darstellen”, sagte Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius, der die EU-Delegation anführen wird, dem französischen Nachrichtendienst “Contexte”.
Auch die EU-Umweltminister setzen sich für ein ambitioniertes Vorgehen ein. Der Rat unterstützt im jüngsten Beschluss die Forderung der High Ambition Coalition, der wiederum rund 100 Staaten angehören, 30 Prozent der Gesamtfläche jedes Landes bis 2030 unter Schutz zu stellen. Das entspricht einer Verdopplung der Fläche an Land und einer Vervierfachung der Meeresfläche. 30×30 lautet das griffige Äquivalent zum 1,5-Grad-Ziel.
Um zu vermeiden, dass dies nur eine weitere Zahl ohne Inhalt wird, sollen die globalen Ziele in nationale Strategien (Nationale Biodiversity Strategies and Actions Plans, NBSAPs) übersetzt werden. Die Staaten werden in Montréal über einen Mechanismus verhandeln, der ein einheitliches Monitoring und regelmäßige Berichtspflichten vorsieht, um Fortschritte sichtbar zu machen und kontrollieren zu können – ähnlich der Klimaziele (NDCs) aus dem Pariser Klimaabkommen.
Doch im Gegensatz zur Offenlegung der Treibhausgasemissionen ist eine vergleichbare Darstellung über den Zustand der Ökosysteme schwierig. Fragen nach der Messbarkeit und geeigneten Indikatoren sind noch ungeklärt. Etliche Staaten kritisierten bereits den nicht leistbaren Verwaltungsaufwand zur Erhebung der Daten. Selbst in Europa laufen Kommunen und regionale Verwaltungen Sturm gegen die zu erwartende Bürokratiewelle.
Auch wirkt das 30-Prozent-Ziel etwas aus der Luft gegriffen. Noch fehlt es an Informationen, und es ist nicht klar, wo genau die zu schützenden Gebiete liegen sollen. In der EU beispielsweise befinden sich laut Kommission rund 80 Prozent aller Ökosysteme in einem schlechten Erhaltungszustand. Der GBF-Entwurf sieht deshalb parallele Renaturierungsmaßnahmen in 20 Prozent der degenerierten Bereiche vor, obgleich weiter unklar ist, wie genau diese definiert werden.
In dem Zusammenhang betonte der EU-Ministerrat das große Potenzial von sogenannten Nature-based Solutions. Künstliche Korallenriffe, der Anbau von Seegras und Algen, die Vernässung von Mooren oder Wiederbewaldung schaffen Lebensräume. Außerdem binden sie in großem Umfang CO2 und tragen somit auch entscheidend zum Klimaschutz bei. Unter anderem mit dem geplanten Nature Restoration Law im Gepäck will die EU hier mit gutem Beispiel vorangehen, streitet jedoch selbst noch über die Umsetzung.
Die größte Debatte wird rund um die Frage der Finanzierung erwartet. Ziel 19 des GBF-Entwurfs gilt als Achillesferse der Verhandlungen und sieht eine Erhöhung des Gesamtbudgets für Umweltschutz auf mindestens 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr vor. Mindestens zehn Milliarden sollen von reichen Staaten zur Unterstützung ärmerer Länder mobilisiert werden. Diese dürften keine Rückschritte in ihrer Entwicklung machen müssen, um die Ziele umzusetzen, heißt es. Einige Länder des globalen Südens fordern deutlich höhere Summen.
Um die Finanzierungslücke beim Umweltschutz zu schließen, werden auch 200 Milliarden nicht reichen. Deshalb sieht der GBF-Entwurf vor, umweltschädliche Subventionen in einer Größenordnung von mindestens 500 Milliarden Dollar jährlich umzuleiten oder ganz abzuschaffen. Allerdings wurden ebendiese zur Gewährleistung der Energie- und Ernährungssicherung in vielen Ländern zuletzt eher erhöht.
Auch die Privatwirtschaft soll in die Pflicht genommen werden. Zu den GBF-Zielen gehört, dass alle Unternehmen und Finanzinstitute ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt überwachen, bewerten und offenlegen. Negative Auswirkungen sollen schrittweise beendet, positive erhöht werden. Unter dem Dach der Initiative Business for Nature unterstützen etwa 330 Konzerne und Finanzinstitute dieses Vorhaben und fordern eine Berichtspflicht für Unternehmen inklusive der gesamten Lieferkette.
Wie genau das aussehen könnte, ist noch ungeklärt und wird Gegenstand der Verhandlungen sein. Mögliche Leitlinien hat unter anderen die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) über die vergangenen Jahre erarbeitet. Während die Klimaberichterstattung inzwischen zum unternehmerischen Einmaleins gehört, ist die Offenlegung der Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Biodiversität für die meisten nicht nur Neuland, sondern auch ungleich komplizierter.
Die E-Zigaretten-Branche befürchtet, dass die EU-Batterieverordnung die guten Geschäfte mit Einwegprodukten kaputtmacht. Sollte man sich im laufenden Trilog – die Verhandlungen gehen Freitag weiter – auch auf eine Rücknahmepflicht für die Lithium-Ionen-Batterie aus Einweg-E-Zigaretten einigen, dann bedeute dies das wirtschaftliche Aus. Der kleinteilige Handel sei nicht dazu in der Lage, ein Pfand-System für Einweg-E-Zigaretten aufzubauen. Einweg-E-Zigaretten sind in der EU erst in diesem Jahr auf den Markt gekommen und haben in kurzer Zeit hohe Marktanteile erobert.
Das Produkt, das etwa zehn Euro kostet und nach einmaligem Gebrauch auf dem Müll landet, steuert rund 40 Prozent zum Umsatz der Branche in Deutschland bei, schätzt der Branchenverband Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG). Monatlich liege der Absatz bei rund fünf Millionen Stück. Die Branche hat in Deutschland 2021 410 Millionen Euro Umsatz gemacht. Für 2022 rechnet man mit 575 Millionen Euro Umsatz. Das Plus gehe weitgehend auf das Konto des neuen Produkts der Einweg-E-Zigarette, die Hunderttausende von neuen Kunden erschlossen habe.
Mit der Batterieverordnung nimmt die EU in erster Linie Produkte wie Laptops, Smartphones und batterieelektrische Autos in den Fokus. Der Vorschlag der Kommission will erreichen, dass mehr Akkus und Batterien recycelt werden. Außerdem sind schärfere Regelungen für die Austauschbarkeit und Entfernbarkeit von Batterien geplant.
Die Kommission behält sich auch vor, bis Ende 2030 schrittweise Gerätebatterien zu verbieten, die nicht wiederaufladbar sind. Wie aus Verhandlungskreisen zu hören ist, spielen dabei E-Zigaretten nicht direkt eine Rolle. Die Branche befürchtet aber, dass Regelungen erlassen werden, die dann auch für sie gelten. Mit Spannung wird erwartet, auf welche Übergangsfristen sich die Co-Gesetzgeber einigten und in welche Batteriekategorie Einweg-E-Zigaretten fallen. Davon hänge letztlich ab, ob die Batterieverordnung schlagartig, schleichend oder gar nicht das regulative Aus für die Einweg-E-Zigarette bedeute.
Die Kommission will die Sammelquoten für Gerätebatterien erhöhen. Derzeit liegen sie bei 45 Prozent. Ende 2025 sollen sie bei 60 Prozent und Ende 2027 bei 70 Prozent liegen. Das Parlament will noch höhere Quoten durchsetzen. Höhere Sammelquoten würden nach Einschätzung von Branchenexperten dazu führen, dass Mitgliedstaaten nationale Regelungen erlassen wie etwa die Pflicht zur Rücknahme von Batterien durch den Handel.
Dies sind weitere Unsicherheiten für die E-Zigarettenhersteller bei der Batterieverordnung:
07.12.-09.12.2022, online
EUA, Conference Artificial Intelligence and the Digital Economy
EUA (EU Agenda) introduces the Artificial Intelligence Act adopted by the European Commission in April 2021 and discusses its implications in the main sectors of the digital economy. INFOS & REGISTRATION
07.12.-08.12.2022, Brüssel (Belgien)
European Innovation Council Summit 2022
Der European Innovation Council (EIC) lädt zu mehreren Workshops zu den Themen Finanzen, Rechte an geistigem Eigentum (IPR) und Deep-Tech-Technologien. INFOS & ANMELDUNG
07.12.2022 – 09:30-12:00, Prag/online
Eurogas, Conference Czech Republic: The Energy Transition and the role of Gas
Eurogas addresses the role of gas in the energy transition in the Czech Republic. INFOS & REGISTRATION
07.12.2022 – 11:00 Uhr, Berlin/online
BDE, Pressekonferenz Klimaziele und Industriepolitik – BDE stellt Vorschläge der Wirtschaft für Nationale Kreislaufstrategie vor
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) stellt die Ergebnisse seiner Überlegungen zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie vor. ANMELDUNG PER E-MAIL
07.12.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
DIHK, Diskussion Sabine Verheyen (MdEP) zum European Media Freedom Act
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) diskutiert das europäische Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act). INFOS & ANMELDUNG
07.12.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
Eurelectric, Seminar The coming storm: Building electricity resilience to extreme weather
Eurelectric addresses the question of how resilience will play an increasing role in the performance of the power sector. INFOS & REGISTRATION
07.12.2022 – 15:00 Uhr, online
EASE, Seminar The Electricity Market Design Revision: Enabling energy storage for a carbon-neutral future
The European Association for Storage of Energy (EASE) asks how to make sure energy storage can support achieving carbon-neutral security of supply, help reach renewable targets, while having sufficient revenue streams to operate in a competitive market. INFOS & REGISTRATION
07.12.2022 – 17:30-20:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Forum für Zukunftsenergien, Podiumsdiskussion Welche Impulse gibt das REPowerEU-Paket für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft?
Das Forum für Zukunftsenergien beschäftigt sich mit den Auswirkungen des REPowerEU-Pakets auf den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. INFOS
08.12.-09.12.2022, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Competition Law 2022
The Academy of European Law (ERA) provides an opportunity for competition law specialists from all over Europe to meet and exchange with practitioners and enforcers on the latest developments in EU competition law at both EU and national levels. INFOS & REGISTRATION
08.12.-09.12.2022, Berlin
D21, Konferenz Digital-Gipfel
Die Initiative D21 diskutiert mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft über Möglichkeiten der Digitalisierung im Bereich der Datenökonomie. INFOS & ANMELDUNG
08.12.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
Hydrogen Europe, Seminar RePowering returns: Early mover investors in the hydrogen sector
Hydrogen Europe discusses the role of private investors in the hydrogen sector. INFOS & ANMELDUNG
Die EU und die USA haben sich beim Handels- und Technologierat (TTC) auf eine engere Zusammenarbeit in einer Reihe von Bereichen geeinigt, ohne einen Durchbruch in der Streitfrage der Subventionen für klimafreundliche Subventionen zu erzielen. “Wir verlassen das Treffen etwas zuversichtlicher, als wir hineingegangen sind”, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis nach dem Treffen am Montagabend. Aber die Zeit dränge, da Teile des Inflation Reduction Act (IRA) bereits Anfang Januar in Kraft träten.
Die Europäer hatten insbesondere die “Buy American”-Klauseln des IRA im Vorfeld scharf kritisiert, das Thema bestimmte das dritte Treffen des TTC am Rande Washingtons. Man habe etwa über die Steuervorteile für in den USA produzierte Elektroautos und über die Lieferketten für kritische Rohstoffe gesprochen, sagte US-Außenminister Antony Blinken. Er sei nach der Sitzung “überzeugt, dass wir dieses Gespräch weiter vorantreiben und die Differenzen ausräumen werden” – so wie Präsident Joe Biden dies nach seinem Treffen mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron versichert habe.
In der gemeinsamen Erklärung beider Seiten ist von “ersten Fortschritten” in den Verhandlungen die Rede, die vor allem in einer eigens eingerichteten Taskforce geführt werden. Kommissionsvize Margrethe Vestager verwies in dem Zusammenhang vornehmlich auf die “bemerkenswerte” Transparenz bei den jeweiligen Subventionen für die Chipindustrie, die beide Seiten bei dem Treffen vereinbarten (einen Überblick über die Vereinbarungen finden Sie hier). Zugleich lobte sie das Anliegen des IRA: Die “beste Nachricht” sei, dass sich die USA im Kampf gegen den globalen Klimawandel voll engagierten. “Wir können die Dinge lösen, die uns Sorgen bereiten.”
Beide Seiten sprachen auch über die Abstimmung bei Exportkontrollen. Washington hatte die Ausfuhrbeschränkungen für Chiptechnologie nach China im Oktober erheblich verschärft und drängt die Europäer nachzuziehen. Dagegen aber sträuben sich insbesondere die Niederlande, die mit ASML den führenden Hersteller von Belichtungsmaschinen im Land haben. Man habe nicht direkt über ASML gesprochen, sagte US-Wirtschaftsministerin Gina Raimondo. Der TTC sei aber hilfreich, um sich bei den Exportkontrollen abzustimmen.
Wenig neue Impulse gibt die gemeinsame Erklärung für einen Abbau der Handelshemmnisse – ein Anliegen vor allem der Bundesregierung. Beide Seiten wollen aber einen neuen Anlauf nehmen, bei der Konformitätsbewertung von Produkten zusammenzuarbeiten. Geprüft werden soll dies zunächst unter anderem für den Maschinenbau. tho
Die Verhandlungen um das Statut und die Finanzierung der europäischen Parteienfamilien sind gescheitert. Die Verhandlungsführer des Europaparlaments, Rainer Wieland (CDU) und Charles Goerens (Renew), haben den Trilog abgebrochen. Grund für den Abbruch ist, dass der Rat das Dossier nicht auf die Tagesordnung der Sitzung des Allgemeinen Rats am 13. Dezember gesetzt hat.
Rat und Parlament streiten darum, ob die europäischen Parteienfamilien Parteien aus Nicht-EU-Ländern aufnehmen dürfen. Die Christdemokraten etwa haben mehrere Mitgliedsparteien in der Ukraine, die Linke zählt eine moskaukritische Partei aus Belarus zu ihren Mitgliedern, die Sozialisten unterhalten enge Beziehungen mit der britischen Labourpartei.
Wieland sagte bei der Sitzung des Ausschusses für Verfassungsfragen (AFCO): “Es geht mittlerweile um das Selbstorganisationsrecht der Parteien.” Es gehe nicht ums Geld, sonders ums Prinzip. Derzeit sei nicht einmal mehr die Basis für Verhandlungen auf technischer Ebene gegeben. Der Brief des Ausschussvorsitzenden an den tschechischen Ratsvorsitz zum Abbruch der Gespräche ist dem Vernehmen nach unterwegs. mgr
Etwas mehr als die Hälfte der EU-Abgeordneten hat in der laufenden Wahlperiode Treffen mit Lobbyvertretern öffentlich gemacht. Dies ergab eine Studie der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, die am Montag in Brüssel veröffentlicht wurde. Demnach zeigten von insgesamt 705 Abgeordneten 412 mindestens ein Treffen an – ein Anteil von 58 Prozent. Transparency bezeichnete dies als lückenhaft.
Die Analyse umfasst einen Zeitraum von drei Jahren – von Juli 2019, dem Beginn der Wahlperiode, bis Ende Juni. Insgesamt machten Abgeordnete 28.344 Treffen bekannt.
Das EU-Transparenzregister gibt es seit Jahr 2011. Aktuell sind rund 13.600 Lobby-Organisationen eingetragen. 2019 hatte das Europaparlament entschieden, offenzulegen, welche Lobbyisten auf die Entstehung von Gesetzen Einfluss nehmen. Ausschussvorsitzende und Berichterstatter in Gesetzgebungsverfahren müssen seitdem im Internet auflisten, welche Lobbyisten sie treffen. Die anderen Parlamentarier können selbst entscheiden, ob oder ob nicht.
Die Zahlen unterscheiden sich deutlich nach Parteizugehörigkeit. Spitzenreiter bei den Meldungen war demzufolge die Grünen-Fraktion. Im Durchschnitt meldete jeder ihrer Abgeordneten 111,8 Lobby-Treffen pro Jahr. Es folgen demnach die liberale Fraktion Renew Europe (60,8) sowie die Fraktionen der Sozialdemokraten (50,0), der Linken (33,2) und der Christdemokraten (27,2). Schlusslicht ist die rechte Fraktion Identität und Demokratie mit 2,5 Treffen pro Abgeordnetem und Jahr.
Größere Unterschiede gibt es auch je nach Herkunftsland. Vorreiter sind Politiker aus Luxemburg (100 Prozent), Schweden (95) sowie aus Dänemark und Finnland (je 93). Von den deutschen Mitgliedern des EU-Parlaments machten 76 Prozent in den drei Jahren mindestens ein Treffen öffentlich. Am Ende des Rankings stehen die Abgeordneten aus Zypern (17,0) und Griechenland (10,0). dpa
Vor dem Treffen der EU-Verkehrsminister am Montag forderte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein schnelleres Vorankommen bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs. Er sehe es mit Sorge, dass man “immer noch eine Kerosinbesteuerung diskutiert”. Dies erschwere den Einstieg in die Dekarbonisierung durch synthetische Kraftstoffe und den globalen Wettbewerb, sagte Wissing und bezeichnete die Debatte über die Einführung einer Kerosinsteuer als “Sackgasse”.
Die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission zur Kerosinbesteuerung betreffen ausschließlich intra-europäische Flüge. Viele europäische Airlines, darunter auch die Lufthansa, fürchten, dass Anbieter, die ihre Flugzeuge außerhalb der EU auftanken, eine solche Steuer umgehen könnten und weiter Billigtickets anbieten. Wissing fordert deshalb eine streckenabhängige Lösung mit Berücksichtigung des Flugziels als Grundlage für die Besteuerung. Man dürfe das Thema nicht “rein europäisch” denken, sondern global.
Wissing setzt auf einen schnelleren Hochlauf von klimafreundlichen Antriebsformen im Flugverkehr wie E-Kerosin und Wasserstoff. Umweltorganisationen fordern dagegen eine Steuer, um die Emissionen des Sektors über einen negativen Preisanreiz zu reduzieren. Gegner der Steuer fürchten dagegen CO2-Abwanderung (Carbon Leakage) durch die einseitige Besteuerung innerhalb der EU. luk
Europas Verteidigungsindustrie hat mit regem Interesse auf die zweite Ausschreibung des Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) reagiert: Die EU-Kommission meldet nach Ablauf der Bewerbungsfrist Ende November 134 Bewerbungen für gemeinsame Forschungsprojekte.
Aus dem Verteidigungsfonds stehen für die Förderung der Projekte insgesamt 924 Millionen Euro zur Verfügung. Die Kommission will die Projekte nun zusammen mit externen Experten evaluieren. Das Ergebnis soll Ende des zweiten Quartals 2023 feststehen.
Der Europäische Verteidigungsfonds ist ein junges Instrument der EU, 2017 zur Förderung von Kooperationen und grenzüberschreitender Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie gegründet. Kommission und Mitgliedstaaten hatten für die Ausschreibung im Rahmen des Arbeitsprogramms 2022 verschiedene Kategorien und Prioritäten festgelegt.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprach bei der Präsentation davon, gemeinsame Verteidigungsprojekte insbesondere im Weltraum- und Cyberbereich sowie für verschiedene hoch entwickelte Fähigkeiten voranzutreiben. In der Kategorie Cyber zum Beispiel sollen die Entwicklung resilienter Systeme und eine Informationstoolbox zur Kriegsführung im Internet gefördert werden. In der Kategorie Weltraum sind Fördermittel für die Entwicklung von Frühwarnsystemen vorgesehen.
Andere Kategorien sind Land-, Luft- und Seestreitkräfte oder Unterwasserkriegführung. Die Ausschreibung speziell für grenzüberschreitende Kooperationen von kleinen und mittleren Unternehmen sei auf besonderes Interesse gestoßen, so die EU-Kommission.
Am Montag hat die EU-Kommission zudem die Ergebnisse einer ersten Ausschreibung von 2021 bekannt gegeben. 1,2 Milliarden Euro sollen in 61 europäische Kooperationen fließen für die Entwicklung von Kampfflugzeugen der nächsten Generation, Panzern, Schiffen sowie kritischer Verteidigungstechnologien wie einer militärischen Cloud, Künstlicher Intelligenz oder Halbleitern.
In einem nächsten Schritt müssen nun die Verträge zwischen EU-Kommission und den Konsortien ausgehandelt werden. Der Europäische Verteidigungsfonds verfügt für die Haushaltsperiode bis 2027 über ein Budget von knapp acht Milliarden Euro. sti
Kroatien wird nach dem Euro-Beitritt das 20. Mitglied im europäischen Rettungsfonds ESM. Dieser teilte am Montag mit, der aus den Euro-Finanzministern bestehende ESM-Verwaltungsrat habe den entsprechenden Antrag Kroatiens gebilligt.
Der Balkan-Staat führt die europäische Gemeinschaftswährung zum 1. Januar 2023 ein. Ende Juli hatte die Regierung in Zagreb auch einen Antrag gestellt, Teil des ESM werden zu wollen. Mit dem ESM-Beschluss könne dies nun umgesetzt werden. Kroatien müsse dafür noch den ESM-Vertrag ratifizieren. Sobald dies geschehen sei, werde das Land offiziell Mitglied.
Der 500 Milliarden Euro schwere ESM wurde als Reaktion auf die europäische Staatsschuldenkrise vor zehn Jahren gegründet, um Ländern zu helfen, die vom Kapitalmarkt abgeschnitten wurden. rtr
Die EU-Kommission will die illegale Migration über den Westbalkan in die Europäische Union mit einem Aktionsplan eindämmen. “Unser Ziel ist es, durch diese abgestimmten Maßnahmen die Zahlen zu senken”, sagte EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas am Montag.
Über Serbien, Albanien und die anderen Westbalkan-Länder waren zuletzt deutlich mehr Menschen in die EU gekommen. Allein im Oktober wurden nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex 22.300 unerlaubte Grenzübertritte gezählt – fast dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum.
Der nun vorgelegte Aktionsplan sieht unter anderem vor, die Grenzkontrollen entlang der Westbalkan-Route deutlich zu verstärken, auch mithilfe der EU-Grenzschutztruppe Frontex. Außerdem sollen Rückführungen abgelehnter Asylsuchender beschleunigt und zugleich das Asylsystem der Balkanstaaten gestärkt werden. “Jeder, der irregulär einreist, muss registriert werden, sonst funktioniert unser System nicht richtig”, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.
Anträge sollen künftig schneller bearbeitet und die Möglichkeiten zur Unterbringung Schutzsuchender verbessert werden. Mithilfe der EU-Polizeibehörde Europol soll zudem der Kampf gegen die Schleusung von Migranten über Landesgrenzen hinweg verstärkt werden.
Außerdem hält die EU den Druck auf die Balkanländer aufrecht, ihre Visa-Politik an die der Europäischen Union anzugleichen. Zuletzt hatte Serbien bereits die Visumfreiheit für Reisende aus Tunesien und Burundi aufgehoben. Nach Ansicht der EU-Kommission sollen weitere Staaten folgen. Dies dürfte auch beim am heutigen Dienstag stattfindenden EU-Westbalkan-Gipfel in der albanischen Hauptstadt Tirana Thema sein. dpa
Seine Großeltern waren durch die deutsch-deutsche Grenze voneinander getrennt, zur Schule ging er in Neustadt bei Coburg – in unmittelbarer Nähe zur DDR. Das dürfte ein Grund sein dafür, dass Michael Gehler früh ein Interesse an Geschichte entwickelte. “Ich wollte herausfinden, was hinter Entscheidungen steckt. Das geschichtswissenschaftliche Interesse für die EU ist ganz nebenbei entstanden”, sagt er.
Seit 2006 lehrt der gebürtige Innsbrucker Neuere Deutsche und Europäische Geschichte an der Universität Hildesheim. Bereits viermal verlieh ihm die Europäische Kommission den Jean-Monnet-Chair – eine Mischung aus Fördermitteln und Ehrung für eine dreijährige Lehrveranstaltung über europäische Geschichte. Gehler ist einer der wenigen deutschen Professoren, die diese Auszeichnung erhalten haben.
Mit Interesse beobachtet der Geschichtsprofessor auch die europäische Energiepolitik, denn diese habe lange keine große Rolle in der EU gespielt. Dabei hätten sich die heutigen Probleme mit der Gasversorgung lange angekündigt: Schon 2014, Günther Oettinger war da noch Energiekommissar, hatte Russland bewiesen, dass es bereit ist, den Gashahn zuzudrehen. Damals traf es die Ukraine.
Die EU stecke beim Thema Energie in einem Dilemma: “Wir haben den Traum von einem europäischen Energiepool. Geregelt wird aber alles national auf unterschiedlichsten Wegen.”
Putins Krieg in der Ukraine setzt die EU auch im Thema Verteidigung unter Druck. Die einst so pazifistische Institution sieht sich jetzt mit einem Krieg unmittelbar vor den eignen Toren konfrontiert. Gehler ist davon auch persönlich nicht unberührt. Sein Vater kämpfte an der Ostfront, saß später in russischer Kriegsgefangenschaft und schärfte seinem Sohn ein: “Du wirst niemals eine Waffe in die Hand nehmen!” Mit dem Blick des Historikers kommt Gehler aber zu anderen Schlüssen, “Ich muss offen sagen, wären diese Waffenlieferungen nicht erfolgt, fürchte ich, wären Kiew und die Westukraine vermutlich schon in russischer Hand.”
Den aktuellen Fokus auf Verteidigung sieht er dennoch kritisch, “Die Art, wie wir Frieden derzeit umsetzen, zeigt sich in einem Hype der Rüstungsindustrie und einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Solche Investitionen gehen zulasten von Bildung, Forschung und Sozialpolitik.” Eine europäische Armee kann er sich derzeit nicht vorstellen. Emmanuel Macron ist der oberste Befehlshaber der französischen Armee, die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee – diese Interessen zu vereinen, sei schwer vorstellbar.
Mit drei Millionen Geflüchteten in der Türkei, dem Brexit und dem Krieg in der Ukraine liege die Zukunft der EU vor allem im Erhalt der Union. “Wenn wir es schaffen, den derzeitigen Stand und den Zusammenhalt zu wahren, ist schon sehr viel erreicht”, so Gehler. Die EU habe immer noch die Möglichkeit, andere Länder zu inspirieren. “Sie können in Europa gegen ihren eigenen Staat klagen und Menschenrechte einfordern, auch wenn es kompliziert ist. Damit ist Europa einzigartig.”
Gehlers größte Hoffnung liegt aber im Kleinen: “Die EU kann man in den Städten am besten erleben. Solange wir europäische Bürgermeister und Städtepartnerschaften haben, geht es voran. Wir sollten die Regionen nicht vergessen. Wenn die ihre Interessen in der EU vertreten können, kann auch so manche Spannung mit den Staaten abgefedert werden.”
Die Verbundenheit zur Europäischen Union hat Michael Gehler an seine Kinder weitergegeben. Drei haben bereits ein Erasmus-Semester in einem anderen EU-Land gemacht. Svenja Schlicht
Es war die Nachricht des Tages gestern in Luxemburg: Jean Asselborn, leidenschaftlicher Rennradfahrer, wurde am Knie operiert. Eine Tragödie in vier Etappen.
Düstere Stimmung bei den Luxemburger Sozialisten. Nächstes Jahr sind Parlamentswahlen in Luxemburg. Was, wenn das treue sozialistische Zugpferd, Stimmenfänger und Mann vom Volke, sich nicht auf sein Rennrad schwingen kann?
Die Beziehung zwischen dem Außenminister und seinem Fahrrad ist von nationalem Interesse. Solange Jang den Mont Ventoux hochkommt, will er dem Land weiter dienen – als Minister und zweitbeliebtester Politiker, seit es Vizepremierministerin “Paulette nationale” gibt.
Der Mont Ventoux. Das ist der gefürchtete Berg aller Tour-de-France-Fahrer und Möchtegernradlegenden. Länge: 21 Kilometer. Höchster Punkt: 1901 Meter. Durchschnittliche Steigung: 7,5 Prozent.
Jeden Sommer, wenn der gemeine Politiker sein Strandnickerchen hält, schwingt sich Jean Asselborn im engen Sportleroutfit aufs Rennrad und fährt los. Wind, Sonne und Regen können ihn nicht aufhalten. Der dienstälteste Außenminister Europas macht es Größen wie Jan Ulrich und Frank Schleck nach und erobert den Mont Ventoux.
Es ist das Highlight der Sommerpause: Gelangweilte Urlauber und Journalisten auf der Suche nach Themen können Jangs Fortschritt live verfolgen. Selfies und Facebook sei Dank! Tatsächlich besteht Asselborns Facebook-Profil zu großen Teilen aus Fotos, die ihn auf dem Rad zeigen.
Beispiel: 13. August 2022. Neongelbe Weste, schwarze Leggings. Jang saß ganze 4 Stunden und 13 Minuten auf dem Fahrrad. Strecke: 86,74 Kilometer. Durchschnittliche Geschwindigkeit: 20,5 Stundenkilometer. 752 verbrauchte Kalorien. So verstoffwechselt man als Außenministerprofi die vielen Staatsbankette, Dinner und Working Lunches.
Was also, wenn Asselborn, im Volksmund auch Quasselborn genannt, in diesem Jahr auf seine Radtouren verzichten muss? Und sich auch im Wahljahr nicht jedes Wochenende mit dem Fahrrad auf einer Dorffeier (Luxemburgisch: Dëppefest) zeigen und seine Bürgernähe per Foto festhalten kann?
Gut, dass Jean Asselborn am Tag vor seiner OP mit gewohntem Optimismus das Volk beruhigt. Das Fahrrad steht bereits im Wohnzimmer, damit das Knie direkt nach der OP wieder trainiert wird. “Es gibt Leute, die sind an beiden Knien und beiden Hüftseiten operiert und fahren trotzdem noch Fahrrad. Man kann mir die Politik wegnehmen, aber nicht das Fahrrad“, sagte er denn auch dem “Tageblatt”.
Erleichterte Seufzer in der Parteizentrale. Die Wahlen sind gerettet.
Wir wünschen gute Besserung.