wie lange müssen sich die europäischen Partner von Ungarn noch vorführen lassen? In Brüssel kommen heute beziehungsweise morgen die Außen- und Verteidigungsminister der EU zusammen, wobei neben der Lage in Nahost einmal mehr Ungarns Blockadehaltung bei der Unterstützung der Ukraine im Fokus stehen dürfte.
Eigentlich dachte man, mit den sogenannten Windfall profits auf die eingefrorenen russischen Zentralbankgelder endlich einen eleganten Weg gefunden zu haben: 2,7 Milliarden Euro an frischem Geld würden alleine in diesem Jahr zur Verfügung stehen, um erstmals ohne Umweg Munition und Rüstungsgüter für die Ukraine einkaufen zu können. Doch nach der politischen Einigung blockiert Budapest nun die rechtliche Umsetzung – die Voraussetzung für erste Beschaffungen Anfang Juli.
Beim Thema Ungarn müsse er inzwischen zu Beruhigungspillen greifen, um nicht die Nerven zu verlieren, formulierte ein EU-Diplomat sarkastisch. Budapest nutze jede Gelegenheit, um die Fähigkeit der Ukraine zu schwächen, sich gegen einen Aggressor zu verteidigen. Ungarns Verhalten sei “haarsträubend”.
Dabei wird die Liste der Blockaden immer länger. Seit bald einem Jahr verhindert Ungarn die Freigabe einer achten Tranche aus dem gemeinsamen Topf. Zu früh gefreut haben sich die europäischen Partner auch über die Einigung, die Friedensfazilität um fünf Milliarden Euro aufzustocken. Das Geld steckt fest. Inzwischen sind auch die neunte sowie zehnte Tranche blockiert. In Polen soll der Ärger groß sein, weil das Land inzwischen auf Rückerstattungen in der Höhe von 400 Millionen Euro aus dem Topf wartet.
Ungarns Außen- und Verteidigungsminister müssen sich beim Treffen in Brüssel also auf deutliche Worte gefasst machen. Ob das in Budapest Eindruck macht, ist allerdings fraglich.

Herr Schmit, wie schwierig ist es, Wahlkampf gegen die eigene Chefin zu machen?
Im Wahlkampf ist Ursula von der Leyen nicht meine Chefin, sie ist einfach eine andere Kandidatin. Und wir stehen für unterschiedliche politische Richtungen. Im persönlichen Umgang haben sie und ich ansonsten eine sehr korrekte Beziehung und kennen uns schon lange, aus der Zeit, als ich in Luxemburg Arbeitsminister und sie in Deutschland Arbeitsministerin war.
Der Europawahlkampf ist zumindest in Deutschland bislang wenig wahrnehmbar. Sie haben Frau von der Leyen bei der TV-Debatte am Donnerstag auch nur dafür angegriffen, dass sie sich nicht scharf genug von den Rechtsaußen abgrenze.
Dafür in der Tat, aber nicht nur: Ich habe sie zum Beispiel auch für das Migrationsabkommen mit Tunesien kritisiert, das ich für unvereinbar mit europäischen Werten halte.
Wo ziehen Sie für die Sozialdemokraten die rote Linie für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der EVP nach der Wahl? Wenn Frau von der Leyen offen mit Giorgia Meloni über eine Zusammenarbeit spricht?
Wenn es eine Absprache zwischen beiden gibt, mit Bedingungen Melonis, dann wird das für uns Sozialdemokraten zu einem Problem. Von der Leyen will uns weismachen, dass es gute Rechtsextremisten gibt und schlechte.
Meloni ist für Sie eine Rechtsextremistin?
Sie ist politisch extrem rechts. Für Frau von der Leyen ist sie aber wohl eine Konservative. Ich habe das Gefühl, dass sie die Nähe von Frau Meloni sucht, aber ihr dabei gar nicht richtig zuhört.
Ist Meloni Ihrer Meinung nach nicht so “klar pro-europäisch”, wie von der Leyen meint?
Da muss ich schon fast lachen, bitter lachen. Meloni ist schlau, sie schlägt natürlich nicht im Europäischen Rat mit der Faust auf den Tisch – obwohl sie das vor ihrer Wahl angekündigt hatte. Aber ihre Vision ist sicher nicht ein starkes, integriertes Europa. Sie will die Nation stärken. Sie ist eine Nationalistin. Deutsche Christdemokraten wie Helmut Kohl haben früher jedenfalls ganz andere Vorstellungen vertreten.
Hat Meloni womöglich aus den Erfahrungen von Viktor Orbán oder der polnischen PiS-Regierung die Lehre gezogen, sich nicht offen mit Brüssel anzulegen?
Sie weiß, dass sie nicht mit dem Brecheisen an die Sache herangehen kann. Aber man muss ihr nur zuhören, etwa kürzlich beim Treffen von Rechtsaußen-Parteien in Madrid mit Personen wie Orbán, Le Pen und Abascal. Und sie geht jetzt langsam, aber sicher in Italien vor. Nehmen Sie die Medien: Die Berlusconi-Sender sind bereits auf der Linie der Regierung, nun will sie auch das staatliche Fernsehen unter Kontrolle bringen. Diese Linie unterscheidet sich nicht so sehr von der Orbáns oder der PiS. Aber Europa ist eine Wertegemeinschaft. Und die europäische Demokratie muss wehrhaft sein.
Laut den aktuellen Prognosen wird es im neuen Europaparlament keine Mehrheit mehr links der EVP geben. Ohne die Christdemokraten ginge dann nichts mehr. Ist es das, was Sie wirklich stört?
Es gibt wahrscheinlich auch keine Mehrheit ohne die Sozialdemokraten. Und nach den bisherigen Umfragen ist es kaum denkbar, dass es eine stabile rechte Mehrheit geben wird von EVP, EKR und ID. Marine Le Pen hat ja auch gesagt, sie werde auf keinen Fall für von der Leyen stimmen. Natürlich setzt all das aber voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger jetzt auch wirklich zur Wahl gehen und gegen einen Rechtsruck in Europa stimmen.
Was verlangen die Sozialdemokraten dafür, dass sie Frau von der Leyen wählen?
Zunächst einmal muss die EVP stärkste Partei werden, das ist noch nicht ausgemacht.
Nun gut.
Unabhängig davon, aus welcher Position heraus wir die Gespräche führen, gilt: Wir fordern, die sozialen Rechte weiter zu stärken. Zum Beispiel brauchen wir bessere öffentlichen Dienstleistungen, etwa in der Gesundheitsversorgung und im sozialen Wohnungsbau. Unsere zweite Bedingung ist, den Green Deal fortzusetzen, verbunden mit einem stärkeren sozialen Ausgleich. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, können wir jetzt keine Pause einlegen. Und drittens ist es notwendig, eine stärker europäisch koordinierte und finanzierte Industriepolitik zu machen.
Und das wollen Sie in einer Art Koalitionsvereinbarung schriftlich festhalten?
Wir brauchen eine solide Absprache. Es gab ja schon in dieser Legislatur eine gewisse Koalitionsabmachung. Frau von der Leyen hat sich auch darangehalten. Der europäische Mindestlohn etwa war nicht für jeden in der CDU eine schöne Sache.
Und wie wird das ablaufen? Am Tag nach der Wahl setzt man sich zusammen und beginnt mit den Gesprächen?
Ich gehe davon aus, dass auf verschiedenen Ebenen Gespräche geführt werden, mit den Liberalen und mit der EVP. Dann stellt sich die Frage: Was ist mit den Grünen? Da scheint ja die EVP nicht sonderlich begeistert zu sein, obwohl die CDU in einigen Bundesländern mit den Grünen regiert. Dann sprechen wir über die großen Themen, die in der nächsten Legislatur von der Kommission bearbeitet werden müssten.
Aber zunächst verhandeln Sie über die Verteilung der Spitzenposten, richtig?
Wir müssen sehen, was die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen am 17. Juni machen. Beim letzten Mal haben sie sich nicht an das Spitzenkandidatenprinzip gehalten. Ich habe die Erwartung, dass das dieses Mal anders läuft.
Wie lesen Sie diese Gerüchte, wonach Emmanuel Macron und Giorgia Meloni noch den früheren EZB-Chef Mario Draghi einwechseln könnten? Wollen sie von der Leyen dadurch Zugeständnisse abringen?
Für manche scheint Mario Draghi ja für alles Mögliche gut zu sein…
Als künftiger Ratspräsident aus Ihrer Parteienfamilie wird António Costa aus Portugal gehandelt. Haben Sie noch Hoffnung, dass er die Justizermittlungen gegen sich rechtzeitig loswerden kann?
Das Verfahren scheint mir im Sand verlaufen zu sein. Seit vielen Monaten geschieht nichts. Ich sehe nicht, dass António Costa belastet wäre.
Manfred Weber beansprucht, mit Roberta Metsola weiterhin die Präsidentin des Europaparlaments zu stellen. Gönnen Sie ihm das?
Es ist nicht mein Job, jetzt die Posten zu verteilen. Das werden wir nach den Wahlen klären müssen und hängt von vielen Faktoren ab. Auch davon, wie die EVP sich zu den Rechten stellt.
Und Sie selbst? Würde Sie als gelernter Diplomat der Posten des Außenbeauftragten interessieren?
Darüber möchte ich nicht spekulieren.
Sie haben vorhin einige der inhaltlichen Fragen für die nächste Legislatur angerissen, ich würde gerne noch etwa mehr in die Tiefe bohren. Das Thema bezahlbares Wohnen ist bislang Sache der Mitgliedstaaten und der Kommunen. Was kann und sollte die EU hier tun?
Sie haben recht, das ist im Kern eine Sache der Nationalstaaten. Ich beanspruche hierfür auch keine ausgeweitete Kompetenz. Aber die Probleme der Wohnungspolitik gehen viel tiefer: Wenn Menschen bis weit in die Mittelklasse 30 bis 40 Prozent ihres Einkommens für Miete ausgeben, wirft das sozialpolitische Fragen auf. Wo auch immer ich hinfahre in Europa, drängt das Thema bezahlbares Wohnen.
Was wollen Sie konkret tun?
Wir könnten auf EU-Ebene erstens mehr finanzielle Mittel bereitstellen, aus den Kohäsionsfonds und über die Europäische Investitionsbank, um in Wohnungen zu investieren. Zweitens müssen wir uns wieder besinnen auf den Fakt, dass Wohnungsbau nicht allein den Marktkräften überlassen werden kann und nicht der Spekulation dient. Die Staaten brauchen hier mehr Handhabe, um bezahlbaren und sozialen Wohnraum zu schaffen. Dafür müssen wir zum Beispiel auch darüber diskutieren, die Beihilferegeln zu lockern.
Wollen Sie den Mitgliedsstaaten verbindliche Ziele vorgeben für sozialen Wohnungsbau?
Da bin ich eher skeptisch. Ein anderer Ansatzpunkt sind die Kurzzeitvermietungen. Ich habe nichts gegen Airbnb, aber in attraktiven Städten wie Barcelona hat die hohe Zahl an Touristen vermieteter Appartements katastrophale Folgen für den Wohnungsmarkt. Deshalb brauchen wir Regeln, um das bis zu einem gewissen Grad einschränken zu können.
Was halten Sie von einem europaweiten Rahmen für Mietpreisdeckel, wie ihn der Linken-Spitzenkandidat Walter Baier fordert?
Es klingt ganz schön, aber ich denke, dass primär die nationalen Regierungen dafür sorgen müssen, dass die Mieten nicht durch die Decke gehen. Europa muss aber genau dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen.
Eine andere Forderung ihrer Parteienfamilie ist, die Mindesteinkommen stärker zu regeln, also über die Empfehlungen der Kommission hinaus. Was konkret schwebt Ihnen da vor?
Wir haben im vergangenen Jahr in der Kommission darüber diskutiert, ich habe mich dann für eine Empfehlung entschieden. Es wird jetzt gefordert, im Grunde das, was in der Empfehlung steht, in eine Richtlinie zu gießen. Ich bin dafür.
Sie sprachen davon, der Green Deal müsse sozial stärker abgefedert werden. Ist der beschlossene Klima-Sozialfonds mit seinen 65 Milliarden Euro zu klein?
Ja, das reicht nicht. Europa kann hier mehr tun. Aber es ist auch eine nationale Aufgabe, den Menschen Geld zurückzugeben, das sie etwa im Rahmen des Emissionshandels mehr bezahlen. Klimaschutz ja, aber mit starker sozialer Abfederung und fairen Chancen für alle – darum muss es gehen.
Schon der Ablauf war ein Symbol: Nicht mit militärischen Ehren begann der Staatsbesuch von Emmanuel Macron, sondern auf dem Demokratiefest. Mit dem französischen Präsidenten als einzigem ausländischen Gast feierte Frank-Walter Steinmeier am Sonntagnachmittag 75 Jahre Grundgesetz, und das Ganze symbolträchtig zwischen Parlament und Kanzleramt. Gemeinsam die Demokratie zu würdigen, sei “ein Beweis für die Tiefe der deutsch-französischen Freundschaft”, sagte der Bundespräsident beim Bühnengespräch.
Macron wird am Montag in Dresden vor der Frauenkirche eine Europa-Rede halten, die an seine zweite Sorbonne-Rede anknüpfen soll. In Berlin verwies er deshalb auch auf das 35-jährige Jubiläum des Mauerfalls. Die Wiedervereinigung sei nicht nur eine Wiedervereinigung Deutschlands gewesen, sondern auch “eine unseres Europas”. Über die derzeit als schwierig geltenden deutsch-französischen Beziehungen sagte der Franzose, das könne man seit 75 Jahren beobachten: Immer wieder sei von Krise die Rede – und doch habe man gemeinsam Außergewöhnliches erreicht. Auch Steinmeier betonte, er sehe die Zusammenarbeit “nicht so kritisch, wie sie in manchen Kommentaren gesehen wird”.
Macron beschwor zugleich die Verteidigung Europas und warnte vor den Feinden der Demokratie, im Innern wie von außen. Frankreichs Präsident betonte, auch in den Demokratien sei eine gefährliche Faszination für das Autoritäre und Nationalistische entstanden, obwohl viele Erfolge mit nationalistischer Politik nie hätten erreicht werden können. Steinmeier beschwor das Gemeinsame, Macron appellierte daran, das Gemeinsame abzusichern.
Das Arbeitsverhältnis von Macron und Kanzler Olaf Scholz ist hingegen weniger harmonisch. Der Ärger über Macrons Vorstoß für europäische Soldaten in der Ukraine ist in Berlin noch nicht ganz verraucht, der innenpolitisch unter Druck stehende Präsident wird als zunehmend erratisch agierend wahrgenommen.
Hinzu kommen harte Interessensgegensätze, die beim deutsch-französischen Ministerrat am Dienstag zur Sprache kommen dürften. Insbesondere in der Handelspolitik: Macron dringt auf ein robustes Abschotten gegen chinesische Billigexporteure, insbesondere bei Elektroautos. Scholz lehnt Schutzzölle ab, aus Sorge vor Pekings Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Autobauer. Der Kanzler schlug vor dem Hintergrund auch die Einladung Macrons aus, den chinesischen Staatschef Xi Jinping in Paris gemeinsam zu empfangen.
Scholz ärgert sich zudem über Macrons Blockade des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten. Er ließ den Punkt eigens auf die Agenda des jüngsten EU-Gipfels setzen. Der Handelsdeal verspricht zusätzliche Milliardenexporte für die deutsche Industrie. Die französischen Bauern aber gehen wegen der befürchteten Konkurrenz aus Südamerika auf die Straßen. Nach dem Fest vom Sonntag werden beim gemeinsamen Ministerrat auf Schloss Meseberg konkreter die Baustellen zur Sprache kommen. tho/okb
Knapp zwei Wochen vor der Europawahl hat die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen eine Zusammenarbeit mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ins Gespräch gebracht. “Jetzt ist der Moment, um sich zu vereinen”, sagte Le Pen vom Rassemblement National (RN) am Samstag der italienischen Zeitung Corriere della Sera. “Wenn wir Erfolg haben, können wir die zweitgrößte Fraktion im Europäischen Parlament werden. Ich denke, eine solche Gelegenheit sollte man sich nicht entgehen lassen”, so Le Pen.
Sie und Meloni seien sich in den wesentlichen Fragen einig, sagte Le Pen. Beide Politikerinnen gehören derzeit zwei verschiedenen Fraktionen im Europäischen Parlament an: Der RN gehört der rechtsextremen Fraktion ID (Identität und Demokratie) an, Melonis Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR).
In der ID-Fraktion kam es kürzlich zum Bruch. Nach massiver Kritik an Äußerungen des EU-Spitzenkandidaten der deutschen AfD, Maximilian Krah, zur SS war die AfD aus der ID-Fraktion ausgeschlossen worden. Den Stein ins Rollen brachte Le Pens RN. Beobachter mutmaßen, dass Le Pen sich nun an Meloni und ihre Fratelli annähern möchte, um neue Allianzen in Europa zu schließen. dpa
Die baltischen Staaten und Deutschland legen am heutigen Montag einen Plan vor, mit dem sie die Wettbewerbsfähigkeit Europas sichern wollen. Unter dem Titel “Einfach machen: Unser Plan für ein innovativeres Europa” enthält dieser Maßnahmen zur Förderung von Innovation und technologischer Transformation. Bundesdigitalminister Volker Wissing präsentiert die Vorschläge für eine innovationsfreundliche Digitalpolitik heute mit Aušrinė Armonaitė (Litauen), Inga Bērziņa (Lettland) sowie Tiit Riisalo (Estland), sie lagen Table.Briefings vorab vor.
Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte Wissing bei der Digitalisierung eine engere Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten begonnen. Deutschland, Estland, Lettland und Litauen schlossen sich dafür im Innovationsklub zusammen. Im Kern fordern sie eine Reduzierung der regulatorischen Belastungen, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) und Start-ups. So fordern sie, die Transparenz und Vorhersehbarkeit regulatorischer Prozesse zu verbessern und die Berichtspflichten um 25 Prozent zu reduzieren.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau einer nachhaltigen und widerstandsfähigen digitalen Infrastruktur. Die vier Minister betonen die Notwendigkeit, Investitionen in Hochleistungsrechenzentren und grenzüberschreitende Datenverbindungen zu fördern sowie die Netzneutralität zu wahren.
Die Beteiligten unterstreichen auch die Bedeutung einer starken Datenökonomie. Sie empfehlen, bestehende Datenschutzrahmen konsequent umzusetzen und Technologien zur Verbesserung des Datenschutzes zu fördern. Dies soll die Wiederverwendung sensibler Daten ermöglichen und gleichzeitig die Privatsphäre schützen.
Schließlich fordert der Innovationsklub eine aktivere Beteiligung Europas an internationalen Standardisierungsgremien. Einheitliche Datenstandards sollen die Interoperabilität und den Datenaustausch erleichtern und somit die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen stärken.
Mit diesen Maßnahmen will der Innovationsklub die Voraussetzungen schaffen, um das Potenzial von Künstlicher Intelligenz und anderen aufstrebenden Technologien voll auszuschöpfen zu können. vis
Die wirksame Umsetzung des Digital Services Act soll kein bloßes Abhaken von Compliance-Boxen sein, fordern Sally Broughton Micova und Daniel Schnurr vom Brüsseler Thinktank Centre on Regulation in Europe (Cerre). Stattsessen sollten die Aufsichtsbehörden darauf achten, die Schäden zu verringern. In ihrem aktuellen Papier schlagen sie dafür einige Metriken und Arten von Daten vor. Sie sollen dabei helfen zu verstehen, “ob die vorgeschlagenen Maßnahmen dazu beitragen, die identifizierten negativen Auswirkungen zu verhindern und ein systemweites Lernen ermöglichen”.
Im März hatte die EU-Kommission Leitlinien für die Minderung systemischer Risiken für Wahlen vorgeschlagen. Diese gelten für die im Digital Services Act (DSA) benannten sehr großen Online-Plattformen und Suchmaschinen (VLOP und VLOSE). Damit will die Kommission Internetnutzerinnen und -nutzer vor Beeinflussung und Desinformation schützen.
Diese Leitlinien halten die Cerre-Autoren jedoch nicht für ausreichend. Außerdem enthielten sie keine Benchmarks, um den Erfolg oder Misserfolg der vorgeschlagenen Maßnahmen bewerten zu können. Die von Cerre vorgeschlagenen Benchmarks und ein Rahmenwerk sollen diese Lücke schließen, um die negativen Auswirkungen auf Wahlprozesse zu verstehen, die VLOP- und VLOSE-Anbieter mindern sollen.
Das Cerre gibt fünf Handlungsempfehlungen. So sollten etwa das European Board for Digital Services und das European Cooperation Network on Elections bei der Entwicklung einer Evaluierungs- und Lernstrategie zusammenarbeiten. Dabei sollen sie die Verwendung von Datenzugriffsanfragen und die Anwendung der in den Leitlinien der Kommission empfohlenen zusätzlichen wahlspezifischen Anforderungen steuern.
Als eine Metrik schlägt das Cerre vor, Reaktionszeiten bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen zu messen. Diese könne Aufschluss darüber geben, wie schnell und effektiv Plattformen auf Probleme reagierten. vis
Beim Wettbewerbsfähigkeitsrat in Brüssel haben die Industrieminister der Mitgliedstaaten am Freitag über einen Vorstoß der Niederlande und sieben weiterer Mitgliedstaaten diskutiert, der territoriale Handelseinschränkungen innerhalb des Binnenmarkts bekämpfen will. Der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) unterstützte den Vorstoß, der die Konsumentenpreise in der EU künstlich erhöht.
“Deutsche Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel scheinen ebenfalls von territorialen Handelseinschränkungen betroffen zu sein”, sagte Giegold in der Ratsdebatte. Produzenten würden Einzelhändlern je nach Niederlassungsort für identische Produkte unterschiedliche Preise anbieten, argumentierte der Staatssekretär.
Die Kommission hatte schon 2020 gewarnt, dass solche Handelseinschränkungen die Konsumenten jährlich 14 Milliarden Euro kosteten. Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager beklagte jedoch, dass die Behörde nur wenig Instrumente zur Verfügung habe, um gegen dieses Verhalten vorzugehen. Nur wenn ein Kartell nachgewiesen wird, könne die Kommission wettbewerbsrechtlich eingreifen.
Für zusätzliche Instrumente braucht es legislative Änderungen, die auch von den Mitgliedstaaten gestützt werden. Aber dies sei bisher sehr kontrovers gewesen, sagte Vestager. jaa
Die sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) haben sich darauf geeinigt, gemeinsam Chinas Überkapazitäten zu beobachten. Außerdem ziehen sie Maßnahmen gegen die Handelspolitik des Landes in Betracht. Das erklärten die Finanzminister und Notenbankchefs der G7 zum Abschluss ihres Treffens im norditalienischen Stresa.
Unfaire Handelspraktiken Pekings – etwa durch hohe Subventionen für chinesische Konzerne – seien ein Grund zur Sorge. Der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wird vorgeworfen, ausländische Märkte mit Produkten zu Dumping-Preisen zu fluten. Die G7-Gruppe erwägt Schritte bei der Welthandelsorganisation, um auf einen fairen Wettbewerb hinzuwirken.
US-Finanzministerin Janet Yellen zufolge könnte es auch für andere Länder angemessen sein, Schritte gegen China zu unternehmen. Die US-Regierung hatte unter anderem vor kurzem die Zölle für chinesische E-Autos vervierfacht. rtr
Ratspräsident Charles Michel hat den russischen Bombenangriff auf einen Baumarkt in der ukrainischen Großstadt Charkiw mit mindestens zwölf Toten als “widerwärtig” verurteilt. Es sei “kriminell”, Zivilisten im Zuge des Angriffskriegs zu terrorisieren. “Gemeinsam können wir Russlands brutale Angriffe stoppen. Wir müssen dringend bei einer umfassenden Luftverteidigung vorankommen”, schrieb der belgische Politiker am Sonntag auf X.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert seit Monaten von den westlichen Verbündeten, weitere Luftverteidigungssysteme zu liefern. Die Bundesregierung sagte daraufhin die Lieferung eines weiteren “Patriot”-Systems zu. Kanzler Olaf Scholz forderte die anderen Mitgliedstaaten zudem auf, nachzuziehen. Bislang blieb der Aufruf aber weitgehend ohne Resonanz.
Nach Angaben des ukrainischen Innenministers Ihor Klymenko wurden bei der Attacke auch 43 Menschen verletzt; zudem würden noch 16 vermisst. Zur Zeit der Attacke befanden sich dort rund 200 Menschen. Während das russische Militär später behauptete, in dem Kaufhaus sei ein Waffenlager versteckt gewesen, verurteilte Selenskyj den Angriff als “eine weitere Manifestation des russischen Wahnsinns”. dpa/tho

Die Europäische Union hat sich mit dem Green Deal ambitionierte Klimaziele gesetzt, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein wesentlicher Baustein zur Erreichung dieser Ziele soll der Net-Zero Industry Act (NZIA) sein, der auf die Förderung neuer Technologien und deren Anwendung in der Wirtschaft abzielt, um CO₂-Emissionen zu verhindern, zu verringern oder zu speichern. So könne das Potenzial des Binnenmarktes genutzt werden, um Europas Führungsrolle im Bereich grüner Industrietechnologien weiter zu stärken.
Aber: Wir dürfen den NZIA noch nicht als Erfolg feiern, denn der Teufel liegt im Detail bzw. der Umsetzung. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der NZIA nur ein Teil der Lösung ist und wir weitere gesellschaftliche und regulatorische Ansätze bedürfen, um uns der Klimakrise zu stellen.
Aufgabe der Mitgliedstaaten wird ein Instrument sein, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn Ausnahmen einer Regulierung im Sinne der Sache ermöglicht werden sollen: “Regulatory Sandboxes”. Diese Testumgebungen sollen es Unternehmen ermöglichen, neue Technologien und Geschäftsmodelle unter erleichterten Bedingungen zu entwickeln und zu erproben – explizit auch Start-ups.
Für Climate Tech-Start-ups bieten die Regulatory Sandboxes die Möglichkeit, ihre innovativen Lösungen im Sinne des NZIA weiterzuentwickeln. Die Sandboxes ermöglichen es, in einem kontrollierten Rahmen zu testen, wie neue Technologien in der Praxis funktionieren und welche Anpassungen nötig sind, um sie breitenwirksam einsetzen zu können. Dies reduziert das Risiko für Investoren und Unternehmen und fördert gleichzeitig die Entwicklung zukunftsweisender Technologien. Anders ausgedrückt: Start-ups können so ihre Technologien schneller zur Marktreife bringen.
Zumindest in der Theorie. Aufgrund der Dringlichkeit, klimafreundliche Technologien zum Einsatz zu bringen, wirkt der mit dem NZIA auf den Weg gebrachte Förder-Apparat recht träge. Vermutlich vergehen noch ein bis zwei Jahre, ehe die Mitgliedstaaten die nötigen Strukturen für die Umsetzung entwickelt haben. Denn – so heißt es – die EU-Länder sollen administrative, kommunikative und finanzielle Hilfe zur Nutzung der Sandboxes durch KMU und Start-ups auf die Beine stellen. Das dauert.
Gleichzeitig besteht die Herausforderung, eine Balance zwischen Innovation und Regulierung zu finden. Die Testumgebungen müssen so gestaltet sein, dass sie genug Freiheit für Experimente bieten, gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesellschaft entstehen. Zumal auch Nuklear-Technologien zu den geförderten zählen.
Die EU und die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass ausreichend Mittel für die Unterstützung von Projekten innerhalb der Sandboxes bereitgestellt werden. Dies könnte durch spezielle Förderprogramme, Steuererleichterungen oder Public-Private-Partnerships erreicht werden. Gestaltungsspielraum sieht der NZIA jedenfalls vor.
Ein Knackpunkt der Sandboxes wird sein, die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen (und staatlichen Institutionen) so zu gestalten, dass Synergien genutzt und neue Lösungen schnell umgesetzt werden können. Dieser Moment, wo die eigentliche Magie passieren soll, ist schwierig zu kreieren.
Meine Idee: Regulatory Sandboxes sollten als Chance für Corporate Venturing verstanden und speziell gefördert werden. Start-ups würden dann direkt in der Wirk- und Einflusssphäre der Unternehmen entstehen, die der NZIA adressiert. Eine direkte Verzahnung von Old und New Economy würde sich für etablierte Unternehmen doppelt auszahlen: Sie erreichen dank neuer Methoden und Technologien die Klimaziele im Kerngeschäft schneller und erweitern ihr Portfolio um lukrative Geschäftsmodelle. Für Gründer:innen bietet die Nähe zu Corporate Know-how und Support einen Vorteil gegenüber der Entwicklung neuer Lösungen im gänzlich Freien.
Climate Tech-Start-ups spielen eine zentrale Rolle für den Erfolg des Net-Zero Industry Acts und damit auch des Green Deals. Ihre Innovationskraft und Agilität sind entscheidend, um die technologischen Durchbrüche zu erzielen, die notwendig sind, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Durch die Unterstützung und Förderung dieser (Corporate) Start-ups können die Mitgliedstaaten der EU nicht nur ihre Klimaziele erreichen, sondern auch ihre Position als globaler Innovationsführer im Bereich der grünen Technologien stärken.
Simon Bail ist Gründer und Geschäftsführer des Climate-Action-Start-ups “OneClimate“.

Die Europäische Volkspartei hat Ursula von der Leyen bekanntlich zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahl gemacht, nur zu sehen war davon in ihrer deutschen Heimat bislang wenig. Auf den Wahlplakaten von CDU und CSU war die Kommissionspräsidentin jedenfalls nicht abgebildet. Manch Schelm mochte bereits böse dabei denken, die Union verstecke ihre Kandidatin lieber vor den Wählerinnen und Wählern.
Doch solch bösartige Gerüchte werden jetzt zerstreut: Am Wochenende haben die Wahlkampfhelfer der CDU neue Plakate aufgehängt: Sie zeigen von der Leyen und Friedrich Merz Seite an Seite. Den Endspurt bestreiten Parteichef und Kandidatin also zumindest an den Straßenrändern Hand in Hand. Am heutigen Montag weilt von der Leyen auch für Auftritte in Potsdam und Berlin.
Ansonsten lief die CDU-Kampagne am Wochenende nicht so rund. Erst mussten die Christdemokraten feststellen, dass ihre Online-Umfrage zum Verbrenner-Aus gekapert wurde. Ergebnis: Eine große Mehrheit lehnte das Aus für das Verbrenner-Aus ab, die Partei musste die Umfrage stoppen und sprach von “massiver Manipulation”. Dann tauchten in Sachsen gefälschte Wahlplakate auf, auf denen die Partei angeblich für ein Kalifat wirbt, und zwar in deutscher und in arabischer Sprache. Die CDU stellte sofort Strafanzeige. Aber wer den Schaden hat, braucht für den Spott bekanntlich nicht zu sorgen. Till Hoppe
wie lange müssen sich die europäischen Partner von Ungarn noch vorführen lassen? In Brüssel kommen heute beziehungsweise morgen die Außen- und Verteidigungsminister der EU zusammen, wobei neben der Lage in Nahost einmal mehr Ungarns Blockadehaltung bei der Unterstützung der Ukraine im Fokus stehen dürfte.
Eigentlich dachte man, mit den sogenannten Windfall profits auf die eingefrorenen russischen Zentralbankgelder endlich einen eleganten Weg gefunden zu haben: 2,7 Milliarden Euro an frischem Geld würden alleine in diesem Jahr zur Verfügung stehen, um erstmals ohne Umweg Munition und Rüstungsgüter für die Ukraine einkaufen zu können. Doch nach der politischen Einigung blockiert Budapest nun die rechtliche Umsetzung – die Voraussetzung für erste Beschaffungen Anfang Juli.
Beim Thema Ungarn müsse er inzwischen zu Beruhigungspillen greifen, um nicht die Nerven zu verlieren, formulierte ein EU-Diplomat sarkastisch. Budapest nutze jede Gelegenheit, um die Fähigkeit der Ukraine zu schwächen, sich gegen einen Aggressor zu verteidigen. Ungarns Verhalten sei “haarsträubend”.
Dabei wird die Liste der Blockaden immer länger. Seit bald einem Jahr verhindert Ungarn die Freigabe einer achten Tranche aus dem gemeinsamen Topf. Zu früh gefreut haben sich die europäischen Partner auch über die Einigung, die Friedensfazilität um fünf Milliarden Euro aufzustocken. Das Geld steckt fest. Inzwischen sind auch die neunte sowie zehnte Tranche blockiert. In Polen soll der Ärger groß sein, weil das Land inzwischen auf Rückerstattungen in der Höhe von 400 Millionen Euro aus dem Topf wartet.
Ungarns Außen- und Verteidigungsminister müssen sich beim Treffen in Brüssel also auf deutliche Worte gefasst machen. Ob das in Budapest Eindruck macht, ist allerdings fraglich.

Herr Schmit, wie schwierig ist es, Wahlkampf gegen die eigene Chefin zu machen?
Im Wahlkampf ist Ursula von der Leyen nicht meine Chefin, sie ist einfach eine andere Kandidatin. Und wir stehen für unterschiedliche politische Richtungen. Im persönlichen Umgang haben sie und ich ansonsten eine sehr korrekte Beziehung und kennen uns schon lange, aus der Zeit, als ich in Luxemburg Arbeitsminister und sie in Deutschland Arbeitsministerin war.
Der Europawahlkampf ist zumindest in Deutschland bislang wenig wahrnehmbar. Sie haben Frau von der Leyen bei der TV-Debatte am Donnerstag auch nur dafür angegriffen, dass sie sich nicht scharf genug von den Rechtsaußen abgrenze.
Dafür in der Tat, aber nicht nur: Ich habe sie zum Beispiel auch für das Migrationsabkommen mit Tunesien kritisiert, das ich für unvereinbar mit europäischen Werten halte.
Wo ziehen Sie für die Sozialdemokraten die rote Linie für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der EVP nach der Wahl? Wenn Frau von der Leyen offen mit Giorgia Meloni über eine Zusammenarbeit spricht?
Wenn es eine Absprache zwischen beiden gibt, mit Bedingungen Melonis, dann wird das für uns Sozialdemokraten zu einem Problem. Von der Leyen will uns weismachen, dass es gute Rechtsextremisten gibt und schlechte.
Meloni ist für Sie eine Rechtsextremistin?
Sie ist politisch extrem rechts. Für Frau von der Leyen ist sie aber wohl eine Konservative. Ich habe das Gefühl, dass sie die Nähe von Frau Meloni sucht, aber ihr dabei gar nicht richtig zuhört.
Ist Meloni Ihrer Meinung nach nicht so “klar pro-europäisch”, wie von der Leyen meint?
Da muss ich schon fast lachen, bitter lachen. Meloni ist schlau, sie schlägt natürlich nicht im Europäischen Rat mit der Faust auf den Tisch – obwohl sie das vor ihrer Wahl angekündigt hatte. Aber ihre Vision ist sicher nicht ein starkes, integriertes Europa. Sie will die Nation stärken. Sie ist eine Nationalistin. Deutsche Christdemokraten wie Helmut Kohl haben früher jedenfalls ganz andere Vorstellungen vertreten.
Hat Meloni womöglich aus den Erfahrungen von Viktor Orbán oder der polnischen PiS-Regierung die Lehre gezogen, sich nicht offen mit Brüssel anzulegen?
Sie weiß, dass sie nicht mit dem Brecheisen an die Sache herangehen kann. Aber man muss ihr nur zuhören, etwa kürzlich beim Treffen von Rechtsaußen-Parteien in Madrid mit Personen wie Orbán, Le Pen und Abascal. Und sie geht jetzt langsam, aber sicher in Italien vor. Nehmen Sie die Medien: Die Berlusconi-Sender sind bereits auf der Linie der Regierung, nun will sie auch das staatliche Fernsehen unter Kontrolle bringen. Diese Linie unterscheidet sich nicht so sehr von der Orbáns oder der PiS. Aber Europa ist eine Wertegemeinschaft. Und die europäische Demokratie muss wehrhaft sein.
Laut den aktuellen Prognosen wird es im neuen Europaparlament keine Mehrheit mehr links der EVP geben. Ohne die Christdemokraten ginge dann nichts mehr. Ist es das, was Sie wirklich stört?
Es gibt wahrscheinlich auch keine Mehrheit ohne die Sozialdemokraten. Und nach den bisherigen Umfragen ist es kaum denkbar, dass es eine stabile rechte Mehrheit geben wird von EVP, EKR und ID. Marine Le Pen hat ja auch gesagt, sie werde auf keinen Fall für von der Leyen stimmen. Natürlich setzt all das aber voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger jetzt auch wirklich zur Wahl gehen und gegen einen Rechtsruck in Europa stimmen.
Was verlangen die Sozialdemokraten dafür, dass sie Frau von der Leyen wählen?
Zunächst einmal muss die EVP stärkste Partei werden, das ist noch nicht ausgemacht.
Nun gut.
Unabhängig davon, aus welcher Position heraus wir die Gespräche führen, gilt: Wir fordern, die sozialen Rechte weiter zu stärken. Zum Beispiel brauchen wir bessere öffentlichen Dienstleistungen, etwa in der Gesundheitsversorgung und im sozialen Wohnungsbau. Unsere zweite Bedingung ist, den Green Deal fortzusetzen, verbunden mit einem stärkeren sozialen Ausgleich. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, können wir jetzt keine Pause einlegen. Und drittens ist es notwendig, eine stärker europäisch koordinierte und finanzierte Industriepolitik zu machen.
Und das wollen Sie in einer Art Koalitionsvereinbarung schriftlich festhalten?
Wir brauchen eine solide Absprache. Es gab ja schon in dieser Legislatur eine gewisse Koalitionsabmachung. Frau von der Leyen hat sich auch darangehalten. Der europäische Mindestlohn etwa war nicht für jeden in der CDU eine schöne Sache.
Und wie wird das ablaufen? Am Tag nach der Wahl setzt man sich zusammen und beginnt mit den Gesprächen?
Ich gehe davon aus, dass auf verschiedenen Ebenen Gespräche geführt werden, mit den Liberalen und mit der EVP. Dann stellt sich die Frage: Was ist mit den Grünen? Da scheint ja die EVP nicht sonderlich begeistert zu sein, obwohl die CDU in einigen Bundesländern mit den Grünen regiert. Dann sprechen wir über die großen Themen, die in der nächsten Legislatur von der Kommission bearbeitet werden müssten.
Aber zunächst verhandeln Sie über die Verteilung der Spitzenposten, richtig?
Wir müssen sehen, was die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen am 17. Juni machen. Beim letzten Mal haben sie sich nicht an das Spitzenkandidatenprinzip gehalten. Ich habe die Erwartung, dass das dieses Mal anders läuft.
Wie lesen Sie diese Gerüchte, wonach Emmanuel Macron und Giorgia Meloni noch den früheren EZB-Chef Mario Draghi einwechseln könnten? Wollen sie von der Leyen dadurch Zugeständnisse abringen?
Für manche scheint Mario Draghi ja für alles Mögliche gut zu sein…
Als künftiger Ratspräsident aus Ihrer Parteienfamilie wird António Costa aus Portugal gehandelt. Haben Sie noch Hoffnung, dass er die Justizermittlungen gegen sich rechtzeitig loswerden kann?
Das Verfahren scheint mir im Sand verlaufen zu sein. Seit vielen Monaten geschieht nichts. Ich sehe nicht, dass António Costa belastet wäre.
Manfred Weber beansprucht, mit Roberta Metsola weiterhin die Präsidentin des Europaparlaments zu stellen. Gönnen Sie ihm das?
Es ist nicht mein Job, jetzt die Posten zu verteilen. Das werden wir nach den Wahlen klären müssen und hängt von vielen Faktoren ab. Auch davon, wie die EVP sich zu den Rechten stellt.
Und Sie selbst? Würde Sie als gelernter Diplomat der Posten des Außenbeauftragten interessieren?
Darüber möchte ich nicht spekulieren.
Sie haben vorhin einige der inhaltlichen Fragen für die nächste Legislatur angerissen, ich würde gerne noch etwa mehr in die Tiefe bohren. Das Thema bezahlbares Wohnen ist bislang Sache der Mitgliedstaaten und der Kommunen. Was kann und sollte die EU hier tun?
Sie haben recht, das ist im Kern eine Sache der Nationalstaaten. Ich beanspruche hierfür auch keine ausgeweitete Kompetenz. Aber die Probleme der Wohnungspolitik gehen viel tiefer: Wenn Menschen bis weit in die Mittelklasse 30 bis 40 Prozent ihres Einkommens für Miete ausgeben, wirft das sozialpolitische Fragen auf. Wo auch immer ich hinfahre in Europa, drängt das Thema bezahlbares Wohnen.
Was wollen Sie konkret tun?
Wir könnten auf EU-Ebene erstens mehr finanzielle Mittel bereitstellen, aus den Kohäsionsfonds und über die Europäische Investitionsbank, um in Wohnungen zu investieren. Zweitens müssen wir uns wieder besinnen auf den Fakt, dass Wohnungsbau nicht allein den Marktkräften überlassen werden kann und nicht der Spekulation dient. Die Staaten brauchen hier mehr Handhabe, um bezahlbaren und sozialen Wohnraum zu schaffen. Dafür müssen wir zum Beispiel auch darüber diskutieren, die Beihilferegeln zu lockern.
Wollen Sie den Mitgliedsstaaten verbindliche Ziele vorgeben für sozialen Wohnungsbau?
Da bin ich eher skeptisch. Ein anderer Ansatzpunkt sind die Kurzzeitvermietungen. Ich habe nichts gegen Airbnb, aber in attraktiven Städten wie Barcelona hat die hohe Zahl an Touristen vermieteter Appartements katastrophale Folgen für den Wohnungsmarkt. Deshalb brauchen wir Regeln, um das bis zu einem gewissen Grad einschränken zu können.
Was halten Sie von einem europaweiten Rahmen für Mietpreisdeckel, wie ihn der Linken-Spitzenkandidat Walter Baier fordert?
Es klingt ganz schön, aber ich denke, dass primär die nationalen Regierungen dafür sorgen müssen, dass die Mieten nicht durch die Decke gehen. Europa muss aber genau dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen.
Eine andere Forderung ihrer Parteienfamilie ist, die Mindesteinkommen stärker zu regeln, also über die Empfehlungen der Kommission hinaus. Was konkret schwebt Ihnen da vor?
Wir haben im vergangenen Jahr in der Kommission darüber diskutiert, ich habe mich dann für eine Empfehlung entschieden. Es wird jetzt gefordert, im Grunde das, was in der Empfehlung steht, in eine Richtlinie zu gießen. Ich bin dafür.
Sie sprachen davon, der Green Deal müsse sozial stärker abgefedert werden. Ist der beschlossene Klima-Sozialfonds mit seinen 65 Milliarden Euro zu klein?
Ja, das reicht nicht. Europa kann hier mehr tun. Aber es ist auch eine nationale Aufgabe, den Menschen Geld zurückzugeben, das sie etwa im Rahmen des Emissionshandels mehr bezahlen. Klimaschutz ja, aber mit starker sozialer Abfederung und fairen Chancen für alle – darum muss es gehen.
Schon der Ablauf war ein Symbol: Nicht mit militärischen Ehren begann der Staatsbesuch von Emmanuel Macron, sondern auf dem Demokratiefest. Mit dem französischen Präsidenten als einzigem ausländischen Gast feierte Frank-Walter Steinmeier am Sonntagnachmittag 75 Jahre Grundgesetz, und das Ganze symbolträchtig zwischen Parlament und Kanzleramt. Gemeinsam die Demokratie zu würdigen, sei “ein Beweis für die Tiefe der deutsch-französischen Freundschaft”, sagte der Bundespräsident beim Bühnengespräch.
Macron wird am Montag in Dresden vor der Frauenkirche eine Europa-Rede halten, die an seine zweite Sorbonne-Rede anknüpfen soll. In Berlin verwies er deshalb auch auf das 35-jährige Jubiläum des Mauerfalls. Die Wiedervereinigung sei nicht nur eine Wiedervereinigung Deutschlands gewesen, sondern auch “eine unseres Europas”. Über die derzeit als schwierig geltenden deutsch-französischen Beziehungen sagte der Franzose, das könne man seit 75 Jahren beobachten: Immer wieder sei von Krise die Rede – und doch habe man gemeinsam Außergewöhnliches erreicht. Auch Steinmeier betonte, er sehe die Zusammenarbeit “nicht so kritisch, wie sie in manchen Kommentaren gesehen wird”.
Macron beschwor zugleich die Verteidigung Europas und warnte vor den Feinden der Demokratie, im Innern wie von außen. Frankreichs Präsident betonte, auch in den Demokratien sei eine gefährliche Faszination für das Autoritäre und Nationalistische entstanden, obwohl viele Erfolge mit nationalistischer Politik nie hätten erreicht werden können. Steinmeier beschwor das Gemeinsame, Macron appellierte daran, das Gemeinsame abzusichern.
Das Arbeitsverhältnis von Macron und Kanzler Olaf Scholz ist hingegen weniger harmonisch. Der Ärger über Macrons Vorstoß für europäische Soldaten in der Ukraine ist in Berlin noch nicht ganz verraucht, der innenpolitisch unter Druck stehende Präsident wird als zunehmend erratisch agierend wahrgenommen.
Hinzu kommen harte Interessensgegensätze, die beim deutsch-französischen Ministerrat am Dienstag zur Sprache kommen dürften. Insbesondere in der Handelspolitik: Macron dringt auf ein robustes Abschotten gegen chinesische Billigexporteure, insbesondere bei Elektroautos. Scholz lehnt Schutzzölle ab, aus Sorge vor Pekings Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Autobauer. Der Kanzler schlug vor dem Hintergrund auch die Einladung Macrons aus, den chinesischen Staatschef Xi Jinping in Paris gemeinsam zu empfangen.
Scholz ärgert sich zudem über Macrons Blockade des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten. Er ließ den Punkt eigens auf die Agenda des jüngsten EU-Gipfels setzen. Der Handelsdeal verspricht zusätzliche Milliardenexporte für die deutsche Industrie. Die französischen Bauern aber gehen wegen der befürchteten Konkurrenz aus Südamerika auf die Straßen. Nach dem Fest vom Sonntag werden beim gemeinsamen Ministerrat auf Schloss Meseberg konkreter die Baustellen zur Sprache kommen. tho/okb
Knapp zwei Wochen vor der Europawahl hat die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen eine Zusammenarbeit mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ins Gespräch gebracht. “Jetzt ist der Moment, um sich zu vereinen”, sagte Le Pen vom Rassemblement National (RN) am Samstag der italienischen Zeitung Corriere della Sera. “Wenn wir Erfolg haben, können wir die zweitgrößte Fraktion im Europäischen Parlament werden. Ich denke, eine solche Gelegenheit sollte man sich nicht entgehen lassen”, so Le Pen.
Sie und Meloni seien sich in den wesentlichen Fragen einig, sagte Le Pen. Beide Politikerinnen gehören derzeit zwei verschiedenen Fraktionen im Europäischen Parlament an: Der RN gehört der rechtsextremen Fraktion ID (Identität und Demokratie) an, Melonis Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR).
In der ID-Fraktion kam es kürzlich zum Bruch. Nach massiver Kritik an Äußerungen des EU-Spitzenkandidaten der deutschen AfD, Maximilian Krah, zur SS war die AfD aus der ID-Fraktion ausgeschlossen worden. Den Stein ins Rollen brachte Le Pens RN. Beobachter mutmaßen, dass Le Pen sich nun an Meloni und ihre Fratelli annähern möchte, um neue Allianzen in Europa zu schließen. dpa
Die baltischen Staaten und Deutschland legen am heutigen Montag einen Plan vor, mit dem sie die Wettbewerbsfähigkeit Europas sichern wollen. Unter dem Titel “Einfach machen: Unser Plan für ein innovativeres Europa” enthält dieser Maßnahmen zur Förderung von Innovation und technologischer Transformation. Bundesdigitalminister Volker Wissing präsentiert die Vorschläge für eine innovationsfreundliche Digitalpolitik heute mit Aušrinė Armonaitė (Litauen), Inga Bērziņa (Lettland) sowie Tiit Riisalo (Estland), sie lagen Table.Briefings vorab vor.
Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte Wissing bei der Digitalisierung eine engere Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten begonnen. Deutschland, Estland, Lettland und Litauen schlossen sich dafür im Innovationsklub zusammen. Im Kern fordern sie eine Reduzierung der regulatorischen Belastungen, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) und Start-ups. So fordern sie, die Transparenz und Vorhersehbarkeit regulatorischer Prozesse zu verbessern und die Berichtspflichten um 25 Prozent zu reduzieren.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau einer nachhaltigen und widerstandsfähigen digitalen Infrastruktur. Die vier Minister betonen die Notwendigkeit, Investitionen in Hochleistungsrechenzentren und grenzüberschreitende Datenverbindungen zu fördern sowie die Netzneutralität zu wahren.
Die Beteiligten unterstreichen auch die Bedeutung einer starken Datenökonomie. Sie empfehlen, bestehende Datenschutzrahmen konsequent umzusetzen und Technologien zur Verbesserung des Datenschutzes zu fördern. Dies soll die Wiederverwendung sensibler Daten ermöglichen und gleichzeitig die Privatsphäre schützen.
Schließlich fordert der Innovationsklub eine aktivere Beteiligung Europas an internationalen Standardisierungsgremien. Einheitliche Datenstandards sollen die Interoperabilität und den Datenaustausch erleichtern und somit die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen stärken.
Mit diesen Maßnahmen will der Innovationsklub die Voraussetzungen schaffen, um das Potenzial von Künstlicher Intelligenz und anderen aufstrebenden Technologien voll auszuschöpfen zu können. vis
Die wirksame Umsetzung des Digital Services Act soll kein bloßes Abhaken von Compliance-Boxen sein, fordern Sally Broughton Micova und Daniel Schnurr vom Brüsseler Thinktank Centre on Regulation in Europe (Cerre). Stattsessen sollten die Aufsichtsbehörden darauf achten, die Schäden zu verringern. In ihrem aktuellen Papier schlagen sie dafür einige Metriken und Arten von Daten vor. Sie sollen dabei helfen zu verstehen, “ob die vorgeschlagenen Maßnahmen dazu beitragen, die identifizierten negativen Auswirkungen zu verhindern und ein systemweites Lernen ermöglichen”.
Im März hatte die EU-Kommission Leitlinien für die Minderung systemischer Risiken für Wahlen vorgeschlagen. Diese gelten für die im Digital Services Act (DSA) benannten sehr großen Online-Plattformen und Suchmaschinen (VLOP und VLOSE). Damit will die Kommission Internetnutzerinnen und -nutzer vor Beeinflussung und Desinformation schützen.
Diese Leitlinien halten die Cerre-Autoren jedoch nicht für ausreichend. Außerdem enthielten sie keine Benchmarks, um den Erfolg oder Misserfolg der vorgeschlagenen Maßnahmen bewerten zu können. Die von Cerre vorgeschlagenen Benchmarks und ein Rahmenwerk sollen diese Lücke schließen, um die negativen Auswirkungen auf Wahlprozesse zu verstehen, die VLOP- und VLOSE-Anbieter mindern sollen.
Das Cerre gibt fünf Handlungsempfehlungen. So sollten etwa das European Board for Digital Services und das European Cooperation Network on Elections bei der Entwicklung einer Evaluierungs- und Lernstrategie zusammenarbeiten. Dabei sollen sie die Verwendung von Datenzugriffsanfragen und die Anwendung der in den Leitlinien der Kommission empfohlenen zusätzlichen wahlspezifischen Anforderungen steuern.
Als eine Metrik schlägt das Cerre vor, Reaktionszeiten bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen zu messen. Diese könne Aufschluss darüber geben, wie schnell und effektiv Plattformen auf Probleme reagierten. vis
Beim Wettbewerbsfähigkeitsrat in Brüssel haben die Industrieminister der Mitgliedstaaten am Freitag über einen Vorstoß der Niederlande und sieben weiterer Mitgliedstaaten diskutiert, der territoriale Handelseinschränkungen innerhalb des Binnenmarkts bekämpfen will. Der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) unterstützte den Vorstoß, der die Konsumentenpreise in der EU künstlich erhöht.
“Deutsche Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel scheinen ebenfalls von territorialen Handelseinschränkungen betroffen zu sein”, sagte Giegold in der Ratsdebatte. Produzenten würden Einzelhändlern je nach Niederlassungsort für identische Produkte unterschiedliche Preise anbieten, argumentierte der Staatssekretär.
Die Kommission hatte schon 2020 gewarnt, dass solche Handelseinschränkungen die Konsumenten jährlich 14 Milliarden Euro kosteten. Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager beklagte jedoch, dass die Behörde nur wenig Instrumente zur Verfügung habe, um gegen dieses Verhalten vorzugehen. Nur wenn ein Kartell nachgewiesen wird, könne die Kommission wettbewerbsrechtlich eingreifen.
Für zusätzliche Instrumente braucht es legislative Änderungen, die auch von den Mitgliedstaaten gestützt werden. Aber dies sei bisher sehr kontrovers gewesen, sagte Vestager. jaa
Die sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) haben sich darauf geeinigt, gemeinsam Chinas Überkapazitäten zu beobachten. Außerdem ziehen sie Maßnahmen gegen die Handelspolitik des Landes in Betracht. Das erklärten die Finanzminister und Notenbankchefs der G7 zum Abschluss ihres Treffens im norditalienischen Stresa.
Unfaire Handelspraktiken Pekings – etwa durch hohe Subventionen für chinesische Konzerne – seien ein Grund zur Sorge. Der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wird vorgeworfen, ausländische Märkte mit Produkten zu Dumping-Preisen zu fluten. Die G7-Gruppe erwägt Schritte bei der Welthandelsorganisation, um auf einen fairen Wettbewerb hinzuwirken.
US-Finanzministerin Janet Yellen zufolge könnte es auch für andere Länder angemessen sein, Schritte gegen China zu unternehmen. Die US-Regierung hatte unter anderem vor kurzem die Zölle für chinesische E-Autos vervierfacht. rtr
Ratspräsident Charles Michel hat den russischen Bombenangriff auf einen Baumarkt in der ukrainischen Großstadt Charkiw mit mindestens zwölf Toten als “widerwärtig” verurteilt. Es sei “kriminell”, Zivilisten im Zuge des Angriffskriegs zu terrorisieren. “Gemeinsam können wir Russlands brutale Angriffe stoppen. Wir müssen dringend bei einer umfassenden Luftverteidigung vorankommen”, schrieb der belgische Politiker am Sonntag auf X.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert seit Monaten von den westlichen Verbündeten, weitere Luftverteidigungssysteme zu liefern. Die Bundesregierung sagte daraufhin die Lieferung eines weiteren “Patriot”-Systems zu. Kanzler Olaf Scholz forderte die anderen Mitgliedstaaten zudem auf, nachzuziehen. Bislang blieb der Aufruf aber weitgehend ohne Resonanz.
Nach Angaben des ukrainischen Innenministers Ihor Klymenko wurden bei der Attacke auch 43 Menschen verletzt; zudem würden noch 16 vermisst. Zur Zeit der Attacke befanden sich dort rund 200 Menschen. Während das russische Militär später behauptete, in dem Kaufhaus sei ein Waffenlager versteckt gewesen, verurteilte Selenskyj den Angriff als “eine weitere Manifestation des russischen Wahnsinns”. dpa/tho

Die Europäische Union hat sich mit dem Green Deal ambitionierte Klimaziele gesetzt, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein wesentlicher Baustein zur Erreichung dieser Ziele soll der Net-Zero Industry Act (NZIA) sein, der auf die Förderung neuer Technologien und deren Anwendung in der Wirtschaft abzielt, um CO₂-Emissionen zu verhindern, zu verringern oder zu speichern. So könne das Potenzial des Binnenmarktes genutzt werden, um Europas Führungsrolle im Bereich grüner Industrietechnologien weiter zu stärken.
Aber: Wir dürfen den NZIA noch nicht als Erfolg feiern, denn der Teufel liegt im Detail bzw. der Umsetzung. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der NZIA nur ein Teil der Lösung ist und wir weitere gesellschaftliche und regulatorische Ansätze bedürfen, um uns der Klimakrise zu stellen.
Aufgabe der Mitgliedstaaten wird ein Instrument sein, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn Ausnahmen einer Regulierung im Sinne der Sache ermöglicht werden sollen: “Regulatory Sandboxes”. Diese Testumgebungen sollen es Unternehmen ermöglichen, neue Technologien und Geschäftsmodelle unter erleichterten Bedingungen zu entwickeln und zu erproben – explizit auch Start-ups.
Für Climate Tech-Start-ups bieten die Regulatory Sandboxes die Möglichkeit, ihre innovativen Lösungen im Sinne des NZIA weiterzuentwickeln. Die Sandboxes ermöglichen es, in einem kontrollierten Rahmen zu testen, wie neue Technologien in der Praxis funktionieren und welche Anpassungen nötig sind, um sie breitenwirksam einsetzen zu können. Dies reduziert das Risiko für Investoren und Unternehmen und fördert gleichzeitig die Entwicklung zukunftsweisender Technologien. Anders ausgedrückt: Start-ups können so ihre Technologien schneller zur Marktreife bringen.
Zumindest in der Theorie. Aufgrund der Dringlichkeit, klimafreundliche Technologien zum Einsatz zu bringen, wirkt der mit dem NZIA auf den Weg gebrachte Förder-Apparat recht träge. Vermutlich vergehen noch ein bis zwei Jahre, ehe die Mitgliedstaaten die nötigen Strukturen für die Umsetzung entwickelt haben. Denn – so heißt es – die EU-Länder sollen administrative, kommunikative und finanzielle Hilfe zur Nutzung der Sandboxes durch KMU und Start-ups auf die Beine stellen. Das dauert.
Gleichzeitig besteht die Herausforderung, eine Balance zwischen Innovation und Regulierung zu finden. Die Testumgebungen müssen so gestaltet sein, dass sie genug Freiheit für Experimente bieten, gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesellschaft entstehen. Zumal auch Nuklear-Technologien zu den geförderten zählen.
Die EU und die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass ausreichend Mittel für die Unterstützung von Projekten innerhalb der Sandboxes bereitgestellt werden. Dies könnte durch spezielle Förderprogramme, Steuererleichterungen oder Public-Private-Partnerships erreicht werden. Gestaltungsspielraum sieht der NZIA jedenfalls vor.
Ein Knackpunkt der Sandboxes wird sein, die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen (und staatlichen Institutionen) so zu gestalten, dass Synergien genutzt und neue Lösungen schnell umgesetzt werden können. Dieser Moment, wo die eigentliche Magie passieren soll, ist schwierig zu kreieren.
Meine Idee: Regulatory Sandboxes sollten als Chance für Corporate Venturing verstanden und speziell gefördert werden. Start-ups würden dann direkt in der Wirk- und Einflusssphäre der Unternehmen entstehen, die der NZIA adressiert. Eine direkte Verzahnung von Old und New Economy würde sich für etablierte Unternehmen doppelt auszahlen: Sie erreichen dank neuer Methoden und Technologien die Klimaziele im Kerngeschäft schneller und erweitern ihr Portfolio um lukrative Geschäftsmodelle. Für Gründer:innen bietet die Nähe zu Corporate Know-how und Support einen Vorteil gegenüber der Entwicklung neuer Lösungen im gänzlich Freien.
Climate Tech-Start-ups spielen eine zentrale Rolle für den Erfolg des Net-Zero Industry Acts und damit auch des Green Deals. Ihre Innovationskraft und Agilität sind entscheidend, um die technologischen Durchbrüche zu erzielen, die notwendig sind, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Durch die Unterstützung und Förderung dieser (Corporate) Start-ups können die Mitgliedstaaten der EU nicht nur ihre Klimaziele erreichen, sondern auch ihre Position als globaler Innovationsführer im Bereich der grünen Technologien stärken.
Simon Bail ist Gründer und Geschäftsführer des Climate-Action-Start-ups “OneClimate“.

Die Europäische Volkspartei hat Ursula von der Leyen bekanntlich zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahl gemacht, nur zu sehen war davon in ihrer deutschen Heimat bislang wenig. Auf den Wahlplakaten von CDU und CSU war die Kommissionspräsidentin jedenfalls nicht abgebildet. Manch Schelm mochte bereits böse dabei denken, die Union verstecke ihre Kandidatin lieber vor den Wählerinnen und Wählern.
Doch solch bösartige Gerüchte werden jetzt zerstreut: Am Wochenende haben die Wahlkampfhelfer der CDU neue Plakate aufgehängt: Sie zeigen von der Leyen und Friedrich Merz Seite an Seite. Den Endspurt bestreiten Parteichef und Kandidatin also zumindest an den Straßenrändern Hand in Hand. Am heutigen Montag weilt von der Leyen auch für Auftritte in Potsdam und Berlin.
Ansonsten lief die CDU-Kampagne am Wochenende nicht so rund. Erst mussten die Christdemokraten feststellen, dass ihre Online-Umfrage zum Verbrenner-Aus gekapert wurde. Ergebnis: Eine große Mehrheit lehnte das Aus für das Verbrenner-Aus ab, die Partei musste die Umfrage stoppen und sprach von “massiver Manipulation”. Dann tauchten in Sachsen gefälschte Wahlplakate auf, auf denen die Partei angeblich für ein Kalifat wirbt, und zwar in deutscher und in arabischer Sprache. Die CDU stellte sofort Strafanzeige. Aber wer den Schaden hat, braucht für den Spott bekanntlich nicht zu sorgen. Till Hoppe