300.000 LKW-Fahrer, so viele Trucker haben in der EU bereits in diesem Jahr gefehlt, das besagen Daten des Weltverbands der Arbeitgeber im Straßenverkehr. Bei ITlern oder Pflegekräften sieht das Bild ähnlich dramatisch aus. Durch den demografischen Wandel wird die Zahl der Arbeitskräfte in der EU die kommenden Jahre weiter abnehmen.
Um mehr qualifizierte ausländische Beschäftigte in die EU zu holen, will die EU-Kommission heute deswegen ihren Gesetzesvorschlag zur Einrichtung eines EU-Talentpools vorstellen. Das Ganze ist quasi ein EU-offizielles Linked-In. Interessierte Beschäftigte aus Nicht-EU-Ländern sollen dort ihren Lebenslauf hochladen können. Unternehmen können diesen Talent-Pool dann gezielt nach geeigneten Bewerbern durchforsten. Ein Pilotprojekt ist für Ukraine-Flüchtlinge im Herbst 2022 angelaufen. Doch die Begeisterung dafür hielt sich in Grenzen. Nur acht Mitgliedsstaaten beteiligten sich am Testlauf (Spanien, Zypern, Litauen, Polen, die Slowakei, Kroatien, Tschechien und Finnland). Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich der EU-weite Talentpool wird.
Wie viel sich in Sachen Arbeit und Soziales in der EU in der vergangenen Legislaturperiode bereits getan hat, darüber hat Beschäftigungs- und Sozialkommissar Nicolas Schmit im Interview mit Table.Media gesprochen. Er sagt auch: Es braucht in Zukunft mehr ausländische Fachkräfte. Doch die Anwerbung dürfe nicht auf Kosten sozialer Standards gehen. Gräfenhausen sei für ihn ein Negativbeispiel. “So darf das nicht weitergehen. Das müssen wir in den Griff bekommen.”
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Mittwoch!
Herr Kommissar, nächstes Jahr endet Ihre Amtszeit. Haben Sie erreicht, was Sie sich 2019 vorgenommen haben?
Diese Kommission hat einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik eingeleitet. Hätten Sie mir vor zehn Jahren gesagt, dass Europa eine Richtlinie über Mindestlöhne haben werde, hätte ich das nicht geglaubt. Aber wir haben es geschafft. Denn Europa soll nicht nur wirtschaftlich zusammenwachsen. Europa muss unbedingt auch sozial stärker zusammenwachsen. Wenn wir es zulassen, dass die sozialen Unterschiede in der Union noch größer werden, birgt das enormen Konfliktstoff. Auch deshalb ist die Mindestlohn-Richtlinie so wichtig. Auch die Länder in Zentral- und Osteuropa haben dies verstanden.
Ist die Abwanderung junger Menschen aus diesen Staaten gestoppt?
Die Abwanderung ist nicht gestoppt, aber immerhin gebremst. Die Arbeitnehmermobilität bleibt ein Grundrecht und natürlich verlassen junge Menschen weiter diese Staaten, weil sie dort wenig Perspektive für sich sehen. Die Löhne sind teilweise so niedrig, dass sie sich kein anständiges Leben leisten können. Gerade deshalb brauchen wir diese soziale Anpassung nach oben, um ein innereuropäisches Gleichgewicht zu schaffen. Es gibt außerdem eine geopolitische Dimension: Ohne sozialen Zusammenhalt sind die europäischen Gesellschaften schwächer. Das ist keine gute Voraussetzung, um im Wettkampf mit Russland oder China zu bestehen.
Gilt das aus Ihrer Sicht auch in einem reichen Land wie Deutschland?
Wir beklagen uns über Fachkräftemangel. Aber gleichzeitig gibt es Leute, die komplett vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, weil sie keine schulische Ausbildung haben. Und das hat natürlich mit der sozialen Kluft in einer Gesellschaft zu tun, die häufig keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr bietet. Das ist eine große Aufgabe, die nicht nur von Brüssel aus bewältigt werden kann. Das muss von allen zusammen gedacht und gemacht werden.
Warum gibt es dann immer noch kein gemeinsames System für Arbeitsmarkt und Sozialversicherung in der EU?
Wir werden auch in Zukunft keine einheitliche europäische Sozialversicherung haben. Das können wir gar nicht durchsetzen. Wir brauchen aber Versicherungen, die ineinandergreifen können, wenn Menschen über Ländergrenzen hinweg mobil sind. Wir brauchen ähnliche Leistungen, um die soziale Konvergenz – also Annäherung – voranzutreiben, um allen europäischen Bürgern ein Minimum an Leistung zu garantieren.
Führt das nicht zu einer Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner?
Nein. Es ist klar, dass die Länder, die ein hohes Niveau an Sozialleistungen haben, immer “oben” sein werden. Es fordert auch keiner, dass sie die Leistungen verringern sollten. Wir können zwar nicht von heute auf morgen die Sozialsysteme zum Beispiel in Rumänien auf den gleichen Stand wie die in Luxemburg, Deutschland oder Österreich bringen. Aber wir brauchen eine Dynamik in diese Richtung.
Was heißt das konkret?
Das heißt konkret, dass wir mehr Geld für Soziales aufwenden müssen. In den kommenden Jahren müssen wir nicht nur die Wirtschaft transformieren, sondern auch mehr in Verteidigung und Sicherheit investieren. Aber das darf nicht auf Kosten der sozialen Sicherheit gehen. Sonst verlieren wir den Grundkonsens in unseren Gesellschaften.
Die Generaldirektionen der EU-Kommission arbeiten derzeit an der Agenda für die nächste Kommission. Was darf im Sozialressort nicht fehlen?
Wir haben 2021 die sogenannten Porto-Ziele beschlossen…
… die drei Punkte enthalten, die bis 2030 erreicht werden sollen: Mindestens 78 Prozent der 20- bis 64-Jährigen sollen Arbeit haben; mindestens 60 Prozent aller Erwachsenen sollen jedes Jahr eine Weiterbildung machen; mindestens 15 Millionen Menschen weniger sollen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sein.
Das heißt, wir müssen zum einen mehr Leute auf den Arbeitsmarkt bekommen, gerade Frauen. Das zeigt sich gerade auch bei den geflüchteten Frauen aus der Ukraine. Sie haben Schwierigkeiten, in den Arbeitsmarkt zu kommen. Das hat viele Gründe, aber die problematischste Ursache ist die fehlende Kinderbetreuung. Das betrifft alle Mitgliedsstaaten.
Das zweite wichtige Thema ist die berufliche Mobilität. Manche Länder sagen: Es kann nicht sein, dass unsere bestausgebildeten Leute weggehen und wir ein unglaubliches Problem mit dem Fachkräftemangel bekommen. Und wenn am Ende nur die älteren Leute bleiben: Wer bezahlt dann deren Rente? Die Mobilität innerhalb der Union bleibt ein Grundrecht, aber wir müssen stärker dagegen vorgehen, dass Menschen abwandern, weil sie keine guten Perspektiven für sich sehen – Stichwort Mindestlohn.
Was ist mit der Mobilität von außen?
Wir brauchen Arbeitskräfte aus Drittstaaten. Aber das darf nicht auf Kosten sozialer Standards gehen. Ich habe mit Leuten gesprochen, die für die streikenden Lastwagenfahrer in Gräfenhausen verhandelt haben: Das ist das schlimmste Sozialdumping, das man sich vorstellen kann. Die Menschen werden ausgebeutet, weil sie ihre Rechte nicht kennen. Sie glauben, sie unterschreiben einen normalen Arbeitsvertrag. Doch in Wirklichkeit unterschreiben sie: Ich bin ein selbstständiger Unternehmer, der für die Firma X fährt – und wenn ich soziale Rechte haben möchte, muss ich mir die selbst organisieren. Die Leute hatten keine Krankenversicherung, waren nicht rentenversichert. So darf das nicht weitergehen. Das müssen wir in den Griff bekommen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil fordert auch mehr Mitbestimmung für Arbeitskräfte.
Am Anfang der deutschen Ratspräsidentschaft Mitte 2020 entdeckten wir plötzlich die Zustände auf den Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen. Komisch, dass das nicht früher schon Thema war. Keiner in der Politik hatte so richtig darüber gesprochen. Wir haben dann relativ schnell zusammen mit Hubertus Heil reagiert und die Regeln verbessert. Wir müssen sowas künftig noch besser regeln und dafür auch die 2019 geschaffene ELA stärken, die Europäische Arbeitsbehörde. Wenn wir mehr Mobilität, besonders auch aus Drittstaaten haben, müssen wir dafür sorgen, dass das nicht auf solcher Sozialdumping-Basis geschieht.
In der Fleischindustrie haben sich die Probleme nach der Verschärfung der deutschen Gesetze einfach in die Niederlande verlagert. Wie verhindert man das?
Das lässt sich nur verhindern, wenn wir das Soziale wie die Wirtschaft behandeln. Bislang läuft das leider oft so ab: Wenn ein Mitgliedsland einem Wirtschaftssektor staatliche Beihilfen gibt, sagt die EU-Kommission manchmal: Stopp, das verfälscht den Wettbewerb. Wenn aber Menschen ausgebeutet werden, wird nicht so reagiert und es heißt lapidar: So sieht eben Wettbewerb aus. Ein Unding. Das muss sich ändern, denn darin ist Sprengstoff verborgen, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa gefährdet.
Wie blicken Sie auf die Sozialpolitik-Debatten in Deutschland? Die EU hat 2021 eine “Kindergarantie” beschlossen, doch die Kindergrundsicherung ist in Deutschland sehr umstritten.
Ich werde mich nicht in die nationale Debatte einmischen. Aber klar ist: Wir alle haben inzwischen verstanden, dass Kinderarmut ein Problem ist, das sich vererbt. Also muss Chancengleichheit bei Kindern anfangen. Deshalb haben wir als Kommission die Empfehlung über eine sogenannte Kindergarantie angenommen. Wir versuchen auch immer wieder, die Mitgliedsstaaten dazu zu bringen, das auch konkret umzusetzen. Aber wir können leider nur empfehlen, nicht verordnen.
Sie haben sich mit Bundesbauministerin Klara Geywitz getroffen. Wie in der EU soll auch in Deutschland Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 überwunden sein. Klappt das?
Das kann ich nicht verbindlich sagen. Aber wir müssen es versuchen. Schätzungen zufolge gibt es etwa 800.000 Obdachlose in Europa, Tendenz: steigend. Für diese Menschen müssen wir Lösungen finden. Es gibt in Europa einige Probleme, die alle Mitgliedsstaaten mehr oder weniger betreffen. Das eine ist der Fachkräftemangel und das andere ist die Wohnungsnot. Wohnungsnot kann man nur lösen, wenn man schneller mehr Wohnungen baut. Der öffentliche Wohnungsbau wurde in der Vergangenheit zurückgefahren, weil man der liberalen Illusion erlegen ist.
Welche Illusion?
Man dachte viel zu lange: Der Markt regelt alles, Privatisierung löst alles. Auch in Deutschland war das so. Doch der Markt hat das nicht so geregelt, wie wir es erwartet haben. Wir brauchen also auch hier neue Regeln, damit wieder in den Bau erschwinglicher Wohnungen investiert wird. Wir dürfen nicht übersehen: Wohnungsnot betrifft längst nicht mehr nur Menschen mit kleinen Einkommen. Das greift jetzt über in die Mittelschicht. Leider sind die europäischen Regeln in der Frage, wie man Investitionen in diesem Bereich unterstützen kann, unklar. Das müssen wir dringend ändern und europäische Gelder freimachen. Es liegen noch etliche Milliarden Euro im Corona-Wiederaufbaufonds, die nicht ausgegeben wurden. Dieses Geld sollten wir für den Wohnungsbau verwenden.
Pedro Sánchez wird an diesem Donnerstag mit großer Wahrscheinlichkeit für eine neue Amtszeit vereidigt. Doch Junts-Führer Carles Puigdemont warnte den aktuell geschäftsführenden Ministerpräsidenten vergangene Woche bereits, die Stabilität der Regierung hänge an der Erfüllung des Amnestie-Abkommens, das die Sozialisten im Gegenzug für die sieben Stimmen der Junts-Partei unterzeichnet haben.
Die Amnestie soll unter anderem jenen Unabhängigkeitsbefürwortern zugutekommen, die 2017 an einem gescheiterten Abspaltungsversuch teilgenommen hatten, wie den in Belgien im Exil lebenden Separatistenführer Puigdemont. Hinzu kommt: Sánchez wird sich mit einer starken Opposition auseinandersetzen müssen. Im Senat verfügt diese sogar über eine absolute Mehrheit. Dazu kommt Protest aus Wirtschaft, Justiz und Zivilgesellschaft gegen das Amnestiegesetz.
Vor der Vereidigung Sánchez beginnt heute Mittag aber zunächst die Amtseinführungsdebatte mit einer Rede ohne Zeitbegrenzung, in der der PSOE-Chef sein Regierungsprogramm vorstellt. Danach folgen die Beiträge der Vertreter aller Fraktionen. Das angespannte politische Klima im Kontext des Amnestiegesetzes wird den Ton für die Debatte vorgeben.
Am Dienstag hat die Mehrheit des konservativen Partido Popular (PP) im Senat die Reform der Geschäftsordnung gebilligt. Das ermöglicht es, die Bearbeitung des vorgeschlagenen Amnestiegesetzes zu verzögern, sobald es vom Kongress eingereicht wird. Das Präsidium des Senats kann entscheiden, ob der Amnestie-Gesetzentwurf der PSOE und der Separatisten im Eilverfahren (das 20 Tage dauert) oder im regulären Verfahren (maximal zwei Monate) bearbeitet wird.
Der Regionalpräsident von Andalusien, Juan Manuel Moreno (PP), hat seinerseits die Rechtsexperten seiner Regierung angewiesen, eine Klage gegen das vorgeschlagene Amnestiegesetz zu prüfen und beim Verfassungsgerichtshof (TC) einzureichen. Ebenfalls an diesem Dienstag hat die rechtsnationalistische Partei Vox Sánchez und Puigdemont sowie ihre jeweiligen Parteien (PSOE und Junts) wegen “Bestechung, Verheimlichung von Straftaten, Usurpation von Funktionen der Justiz” und “verbotener Verhandlungen mit Amtsträgern” angezeigt. Vox hat außerdem beim Obersten Gerichtshof die vorsorgliche Aussetzung der Amtseinführung von Sánchez beantragt.
Das Amnestiegesetz soll die Schuld für alle als Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten eingestuften Handlungen im Zusammenhang mit dem Referendum in Katalonien vom 1. Oktober 2017 “löschen”. Das Unabhängigkeitsreferendum war für verfassungswidrig erklärt worden. Ungehorsam, schwere Veruntreuung, Täuschung, Urkundenfälschung, Verrat von Geheimnissen und bis zu einem Dutzend anderer Straftaten im Kontext des Referendums würden mit der Amnestie aus dem Strafregister verschwinden. Dagegen hatte es zuletzt Massenproteste in Spanien gegeben.
Der Gesetzentwurf der PSOE zur Amnestie soll nach der eigenen Vorgabe der Partei im Eilverfahren bearbeitet werden. Die geschäftsführende Regierung von Sánchez argumentiert, sie tue dies, “um das Miteinander in Katalonien zu fördern”.
Das Vorhaben hat auch die EU-Kommission als Hüterin der Verträge auf den Plan gerufen. Man warte darauf, von der spanischen Regierung über die Einzelheiten informiert zu werden, sagte ein Kommissionssprecher. EVP-Fraktionschef Manfred Weber kündigte an, dass er eine Debatte über die Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit in Spanien durch die Zugeständnisse der Sozialisten an die Separatisten auf die Tagesordnung des EU-Parlaments in der kommenden Woche setzen wolle.
Mit der Wahl von Sánchez wird der Druck auf den Sozialisten von den Unabhängigkeitsbefürwortern aber nicht aufhören. Zu den Forderungen Puigdemonts in dem Amnestiepakt gehört die Einsetzung von internationalen Prüfern, die die Einhaltung der Bedingungen, die die Separatisten Sánchez gestellt haben, während der gesamten Legislaturperiode Schritt für Schritt überwachen soll.
In einem Interview mit dem Radiosender Catalunya Ràdio erklärte die Junts-Vorsitzende Laura Borràs, dass es vier internationale Überprüfer geben werde. Borràs sagte, dass Puigdemont an diesen Gesprächen teilnehmen wird, die monatlich mit Vertretern der PSOE stattfinden werden. Das erste Treffen werde außerhalb Spaniens Ende November stattfinden.
Laut Borràs handelt es sich um “hochrangige Personen, die eine Garantie in dem Bereich bieten, in dem sie diese Beratung und Prüfung durchführen”. Einer der vier werde als Koordinator fungieren und seine Identität bekannt geben. Die anderen drei Prüfer sollten namenlos bleiben. Das Verifizierungssystem sei nötig, da Sánchez oft sein Wort gebrochen habe. Borràs warnt: Sánchez werde nur “so lange bleiben, wie er sein Wort hält”.
Über ein Verbot von Gas- und Ölheizungen wird die EU-Kommission voraussichtlich erst im kommenden Jahr entscheiden. Die Kommission habe den Prozess vorläufig gestoppt, eine Entscheidung zu neuen Ökodesign-Vorgaben für Heizkessel solle erst 2024 vor den EU-Wahlen fallen, sagten zwei Beobachter in Brüssel gestern auf Anfrage von Table.Media.
Die Kommission überarbeitet seit Monaten einen Durchführungsrechtsakt zur Ökodesign-Richtlinie. Laut einem früheren Entwurf würden für Heizungen künftig erhöhte Effizienzanforderungen gelten. Damit wäre es verboten, ab September 2029 reine Gas- und Ölheizungen neu einzubauen. Zuletzt prüfte die Behörde aber zusätzliche Ausnahmen von dem Verbot, hieß es im August auf eine parlamentarische Anfrage. Hintergrund sind Bedenken von Deutschland und anderen Mitgliedstaaten.
Nun wolle die Kommission zunächst die Beschlüsse von Rat und Parlament zur Gebäuderichtlinie abwarten, erklärten die beiden Quellen. Der letzte Trilog ist für den 7. Dezember angesetzt, bis Februar könnte die Richtlinie formal beschlossen werden.
Vor der Entscheidung zum Ökodesign für Heizungen wolle die Kommission außerdem noch ihren Aktionsplan zu Wärmepumpen vorlegen. Er soll dem Vernehmen nach Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden. Zum Ökodesign für Heizungen scheint die Kommission ihre Informationssammlung allerdings weitgehend abgeschlossen zu haben: Mit weiteren Konsultationen rechnen die Beobachter bis zu einer Entscheidung nicht mehr. ber
Der französische Kernkraftwerksbetreiber EDF soll seinen Strom nach dem Willen der Regierung ab 2026 zu einem Durchschnittspreis von 70 Euro pro Megawattstunde vermarkten. Eine entsprechende Absprache gaben Finanzminister Bruno Le Maire und Energieministerin Agnès Pannier-Runacher gestern nach einem Treffen mit dem Vorstandsvorsitzenden Luc Rémont bekannt. Der Wert liegt deutlich unter dem Börsenpreis von rund 100 Euro für Grundlast für das Jahr 2026. Er wäre aber höher als die 42 Euro, für die EDF derzeit einen Großteil seiner Erzeugung nach dem ARENH-Mechanismus abgeben muss, der 2025 ausläuft.
“Diese Vereinbarung war unabdingbar, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie, die Sichtbarkeit und Stabilität der Preise für unsere Haushalte und die Weiterentwicklung von EDF zu gewährleisten”, sagte Le Maire. Die Regierung in Paris will nun Marktakteure konsultieren und sich in sechs Monaten erneut mit EDF beraten. Auch die EU-Kommission muss dem Nachfolgemechanismus für ARENH zustimmen.
Zwei Beamte aus der französischen Finanzverwaltung zeigten sich gegenüber Reuters zuversichtlich, dass die Regelung mit dem neuen europäischen Strommarktdesign vereinbar sei, das Parlament und Rat bis Jahresende novellieren wollen. Allerdings wehrt sich die Bundesregierung seit Monaten dagegen, dass Frankreich durch die EU-Strommarktreform die Möglichkeit erhält, Überschusseinnahmen aus seinem gesamten nuklearen Kraftwerkspark dauerhaft an die Industrie umzuverteilen.
Bei dem Abschöpfungsmechanismus soll es sich offenbar nicht um eine Steuer handeln. Laut Reuters sollen die Rückflüsse nämlich automatisch über die Stromrechnungen der Verbraucher abgewickelt werden. Die Zielmarke von 70 Euro in einem 15-jährigen Durchschnitt solle es EDF auch ermöglichen, in bestehende Kraftwerke zu investieren und neue AKWs zu bauen, sagte Pannier-Runacher.
Damit EDF außerdem sein Schuldenniveau stabilisieren kann, sollen die Abschöpfungen erst ab einer Marke von 78 bis 80 Euro greifen. Dann soll zunächst die Hälfte der Übererlöse umverteilt werden. Ab einer zweiten Marke von 110 Euro steigt die Abschöpfung auf 90 Prozent. Die Referenzmarke von 70 Euro könnte gemäß der Einigung künftig noch einmal überprüft werden.
Mit den neuen Regeln will die Regierung Stromlieferanten dazu drängen, längerfristige Verträge mit Verbrauchern abzuschließen. Die “regulierten Tarife” für Haushalte und Kleinunternehmen sollen laut Pannier-Runacher weiter gelten und nur entsprechend der “tatsächlichen Kosten” der Stromversorgung erhöht werden. Der Kreis der berechtigten Unternehmen solle außerdem auf Betriebe mit niedriger Anschlussleistung ausgeweitet werden. ber/rtr
Das Klima zwischen der EU-Innenkommissarin und den Abgeordneten ist giftig: Die Parlamentarier sehen Ylva Johanssons Vorschlag zur CSA-Verordnung fraktionsübergreifend als grundrechtswidrig an. Entsprechend groß sind die Änderungswünsche der Abgeordneten: Den Chatkontrolle genannten Teil der Verordnung wollen sie weitestgehend streichen und auch die Vorschriften zur automatisierten Inhalteerkennung auf Plattformen massiv beschneiden.
Den Vorschlag Johanssons habe das Parlament nun mit der eigenen Position am Dienstag im Innenausschuss LIBE vom Kopf auf die Füße gestellt, heißt es unisono aus allen politischen Lagern. “Die präventiven Elemente in dem Vorschlag wurden massiv gestärkt, während die höchst umstrittenen Aufdeckungsanordnungen deutlich eingeschränkt und mit hohen rechtsstaatlichen Schranken versehen wurden”, erläutert die CDU-Abgeordnete Lena Düpont.
Der Piratenpolitiker Patrick Breyer (Grüne/EFA), der lautstark gegen Johanssons Vorschlag zu Felde gezogen war, bezeichnet die LIBE-Position als historischen Erfolg. Denn damit wäre nun geklärt, “dass der Stopp der Chatkontrolle und die Rettung sicherer Verschlüsselung nun gemeinsame Position des gesamten Parlaments ist.” Das sei das Gegenteil der Position vieler Mitgliedstaaten.
Dass diese fraktionsübergreifende, breite Mehrheit überhaupt zustande gekommen ist, liegt auch an der EU-Innenkommissarin selbst. Die Abgeordneten werfen Johansson vor, im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens mit unlauteren Mitteln gearbeitet zu haben. So habe sie zum einen ungebührlich eng mit Anbietern von Filtersoftware zusammengearbeitet. Zum anderen habe sie per Microtargeting auf X (ehemals Twitter) versucht, Stimmung in Mitgliedstaaten für ihren Vorschlag zu erzeugen.
Bei einer Befragung im LIBE-Ausschuss hatte Johansson die Kritikpunkte in weiten Teilen als unwesentlich abgetan. Sie warf ihrerseits den Parlamentariern vor, nicht genug für den Kinderschutz tun zu wollen. Den will sie mit ihrem Vorschlag stärken. Das erzürnte wiederum die Abgeordneten aus allen Fraktionen.
Lob für die LIBE-Positionierung kommt von der Internetwirtschaft: Der Kompromiss sei “verhältnismäßig, stellt Rechtssicherheit her und erreicht eine gute Balance zwischen Kinderschutz und der Aufrechterhaltung des Rechts auf Privatsphäre der Europäer”, sagt Claudia Canelles Quaroni von der Computers & Communications Industry Association (CCIA). Es sei jetzt an den Mitgliedstaaten, ihr eigenes Tempo zu erhöhen und eine Verhandlungsposition zu finden.
Noch etwas mehr Streichungen hätte sich der deutsche Verband der Internetwirtschaft, Eco, erhofft: Insbesondere die vorgesehenen Altersverifizierungspflichten für Webseiten mit Erwachseneninhalten seien in der Verordnung nicht richtig aufgehoben.
Wie ein Trilog unter diesen Voraussetzungen überhaupt erfolgreich sein könnte, ist offen. Die Position der Mitgliedstaaten steht weiterhin aus. Bei der letzten Befassung im Justiz- und Innen-Rat wurden stattdessen die Differenzen deutlich wie nie. Die spanische Ratspräsidentschaft wollte das Dossier ursprünglich noch ausverhandeln – derzeit aber spricht wenig dafür, dass der Vorschlag überhaupt noch vor der Europawahl das Trilogverfahren absolviert. fst
Die EU wird ihr Ziel voraussichtlich verpassen, bis Ende März 2024 der Ukraine eine Million Artilleriegeschosse zu liefern: “Man muss davon ausgehen, dass das Ziel nicht erreicht wird”, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Dienstag am Rande eines Treffens in Brüssel mit seinen Amtskollegen aus der EU. So deutlich hat das noch niemand gesagt. Pistorius kritisierte dabei indirekt auch den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der das Ziel ursprünglich vorgegeben hat.
Einige hätten von Anfang an gewarnt, dass die Vorgabe nicht realistisch sei, sagte Pistorius. Er selber habe sich deshalb die Zahl nicht zu eigen gemacht. Die mahnenden Stimmen hätten nun recht bekommen. Am Willen und am Geld habe es nicht gefehlt, aber es brauche auch genügend Produktionskapazitäten und Zeit, diese hochzufahren. Selbst in einer Kriegswirtschaft könnte die Produktion nicht von einem Tag auf den anderen anspringen und den Bedarf decken, betonte der Verteidigungsminister.
Deutschland leiste laut Pistorius über zwei “großvolumigen Rahmenverträgen” mit der Rüstungsindustrie seinen Beitrag und werde das auch weiterhin tun. Deutschland sei hier Leadnation, zusammen mit den Niederlanden, Dänemark und Estland. Die ersten Lieferungen seien für nächstes Jahr geplant. Rheinmetall bestätigte im Oktober die Bestellung von 150.000 Schuss Artilleriemunition, aus einem Rahmenvertrag über mehrere hunderttausend Geschosse, einer Laufzeit bis 2029 und einem potenziellen Auftragsvolumen in der Höhe von 1,2 Milliarden Euro.
Für die Ukraine sind die spärlichen Munitionslieferungen existenziell, für die EU und ihren Chefdiplomaten steht die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Josep Borrell bestätigte, dass die EU-Staaten bisher etwas mehr als 300.000 Artilleriegeschosse und Raketen für die Luftabwehr geliefert hätten. Die Lieferungen erfolgten fast ausschließlich noch aus den Beständen. Jetzt gehe es darum, die Produktion schnell hochzufahren.
Der Chefdiplomat versuchte gleichzeitig, die Verantwortung auf Mitgliedstaaten und Rüstungsindustrie abzuschieben. Er selber habe keine Munition auf Lager. Borrell kritisierte, dass 40 Prozent der Produktion an Abnehmer außerhalb der EU exportiert werde. Firmen müssten deshalb gedrängt werden, Lieferungen an die Ukraine zu priorisieren, die Mitgliedstaaten müssten Lieferungen umleiten.
Die Million sei zwar ambitioniert, bleibe aber das “politische Ziel”, sagte Borrell. Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) sowie Deutschland und Frankreich als Rahmennationen hätten bereits Bestellungen über 120.000 Geschosse aufgegeben, die noch in diesem und im nächsten Jahr ausgeliefert würden. Es gebe aber Raum für mehr Bestellungen. Borrell sprach von “work in progress”.
Für Konfusion sorgte auch Industriekommissar Thierry Breton. Der Franzose sprach davon, dass die Rüstungsindustrie in den EU-Staaten bis März die Produktionskapazitäten auf eine Million Artilleriegeschosse pro Jahr hochfahren könnten. Er sprach von einer Steigerung seit Februar um 20 bis 30 Prozent. Produktionskapazitäten sind allerdings nicht identisch mit Lieferungen. Ohnehin dürfte auch in Zukunft nicht die ganze Jahresproduktion der Ukraine zugutekommen. Rheinmetall bestätigte im Oktober einen Auftrag von mehr als 100.000 Geschossen vom Kaliber 155 Millimeter für die Ukraine, als Teil eines Rahmenvertrags über mehrere hunderttausend Geschossen und mit einer Laufzeit bis 2029. sti
Ein Gutachten aus dem Bundestag kommt bezüglich der Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie zu einer anderen Einschätzung als das Bundesarbeitsministerium (BMAS). Es geht um den Aktionsplan, den Staaten mit einer Tarifbindung unter 80 Prozent bis zum 15. November 2024 erstellen sollen. Laut einer vom Linken-Abgeordneten Pascal Meiser angefragten Expertise der Wissenschaftlichen Dienste ist die Erstellung Pflicht. Laut BMAS muss Deutschland bis zu dem Datum hingegen nur “bewerten, ob die Verpflichtung (…) besteht” – was für Deutschland voraussichtlich der Fall sein werde.
Zu möglichen Inhalten eines solchen Aktionsplans will sich das Ministerium nicht äußern. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte bei seiner Befragung im Bundestag vergangene Woche allerdings einen Hinweis gegeben. Auf eine Frage von Meiser sagte er, bestimmte Vorhaben wie das Tariftreuegesetz seien bereits Teil des Plans. Der Minister will das Gesetz noch 2023 vorlegen und damit regeln, dass Aufträge des Bundes nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarif zahlen.
Gleichzeitig verweist Heil darauf, dass der Aktionsplan nicht zum Erreichen einer bestimmten Quote führen müsse. Dass dies der Tarifautonomie, wonach die Sozialpartner entscheiden, widersprechen würde, sieht auch das Gutachten aus dem Bundestag so. Zu ergreifen sind demnach nur “Maßnahmen zur Förderung von Tarifverhandlungen”.
Derzeit arbeitet nur noch rund die Hälfte der deutschen Beschäftigten in einem tarifgebundenen Betrieb. In manchen anderen EU-Staaten sind es mehr als 90 Prozent. Die schon länger angekündigte Tariftreue-Regelung sei “längst überfällig”, sagte Linken-Politiker Meiser zu Table.Media – sie werde aber nicht genügen. Die Bundesregierung müsse auch erleichtern, dass Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden können – also jeweils für die gesamte Branche gelten. okb
Finnland registriert an der russischen Grenze eine wachsende Zahl von Migranten ohne gültige Papiere. Russland ermögliche ihnen, anders als früher, trotz fehlender Dokumente die Weiterreise nach Finnland, sagte Innenministerin Mari Rantanen am Dienstag, wie der Sender YLE berichtete. “Dies ist ein Fall von illegaler Einreise”, kritisierte sie.
Den Angaben zufolge wurden vergangene Woche 71 Menschen ohne gültige Papiere an der Grenze registriert, an diesem Montag und Dienstag waren es insgesamt bereits etwa 60. Die meisten kamen demnach aus dem Nahen Osten. Einige hätten eine gewisse Zeit in Russland verbracht. Andere reisten dort nur durch, wie es hieß.
Der konservative Ministerpräsident Petteri Orpo sagte, es sei klar, dass den Menschen geholfen worden sei, um an die Grenze zu kommen. Russische Grenzschützer seien ihnen gefolgt und hätten sie transportiert. Grenzschutzbeamte sagten dem Fernsehsender, Russland lasse Asylbewerber mit Fahrrädern über die Grenze, obwohl Finnland dies seit Donnerstag im Südosten verboten habe.
Die Regierung erwägt nach ihren Worten, die Zahl der Grenzübergänge zu beschränken oder zentrale Übergänge für Einreisen zu schaffen. Auch eine Grenzschließung sei denkbar. Die Regierung könne aber nicht sofort zu den schärfsten Maßnahmen greifen. Die finnische Außenministerin Elina Valtonen kündigte an, das Thema, beim EU-Außenministertreffen kommende Woche zur Sprache zu bringen zu wollen. dpa
Frauen in der Europäischen Union verdienen nach wie vor weniger als Männer, wobei das durchschnittliche geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU bei 13 Prozent liegt. Das teilte die EU-Kommission anlässlich des heutigen EU Equal Pay Days mit.
Für jeden Euro, den ein Mann verdient, erhalte eine Frau 87 Cent. Der Equal Pay Day markiere laut Kommission das symbolische Datum, wie viele Tage Frauen bis zum Ende des Jahres zusätzlich arbeiten müssen, um das zu verdienen, was Männer im selben Jahr verdienen. Der Tag ändert sich mit der Lohnlücke.
Seit Anfang der 2010er-Jahre hat sich der Gender Pay Gap in der EU verringert. Der unbereinigte Gender Pay Gap, auf den sich die Kommission mit ihrer Zahl stützt, erklärt sich unter anderem daraus, dass Frauen öfter in schlechter bezahlten Berufen arbeiten, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen den Geschlechtern nicht gleich verteilt sei und zum Teil auch aus Gehaltsdiskriminierung, schreibt die Kommission.
Das Recht auf gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist seit den Römischen Verträgen von 1957 ein Grundprinzip der Europäischen Union. Die Forderung nach gleichem Entgelt ist in Artikel 157 AEUV und in der EU-Richtlinie über die Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Beschäftigung und Beruf verankert.
Um gegen ungleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation einzutreten, hat die Kommission die Lohntransparenz-Richtlinie erlassen. Sie ist Anfang Juni in Kraft getreten und soll Beschäftigten helfen, Lohndiskriminierung zu erkennen und dagegen vorzugehen. Die Richtlinie muss jedoch noch von den 27 EU-Ländern in nationales Recht umgesetzt werden, die dafür drei Jahre Zeit haben. lei/rtr
Die Bahn sollte die Schnellzugverbindung Frankfurt am Main nach Brüssel einstellen. Sie taugt nicht als Referenzprojekt, um für das Bahnfahren in die belgische Hauptstadt mit ihren EU-Institutionen zu werben. Selbst die größten Anhänger des schienengebundenen Verkehrs werden verprellt durch die Missstände auf dieser Strecke. Dass die Wagons regelmäßig ungereinigt und mit weitestgehend defekten WC am Startbahnhof auf die Reise gehen – geschenkt. Mal fährt der erste Zug morgens außerplanmäßig nicht ab Brüssel, sondern ist am Vorabend nur bis Lüttich gekommen. Dann ist ein Zug da, kann aber nicht abfahren, weil das Zugpersonal in einer verspäteten S-Bahn festsitzt. Pünktlichkeit ist Glückssache.
Wer einen Termin hat, sollte einen Tag eher fahren. Allein in den letzten sieben Tagen haben laut Zugfinder.net 13 Züge auf dieser Strecke ihr Ziel nicht erreicht. Entweder sind sie ausgefallen oder haben den Trip unterwegs abbrechen müssen. Gestern haben Reisende zwischen Köln und Brüssel eine Verspätung von acht Stunden eingefahren. Das Beste, was man über die Strecke sagen kann: die unglaubliche Leidensfähigkeit des Zugpersonals.
Woran es liegt, dass das Chaos auf dieser Strecke besonders ausgeprägt ist, kann wohl nur der Staatskonzern selbst sagen. Gibt es einfach zu wenige Züge, die hier fahren können? Gibt es zu wenige Schaffner, die Niederländisch, Deutsch und Französisch sprechen? Ist die Infrastruktur gerade auf dieser Strecke besonders marode? Kippen ausgerechnet zwischen Köln und Lüttich besonders viele Bäume selbst bei Nieselregen und Windstille auf die Gleise? Alle diese Fragen hatte sich der Journalist im Kopf zurechtgelegt für das Gespräch, zu dem Bahnchef Lutz am heutigen Mittwoch in Brüssel geladen hatte.
Doch nicht nur Bahnen nach Brüssel fallen aus. Auch der Termin mit Richard Lutz in Brüssel wurde kurzfristig aus dem Fahrplan gestrichen. “Herr Lutz muss kurzfristig anderweitige Termine in Berlin wahrnehmen”, hieß es kurz vor dem Pressetermin. mgr
300.000 LKW-Fahrer, so viele Trucker haben in der EU bereits in diesem Jahr gefehlt, das besagen Daten des Weltverbands der Arbeitgeber im Straßenverkehr. Bei ITlern oder Pflegekräften sieht das Bild ähnlich dramatisch aus. Durch den demografischen Wandel wird die Zahl der Arbeitskräfte in der EU die kommenden Jahre weiter abnehmen.
Um mehr qualifizierte ausländische Beschäftigte in die EU zu holen, will die EU-Kommission heute deswegen ihren Gesetzesvorschlag zur Einrichtung eines EU-Talentpools vorstellen. Das Ganze ist quasi ein EU-offizielles Linked-In. Interessierte Beschäftigte aus Nicht-EU-Ländern sollen dort ihren Lebenslauf hochladen können. Unternehmen können diesen Talent-Pool dann gezielt nach geeigneten Bewerbern durchforsten. Ein Pilotprojekt ist für Ukraine-Flüchtlinge im Herbst 2022 angelaufen. Doch die Begeisterung dafür hielt sich in Grenzen. Nur acht Mitgliedsstaaten beteiligten sich am Testlauf (Spanien, Zypern, Litauen, Polen, die Slowakei, Kroatien, Tschechien und Finnland). Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich der EU-weite Talentpool wird.
Wie viel sich in Sachen Arbeit und Soziales in der EU in der vergangenen Legislaturperiode bereits getan hat, darüber hat Beschäftigungs- und Sozialkommissar Nicolas Schmit im Interview mit Table.Media gesprochen. Er sagt auch: Es braucht in Zukunft mehr ausländische Fachkräfte. Doch die Anwerbung dürfe nicht auf Kosten sozialer Standards gehen. Gräfenhausen sei für ihn ein Negativbeispiel. “So darf das nicht weitergehen. Das müssen wir in den Griff bekommen.”
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Mittwoch!
Herr Kommissar, nächstes Jahr endet Ihre Amtszeit. Haben Sie erreicht, was Sie sich 2019 vorgenommen haben?
Diese Kommission hat einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik eingeleitet. Hätten Sie mir vor zehn Jahren gesagt, dass Europa eine Richtlinie über Mindestlöhne haben werde, hätte ich das nicht geglaubt. Aber wir haben es geschafft. Denn Europa soll nicht nur wirtschaftlich zusammenwachsen. Europa muss unbedingt auch sozial stärker zusammenwachsen. Wenn wir es zulassen, dass die sozialen Unterschiede in der Union noch größer werden, birgt das enormen Konfliktstoff. Auch deshalb ist die Mindestlohn-Richtlinie so wichtig. Auch die Länder in Zentral- und Osteuropa haben dies verstanden.
Ist die Abwanderung junger Menschen aus diesen Staaten gestoppt?
Die Abwanderung ist nicht gestoppt, aber immerhin gebremst. Die Arbeitnehmermobilität bleibt ein Grundrecht und natürlich verlassen junge Menschen weiter diese Staaten, weil sie dort wenig Perspektive für sich sehen. Die Löhne sind teilweise so niedrig, dass sie sich kein anständiges Leben leisten können. Gerade deshalb brauchen wir diese soziale Anpassung nach oben, um ein innereuropäisches Gleichgewicht zu schaffen. Es gibt außerdem eine geopolitische Dimension: Ohne sozialen Zusammenhalt sind die europäischen Gesellschaften schwächer. Das ist keine gute Voraussetzung, um im Wettkampf mit Russland oder China zu bestehen.
Gilt das aus Ihrer Sicht auch in einem reichen Land wie Deutschland?
Wir beklagen uns über Fachkräftemangel. Aber gleichzeitig gibt es Leute, die komplett vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, weil sie keine schulische Ausbildung haben. Und das hat natürlich mit der sozialen Kluft in einer Gesellschaft zu tun, die häufig keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr bietet. Das ist eine große Aufgabe, die nicht nur von Brüssel aus bewältigt werden kann. Das muss von allen zusammen gedacht und gemacht werden.
Warum gibt es dann immer noch kein gemeinsames System für Arbeitsmarkt und Sozialversicherung in der EU?
Wir werden auch in Zukunft keine einheitliche europäische Sozialversicherung haben. Das können wir gar nicht durchsetzen. Wir brauchen aber Versicherungen, die ineinandergreifen können, wenn Menschen über Ländergrenzen hinweg mobil sind. Wir brauchen ähnliche Leistungen, um die soziale Konvergenz – also Annäherung – voranzutreiben, um allen europäischen Bürgern ein Minimum an Leistung zu garantieren.
Führt das nicht zu einer Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner?
Nein. Es ist klar, dass die Länder, die ein hohes Niveau an Sozialleistungen haben, immer “oben” sein werden. Es fordert auch keiner, dass sie die Leistungen verringern sollten. Wir können zwar nicht von heute auf morgen die Sozialsysteme zum Beispiel in Rumänien auf den gleichen Stand wie die in Luxemburg, Deutschland oder Österreich bringen. Aber wir brauchen eine Dynamik in diese Richtung.
Was heißt das konkret?
Das heißt konkret, dass wir mehr Geld für Soziales aufwenden müssen. In den kommenden Jahren müssen wir nicht nur die Wirtschaft transformieren, sondern auch mehr in Verteidigung und Sicherheit investieren. Aber das darf nicht auf Kosten der sozialen Sicherheit gehen. Sonst verlieren wir den Grundkonsens in unseren Gesellschaften.
Die Generaldirektionen der EU-Kommission arbeiten derzeit an der Agenda für die nächste Kommission. Was darf im Sozialressort nicht fehlen?
Wir haben 2021 die sogenannten Porto-Ziele beschlossen…
… die drei Punkte enthalten, die bis 2030 erreicht werden sollen: Mindestens 78 Prozent der 20- bis 64-Jährigen sollen Arbeit haben; mindestens 60 Prozent aller Erwachsenen sollen jedes Jahr eine Weiterbildung machen; mindestens 15 Millionen Menschen weniger sollen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sein.
Das heißt, wir müssen zum einen mehr Leute auf den Arbeitsmarkt bekommen, gerade Frauen. Das zeigt sich gerade auch bei den geflüchteten Frauen aus der Ukraine. Sie haben Schwierigkeiten, in den Arbeitsmarkt zu kommen. Das hat viele Gründe, aber die problematischste Ursache ist die fehlende Kinderbetreuung. Das betrifft alle Mitgliedsstaaten.
Das zweite wichtige Thema ist die berufliche Mobilität. Manche Länder sagen: Es kann nicht sein, dass unsere bestausgebildeten Leute weggehen und wir ein unglaubliches Problem mit dem Fachkräftemangel bekommen. Und wenn am Ende nur die älteren Leute bleiben: Wer bezahlt dann deren Rente? Die Mobilität innerhalb der Union bleibt ein Grundrecht, aber wir müssen stärker dagegen vorgehen, dass Menschen abwandern, weil sie keine guten Perspektiven für sich sehen – Stichwort Mindestlohn.
Was ist mit der Mobilität von außen?
Wir brauchen Arbeitskräfte aus Drittstaaten. Aber das darf nicht auf Kosten sozialer Standards gehen. Ich habe mit Leuten gesprochen, die für die streikenden Lastwagenfahrer in Gräfenhausen verhandelt haben: Das ist das schlimmste Sozialdumping, das man sich vorstellen kann. Die Menschen werden ausgebeutet, weil sie ihre Rechte nicht kennen. Sie glauben, sie unterschreiben einen normalen Arbeitsvertrag. Doch in Wirklichkeit unterschreiben sie: Ich bin ein selbstständiger Unternehmer, der für die Firma X fährt – und wenn ich soziale Rechte haben möchte, muss ich mir die selbst organisieren. Die Leute hatten keine Krankenversicherung, waren nicht rentenversichert. So darf das nicht weitergehen. Das müssen wir in den Griff bekommen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil fordert auch mehr Mitbestimmung für Arbeitskräfte.
Am Anfang der deutschen Ratspräsidentschaft Mitte 2020 entdeckten wir plötzlich die Zustände auf den Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen. Komisch, dass das nicht früher schon Thema war. Keiner in der Politik hatte so richtig darüber gesprochen. Wir haben dann relativ schnell zusammen mit Hubertus Heil reagiert und die Regeln verbessert. Wir müssen sowas künftig noch besser regeln und dafür auch die 2019 geschaffene ELA stärken, die Europäische Arbeitsbehörde. Wenn wir mehr Mobilität, besonders auch aus Drittstaaten haben, müssen wir dafür sorgen, dass das nicht auf solcher Sozialdumping-Basis geschieht.
In der Fleischindustrie haben sich die Probleme nach der Verschärfung der deutschen Gesetze einfach in die Niederlande verlagert. Wie verhindert man das?
Das lässt sich nur verhindern, wenn wir das Soziale wie die Wirtschaft behandeln. Bislang läuft das leider oft so ab: Wenn ein Mitgliedsland einem Wirtschaftssektor staatliche Beihilfen gibt, sagt die EU-Kommission manchmal: Stopp, das verfälscht den Wettbewerb. Wenn aber Menschen ausgebeutet werden, wird nicht so reagiert und es heißt lapidar: So sieht eben Wettbewerb aus. Ein Unding. Das muss sich ändern, denn darin ist Sprengstoff verborgen, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa gefährdet.
Wie blicken Sie auf die Sozialpolitik-Debatten in Deutschland? Die EU hat 2021 eine “Kindergarantie” beschlossen, doch die Kindergrundsicherung ist in Deutschland sehr umstritten.
Ich werde mich nicht in die nationale Debatte einmischen. Aber klar ist: Wir alle haben inzwischen verstanden, dass Kinderarmut ein Problem ist, das sich vererbt. Also muss Chancengleichheit bei Kindern anfangen. Deshalb haben wir als Kommission die Empfehlung über eine sogenannte Kindergarantie angenommen. Wir versuchen auch immer wieder, die Mitgliedsstaaten dazu zu bringen, das auch konkret umzusetzen. Aber wir können leider nur empfehlen, nicht verordnen.
Sie haben sich mit Bundesbauministerin Klara Geywitz getroffen. Wie in der EU soll auch in Deutschland Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 überwunden sein. Klappt das?
Das kann ich nicht verbindlich sagen. Aber wir müssen es versuchen. Schätzungen zufolge gibt es etwa 800.000 Obdachlose in Europa, Tendenz: steigend. Für diese Menschen müssen wir Lösungen finden. Es gibt in Europa einige Probleme, die alle Mitgliedsstaaten mehr oder weniger betreffen. Das eine ist der Fachkräftemangel und das andere ist die Wohnungsnot. Wohnungsnot kann man nur lösen, wenn man schneller mehr Wohnungen baut. Der öffentliche Wohnungsbau wurde in der Vergangenheit zurückgefahren, weil man der liberalen Illusion erlegen ist.
Welche Illusion?
Man dachte viel zu lange: Der Markt regelt alles, Privatisierung löst alles. Auch in Deutschland war das so. Doch der Markt hat das nicht so geregelt, wie wir es erwartet haben. Wir brauchen also auch hier neue Regeln, damit wieder in den Bau erschwinglicher Wohnungen investiert wird. Wir dürfen nicht übersehen: Wohnungsnot betrifft längst nicht mehr nur Menschen mit kleinen Einkommen. Das greift jetzt über in die Mittelschicht. Leider sind die europäischen Regeln in der Frage, wie man Investitionen in diesem Bereich unterstützen kann, unklar. Das müssen wir dringend ändern und europäische Gelder freimachen. Es liegen noch etliche Milliarden Euro im Corona-Wiederaufbaufonds, die nicht ausgegeben wurden. Dieses Geld sollten wir für den Wohnungsbau verwenden.
Pedro Sánchez wird an diesem Donnerstag mit großer Wahrscheinlichkeit für eine neue Amtszeit vereidigt. Doch Junts-Führer Carles Puigdemont warnte den aktuell geschäftsführenden Ministerpräsidenten vergangene Woche bereits, die Stabilität der Regierung hänge an der Erfüllung des Amnestie-Abkommens, das die Sozialisten im Gegenzug für die sieben Stimmen der Junts-Partei unterzeichnet haben.
Die Amnestie soll unter anderem jenen Unabhängigkeitsbefürwortern zugutekommen, die 2017 an einem gescheiterten Abspaltungsversuch teilgenommen hatten, wie den in Belgien im Exil lebenden Separatistenführer Puigdemont. Hinzu kommt: Sánchez wird sich mit einer starken Opposition auseinandersetzen müssen. Im Senat verfügt diese sogar über eine absolute Mehrheit. Dazu kommt Protest aus Wirtschaft, Justiz und Zivilgesellschaft gegen das Amnestiegesetz.
Vor der Vereidigung Sánchez beginnt heute Mittag aber zunächst die Amtseinführungsdebatte mit einer Rede ohne Zeitbegrenzung, in der der PSOE-Chef sein Regierungsprogramm vorstellt. Danach folgen die Beiträge der Vertreter aller Fraktionen. Das angespannte politische Klima im Kontext des Amnestiegesetzes wird den Ton für die Debatte vorgeben.
Am Dienstag hat die Mehrheit des konservativen Partido Popular (PP) im Senat die Reform der Geschäftsordnung gebilligt. Das ermöglicht es, die Bearbeitung des vorgeschlagenen Amnestiegesetzes zu verzögern, sobald es vom Kongress eingereicht wird. Das Präsidium des Senats kann entscheiden, ob der Amnestie-Gesetzentwurf der PSOE und der Separatisten im Eilverfahren (das 20 Tage dauert) oder im regulären Verfahren (maximal zwei Monate) bearbeitet wird.
Der Regionalpräsident von Andalusien, Juan Manuel Moreno (PP), hat seinerseits die Rechtsexperten seiner Regierung angewiesen, eine Klage gegen das vorgeschlagene Amnestiegesetz zu prüfen und beim Verfassungsgerichtshof (TC) einzureichen. Ebenfalls an diesem Dienstag hat die rechtsnationalistische Partei Vox Sánchez und Puigdemont sowie ihre jeweiligen Parteien (PSOE und Junts) wegen “Bestechung, Verheimlichung von Straftaten, Usurpation von Funktionen der Justiz” und “verbotener Verhandlungen mit Amtsträgern” angezeigt. Vox hat außerdem beim Obersten Gerichtshof die vorsorgliche Aussetzung der Amtseinführung von Sánchez beantragt.
Das Amnestiegesetz soll die Schuld für alle als Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten eingestuften Handlungen im Zusammenhang mit dem Referendum in Katalonien vom 1. Oktober 2017 “löschen”. Das Unabhängigkeitsreferendum war für verfassungswidrig erklärt worden. Ungehorsam, schwere Veruntreuung, Täuschung, Urkundenfälschung, Verrat von Geheimnissen und bis zu einem Dutzend anderer Straftaten im Kontext des Referendums würden mit der Amnestie aus dem Strafregister verschwinden. Dagegen hatte es zuletzt Massenproteste in Spanien gegeben.
Der Gesetzentwurf der PSOE zur Amnestie soll nach der eigenen Vorgabe der Partei im Eilverfahren bearbeitet werden. Die geschäftsführende Regierung von Sánchez argumentiert, sie tue dies, “um das Miteinander in Katalonien zu fördern”.
Das Vorhaben hat auch die EU-Kommission als Hüterin der Verträge auf den Plan gerufen. Man warte darauf, von der spanischen Regierung über die Einzelheiten informiert zu werden, sagte ein Kommissionssprecher. EVP-Fraktionschef Manfred Weber kündigte an, dass er eine Debatte über die Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit in Spanien durch die Zugeständnisse der Sozialisten an die Separatisten auf die Tagesordnung des EU-Parlaments in der kommenden Woche setzen wolle.
Mit der Wahl von Sánchez wird der Druck auf den Sozialisten von den Unabhängigkeitsbefürwortern aber nicht aufhören. Zu den Forderungen Puigdemonts in dem Amnestiepakt gehört die Einsetzung von internationalen Prüfern, die die Einhaltung der Bedingungen, die die Separatisten Sánchez gestellt haben, während der gesamten Legislaturperiode Schritt für Schritt überwachen soll.
In einem Interview mit dem Radiosender Catalunya Ràdio erklärte die Junts-Vorsitzende Laura Borràs, dass es vier internationale Überprüfer geben werde. Borràs sagte, dass Puigdemont an diesen Gesprächen teilnehmen wird, die monatlich mit Vertretern der PSOE stattfinden werden. Das erste Treffen werde außerhalb Spaniens Ende November stattfinden.
Laut Borràs handelt es sich um “hochrangige Personen, die eine Garantie in dem Bereich bieten, in dem sie diese Beratung und Prüfung durchführen”. Einer der vier werde als Koordinator fungieren und seine Identität bekannt geben. Die anderen drei Prüfer sollten namenlos bleiben. Das Verifizierungssystem sei nötig, da Sánchez oft sein Wort gebrochen habe. Borràs warnt: Sánchez werde nur “so lange bleiben, wie er sein Wort hält”.
Über ein Verbot von Gas- und Ölheizungen wird die EU-Kommission voraussichtlich erst im kommenden Jahr entscheiden. Die Kommission habe den Prozess vorläufig gestoppt, eine Entscheidung zu neuen Ökodesign-Vorgaben für Heizkessel solle erst 2024 vor den EU-Wahlen fallen, sagten zwei Beobachter in Brüssel gestern auf Anfrage von Table.Media.
Die Kommission überarbeitet seit Monaten einen Durchführungsrechtsakt zur Ökodesign-Richtlinie. Laut einem früheren Entwurf würden für Heizungen künftig erhöhte Effizienzanforderungen gelten. Damit wäre es verboten, ab September 2029 reine Gas- und Ölheizungen neu einzubauen. Zuletzt prüfte die Behörde aber zusätzliche Ausnahmen von dem Verbot, hieß es im August auf eine parlamentarische Anfrage. Hintergrund sind Bedenken von Deutschland und anderen Mitgliedstaaten.
Nun wolle die Kommission zunächst die Beschlüsse von Rat und Parlament zur Gebäuderichtlinie abwarten, erklärten die beiden Quellen. Der letzte Trilog ist für den 7. Dezember angesetzt, bis Februar könnte die Richtlinie formal beschlossen werden.
Vor der Entscheidung zum Ökodesign für Heizungen wolle die Kommission außerdem noch ihren Aktionsplan zu Wärmepumpen vorlegen. Er soll dem Vernehmen nach Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden. Zum Ökodesign für Heizungen scheint die Kommission ihre Informationssammlung allerdings weitgehend abgeschlossen zu haben: Mit weiteren Konsultationen rechnen die Beobachter bis zu einer Entscheidung nicht mehr. ber
Der französische Kernkraftwerksbetreiber EDF soll seinen Strom nach dem Willen der Regierung ab 2026 zu einem Durchschnittspreis von 70 Euro pro Megawattstunde vermarkten. Eine entsprechende Absprache gaben Finanzminister Bruno Le Maire und Energieministerin Agnès Pannier-Runacher gestern nach einem Treffen mit dem Vorstandsvorsitzenden Luc Rémont bekannt. Der Wert liegt deutlich unter dem Börsenpreis von rund 100 Euro für Grundlast für das Jahr 2026. Er wäre aber höher als die 42 Euro, für die EDF derzeit einen Großteil seiner Erzeugung nach dem ARENH-Mechanismus abgeben muss, der 2025 ausläuft.
“Diese Vereinbarung war unabdingbar, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie, die Sichtbarkeit und Stabilität der Preise für unsere Haushalte und die Weiterentwicklung von EDF zu gewährleisten”, sagte Le Maire. Die Regierung in Paris will nun Marktakteure konsultieren und sich in sechs Monaten erneut mit EDF beraten. Auch die EU-Kommission muss dem Nachfolgemechanismus für ARENH zustimmen.
Zwei Beamte aus der französischen Finanzverwaltung zeigten sich gegenüber Reuters zuversichtlich, dass die Regelung mit dem neuen europäischen Strommarktdesign vereinbar sei, das Parlament und Rat bis Jahresende novellieren wollen. Allerdings wehrt sich die Bundesregierung seit Monaten dagegen, dass Frankreich durch die EU-Strommarktreform die Möglichkeit erhält, Überschusseinnahmen aus seinem gesamten nuklearen Kraftwerkspark dauerhaft an die Industrie umzuverteilen.
Bei dem Abschöpfungsmechanismus soll es sich offenbar nicht um eine Steuer handeln. Laut Reuters sollen die Rückflüsse nämlich automatisch über die Stromrechnungen der Verbraucher abgewickelt werden. Die Zielmarke von 70 Euro in einem 15-jährigen Durchschnitt solle es EDF auch ermöglichen, in bestehende Kraftwerke zu investieren und neue AKWs zu bauen, sagte Pannier-Runacher.
Damit EDF außerdem sein Schuldenniveau stabilisieren kann, sollen die Abschöpfungen erst ab einer Marke von 78 bis 80 Euro greifen. Dann soll zunächst die Hälfte der Übererlöse umverteilt werden. Ab einer zweiten Marke von 110 Euro steigt die Abschöpfung auf 90 Prozent. Die Referenzmarke von 70 Euro könnte gemäß der Einigung künftig noch einmal überprüft werden.
Mit den neuen Regeln will die Regierung Stromlieferanten dazu drängen, längerfristige Verträge mit Verbrauchern abzuschließen. Die “regulierten Tarife” für Haushalte und Kleinunternehmen sollen laut Pannier-Runacher weiter gelten und nur entsprechend der “tatsächlichen Kosten” der Stromversorgung erhöht werden. Der Kreis der berechtigten Unternehmen solle außerdem auf Betriebe mit niedriger Anschlussleistung ausgeweitet werden. ber/rtr
Das Klima zwischen der EU-Innenkommissarin und den Abgeordneten ist giftig: Die Parlamentarier sehen Ylva Johanssons Vorschlag zur CSA-Verordnung fraktionsübergreifend als grundrechtswidrig an. Entsprechend groß sind die Änderungswünsche der Abgeordneten: Den Chatkontrolle genannten Teil der Verordnung wollen sie weitestgehend streichen und auch die Vorschriften zur automatisierten Inhalteerkennung auf Plattformen massiv beschneiden.
Den Vorschlag Johanssons habe das Parlament nun mit der eigenen Position am Dienstag im Innenausschuss LIBE vom Kopf auf die Füße gestellt, heißt es unisono aus allen politischen Lagern. “Die präventiven Elemente in dem Vorschlag wurden massiv gestärkt, während die höchst umstrittenen Aufdeckungsanordnungen deutlich eingeschränkt und mit hohen rechtsstaatlichen Schranken versehen wurden”, erläutert die CDU-Abgeordnete Lena Düpont.
Der Piratenpolitiker Patrick Breyer (Grüne/EFA), der lautstark gegen Johanssons Vorschlag zu Felde gezogen war, bezeichnet die LIBE-Position als historischen Erfolg. Denn damit wäre nun geklärt, “dass der Stopp der Chatkontrolle und die Rettung sicherer Verschlüsselung nun gemeinsame Position des gesamten Parlaments ist.” Das sei das Gegenteil der Position vieler Mitgliedstaaten.
Dass diese fraktionsübergreifende, breite Mehrheit überhaupt zustande gekommen ist, liegt auch an der EU-Innenkommissarin selbst. Die Abgeordneten werfen Johansson vor, im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens mit unlauteren Mitteln gearbeitet zu haben. So habe sie zum einen ungebührlich eng mit Anbietern von Filtersoftware zusammengearbeitet. Zum anderen habe sie per Microtargeting auf X (ehemals Twitter) versucht, Stimmung in Mitgliedstaaten für ihren Vorschlag zu erzeugen.
Bei einer Befragung im LIBE-Ausschuss hatte Johansson die Kritikpunkte in weiten Teilen als unwesentlich abgetan. Sie warf ihrerseits den Parlamentariern vor, nicht genug für den Kinderschutz tun zu wollen. Den will sie mit ihrem Vorschlag stärken. Das erzürnte wiederum die Abgeordneten aus allen Fraktionen.
Lob für die LIBE-Positionierung kommt von der Internetwirtschaft: Der Kompromiss sei “verhältnismäßig, stellt Rechtssicherheit her und erreicht eine gute Balance zwischen Kinderschutz und der Aufrechterhaltung des Rechts auf Privatsphäre der Europäer”, sagt Claudia Canelles Quaroni von der Computers & Communications Industry Association (CCIA). Es sei jetzt an den Mitgliedstaaten, ihr eigenes Tempo zu erhöhen und eine Verhandlungsposition zu finden.
Noch etwas mehr Streichungen hätte sich der deutsche Verband der Internetwirtschaft, Eco, erhofft: Insbesondere die vorgesehenen Altersverifizierungspflichten für Webseiten mit Erwachseneninhalten seien in der Verordnung nicht richtig aufgehoben.
Wie ein Trilog unter diesen Voraussetzungen überhaupt erfolgreich sein könnte, ist offen. Die Position der Mitgliedstaaten steht weiterhin aus. Bei der letzten Befassung im Justiz- und Innen-Rat wurden stattdessen die Differenzen deutlich wie nie. Die spanische Ratspräsidentschaft wollte das Dossier ursprünglich noch ausverhandeln – derzeit aber spricht wenig dafür, dass der Vorschlag überhaupt noch vor der Europawahl das Trilogverfahren absolviert. fst
Die EU wird ihr Ziel voraussichtlich verpassen, bis Ende März 2024 der Ukraine eine Million Artilleriegeschosse zu liefern: “Man muss davon ausgehen, dass das Ziel nicht erreicht wird”, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Dienstag am Rande eines Treffens in Brüssel mit seinen Amtskollegen aus der EU. So deutlich hat das noch niemand gesagt. Pistorius kritisierte dabei indirekt auch den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der das Ziel ursprünglich vorgegeben hat.
Einige hätten von Anfang an gewarnt, dass die Vorgabe nicht realistisch sei, sagte Pistorius. Er selber habe sich deshalb die Zahl nicht zu eigen gemacht. Die mahnenden Stimmen hätten nun recht bekommen. Am Willen und am Geld habe es nicht gefehlt, aber es brauche auch genügend Produktionskapazitäten und Zeit, diese hochzufahren. Selbst in einer Kriegswirtschaft könnte die Produktion nicht von einem Tag auf den anderen anspringen und den Bedarf decken, betonte der Verteidigungsminister.
Deutschland leiste laut Pistorius über zwei “großvolumigen Rahmenverträgen” mit der Rüstungsindustrie seinen Beitrag und werde das auch weiterhin tun. Deutschland sei hier Leadnation, zusammen mit den Niederlanden, Dänemark und Estland. Die ersten Lieferungen seien für nächstes Jahr geplant. Rheinmetall bestätigte im Oktober die Bestellung von 150.000 Schuss Artilleriemunition, aus einem Rahmenvertrag über mehrere hunderttausend Geschosse, einer Laufzeit bis 2029 und einem potenziellen Auftragsvolumen in der Höhe von 1,2 Milliarden Euro.
Für die Ukraine sind die spärlichen Munitionslieferungen existenziell, für die EU und ihren Chefdiplomaten steht die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Josep Borrell bestätigte, dass die EU-Staaten bisher etwas mehr als 300.000 Artilleriegeschosse und Raketen für die Luftabwehr geliefert hätten. Die Lieferungen erfolgten fast ausschließlich noch aus den Beständen. Jetzt gehe es darum, die Produktion schnell hochzufahren.
Der Chefdiplomat versuchte gleichzeitig, die Verantwortung auf Mitgliedstaaten und Rüstungsindustrie abzuschieben. Er selber habe keine Munition auf Lager. Borrell kritisierte, dass 40 Prozent der Produktion an Abnehmer außerhalb der EU exportiert werde. Firmen müssten deshalb gedrängt werden, Lieferungen an die Ukraine zu priorisieren, die Mitgliedstaaten müssten Lieferungen umleiten.
Die Million sei zwar ambitioniert, bleibe aber das “politische Ziel”, sagte Borrell. Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) sowie Deutschland und Frankreich als Rahmennationen hätten bereits Bestellungen über 120.000 Geschosse aufgegeben, die noch in diesem und im nächsten Jahr ausgeliefert würden. Es gebe aber Raum für mehr Bestellungen. Borrell sprach von “work in progress”.
Für Konfusion sorgte auch Industriekommissar Thierry Breton. Der Franzose sprach davon, dass die Rüstungsindustrie in den EU-Staaten bis März die Produktionskapazitäten auf eine Million Artilleriegeschosse pro Jahr hochfahren könnten. Er sprach von einer Steigerung seit Februar um 20 bis 30 Prozent. Produktionskapazitäten sind allerdings nicht identisch mit Lieferungen. Ohnehin dürfte auch in Zukunft nicht die ganze Jahresproduktion der Ukraine zugutekommen. Rheinmetall bestätigte im Oktober einen Auftrag von mehr als 100.000 Geschossen vom Kaliber 155 Millimeter für die Ukraine, als Teil eines Rahmenvertrags über mehrere hunderttausend Geschossen und mit einer Laufzeit bis 2029. sti
Ein Gutachten aus dem Bundestag kommt bezüglich der Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie zu einer anderen Einschätzung als das Bundesarbeitsministerium (BMAS). Es geht um den Aktionsplan, den Staaten mit einer Tarifbindung unter 80 Prozent bis zum 15. November 2024 erstellen sollen. Laut einer vom Linken-Abgeordneten Pascal Meiser angefragten Expertise der Wissenschaftlichen Dienste ist die Erstellung Pflicht. Laut BMAS muss Deutschland bis zu dem Datum hingegen nur “bewerten, ob die Verpflichtung (…) besteht” – was für Deutschland voraussichtlich der Fall sein werde.
Zu möglichen Inhalten eines solchen Aktionsplans will sich das Ministerium nicht äußern. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte bei seiner Befragung im Bundestag vergangene Woche allerdings einen Hinweis gegeben. Auf eine Frage von Meiser sagte er, bestimmte Vorhaben wie das Tariftreuegesetz seien bereits Teil des Plans. Der Minister will das Gesetz noch 2023 vorlegen und damit regeln, dass Aufträge des Bundes nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarif zahlen.
Gleichzeitig verweist Heil darauf, dass der Aktionsplan nicht zum Erreichen einer bestimmten Quote führen müsse. Dass dies der Tarifautonomie, wonach die Sozialpartner entscheiden, widersprechen würde, sieht auch das Gutachten aus dem Bundestag so. Zu ergreifen sind demnach nur “Maßnahmen zur Förderung von Tarifverhandlungen”.
Derzeit arbeitet nur noch rund die Hälfte der deutschen Beschäftigten in einem tarifgebundenen Betrieb. In manchen anderen EU-Staaten sind es mehr als 90 Prozent. Die schon länger angekündigte Tariftreue-Regelung sei “längst überfällig”, sagte Linken-Politiker Meiser zu Table.Media – sie werde aber nicht genügen. Die Bundesregierung müsse auch erleichtern, dass Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden können – also jeweils für die gesamte Branche gelten. okb
Finnland registriert an der russischen Grenze eine wachsende Zahl von Migranten ohne gültige Papiere. Russland ermögliche ihnen, anders als früher, trotz fehlender Dokumente die Weiterreise nach Finnland, sagte Innenministerin Mari Rantanen am Dienstag, wie der Sender YLE berichtete. “Dies ist ein Fall von illegaler Einreise”, kritisierte sie.
Den Angaben zufolge wurden vergangene Woche 71 Menschen ohne gültige Papiere an der Grenze registriert, an diesem Montag und Dienstag waren es insgesamt bereits etwa 60. Die meisten kamen demnach aus dem Nahen Osten. Einige hätten eine gewisse Zeit in Russland verbracht. Andere reisten dort nur durch, wie es hieß.
Der konservative Ministerpräsident Petteri Orpo sagte, es sei klar, dass den Menschen geholfen worden sei, um an die Grenze zu kommen. Russische Grenzschützer seien ihnen gefolgt und hätten sie transportiert. Grenzschutzbeamte sagten dem Fernsehsender, Russland lasse Asylbewerber mit Fahrrädern über die Grenze, obwohl Finnland dies seit Donnerstag im Südosten verboten habe.
Die Regierung erwägt nach ihren Worten, die Zahl der Grenzübergänge zu beschränken oder zentrale Übergänge für Einreisen zu schaffen. Auch eine Grenzschließung sei denkbar. Die Regierung könne aber nicht sofort zu den schärfsten Maßnahmen greifen. Die finnische Außenministerin Elina Valtonen kündigte an, das Thema, beim EU-Außenministertreffen kommende Woche zur Sprache zu bringen zu wollen. dpa
Frauen in der Europäischen Union verdienen nach wie vor weniger als Männer, wobei das durchschnittliche geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU bei 13 Prozent liegt. Das teilte die EU-Kommission anlässlich des heutigen EU Equal Pay Days mit.
Für jeden Euro, den ein Mann verdient, erhalte eine Frau 87 Cent. Der Equal Pay Day markiere laut Kommission das symbolische Datum, wie viele Tage Frauen bis zum Ende des Jahres zusätzlich arbeiten müssen, um das zu verdienen, was Männer im selben Jahr verdienen. Der Tag ändert sich mit der Lohnlücke.
Seit Anfang der 2010er-Jahre hat sich der Gender Pay Gap in der EU verringert. Der unbereinigte Gender Pay Gap, auf den sich die Kommission mit ihrer Zahl stützt, erklärt sich unter anderem daraus, dass Frauen öfter in schlechter bezahlten Berufen arbeiten, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen den Geschlechtern nicht gleich verteilt sei und zum Teil auch aus Gehaltsdiskriminierung, schreibt die Kommission.
Das Recht auf gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist seit den Römischen Verträgen von 1957 ein Grundprinzip der Europäischen Union. Die Forderung nach gleichem Entgelt ist in Artikel 157 AEUV und in der EU-Richtlinie über die Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Beschäftigung und Beruf verankert.
Um gegen ungleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation einzutreten, hat die Kommission die Lohntransparenz-Richtlinie erlassen. Sie ist Anfang Juni in Kraft getreten und soll Beschäftigten helfen, Lohndiskriminierung zu erkennen und dagegen vorzugehen. Die Richtlinie muss jedoch noch von den 27 EU-Ländern in nationales Recht umgesetzt werden, die dafür drei Jahre Zeit haben. lei/rtr
Die Bahn sollte die Schnellzugverbindung Frankfurt am Main nach Brüssel einstellen. Sie taugt nicht als Referenzprojekt, um für das Bahnfahren in die belgische Hauptstadt mit ihren EU-Institutionen zu werben. Selbst die größten Anhänger des schienengebundenen Verkehrs werden verprellt durch die Missstände auf dieser Strecke. Dass die Wagons regelmäßig ungereinigt und mit weitestgehend defekten WC am Startbahnhof auf die Reise gehen – geschenkt. Mal fährt der erste Zug morgens außerplanmäßig nicht ab Brüssel, sondern ist am Vorabend nur bis Lüttich gekommen. Dann ist ein Zug da, kann aber nicht abfahren, weil das Zugpersonal in einer verspäteten S-Bahn festsitzt. Pünktlichkeit ist Glückssache.
Wer einen Termin hat, sollte einen Tag eher fahren. Allein in den letzten sieben Tagen haben laut Zugfinder.net 13 Züge auf dieser Strecke ihr Ziel nicht erreicht. Entweder sind sie ausgefallen oder haben den Trip unterwegs abbrechen müssen. Gestern haben Reisende zwischen Köln und Brüssel eine Verspätung von acht Stunden eingefahren. Das Beste, was man über die Strecke sagen kann: die unglaubliche Leidensfähigkeit des Zugpersonals.
Woran es liegt, dass das Chaos auf dieser Strecke besonders ausgeprägt ist, kann wohl nur der Staatskonzern selbst sagen. Gibt es einfach zu wenige Züge, die hier fahren können? Gibt es zu wenige Schaffner, die Niederländisch, Deutsch und Französisch sprechen? Ist die Infrastruktur gerade auf dieser Strecke besonders marode? Kippen ausgerechnet zwischen Köln und Lüttich besonders viele Bäume selbst bei Nieselregen und Windstille auf die Gleise? Alle diese Fragen hatte sich der Journalist im Kopf zurechtgelegt für das Gespräch, zu dem Bahnchef Lutz am heutigen Mittwoch in Brüssel geladen hatte.
Doch nicht nur Bahnen nach Brüssel fallen aus. Auch der Termin mit Richard Lutz in Brüssel wurde kurzfristig aus dem Fahrplan gestrichen. “Herr Lutz muss kurzfristig anderweitige Termine in Berlin wahrnehmen”, hieß es kurz vor dem Pressetermin. mgr