mit dem geplanten Renaturierungsgesetz nehme die EU weltweit eine Vorreiterrolle ein, sagte Berichterstatter César Luena (S&D) gestern im Umweltausschuss. “Diese Möglichkeit will ich nutzen.” Luena strebt in seinem Berichtsentwurf höhere Ziele an als die Kommission. So will er das Gesamtziel, 20 Prozent der Ökosysteme zu renaturieren, auf 30 Prozent anheben. Das entspricht dem neuen globalen Naturschutz-Abkommen, das in Montréal vereinbart wurde. Umweltverbände begrüßten den Entwurf, doch Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten. Timo Landenberger hat die Details.
Mehr über die gestrige Sitzung des Umweltausschusses erfahren Sie in den News: Leonie Düngefeld fasst die wichtigsten Punkte aus dem Berichtsentwurf von Alessandra Moretti (S&D) für die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte zusammen und Charlotte Wirth berichtet, wie die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt der Fast Fashion den Kampf ansagt.
Die irische Datenschutzaufsichtsbehörde hatte sich lange damit zurückgehalten, nach Beschwerden von Kunden und Datenschutzaktivisten gegen Meta vorzugehen. Doch im Dezember überstimmte der Europäische Datenschutzausschuss die irische Behörde und forderte sie zu einem entschiedeneren Vorgehen auf. Nun haben die Iren entschieden: Der Facebook-Konzern darf künftig nicht mehr personenbezogene Daten seiner Nutzer ungefragt für die Personalisierung der Werbung verwenden. Habe die Entscheidung Bestand, werde sie massive Auswirkungen auf die Rechtsinterpretation der DSGVO und damit für viele Firmen in der EU haben, schreibt Falk Steiner in seiner Analyse.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Wochenende.
Wenige Wochen nach der Weltnaturkonferenz COP15 in Montréal machte sich der Umweltausschuss des EU-Parlaments an die Hausaufgaben. Am Donnerstag diskutierten die Abgeordneten die Ausgestaltung und Umsetzung der eigenen Umweltschutz-Vorhaben und insbesondere des geplanten Renaturierungsgesetzes (Nature Restoration Law, NRL).
Mit dem ersten Rechtsrahmen dieser Art nehme die EU eine weltweite Vorreiterrolle ein. “Wir können hier in vielerlei Hinsicht global vorangehen. Diese Möglichkeit möchte ich nutzen”, sagte Berichterstatter César Luena (S&D) bei der Vorstellung seines Entwurfs. Darin hat der Spanier das Ambitionsniveau im Vergleich zum Kommissionsvorschlag teils deutlich erhöht.
So soll vor allem das Gesamtziel, 20 Prozent der Ökosysteme zu renaturieren, auf 30 Prozent angehoben werden. Das entspricht dem neuen globalen Naturschutz-Abkommen, auf das sich die knapp 200 Vertragsparteien der Biodiversitätskonventionen Ende 2022 in Montréal geeinigt haben. Insbesondere die EU-Delegation hatte sich bei den Verhandlungen vehement dafür eingesetzt. “Dann können wir schlecht zu Hause unter diesem Niveau bleiben”, so Luena.
Zu den weiteren Änderungsvorschlägen des Berichterstatters gehören:
Von der generellen Notwendigkeit muss niemand mehr überzeugt werden. Das übergeordnete Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten, erfährt über alle Lager hinweg Unterstützung. Doch an der Ausgestaltung scheiden sich weiter die Geister.
“Die Natur entwickelt sich weiter. Es ist nicht ersichtlich, warum wir an den Zustand von 1950 anknüpfen sollten. Wir brauchen keine Wiederherstellung, sondern eine zukunftsgerichtete Entwicklung der Biodiversität, und dabei dürfen wir den Menschen nicht vergessen”, sagte Christine Schneider, Schattenberichterstatterin der EVP.
Daneben fehle es an einer Datengrundlage, um zu klären, warum die bisherigen Umweltziele, etwa aus der Habitat- und Vogelschutzrichtlinie, nicht erreicht wurden. “Das müssen wir verstehen, bevor wir einfach noch höhere Ziele setzen und noch strengere Maßnahmen ergreifen und womöglich die gleichen Fehler noch einmal machen”, so Schneider.
Auch müsse bei der Umsetzung mit erheblichen Auswirkungen auf die Ernährungssicherung gerechnet werden. Die Einschränkung der Bewirtschaftung auf Teilen der landwirtschaftlichen Nutzfläche komme einer Stilllegung gleich. Das werde die EVP nicht unterstützen, sagte die Abgeordnete. Vielmehr fordere die Fraktion der Christdemokraten ein Belastungsmoratorium.
Fraktionskollegin Anne Sander kritisierte im Namen des Agrarausschusses die Inkohärenz der Politikfelder im Hinblick auf die grüne Transformation der Landwirtschaft. So ziele das NRL auf zehn Prozent der Agrarflächen ab, in denen Renaturierungsmaßnahmen vorgenommen werden sollen. In der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) seien lediglich vier Prozent vorgesehen, sagte die Agrarpolitikerin aus Frankreich. Für die CO2-Senkleistung der Böden habe die Kommission ein freiwilliges Zertifizierungsmodell auf den Weg gebracht. Gleichzeitig sehe das NRL verpflichtende Ziele vor. “Wir brauchen einen Ganzheitlichen Ansatz.”
Jutta Paulus, Verhandlungsführerin der Grünen, begrüßte den Entwurf Luenas. Dennoch gehe dieser noch nicht weit genug. Insbesondere die spezifischen Ziele für die Wiederherstellung von Mooren müssten deutlich gestärkt werden. “Es muss deutlicher werden, dass eine Renaturierung nur durch Wieder-Vernässen möglich ist. Andernfalls können wir unsere Klimaziele nicht erreichen”, so die Abgeordnete. Außerdem beschränke sich der Entwurf auf Agrarflächen. “Ein Großteil der Moore der EU liegt aber in bewaldeten Gebieten. Die müssen wir mitberücksichtigen.”
Als Berichterstatterin für die EU-Forststrategie kritisierte Ulrike Müller (Renew) die Ziele für Wälder in dem Vorschlag. “Die Indikatoren sind generisch und ignorieren die Vielfalt der Wälder in Europa.” Renaturierung in Anlehnung an historische Referenzwälder sei darüber hinaus in “großem Maße kontraproduktiv. Klimaresistente Wälder der Zukunft brauchen andere Strukturen und Spezies”.
Mehrere Umweltverbände, darunter Bird Life, Client Earth und WWF, begrüßen den Entwurf des Berichterstatters. Das Gesetz sei “eine große Chance, die Natur nach Europa zurückzubringen”, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Mit den Änderungsvorschlägen Luenas werde das Paket weiter gestärkt und effektiver gemacht. Dennoch seien weitere Nachbesserungen notwendig, etwa im Bereich Monitoring und Messbarkeit der Fortschritte.
In seiner jüngsten Sitzung Ende Dezember beschäftigte sich auch der Umweltrat mit dem Renaturierungsgesetz. Kurz nach der Weltnaturkonferenz erfuhr das Vorhaben breite Unterstützung aus etlichen Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und Italien. Doch es gab auch Gegenwind, etwa aus Schweden, das seit Jahresbeginn die EU-Ratspräsidentschaft stellt und das NRL zu einem erfolgreichen Abschluss bringen soll.
16.01.2023 – 15:00 Uhr
Euro-Gruppe
Erweiterung der Eurozone (Aktueller Stand der Euro-Bargeldumstellung in Kroatien), Digitaler Euro (Bestandsaufnahme des Projektfortschritts), Koordinierung der Finanzpolitik im Euroraum (Energieunterstützung für Haushalte und Unternehmen) – Fallstudien. Vorläufige Tagesordnung
16.01.2023 – 17:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Jubiläum Binnenmarkt, Abfälle, EU-Hauptstadt
Feierlichkeiten anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Binnenmarkts, Aussprache zur Verbringung von Abfällen, Aussprache zum Bericht zur Schaffung einer Europäischen Hauptstadt des lokalen Handels. Vorläufige Tagesordnung
16.01.2023 – 19:00-21:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
Meinungsaustausch mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) über die aktuelle COVID-19-Situation (insbesondere in China), Entwurf einer Stellungnahme zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit und der langfristigen Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft in der EU, Vorschlag einer Verordnung zur verbindlichen jährlichen Verringerung der Treibhausgasemissionen durch die Mitgliedstaaten von 2021 bis 2030 als Beitrag zu den Klimaschutz-Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen. Vorläufige Tagesordnung
17.01.2023
Wöchentliche Kommissionssitzung
Die Kommissare kommen zu Beratungen zusammen. Infos
17.01.2023
EuGH: Mündliche Verhandlungen zur Sanktionierung von Unternehmen bei Datenschutzverstößen
Das Kammergericht Berlin entscheidet, ob das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen eine Geldstrafe zahlen muss. Die Strafe wurde verhängt, weil das Unternehmen personenbezogene Daten von Mietern länger als nötig aufbewahrt hatte. Das Kammergericht ersucht den Gerichtshof hierzu um eine Auslegung der Datenschutzgrundverordnung. Es möchte wissen, ob einem Unternehmen nur dann eine Geldbuße auferlegt werden darf, wenn ihm ein schuldhafter Verstoß eines leitenden Mitarbeiters zuzurechnen ist oder, ob es selbständig und womöglich verschuldensunabhängig für Datenschutzverstöße haftet. Antrag
17.01.2023 – 09:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: schwedischer Ratsvorsitz, Briefkastenfirmen, Gericht Kriegsverbrechen Ukraine
Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des schwedischen Ratsvorsitzes, Abstimmung zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke, Aussprachen zur Einrichtung eines Gerichts für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine. Vorläufige Tagesordnung
17.01.2023 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des schwedischen Ratsvorsitzes, Gedankenaustausch über die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der russischen Aggression gegen die Ukraine, Verabschiedung des Europäischen Semesters 2023. Vorläufige Tagesordnung
18.01.2023 – 09:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, rechtsextreme Netzwerke, Menschenrechtsverletzungen
Aussprache zu den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 15. Dezember 2022, Aussprache zu der von rechtsextremistischen Netzwerken ausgehenden terroristischen Bedrohung der demokratischen Grundordnung, Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Vorläufige Tagesordnung
19.01.2023
EuGH: Mündliche Verhandlungen zu Geldbußen gegen VW in Italien und Deutschland (Verbot der Doppelbestrafung)
Volkswagen und die Volkswagen Group Italia beanstanden vor den italienischen Gerichten einen Bescheid der italienischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde vom 4. August 2016, mit dem ihnen eine Geldbuße in Höhe von fünf Millionen Euro wegen Verstoßes gegen das italienische Verbrauchergesetzbuch auferlegt wurde. Antrag
19.01.2023 – 09:00-16:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Europäischer Betriebsrat, Anfragen
Aussprache zur Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats, Große Anfragen. Vorläufige Tagesordnung
Die Entscheidung der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde DPC Ireland im Fall Facebook hat alles, was einen Rechtsauslegungskrimi ausmacht. Anfang Januar entschied die Behörde, dass Meta künftig nicht mehr personenbezogene Daten seiner Nutzer ungefragt für die Personalisierung der Werbung verwenden darf.
Hat der Beschluss Bestand, wird er massive Auswirkungen auf die Rechtsinterpretation der DSGVO und damit für viele Firmen in der EU haben. Am Ende könnte fast nichts mehr ohne informierte Einwilligung gehen, das Geschäft mit der personalisierten Werbung wäre wahrscheinlich am Ende. Hat sie aber keinen Bestand, könnte die DSGVO reformiert werden müssen. Denn dann wäre sie zahnlos.
Auf der einen Seite des Verfahrens: die DPC, vertreten von Kommissarin Helen Dixon, und der Facebook-Mutterkonzern Meta. Auf der anderen: Max Schrems, Datenschutzaktivist aus Österreich, und der Großteil der Aufsichtsbehörden in Europa.
Schrems hatte 2018 eine Eingabe bei der DPC getätigt. Die Firma Facebook hatte zum Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung die Nutzer vor die Wahl gestellt: Neue Nutzungsbedingungen akzeptieren – oder gehen. Denn personalisierte Werbung, so argumentierte Facebook, sei integraler Bestandteil der elektronischen Dienstleistung. Weshalb es auch ausreiche, die Zustimmung mit den Vertragsbedingungen einzuholen und nicht separat – und sonst auch keine Nutzung zu ermöglichen. Irlands Datenschutzbehörde bejahte das grundsätzlich. Sie sah vor allem Verstöße gegen Transparenzpflichten aus der DSGVO.
Das wiederum sah die Mehrheit der Datenschutzaufsichtsbehörden in Europa anders – zum offenkundigen Ärger der DPC. Aber darüber hinwegsetzen konnte sie sich nicht. “Die verbindlichen EDPB-Entscheidungen stellen klar, dass Meta unrechtmäßig personenbezogene Daten für verhaltensbezogene Werbung verarbeitet hat“, sagt die österreichische Datenschutzbeauftragte Andrea Jelinek, die Vorsitzende des Europäischen Datenschutzausschusses EDPB ist.
“Eine solche Werbung ist nicht für die Erfüllung eines angeblichen Vertrags mit Facebook- und Instagram-Nutzern nötig. Diese Entscheidungen können auch wichtige Auswirkungen haben auf andere Plattformen, die verhaltensbezogene Werbung als Kern ihres Geschäftsmodells haben.” Das also ist die maximale Reichweite des Beschlusses: der Kern von Google, Facebook und anderen Werbe-Social Media-Riesen. Doch noch ist das Zukunftsmusik.
Wenn die anderen Aufsichtsbehörden die zuständige Aufsichtsbehörde im EDPB überstimmen, dann muss diese dem Beschluss des europäischen Gremiums Folge leisten. Das tut Irlands Chefdatenschützerin Dixon nun, allerdings ausgesprochen widerwillig. Und so besteht der 188 Seiten lange Beschluss im Fall Meta auch aus einer wilden Mischung aus Vorhalten und Vorwürfen der irischen Aufsichtsbehörde. Einmal gegenüber dem Beschwerdeführer Schrems, mit dem sie eine jahrelange Auseinandersetzung pflegt, aber auch gegenüber den anderen Aufsichtsbehörden, denen Dixons DPC rechtlich falsche Beschlüsse und Kompetenzüberschreitung vorwirft.
Der Datenschutzaufsicht obliege es etwa nicht, zu prüfen, ob Verträge auch verbraucherrechtlich zulässig seien, argumentiert Dixon. Aus Sicht der Aufsichtsbehörden sei ein Vertrag ein Vertrag. Und eine Datenverarbeitung könne nach DSGVO eben auch durch Vertrag gerechtfertigt sein. Es gebe keinen Vorrang einer bestimmten Form der Rechtsgrundlage, also etwa der informierten Einwilligung, des berechtigten Interesses oder als notwendiger Vertragsbestandteil, so Dixon. Dass allerdings die Wirksamkeit eines Vertrages zwingende Voraussetzung für darauf gestützte Folgen sein muss, dürfte derweil auch in Irland herrschende Rechtsmeinung sein.
“Diese Entscheidungen verhindern personalisierte Werbung auf unserer Plattform nicht“, versuchte Meta unmittelbar nach Zustellung der vom EDPB durchgedrückten DPC-Entscheidung die Investoren per Blogpost zu beruhigen. “Die Entscheidungen beziehen sich ausschließlich darauf, welche Rechtsgrundlage Meta für das Anbieten bestimmter Anzeigen nutzt.”
Das klingt sehr nach Beruhigungspille: Im schlimmsten Fall müsste Meta die unzulässig erhobenen Daten löschen, die Nutzung für Werbung einstellen und für die Zukunft bei den Nutzern um Einwilligung betteln – Ausgang ungewiss. Man überprüfe nun, welche Rechtsgrundlagen künftig genutzt werden sollten, so die Firma. Auch wenn man der Ansicht sei, dass die bislang gewählte Rechtsgrundlage richtig sei. Man werde zudem gegen die Entscheidung und die Strafhöhen den Rechtsweg beschreiten, kündigte Meta an.
“Die Entscheidung der EU-Datenschutzaufsichtsbehörden zu Meta und Werbung auf Grundlage personenbeziehbarer Werbung muss sowohl aus formellen als auch aus inhaltlichen Gründen ausgesprochen kritisch betrachtet werden”, sagt Thomas Duhr, Vizepräsident im Bundesverband Digitale Wirtschaft. Im BVDW sind auch viele Onlinefirmen Mitglied, deren Geschäftsmodell Werbung ist. Der gesamte Vorgang zeige, dass die DSGVO zwar eine EU-weit einheitliche Gesetzgebung sei, sagt Duhr. Aber die einheitliche Auslegung fehle.
Und schon droht das nächste Zuständigkeitswirrwarr rund um Daten, Werbung und Nutzer: Mit dem Digital Services Act kommen weitere Pflichten auf Plattformbetreiber zu, sowohl bei der Verwendung von Algorithmen als auch bei der verhaltensbasierten Werbung und bei der Oberflächengestaltung. Zuständig sind hier jedoch nicht die Datenschutzaufsichtsbehörden, sondern entweder die Kommission oder nationale Aufsichtsbehörden. Gleichzeitig können verbraucherschützende Normen ebenfalls eine Rolle spielen – und beim Zusammenspiel der verschiedenen Rechtsdurchsetzungsgebiete fehlt es an Systematik.
“Das angestrebte ‘Level Playing Field’ bleibt so Fiktion”, sagt Thomas Duhr vom BVDW, und fordert: “Gerade wir in Deutschland sollten den Vorgang daher zum Anlass nehmen, konkret über weitere Schritte zu einer zentraleren Aufstellung von Datenschutzaufsichtsbehörden nachzudenken und ebenso über zukünftige Institutionen wie den nationalen Digital Services Coordinator.”
Ob Konkurrenten wegen möglicher Datenschutzverstöße von Unternehmen vor Gericht ziehen dürfen, muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) klären. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe setzte am Donnerstag zwei Verfahren aus, um den Sachverhalt in Luxemburg prüfen zu lassen. Dabei geht es vor allem darum, ob die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nationalen Regelungen entgegensteht, die Mitbewerbern ein solches Klagerecht bei angenommenen Datenschutzverstößen einräumen.
Die Frage sei besonders interessant, weil gerade Unternehmen Rechte mit Nachdruck verfolgten, sagte der Vorsitzende Richter des ersten Zivilsenats, Thomas Koch. Ist ein Mensch konkret betroffen, kann er ohnehin klagen. Ob auch Verbraucherschutzverbände ohne einen direkt Betroffenen ein allgemeines Klagerecht haben, wird in einem separaten Verfahren am BGH geklärt – auch hierzu läuft eine Anfrage beim EuGH.
In den konkreten Fällen, um die es nun ging, klagt ein Apotheker gegen zwei Mitbewerber, die Produkte über die Internetplattform Amazon vertreiben. Dabei werden aus seiner Sicht Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO erhoben, die Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand einer Person zulassen. Das dürfe nicht ohne ausdrückliche Einwilligung geschehen. Die Konkurrenz sieht das anders. Das Oberlandesgericht Naumburg hatte aber dem Kläger Recht gegeben.
Der BGH will aufgrund dieser speziellen Thematik zudem vom EuGH wissen, ob es sich bei den im Bestellvorgang erhobenen Details wie Lieferadresse und Art der apothekenpflichtigen – nicht aber verschreibungspflichtigen – Medikamente um Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO handelt. Nicht zwingend müsse der Besteller der Präparate auch der Patient oder Konsument sein, machte Richter Koch deutlich. dpa
Die Berichterstatterin im EU-Parlament, Alessandra Moretti (S&D), hat gestern im Umweltausschuss (ENVI) ihren Berichtsentwurf für die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte vorgestellt. Sie will den Entwurf der Kommission vor allem hinsichtlich der Umweltauswirkungen von Produkten und der Vernichtung nicht verkaufter Produkte schärfen. Außerdem will sie die Nachhaltigkeit von Produkten und ihre Sozialverträglichkeit miteinbeziehen.
Moretti fordert in ihrem Bericht, dass die EU-Klimaziele und die Reduzierung der Gesamtumweltauswirkungen der Ausgangsstoffe in der Verordnung verankert werden. Produkte mit besonders negativen Umweltauswirkungen (etwa Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Textilerzeugnisse, Reifen, Reinigungsmittel, Farbstoffe, Schmiermittel) solle der Rechtsakt stärker in den Fokus nehmen. Die Verordnung solle deshalb eine Liste dieser Produkte enthalten.
Die Kommission will bis Ende des Monats eine solche Liste mit Produkten veröffentlichen, die sie für vorrangig hält. Moretti fordert hier mehr Transparenz: Die Kommission solle ihren Arbeitsplan veröffentlichen und dem Parlament vorstellen, bevor er verabschiedet werde.
Morettis Bericht fügt der Verordnung eine soziale Dimension hinzu: Neben der ökologischen Nachhaltigkeit der Materialien und Produkte müssten auch Sozialverträglichkeit und Sorgfaltspflichten berücksichtigt werden. Moretti will zudem die Informationsrechte für Verbraucher und Endnutzer stärken: “Eindeutige, einfach verständliche Informationen sind unerlässlich, um umweltverträgliche Verbrauchsmuster zu entwickeln”, sagte sie.
Auch im Hinblick auf die Vernichtung nicht abgesetzter Erzeugnisse will Moretti nachschärfen. Sie schlägt vor, Vernichtung von Textilien und elektronischen Geräten generell zu verbieten. Auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sollen einbezogen werden. Außerdem will sie weitere Änderungsanträge zum Anwendungsbereich und der Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden einbringen.
Die Schattenberichterstatterin Jessica Polfjärd (EVP) äußerte sich besorgt ob der Belastung für Unternehmen. Sie forderte eine längere Vorlaufzeit für die Industrie und lehnte die soziale Dimension ab, die der Bericht vorschlägt. Schattenberichterstatter Jan Huitema (Renew) sprach sich für stärkere Fördermaßnahmen für KMU aus. Sara Matthieu (Grüne) sagte, im Entwurf fehlten noch Vergleichswerte, an denen der Erfolg gemessen werden könne. Anhaltspunkt sollten hier die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) sein.
Die Frist für Änderungsanträge im Umweltausschuss endet am 17. Januar. Der Ausschuss stimmt am 5. Juni über den Bericht ab. leo
Nachdem die EU-Kommission bereits im März vergangenen Jahres ihre Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien vorgestellt hat, präsentierte die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt gestern im Umweltausschuss ihren Initiativbericht zum Thema. Mit ihrem Vorschlag will Burkhardt das Modell der Fast Fashion beenden. Zu den Kernforderungen gehören etwa:
Einige Forderungen lehnen sich denn auch an die Ökodesignverordnung an. Hier will die Kommission mittels delegierter Rechtsakte Nachhaltigkeitsstandards für unterschiedliche Produkte festhalten. Kleidung und Schuhe sollen hier prioritär behandelt werden, fordert Burkhardt. Zudem sollten Stoffe mit weniger Mikroplastik bevorzugt werden, so die Abgeordnete.
Der Umweltausschuss übte gestern nur milde Kritik an Burkhardts Vorschlägen. Es sei allerdings wichtig, die richtige Balance zu finden, um zu vermeiden, dass Unternehmen in Drittländer mit weniger strengen Auflagen abwandern, sagte EVP-Schattenberichterstatterin Pernille Weiss. Daher dürfe man nicht nur auf Verbote setzen, sondern müsse auch positive Anreize für die Industrie schaffen.
Gleichzeitig erfordere ein Mentalitätswechsel in der Textilindustrie einen Wandel in der Abfallwirtschaft: Die getrennte Sammlung von Textilien müsse etwa hinreichend vorbereitet werden und erfordere womöglich neue Recyclingmodelle, so Christian Ehler (CDU). cw
Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet mit einem rasanten Wachstum sauberer Energietechnologien, warnt bei den Ressourcen aber vor einer Abhängigkeit von wenigen Ländern. Wenn die Staaten ihre Energie- und Klimazusagen vollständig umsetzen, werde sich der Herstellungswert von sauberen Energietechniken bis 2030 auf gut 600 Milliarden Euro mehr als verdreifachen, erklärte die IEA in ihrem am Donnerstag in Paris vorgelegten Energietechnikbericht.
Die Zahl der damit verbundenen Arbeitsplätze könne sich auf fast 14 Millionen im Jahr 2030 mehr als verdoppeln. Auch in den folgenden Jahrzehnten erwartet die IEA mit dem Fortschreiten der Energiewende ein weiteres rasches Industrie- und Beschäftigungswachstum.
Gleichzeitig warnt die IEA vor Risiken in den derzeitigen Versorgungsketten, denn es gibt eine Abhängigkeit von wenigen Ländern beim Abbau und der Verarbeitung von Ressourcen sowie bei der Herstellung von Technologien. Bei Solarmodulen, Windkraftanlagen und Batterien für Elektrofahrzeuge entfielen mindestens 70 Prozent der Produktionskapazitäten auf die drei größten Herstellerländer, allen voran China.
Gleichzeitig konzentriere sich ein Großteil des Abbaus kritischer Mineralien auf eine kleine Anzahl von Ländern. So werden beispielsweise im Kongo mehr als 70 Prozent des weltweiten Kobalts gefördert, und auf nur drei Länder – Australien, Chile und China – entfallen mehr als 90 Prozent der weltweiten Lithiumproduktion.
“Wenn alles, was bis heute angekündigt wurde, gebaut wird, betragen die Investitionen in die Herstellung sauberer Energietechnologien zwei Drittel dessen, was auf dem Weg zur Klimaneutralität benötigt wird”, sagte IEA-Direktor Fatih Birol. Der derzeitige Schwung bringe die Einhaltung der internationalen Energie- und Klimaziele näher. “Es wird mit Sicherheit noch mehr kommen.” dpa
Bulgarien will die geplante Schließung seiner Kohlekraftwerke um etwa zwölf Jahre bis 2038 aufschieben – obwohl dies dem EU-Wiederaufbauplan des Landes zuwiderläuft. Das Parlament in Sofia beauftragte am Donnerstag die Regierung, mit der EU-Kommission über eine Rücknahme der entsprechenden Verpflichtung zu verhandeln. Darin ist vorgesehen, dass die Kohlendioxid-Emissionen in der Energiewirtschaft bis Ende 2025 um 40 Prozent im Vergleich zu 2019 reduziert werden sollen, was einem Kohleausstieg voraussichtlich im Jahr 2026 gleichkommt.
Mitarbeiter von Kohlekraftwerken und Kohlebergwerken demonstrierten am Parlament dafür, die Schließung ihrer Betriebe bis 2038 aufzuschieben. Sie beklagten, dass die Umsetzung der bisherigen Ziele die Energiesicherheit und viele Arbeitsplätze gefährde. Der Parlamentsbeschluss zugunsten der Kohlekraftwerke fiel schließlich mit einer überwältigenden Mehrheit von 187 Ja-Stimmen, bei nur zwei Gegenstimmen und neun Enthaltungen.
Bulgariens Kohlekraftwerke erzeugen Angaben der Branche zufolge in den Sommermonaten die Hälfte des gesamten Strombedarfs des Landes. Während der Heizsaison seien es fast 60 Prozent. Die meisten von ihnen hätten bereits mit der Umsetzung von Projekten zur Diversifizierung des Brennstoffmix und der stufenweise Abschaffung von Kohle begonnen. Doch dies könne binnen drei Jahren nicht vollständig erreicht werden, heißt es in einem offenen Brief der Branche aus dem November. dpa
Der Vorsitzende des staatlichen emiratischen Ölkonzerns ADNOC soll die kommende Weltklimakonferenz COP28 in Dubai als Präsident leiten. Sultan Ahmed al-Dschabir, zugleich Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, habe über zwei Jahrzehnte Erfahrung gesammelt als Geschäftsführer und in führenden Regierungspositionen, berichtete die Staatsagentur WAM am Donnerstag. “Dies wird ein entscheidendes Jahr sein, in einem entscheidenden Jahrzehnt beim Kampf für das Klima”, sagte Al-Dschabir zu seiner Ernennung.
Dass ein Spitzenvertreter der Ölindustrie am Golf die wichtigste UN-Konferenz des Jahres zum Klimaschutz leiten soll, sorgte für Kritik. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss sagte der Deutschen Presse-Agentur: “Die Benennung macht den Bock zum Gärtner. Der Interessenkonflikt ist vorprogrammiert. Ölkonzerne können nicht glaubwürdig die Pariser Klimaziele durchsetzen.” Die UN müsse eine klare Grenze ziehen.
Die Emirate zählen zu den zehn größten Ölproduzenten der Welt. Dort beginnt am 30. November in der Metropole Dubai die Weltklimakonferenz COP28. Erwartet werden rund 70.000 Teilnehmer – und damit möglicherweise ein neuer Teilnehmerrekord. Bei der Vorjahreskonferenz in Ägypten waren laut der Umweltorganisation Global Witness und des Corporate Europe Observatory zufolge mehr als 600 Lobbyisten für Öl, Gas und Kohle registriert. dpa
Am Mittwoch stand er noch da, einen Tag später ist ihr Name von der Website entfernt: Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ist kein Mitglied mehr des Lenkungsausschusses des European Parliamentary Financial Services Forum (EPFSF), wie ihr Sprecher mitteilte. Bei dem Forum handelt es sich um eine Diskussionsgruppe, der führende Player und Lobbyorganisationen der Finanzindustrie mit EU-Abgeordneten zusammenbringt und regelmäßig zu Policy Briefs einlädt.
Europe.Table hatte am Mittwoch unter Berufung auf die Website gemeldet, Metsola habe ihre Mitgliedschaft im Lenkungsausschuss nicht in ihrer finanziellen Erklärung vermerkt, obwohl der parlamentarische Verhaltenskodex dazu anhält. Ihr Sprecher stellte nun klar, Roberta Metsola sei weder in dieser, noch in der vergangenen Legislatur am Management der Organisation beteiligt gewesen. Sie habe auch keinerlei finanzielle Zuwendungen von dieser erhalten. Ihre Mitgliedschaft im im EPSF hatte die Parlamentspräsidentin allerdings auch in der letzten Legislatur nicht in ihrer finanziellen Erklärung offengelegt.
Momentan arbeitet Metsola an einem 14-Punkte-Plan zur Reform des Parlaments. Einen ersten Entwurf diskutierte sie gestern mit den Fraktionschefs der jeweiligen Parteien. Der Plan sieht unter anderem strengere Auflagen für ehemalige Abgeordnete, das Verbot von Freundschaftsgruppen und verschärfte Regeln zu Lobbytreffen vor. Es ist ein Versuch, das Image des Parlaments nach dem Korruptionsskandal um Ex-Parlaments-Vizepräsidentin Eva Kaili aufzubessern.
Der Plan hat allerdings einige Schlupflöcher. Organisationen wie das EPFSD, die Unternehmen und Verbänden einen privilegierten Zugang zu Parlamentariern gewähren, sind zum Beispiel nicht von den Reformplänen betroffen. cw
Am Dienstag stellt der schwedische Premierminister Ulf Kristersson das Programm der schwedischen Ratspräsidentschaft vor. Es ist einer der Höhepunkte der kommenden Woche in Straßburg, weitere sind: die Sitzung des ENVI-Ausschusses, in der die kürzlich verabschiedeten Elemente des Fit-for-55-Pakets diskutiert werden (Montag), und eine Debatte mit einer Entschließung zum Iran.
Aber es ist natürlich der Korruptionsskandal, der in der EU-Hauptstadt im Elsass in allen Köpfen präsent sein wird. Die Parlamentarier müssen am Dienstag entscheiden, wer Eva Kaili als Vizepräsidentin nachfolgen soll, nachdem sie ihren Posten räumen musste.
Leser von Europe.Table, Sie wissen es bereits:
Der Luxemburger Marc Angel ist auf dem besten Weg, Eva Kaili im Präsidium des Parlaments zu ersetzen. Der Europaabgeordnete wurde am Mittwoch als offizieller Kandidat der S&D-Fraktion nominiert. Die Sozialdemokraten hoffen, dass Marc Angel von den anderen Fraktionen unterstützt wird. Die wichtigsten Fraktionen hatten nämlich Anfang 2022 zugestimmt, dass dieser Posten den Sozialdemokraten zufallen würde. Die Grünen sind mit dieser Regelung jedoch nicht einverstanden und stellen ihre eigene Kandidatin auf: die Französin Gwendoline Delbos-Corfield, die ebenfalls am vergangenen Mittwoch von ihrer Fraktion nominiert wurde.
Parlamentspräsidentin Metsola hat gestern 14 Vorschläge vorgestellt, um das EP transparenter zu gestalten. Es ist ein Versuch, das Image des Parlaments nach dem Korruptionsskandal um Eva Kaili wieder aufzupolieren. Die Vorschläge gehen zum Teil sehr weit, allerdings gibt es Schlupflöcher.
Der französische sozialdemokratische Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann, Vorsitzender des Sonderausschusses über ausländische Einmischung in demokratischen Prozesse der EU, forderte die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses und einer EU-Behörde für die Transparenz des öffentlichen Lebens auf europäischer Ebene nach dem Vorbild der französischen Haute Autorité pour la transparence de la vie publique (HATVP). Er kommt aus einer Partei, der Parti Socialiste Français, die bis vor kurzem regelmäßig von Skandalen erschüttert wurde. Die Partei müht sich, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Der von Präsidentin Roberta Metsola vorgelegte 14-Punkte-Plan zeigt ihre feste Absicht, in diesem Skandal, der nicht nur die Legitimität des Parlaments, sondern auch ihre Autorität infrage stellt, die Kontrolle zu übernehmen – und sie auch zu behalten. Denn ihr Handeln wird von der Kommission und dem Rat genau beobachtet. Beide Institutionen sind darauf bedacht, dass dieser Skandal nicht oder nicht zu sehr auf sie zurückfällt. Aber hat sie dabei wirklich die volle Unterstützung ihrer Fraktion? Und die der anderen Parteien?
Die Weihnachtsfeiertage haben die politische Bedeutung dieses Skandals nicht vergessen gemacht, ganz im Gegenteil. Im kommenden Jahr findet die Europawahl statt und viele befürchten, dass dieser Skandal von Populisten aller Art ausgenutzt werden könnte. Diverse politische Hauptquartiere haben daher großes Interesse, den Fall so schnell wie möglich zu lösen und gleichzeitig zu zeigen, dass sie ihre Lektion gelernt haben.
Das Parlament debattiere seit 30 Jahren über Transparenz und Korruptionsbekämpfung, schreibt Olivier Costa, Direktor für politische Studien am Collège d’Europe und Forschungsdirektor am CNRS (dem französischen Pendant zum Max-Planck-Institut), in einem Gastbeitrag in der französischen Wirtschaftszeitung “La Tribune”. Es seien zwar Fortschritte gemacht worden, aber zu langsam, um besonders skrupellose Lobbyisten und gierige Abgeordneten zu stoppen.
Der aktuelle Korruptionsskandal weckt Erinnerungen an einen beschämenden Vorfall vor einigen Jahren: Das EU-Register, über das seit der Aufdeckung des Skandals immer wieder berichtet wird, wurde 2011 als Reaktion auf den Skandal um die “falschen Lobbyisten” der “Sunday Times” ins Leben gerufen. Drei Europaabgeordnete waren damals von Journalisten der britischen Wochenzeitung in eine Falle gelockt worden und hatten sich bereit erklärt, gegen Bestechungsgelder von bis zu 100.000 Euro Änderungsanträge einzureichen.
Nach einem Skandal von der Größenordnung, wie er derzeit das Europäische Parlament bewegt, ist zu hoffen, dass sich die Gesetzgebung zur Bekämpfung der Korruption bald ändern wird.
mit dem geplanten Renaturierungsgesetz nehme die EU weltweit eine Vorreiterrolle ein, sagte Berichterstatter César Luena (S&D) gestern im Umweltausschuss. “Diese Möglichkeit will ich nutzen.” Luena strebt in seinem Berichtsentwurf höhere Ziele an als die Kommission. So will er das Gesamtziel, 20 Prozent der Ökosysteme zu renaturieren, auf 30 Prozent anheben. Das entspricht dem neuen globalen Naturschutz-Abkommen, das in Montréal vereinbart wurde. Umweltverbände begrüßten den Entwurf, doch Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten. Timo Landenberger hat die Details.
Mehr über die gestrige Sitzung des Umweltausschusses erfahren Sie in den News: Leonie Düngefeld fasst die wichtigsten Punkte aus dem Berichtsentwurf von Alessandra Moretti (S&D) für die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte zusammen und Charlotte Wirth berichtet, wie die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt der Fast Fashion den Kampf ansagt.
Die irische Datenschutzaufsichtsbehörde hatte sich lange damit zurückgehalten, nach Beschwerden von Kunden und Datenschutzaktivisten gegen Meta vorzugehen. Doch im Dezember überstimmte der Europäische Datenschutzausschuss die irische Behörde und forderte sie zu einem entschiedeneren Vorgehen auf. Nun haben die Iren entschieden: Der Facebook-Konzern darf künftig nicht mehr personenbezogene Daten seiner Nutzer ungefragt für die Personalisierung der Werbung verwenden. Habe die Entscheidung Bestand, werde sie massive Auswirkungen auf die Rechtsinterpretation der DSGVO und damit für viele Firmen in der EU haben, schreibt Falk Steiner in seiner Analyse.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Wochenende.
Wenige Wochen nach der Weltnaturkonferenz COP15 in Montréal machte sich der Umweltausschuss des EU-Parlaments an die Hausaufgaben. Am Donnerstag diskutierten die Abgeordneten die Ausgestaltung und Umsetzung der eigenen Umweltschutz-Vorhaben und insbesondere des geplanten Renaturierungsgesetzes (Nature Restoration Law, NRL).
Mit dem ersten Rechtsrahmen dieser Art nehme die EU eine weltweite Vorreiterrolle ein. “Wir können hier in vielerlei Hinsicht global vorangehen. Diese Möglichkeit möchte ich nutzen”, sagte Berichterstatter César Luena (S&D) bei der Vorstellung seines Entwurfs. Darin hat der Spanier das Ambitionsniveau im Vergleich zum Kommissionsvorschlag teils deutlich erhöht.
So soll vor allem das Gesamtziel, 20 Prozent der Ökosysteme zu renaturieren, auf 30 Prozent angehoben werden. Das entspricht dem neuen globalen Naturschutz-Abkommen, auf das sich die knapp 200 Vertragsparteien der Biodiversitätskonventionen Ende 2022 in Montréal geeinigt haben. Insbesondere die EU-Delegation hatte sich bei den Verhandlungen vehement dafür eingesetzt. “Dann können wir schlecht zu Hause unter diesem Niveau bleiben”, so Luena.
Zu den weiteren Änderungsvorschlägen des Berichterstatters gehören:
Von der generellen Notwendigkeit muss niemand mehr überzeugt werden. Das übergeordnete Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten, erfährt über alle Lager hinweg Unterstützung. Doch an der Ausgestaltung scheiden sich weiter die Geister.
“Die Natur entwickelt sich weiter. Es ist nicht ersichtlich, warum wir an den Zustand von 1950 anknüpfen sollten. Wir brauchen keine Wiederherstellung, sondern eine zukunftsgerichtete Entwicklung der Biodiversität, und dabei dürfen wir den Menschen nicht vergessen”, sagte Christine Schneider, Schattenberichterstatterin der EVP.
Daneben fehle es an einer Datengrundlage, um zu klären, warum die bisherigen Umweltziele, etwa aus der Habitat- und Vogelschutzrichtlinie, nicht erreicht wurden. “Das müssen wir verstehen, bevor wir einfach noch höhere Ziele setzen und noch strengere Maßnahmen ergreifen und womöglich die gleichen Fehler noch einmal machen”, so Schneider.
Auch müsse bei der Umsetzung mit erheblichen Auswirkungen auf die Ernährungssicherung gerechnet werden. Die Einschränkung der Bewirtschaftung auf Teilen der landwirtschaftlichen Nutzfläche komme einer Stilllegung gleich. Das werde die EVP nicht unterstützen, sagte die Abgeordnete. Vielmehr fordere die Fraktion der Christdemokraten ein Belastungsmoratorium.
Fraktionskollegin Anne Sander kritisierte im Namen des Agrarausschusses die Inkohärenz der Politikfelder im Hinblick auf die grüne Transformation der Landwirtschaft. So ziele das NRL auf zehn Prozent der Agrarflächen ab, in denen Renaturierungsmaßnahmen vorgenommen werden sollen. In der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) seien lediglich vier Prozent vorgesehen, sagte die Agrarpolitikerin aus Frankreich. Für die CO2-Senkleistung der Böden habe die Kommission ein freiwilliges Zertifizierungsmodell auf den Weg gebracht. Gleichzeitig sehe das NRL verpflichtende Ziele vor. “Wir brauchen einen Ganzheitlichen Ansatz.”
Jutta Paulus, Verhandlungsführerin der Grünen, begrüßte den Entwurf Luenas. Dennoch gehe dieser noch nicht weit genug. Insbesondere die spezifischen Ziele für die Wiederherstellung von Mooren müssten deutlich gestärkt werden. “Es muss deutlicher werden, dass eine Renaturierung nur durch Wieder-Vernässen möglich ist. Andernfalls können wir unsere Klimaziele nicht erreichen”, so die Abgeordnete. Außerdem beschränke sich der Entwurf auf Agrarflächen. “Ein Großteil der Moore der EU liegt aber in bewaldeten Gebieten. Die müssen wir mitberücksichtigen.”
Als Berichterstatterin für die EU-Forststrategie kritisierte Ulrike Müller (Renew) die Ziele für Wälder in dem Vorschlag. “Die Indikatoren sind generisch und ignorieren die Vielfalt der Wälder in Europa.” Renaturierung in Anlehnung an historische Referenzwälder sei darüber hinaus in “großem Maße kontraproduktiv. Klimaresistente Wälder der Zukunft brauchen andere Strukturen und Spezies”.
Mehrere Umweltverbände, darunter Bird Life, Client Earth und WWF, begrüßen den Entwurf des Berichterstatters. Das Gesetz sei “eine große Chance, die Natur nach Europa zurückzubringen”, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Mit den Änderungsvorschlägen Luenas werde das Paket weiter gestärkt und effektiver gemacht. Dennoch seien weitere Nachbesserungen notwendig, etwa im Bereich Monitoring und Messbarkeit der Fortschritte.
In seiner jüngsten Sitzung Ende Dezember beschäftigte sich auch der Umweltrat mit dem Renaturierungsgesetz. Kurz nach der Weltnaturkonferenz erfuhr das Vorhaben breite Unterstützung aus etlichen Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und Italien. Doch es gab auch Gegenwind, etwa aus Schweden, das seit Jahresbeginn die EU-Ratspräsidentschaft stellt und das NRL zu einem erfolgreichen Abschluss bringen soll.
16.01.2023 – 15:00 Uhr
Euro-Gruppe
Erweiterung der Eurozone (Aktueller Stand der Euro-Bargeldumstellung in Kroatien), Digitaler Euro (Bestandsaufnahme des Projektfortschritts), Koordinierung der Finanzpolitik im Euroraum (Energieunterstützung für Haushalte und Unternehmen) – Fallstudien. Vorläufige Tagesordnung
16.01.2023 – 17:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Jubiläum Binnenmarkt, Abfälle, EU-Hauptstadt
Feierlichkeiten anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Binnenmarkts, Aussprache zur Verbringung von Abfällen, Aussprache zum Bericht zur Schaffung einer Europäischen Hauptstadt des lokalen Handels. Vorläufige Tagesordnung
16.01.2023 – 19:00-21:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI)
Meinungsaustausch mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) über die aktuelle COVID-19-Situation (insbesondere in China), Entwurf einer Stellungnahme zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit und der langfristigen Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft in der EU, Vorschlag einer Verordnung zur verbindlichen jährlichen Verringerung der Treibhausgasemissionen durch die Mitgliedstaaten von 2021 bis 2030 als Beitrag zu den Klimaschutz-Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen. Vorläufige Tagesordnung
17.01.2023
Wöchentliche Kommissionssitzung
Die Kommissare kommen zu Beratungen zusammen. Infos
17.01.2023
EuGH: Mündliche Verhandlungen zur Sanktionierung von Unternehmen bei Datenschutzverstößen
Das Kammergericht Berlin entscheidet, ob das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen eine Geldstrafe zahlen muss. Die Strafe wurde verhängt, weil das Unternehmen personenbezogene Daten von Mietern länger als nötig aufbewahrt hatte. Das Kammergericht ersucht den Gerichtshof hierzu um eine Auslegung der Datenschutzgrundverordnung. Es möchte wissen, ob einem Unternehmen nur dann eine Geldbuße auferlegt werden darf, wenn ihm ein schuldhafter Verstoß eines leitenden Mitarbeiters zuzurechnen ist oder, ob es selbständig und womöglich verschuldensunabhängig für Datenschutzverstöße haftet. Antrag
17.01.2023 – 09:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: schwedischer Ratsvorsitz, Briefkastenfirmen, Gericht Kriegsverbrechen Ukraine
Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des schwedischen Ratsvorsitzes, Abstimmung zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke, Aussprachen zur Einrichtung eines Gerichts für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine. Vorläufige Tagesordnung
17.01.2023 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des schwedischen Ratsvorsitzes, Gedankenaustausch über die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der russischen Aggression gegen die Ukraine, Verabschiedung des Europäischen Semesters 2023. Vorläufige Tagesordnung
18.01.2023 – 09:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, rechtsextreme Netzwerke, Menschenrechtsverletzungen
Aussprache zu den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 15. Dezember 2022, Aussprache zu der von rechtsextremistischen Netzwerken ausgehenden terroristischen Bedrohung der demokratischen Grundordnung, Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Vorläufige Tagesordnung
19.01.2023
EuGH: Mündliche Verhandlungen zu Geldbußen gegen VW in Italien und Deutschland (Verbot der Doppelbestrafung)
Volkswagen und die Volkswagen Group Italia beanstanden vor den italienischen Gerichten einen Bescheid der italienischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde vom 4. August 2016, mit dem ihnen eine Geldbuße in Höhe von fünf Millionen Euro wegen Verstoßes gegen das italienische Verbrauchergesetzbuch auferlegt wurde. Antrag
19.01.2023 – 09:00-16:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Europäischer Betriebsrat, Anfragen
Aussprache zur Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats, Große Anfragen. Vorläufige Tagesordnung
Die Entscheidung der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde DPC Ireland im Fall Facebook hat alles, was einen Rechtsauslegungskrimi ausmacht. Anfang Januar entschied die Behörde, dass Meta künftig nicht mehr personenbezogene Daten seiner Nutzer ungefragt für die Personalisierung der Werbung verwenden darf.
Hat der Beschluss Bestand, wird er massive Auswirkungen auf die Rechtsinterpretation der DSGVO und damit für viele Firmen in der EU haben. Am Ende könnte fast nichts mehr ohne informierte Einwilligung gehen, das Geschäft mit der personalisierten Werbung wäre wahrscheinlich am Ende. Hat sie aber keinen Bestand, könnte die DSGVO reformiert werden müssen. Denn dann wäre sie zahnlos.
Auf der einen Seite des Verfahrens: die DPC, vertreten von Kommissarin Helen Dixon, und der Facebook-Mutterkonzern Meta. Auf der anderen: Max Schrems, Datenschutzaktivist aus Österreich, und der Großteil der Aufsichtsbehörden in Europa.
Schrems hatte 2018 eine Eingabe bei der DPC getätigt. Die Firma Facebook hatte zum Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung die Nutzer vor die Wahl gestellt: Neue Nutzungsbedingungen akzeptieren – oder gehen. Denn personalisierte Werbung, so argumentierte Facebook, sei integraler Bestandteil der elektronischen Dienstleistung. Weshalb es auch ausreiche, die Zustimmung mit den Vertragsbedingungen einzuholen und nicht separat – und sonst auch keine Nutzung zu ermöglichen. Irlands Datenschutzbehörde bejahte das grundsätzlich. Sie sah vor allem Verstöße gegen Transparenzpflichten aus der DSGVO.
Das wiederum sah die Mehrheit der Datenschutzaufsichtsbehörden in Europa anders – zum offenkundigen Ärger der DPC. Aber darüber hinwegsetzen konnte sie sich nicht. “Die verbindlichen EDPB-Entscheidungen stellen klar, dass Meta unrechtmäßig personenbezogene Daten für verhaltensbezogene Werbung verarbeitet hat“, sagt die österreichische Datenschutzbeauftragte Andrea Jelinek, die Vorsitzende des Europäischen Datenschutzausschusses EDPB ist.
“Eine solche Werbung ist nicht für die Erfüllung eines angeblichen Vertrags mit Facebook- und Instagram-Nutzern nötig. Diese Entscheidungen können auch wichtige Auswirkungen haben auf andere Plattformen, die verhaltensbezogene Werbung als Kern ihres Geschäftsmodells haben.” Das also ist die maximale Reichweite des Beschlusses: der Kern von Google, Facebook und anderen Werbe-Social Media-Riesen. Doch noch ist das Zukunftsmusik.
Wenn die anderen Aufsichtsbehörden die zuständige Aufsichtsbehörde im EDPB überstimmen, dann muss diese dem Beschluss des europäischen Gremiums Folge leisten. Das tut Irlands Chefdatenschützerin Dixon nun, allerdings ausgesprochen widerwillig. Und so besteht der 188 Seiten lange Beschluss im Fall Meta auch aus einer wilden Mischung aus Vorhalten und Vorwürfen der irischen Aufsichtsbehörde. Einmal gegenüber dem Beschwerdeführer Schrems, mit dem sie eine jahrelange Auseinandersetzung pflegt, aber auch gegenüber den anderen Aufsichtsbehörden, denen Dixons DPC rechtlich falsche Beschlüsse und Kompetenzüberschreitung vorwirft.
Der Datenschutzaufsicht obliege es etwa nicht, zu prüfen, ob Verträge auch verbraucherrechtlich zulässig seien, argumentiert Dixon. Aus Sicht der Aufsichtsbehörden sei ein Vertrag ein Vertrag. Und eine Datenverarbeitung könne nach DSGVO eben auch durch Vertrag gerechtfertigt sein. Es gebe keinen Vorrang einer bestimmten Form der Rechtsgrundlage, also etwa der informierten Einwilligung, des berechtigten Interesses oder als notwendiger Vertragsbestandteil, so Dixon. Dass allerdings die Wirksamkeit eines Vertrages zwingende Voraussetzung für darauf gestützte Folgen sein muss, dürfte derweil auch in Irland herrschende Rechtsmeinung sein.
“Diese Entscheidungen verhindern personalisierte Werbung auf unserer Plattform nicht“, versuchte Meta unmittelbar nach Zustellung der vom EDPB durchgedrückten DPC-Entscheidung die Investoren per Blogpost zu beruhigen. “Die Entscheidungen beziehen sich ausschließlich darauf, welche Rechtsgrundlage Meta für das Anbieten bestimmter Anzeigen nutzt.”
Das klingt sehr nach Beruhigungspille: Im schlimmsten Fall müsste Meta die unzulässig erhobenen Daten löschen, die Nutzung für Werbung einstellen und für die Zukunft bei den Nutzern um Einwilligung betteln – Ausgang ungewiss. Man überprüfe nun, welche Rechtsgrundlagen künftig genutzt werden sollten, so die Firma. Auch wenn man der Ansicht sei, dass die bislang gewählte Rechtsgrundlage richtig sei. Man werde zudem gegen die Entscheidung und die Strafhöhen den Rechtsweg beschreiten, kündigte Meta an.
“Die Entscheidung der EU-Datenschutzaufsichtsbehörden zu Meta und Werbung auf Grundlage personenbeziehbarer Werbung muss sowohl aus formellen als auch aus inhaltlichen Gründen ausgesprochen kritisch betrachtet werden”, sagt Thomas Duhr, Vizepräsident im Bundesverband Digitale Wirtschaft. Im BVDW sind auch viele Onlinefirmen Mitglied, deren Geschäftsmodell Werbung ist. Der gesamte Vorgang zeige, dass die DSGVO zwar eine EU-weit einheitliche Gesetzgebung sei, sagt Duhr. Aber die einheitliche Auslegung fehle.
Und schon droht das nächste Zuständigkeitswirrwarr rund um Daten, Werbung und Nutzer: Mit dem Digital Services Act kommen weitere Pflichten auf Plattformbetreiber zu, sowohl bei der Verwendung von Algorithmen als auch bei der verhaltensbasierten Werbung und bei der Oberflächengestaltung. Zuständig sind hier jedoch nicht die Datenschutzaufsichtsbehörden, sondern entweder die Kommission oder nationale Aufsichtsbehörden. Gleichzeitig können verbraucherschützende Normen ebenfalls eine Rolle spielen – und beim Zusammenspiel der verschiedenen Rechtsdurchsetzungsgebiete fehlt es an Systematik.
“Das angestrebte ‘Level Playing Field’ bleibt so Fiktion”, sagt Thomas Duhr vom BVDW, und fordert: “Gerade wir in Deutschland sollten den Vorgang daher zum Anlass nehmen, konkret über weitere Schritte zu einer zentraleren Aufstellung von Datenschutzaufsichtsbehörden nachzudenken und ebenso über zukünftige Institutionen wie den nationalen Digital Services Coordinator.”
Ob Konkurrenten wegen möglicher Datenschutzverstöße von Unternehmen vor Gericht ziehen dürfen, muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) klären. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe setzte am Donnerstag zwei Verfahren aus, um den Sachverhalt in Luxemburg prüfen zu lassen. Dabei geht es vor allem darum, ob die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nationalen Regelungen entgegensteht, die Mitbewerbern ein solches Klagerecht bei angenommenen Datenschutzverstößen einräumen.
Die Frage sei besonders interessant, weil gerade Unternehmen Rechte mit Nachdruck verfolgten, sagte der Vorsitzende Richter des ersten Zivilsenats, Thomas Koch. Ist ein Mensch konkret betroffen, kann er ohnehin klagen. Ob auch Verbraucherschutzverbände ohne einen direkt Betroffenen ein allgemeines Klagerecht haben, wird in einem separaten Verfahren am BGH geklärt – auch hierzu läuft eine Anfrage beim EuGH.
In den konkreten Fällen, um die es nun ging, klagt ein Apotheker gegen zwei Mitbewerber, die Produkte über die Internetplattform Amazon vertreiben. Dabei werden aus seiner Sicht Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO erhoben, die Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand einer Person zulassen. Das dürfe nicht ohne ausdrückliche Einwilligung geschehen. Die Konkurrenz sieht das anders. Das Oberlandesgericht Naumburg hatte aber dem Kläger Recht gegeben.
Der BGH will aufgrund dieser speziellen Thematik zudem vom EuGH wissen, ob es sich bei den im Bestellvorgang erhobenen Details wie Lieferadresse und Art der apothekenpflichtigen – nicht aber verschreibungspflichtigen – Medikamente um Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO handelt. Nicht zwingend müsse der Besteller der Präparate auch der Patient oder Konsument sein, machte Richter Koch deutlich. dpa
Die Berichterstatterin im EU-Parlament, Alessandra Moretti (S&D), hat gestern im Umweltausschuss (ENVI) ihren Berichtsentwurf für die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte vorgestellt. Sie will den Entwurf der Kommission vor allem hinsichtlich der Umweltauswirkungen von Produkten und der Vernichtung nicht verkaufter Produkte schärfen. Außerdem will sie die Nachhaltigkeit von Produkten und ihre Sozialverträglichkeit miteinbeziehen.
Moretti fordert in ihrem Bericht, dass die EU-Klimaziele und die Reduzierung der Gesamtumweltauswirkungen der Ausgangsstoffe in der Verordnung verankert werden. Produkte mit besonders negativen Umweltauswirkungen (etwa Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Textilerzeugnisse, Reifen, Reinigungsmittel, Farbstoffe, Schmiermittel) solle der Rechtsakt stärker in den Fokus nehmen. Die Verordnung solle deshalb eine Liste dieser Produkte enthalten.
Die Kommission will bis Ende des Monats eine solche Liste mit Produkten veröffentlichen, die sie für vorrangig hält. Moretti fordert hier mehr Transparenz: Die Kommission solle ihren Arbeitsplan veröffentlichen und dem Parlament vorstellen, bevor er verabschiedet werde.
Morettis Bericht fügt der Verordnung eine soziale Dimension hinzu: Neben der ökologischen Nachhaltigkeit der Materialien und Produkte müssten auch Sozialverträglichkeit und Sorgfaltspflichten berücksichtigt werden. Moretti will zudem die Informationsrechte für Verbraucher und Endnutzer stärken: “Eindeutige, einfach verständliche Informationen sind unerlässlich, um umweltverträgliche Verbrauchsmuster zu entwickeln”, sagte sie.
Auch im Hinblick auf die Vernichtung nicht abgesetzter Erzeugnisse will Moretti nachschärfen. Sie schlägt vor, Vernichtung von Textilien und elektronischen Geräten generell zu verbieten. Auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sollen einbezogen werden. Außerdem will sie weitere Änderungsanträge zum Anwendungsbereich und der Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden einbringen.
Die Schattenberichterstatterin Jessica Polfjärd (EVP) äußerte sich besorgt ob der Belastung für Unternehmen. Sie forderte eine längere Vorlaufzeit für die Industrie und lehnte die soziale Dimension ab, die der Bericht vorschlägt. Schattenberichterstatter Jan Huitema (Renew) sprach sich für stärkere Fördermaßnahmen für KMU aus. Sara Matthieu (Grüne) sagte, im Entwurf fehlten noch Vergleichswerte, an denen der Erfolg gemessen werden könne. Anhaltspunkt sollten hier die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) sein.
Die Frist für Änderungsanträge im Umweltausschuss endet am 17. Januar. Der Ausschuss stimmt am 5. Juni über den Bericht ab. leo
Nachdem die EU-Kommission bereits im März vergangenen Jahres ihre Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien vorgestellt hat, präsentierte die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt gestern im Umweltausschuss ihren Initiativbericht zum Thema. Mit ihrem Vorschlag will Burkhardt das Modell der Fast Fashion beenden. Zu den Kernforderungen gehören etwa:
Einige Forderungen lehnen sich denn auch an die Ökodesignverordnung an. Hier will die Kommission mittels delegierter Rechtsakte Nachhaltigkeitsstandards für unterschiedliche Produkte festhalten. Kleidung und Schuhe sollen hier prioritär behandelt werden, fordert Burkhardt. Zudem sollten Stoffe mit weniger Mikroplastik bevorzugt werden, so die Abgeordnete.
Der Umweltausschuss übte gestern nur milde Kritik an Burkhardts Vorschlägen. Es sei allerdings wichtig, die richtige Balance zu finden, um zu vermeiden, dass Unternehmen in Drittländer mit weniger strengen Auflagen abwandern, sagte EVP-Schattenberichterstatterin Pernille Weiss. Daher dürfe man nicht nur auf Verbote setzen, sondern müsse auch positive Anreize für die Industrie schaffen.
Gleichzeitig erfordere ein Mentalitätswechsel in der Textilindustrie einen Wandel in der Abfallwirtschaft: Die getrennte Sammlung von Textilien müsse etwa hinreichend vorbereitet werden und erfordere womöglich neue Recyclingmodelle, so Christian Ehler (CDU). cw
Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet mit einem rasanten Wachstum sauberer Energietechnologien, warnt bei den Ressourcen aber vor einer Abhängigkeit von wenigen Ländern. Wenn die Staaten ihre Energie- und Klimazusagen vollständig umsetzen, werde sich der Herstellungswert von sauberen Energietechniken bis 2030 auf gut 600 Milliarden Euro mehr als verdreifachen, erklärte die IEA in ihrem am Donnerstag in Paris vorgelegten Energietechnikbericht.
Die Zahl der damit verbundenen Arbeitsplätze könne sich auf fast 14 Millionen im Jahr 2030 mehr als verdoppeln. Auch in den folgenden Jahrzehnten erwartet die IEA mit dem Fortschreiten der Energiewende ein weiteres rasches Industrie- und Beschäftigungswachstum.
Gleichzeitig warnt die IEA vor Risiken in den derzeitigen Versorgungsketten, denn es gibt eine Abhängigkeit von wenigen Ländern beim Abbau und der Verarbeitung von Ressourcen sowie bei der Herstellung von Technologien. Bei Solarmodulen, Windkraftanlagen und Batterien für Elektrofahrzeuge entfielen mindestens 70 Prozent der Produktionskapazitäten auf die drei größten Herstellerländer, allen voran China.
Gleichzeitig konzentriere sich ein Großteil des Abbaus kritischer Mineralien auf eine kleine Anzahl von Ländern. So werden beispielsweise im Kongo mehr als 70 Prozent des weltweiten Kobalts gefördert, und auf nur drei Länder – Australien, Chile und China – entfallen mehr als 90 Prozent der weltweiten Lithiumproduktion.
“Wenn alles, was bis heute angekündigt wurde, gebaut wird, betragen die Investitionen in die Herstellung sauberer Energietechnologien zwei Drittel dessen, was auf dem Weg zur Klimaneutralität benötigt wird”, sagte IEA-Direktor Fatih Birol. Der derzeitige Schwung bringe die Einhaltung der internationalen Energie- und Klimaziele näher. “Es wird mit Sicherheit noch mehr kommen.” dpa
Bulgarien will die geplante Schließung seiner Kohlekraftwerke um etwa zwölf Jahre bis 2038 aufschieben – obwohl dies dem EU-Wiederaufbauplan des Landes zuwiderläuft. Das Parlament in Sofia beauftragte am Donnerstag die Regierung, mit der EU-Kommission über eine Rücknahme der entsprechenden Verpflichtung zu verhandeln. Darin ist vorgesehen, dass die Kohlendioxid-Emissionen in der Energiewirtschaft bis Ende 2025 um 40 Prozent im Vergleich zu 2019 reduziert werden sollen, was einem Kohleausstieg voraussichtlich im Jahr 2026 gleichkommt.
Mitarbeiter von Kohlekraftwerken und Kohlebergwerken demonstrierten am Parlament dafür, die Schließung ihrer Betriebe bis 2038 aufzuschieben. Sie beklagten, dass die Umsetzung der bisherigen Ziele die Energiesicherheit und viele Arbeitsplätze gefährde. Der Parlamentsbeschluss zugunsten der Kohlekraftwerke fiel schließlich mit einer überwältigenden Mehrheit von 187 Ja-Stimmen, bei nur zwei Gegenstimmen und neun Enthaltungen.
Bulgariens Kohlekraftwerke erzeugen Angaben der Branche zufolge in den Sommermonaten die Hälfte des gesamten Strombedarfs des Landes. Während der Heizsaison seien es fast 60 Prozent. Die meisten von ihnen hätten bereits mit der Umsetzung von Projekten zur Diversifizierung des Brennstoffmix und der stufenweise Abschaffung von Kohle begonnen. Doch dies könne binnen drei Jahren nicht vollständig erreicht werden, heißt es in einem offenen Brief der Branche aus dem November. dpa
Der Vorsitzende des staatlichen emiratischen Ölkonzerns ADNOC soll die kommende Weltklimakonferenz COP28 in Dubai als Präsident leiten. Sultan Ahmed al-Dschabir, zugleich Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, habe über zwei Jahrzehnte Erfahrung gesammelt als Geschäftsführer und in führenden Regierungspositionen, berichtete die Staatsagentur WAM am Donnerstag. “Dies wird ein entscheidendes Jahr sein, in einem entscheidenden Jahrzehnt beim Kampf für das Klima”, sagte Al-Dschabir zu seiner Ernennung.
Dass ein Spitzenvertreter der Ölindustrie am Golf die wichtigste UN-Konferenz des Jahres zum Klimaschutz leiten soll, sorgte für Kritik. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss sagte der Deutschen Presse-Agentur: “Die Benennung macht den Bock zum Gärtner. Der Interessenkonflikt ist vorprogrammiert. Ölkonzerne können nicht glaubwürdig die Pariser Klimaziele durchsetzen.” Die UN müsse eine klare Grenze ziehen.
Die Emirate zählen zu den zehn größten Ölproduzenten der Welt. Dort beginnt am 30. November in der Metropole Dubai die Weltklimakonferenz COP28. Erwartet werden rund 70.000 Teilnehmer – und damit möglicherweise ein neuer Teilnehmerrekord. Bei der Vorjahreskonferenz in Ägypten waren laut der Umweltorganisation Global Witness und des Corporate Europe Observatory zufolge mehr als 600 Lobbyisten für Öl, Gas und Kohle registriert. dpa
Am Mittwoch stand er noch da, einen Tag später ist ihr Name von der Website entfernt: Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ist kein Mitglied mehr des Lenkungsausschusses des European Parliamentary Financial Services Forum (EPFSF), wie ihr Sprecher mitteilte. Bei dem Forum handelt es sich um eine Diskussionsgruppe, der führende Player und Lobbyorganisationen der Finanzindustrie mit EU-Abgeordneten zusammenbringt und regelmäßig zu Policy Briefs einlädt.
Europe.Table hatte am Mittwoch unter Berufung auf die Website gemeldet, Metsola habe ihre Mitgliedschaft im Lenkungsausschuss nicht in ihrer finanziellen Erklärung vermerkt, obwohl der parlamentarische Verhaltenskodex dazu anhält. Ihr Sprecher stellte nun klar, Roberta Metsola sei weder in dieser, noch in der vergangenen Legislatur am Management der Organisation beteiligt gewesen. Sie habe auch keinerlei finanzielle Zuwendungen von dieser erhalten. Ihre Mitgliedschaft im im EPSF hatte die Parlamentspräsidentin allerdings auch in der letzten Legislatur nicht in ihrer finanziellen Erklärung offengelegt.
Momentan arbeitet Metsola an einem 14-Punkte-Plan zur Reform des Parlaments. Einen ersten Entwurf diskutierte sie gestern mit den Fraktionschefs der jeweiligen Parteien. Der Plan sieht unter anderem strengere Auflagen für ehemalige Abgeordnete, das Verbot von Freundschaftsgruppen und verschärfte Regeln zu Lobbytreffen vor. Es ist ein Versuch, das Image des Parlaments nach dem Korruptionsskandal um Ex-Parlaments-Vizepräsidentin Eva Kaili aufzubessern.
Der Plan hat allerdings einige Schlupflöcher. Organisationen wie das EPFSD, die Unternehmen und Verbänden einen privilegierten Zugang zu Parlamentariern gewähren, sind zum Beispiel nicht von den Reformplänen betroffen. cw
Am Dienstag stellt der schwedische Premierminister Ulf Kristersson das Programm der schwedischen Ratspräsidentschaft vor. Es ist einer der Höhepunkte der kommenden Woche in Straßburg, weitere sind: die Sitzung des ENVI-Ausschusses, in der die kürzlich verabschiedeten Elemente des Fit-for-55-Pakets diskutiert werden (Montag), und eine Debatte mit einer Entschließung zum Iran.
Aber es ist natürlich der Korruptionsskandal, der in der EU-Hauptstadt im Elsass in allen Köpfen präsent sein wird. Die Parlamentarier müssen am Dienstag entscheiden, wer Eva Kaili als Vizepräsidentin nachfolgen soll, nachdem sie ihren Posten räumen musste.
Leser von Europe.Table, Sie wissen es bereits:
Der Luxemburger Marc Angel ist auf dem besten Weg, Eva Kaili im Präsidium des Parlaments zu ersetzen. Der Europaabgeordnete wurde am Mittwoch als offizieller Kandidat der S&D-Fraktion nominiert. Die Sozialdemokraten hoffen, dass Marc Angel von den anderen Fraktionen unterstützt wird. Die wichtigsten Fraktionen hatten nämlich Anfang 2022 zugestimmt, dass dieser Posten den Sozialdemokraten zufallen würde. Die Grünen sind mit dieser Regelung jedoch nicht einverstanden und stellen ihre eigene Kandidatin auf: die Französin Gwendoline Delbos-Corfield, die ebenfalls am vergangenen Mittwoch von ihrer Fraktion nominiert wurde.
Parlamentspräsidentin Metsola hat gestern 14 Vorschläge vorgestellt, um das EP transparenter zu gestalten. Es ist ein Versuch, das Image des Parlaments nach dem Korruptionsskandal um Eva Kaili wieder aufzupolieren. Die Vorschläge gehen zum Teil sehr weit, allerdings gibt es Schlupflöcher.
Der französische sozialdemokratische Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann, Vorsitzender des Sonderausschusses über ausländische Einmischung in demokratischen Prozesse der EU, forderte die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses und einer EU-Behörde für die Transparenz des öffentlichen Lebens auf europäischer Ebene nach dem Vorbild der französischen Haute Autorité pour la transparence de la vie publique (HATVP). Er kommt aus einer Partei, der Parti Socialiste Français, die bis vor kurzem regelmäßig von Skandalen erschüttert wurde. Die Partei müht sich, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Der von Präsidentin Roberta Metsola vorgelegte 14-Punkte-Plan zeigt ihre feste Absicht, in diesem Skandal, der nicht nur die Legitimität des Parlaments, sondern auch ihre Autorität infrage stellt, die Kontrolle zu übernehmen – und sie auch zu behalten. Denn ihr Handeln wird von der Kommission und dem Rat genau beobachtet. Beide Institutionen sind darauf bedacht, dass dieser Skandal nicht oder nicht zu sehr auf sie zurückfällt. Aber hat sie dabei wirklich die volle Unterstützung ihrer Fraktion? Und die der anderen Parteien?
Die Weihnachtsfeiertage haben die politische Bedeutung dieses Skandals nicht vergessen gemacht, ganz im Gegenteil. Im kommenden Jahr findet die Europawahl statt und viele befürchten, dass dieser Skandal von Populisten aller Art ausgenutzt werden könnte. Diverse politische Hauptquartiere haben daher großes Interesse, den Fall so schnell wie möglich zu lösen und gleichzeitig zu zeigen, dass sie ihre Lektion gelernt haben.
Das Parlament debattiere seit 30 Jahren über Transparenz und Korruptionsbekämpfung, schreibt Olivier Costa, Direktor für politische Studien am Collège d’Europe und Forschungsdirektor am CNRS (dem französischen Pendant zum Max-Planck-Institut), in einem Gastbeitrag in der französischen Wirtschaftszeitung “La Tribune”. Es seien zwar Fortschritte gemacht worden, aber zu langsam, um besonders skrupellose Lobbyisten und gierige Abgeordneten zu stoppen.
Der aktuelle Korruptionsskandal weckt Erinnerungen an einen beschämenden Vorfall vor einigen Jahren: Das EU-Register, über das seit der Aufdeckung des Skandals immer wieder berichtet wird, wurde 2011 als Reaktion auf den Skandal um die “falschen Lobbyisten” der “Sunday Times” ins Leben gerufen. Drei Europaabgeordnete waren damals von Journalisten der britischen Wochenzeitung in eine Falle gelockt worden und hatten sich bereit erklärt, gegen Bestechungsgelder von bis zu 100.000 Euro Änderungsanträge einzureichen.
Nach einem Skandal von der Größenordnung, wie er derzeit das Europäische Parlament bewegt, ist zu hoffen, dass sich die Gesetzgebung zur Bekämpfung der Korruption bald ändern wird.