Table.Briefing: Europe

Renaturierungsgesetz + Nato-Gipfel + weniger Regulierung

Liebe Leserin, lieber Leser,

viele Monate lang hat die Bundesregierung über ihre China-Strategie verhandelt. Wirklich übereingekommen zu sein scheinen die Koalitionspartner dabei nicht: Zwar wird die Bundesregierung das Papier heute beschließen, aber nicht gemeinsam vorstellen. Offenbar sind die Differenzen zu groß.

Nur Außenministerin Annalena Baerbock wird heute öffentlich dazu auftreten: Sie hält zur Mittagszeit eine Rede bei den China-Experten von Merics. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den von Peking sanktionierten Think-Tank als Ort für ihre Grundsatzrede zur China-Politik ausgewählt. Es ist kein Zufall: Beide Politikerinnen propagieren einen Kurs der selektiven Abgrenzung von Peking.

Baerbock und Co sehen die zunehmend autoritär-nationalistische Politik von Präsident Xi Jinping mit Sorge und wollen sich so gut wie möglich etwa auf einen militärischen Angriff auf Taiwan vorbereiten. Ein anderes Lager betrachtet stärker das Hier und Jetzt: China stelle noch keine erkennbare Bedrohung dar, daher genüge eine sanfte Risikoverringerung.

Über die Einzelheiten der Strategie werden wir in der nächsten Ausgabe ausführlich berichten.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

EVP scheitert mit Ablehnung des Renaturierungsgesetzes

Selten wurde eine Abstimmung im EU-Parlament mit so viel Spannung erwartet. Nach wochenlangen politischen Streitereien über Manipulationsvorwürfe und Druck von Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans fiel endlich das Urteil: Die in Straßburg versammelten Abgeordneten nahmen am gestrigen Mittwoch den umstrittenen Entwurf einer Verordnung zur Wiederherstellung der Natur mit 336 Ja-Stimmen, 300 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen an. Kurz zuvor hatten die Parlamentarier einen von Christdemokraten (EVP) eingebrachten Antrag, das Gesetz als Ganzes abzulehnen, mit zwölf Stimmen Mehrheit abgelehnt.

Das Gesetz war zuletzt zum Symbol der politischen Spannungen um die europäische Umweltpolitik geworden, knapp ein Jahr vor den Europawahlen. Die Annahme der Parlamentsposition bedeutet, dass die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und den Mitgliedstaaten beginnen können. Der weitere Weg des Gesetzes ist dadurch allerdings nicht unbedingt leichter geworden.

Schwächer als Kommission und Rat

Zwar hat das EU-Parlament einen Änderungsantrag angenommen, auf Basis der Ratsposition weiterzuarbeiten. Jedoch ist das Ambitionsniveau des Rates deutlich unter dem Kommissionsvorschlag, weshalb auch die Befürworter des Renaturierungsgesetzes – Grüne, Sozialdemokraten, Linke und einige Liberale – gestern nur vorsichtig feiern konnten. Der schlussendlich angenommene Text sei eine Mischung aus der Ratsposition und den Änderungsanträgen des Parlaments, erklärte der verantwortliche Berichterstatter für das Renaturierungsgesetzes, Cesar Luena (S&D).

“Wir befinden uns in einer bizarren Situation, in der der Text des Parlaments weniger ambitioniert ist als der des Rates”, gestand der Vorsitzende des Umweltausschusses, Pascal Canfin (Renew), ein. Normalerweise sei es umgekehrt. Der gesamte Teil, der sich mit der Landwirtschaft befasst, sei verwässert worden. “Das ist ein wichtiger Aspekt, den wir mit dem Rat verhandeln wollen”, kündigte Canfin an.

Berichterstatter Luena schmerzt besonders die Streichung eines Artikels zur Wiederherstellung landwirtschaftlicher Ökosysteme, darunter auch Ziele für die Wiedervernässung trockengelegter Torfmoore. Die ultrakonservative EKR-Fraktion hatte dies beantragt und dafür eine Mehrheit erhalten.

“Besser als keinen Text”

Luean und Canfin betonten, es sei besser, einen verwässerten Text zu haben als gar keinen Text. Vor allem aber sei durch die Abstimmung die “Geiselnahme” eines wesentlichen Gesetzes des Green Deals durch die EVP unter Manfred Weber beendet, erklärten sie. Der Text sei nicht verwässert worden, konterte Weber. “Er wurde geändert, um sicherzustellen, dass er vor Ort richtig umgesetzt werden kann.”

Der ehemalige französische Umweltminister Canfin hob abschließend noch das wichtige globale Signal hervor, das die Annahme des Textes im EU-Parlament wenige Monate vor der COP28 gebe. Auf der internationalen Klimabühne habe die EU auf mehr Ehrgeiz bei der Biodiversität gedrängt. “Wir stehen unter Beobachtung”, sagte er und betont, dass die Glaubwürdigkeit der EU bei den internationalen Verhandlungen über Klima und Biodiversität auf dem Spiel stehe. “Wenn die EU den Text abgelehnt hätte, hätte sie das Signal ausgesendet, dass sie andere Länder dazu drängt, etwas zu tun, was sie selbst zu Hause nicht umsetzen will.”

Ziele des Gesetzes leicht geschwächt

Im Einzelnen bedeutet der nun geschlossene Kompromiss, dass das Ursprungsziel des Gesetzes leicht abgeändert wird. Zwar bleibt das Ziel bestehen, bis 2030 Renaturierungsmaßnahmen für mindestens 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen in der EU einzuführen. Jedoch soll diese Quote nur auf Lebensräume angewendet werden, die sich nicht in einem “guten Zustand” befinden. Zudem muss das Ziel nicht für jede Lebensraumgruppe einzeln erreicht werden, sondern für alle im Durchschnitt.

Eine weitere Abschwächung gegenüber des Kommissionsvorschlags steckt im Verschlechterungsverbot für Habitate, die Gegenstand von Wiederherstellungsmaßnahmen sind. Die neuen Regeln sollen nur im Falle einer “signifikanten” Verschlechterung gelten, beschloss der Rat. Im Falle von Gebieten, die sich bereits in einem guten Zustand befinden oder in denen noch keine Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt wurden, insbesondere außerhalb von Natura-2000-Gebieten, “werden sich die Mitgliedstaaten bemühen, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine erhebliche Verschlechterung zu verhindern”. Dies bedeutet eine aufwandsbasierte Verpflichtung statt einer ergebnisorientierten.

Erschwert werden könnten die Trilog-Verhandlungen auch durch die vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien am 23. Juli. Teresa Ribera, spanische Ministerin für den ökologischen Wandel, kündigte an, “alles zu tun”, um im Trilog unter der spanischen Ratspräsidentschaft eine Einigung zu erzielen. Sie könnte jedoch schon bald nicht mehr Teil der Regierung sein, da ein rechtes Parteienbündnis die Macht übernehmen könnte.

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Nato-Gipfel: Selenskyj ist fast zufrieden

Nato-Gipfel in Vilnius: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit dem britischen Premier Rishi Sunak und US-Präsident Joe Biden.
Nicht ganz zufrieden, aber dankbar: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit dem britischen Premier Rishi Sunak und US-Präsident Joe Biden beim Nato-Gipfel in Vilnius.

Der angekündigte Streit auf offener Bühne hat nicht stattgefunden. Der Nato-Gipfel in Vilnius ist am Mittwoch recht harmonisch zu Ende gegangen. Die Ukraine rücke näher an die Militärallianz denn je zuvor, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim gemeinsamen Auftritt mit Wolodymyr Selenskyj. Beide waren dabei im Einklang bemüht, die Meinungsverschiedenheiten im Bündnis zum Fahrplan für die Ukraine in die Nato vergessen zu machen. Der Präsident der Ukraine habe seine Forderung nach einem Datum im Raum mit den Staats- und Regierungschefs nicht wiederholt, sagten Diplomaten.

Selenskyj hatte es vor der Ankunft in Vilnius in einem empörten Tweet als “absurd” bezeichnet, dass der Ukraine kein Zeitrahmen für eine Mitgliedschaft zugestanden werde. Diplomaten rätselten, ob der ukrainische Präsident mit seiner Kritik Änderungen an der vagen Formulierung im Kommuniqué des Gipfels erreichen wollte. Am zweiten Gipfeltag machte die Enttäuschung jedenfalls der Zufriedenheit Platz. Wobei beide Seiten ein Interesse hatten, den Gipfel als Erfolg darstellen zu können.

Abkürzung zur Mitgliedschaft zugesichert

Der Weg der Ukraine in die Nato werde von einem zweistufigen zu einem einstufigen Verfahren abgekürzt, hob Stoltenberg hervor. Konkret erlassen die Verbündeten der Ukraine den sogenannten “Member Action Plan” (MAP), den Kandidaten sonst in der Regel durchlaufen müssen. Schweden und Finnland mussten allerdings zuletzt das Vorprogramm auch nicht absolvieren. Beim MAP geht es unter anderem um die Interoperabilität der Streitkräfte.

Stoltenberg verwies weiter auf umfangreiche neue Zusagen der Verbündeten, die Ukraine mit Munition, Langstreckenraketen und Kampfpanzern zu unterstützen. Am Gipfeltag fand als Premiere erstmals der neue Nato-Ukraine-Rat statt, der auch von Selenskyj jederzeit einberufen werden kann. Die Verbündeten und die Ukraine kommen hier nach den Worten des Generalsekretärs anders als in einem bisherigen Format auf Augenhöhe “unter Gleichen” zusammen.

G7-Staaten wollen Sicherheitsgarantien geben

“Wir haben positive Nachrichten, was die Unterstützungspakete von einigen unserer Partner betrifft”, hob auch Selenskyj hervor. Es sei zudem wichtig, dass die Ukraine auf dem Weg in die Nato das Vorprogramm des MAP nicht durchlaufen müsse. Der neue Nato-Ukraine-Rat müsse ein “Instrument der Integration” sein, nicht der Partnerschaft. Positiv sei auch, dass eine Rahmenvereinbarung für Sicherheitsgarantien von den Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten am Rande des Gipfels verabschiedet wurde.

Wie genau diese Sicherheitsgarantien nach einem Ende des Krieges aussehen sollen, ist offen. Vorerst geht es darum, die Ukraine “so lange wie nötig” und kontinuierlich mit Kriegsmaterial zu unterstützen, wie US-Präsident Joe Biden betonte. Für Selenskyj haben die Sicherheitsgarantien insbesondere den Zweck, die Zeit bis zu einer Nato-Mitgliedschaft zu überbrücken. “Ich möchte, dass dieser Gipfel ein Erfolg für alle ist, auch für unsere Soldaten, unsere Bürger und Kinder”, sagte der ukrainische Präsident. Seine persönliche Bilanz: “Die Ergebnisse des Gipfels sind gut, aber hätten wir eine Einladung bekommen, wäre das Resultat optimal gewesen.”

Sorge vor Eskalation in Washington und Berlin

Weshalb konnten sich die Verbündeten nicht zu einem klaren Fahrplan für die Ukraine Richtung Beitritt durchringen? “Die Ukraine jetzt hereinzulassen, hätte bedeutet, dass die Nato im Krieg mit Russland ist”, sagte Jake Sullivan, Sicherheitsberater des US-Präsidenten am Rande des Gipfels. Allerdings war von einem Beitritt vor einem Kriegsende nie die Rede. Und für Moskau gehen die Verbündeten auch mit den Sicherheitsgarantien schon zu weit: “Die Sicherheitsgarantien der G7 für die Ukraine schaden der Sicherheit Russlands”, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow.

Neben den USA war auch für Deutschland die Angst vor einer Eskalation bis hin zu einem Weltkrieg der Grund zu bremsen. Niemand wolle einen Weltkrieg, entgegnete Selenskyj. Ob einige Mitgliedstaaten die Frage der Nato-Mitgliedschaft der Ukraine offen lassen wollten, um sie als Verhandlungsmasse mit Blick auf spätere Friedensverhandlungen mit Moskau nutzen zu können, wie kolportiert werde, wurde Stoltenberg beim Auftritt vor den Medien gefragt. Die Ukraine werde Mitglied im Bündnis werden, und noch nie hätten die Verbündeten den Weg so klar vorgezeichnet, entgegnete der Nato-Generalsekretär. Im Übrigen werde es keine Friedenslösung gegen den Willen der Ukraine geben.

Bütikofer nennt es einen Rückschritt

“Es ist eine verpasste Chance für die europäische Sicherheit, dass es in Vilnius keinen konkreten Fahrplan und keine konkrete Einladung für die Ukraine in die Nato gab”, kritisierte der Verteidigungsexperte und CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter auf Twitter. Russland verstehe das als Schwäche.

Auch Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Koordinator der Grünen im EU-Parlament, schreibt in einer Mitteilung von einem “Schritt zurück”. Deutschland und die USA hätten leider eine verlässliche Mitgliedschaftsperspektive verhindert. Damit daraus nicht eine Vertrauenskrise zwischen der Ukraine und der Nato erwachse, sei jetzt eine effektivere Waffenunterstützung noch wichtiger.

  • Joe Biden
  • Nato
  • Wolodymyr Selenskyj
Translation missing.

Termine

14.07.-16.07.2023, Bad Staffelstein
HSS, Seminar Verschwörungserzählungen und Fake News als Teil der hybriden Kriegsführung
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) stellt wesentliche Phänomene der hybriden Kriegsführung vor. INFOS & ANMELDUNG

14.07.-15.07.2023, Tutzing
Akademie für politische Bildung, Seminar Ist “Wandel durch Handel” gescheitert? Renaissance der Geopolitik in der Ökonomie
Die Akademie für politische Bildung geht der Frage nach, ob das Credo “Wandel durch Handel” noch aktuell ist. INFOS & ANMELDUNG

14.07.2023 – 17:30-18:30 Uhr, online
GMF, Presentation The Geopolitics of Technology
The German Marshall Fund (GMF) discusses how the US can deepen technology cooperation with allies to better compete with authoritarians and strengthen supply chains in critical industries. INFOS & REGISTRATION

14.07.2023 – 18:00-19:00 Uhr, online
FNF, Podiumsdiskussion Energie- und Hoffnungsträger Wasserstoff
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert die mögliche zukünftige Rolle von grünem Wasserstoff für die Energieversorgung. INFOS & ANMELDUNG

17.07.2023 – 09:00-12:15 Uhr, online
ASEW, Seminar Die Förderwelt im Wärmemarkt: BEG/BEW/KWKG/EEW
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt vor, welche Möglichkeiten der Förderung es gibt, welche Voraussetzungen dafür gelten und wie sich die unterschiedlichen Förderprogramme voneinander abgrenzen, aber auch kombinieren lassen. INFOS & ANMELDUNG

17.07.2023 – 18:00-19:00 Uhr, online
FNF, Discussion NATO by Nature – How the Nordics shape NATO
The Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) discusses the results of the Vilnius NATO Summit. INFOS & REGISTRATION

18.07.2023 – 19:00 Uhr, online
HSS, Seminar Blick in die Welt – was Belgien bewegt
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) beleuchtet das politische System, die wirtschaftliche Lage und die Ressourcen Belgiens. INFOS & ANMELDUNG

News

Ökodesign-Verordnung: Parlament bereit für Verhandlungen

Das Europäische Parlament hat am Mittwoch in Straßburg sein Verhandlungsmandat für die Überarbeitung des EU-Rahmens für Ökodesign für nachhaltige Produkte angenommen. Der Bericht von Berichterstatterin Alessandra Moretti (S&D) aus dem Umweltausschuss erhielt 473 Stimmen bei 110 Gegenstimmen und 69 Enthaltungen. Damit können die Verhandlungen mit dem Rat beginnen. Der erste Trilog soll am 30. August stattfinden.

Der Entwurf für eine Verordnung, den die Kommission im März 2022 vorgestellt hatte, soll die bisherige Ökodesign-Richtlinie ersetzen. Diese Vorgaben gelten bislang nur für energiegetriebene Produkte. Mit der neuen Verordnung sollen strengere Anforderungen an ein umweltgerechtes Produktdesign für beinahe alle Produktgruppen gelten – mit Ausnahme von Lebens- und Futtermitteln, Arzneimitteln und lebenden Organismen.

Digitaler Produktpass soll für Transparenz sorgen

In ihrem Bericht stärken die Abgeordneten die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen. Demnach soll die Kommission etwa bei der Festlegung von Nachhaltigkeitsanforderungen einer Reihe von Produktgruppen Vorrang einräumen: unter anderem Eisen, Stahl, Aluminium, Textilien, Möbel, Reifen, Waschmittel, Farbe, Schmierstoffe und Chemikalien. Die Abgeordneten fordern auch ein spezifisches Verbot der Vernichtung unverkaufter Textilien sowie Elektro- und Elektronikgeräte.

Das Parlament spricht sich dafür aus, die Lebensdauer eines Produkts nicht durch Designmerkmale zu begrenzen. Auch Software-Updates, Verbrauchsmaterialien wie Tintenpatronen, Glühbirnen oder Kaffeepads, Ersatzteile und Zubehör sollen für einen angemessenen Zeitraum verfügbar sein. Ein neuer digitaler “Produktpass” soll die Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher erhöhen.

Durch die bisher geltende Ökodesign-Richtlinie konnten Berechnungen der Kommission zufolge die Energieausgaben um 120 Milliarden Euro und der jährliche Energieverbrauch der betroffenen Produkte um zehn Prozent reduziert werden. Von der neuen Verordnung erhoffen sich Kommission, Rat und Parlament deutlich höhere Einsparungen an Energie und Ressourcen, da die Vorgaben die meisten Produktkategorien betreffen sollen.

Priorität der neuen Ratspräsidentschaft

“Es ist an der Zeit, das Wirtschaftsmodell einer Wegwerfgesellschaft – ‘nehmen, herstellen, entsorgen’ – zu beenden”, erklärte Berichterstatterin Alessandra Moretti. “Nachhaltige Produkte werden zur Norm und ermöglichen es Verbrauchern, Energie zu sparen, Reparaturen zu erleichtern und kluge Umweltentscheidungen beim Einkaufen zu treffen – und so auf lange Sicht Geld zu sparen”.

“Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen dieser Legislatur“, sagte Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses. Die Verordnung werde “viele handfeste Verbesserungen für den Alltag von allen Verbraucherinnen und Verbrauchern und die Umwelt bringen”.

Die nun anstehenden Verhandlungen sind eine der Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft. Der Rat hatte bereits Ende Mai seinen Standpunkt angenommen. Darin ist ebenfalls ein Vernichtungsverbot von Textilien, Schuhen und Bekleidung vorgesehen; Kraftfahrzeuge will der Rat vom Geltungsbereich ausschließen. leo

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  • Ökodesign

Giegold sieht Strommarktreform auf gutem Weg

Für eine Einigung zur Strommarktreform ist nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums kein weiteres Treffen der EU-Energieminister mehr nötig. “Ich bin mir nicht sicher, ob das hilfreich wäre”, sagte Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) am Mittwoch vor dem informellen Rat in Valladolid. “Die spanische Ratspräsidentschaft hat einen guten Vorschlag vorgelegt und ich bin optimistisch, dass er zu einer Mehrheit führen kann.” Noch offene Fragen könnten auf technischer Ebene gelöst werden.

Die Strommarktreform stand nicht auf der offiziellen Tagesordnung des informellen Treffens am Dienstag und Mittwoch. Sie wurde aber in den Pausen erörtert. Die Ständigen Vertreter treffen sich vor der Sommerpause nur noch am 14., 19. und 26. Juli. Das Ziel sei, die Reform bis Weihnachten zu beschließen, sagte die spanische Ministerin Teresa Ribera.

High-Level Event zum Netzausbau

Offizielle Gesprächsthemen waren die Vorbereitung auf die Weltklimakonferenz COP28 mit globalen Zielen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien, strategische Autonomie sowie die Vertiefung und Flexibilisierung des Binnenmarktes. Mit der Energiewende dürfe Europa keine neuen Engpässe schaffen, sagte Ribera. Vielmehr müsse es seine Rohstoffversorgung diversifizieren, aber auch mehr Wertschöpfung innerhalb der EU schaffen.

Ein weiteres strategisches Thema war der Ausbau der transeuropäischen Energienetze. Die EU habe keine Zeit, auf neue Initiativen der nächsten EU-Kommission zu warten, sagte Energiekommissarin Kadri Simson. Deshalb sei der Ausbau der Netze bereits ein zentraler Punkt der aktuellen Gesetzesvorhaben. Anfang September solle es außerdem eine hochrangige Veranstaltung mit Herstellern von Netzinfrastruktur sowie Verteil- und Übertragungsnetzbetreibern geben, kündigte Simson an. ber

  • COP28
  • Industriepolitik
  • Lieferketten
  • Net Zero Industry Act
  • Strommarkt

KMU-Regulierungslast soll um ein Drittel sinken

Die EU soll für jedes neue Gesetz ein altes abschaffen. Zudem soll die Regulierungslast für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) um mindestens 30 Prozent sinken, um den Kostendruck zu reduzieren und die Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen. Bei Beratungen über neue Gesetzgebungsvorhaben soll künftig der Grundsatz “Vorfahrt für KMU” gelten. Dies sind Forderungen aus der Resolution zur “Lage der KMU-Union”, über die das Europaparlament heute abstimmt.

Die Kommission hat für den Herbst ein Entlastungspaket für den Mittelstand angekündigt. In der Resolution fordert das Parlament die Kommission auf, endlich den angekündigten Mittelstandsbeauftragten zu ernennen. Darüber hinaus werden Maßnahmen verlangt, um Finanzengpässe bei KMU zu vermeiden und den Zugang zu Kapital zu erleichtern. Die EU müsse umgehend die Richtlinie zu verspäteten Zahlungen annehmen.

Die gemeinsame Resolution wurde von den Fraktionen der EVP, S&D, Renew und ECR erarbeitet. Grüne und Linke lieferten keinen Beitrag. mgr

  • Europäisches Parlament
  • Unternehmen

Glucksmann fordert dauerhaften Ausschuss gegen externe Einflussnahme

Der Vorsitzende des Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland, Raphaël Glucksmann (S&D), fordert, das Gremium nach den Europawahlen zu einer ständigen Einrichtung zu machen. “Die Arbeit des Ausschusses hat die Haltung des Parlaments gegenüber dem Problem verändert”, sagte der französische Europaabgeordnete. “Wir dürfen jetzt nicht zurück in unsere Komfortzone gehen.” Glucksmann erinnerte daran, dass der Versuch der Einflussnahme mit Ablauf der Wahlperiode nicht zu Ende sei.

Heute wird der Abschlussbericht des vor drei Jahren eingesetzten Ausschusses im Plenum abgestimmt. Glucksmann erinnerte an Cyberattacken auf die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) während der Pandemie, an den Versuch, Wahlen zu beeinflussen und Chaos zu stiften. So würden etwa aus Russland sowohl radikale separatistische Parteien in Katalonien als auch die rechtsextreme Vox unterstützt. Einflussversuche sehe er auch aus China sowie Katar und Marokko, wie im Korruptionsskandal um die abgesetzte Vize-Präsidentin Eva Kaili gesehen.

Schattenberichterstatter Andreas Schieder (S&D) machte deutlich, dass die EU vor den Wahlen im Juni nicht ausreichend gegen Einflussnahme von außen gerüstet sei. Er mahnt mehr Personal für die Task Force des Auswärtigen Dienstes der EU gegen Desinformation an. Außerdem müsse die Task Force mit dem Europaparlament zusammenarbeiten. mgr  

  • Europapolitik
  • Europawahlen 2024

Presseschau

EU-Parlament stimmt für Renaturierungsgesetz ZDF
Joe Biden in Vilnius: Ohne sicheres Europa können USA nicht gedeihen FAZ
Weniger Müll: EU-Parlament will Vernichtung unverkaufter Textilien und Elektrogeräte verbieten SPIEGEL
Teileinigung beim EU-Lieferkettengesetz EURACTIV
EU verhängt Strafe von 432 Millionen Euro gegen US-Unternehmen Illumina HANDELSBLATT
EU, Nato und Ukraine: Europas Beistandspflicht, die kaum jemand kennt WELT
Hitze im Nordatlantik: Gefahr von Extremwetter in Europa WETTER
EU-Parlament kritisiert Österreichs Veto gegen Schengen-Erweiterung DERSTANDARD
Möglicher EU-Partner Tunesien schickt Migranten in die Wüste DERSTANDARD
Reform der Bauprodukt-Verordnung passiert EU-Parlament EURACTIV
EU-Kommission will sich bei Gesetz zu Plattformarbeitern durchsetzen EURACTIV
Glyphosat: Krebsgefahr vom Acker oder Segen für die Landwirtschaft? DEUTSCHLANDFUNK
Vorgeschlagenes EU-Ethikgremium wird von Abgeordneten als unambitioniert und unbefriedigend kritisiert EURONEWS
Umstrittene Personalie Fiona Scott Morton: Zoff um neue Chefökonomin der EU-Wettbewerbsbehörde MANAGER-MAGAZIN
EU-Kommission gibt 100 Millionen Euro für Bekämpfung von Pandemien frei DERSTANDARD
“Ozempic” und “Wegovy” werden von EU-Behörde überprüft DERSTANDARD
Gespräche zu Cannabis mit der EU-Kommission: Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium ver­schweigt Treffen LTO
Nachhaltigkeit im Straßengüterverkehr: BGL begrüßt neuen Reformansatz der EU-Kommission TRANSPORT-ONLINE
EU-Plan zu Chat-Kontrolle: Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger alarmiert T-ONLINE
Krypto-Regulierung: EU veröffentlicht neue Stablecoin-Leitlinien BEINCRYPTO
Schönster Strand der Welt: Er liegt in Europa WELT
USA hängen Europa bei Investitionen in KI-Start-ups ab SPIEGEL
Virtuelle Welten: EU beansprucht Führungsrolle im Metaverse HEISE

Heads

Diana Sanabria – Expertin für nachhaltige Lieferketten

Diana Sanabria ist Senior Manager Supply Chain Act beim Logistikunternehmen Hapag-Lloyd AG.

Welche Risiken birgt ein Unternehmen durch seine Geschäftstätigkeit für Menschenrechte und Umwelt? Welche Maßnahmen sind nötig, um Prävention und um Abhilfe zu leisten? Und wie kann eine Firma generell ihren Sorgfaltspflichten mit einem menschenrechtlichen Ansatz gerecht werden? Das sind die Fragen, mit denen sich Diana Sanabria beim Logistikunternehmen Hapag-Lloyd AG beschäftigt.

Kein Unternehmen kann Menschenrechtsrisiken komplett ausschließen“, sagt die Juristin. Zum Beispiel könne man nicht sagen, dass Ungleichbehandlung keine Rolle spielt, wenn der Gender Pay Gap im deutschen Arbeitsmarkt im Jahr 2022 bei 39 Prozent lag. Bei ihrem Arbeitgeber selbst seien menschenrechtliche Risiken im Vergleich zwar nicht hoch, aber bei den rund 10.000 Zulieferern aus aller Welt sehe das anders aus. 

Bafa, Medien, NGOs – sie muss alle im Blick behalten

Als Senior Manager Supply Chain Act muss Diana Sanabria täglich Dokumente wälzen und Kontakte zu unterschiedlichsten Stakeholdern pflegen – von verschiedenen Abteilungen innerhalb des Unternehmens, Betriebsräten und Gewerkschaften bis hin zu NGOs und Hochschulen. Auch um die Erstellung des Berichts über die Erfüllung der im deutschen Gesetz verankerten Sorgfaltspflichten für das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sowie die Bearbeitung von Beschwerden, zum Beispiel von potenziell Betroffenen, kümmert sie sich gemeinsam mit ihrem Team.

Das besteht bisher aus ihr, dem Vorgesetzten und einem weiteren Mitarbeiter und involviert darüber hinaus mehrere Abteilungen wie Compliance, Human Resources und Sustainability in verschiedenen Regionen. Außerdem behält Diana Sanabria die Nachrichtenlage im Blick. Ein Beispiel: “Als die Medien vor drei Monaten über einen LKW-Streik im hessischen Gräfenhausen berichteten, habe ich das sofort geprüft. Es waren keine Zulieferer von uns dabei, ansonsten wären wir tätig geworden”, sagt sie.

Warum sie sich für diese Stelle entschieden hat? “Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist für mich wie ein Baby, das erst ein paar Monate alt ist: Ich will es laufen sehen, und zwar richtig.” Das Gesetz trat Anfang des Jahres in Kraft und ist die Grundlage ihrer Arbeit. Hapag-Lloyd nehme das Thema sehr ernst, sagt sie. “Allein, dass ich mit meinem Ansatz zum Thema eingestellt wurde, ist ein Statement.”

Als Referentin für Weltwirtschaft beim Zentrum für Mission und Ökumene war Diana Sanabria Mitglied im Bundesvorstand der Kampagne für Saubere Kleidung und dort auf nationaler und europäischer Ebene für das Thema Sorgfaltspflichten zuständig. In dieser Position hat sie sich für das Gesetz starkgemacht.

Mentorin für Jura-Studierende

Als gebürtige Kolumbianerin kenne sie den Anfang mehrerer Lieferketten, sagt Sanabria. Ein Beispiel: “Für den Abbau der Kohle, die nach Deutschland geliefert wird, braucht es viel Wasser. Und das fehlt dann den indigenen Gemeinden, die in den betroffenen Regionen leben.” Sie spricht fast akzentfrei Deutsch.

Dabei hat sie erst als Erwachsene begonnen, die Sprache zu lernen – während ihres Studiums in ihrer Heimatstadt Bogotá. Dort hat sie ihren späteren Ehemann kennengelernt, der aus Hamburg stammt. Mithilfe eines DAAD-Stipendiums absolvierte Diana Sanabria dann ihren Master an der Universität Konstanz.

Nebenbei engagiert sich die Wahl-Hamburgerin beim Verein Doughnut Coalition für eine sozio-ökologische Transformation der Stadt, der nach dem gleichlautenden Konzept der britischen Ökonomieprofessorin Kate Raworth benannt wurde. Zudem begleitet sie als Mentorin Jura-Studierende der Bucerius Law School, die sich in der nahen Zukunft für Nachhaltigkeit durch Sorgfaltspflichten beruflich einsetzen wollen. Vielfach fehlen diese ESG-Expertinnen und -Experten noch, und das möchte sie ändern. Damit Unternehmen bessere Entscheidungen treffen. Und damit es auch in Ländern wie Kolumbien vorangeht mit dem Wandel. Janna Degener-Storr

  • ESG
  • Lieferkettengesetz
  • Sorgfaltspflichten

Dessert

Das Parlamentsgebäude in Straßburg spiegelt sich im Wasser des Kanals.

Vom Wasser aus ändert sich die Perspektive auf Städte. Normalerweise reisen die Abgeordneten auf dem Landweg zum Hauptsitz des Europaparlaments in Straßburg an. Manche kommen mit dem eigenen Wagen, andere lassen sich von der Fahrbereitschaft kutschieren. Einige radeln. Auffällig viele kommen mit der Tram.

Man kann aber auch das Boot nehmen. Bis zu 40-mal am Tag schippert eine rundum verglaste Barkasse zum Parlamentsgebäude über den Kanal, der den historischen Stadtkern mit der Kathedrale umschließt. Abgelegt wird etwa 200 Meter vom Münster entfernt. 17 Minuten dauert eine Fahrt. Und wie im Bus kann jeder Passagier den Haltewunsch am Parlament per Knopfdruck signalisieren.

Von April bis September gibt es in den Sitzungswochen Sonderfahrten für alle, die ins EP wollen. Jeweils morgens und abends kann gratis an Bord gehen, wer einen Zugangsausweis hat. Die Abfahrtszeiten, morgens um 8 und abends um 19.30 Uhr, geben einen Hinweis auf die Kernarbeitszeiten im Hohen Haus des europäischen Souveräns. Ob sich bei der beschaulichen Anreise auf dem Wasserweg auch der Blick des einen oder anderen auf den Politikbetrieb ändert? mgr

  • Europäisches Parlament

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    viele Monate lang hat die Bundesregierung über ihre China-Strategie verhandelt. Wirklich übereingekommen zu sein scheinen die Koalitionspartner dabei nicht: Zwar wird die Bundesregierung das Papier heute beschließen, aber nicht gemeinsam vorstellen. Offenbar sind die Differenzen zu groß.

    Nur Außenministerin Annalena Baerbock wird heute öffentlich dazu auftreten: Sie hält zur Mittagszeit eine Rede bei den China-Experten von Merics. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den von Peking sanktionierten Think-Tank als Ort für ihre Grundsatzrede zur China-Politik ausgewählt. Es ist kein Zufall: Beide Politikerinnen propagieren einen Kurs der selektiven Abgrenzung von Peking.

    Baerbock und Co sehen die zunehmend autoritär-nationalistische Politik von Präsident Xi Jinping mit Sorge und wollen sich so gut wie möglich etwa auf einen militärischen Angriff auf Taiwan vorbereiten. Ein anderes Lager betrachtet stärker das Hier und Jetzt: China stelle noch keine erkennbare Bedrohung dar, daher genüge eine sanfte Risikoverringerung.

    Über die Einzelheiten der Strategie werden wir in der nächsten Ausgabe ausführlich berichten.

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    EVP scheitert mit Ablehnung des Renaturierungsgesetzes

    Selten wurde eine Abstimmung im EU-Parlament mit so viel Spannung erwartet. Nach wochenlangen politischen Streitereien über Manipulationsvorwürfe und Druck von Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans fiel endlich das Urteil: Die in Straßburg versammelten Abgeordneten nahmen am gestrigen Mittwoch den umstrittenen Entwurf einer Verordnung zur Wiederherstellung der Natur mit 336 Ja-Stimmen, 300 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen an. Kurz zuvor hatten die Parlamentarier einen von Christdemokraten (EVP) eingebrachten Antrag, das Gesetz als Ganzes abzulehnen, mit zwölf Stimmen Mehrheit abgelehnt.

    Das Gesetz war zuletzt zum Symbol der politischen Spannungen um die europäische Umweltpolitik geworden, knapp ein Jahr vor den Europawahlen. Die Annahme der Parlamentsposition bedeutet, dass die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und den Mitgliedstaaten beginnen können. Der weitere Weg des Gesetzes ist dadurch allerdings nicht unbedingt leichter geworden.

    Schwächer als Kommission und Rat

    Zwar hat das EU-Parlament einen Änderungsantrag angenommen, auf Basis der Ratsposition weiterzuarbeiten. Jedoch ist das Ambitionsniveau des Rates deutlich unter dem Kommissionsvorschlag, weshalb auch die Befürworter des Renaturierungsgesetzes – Grüne, Sozialdemokraten, Linke und einige Liberale – gestern nur vorsichtig feiern konnten. Der schlussendlich angenommene Text sei eine Mischung aus der Ratsposition und den Änderungsanträgen des Parlaments, erklärte der verantwortliche Berichterstatter für das Renaturierungsgesetzes, Cesar Luena (S&D).

    “Wir befinden uns in einer bizarren Situation, in der der Text des Parlaments weniger ambitioniert ist als der des Rates”, gestand der Vorsitzende des Umweltausschusses, Pascal Canfin (Renew), ein. Normalerweise sei es umgekehrt. Der gesamte Teil, der sich mit der Landwirtschaft befasst, sei verwässert worden. “Das ist ein wichtiger Aspekt, den wir mit dem Rat verhandeln wollen”, kündigte Canfin an.

    Berichterstatter Luena schmerzt besonders die Streichung eines Artikels zur Wiederherstellung landwirtschaftlicher Ökosysteme, darunter auch Ziele für die Wiedervernässung trockengelegter Torfmoore. Die ultrakonservative EKR-Fraktion hatte dies beantragt und dafür eine Mehrheit erhalten.

    “Besser als keinen Text”

    Luean und Canfin betonten, es sei besser, einen verwässerten Text zu haben als gar keinen Text. Vor allem aber sei durch die Abstimmung die “Geiselnahme” eines wesentlichen Gesetzes des Green Deals durch die EVP unter Manfred Weber beendet, erklärten sie. Der Text sei nicht verwässert worden, konterte Weber. “Er wurde geändert, um sicherzustellen, dass er vor Ort richtig umgesetzt werden kann.”

    Der ehemalige französische Umweltminister Canfin hob abschließend noch das wichtige globale Signal hervor, das die Annahme des Textes im EU-Parlament wenige Monate vor der COP28 gebe. Auf der internationalen Klimabühne habe die EU auf mehr Ehrgeiz bei der Biodiversität gedrängt. “Wir stehen unter Beobachtung”, sagte er und betont, dass die Glaubwürdigkeit der EU bei den internationalen Verhandlungen über Klima und Biodiversität auf dem Spiel stehe. “Wenn die EU den Text abgelehnt hätte, hätte sie das Signal ausgesendet, dass sie andere Länder dazu drängt, etwas zu tun, was sie selbst zu Hause nicht umsetzen will.”

    Ziele des Gesetzes leicht geschwächt

    Im Einzelnen bedeutet der nun geschlossene Kompromiss, dass das Ursprungsziel des Gesetzes leicht abgeändert wird. Zwar bleibt das Ziel bestehen, bis 2030 Renaturierungsmaßnahmen für mindestens 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen in der EU einzuführen. Jedoch soll diese Quote nur auf Lebensräume angewendet werden, die sich nicht in einem “guten Zustand” befinden. Zudem muss das Ziel nicht für jede Lebensraumgruppe einzeln erreicht werden, sondern für alle im Durchschnitt.

    Eine weitere Abschwächung gegenüber des Kommissionsvorschlags steckt im Verschlechterungsverbot für Habitate, die Gegenstand von Wiederherstellungsmaßnahmen sind. Die neuen Regeln sollen nur im Falle einer “signifikanten” Verschlechterung gelten, beschloss der Rat. Im Falle von Gebieten, die sich bereits in einem guten Zustand befinden oder in denen noch keine Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt wurden, insbesondere außerhalb von Natura-2000-Gebieten, “werden sich die Mitgliedstaaten bemühen, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine erhebliche Verschlechterung zu verhindern”. Dies bedeutet eine aufwandsbasierte Verpflichtung statt einer ergebnisorientierten.

    Erschwert werden könnten die Trilog-Verhandlungen auch durch die vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien am 23. Juli. Teresa Ribera, spanische Ministerin für den ökologischen Wandel, kündigte an, “alles zu tun”, um im Trilog unter der spanischen Ratspräsidentschaft eine Einigung zu erzielen. Sie könnte jedoch schon bald nicht mehr Teil der Regierung sein, da ein rechtes Parteienbündnis die Macht übernehmen könnte.

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    Nato-Gipfel: Selenskyj ist fast zufrieden

    Nato-Gipfel in Vilnius: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit dem britischen Premier Rishi Sunak und US-Präsident Joe Biden.
    Nicht ganz zufrieden, aber dankbar: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit dem britischen Premier Rishi Sunak und US-Präsident Joe Biden beim Nato-Gipfel in Vilnius.

    Der angekündigte Streit auf offener Bühne hat nicht stattgefunden. Der Nato-Gipfel in Vilnius ist am Mittwoch recht harmonisch zu Ende gegangen. Die Ukraine rücke näher an die Militärallianz denn je zuvor, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim gemeinsamen Auftritt mit Wolodymyr Selenskyj. Beide waren dabei im Einklang bemüht, die Meinungsverschiedenheiten im Bündnis zum Fahrplan für die Ukraine in die Nato vergessen zu machen. Der Präsident der Ukraine habe seine Forderung nach einem Datum im Raum mit den Staats- und Regierungschefs nicht wiederholt, sagten Diplomaten.

    Selenskyj hatte es vor der Ankunft in Vilnius in einem empörten Tweet als “absurd” bezeichnet, dass der Ukraine kein Zeitrahmen für eine Mitgliedschaft zugestanden werde. Diplomaten rätselten, ob der ukrainische Präsident mit seiner Kritik Änderungen an der vagen Formulierung im Kommuniqué des Gipfels erreichen wollte. Am zweiten Gipfeltag machte die Enttäuschung jedenfalls der Zufriedenheit Platz. Wobei beide Seiten ein Interesse hatten, den Gipfel als Erfolg darstellen zu können.

    Abkürzung zur Mitgliedschaft zugesichert

    Der Weg der Ukraine in die Nato werde von einem zweistufigen zu einem einstufigen Verfahren abgekürzt, hob Stoltenberg hervor. Konkret erlassen die Verbündeten der Ukraine den sogenannten “Member Action Plan” (MAP), den Kandidaten sonst in der Regel durchlaufen müssen. Schweden und Finnland mussten allerdings zuletzt das Vorprogramm auch nicht absolvieren. Beim MAP geht es unter anderem um die Interoperabilität der Streitkräfte.

    Stoltenberg verwies weiter auf umfangreiche neue Zusagen der Verbündeten, die Ukraine mit Munition, Langstreckenraketen und Kampfpanzern zu unterstützen. Am Gipfeltag fand als Premiere erstmals der neue Nato-Ukraine-Rat statt, der auch von Selenskyj jederzeit einberufen werden kann. Die Verbündeten und die Ukraine kommen hier nach den Worten des Generalsekretärs anders als in einem bisherigen Format auf Augenhöhe “unter Gleichen” zusammen.

    G7-Staaten wollen Sicherheitsgarantien geben

    “Wir haben positive Nachrichten, was die Unterstützungspakete von einigen unserer Partner betrifft”, hob auch Selenskyj hervor. Es sei zudem wichtig, dass die Ukraine auf dem Weg in die Nato das Vorprogramm des MAP nicht durchlaufen müsse. Der neue Nato-Ukraine-Rat müsse ein “Instrument der Integration” sein, nicht der Partnerschaft. Positiv sei auch, dass eine Rahmenvereinbarung für Sicherheitsgarantien von den Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten am Rande des Gipfels verabschiedet wurde.

    Wie genau diese Sicherheitsgarantien nach einem Ende des Krieges aussehen sollen, ist offen. Vorerst geht es darum, die Ukraine “so lange wie nötig” und kontinuierlich mit Kriegsmaterial zu unterstützen, wie US-Präsident Joe Biden betonte. Für Selenskyj haben die Sicherheitsgarantien insbesondere den Zweck, die Zeit bis zu einer Nato-Mitgliedschaft zu überbrücken. “Ich möchte, dass dieser Gipfel ein Erfolg für alle ist, auch für unsere Soldaten, unsere Bürger und Kinder”, sagte der ukrainische Präsident. Seine persönliche Bilanz: “Die Ergebnisse des Gipfels sind gut, aber hätten wir eine Einladung bekommen, wäre das Resultat optimal gewesen.”

    Sorge vor Eskalation in Washington und Berlin

    Weshalb konnten sich die Verbündeten nicht zu einem klaren Fahrplan für die Ukraine Richtung Beitritt durchringen? “Die Ukraine jetzt hereinzulassen, hätte bedeutet, dass die Nato im Krieg mit Russland ist”, sagte Jake Sullivan, Sicherheitsberater des US-Präsidenten am Rande des Gipfels. Allerdings war von einem Beitritt vor einem Kriegsende nie die Rede. Und für Moskau gehen die Verbündeten auch mit den Sicherheitsgarantien schon zu weit: “Die Sicherheitsgarantien der G7 für die Ukraine schaden der Sicherheit Russlands”, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow.

    Neben den USA war auch für Deutschland die Angst vor einer Eskalation bis hin zu einem Weltkrieg der Grund zu bremsen. Niemand wolle einen Weltkrieg, entgegnete Selenskyj. Ob einige Mitgliedstaaten die Frage der Nato-Mitgliedschaft der Ukraine offen lassen wollten, um sie als Verhandlungsmasse mit Blick auf spätere Friedensverhandlungen mit Moskau nutzen zu können, wie kolportiert werde, wurde Stoltenberg beim Auftritt vor den Medien gefragt. Die Ukraine werde Mitglied im Bündnis werden, und noch nie hätten die Verbündeten den Weg so klar vorgezeichnet, entgegnete der Nato-Generalsekretär. Im Übrigen werde es keine Friedenslösung gegen den Willen der Ukraine geben.

    Bütikofer nennt es einen Rückschritt

    “Es ist eine verpasste Chance für die europäische Sicherheit, dass es in Vilnius keinen konkreten Fahrplan und keine konkrete Einladung für die Ukraine in die Nato gab”, kritisierte der Verteidigungsexperte und CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter auf Twitter. Russland verstehe das als Schwäche.

    Auch Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Koordinator der Grünen im EU-Parlament, schreibt in einer Mitteilung von einem “Schritt zurück”. Deutschland und die USA hätten leider eine verlässliche Mitgliedschaftsperspektive verhindert. Damit daraus nicht eine Vertrauenskrise zwischen der Ukraine und der Nato erwachse, sei jetzt eine effektivere Waffenunterstützung noch wichtiger.

    • Joe Biden
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    Termine

    14.07.-16.07.2023, Bad Staffelstein
    HSS, Seminar Verschwörungserzählungen und Fake News als Teil der hybriden Kriegsführung
    Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) stellt wesentliche Phänomene der hybriden Kriegsführung vor. INFOS & ANMELDUNG

    14.07.-15.07.2023, Tutzing
    Akademie für politische Bildung, Seminar Ist “Wandel durch Handel” gescheitert? Renaissance der Geopolitik in der Ökonomie
    Die Akademie für politische Bildung geht der Frage nach, ob das Credo “Wandel durch Handel” noch aktuell ist. INFOS & ANMELDUNG

    14.07.2023 – 17:30-18:30 Uhr, online
    GMF, Presentation The Geopolitics of Technology
    The German Marshall Fund (GMF) discusses how the US can deepen technology cooperation with allies to better compete with authoritarians and strengthen supply chains in critical industries. INFOS & REGISTRATION

    14.07.2023 – 18:00-19:00 Uhr, online
    FNF, Podiumsdiskussion Energie- und Hoffnungsträger Wasserstoff
    Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert die mögliche zukünftige Rolle von grünem Wasserstoff für die Energieversorgung. INFOS & ANMELDUNG

    17.07.2023 – 09:00-12:15 Uhr, online
    ASEW, Seminar Die Förderwelt im Wärmemarkt: BEG/BEW/KWKG/EEW
    Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt vor, welche Möglichkeiten der Förderung es gibt, welche Voraussetzungen dafür gelten und wie sich die unterschiedlichen Förderprogramme voneinander abgrenzen, aber auch kombinieren lassen. INFOS & ANMELDUNG

    17.07.2023 – 18:00-19:00 Uhr, online
    FNF, Discussion NATO by Nature – How the Nordics shape NATO
    The Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) discusses the results of the Vilnius NATO Summit. INFOS & REGISTRATION

    18.07.2023 – 19:00 Uhr, online
    HSS, Seminar Blick in die Welt – was Belgien bewegt
    Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) beleuchtet das politische System, die wirtschaftliche Lage und die Ressourcen Belgiens. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Ökodesign-Verordnung: Parlament bereit für Verhandlungen

    Das Europäische Parlament hat am Mittwoch in Straßburg sein Verhandlungsmandat für die Überarbeitung des EU-Rahmens für Ökodesign für nachhaltige Produkte angenommen. Der Bericht von Berichterstatterin Alessandra Moretti (S&D) aus dem Umweltausschuss erhielt 473 Stimmen bei 110 Gegenstimmen und 69 Enthaltungen. Damit können die Verhandlungen mit dem Rat beginnen. Der erste Trilog soll am 30. August stattfinden.

    Der Entwurf für eine Verordnung, den die Kommission im März 2022 vorgestellt hatte, soll die bisherige Ökodesign-Richtlinie ersetzen. Diese Vorgaben gelten bislang nur für energiegetriebene Produkte. Mit der neuen Verordnung sollen strengere Anforderungen an ein umweltgerechtes Produktdesign für beinahe alle Produktgruppen gelten – mit Ausnahme von Lebens- und Futtermitteln, Arzneimitteln und lebenden Organismen.

    Digitaler Produktpass soll für Transparenz sorgen

    In ihrem Bericht stärken die Abgeordneten die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen. Demnach soll die Kommission etwa bei der Festlegung von Nachhaltigkeitsanforderungen einer Reihe von Produktgruppen Vorrang einräumen: unter anderem Eisen, Stahl, Aluminium, Textilien, Möbel, Reifen, Waschmittel, Farbe, Schmierstoffe und Chemikalien. Die Abgeordneten fordern auch ein spezifisches Verbot der Vernichtung unverkaufter Textilien sowie Elektro- und Elektronikgeräte.

    Das Parlament spricht sich dafür aus, die Lebensdauer eines Produkts nicht durch Designmerkmale zu begrenzen. Auch Software-Updates, Verbrauchsmaterialien wie Tintenpatronen, Glühbirnen oder Kaffeepads, Ersatzteile und Zubehör sollen für einen angemessenen Zeitraum verfügbar sein. Ein neuer digitaler “Produktpass” soll die Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher erhöhen.

    Durch die bisher geltende Ökodesign-Richtlinie konnten Berechnungen der Kommission zufolge die Energieausgaben um 120 Milliarden Euro und der jährliche Energieverbrauch der betroffenen Produkte um zehn Prozent reduziert werden. Von der neuen Verordnung erhoffen sich Kommission, Rat und Parlament deutlich höhere Einsparungen an Energie und Ressourcen, da die Vorgaben die meisten Produktkategorien betreffen sollen.

    Priorität der neuen Ratspräsidentschaft

    “Es ist an der Zeit, das Wirtschaftsmodell einer Wegwerfgesellschaft – ‘nehmen, herstellen, entsorgen’ – zu beenden”, erklärte Berichterstatterin Alessandra Moretti. “Nachhaltige Produkte werden zur Norm und ermöglichen es Verbrauchern, Energie zu sparen, Reparaturen zu erleichtern und kluge Umweltentscheidungen beim Einkaufen zu treffen – und so auf lange Sicht Geld zu sparen”.

    “Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen dieser Legislatur“, sagte Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses. Die Verordnung werde “viele handfeste Verbesserungen für den Alltag von allen Verbraucherinnen und Verbrauchern und die Umwelt bringen”.

    Die nun anstehenden Verhandlungen sind eine der Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft. Der Rat hatte bereits Ende Mai seinen Standpunkt angenommen. Darin ist ebenfalls ein Vernichtungsverbot von Textilien, Schuhen und Bekleidung vorgesehen; Kraftfahrzeuge will der Rat vom Geltungsbereich ausschließen. leo

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    • Ökodesign

    Giegold sieht Strommarktreform auf gutem Weg

    Für eine Einigung zur Strommarktreform ist nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums kein weiteres Treffen der EU-Energieminister mehr nötig. “Ich bin mir nicht sicher, ob das hilfreich wäre”, sagte Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) am Mittwoch vor dem informellen Rat in Valladolid. “Die spanische Ratspräsidentschaft hat einen guten Vorschlag vorgelegt und ich bin optimistisch, dass er zu einer Mehrheit führen kann.” Noch offene Fragen könnten auf technischer Ebene gelöst werden.

    Die Strommarktreform stand nicht auf der offiziellen Tagesordnung des informellen Treffens am Dienstag und Mittwoch. Sie wurde aber in den Pausen erörtert. Die Ständigen Vertreter treffen sich vor der Sommerpause nur noch am 14., 19. und 26. Juli. Das Ziel sei, die Reform bis Weihnachten zu beschließen, sagte die spanische Ministerin Teresa Ribera.

    High-Level Event zum Netzausbau

    Offizielle Gesprächsthemen waren die Vorbereitung auf die Weltklimakonferenz COP28 mit globalen Zielen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien, strategische Autonomie sowie die Vertiefung und Flexibilisierung des Binnenmarktes. Mit der Energiewende dürfe Europa keine neuen Engpässe schaffen, sagte Ribera. Vielmehr müsse es seine Rohstoffversorgung diversifizieren, aber auch mehr Wertschöpfung innerhalb der EU schaffen.

    Ein weiteres strategisches Thema war der Ausbau der transeuropäischen Energienetze. Die EU habe keine Zeit, auf neue Initiativen der nächsten EU-Kommission zu warten, sagte Energiekommissarin Kadri Simson. Deshalb sei der Ausbau der Netze bereits ein zentraler Punkt der aktuellen Gesetzesvorhaben. Anfang September solle es außerdem eine hochrangige Veranstaltung mit Herstellern von Netzinfrastruktur sowie Verteil- und Übertragungsnetzbetreibern geben, kündigte Simson an. ber

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    • Industriepolitik
    • Lieferketten
    • Net Zero Industry Act
    • Strommarkt

    KMU-Regulierungslast soll um ein Drittel sinken

    Die EU soll für jedes neue Gesetz ein altes abschaffen. Zudem soll die Regulierungslast für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) um mindestens 30 Prozent sinken, um den Kostendruck zu reduzieren und die Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen. Bei Beratungen über neue Gesetzgebungsvorhaben soll künftig der Grundsatz “Vorfahrt für KMU” gelten. Dies sind Forderungen aus der Resolution zur “Lage der KMU-Union”, über die das Europaparlament heute abstimmt.

    Die Kommission hat für den Herbst ein Entlastungspaket für den Mittelstand angekündigt. In der Resolution fordert das Parlament die Kommission auf, endlich den angekündigten Mittelstandsbeauftragten zu ernennen. Darüber hinaus werden Maßnahmen verlangt, um Finanzengpässe bei KMU zu vermeiden und den Zugang zu Kapital zu erleichtern. Die EU müsse umgehend die Richtlinie zu verspäteten Zahlungen annehmen.

    Die gemeinsame Resolution wurde von den Fraktionen der EVP, S&D, Renew und ECR erarbeitet. Grüne und Linke lieferten keinen Beitrag. mgr

    • Europäisches Parlament
    • Unternehmen

    Glucksmann fordert dauerhaften Ausschuss gegen externe Einflussnahme

    Der Vorsitzende des Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland, Raphaël Glucksmann (S&D), fordert, das Gremium nach den Europawahlen zu einer ständigen Einrichtung zu machen. “Die Arbeit des Ausschusses hat die Haltung des Parlaments gegenüber dem Problem verändert”, sagte der französische Europaabgeordnete. “Wir dürfen jetzt nicht zurück in unsere Komfortzone gehen.” Glucksmann erinnerte daran, dass der Versuch der Einflussnahme mit Ablauf der Wahlperiode nicht zu Ende sei.

    Heute wird der Abschlussbericht des vor drei Jahren eingesetzten Ausschusses im Plenum abgestimmt. Glucksmann erinnerte an Cyberattacken auf die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) während der Pandemie, an den Versuch, Wahlen zu beeinflussen und Chaos zu stiften. So würden etwa aus Russland sowohl radikale separatistische Parteien in Katalonien als auch die rechtsextreme Vox unterstützt. Einflussversuche sehe er auch aus China sowie Katar und Marokko, wie im Korruptionsskandal um die abgesetzte Vize-Präsidentin Eva Kaili gesehen.

    Schattenberichterstatter Andreas Schieder (S&D) machte deutlich, dass die EU vor den Wahlen im Juni nicht ausreichend gegen Einflussnahme von außen gerüstet sei. Er mahnt mehr Personal für die Task Force des Auswärtigen Dienstes der EU gegen Desinformation an. Außerdem müsse die Task Force mit dem Europaparlament zusammenarbeiten. mgr  

    • Europapolitik
    • Europawahlen 2024

    Presseschau

    EU-Parlament stimmt für Renaturierungsgesetz ZDF
    Joe Biden in Vilnius: Ohne sicheres Europa können USA nicht gedeihen FAZ
    Weniger Müll: EU-Parlament will Vernichtung unverkaufter Textilien und Elektrogeräte verbieten SPIEGEL
    Teileinigung beim EU-Lieferkettengesetz EURACTIV
    EU verhängt Strafe von 432 Millionen Euro gegen US-Unternehmen Illumina HANDELSBLATT
    EU, Nato und Ukraine: Europas Beistandspflicht, die kaum jemand kennt WELT
    Hitze im Nordatlantik: Gefahr von Extremwetter in Europa WETTER
    EU-Parlament kritisiert Österreichs Veto gegen Schengen-Erweiterung DERSTANDARD
    Möglicher EU-Partner Tunesien schickt Migranten in die Wüste DERSTANDARD
    Reform der Bauprodukt-Verordnung passiert EU-Parlament EURACTIV
    EU-Kommission will sich bei Gesetz zu Plattformarbeitern durchsetzen EURACTIV
    Glyphosat: Krebsgefahr vom Acker oder Segen für die Landwirtschaft? DEUTSCHLANDFUNK
    Vorgeschlagenes EU-Ethikgremium wird von Abgeordneten als unambitioniert und unbefriedigend kritisiert EURONEWS
    Umstrittene Personalie Fiona Scott Morton: Zoff um neue Chefökonomin der EU-Wettbewerbsbehörde MANAGER-MAGAZIN
    EU-Kommission gibt 100 Millionen Euro für Bekämpfung von Pandemien frei DERSTANDARD
    “Ozempic” und “Wegovy” werden von EU-Behörde überprüft DERSTANDARD
    Gespräche zu Cannabis mit der EU-Kommission: Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium ver­schweigt Treffen LTO
    Nachhaltigkeit im Straßengüterverkehr: BGL begrüßt neuen Reformansatz der EU-Kommission TRANSPORT-ONLINE
    EU-Plan zu Chat-Kontrolle: Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger alarmiert T-ONLINE
    Krypto-Regulierung: EU veröffentlicht neue Stablecoin-Leitlinien BEINCRYPTO
    Schönster Strand der Welt: Er liegt in Europa WELT
    USA hängen Europa bei Investitionen in KI-Start-ups ab SPIEGEL
    Virtuelle Welten: EU beansprucht Führungsrolle im Metaverse HEISE

    Heads

    Diana Sanabria – Expertin für nachhaltige Lieferketten

    Diana Sanabria ist Senior Manager Supply Chain Act beim Logistikunternehmen Hapag-Lloyd AG.

    Welche Risiken birgt ein Unternehmen durch seine Geschäftstätigkeit für Menschenrechte und Umwelt? Welche Maßnahmen sind nötig, um Prävention und um Abhilfe zu leisten? Und wie kann eine Firma generell ihren Sorgfaltspflichten mit einem menschenrechtlichen Ansatz gerecht werden? Das sind die Fragen, mit denen sich Diana Sanabria beim Logistikunternehmen Hapag-Lloyd AG beschäftigt.

    Kein Unternehmen kann Menschenrechtsrisiken komplett ausschließen“, sagt die Juristin. Zum Beispiel könne man nicht sagen, dass Ungleichbehandlung keine Rolle spielt, wenn der Gender Pay Gap im deutschen Arbeitsmarkt im Jahr 2022 bei 39 Prozent lag. Bei ihrem Arbeitgeber selbst seien menschenrechtliche Risiken im Vergleich zwar nicht hoch, aber bei den rund 10.000 Zulieferern aus aller Welt sehe das anders aus. 

    Bafa, Medien, NGOs – sie muss alle im Blick behalten

    Als Senior Manager Supply Chain Act muss Diana Sanabria täglich Dokumente wälzen und Kontakte zu unterschiedlichsten Stakeholdern pflegen – von verschiedenen Abteilungen innerhalb des Unternehmens, Betriebsräten und Gewerkschaften bis hin zu NGOs und Hochschulen. Auch um die Erstellung des Berichts über die Erfüllung der im deutschen Gesetz verankerten Sorgfaltspflichten für das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sowie die Bearbeitung von Beschwerden, zum Beispiel von potenziell Betroffenen, kümmert sie sich gemeinsam mit ihrem Team.

    Das besteht bisher aus ihr, dem Vorgesetzten und einem weiteren Mitarbeiter und involviert darüber hinaus mehrere Abteilungen wie Compliance, Human Resources und Sustainability in verschiedenen Regionen. Außerdem behält Diana Sanabria die Nachrichtenlage im Blick. Ein Beispiel: “Als die Medien vor drei Monaten über einen LKW-Streik im hessischen Gräfenhausen berichteten, habe ich das sofort geprüft. Es waren keine Zulieferer von uns dabei, ansonsten wären wir tätig geworden”, sagt sie.

    Warum sie sich für diese Stelle entschieden hat? “Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist für mich wie ein Baby, das erst ein paar Monate alt ist: Ich will es laufen sehen, und zwar richtig.” Das Gesetz trat Anfang des Jahres in Kraft und ist die Grundlage ihrer Arbeit. Hapag-Lloyd nehme das Thema sehr ernst, sagt sie. “Allein, dass ich mit meinem Ansatz zum Thema eingestellt wurde, ist ein Statement.”

    Als Referentin für Weltwirtschaft beim Zentrum für Mission und Ökumene war Diana Sanabria Mitglied im Bundesvorstand der Kampagne für Saubere Kleidung und dort auf nationaler und europäischer Ebene für das Thema Sorgfaltspflichten zuständig. In dieser Position hat sie sich für das Gesetz starkgemacht.

    Mentorin für Jura-Studierende

    Als gebürtige Kolumbianerin kenne sie den Anfang mehrerer Lieferketten, sagt Sanabria. Ein Beispiel: “Für den Abbau der Kohle, die nach Deutschland geliefert wird, braucht es viel Wasser. Und das fehlt dann den indigenen Gemeinden, die in den betroffenen Regionen leben.” Sie spricht fast akzentfrei Deutsch.

    Dabei hat sie erst als Erwachsene begonnen, die Sprache zu lernen – während ihres Studiums in ihrer Heimatstadt Bogotá. Dort hat sie ihren späteren Ehemann kennengelernt, der aus Hamburg stammt. Mithilfe eines DAAD-Stipendiums absolvierte Diana Sanabria dann ihren Master an der Universität Konstanz.

    Nebenbei engagiert sich die Wahl-Hamburgerin beim Verein Doughnut Coalition für eine sozio-ökologische Transformation der Stadt, der nach dem gleichlautenden Konzept der britischen Ökonomieprofessorin Kate Raworth benannt wurde. Zudem begleitet sie als Mentorin Jura-Studierende der Bucerius Law School, die sich in der nahen Zukunft für Nachhaltigkeit durch Sorgfaltspflichten beruflich einsetzen wollen. Vielfach fehlen diese ESG-Expertinnen und -Experten noch, und das möchte sie ändern. Damit Unternehmen bessere Entscheidungen treffen. Und damit es auch in Ländern wie Kolumbien vorangeht mit dem Wandel. Janna Degener-Storr

    • ESG
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    Dessert

    Das Parlamentsgebäude in Straßburg spiegelt sich im Wasser des Kanals.

    Vom Wasser aus ändert sich die Perspektive auf Städte. Normalerweise reisen die Abgeordneten auf dem Landweg zum Hauptsitz des Europaparlaments in Straßburg an. Manche kommen mit dem eigenen Wagen, andere lassen sich von der Fahrbereitschaft kutschieren. Einige radeln. Auffällig viele kommen mit der Tram.

    Man kann aber auch das Boot nehmen. Bis zu 40-mal am Tag schippert eine rundum verglaste Barkasse zum Parlamentsgebäude über den Kanal, der den historischen Stadtkern mit der Kathedrale umschließt. Abgelegt wird etwa 200 Meter vom Münster entfernt. 17 Minuten dauert eine Fahrt. Und wie im Bus kann jeder Passagier den Haltewunsch am Parlament per Knopfdruck signalisieren.

    Von April bis September gibt es in den Sitzungswochen Sonderfahrten für alle, die ins EP wollen. Jeweils morgens und abends kann gratis an Bord gehen, wer einen Zugangsausweis hat. Die Abfahrtszeiten, morgens um 8 und abends um 19.30 Uhr, geben einen Hinweis auf die Kernarbeitszeiten im Hohen Haus des europäischen Souveräns. Ob sich bei der beschaulichen Anreise auf dem Wasserweg auch der Blick des einen oder anderen auf den Politikbetrieb ändert? mgr

    • Europäisches Parlament

    Europe.Table Redaktion

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