Emmanuel Macron sorgte vergangene Woche für einige Aufregung, als er eine “regulatorische Pause” von der EU forderte. Schließlich hatte kurz zuvor die EVP ein Moratorium für neue Umweltgesetze für “ein bis zwei Jahre” gefordert, wie Manfred Weber sagte. Anders als Weber bezog sich Macron aber wohl nicht auf die laufenden oder noch anstehenden Gesetzesvorhaben – sondern auf die nächste Legislaturperiode, nach der Europawahl 2024.
Kommissionschefin Ursula von der Leyen stieß am Montag ins selbe Horn wie Macron: Sie erklärte, die EU müsse bewerten, wie sie die große Zahl neuer Gesetze bewältigen könne – auch im Bereich der EU-Klimaagenda. Da wurden auch in der Bundesregierung manche hellhörig, als in den kursierenden Entwürfen für die College-Agenda noch ausstehende Gesetzesvorschläge fehlten.
Im Interview mit Table.Media räumt Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans nun ein: Die nächste Kommission werde viel damit zu tun haben, die getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Aber: “Wir müssen den Bürgern bei den Europawahlen auch ein politisches Projekt präsentieren, das die existenziellen Herausforderungen widerspiegelt, vor denen wir stehen”, sagte er. Diese Herausforderungen verschwänden nicht nach fünf Jahren Green Deal. Die Klimakrise höre nicht auf, sagt der Vizepräsident der Kommission.
Das komplette Interview mit Frans Timmermans können Sie hier am kommenden Montagmorgen lesen. Ich wünsche Ihnen bis dahin einige ruhige Tage.
Eine Abgeordnete, die ihrem Assistenten an den Hintern fasste. Ein MEP, der vor einer Praktikantin masturbierte. Es sind Erfahrungen, die Mitarbeiter des Europaparlamentes auf dem Blog MeTooEP teilen. Überprüfen lassen sich die einzelnen Vorfälle nicht, die Posts sind anonym. Allerdings wird ersichtlich: Im Europaparlament tauchen immer wieder Vorwürfe des übergriffigen Verhaltens auf.
Öffentliche Zahlen dazu gibt es keine. Table.Media liegt allerdings ein Dokument vor, welches die Fälle von 2019 auflistet. Demnach wurden in dem Jahr lediglich drei Untersuchungen wegen Belästigung in die Wege geleitet. Das Dokument erwähnt außerdem vier abgeschlossene Untersuchungen. In einem Fall stellte der Untersuchungsausschuss sexuelle Belästigung fest. Das Dokument listet allerdings nur Fälle auf, mit denen der Beratungsausschuss zur Belästigung und dessen Prävention am Arbeitsplatz sich befasst hat. Bei Beschwerden gegen Abgeordnete ist ein anderer Ausschuss zuständig.
Bis heute hat das Parlament noch nie einen oder eine MEP aufgrund sexuellen Fehlverhaltens sanktioniert. Das mag überraschen. Machtgefälle, Assistenten, deren Arbeitsplatz eng an ihren Abgeordneten gebunden ist, Praktikanten, die um wenige Jobs buhlen: Im Europaparlament kommen einige begünstigende Faktoren zusammen.
Erst im März meldete die Bild-Zeitung, die Abgeordnete Karolin Braunsberger-Reinhold habe einen Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin sexuell belästigt. Sie soll ihren Assistenten bei einer Weinwanderung unter Alkoholeinfluss gesagt haben, sie “wolle flachgelegt werden”. Obwohl der Fall vom parlamentsinternen Gremium untersucht wurde, musste sich die CDU-Politikerin nicht verantworten. “Der Fall war grenzwertig“, erklärt eine Person, die mit dem Dossier betraut war.
Es ist nicht einfach, sich einen Überblick über Sanktionen gegen Abgeordneten zu verschaffen. Ein entsprechendes Register gibt es nicht. Nur eine gezielte Durchsuchung der Plenarprotokolle gibt Aufschluss. In dieser Legislatur mussten sich nur zwei Abgeordnete wegen Belästigung verantworten:
Daneben gab es noch elf Strafen wegen Fehlverhalten im Plenum, Hitlergrüßen und fehlenden Covid-Impfzertifikaten.
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entscheidet alleine, ob und welche Strafe sie verhängen will. Als Grundlage dient ihr die Empfehlung des beratenden Ausschusses, der sich mit Belästigungsbeschwerden gegen MEPs befasst. Bis die Präsidentin einen Entschluss gefasst hat, kann mitunter viel Zeit vergehen. Im Fall Semedo lagen zwischen der Empfehlung des Ausschusses und der Ankündigung der Präsidentin fünf Monate. “Die Macht liegt ganz alleine bei der Präsidentin, das kann nicht neutral sein. Niemand möchte gerne seine Kollegen bestrafen”, kritisiert Nick Aiossa von Transparency International.
Den Ausschuss, der sich mit Mobbing und sexuellem Fehlverhalten von Abgeordneten beschäftigt, setzt sich aus drei Quästoren, zwei Vertretern der akkreditierten Assistentinnen und dem Vorsitzenden des Ausschusses für Belästigung und deren Prävention am Arbeitsplatz zusammen. Ein Mitglied des Rechtsdienstes sowie eine Mitarbeiterin des medizinischen Dienstes nehmen eine beratende Funktion ein. Auffällig ist, dass alle Mitglieder Teil des institutionellen Apparates sind. Externe Mediatoren, oder Vertrauenspersonen ohne Verbindung zum Parlament gibt es keine.
Auf der Homepage des Parlamentes findet man keine Informationen darüber, wer zurzeit Mitglied im Gremium ist. Nach unseren Informationen sind die Quästoren zurzeit durch Christophe Hansen (EVP), Monika Beňová (S&D) und Fabienne Keller (Renew) vertreten. Das Gremium handelt sowohl in Fällen sexueller Belästigung wie psychischer Gewalt. Es beruft sich dabei auf den Kodex für angemessenes Verhalten für Abgeordnete.
Der Kodex umfasst nur sieben Punkte. “Im Rahmen ihres Mandats verhalten sich die Mitglieder auf professionelle Weise und sehen in ihren Beziehungen zu den Mitarbeitern vor allem von jedweder herabsetzenden, beleidigenden, abfälligen oder diskriminierenden Bemerkung sowie von allen unmoralischen, erniedrigenden oder rechtswidrigen Handlungen ab”, heißt es etwa. Auch sind die Abgeordneten dazu angehalten, an speziellen Schulungen zur Prävention von sexueller Belästigung teilzunehmen.
Die Teilnahme an diesen Schulungen ist aber keine Pflicht. Es ist ein Kritikpunkt, der seit 2017 immer wieder von Vertretern der Parlamentsmitarbeiter, aber auch von den Abgeordneten selbst vorgebracht wird. 2017 stimmte eine große Mehrheit der Abgeordneten für einen Entschluss zur Bekämpfung sexueller Belästigung im Parlament. Sie forderten schnellere Verfahren, eine ausbalancierte Zusammensetzung des Beratungsausschusses, eine Verfahrensüberprüfung durch externe Sachbearbeiter oder eine bessere Unterstützung der Opfer. Dies beispielsweise durch ein institutionelles Netz von Vertrauenspersonen.
Diese Forderungen werden seit 2017 immer wieder vorgebracht. Zuletzt in einem Brief der Grünen an Parlamentspräsidentin Metsola. “Time’s up”, kommentierte die Fraktionsvorsitzende Terry Reintke dazu auf Twitter. Ein Initiativbericht des FEMM-Ausschusses für die Gleichstellung der Geschlechter, über den das Miniplenum Ende des Monats abstimmen wird, macht fast die exakt gleichen Vorschläge wie der mittlerweile mehr als fünf Jahre alte Entschluss.
Es fällt auf, dass diese Forderungen weit hinter den Best Practices der EU-Ombudsfrau zurückbleiben. In einem Bericht von 2018 empfiehlt sie verschärfte Disziplinarmaßnahmen gegen hochrangige Personen, beispielsweise die Entziehung der Pensionsrechte. Die Gefahr der Belästigung sei besonders groß, “wenn ein Machtgefälle zwischen den beteiligten Parteien besteht”, schreibt sie.
Inzwischen hat Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ihre Quästoren mit der Überarbeitung der Belästigungsprozeduren betraut. Angedacht ist demnach eine verpflichtende Schulung für Abgeordnete, allerdings unter dem unverbindlichen Namen “Office Management Training”. Auch der Einsatz von Mediatoren soll Teil der Reform sein, die die Quästoren dem Präsidium im Juli vorlegen wollen.
In Abwesenheit stringenter Prozeduren und Strafen könnten auch die Fraktionen selbst gegen Fehlverhalten ihrer Abgeordneten vorgehen. Renew sei zurzeit dabei, interne Prozeduren auszuarbeiten, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die S&D-Fraktion verfügt ihrerseits über ein Netz von Vertrauenspersonen zur Unterstützung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Die Bundesregierung will sich bei der Einlagensicherung nur bewegen, wenn es Fortschritte in der Risikogewichtung von Staatsanleihen in den Bankenbüchern gibt. Finanzminister Christian Lindner sagte am Rande des Rates für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin), es gebe in Europa Banken, die einen sehr hohen Anteil Staatsanleihen in ihren Büchern hielten. Diese Papiere würden aber nicht nach Risiko bewertet, sondern “sie werden fiktiv als risikofrei betrachtet”. Solange in einzelnen Bereichen des europäischen Bankensystems private Finanzen und Staatsfinanzen so eng verbunden seien, solange “kann es keine gemeinsame Einlagensicherung geben”, sagte der FDP-Politiker.
Änderungen in der Regulierung zur Bewertung der Staatsanleihen sind “für uns eine Vorbedingung, um bei der Einlagensicherung weitere Schritte zu gehen”, betonte Lindner. Staatsanleihen nehmen in Europa traditionell eine bedeutende Rolle ein. Sie gelten als ausfallsicher und müssen im Gegensatz zu Firmenanleihen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Lindner machte zugleich deutlich, dass er kurzfristig keine Änderungen zur Risikogewichtung von Staatsanleihen erwarte. Er unterstrich außerdem, Deutschland verfüge über sehr gut funktionierende Einlagensicherungssysteme. Für die Bundesregierung sei immer klar gewesen, dass funktionierende Instrumente erhalten und in ihrer Funktion geschützt werden müssten.
Dies sei mit dem Kommissionsvorschlag aber nicht gegeben, deshalb sei hier eine Weiterentwicklung nötig. Mit Blick auf Fortschritte bei der Europäischen Bankenunion machte Lindner noch einmal deutlich, nicht vom Prinzip abweichen zu wollen, bei einer Schieflage Anteilseigner und Gläubiger zur Stabilisierung des Instituts mit einzubeziehen. Dies sei zwingend erforderlich, um Risiken zu reduzieren “und die Kollektivierung wirtschaftlicher Probleme zu verhindern”. Davon abzuweichen, wie es die Kommission vorschlage, sei “sowohl ordnungspolitisch und ökonomisch als auch ethisch aus unserer Sicht fragwürdig”. cr
Die Ausschreibungsrunde für den ersten gemeinsamen Gaseinkauf im Rahmen der EU-Energieplattform AggregateEU endete am 15. Mai. Aus Sicht der Kommission war dieses neue Programm ein Erfolg. Demnach haben 25 Gaslieferanten Angebote mit einem Volumen von 13,4 Milliarden Kubikmetern Gas abgegeben, wie die Kommission gestern in Brüssel mitteilte. Damit sei die gemeinsame Nachfrage der EU-Staaten von 11,6 Milliarden Kubikmetern übertroffen worden. Die Unternehmen könnten nun die Lieferverträge direkt mit den Gaslieferanten aushandeln.
Zuvor hatten europäische Unternehmen ihren Gasbedarf auf einer Plattform anmelden können. Die internationalen Anbieter mit den “attraktivsten Angeboten” seien mit den europäischen Kunden zusammengebracht worden, hieß es.
“Dies ist ein bemerkenswerter Erfolg für ein Instrument, das es vor etwa fünf Monaten noch nicht gab”, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič.
Die EU-Länder hatten vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs im vergangenen Jahr beschlossen, gemeinsam Gas zu kaufen, um den Unternehmen weniger schwankende Preise zu sichern und die Gasspeicher wieder aufzufüllen. Außerdem soll vermieden werden, dass sich die Staaten gegenseitig überbieten. Die nächste Ausschreibungsrunde soll voraussichtlich in der zweiten Junihälfte gestartet werden. Unternehmen, die sich in russischem Besitz oder unter russischer Kontrolle befinden, sind von dem Programm ausgeschlossen. dpa
Die EU und Indien wollen ihre Zusammenarbeit in der Technologiepolitik intensivieren. Beide Seiten vereinbarten am Dienstag beim ersten Ministertreffen des gemeinsamen Handels- und Technologierates (TTC) eine Reihe von Projekten, etwa zu Halbleitern oder E-Auto-Batterien, die in den kommenden Monaten konkretisiert werden sollen. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, sprach anschließend von “sehr vielversprechenden Anfängen”.
Das Treffen in Brüssel wurde von EU-Seite von Vestager und Kommissionsvize Valdis Dombrovskis geleitet. Neu-Delhi war unter anderem vertreten durch Außenminister Subrahmanyam Jaishankar und Handelsminister Piyush Goyal.
Die EU-Kommission und die Regierung in Neu-Delhi hatten im Februar vereinbart, sich im Rahmen des neuen TTC abzustimmen. Die Europäer hoffen, das bald bevölkerungsreichste Land der Welt enger an sich binden zu können, angesichts des Konfliktes mit Russland und der Spannungen mit China. Das TTC bietet, wie das vergleichbare Format zwischen EU und USA, einen institutionalisierten Rahmen, um Streitthemen zu besprechen und sich auf Experten-Ebene zu koordinieren. EU und Indien haben dafür drei Arbeitsgruppen eingesetzt:
Die Beziehungen zwischen beiden Seiten sind kompliziert. Die Regierung von Premierminister Narendra Modi hat es vermieden, sich den westlichen Sanktionen gegen Russland anzuschließen und profitiert nun von vergünstigtem russischem Erdöl. Dieses landet weiterverarbeitet nun teils in Europa: “Wenn Diesel oder Benzin aus Indien nach Europa kommt und mit russischem Öl hergestellt wird, ist das sicherlich eine Umgehung der Sanktionen, und die Mitgliedsstaaten müssen Maßnahmen ergreifen”, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Reibungen gibt es auch in den im vergangenen Jahr wiederbelebten Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Neu-Delhi stört sich insbesondere am geplanten CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM): Die EU wird ab dem 1. Januar 2026 eine jährlich ansteigende Abgabe auf indische Exporte von Eisen und Stahl sowie Aluminium erheben. Diese Waren machten zuletzt gut ein Viertel der gesamten indischen Ausfuhren in diesen Sektoren aus. Indien hat die EU gebeten, die derzeit in Arbeit befindlichen indischen “Carbon Credit Trading Certificates” beim CBAM zu berücksichtigen, da Indien mit diesen Zertifikaten erstmals einen eigenen Kohlenstoffmarkt plant. tho, Urmi A. Goswami
Der Rat hat gestern die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten angenommen. Das Parlament hatte die in den Trilog-Verhandlungen beschlossene Fassung des Gesetzes bereits am 19. April gebilligt. Die Verordnung kann nun im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und tritt 20 Tage später in Kraft.
Wer bestimmte Produkte aus Risikogebieten auf dem EU-Markt anbietet, muss dann gewährleisten, dass diese nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammen und auch nicht zur Schädigung von Wäldern geführt haben. Zu den Produkten gehören Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk, Holzkohle, Druckerzeugnisse und einige Palmölderivate; außerdem Produkte, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden (etwa Leder, Schokolade und Möbel).
Die Kommission hatte den Gesetzesentwurf im November 2021 vorgestellt. Mit den neuen Vorschriften will die EU verhindern, dass ihr Verbrauch und Handel mit diesen Rohstoffen und Produkten zur weiteren Zerstörung der Waldökosysteme beiträgt. leo
Der Ukrainekrieg, die sich wandelnde Weltordnung, nach überregionaler Macht strebende Staaten wie der Iran sowie weitere globale Herausforderungen machen deutlich, dass Europa strategische Partner und politische Verbündete braucht. Dabei blickt die europäische Politik aus guten Gründen nach Israel.
Die kleine Nation im östlichen Mittelmeer feiert in diesen Tagen das 75. Jubiläum ihrer Staatsgründung. Das “Land der Verheißung” hat über die Zeit eine außergewöhnliche Entwicklung durchlebt. Vom ersten Tag an sah sich der jüdische Staat permanenten Angriffen von außen sowie Herausforderungen von innen ausgesetzt. Über 75 Jahre formte sich so eine wehrhafte und starke Demokratie, die heute von manchen gar als – sicherlich geografisch kleinste – Weltmacht bezeichnet wird.
Befragt man die europäische Politik nach ihrer Sicht auf Israel, zeigt sich mittlerweile ein ausgeprägtes Interesse an einer engen Zusammenarbeit. Während ein Viertel der europäischen Parlamentarier der Meinung ist, dass sich die bilateralen Beziehungen ihrer Staaten mit Israel in den vergangenen fünf Jahren bereits verbessert haben, sprechen sich 77 Prozent für einen weiteren Ausbau der Kooperationen aus. Im Fokus stehen dabei Wissenschaft und Wirtschaft sowie Sicherheit und Verteidigung.
Die aufgezeigten Perspektiven wurden im Rahmen des Israel Survey des European Leadership Network (ELNET) erhoben, der Parlamentarier in ganz Europa zu den Beziehungen ihrer Länder zu Israel sowie zur Nahostpolitik des eigenen Staates befragt. 381 Abgeordnete aus 17 europäischen Parlamenten beteiligten sich zwischen Februar und März 2023 an der Erhebung.
Für Parlamentarier in Frankreich, Griechenland, Schweden und Großbritannien stehen Sicherheit und Verteidigung sogar an erster Stelle. Und auch in Deutschland ist das Themenfeld längst in der öffentlichen Debatte angekommen und gehört für die Bevölkerung zu den zentralen Themen der bilateralen Beziehungen.
Während bislang vor allem deutsche U-Boote und Korvetten einen Beitrag für die Sicherheit Israels leisteten, sind es nun auch israelische Drohnen sowie das dort entwickelte Raketenabwehrsystem Arrow 3, welche unsere Verteidigungskapazitäten verstärken und Europa zukünftig schützen sollen.
Die zunehmende Bedeutung von Sicherheitsinteressen ist wohl auch durch den Einsatz iranischer Drohnen im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine geprägt. Der Iran wird mit seinem Streben nach nuklearen Waffen zunehmend nicht mehr nur als eine Bedrohung für den Nahen Osten wahrgenommen. Während sich zwei Drittel der europäischen Parlamentarier für ein stärkeres Engagement in der Region aussprechen, plädieren 70 Prozent für eine engere Abstimmung mit Israel, wenn es um den Iran geht.
Eine strategische Antwort auf die geopolitischen Veränderungen sind die Abraham-Abkommen. Die Verträge zwischen dem jüdischen und mehreren arabischen Staaten haben seit Herbst 2020 dazu beigetragen, die Beziehungen in der Region zu stärken und für eine Stabilisierung zu sorgen. Die EU hat diese Abkommen nach anfänglicher Zurückhaltung mittlerweile begrüßt. Brüssel betont dabei, dass sie eine wichtige Rolle für Frieden und Sicherheit im Nahen Osten spielen können. Konsequenterweise steht die Verteidigungspolitik auch aus Sicht europäischer Parlamentarier im Kontext der Abraham-Abkommen an erster Stelle.
Während wir in diesen Tagen das besondere Jubiläum der Gründung des jüdischen Staates begehen, erinnern wir uns an die mutigen Pioniere, die das Fundament ihrer Nation gelegt haben. Ihre Vorstellungen haben bis heute Bestand, vereinen Europa und Israel auf Grundlage demokratischer Werte und gemeinsamer Interessen. Die aufgezeigten Positionen der europäischen Parlamentarier verdeutlichen dies und sind gleichzeitig ein Aufruf zum Handeln für die europäische Politik.
Carsten Ovens ist Executive Director des European Leadership Network (ELNET) in Deutschland. ELNET engagiert sich als Denkfabrik und Netzwerk im Kontext der europäisch-israelischen Beziehungen. 2007 gegründet, arbeitet die Organisation unabhängig und parteiübergreifend, und hat heute Büros in Berlin, Brüssel, London, Paris, Tel Aviv und Warschau. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen auf Außen- und Sicherheitspolitik, Innovation und Engagement gegen Antisemitismus.
Ein Paradoxon ist laut Duden eine scheinbar unsinnige, falsche Aussage, die aber bei genauerer Analyse auf eine höhere Wahrheit hinweist. Genauso verhält es sich mit dem Foreign Interference-Gesetz, dem Gesetzesprojekt gegen äußere Einflüsse, welches die Kommission in Bälde vorstellen will: Niemand will es, alle wehren sich. Und die höhere Wahrheit? Die kennt wohl nur die Kommissionspräsidentin selbst.
Tatsächlich ist es Ursula von der Leyen persönlich, die auf ein Gesetz besteht, wonach NGOs, Beratungsfirmen und akademische Institutionen ihre ausländischen Geldgeber offenlegen müssen.
Der Arbeitstitel des Gesetzes, das voraussichtlich ohne Folgenabschätzung auf den Weg gebracht wird: “Rechtsinstrument (Richtlinie) zur Einführung gemeinsamer Transparenz- und Rechenschaftsstandards für von außerhalb der EU bezahlte oder gelenkte Interessenvertretungsdienste, um zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen und die demokratische Sphäre der EU vor verdeckter Einmischung von außen zu schützen.”
Das kommt Ihnen bekannt vor?
2017 hat die EVP in einem Bericht bereits Ähnliches verlangt, federführend war von der Leyens CDU-Parteikollege Markus Pieper. Der Bericht scheiterte, zu stark war der Druck durch die Zivilgesellschaft und den linken Flügel des Europaparlaments.
Doch dann kam Katargate, und alles war auf einmal anders.
Tatsächlich nutzte der ehemalige italienische Abgeordnete Antonio Panzeri (S&D) eine NGO als Scheinorganisation für seine kriminellen Machenschaften in den Diensten autoritärer Regimes. Dass es ihm dabei womöglich vor allem um das Statut der belgischen “Vereinigung ohne Gewinnzweck“ (“asbl”) ging, die im Königreich nur sehr dürftig überprüft werden und immer wieder zur Geldwäsche genutzt werden, spielt kaum eine Rolle. Denn solch ein Skandal lässt sich perfekt für allmögliche politische Ziele instrumentalisieren.
Aber mitnichten für die Forderung strengerer Transparenzregeln im Parlament – etwa, um zu vermeiden, dass sich MEPs zu schicken Luxusreisen einladen lassen und im Sinne von Katar abstimmen. Die werden nämlich gerade wieder im Namen des freien Mandates verwässert. Auch nicht für den Ruf nach strengeren Kontrollen der Machenschaften von Ex-Kommissaren oder nach dem Verbot dubioser Freundschaftsgruppen.
Und Kommissionsmitarbeiter, die sich selbst Luxusreisen nach Katar genehmigen, sind auch nicht so wild. Die kann man ja versetzen – auf eigenen Wunsch versteht sich.
Nein, Katargate ist buchstäblich das Tor für ein “NGO und Co-Gesetz“ 2.0. Also das, was die EVP und insbesondere die Partei der Kommissionspräsidentin 2017 nicht durchboxen konnten und nun so wortstark fordern. (Da wären wir denn auch bei der höheren Wahrheit).
Leider will sich innerhalb der Kommission niemand um diese heiße Kartoffel kümmern. Věra Jourová hat sie direkt ihrem Kommissionskollegen Didier Reynders zugeschoben. Auch der Außenbeauftragte Josep Borell mag das Gesetz unserem Vernehmen nach gar nicht.
Der Grund liegt auf der Hand, hat Borell doch stets wortstark ähnliche Gesetze, beispielsweise in Ungarn oder Georgien, verurteilt. Zum georgischen Gesetz zur Transparenz ausländischer Einflussnahme sagte er beispielsweise noch im März, das sei “eine sehr schlechte Entwicklung” für das Land. Das könnte die Beziehungen “zur EU ernsthaft beeinträchtigen”.
Und das ungarische Gesetz, welches die Offenlegung ausländischer Geldgeber von NGOs fordert? Da gab es sogar ein Infringement-Verfahren. Damals, 2017, listete die Kommission eine ganze Reihe an Gründen auf, wieso ein solches Gesetz nicht gut sei:
Kurz gesagt, es geht um diese abstrakten Werte, von denen die Kommission so oft spricht.
“Die Zivilgesellschaft ist das Gerüst unserer demokratischen Gesellschaften. Deshalb darf sie in ihrem Wirken nicht über Gebühr eingeschränkt werden”, brüstete sich damals Kommissionsvize Frans Timmermans.
Aber das Gedächtnis ist kurz und das der internationalen Partner hoffentlich ebenso. Damit zumindest NGOs und Journalisten nicht schon jetzt auf solche Widersprüche aufmerksam machen, hat die Kommissionspräsidentin denn auch ihre Drohung wahr gemacht, Leaker zu ertappen und zu bestrafen (ein Brüsseler Klatschblatt berichtete).
Alle Drafts sind unterschiedlich nummeriert, sodass sich die Widerständler zurückverfolgen lassen. Und der Termin zur Collège-Abstimmung wurde mittlerweile auch verschoben: Der 7. Juni soll es nun sein. Charlotte Wirth
Emmanuel Macron sorgte vergangene Woche für einige Aufregung, als er eine “regulatorische Pause” von der EU forderte. Schließlich hatte kurz zuvor die EVP ein Moratorium für neue Umweltgesetze für “ein bis zwei Jahre” gefordert, wie Manfred Weber sagte. Anders als Weber bezog sich Macron aber wohl nicht auf die laufenden oder noch anstehenden Gesetzesvorhaben – sondern auf die nächste Legislaturperiode, nach der Europawahl 2024.
Kommissionschefin Ursula von der Leyen stieß am Montag ins selbe Horn wie Macron: Sie erklärte, die EU müsse bewerten, wie sie die große Zahl neuer Gesetze bewältigen könne – auch im Bereich der EU-Klimaagenda. Da wurden auch in der Bundesregierung manche hellhörig, als in den kursierenden Entwürfen für die College-Agenda noch ausstehende Gesetzesvorschläge fehlten.
Im Interview mit Table.Media räumt Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans nun ein: Die nächste Kommission werde viel damit zu tun haben, die getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Aber: “Wir müssen den Bürgern bei den Europawahlen auch ein politisches Projekt präsentieren, das die existenziellen Herausforderungen widerspiegelt, vor denen wir stehen”, sagte er. Diese Herausforderungen verschwänden nicht nach fünf Jahren Green Deal. Die Klimakrise höre nicht auf, sagt der Vizepräsident der Kommission.
Das komplette Interview mit Frans Timmermans können Sie hier am kommenden Montagmorgen lesen. Ich wünsche Ihnen bis dahin einige ruhige Tage.
Eine Abgeordnete, die ihrem Assistenten an den Hintern fasste. Ein MEP, der vor einer Praktikantin masturbierte. Es sind Erfahrungen, die Mitarbeiter des Europaparlamentes auf dem Blog MeTooEP teilen. Überprüfen lassen sich die einzelnen Vorfälle nicht, die Posts sind anonym. Allerdings wird ersichtlich: Im Europaparlament tauchen immer wieder Vorwürfe des übergriffigen Verhaltens auf.
Öffentliche Zahlen dazu gibt es keine. Table.Media liegt allerdings ein Dokument vor, welches die Fälle von 2019 auflistet. Demnach wurden in dem Jahr lediglich drei Untersuchungen wegen Belästigung in die Wege geleitet. Das Dokument erwähnt außerdem vier abgeschlossene Untersuchungen. In einem Fall stellte der Untersuchungsausschuss sexuelle Belästigung fest. Das Dokument listet allerdings nur Fälle auf, mit denen der Beratungsausschuss zur Belästigung und dessen Prävention am Arbeitsplatz sich befasst hat. Bei Beschwerden gegen Abgeordnete ist ein anderer Ausschuss zuständig.
Bis heute hat das Parlament noch nie einen oder eine MEP aufgrund sexuellen Fehlverhaltens sanktioniert. Das mag überraschen. Machtgefälle, Assistenten, deren Arbeitsplatz eng an ihren Abgeordneten gebunden ist, Praktikanten, die um wenige Jobs buhlen: Im Europaparlament kommen einige begünstigende Faktoren zusammen.
Erst im März meldete die Bild-Zeitung, die Abgeordnete Karolin Braunsberger-Reinhold habe einen Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin sexuell belästigt. Sie soll ihren Assistenten bei einer Weinwanderung unter Alkoholeinfluss gesagt haben, sie “wolle flachgelegt werden”. Obwohl der Fall vom parlamentsinternen Gremium untersucht wurde, musste sich die CDU-Politikerin nicht verantworten. “Der Fall war grenzwertig“, erklärt eine Person, die mit dem Dossier betraut war.
Es ist nicht einfach, sich einen Überblick über Sanktionen gegen Abgeordneten zu verschaffen. Ein entsprechendes Register gibt es nicht. Nur eine gezielte Durchsuchung der Plenarprotokolle gibt Aufschluss. In dieser Legislatur mussten sich nur zwei Abgeordnete wegen Belästigung verantworten:
Daneben gab es noch elf Strafen wegen Fehlverhalten im Plenum, Hitlergrüßen und fehlenden Covid-Impfzertifikaten.
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entscheidet alleine, ob und welche Strafe sie verhängen will. Als Grundlage dient ihr die Empfehlung des beratenden Ausschusses, der sich mit Belästigungsbeschwerden gegen MEPs befasst. Bis die Präsidentin einen Entschluss gefasst hat, kann mitunter viel Zeit vergehen. Im Fall Semedo lagen zwischen der Empfehlung des Ausschusses und der Ankündigung der Präsidentin fünf Monate. “Die Macht liegt ganz alleine bei der Präsidentin, das kann nicht neutral sein. Niemand möchte gerne seine Kollegen bestrafen”, kritisiert Nick Aiossa von Transparency International.
Den Ausschuss, der sich mit Mobbing und sexuellem Fehlverhalten von Abgeordneten beschäftigt, setzt sich aus drei Quästoren, zwei Vertretern der akkreditierten Assistentinnen und dem Vorsitzenden des Ausschusses für Belästigung und deren Prävention am Arbeitsplatz zusammen. Ein Mitglied des Rechtsdienstes sowie eine Mitarbeiterin des medizinischen Dienstes nehmen eine beratende Funktion ein. Auffällig ist, dass alle Mitglieder Teil des institutionellen Apparates sind. Externe Mediatoren, oder Vertrauenspersonen ohne Verbindung zum Parlament gibt es keine.
Auf der Homepage des Parlamentes findet man keine Informationen darüber, wer zurzeit Mitglied im Gremium ist. Nach unseren Informationen sind die Quästoren zurzeit durch Christophe Hansen (EVP), Monika Beňová (S&D) und Fabienne Keller (Renew) vertreten. Das Gremium handelt sowohl in Fällen sexueller Belästigung wie psychischer Gewalt. Es beruft sich dabei auf den Kodex für angemessenes Verhalten für Abgeordnete.
Der Kodex umfasst nur sieben Punkte. “Im Rahmen ihres Mandats verhalten sich die Mitglieder auf professionelle Weise und sehen in ihren Beziehungen zu den Mitarbeitern vor allem von jedweder herabsetzenden, beleidigenden, abfälligen oder diskriminierenden Bemerkung sowie von allen unmoralischen, erniedrigenden oder rechtswidrigen Handlungen ab”, heißt es etwa. Auch sind die Abgeordneten dazu angehalten, an speziellen Schulungen zur Prävention von sexueller Belästigung teilzunehmen.
Die Teilnahme an diesen Schulungen ist aber keine Pflicht. Es ist ein Kritikpunkt, der seit 2017 immer wieder von Vertretern der Parlamentsmitarbeiter, aber auch von den Abgeordneten selbst vorgebracht wird. 2017 stimmte eine große Mehrheit der Abgeordneten für einen Entschluss zur Bekämpfung sexueller Belästigung im Parlament. Sie forderten schnellere Verfahren, eine ausbalancierte Zusammensetzung des Beratungsausschusses, eine Verfahrensüberprüfung durch externe Sachbearbeiter oder eine bessere Unterstützung der Opfer. Dies beispielsweise durch ein institutionelles Netz von Vertrauenspersonen.
Diese Forderungen werden seit 2017 immer wieder vorgebracht. Zuletzt in einem Brief der Grünen an Parlamentspräsidentin Metsola. “Time’s up”, kommentierte die Fraktionsvorsitzende Terry Reintke dazu auf Twitter. Ein Initiativbericht des FEMM-Ausschusses für die Gleichstellung der Geschlechter, über den das Miniplenum Ende des Monats abstimmen wird, macht fast die exakt gleichen Vorschläge wie der mittlerweile mehr als fünf Jahre alte Entschluss.
Es fällt auf, dass diese Forderungen weit hinter den Best Practices der EU-Ombudsfrau zurückbleiben. In einem Bericht von 2018 empfiehlt sie verschärfte Disziplinarmaßnahmen gegen hochrangige Personen, beispielsweise die Entziehung der Pensionsrechte. Die Gefahr der Belästigung sei besonders groß, “wenn ein Machtgefälle zwischen den beteiligten Parteien besteht”, schreibt sie.
Inzwischen hat Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ihre Quästoren mit der Überarbeitung der Belästigungsprozeduren betraut. Angedacht ist demnach eine verpflichtende Schulung für Abgeordnete, allerdings unter dem unverbindlichen Namen “Office Management Training”. Auch der Einsatz von Mediatoren soll Teil der Reform sein, die die Quästoren dem Präsidium im Juli vorlegen wollen.
In Abwesenheit stringenter Prozeduren und Strafen könnten auch die Fraktionen selbst gegen Fehlverhalten ihrer Abgeordneten vorgehen. Renew sei zurzeit dabei, interne Prozeduren auszuarbeiten, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die S&D-Fraktion verfügt ihrerseits über ein Netz von Vertrauenspersonen zur Unterstützung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Die Bundesregierung will sich bei der Einlagensicherung nur bewegen, wenn es Fortschritte in der Risikogewichtung von Staatsanleihen in den Bankenbüchern gibt. Finanzminister Christian Lindner sagte am Rande des Rates für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin), es gebe in Europa Banken, die einen sehr hohen Anteil Staatsanleihen in ihren Büchern hielten. Diese Papiere würden aber nicht nach Risiko bewertet, sondern “sie werden fiktiv als risikofrei betrachtet”. Solange in einzelnen Bereichen des europäischen Bankensystems private Finanzen und Staatsfinanzen so eng verbunden seien, solange “kann es keine gemeinsame Einlagensicherung geben”, sagte der FDP-Politiker.
Änderungen in der Regulierung zur Bewertung der Staatsanleihen sind “für uns eine Vorbedingung, um bei der Einlagensicherung weitere Schritte zu gehen”, betonte Lindner. Staatsanleihen nehmen in Europa traditionell eine bedeutende Rolle ein. Sie gelten als ausfallsicher und müssen im Gegensatz zu Firmenanleihen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Lindner machte zugleich deutlich, dass er kurzfristig keine Änderungen zur Risikogewichtung von Staatsanleihen erwarte. Er unterstrich außerdem, Deutschland verfüge über sehr gut funktionierende Einlagensicherungssysteme. Für die Bundesregierung sei immer klar gewesen, dass funktionierende Instrumente erhalten und in ihrer Funktion geschützt werden müssten.
Dies sei mit dem Kommissionsvorschlag aber nicht gegeben, deshalb sei hier eine Weiterentwicklung nötig. Mit Blick auf Fortschritte bei der Europäischen Bankenunion machte Lindner noch einmal deutlich, nicht vom Prinzip abweichen zu wollen, bei einer Schieflage Anteilseigner und Gläubiger zur Stabilisierung des Instituts mit einzubeziehen. Dies sei zwingend erforderlich, um Risiken zu reduzieren “und die Kollektivierung wirtschaftlicher Probleme zu verhindern”. Davon abzuweichen, wie es die Kommission vorschlage, sei “sowohl ordnungspolitisch und ökonomisch als auch ethisch aus unserer Sicht fragwürdig”. cr
Die Ausschreibungsrunde für den ersten gemeinsamen Gaseinkauf im Rahmen der EU-Energieplattform AggregateEU endete am 15. Mai. Aus Sicht der Kommission war dieses neue Programm ein Erfolg. Demnach haben 25 Gaslieferanten Angebote mit einem Volumen von 13,4 Milliarden Kubikmetern Gas abgegeben, wie die Kommission gestern in Brüssel mitteilte. Damit sei die gemeinsame Nachfrage der EU-Staaten von 11,6 Milliarden Kubikmetern übertroffen worden. Die Unternehmen könnten nun die Lieferverträge direkt mit den Gaslieferanten aushandeln.
Zuvor hatten europäische Unternehmen ihren Gasbedarf auf einer Plattform anmelden können. Die internationalen Anbieter mit den “attraktivsten Angeboten” seien mit den europäischen Kunden zusammengebracht worden, hieß es.
“Dies ist ein bemerkenswerter Erfolg für ein Instrument, das es vor etwa fünf Monaten noch nicht gab”, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič.
Die EU-Länder hatten vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs im vergangenen Jahr beschlossen, gemeinsam Gas zu kaufen, um den Unternehmen weniger schwankende Preise zu sichern und die Gasspeicher wieder aufzufüllen. Außerdem soll vermieden werden, dass sich die Staaten gegenseitig überbieten. Die nächste Ausschreibungsrunde soll voraussichtlich in der zweiten Junihälfte gestartet werden. Unternehmen, die sich in russischem Besitz oder unter russischer Kontrolle befinden, sind von dem Programm ausgeschlossen. dpa
Die EU und Indien wollen ihre Zusammenarbeit in der Technologiepolitik intensivieren. Beide Seiten vereinbarten am Dienstag beim ersten Ministertreffen des gemeinsamen Handels- und Technologierates (TTC) eine Reihe von Projekten, etwa zu Halbleitern oder E-Auto-Batterien, die in den kommenden Monaten konkretisiert werden sollen. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, sprach anschließend von “sehr vielversprechenden Anfängen”.
Das Treffen in Brüssel wurde von EU-Seite von Vestager und Kommissionsvize Valdis Dombrovskis geleitet. Neu-Delhi war unter anderem vertreten durch Außenminister Subrahmanyam Jaishankar und Handelsminister Piyush Goyal.
Die EU-Kommission und die Regierung in Neu-Delhi hatten im Februar vereinbart, sich im Rahmen des neuen TTC abzustimmen. Die Europäer hoffen, das bald bevölkerungsreichste Land der Welt enger an sich binden zu können, angesichts des Konfliktes mit Russland und der Spannungen mit China. Das TTC bietet, wie das vergleichbare Format zwischen EU und USA, einen institutionalisierten Rahmen, um Streitthemen zu besprechen und sich auf Experten-Ebene zu koordinieren. EU und Indien haben dafür drei Arbeitsgruppen eingesetzt:
Die Beziehungen zwischen beiden Seiten sind kompliziert. Die Regierung von Premierminister Narendra Modi hat es vermieden, sich den westlichen Sanktionen gegen Russland anzuschließen und profitiert nun von vergünstigtem russischem Erdöl. Dieses landet weiterverarbeitet nun teils in Europa: “Wenn Diesel oder Benzin aus Indien nach Europa kommt und mit russischem Öl hergestellt wird, ist das sicherlich eine Umgehung der Sanktionen, und die Mitgliedsstaaten müssen Maßnahmen ergreifen”, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Reibungen gibt es auch in den im vergangenen Jahr wiederbelebten Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Neu-Delhi stört sich insbesondere am geplanten CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM): Die EU wird ab dem 1. Januar 2026 eine jährlich ansteigende Abgabe auf indische Exporte von Eisen und Stahl sowie Aluminium erheben. Diese Waren machten zuletzt gut ein Viertel der gesamten indischen Ausfuhren in diesen Sektoren aus. Indien hat die EU gebeten, die derzeit in Arbeit befindlichen indischen “Carbon Credit Trading Certificates” beim CBAM zu berücksichtigen, da Indien mit diesen Zertifikaten erstmals einen eigenen Kohlenstoffmarkt plant. tho, Urmi A. Goswami
Der Rat hat gestern die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten angenommen. Das Parlament hatte die in den Trilog-Verhandlungen beschlossene Fassung des Gesetzes bereits am 19. April gebilligt. Die Verordnung kann nun im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und tritt 20 Tage später in Kraft.
Wer bestimmte Produkte aus Risikogebieten auf dem EU-Markt anbietet, muss dann gewährleisten, dass diese nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammen und auch nicht zur Schädigung von Wäldern geführt haben. Zu den Produkten gehören Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk, Holzkohle, Druckerzeugnisse und einige Palmölderivate; außerdem Produkte, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden (etwa Leder, Schokolade und Möbel).
Die Kommission hatte den Gesetzesentwurf im November 2021 vorgestellt. Mit den neuen Vorschriften will die EU verhindern, dass ihr Verbrauch und Handel mit diesen Rohstoffen und Produkten zur weiteren Zerstörung der Waldökosysteme beiträgt. leo
Der Ukrainekrieg, die sich wandelnde Weltordnung, nach überregionaler Macht strebende Staaten wie der Iran sowie weitere globale Herausforderungen machen deutlich, dass Europa strategische Partner und politische Verbündete braucht. Dabei blickt die europäische Politik aus guten Gründen nach Israel.
Die kleine Nation im östlichen Mittelmeer feiert in diesen Tagen das 75. Jubiläum ihrer Staatsgründung. Das “Land der Verheißung” hat über die Zeit eine außergewöhnliche Entwicklung durchlebt. Vom ersten Tag an sah sich der jüdische Staat permanenten Angriffen von außen sowie Herausforderungen von innen ausgesetzt. Über 75 Jahre formte sich so eine wehrhafte und starke Demokratie, die heute von manchen gar als – sicherlich geografisch kleinste – Weltmacht bezeichnet wird.
Befragt man die europäische Politik nach ihrer Sicht auf Israel, zeigt sich mittlerweile ein ausgeprägtes Interesse an einer engen Zusammenarbeit. Während ein Viertel der europäischen Parlamentarier der Meinung ist, dass sich die bilateralen Beziehungen ihrer Staaten mit Israel in den vergangenen fünf Jahren bereits verbessert haben, sprechen sich 77 Prozent für einen weiteren Ausbau der Kooperationen aus. Im Fokus stehen dabei Wissenschaft und Wirtschaft sowie Sicherheit und Verteidigung.
Die aufgezeigten Perspektiven wurden im Rahmen des Israel Survey des European Leadership Network (ELNET) erhoben, der Parlamentarier in ganz Europa zu den Beziehungen ihrer Länder zu Israel sowie zur Nahostpolitik des eigenen Staates befragt. 381 Abgeordnete aus 17 europäischen Parlamenten beteiligten sich zwischen Februar und März 2023 an der Erhebung.
Für Parlamentarier in Frankreich, Griechenland, Schweden und Großbritannien stehen Sicherheit und Verteidigung sogar an erster Stelle. Und auch in Deutschland ist das Themenfeld längst in der öffentlichen Debatte angekommen und gehört für die Bevölkerung zu den zentralen Themen der bilateralen Beziehungen.
Während bislang vor allem deutsche U-Boote und Korvetten einen Beitrag für die Sicherheit Israels leisteten, sind es nun auch israelische Drohnen sowie das dort entwickelte Raketenabwehrsystem Arrow 3, welche unsere Verteidigungskapazitäten verstärken und Europa zukünftig schützen sollen.
Die zunehmende Bedeutung von Sicherheitsinteressen ist wohl auch durch den Einsatz iranischer Drohnen im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine geprägt. Der Iran wird mit seinem Streben nach nuklearen Waffen zunehmend nicht mehr nur als eine Bedrohung für den Nahen Osten wahrgenommen. Während sich zwei Drittel der europäischen Parlamentarier für ein stärkeres Engagement in der Region aussprechen, plädieren 70 Prozent für eine engere Abstimmung mit Israel, wenn es um den Iran geht.
Eine strategische Antwort auf die geopolitischen Veränderungen sind die Abraham-Abkommen. Die Verträge zwischen dem jüdischen und mehreren arabischen Staaten haben seit Herbst 2020 dazu beigetragen, die Beziehungen in der Region zu stärken und für eine Stabilisierung zu sorgen. Die EU hat diese Abkommen nach anfänglicher Zurückhaltung mittlerweile begrüßt. Brüssel betont dabei, dass sie eine wichtige Rolle für Frieden und Sicherheit im Nahen Osten spielen können. Konsequenterweise steht die Verteidigungspolitik auch aus Sicht europäischer Parlamentarier im Kontext der Abraham-Abkommen an erster Stelle.
Während wir in diesen Tagen das besondere Jubiläum der Gründung des jüdischen Staates begehen, erinnern wir uns an die mutigen Pioniere, die das Fundament ihrer Nation gelegt haben. Ihre Vorstellungen haben bis heute Bestand, vereinen Europa und Israel auf Grundlage demokratischer Werte und gemeinsamer Interessen. Die aufgezeigten Positionen der europäischen Parlamentarier verdeutlichen dies und sind gleichzeitig ein Aufruf zum Handeln für die europäische Politik.
Carsten Ovens ist Executive Director des European Leadership Network (ELNET) in Deutschland. ELNET engagiert sich als Denkfabrik und Netzwerk im Kontext der europäisch-israelischen Beziehungen. 2007 gegründet, arbeitet die Organisation unabhängig und parteiübergreifend, und hat heute Büros in Berlin, Brüssel, London, Paris, Tel Aviv und Warschau. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen auf Außen- und Sicherheitspolitik, Innovation und Engagement gegen Antisemitismus.
Ein Paradoxon ist laut Duden eine scheinbar unsinnige, falsche Aussage, die aber bei genauerer Analyse auf eine höhere Wahrheit hinweist. Genauso verhält es sich mit dem Foreign Interference-Gesetz, dem Gesetzesprojekt gegen äußere Einflüsse, welches die Kommission in Bälde vorstellen will: Niemand will es, alle wehren sich. Und die höhere Wahrheit? Die kennt wohl nur die Kommissionspräsidentin selbst.
Tatsächlich ist es Ursula von der Leyen persönlich, die auf ein Gesetz besteht, wonach NGOs, Beratungsfirmen und akademische Institutionen ihre ausländischen Geldgeber offenlegen müssen.
Der Arbeitstitel des Gesetzes, das voraussichtlich ohne Folgenabschätzung auf den Weg gebracht wird: “Rechtsinstrument (Richtlinie) zur Einführung gemeinsamer Transparenz- und Rechenschaftsstandards für von außerhalb der EU bezahlte oder gelenkte Interessenvertretungsdienste, um zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen und die demokratische Sphäre der EU vor verdeckter Einmischung von außen zu schützen.”
Das kommt Ihnen bekannt vor?
2017 hat die EVP in einem Bericht bereits Ähnliches verlangt, federführend war von der Leyens CDU-Parteikollege Markus Pieper. Der Bericht scheiterte, zu stark war der Druck durch die Zivilgesellschaft und den linken Flügel des Europaparlaments.
Doch dann kam Katargate, und alles war auf einmal anders.
Tatsächlich nutzte der ehemalige italienische Abgeordnete Antonio Panzeri (S&D) eine NGO als Scheinorganisation für seine kriminellen Machenschaften in den Diensten autoritärer Regimes. Dass es ihm dabei womöglich vor allem um das Statut der belgischen “Vereinigung ohne Gewinnzweck“ (“asbl”) ging, die im Königreich nur sehr dürftig überprüft werden und immer wieder zur Geldwäsche genutzt werden, spielt kaum eine Rolle. Denn solch ein Skandal lässt sich perfekt für allmögliche politische Ziele instrumentalisieren.
Aber mitnichten für die Forderung strengerer Transparenzregeln im Parlament – etwa, um zu vermeiden, dass sich MEPs zu schicken Luxusreisen einladen lassen und im Sinne von Katar abstimmen. Die werden nämlich gerade wieder im Namen des freien Mandates verwässert. Auch nicht für den Ruf nach strengeren Kontrollen der Machenschaften von Ex-Kommissaren oder nach dem Verbot dubioser Freundschaftsgruppen.
Und Kommissionsmitarbeiter, die sich selbst Luxusreisen nach Katar genehmigen, sind auch nicht so wild. Die kann man ja versetzen – auf eigenen Wunsch versteht sich.
Nein, Katargate ist buchstäblich das Tor für ein “NGO und Co-Gesetz“ 2.0. Also das, was die EVP und insbesondere die Partei der Kommissionspräsidentin 2017 nicht durchboxen konnten und nun so wortstark fordern. (Da wären wir denn auch bei der höheren Wahrheit).
Leider will sich innerhalb der Kommission niemand um diese heiße Kartoffel kümmern. Věra Jourová hat sie direkt ihrem Kommissionskollegen Didier Reynders zugeschoben. Auch der Außenbeauftragte Josep Borell mag das Gesetz unserem Vernehmen nach gar nicht.
Der Grund liegt auf der Hand, hat Borell doch stets wortstark ähnliche Gesetze, beispielsweise in Ungarn oder Georgien, verurteilt. Zum georgischen Gesetz zur Transparenz ausländischer Einflussnahme sagte er beispielsweise noch im März, das sei “eine sehr schlechte Entwicklung” für das Land. Das könnte die Beziehungen “zur EU ernsthaft beeinträchtigen”.
Und das ungarische Gesetz, welches die Offenlegung ausländischer Geldgeber von NGOs fordert? Da gab es sogar ein Infringement-Verfahren. Damals, 2017, listete die Kommission eine ganze Reihe an Gründen auf, wieso ein solches Gesetz nicht gut sei:
Kurz gesagt, es geht um diese abstrakten Werte, von denen die Kommission so oft spricht.
“Die Zivilgesellschaft ist das Gerüst unserer demokratischen Gesellschaften. Deshalb darf sie in ihrem Wirken nicht über Gebühr eingeschränkt werden”, brüstete sich damals Kommissionsvize Frans Timmermans.
Aber das Gedächtnis ist kurz und das der internationalen Partner hoffentlich ebenso. Damit zumindest NGOs und Journalisten nicht schon jetzt auf solche Widersprüche aufmerksam machen, hat die Kommissionspräsidentin denn auch ihre Drohung wahr gemacht, Leaker zu ertappen und zu bestrafen (ein Brüsseler Klatschblatt berichtete).
Alle Drafts sind unterschiedlich nummeriert, sodass sich die Widerständler zurückverfolgen lassen. Und der Termin zur Collège-Abstimmung wurde mittlerweile auch verschoben: Der 7. Juni soll es nun sein. Charlotte Wirth