beim Treffen der EU-Außenminister hatte es Streit um Forderungen nach einer Feuerpause für den Gazastreifen gegeben. Nun aber zeichnet sich ein Kompromiss ab. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus EU-Kreisen wird es nach Verhandlungen bei einem Treffen des Allgemeinen Rats in Luxemburg für möglich gehalten, dass sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem morgigen Gipfeltreffen für Feuerpausen für sichere Hilfslieferungen aussprechen.
Entscheidend ist dabei die Verwendung des Wortes “Pausen” im Plural. Diese grammatikalische Feinheit könnte demnach deutlich machen, dass die EU Israel nicht auffordert, den Kampf gegen die Terrororganisation Hamas mit sofortiger Wirkung einzustellen. Diesen Eindruck wollen Länder wie Deutschland und Österreich unbedingt vermeiden.
Dass Deutschland sich für einen entsprechenden Kompromiss einsetzt, machte am Dienstag Außenministerin Annalena Baerbock am Rande einer Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in New York deutlich. Im Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas brauche es “humanitäre Fenster”, sagte sie.
Als Reaktion auf milliardenschwere amerikanische Subventionen für die Produktion von grünen Technologien entdeckt die EU-Kommission wieder den Wert der Nachfragepolitik. Trotz widriger Umstände biete Europa Cleantech-Investoren immer noch attraktive Geschäftsmöglichkeiten, schreibt die Kommission in ihrem gestern vorgestellten Bericht über die Auswirkungen des IRA auf die europäische Wirtschaft. Was nach dem üblichen Selbstlob klingt, versucht die Behörde mit konkreter Politik zu unterfüttern.
“Viele saubere Technologien oder wichtige Vorprodukte werden zwar international gehandelt, aber die Produktion von Gütern konzentriert sich in der Regel in der Nähe der Nachfrage“, schreibt die Kommission, “und die EU kann auf eine langjährige Erfahrung beim Schaffen einer vorhersehbaren Nachfrage nach sauberen Technologien zurückblicken.” Von der Industrie mitunter als Planwirtschaft verspottet, zieht sich der Ansatz der Kommission auch durch ein Strategiepapier für die Energiewirtschaft, das sie ebenfalls gestern präsentierte.
In ihren anstehenden Nationalen Energie- und Klimaplänen (NECP) sollen die Mitgliedstaaten für die nächsten zehn statt wie bisher fünf Jahre darlegen, welche Ziele für erneuerbare Energien sie sich setzen, heißt es im Aktionsplan für die Windenergie. Für sämtliche Ausschreibungen von Ökoenergien in der EU will die Kommission außerdem eine digitale Übersicht schaffen und so die Transparenz für die Branche erhöhen. “Dies würde der Industrie helfen, ihre Investitionen in Produktionskapazitäten zu planen, ihre Kreditwürdigkeit zu verbessern und ihr Geschäftsmodell zu stärken”, heißt es im Windpaket.
Allerdings zeigt die Kommission selbst immer wieder, wie schnell solche Zielsetzungen von der Wirklichkeit überholt werden können. So bei Repower-EU als Antwort auf die Energiekrise im vergangenen Jahr. Europäische Ziele für Solar und Wind wurden eilig erhöht und die von vielen schon abgeschriebene Bioenergie wieder als wichtiger Beitrag zur Versorgungssicherheit reanimiert. Bei Offshore-Windparks ist die Summe der nationalen Ziele für 2030 aus der jüngsten TEN-E-Verordnung inzwischen doppelt so hoch wie aus der gerade einmal drei Jahre alten Offshore-Strategie der Kommission. Dies kann man aber auch als Beleg für die Bedeutung der nationalen Ambitionen werten, deren Transparenz die Kommission nun verbessern will.
Der Streit, inwiefern spezifische Technologien gefördert werden sollten, ist auch der zentrale Konflikt beim Net-Zero Industry Act, für den der Industrieausschuss des Parlaments heute seine Position festlegt. Die Grünen wollen den Ansatz des Berichterstatters Christian Ehler (EVP) ablehnen, bei der Förderung nicht wie die Kommission einzelne “strategische Technologien” zu bevorzugen.
Doch führt der IRA wirklich zu einer Abwanderungswelle europäischer Unternehmen vor allem aus der energieintensiven Industrie? Um eine Antwort drückt sich die Kommission in dem Bericht herum. Es lägen einfach noch keine verlässlichen Daten vor. Die von der Industrie hochgelobten, weil einfachen Tax Credits etwa würden erst Mitte nächsten Jahres zum ersten Mal verrechnet. Für Wasserstoff habe die US-Regierung außerdem noch gar nicht genau dargelegt, welche Standards für förderfähigen sauberen Wasserstoff gelten sollen – anders als die Kommission mit ihren Delegierten Rechtsakten.
Trotzdem räumt die Kommission ein, dass der IRA wohl bestimmte Branchen anziehen werde: “Der Kostenvorteil bei der Herstellung von Batterien aufgrund der IRA-Steuergutschriften beläuft sich auf etwa 25 bis 30 Prozent der gesamten Produktionskosten.”
Nicht allein auf die heimische Nachfrage verlassen will sich das Bundeswirtschaftsministerium in seiner ebenfalls gestern vorgestellten Industriestrategie. Für eine echte europäische Industriepolitik fehle es derzeit an der finanziellen Ausstattung, heißt es darin. Außerdem seien die Entscheidungsverfahren immer noch zu lang, die jüngst beschlossenen Vereinfachungen sieht Ressortchef Robert Habeck also ebenso wie die Industrie noch lange nicht als ausreichend an. Echte Verbesserungen verspricht sich der Vizekanzler aber erst in der Zeit nach der Europawahl: “Die nächste EU-Kommission sollte es sich auf die Fahnen schreiben, die Prozesse erheblich zu beschleunigen.”
“Wie auf EU-Ebene fehlt der Industriestrategie aber eine klare Festlegung, was Versorgungssicherheit bedeutet“, schrieb gestern Nils Redeker, stellvertretender Direktor des Jacques Delors Centre auf der Plattform Blue Sky. Ansonsten könne Versorgungssicherheit auch ein Vorwand sein, um allerlei Blödsinn zu subventionieren.
Statt die Förderung an konkrete Kosten von Projekten zu knüpfen, erhalten die Staaten Geld aus dem EU-Aufbaufonds, wenn sie mit Reformen und Investitionen beispielsweise die grüne und digitale Transformation oder ihre Arbeitsmärkte voranbringen. In einem Sonderbericht zur europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) bemängelt der Rechnungshof nun erhebliche Schwachstellen im Überwachungssystem.
Dies führe dazu, dass es sich kaum beurteilen lasse, inwieweit die Ziele des EU-Aufbaufonds erreicht werden, führte die verantwortliche Berichterstatterin des Rechnungshofs, Ivana Maletić, in einer Pressekonferenz aus: “Die EU-Länder erhalten über den Fonds mehr Geld als je zuvor. Die Bürgerinnen und Bürger müssen deshalb wissen, ob Europa seine grundlegenden Ziele erreicht und wie das Geld ausgegeben wird.”
Der bis 2026 angelegte Aufbaufonds ist mit 723 Milliarden Euro ausgestattet – bis zu 338 Milliarden Euro an Zuschüssen und 385 Milliarden Euro an Darlehen. Er dient der einzelstaatlichen Finanzierung von Reformen und Investitionen, die sechs politische Kernziele verfolgen:
Anders als bei den traditionellen EU-Förderprogrammen zahlt die Europäische Kommission die Mittel jedoch nicht auf Grundlage angefallener Kosten aus, sondern, wenn die Länder bestimmte Etappenziele und Zielwerte bei Reformen und Investitionen erreichen.
Laut Maletić sind die Kontrollmechanismen des EU-Aufbaufonds geeignet, die Fortschritte der EU-Länder bei den im Gegenzug zur Förderung vereinbarten Reformen und Investitionen zu verfolgen. Doch es gebe keinen vollständigen Überblick darüber, inwieweit die finanzierten Projekte die ARF-Ziele erreichten, beispielsweise, inwiefern sie die europäische Wirtschaft grüner und widerstandsfähiger zu machen. “Wir befinden uns in der paradoxen Situation, dass wir für den größten Fonds der EU, der angeblich leistungsbasiert ist, zwar Fortschritte messen können, nicht aber die Leistung selbst”, so die Kroatin.
Das deutsche Mitglied des Rechnungshofs, Klaus-Heiner Lehne, sagte zu Table.Media: “Wenn Sie über das bisher größte EU-Programm verfügen, müssen Sie wissen, wie gut es funktioniert. Jetzt, da die Umsetzung zur Hälfte abgeschlossen ist, sehen wir bereits, dass sich die ARF stark auf den Umsetzungsfortschritt und nicht so sehr auf die zu erreichenden Ergebnisse konzentriert, was Meilensteine und Ziele betrifft”.
Maletić unterstrich ebenfalls, dass es sich bei den Meilensteinen und Etappenzielen lediglich um Umsetzungsschritte handele. Sie verwies als Beispiel auf die energetische Sanierung von Wohnbestand. Dort werde zwar die Zahl der sanierten Quadratmeter genannt, nicht aber der Umfang der tatsächlich eingesparten CO₂-Emissionen.
Auch der weitere Kontrollmechanismus über 14 gemeinsame Indikatoren liefert der Kroatin zufolge nicht ausreichend Informationen, ob und wie Projekte vor Ort zu den allgemeinen Zielen der ARF beitragen. Dies sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass einige Reformen und Investitionen keinem Indikator unmittelbar zugeordnet werden könnten, wie etwa größere Strukturreformen in den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Justiz oder Investitionen in Infrastruktur und öffentlichen Personennahverkehr. “Die gemeinsamen Indikatoren decken die ARF-Ziele nur teilweise ab. So gibt es keine Indikatoren für bestimmte Bereiche wie Rechtsstaatlichkeit, den Finanzsektor oder Steuern“, bemängelte die Kroatin.
Kritik übt der Rechnungshof auch an der Zuverlässigkeit der Datenlage zum Aufbaufonds, insbesondere hinsichtlich der Endempfänger von Fördermitteln. Das Online-Scoreboard der Kommission zum Aufbaufonds sei zwar benutzerfreundlich, aber irreführend, was die Darstellung der Fortschritte des Fonds hinsichtlich der sechs Hauptziele betreffe. Da die Kommission keine Daten dazu erhebe, wie viel Geld in den EU-Ländern ausgegeben werde, beruhten die Angaben aktuell auf Schätzungen.
Der Rechnungshof fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Berichterstattung zu verbessern, indem die Brüsseler Behörde die Daten und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen auf tatsächliche Ausgaben basiert.
Ferner empfiehlt der Rechnungshof, ein umfassendes Leistungsüberwachungssystem für künftige, ebenfalls nicht kostenbasierte Finanzierungsinstrumente zu entwickeln – auch, um doppelter Buchführung mit den klassischen EU-Programmen vorzubeugen. Maletić sagte, beim aktuellen Aufbaufonds sei es zu spät, noch durchgreifende Änderungen im Überwachungssystem durchzuführen, da das Programm zu weit fortgeschritten sei.
Allerdings könnten beim Programm Repower-EU, das im vergangenen Jahr gestartet ist, die Erkenntnisse des Rechnungshofs aus dem Aufbaufonds berücksichtigt werden. Mit dem milliardenschweren Programm will Europa den ökologischen Wandel in der Staatengemeinschaft beschleunigen.
Sehr holprig und schleppend – so beschrieben Teilnehmer den vierten Trilog zum AI Act, der am Dienstag bis in die Nacht dauerte. Doch in einigen Punkten haben die Verhandler Kompromisse schließen können.
So haben sie sich über die Vorschriften zur Klassifizierung von Hochrisiko-KI-Systemen (das Paket rund um Artikel 6) nach Informationen von Table.Media jetzt weitgehend geeinigt. Nach dem Vorschlag der Kommission soll die Klassifizierung anhand von vier Kriterien erfolgen, auch der juristische Dienst habe dem zugestimmt. Allerdings mahnte dieser an, dass die Formulierungen noch verbesserungswürdig seien.
Die Verhandlungen wurden etwa 90 Minuten unterbrochen. In dieser Zeit einigten sich die beiden Berichterstatter des Parlaments mit den Verhandlern aus Rat und Kommission anscheinend in kleiner Runde auf eine grobe Richtung zur Regulierung von GPAI (Allzweck-KI) und Foundation Models (Basismodelle). Auch hier folgt der Kompromiss dem zweistufigen Ansatz der Kommission – allerdings mit Anpassungen, was die Anforderungen betrifft. Auch die Kategorie “high impact models” wird noch überarbeitet.
Die Details – auch zu den noch offenen Fragen – sollen im Folgenden auf technischer Ebene geklärt werden. Über die immer noch strittigen Fragen tauschten die Verhandler Positionen aus, trafen aber keine Entscheidungen. Am weitesten liegen die Positionen auseinander bei Verboten und Ausnahmen für den Einsatz von KI-Systemen bei der Strafverfolgung und für die nationale Sicherheit.
Die Aufgabe und das Ziel für die technische Ebene ist es nun, die offenen Punkte so weit vorzubereiten, dass beim kommenden Trilog am 6. Dezember die Verhandlungen zu einem Abschluss kommen können. vis
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson muss sich heute Nachmittag im Innenausschuss des Europaparlaments (LIBE) den Fragen der Abgeordneten stellen. Es sind gleich drei Punkte, zu denen sie sich den Parlamentariern erklären muss. Zum einen muss die Chefin der Generaldirektion Innen erläutern, inwiefern Presseberichte über eine von ihr gewünschte, enge Zusammenarbeit mit dem Umfeld des Anbieters von Erkennungssoftware für Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs Thorn zutreffen. Johansson hatte frühzeitig per Brief um Unterstützung für ihr Anliegen gebeten.
Zu dem Vorgang hat der LIBE-Ausschuss auch den Journalisten Apostolis Fotiadis geladen, der über die engen Verbindungen zwischen dem Umfeld des Thorn-Mitgründers Ashton Kutcher und Johansson umfassend berichtet hat.
Außerdem muss sich Johansson für die Schaltung gezielter Anzeigen auf der Musk-Plattform X, dem früheren Twitter, rechtfertigen. Die DG Home hatte im Kontext überaus eigenwilliger Keywords wie “Marine Le Pen” in sieben Mitgliedstaaten Anzeigen platziert. Damit sollte offenbar um Unterstützung für das CSA-Vorhaben geworben werden. Herausgekommen war diese Aktion durch die Anzeigenpflichtdokumentation für große Anbieter, die auch die DG Home traf. Die EU-Kommission will politische Werbung strengen Regeln unterwerfen – Johanssons Ressort scheint das jedoch weniger zu interessieren.
Ebenfalls rechtfertigen muss sich die EU-Kommissarin für zweifelhafte Umfragen, mit denen sie politisch Druck auszuüben versucht. Auf Anfrage von Table.Media gab die EU-Kommission an, dass die sozialwissenschaftliche Qualitätssicherung für ein Flash Eurobarometer beim Auftragnehmer, dem Umfrageinstitut IPSOS, gelegen habe. Der von der Kommission in Auftrag gegebene Fragebogen war entgegen sozialwissenschaftlicher Standards suggestiv formuliert. Konkrete Nachfragen zu den mit dem Vorgang befassten Referaten blieb die Kommission auch nach zwei Werktagen schuldig.
Für den FDP-Europapolitiker Moritz Körner zeichnet sich inzwischen ab: “Frau Johansson will den Überwachungsstaat, das Europäische Parlament wird ihre Linie sicher nicht mittragen.” Auch andere Abgeordnete rechnen mit einer scharfen Auseinandersetzung bei der LIBE-Sitzung am Mittwochnachmittag. Ylva Johansson hatte schon im Vorgriff Anfang Oktober per Brief Vorwürfe weit von sich gewiesen. Die Abstimmung über die Parlamentsposition wurde vorerst auf den 23. November vertagt.
Nachdem die Kommission am Montag bereits Verwaltungsvereinbarungen mit dem designierten französischen Digitale-Dienste-Koordinator und der irischen Digitalaufsichtsbehörde abgeschlossen hat, bestätigte die Landesmedienanstalt NRW Table.Media nun ebenfalls eine entsprechende Anfrage.
Die Kommission versucht derzeit, temporäre Unterstützung von mitgliedstaatlichen Akteuren zu erhalten, um bei der DSA-Aufsicht nicht erst auf den offiziellen Start warten zu müssen. Das Bundesamt für Justiz, das dem Justizministerium nachgeordnet ist und mit dem NetzDG einschlägige Erfahrungen gesammelt hat, kann hingegen aus rechtlichen Gründen erst einmal keine Rolle spielen. Das teilte das BMJ auf Anfrage mit.
Während die EU-Kommission Schwierigkeiten mit der Beaufsichtigung der besonders Großen hat, lässt sich die Bundesregierung bei den Beratungen des Digitale-Dienste-Gesetzes weiterhin Zeit. Eigentlich sollte das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch das deutsche Begleitgesetz zum Digital Services Act endlich beschließen. Doch das Digitale-Dienste-Gesetz hängt weiterhin in der Beratung zwischen den Ministerien.
Insbesondere die Kompetenzverteilung zwischen Bundes- und Landesinstitutionen ist weiter strittig. So soll etwa das Bundesfamilienministerium laut Regierungskreisen eine den Landesmedienanstalten übergeordnete Stellung der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKM) zur Bedingung für eine Kabinettsbefassung erhoben haben. Unterdessen sind die Landesmedienanstalten weiterhin unglücklich mit der geplanten Benennung einer Stelle bei der Bundesnetzagentur zum Digital Services Coordinator für Deutschland.
In Österreich wurde am Montag das “DSA-Begleitgesetz” im Rechtsinformationssystem veröffentlicht. Dort soll die ebenfalls mit dem Netzregulierer verbandelte, aber in der Medienaufsicht von diesem unabhängige Komm Austria die Rolle als – wie es im Gesetzentwurf genannt wird – “Koordinator für Digitale Dienste (KDD)” eingesetzt werden. Nach Ablauf der “Begutachtungsfrist” geht der Ministerialentwurf in den Ministerrat und von dort ins Parlament in Wien. fst
Bei ihrem informellen Rat im spanischen Léon haben sich die Telekommunikations- und Digitalminister der EU auf eine erste europäische Erklärung zum Schutz der digitalen Rechte bei der Entwicklung der Neurotechnologie geeinigt. Weitere Themen waren, wie die Einhaltung digitaler Rechte gewährleistet werden kann, die Zukunft des Telekommunikationsmarktes und die Verwirklichung der Ziele des digitalen Jahrzehnts.
Der AI Act, der noch am selben Abend im Trilog in Brüssel verhandelt wurde, und auch die G7-Leitlinien zu KI (Hiroshima-Prozess) waren hingegen kein Thema im Plenum – wohl aber in bilateralen Gesprächen am Rande des Treffens.
Neurotechnologie verbindet Neurowissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Informatik, um Systeme zu entwickeln, die mit dem Nervensystem interagieren. Die Unterzeichner der Léon-Erklärung wollen die Wettbewerbsfähigkeit und strategische Autonomie der EU in diesem Bereich stärken. Das soll unter anderem geschehen durch die Förderung öffentlich-privaten Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Neurotechnologien, die auf europäischen Werten basieren.
Dazu gehört auch die Pflege eines dynamischen Ökosystems, das die Kluft zwischen Forschung, Innovation und dem Markt schließen soll. Spanien sieht sich als Vorreiter in dem Gebiet und hat Investitionen im Volumen von 120 Millionen Euro in dem Bereich angekündigt.
Heiß diskutiert wurden vor allem die Vorschläge der Kommission zur Regulierung des Telekommunikationssektors (TK), die nach den Vorstellungen von Binnenmarktkommissar Thierry Breton in ein Digital Networks Gesetz münden sollen. “Wir sehen eine große Offenheit aller Mitgliedstaaten zur Diskussion der Zukunft des TK-Sektors, aber auch Zurückhaltung gegenüber Regulierung”, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV), das von Staatssekretär Stefan Schnoor vertreten wurde. “Auch Deutschland ist der Auffassung, dass zunächst sorgfältige Analysen erforderlich sind.” Markteingriffe seien nur bei Marktversagen gerechtfertigt, und der bestehende Rechtsrahmen für den Telekomsektor beinhalte bereits ein hohes Maß an Harmonisierung.
Bei der Frage der Beteiligung von Big Tech an den Kosten für den erforderlichen Ausbau der Netze (Fair Share) zeichne sich eine Mehrheit gegen eine zusätzliche Abgabe ab, sagte der Sprecher weiter. Das BMDV hatte von Anfang an keinen Bedarf für eine zusätzliche Regulierung gesehen. Sie berge das Risiko, die Kosten für die Verbraucher zu erhöhen und die Netzneutralität zu gefährden. vis
Der Umweltausschuss (ENVI) des Europaparlaments setzt sich für schärfere Regeln bei der Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (SUR) ein. Mit 47 zu 37 Stimmen bei zwei Enthaltungen will der Ausschuss durchsetzen, dass der Einsatz von besonders gefährlichen Pestiziden bis 2030 um 65 Prozent zurückgeht – bezogen auf die Periode 2013 bis 2017. Der Einsatz der anderen Pestizide soll um 50 Prozent eingeschränkt werden. Die Kommission hatte sich jeweils für eine Absenkung um 50 Prozent ausgesprochen – bezogen auf die Periode 2015 bis 2017.
Der Umweltausschuss fordert zudem ein Verbot von chemischen Pflanzenschutzmitteln auf sensiblen Flächen. Darunter sollen auch alle Schutzgebiete Natura 2000 fallen sowie öffentliche Spielplätze, Parks und Wege. Bei 18,6 Prozent der EU-Flächen handelt es sich um Schutzgebiete nach Natura 2000. Auf vielen dieser Flächen wird derzeit intensiv Ackerbau betrieben.
Setzt sich der Ausschuss mit dieser Position durch, wären auf diesen Flächen herkömmliche Pflanzenschutzmittel verboten. Es dürften nur noch Pestizide zum Einsatz kommen, die auch in der ökologischen Landwirtschaft erlaubt sind. Der Landwirtschaftsausschuss hat sich gegen den Vorschlag der Kommission ausgesprochen. In der Sitzungswoche vom 20. bis 23. November stimmt das Plenum über die Parlamentsposition ab. mgr
Der Umweltausschuss (ENVI) im Europaparlament setzt sich für strengere CO₂-Flottengrenzwerte bei Nutzfahrzeugen bis 2035 ein. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass die Hersteller den durchschnittlichen Ausstoß von Neufahrzeugen bis 2035 um 65 Prozent senken müssen. Eine Mehrheit im ENVI hat sich für eine Absenkung um 70 Prozent ausgesprochen. Bis 2030 fordert das Parlament minus 45 Prozent und liegt damit auf einer Linie mit Kommission und Rat.
Bis 2040 fordert das Parlament minus 90 Prozent und liegt damit ebenfalls auf einer Linie mit Kommission und Rat. Berichterstatter Bas Eickhout (Grüne) hatte für 2040 minus 92,5 Prozent angepeilt, konnte sich damit aber nicht gegen den Widerstand von EVP und Renew durchsetzen.
Bei Stadtbussen will ENVI ab 2030 ein Verbrennerverbot festschreiben. Der Rat ist für das Verbrenneraus bei Stadtbussen im Jahr 2035. Bis 2035 sollen Neufahrzeuge von Stadtbussen laut allgemeiner Ausrichtung im Rat 85 Prozent weniger CO₂ ausstoßen. ENVI will bis 2035 Stadtbusse zulassen, die mit Biomethan betrieben werden.
Parlament und Rat setzen sich dafür ein, dass die CO₂-Flottengesetzgebung im Jahr 2027 noch einmal überprüft wird. ENVI will im Rechtstext weder eine Formulierung zu klimaneutralen Kraftstoffen noch zu E-Fuels aufnehmen, vertritt also dieselbe Position wie der Ministerrat.
Bei der Definition von Nullemissionsfahrzeugen hatte die Kommission vorgeschlagen, dass sie nicht mehr als drei Gramm CO₂ je Tonnenkilometer emittieren dürfen. Der Rat hatte sich angeschlossen. ENVI setzt sich nun für die Schwellenwerte drei Gramm bis 2030 und ein Gramm nach 2030 ein.
In der Sitzungswoche vom 20. bis 23. November stimmt das Plenum in Straßburg über die CO₂-Flottengrenzwerte ab. Da der Industrieausschuss und der Verkehrsausschuss sich für eine weniger strenge Regulierung starkmachen, könnte es im Plenum noch zu Änderungen kommen. Der Trilog dürfte unter belgischer Ratspräsidentschaft Anfang 2024 abgeschlossen werden. mgr
Der Handelsausschuss des EU-Parlaments (INTA) hat sich für einen Ausbau der Handelsbeziehungen mit Taiwan ausgesprochen. Die EU-Abgeordneten forderten außerdem die EU-Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS) auf, “zügig mit der Arbeit an einem stabilen Lieferkettenabkommen mit Taiwan zu beginnen“. Der Ausschuss hat das in einer Resolution festgelegt, die im November auch im Plenum des Europaparlaments zur Abstimmung kommen soll.
Die EU-Parlamentarier rufen in dem Text die Kommission und den EEAS zudem auf, ihre Unterstützung zu verstärken, um Taiwan die Präsenz in multilateralen und internationalen Foren zu ermöglichen. “Wir fordern eine weitere Stärkung der Beziehungen sowie konkrete Fortschritte bei wichtigen Initiativen wie dem Handels- und Investitionsdialog“, sagte der rumänische Abgeordnete Iuliu Winkler. Das Europaparlament hat bereits mehrfach auch ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan vorgeschlagen – konkret passiert ist dazu vonseiten der EU-Kommission allerdings nichts.
China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz. Die EU verfolgt in Bezug auf Taiwan eine “One China”-Politik, die offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan ausschließt, bilaterale wirtschaftliche Beziehungen aber beschränkt zulässt.
Der Handelsausschuss des EU-Parlaments gab am Dienstag zudem grünes Licht für das Freihandelsabkommen mit Neuseeland. Das Europaparlament soll darüber ebenfalls im November abstimmen. Mit der Zustimmung des Rats könnte das Abkommen Mitte 2024 in Kraft treten. Das Freihandelsabkommen ist ein wichtiger Schritt für die Zusammenarbeit mit Staaten in der Indopazifik-Region. ari
Zwei AfD-Politiker dürfen für das Europaparlament kandidieren, obwohl sie bei der Wahl der Listen ungenaue Angaben zu ihrem Lebenslauf gemacht hatten. Der Vorwurf vorsätzlicher Täuschung sei nicht berechtigt, entschied eine Parteikonvent. Die beiden Kandidaten, Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch, dürfen ihre Listenplätze zehn und 14 behalten und haben damit gute Chancen, bei der Wahl am 9. Juni ins Parlament einzuziehen.
Bausemer und Khan-Hohloch sollen falsche Angaben zu Berufs- und Schulabschlüssen gemacht haben. Die Parteispitze hatte sich zunächst nur entschieden, dass die beiden Bewerber für zwei Jahre keine parteiinternen Ämter besetzen dürfen. Das reichte Parteimitgliedern aber nicht. Sie forderten, dass Bausemer und Khan-Hohloch von der Liste gestrichen werden. Diese Forderung wurde aber von einem Parteikonvent verworfen. mgr
Der Linken-Parteivorsitzende und Europaabgeordnete Martin Schirdewan betont mit Blick auf die Parteineugründung von Sahra Wagenknecht die Geschlossenheit der Linken in der EU. “Die Europaabgeordneten der Linken stehen geschlossen zur Linken”, sagte Schirdewan auf Nachfrage von Table.Media.
Die Partei sei bereits jetzt dabei, sich auf die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 vorzubereiten. “Der Europaparteitag im November wird dafür die Weichen stellen und gleichzeitig nach dem Austritt der Gruppe Wagenknecht eine erste wichtige Wegmarke der Erneuerung der Partei sein.” Am 17. und 18. November wird die Linkspartei in Augsburg ihr Wahlprogramm und ihre Kandidatenliste beschließen.
Die frühere Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht hatte am Montag bekannt gegeben, dass ihre neu gegründete Partei bei der Europawahl und den anstehenden Landtagswahlen antreten wolle. Wagenknecht will den EU-Mitgliedstaaten mehr Macht geben. fst
Die EU leide an einer “dreifachen politisch-administrativen Überdosis”, heißt es im Positionspapier, das heute beim Wirtschaftsgipfel BW-EU in Brüssel verabschiedet wird und Table.Media vorliegt. KMU seien von einer Vielzahl neuer Regelungen und Berichtspflichten überfordert. Beispiele seien die Anforderungen aus der Taxonomie und der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Statt praxistauglicher Regulierung gebe es zu viel “Mikromanagement”. Ein Beispiel sei die Verpackungsverordnung, bei der nicht die Gesamt-Ökobilanz zähle, sondern Einzelvorgaben gemacht würden.
Zusammen mit einer mehr als 100-köpfigen Wirtschaftsdelegation ist Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) für einen zweitägigen Wirtschaftsgipfel nach Brüssel gereist. “Wir benötigen ein neues Mindset und einen neuen Spirit in der EU”, forderte sie zum Beginn der Reise. In Brüssel führen Hoffmeister-Kraut und die Delegation Gespräche mit hochrangigen Vertretern der EU-Institutionen.
Die Regulierung durch Brüssel sei zu “eindimensional”, heißt es weiter in dem Positionspapier: Langfristige negative Folgen für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von KMU würden nicht berücksichtigt. Dies zeige sich bei der Medizinproduktverordnung, dem CO₂-Grenzausgleichmechanismus CBAM und drohe bei der anstehenden Regulierung von PFAS-Chemikalien.
Das Papier fordert auch mehr Schubkraft für innovative Regionen. Es müsse die Möglichkeit geben, großvolumige Beihilfen im Rahmen des Temporary Crisis and Transition Frameworks (TCTF) nicht nur an bisherige Fördergebiete zu vergeben, sondern auch an Regionen wie Baden-Württemberg.
Außerdem wird die Schaffung eines “KMU-Quarterback” angemahnt. Er solle direkt der EU-Kommissionspräsidentin unterstellt sein und damit oberhalb der Fachkommissare. Der KMU-Check durch den neuen KMU-Quarterback solle einen verbindlichen Charakter mit Veto-Möglichkeit haben und damit deutlich mehr Kompetenzen als das bisherige Regulatory Scrutiny Board. mgr
Die EU-Staaten sollen sich bei akutem Medikamentenmangel öfter gegenseitig helfen können. Die EU-Kommission hat am Dienstag in Brüssel angekündigt, dass noch diesen Oktober ein freiwilliger Verteilmechanismus gestartet werden soll. Darüber soll ein Land seinen Bedarf an einem bestimmten Arzneimittel kundgeben und andere Mitgliedstaaten daraufhin Medikamente aus ihren Beständen abgeben können. Zudem schlägt die EU-Kommission vor, dass wie bei der Corona-Impfstoffbeschaffung die EU-Staaten gemeinsam Medikamente einkaufen.
Vergangenes Jahr etwa fehlte es auch in einem großen und vergleichsweise reichem Land wie Deutschland an vielen Arzneien. Nach einer Infektwelle gab es etwa Lieferprobleme bei Fieber- und Hustensäften. Auch Antibiotika und Krebsmedikamente waren nicht immer sofort verfügbar.
Nach Angaben der EU-Kommission soll nun eine Liste mit besonders wichtigen Medikamenten ausgearbeitet werden. Darunter versteht die Behörde Mittel, für die es keine geeignete Alternative gibt und wo ein Engpass bedeutet, dass Menschen ernsthaft Schaden nehmen könnten.
Für diese Medikamente sollen dann – wenn möglich – Lösungen gegen den Mangel ausgearbeitet werden, etwa durch mehr Vorräte, mehr Produktion oder mehr Partnerschaften beispielsweise mit Drittstaaten. Auf der Liste könnten am Ende zwischen 100 und 350 Medikamente stehen, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Sie betonte aber auch: “Medikamentenknappheit kann nicht von heute auf morgen beseitigt werden, denn die Ursachen sind langwierig und vielschichtig.” dpa
Der Diplomat Kirill Logwinow soll nach Erkenntnissen des belgischen Geheimdienstes VSSE nicht nur für das russische Außenministerium, sondern auch für den russischen Auslandsnachrichtendienst SWR arbeiten, wie mehrere Quellen am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel bestätigten. Zuvor war er nach seinem Lebenslauf zwischen 2010 und 2014 auch an der russischen Botschaft in Berlin tätig.
Über den Fall berichteten am Dienstag der “Spiegel” und mehrere andere europäische Medien. Erste Berichte über den Verdacht hatte es bereits im Sommer vergangenen Jahres gegeben.
Auf die Frage, was für Arbeiten Logwinow für den SWR ausgeführt haben könnte oder noch immer ausführt, gab es am Dienstag keine Antwort. “Wir kommentieren das nicht”, sagte ein Sprecher des Geheimdienstes VSSE der dpa auf eine Anfrage.
Als Spionage gilt heutzutage nicht nur die verdeckte Beschaffung von Informationen. Auch Aktivitäten im Bereich der unerwünschten politischen oder gesellschaftlichen Einflussnahme werden dazugerechnet. Dies kann zum Beispiel durch die gezielte Verbreitung von Falschinformationen im Gastland geschehen.
Der 48 Jahre alte Logwinow ist seit September 2022 als Geschäftsträger (Chargé d’affaires) höchster Vertreter Russlands bei der EU. Der Posten des offiziellen Botschafters ist unbesetzt, seitdem Wladimir Tschischow im vergangenen Jahr nach rund 17 Jahren als russischer EU-Botschafter in seine Heimat zurückberufen wurde. Zuvor waren die Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine auf einen Tiefpunkt gesunken.
Auf die Frage, warum Logwinow angesichts des Spionageverdachts nicht zur Ausreise aufgefordert wird, gab der zuständige Auswärtige Dienst der EU am Dienstag keine klare Antwort. Ein Sprecher verwies lediglich darauf, dass es Maßnahmen gebe, “um das Ausmaß der Bedrohung fortlaufend zu bewerten”.
Zudem erinnerte er daran, dass bereits im April vergangenen Jahres 19 russische Diplomaten von der EU zu unerwünschten Personen (“personae non-gratae”) erklärt worden waren. Damals begründete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell dies damit, dass sich die Personen an Aktivitäten beteiligten, die ihrem diplomatischen Status widersprachen. dpa
“Ich habe eigentlich den Luxus aus zwei Welten”, antwortet David Denzer-Speck lachend auf die Frage, ob ihm Brüssel oder Frankfurt besser gefällt. “Brüssel ist unglaublich lebenswert, gerade mit Familie, wir sind da inzwischen verwurzelt”, erzählt er. Aber natürlich genieße er auch seine Zeit in Frankfurt. “Brüssel und Frankfurt sind fast schon Nachbarschaft, drei Stunden mit dem Zug und vier mit dem Auto.” David Denzer-Speck, Leiter des KfW-Verbindungsbüros zur EU in Brüssel, kennt die Strecke.
Denzer-Speck stammt aus Tauberbischofsheim in Nordbaden, hat Volkswirtschaft in Freiburg studiert, mit zwei Semestern an der FU Berlin. Danach hat er am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft mit Schwerpunkt Zentralbankwesen in Freiburg promoviert. Während des Studiums hat er sich im Alumni-Verein engagiert und kam erstmals mit der KfW in Berührung.
“Wir haben für junge Studierende immer Reisen organisiert und eine ging nach Frankfurt, bei der wir die Deutsche Börse, Bundesbank, Deutsche Bank und unter anderem auch bei der KfW vorbeigeschaut haben”, erinnert sich Denzer-Speck. Kurz vor Ausbruch der Finanzmarktkrise 2007, ging er dann drei Jahre nach Frankfurt in die volkswirtschaftliche Abteilung der KfW. “Ein ganz toller Einstieg, von der Theorie gleich in die Praxis springend.”
Seit 2011 ist Denzer-Speck nun in Brüssel, zunächst als Referent, dann als Abteilungsdirektor und Büroleiter mit den Standorten Brüssel und Frankfurt. “Ich kannte die deutsche Politik, und die KfW ist an vielen Stellen international aufgebaut, aber am Ende des Tages ist sie eine deutsche Institution.” Viele wichtige Weichenstellungen, gerade auch bei der Finanzmarktkrise kamen und kommen immer noch aus Brüssel. Daher sei der Wechsel für ihn damals eine tolle Chance gewesen, zur europäischen Politik zu wechseln. “Ich dachte: Mensch, dann probieren wir das mal für drei Jahre aus”, erinnert er sich. “Und Sie sehen, es sind noch ein paar Jahre mehr geworden.”
“Die KfW ist an der Schnittstelle Politik-Wirtschaft”, antwortet Denzer-Speck auf die Frage, was er an der Arbeit für die KfW besonders interessant findet. Mit seinem Team beschäftigt er sich momentan vor allem mit Entwicklungsfinanzierung, der Förderpolitik in Europa mit Schwerpunkt Deutschland und dem regulatorischen Rahmen. “Da ist die KfW eine Besonderheit, da sie auf der einen Seite eine Bank ist und auf der anderen aber der öffentlichen Hand gehört. Ich sage immer, ein bisschen wie eine Brücke zwischen der Regierung, dem Finanzsektor und der Wirtschaft.”
Gerade gehe es sehr viel um Global Gateway, die europäische Antwort auf die chinesische Seidenstraße-Initiative. Mit anderen europäischen Förderbanken werden Fördermittel in der ganzen Welt umgesetzt, schwerpunktmäßig in Afrika, aber auch in Asien und Lateinamerika. Daneben beschäftigt die KfW auch viel die Umwelt- und Klimafinanzierung. Mit dem Green Deal greife die EU an vielen Stellen in die Förderung der KfW ein und mit ihrer Fördertätigkeit in Deutschland und der Welt leiste sie einen konkreten Beitrag.
Dabei schätzt Denzer-Speck besonders die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Förderbanken. “Alleine ist man da schlecht aufgestellt”, ist er überzeugt. In Brüssel teilt er sich ein gemeinsames Büro mit italienischen, französischen, niederländischen und polnischen Kolleginnen und Kollegen. Für kleinere Banken gibt es den Verband, der die Arbeit bündelt und dann in die jeweiligen Hauptstädte geht. Gemeinsam werden so unterschiedliche Expertisen ausgetauscht. “Das ist unglaublich bereichernd, weil man mit sehr vielen und unterschiedlichen netten Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa zusammenarbeiten darf.”
Daneben ist die KfW auch als Interessensvertretung gegenüber den EU-Institutionen aktiv. “Wir alle haben ein Interesse daran, dass wir gut funktionierende Institutionen haben und stellen daher am Ende des Tages unseren Partnern viele Informationen kostenfrei zur Verfügung.”
Die Arbeit im Verbindungsbüro ist für David Denzer-Speck nie langweilig. Er ist immer an aktuellen Themen dran und die Mischung aus Analyse, Politik und Netzwerken bereichert ihn. Er hat eine große Gestaltungsfreiheit und eine große Bandbreite an Tätigkeiten: “Von der Organisation von Vorstandsbesuchen mit Kommissarinnen und Kommissaren bis hin zu: Die Kaffeemaschine funktioniert nicht, wer kümmert sich darum?”, sagt er und lacht. Livia Hofmann
beim Treffen der EU-Außenminister hatte es Streit um Forderungen nach einer Feuerpause für den Gazastreifen gegeben. Nun aber zeichnet sich ein Kompromiss ab. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus EU-Kreisen wird es nach Verhandlungen bei einem Treffen des Allgemeinen Rats in Luxemburg für möglich gehalten, dass sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem morgigen Gipfeltreffen für Feuerpausen für sichere Hilfslieferungen aussprechen.
Entscheidend ist dabei die Verwendung des Wortes “Pausen” im Plural. Diese grammatikalische Feinheit könnte demnach deutlich machen, dass die EU Israel nicht auffordert, den Kampf gegen die Terrororganisation Hamas mit sofortiger Wirkung einzustellen. Diesen Eindruck wollen Länder wie Deutschland und Österreich unbedingt vermeiden.
Dass Deutschland sich für einen entsprechenden Kompromiss einsetzt, machte am Dienstag Außenministerin Annalena Baerbock am Rande einer Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in New York deutlich. Im Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas brauche es “humanitäre Fenster”, sagte sie.
Als Reaktion auf milliardenschwere amerikanische Subventionen für die Produktion von grünen Technologien entdeckt die EU-Kommission wieder den Wert der Nachfragepolitik. Trotz widriger Umstände biete Europa Cleantech-Investoren immer noch attraktive Geschäftsmöglichkeiten, schreibt die Kommission in ihrem gestern vorgestellten Bericht über die Auswirkungen des IRA auf die europäische Wirtschaft. Was nach dem üblichen Selbstlob klingt, versucht die Behörde mit konkreter Politik zu unterfüttern.
“Viele saubere Technologien oder wichtige Vorprodukte werden zwar international gehandelt, aber die Produktion von Gütern konzentriert sich in der Regel in der Nähe der Nachfrage“, schreibt die Kommission, “und die EU kann auf eine langjährige Erfahrung beim Schaffen einer vorhersehbaren Nachfrage nach sauberen Technologien zurückblicken.” Von der Industrie mitunter als Planwirtschaft verspottet, zieht sich der Ansatz der Kommission auch durch ein Strategiepapier für die Energiewirtschaft, das sie ebenfalls gestern präsentierte.
In ihren anstehenden Nationalen Energie- und Klimaplänen (NECP) sollen die Mitgliedstaaten für die nächsten zehn statt wie bisher fünf Jahre darlegen, welche Ziele für erneuerbare Energien sie sich setzen, heißt es im Aktionsplan für die Windenergie. Für sämtliche Ausschreibungen von Ökoenergien in der EU will die Kommission außerdem eine digitale Übersicht schaffen und so die Transparenz für die Branche erhöhen. “Dies würde der Industrie helfen, ihre Investitionen in Produktionskapazitäten zu planen, ihre Kreditwürdigkeit zu verbessern und ihr Geschäftsmodell zu stärken”, heißt es im Windpaket.
Allerdings zeigt die Kommission selbst immer wieder, wie schnell solche Zielsetzungen von der Wirklichkeit überholt werden können. So bei Repower-EU als Antwort auf die Energiekrise im vergangenen Jahr. Europäische Ziele für Solar und Wind wurden eilig erhöht und die von vielen schon abgeschriebene Bioenergie wieder als wichtiger Beitrag zur Versorgungssicherheit reanimiert. Bei Offshore-Windparks ist die Summe der nationalen Ziele für 2030 aus der jüngsten TEN-E-Verordnung inzwischen doppelt so hoch wie aus der gerade einmal drei Jahre alten Offshore-Strategie der Kommission. Dies kann man aber auch als Beleg für die Bedeutung der nationalen Ambitionen werten, deren Transparenz die Kommission nun verbessern will.
Der Streit, inwiefern spezifische Technologien gefördert werden sollten, ist auch der zentrale Konflikt beim Net-Zero Industry Act, für den der Industrieausschuss des Parlaments heute seine Position festlegt. Die Grünen wollen den Ansatz des Berichterstatters Christian Ehler (EVP) ablehnen, bei der Förderung nicht wie die Kommission einzelne “strategische Technologien” zu bevorzugen.
Doch führt der IRA wirklich zu einer Abwanderungswelle europäischer Unternehmen vor allem aus der energieintensiven Industrie? Um eine Antwort drückt sich die Kommission in dem Bericht herum. Es lägen einfach noch keine verlässlichen Daten vor. Die von der Industrie hochgelobten, weil einfachen Tax Credits etwa würden erst Mitte nächsten Jahres zum ersten Mal verrechnet. Für Wasserstoff habe die US-Regierung außerdem noch gar nicht genau dargelegt, welche Standards für förderfähigen sauberen Wasserstoff gelten sollen – anders als die Kommission mit ihren Delegierten Rechtsakten.
Trotzdem räumt die Kommission ein, dass der IRA wohl bestimmte Branchen anziehen werde: “Der Kostenvorteil bei der Herstellung von Batterien aufgrund der IRA-Steuergutschriften beläuft sich auf etwa 25 bis 30 Prozent der gesamten Produktionskosten.”
Nicht allein auf die heimische Nachfrage verlassen will sich das Bundeswirtschaftsministerium in seiner ebenfalls gestern vorgestellten Industriestrategie. Für eine echte europäische Industriepolitik fehle es derzeit an der finanziellen Ausstattung, heißt es darin. Außerdem seien die Entscheidungsverfahren immer noch zu lang, die jüngst beschlossenen Vereinfachungen sieht Ressortchef Robert Habeck also ebenso wie die Industrie noch lange nicht als ausreichend an. Echte Verbesserungen verspricht sich der Vizekanzler aber erst in der Zeit nach der Europawahl: “Die nächste EU-Kommission sollte es sich auf die Fahnen schreiben, die Prozesse erheblich zu beschleunigen.”
“Wie auf EU-Ebene fehlt der Industriestrategie aber eine klare Festlegung, was Versorgungssicherheit bedeutet“, schrieb gestern Nils Redeker, stellvertretender Direktor des Jacques Delors Centre auf der Plattform Blue Sky. Ansonsten könne Versorgungssicherheit auch ein Vorwand sein, um allerlei Blödsinn zu subventionieren.
Statt die Förderung an konkrete Kosten von Projekten zu knüpfen, erhalten die Staaten Geld aus dem EU-Aufbaufonds, wenn sie mit Reformen und Investitionen beispielsweise die grüne und digitale Transformation oder ihre Arbeitsmärkte voranbringen. In einem Sonderbericht zur europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) bemängelt der Rechnungshof nun erhebliche Schwachstellen im Überwachungssystem.
Dies führe dazu, dass es sich kaum beurteilen lasse, inwieweit die Ziele des EU-Aufbaufonds erreicht werden, führte die verantwortliche Berichterstatterin des Rechnungshofs, Ivana Maletić, in einer Pressekonferenz aus: “Die EU-Länder erhalten über den Fonds mehr Geld als je zuvor. Die Bürgerinnen und Bürger müssen deshalb wissen, ob Europa seine grundlegenden Ziele erreicht und wie das Geld ausgegeben wird.”
Der bis 2026 angelegte Aufbaufonds ist mit 723 Milliarden Euro ausgestattet – bis zu 338 Milliarden Euro an Zuschüssen und 385 Milliarden Euro an Darlehen. Er dient der einzelstaatlichen Finanzierung von Reformen und Investitionen, die sechs politische Kernziele verfolgen:
Anders als bei den traditionellen EU-Förderprogrammen zahlt die Europäische Kommission die Mittel jedoch nicht auf Grundlage angefallener Kosten aus, sondern, wenn die Länder bestimmte Etappenziele und Zielwerte bei Reformen und Investitionen erreichen.
Laut Maletić sind die Kontrollmechanismen des EU-Aufbaufonds geeignet, die Fortschritte der EU-Länder bei den im Gegenzug zur Förderung vereinbarten Reformen und Investitionen zu verfolgen. Doch es gebe keinen vollständigen Überblick darüber, inwieweit die finanzierten Projekte die ARF-Ziele erreichten, beispielsweise, inwiefern sie die europäische Wirtschaft grüner und widerstandsfähiger zu machen. “Wir befinden uns in der paradoxen Situation, dass wir für den größten Fonds der EU, der angeblich leistungsbasiert ist, zwar Fortschritte messen können, nicht aber die Leistung selbst”, so die Kroatin.
Das deutsche Mitglied des Rechnungshofs, Klaus-Heiner Lehne, sagte zu Table.Media: “Wenn Sie über das bisher größte EU-Programm verfügen, müssen Sie wissen, wie gut es funktioniert. Jetzt, da die Umsetzung zur Hälfte abgeschlossen ist, sehen wir bereits, dass sich die ARF stark auf den Umsetzungsfortschritt und nicht so sehr auf die zu erreichenden Ergebnisse konzentriert, was Meilensteine und Ziele betrifft”.
Maletić unterstrich ebenfalls, dass es sich bei den Meilensteinen und Etappenzielen lediglich um Umsetzungsschritte handele. Sie verwies als Beispiel auf die energetische Sanierung von Wohnbestand. Dort werde zwar die Zahl der sanierten Quadratmeter genannt, nicht aber der Umfang der tatsächlich eingesparten CO₂-Emissionen.
Auch der weitere Kontrollmechanismus über 14 gemeinsame Indikatoren liefert der Kroatin zufolge nicht ausreichend Informationen, ob und wie Projekte vor Ort zu den allgemeinen Zielen der ARF beitragen. Dies sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass einige Reformen und Investitionen keinem Indikator unmittelbar zugeordnet werden könnten, wie etwa größere Strukturreformen in den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Justiz oder Investitionen in Infrastruktur und öffentlichen Personennahverkehr. “Die gemeinsamen Indikatoren decken die ARF-Ziele nur teilweise ab. So gibt es keine Indikatoren für bestimmte Bereiche wie Rechtsstaatlichkeit, den Finanzsektor oder Steuern“, bemängelte die Kroatin.
Kritik übt der Rechnungshof auch an der Zuverlässigkeit der Datenlage zum Aufbaufonds, insbesondere hinsichtlich der Endempfänger von Fördermitteln. Das Online-Scoreboard der Kommission zum Aufbaufonds sei zwar benutzerfreundlich, aber irreführend, was die Darstellung der Fortschritte des Fonds hinsichtlich der sechs Hauptziele betreffe. Da die Kommission keine Daten dazu erhebe, wie viel Geld in den EU-Ländern ausgegeben werde, beruhten die Angaben aktuell auf Schätzungen.
Der Rechnungshof fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Berichterstattung zu verbessern, indem die Brüsseler Behörde die Daten und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen auf tatsächliche Ausgaben basiert.
Ferner empfiehlt der Rechnungshof, ein umfassendes Leistungsüberwachungssystem für künftige, ebenfalls nicht kostenbasierte Finanzierungsinstrumente zu entwickeln – auch, um doppelter Buchführung mit den klassischen EU-Programmen vorzubeugen. Maletić sagte, beim aktuellen Aufbaufonds sei es zu spät, noch durchgreifende Änderungen im Überwachungssystem durchzuführen, da das Programm zu weit fortgeschritten sei.
Allerdings könnten beim Programm Repower-EU, das im vergangenen Jahr gestartet ist, die Erkenntnisse des Rechnungshofs aus dem Aufbaufonds berücksichtigt werden. Mit dem milliardenschweren Programm will Europa den ökologischen Wandel in der Staatengemeinschaft beschleunigen.
Sehr holprig und schleppend – so beschrieben Teilnehmer den vierten Trilog zum AI Act, der am Dienstag bis in die Nacht dauerte. Doch in einigen Punkten haben die Verhandler Kompromisse schließen können.
So haben sie sich über die Vorschriften zur Klassifizierung von Hochrisiko-KI-Systemen (das Paket rund um Artikel 6) nach Informationen von Table.Media jetzt weitgehend geeinigt. Nach dem Vorschlag der Kommission soll die Klassifizierung anhand von vier Kriterien erfolgen, auch der juristische Dienst habe dem zugestimmt. Allerdings mahnte dieser an, dass die Formulierungen noch verbesserungswürdig seien.
Die Verhandlungen wurden etwa 90 Minuten unterbrochen. In dieser Zeit einigten sich die beiden Berichterstatter des Parlaments mit den Verhandlern aus Rat und Kommission anscheinend in kleiner Runde auf eine grobe Richtung zur Regulierung von GPAI (Allzweck-KI) und Foundation Models (Basismodelle). Auch hier folgt der Kompromiss dem zweistufigen Ansatz der Kommission – allerdings mit Anpassungen, was die Anforderungen betrifft. Auch die Kategorie “high impact models” wird noch überarbeitet.
Die Details – auch zu den noch offenen Fragen – sollen im Folgenden auf technischer Ebene geklärt werden. Über die immer noch strittigen Fragen tauschten die Verhandler Positionen aus, trafen aber keine Entscheidungen. Am weitesten liegen die Positionen auseinander bei Verboten und Ausnahmen für den Einsatz von KI-Systemen bei der Strafverfolgung und für die nationale Sicherheit.
Die Aufgabe und das Ziel für die technische Ebene ist es nun, die offenen Punkte so weit vorzubereiten, dass beim kommenden Trilog am 6. Dezember die Verhandlungen zu einem Abschluss kommen können. vis
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson muss sich heute Nachmittag im Innenausschuss des Europaparlaments (LIBE) den Fragen der Abgeordneten stellen. Es sind gleich drei Punkte, zu denen sie sich den Parlamentariern erklären muss. Zum einen muss die Chefin der Generaldirektion Innen erläutern, inwiefern Presseberichte über eine von ihr gewünschte, enge Zusammenarbeit mit dem Umfeld des Anbieters von Erkennungssoftware für Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs Thorn zutreffen. Johansson hatte frühzeitig per Brief um Unterstützung für ihr Anliegen gebeten.
Zu dem Vorgang hat der LIBE-Ausschuss auch den Journalisten Apostolis Fotiadis geladen, der über die engen Verbindungen zwischen dem Umfeld des Thorn-Mitgründers Ashton Kutcher und Johansson umfassend berichtet hat.
Außerdem muss sich Johansson für die Schaltung gezielter Anzeigen auf der Musk-Plattform X, dem früheren Twitter, rechtfertigen. Die DG Home hatte im Kontext überaus eigenwilliger Keywords wie “Marine Le Pen” in sieben Mitgliedstaaten Anzeigen platziert. Damit sollte offenbar um Unterstützung für das CSA-Vorhaben geworben werden. Herausgekommen war diese Aktion durch die Anzeigenpflichtdokumentation für große Anbieter, die auch die DG Home traf. Die EU-Kommission will politische Werbung strengen Regeln unterwerfen – Johanssons Ressort scheint das jedoch weniger zu interessieren.
Ebenfalls rechtfertigen muss sich die EU-Kommissarin für zweifelhafte Umfragen, mit denen sie politisch Druck auszuüben versucht. Auf Anfrage von Table.Media gab die EU-Kommission an, dass die sozialwissenschaftliche Qualitätssicherung für ein Flash Eurobarometer beim Auftragnehmer, dem Umfrageinstitut IPSOS, gelegen habe. Der von der Kommission in Auftrag gegebene Fragebogen war entgegen sozialwissenschaftlicher Standards suggestiv formuliert. Konkrete Nachfragen zu den mit dem Vorgang befassten Referaten blieb die Kommission auch nach zwei Werktagen schuldig.
Für den FDP-Europapolitiker Moritz Körner zeichnet sich inzwischen ab: “Frau Johansson will den Überwachungsstaat, das Europäische Parlament wird ihre Linie sicher nicht mittragen.” Auch andere Abgeordnete rechnen mit einer scharfen Auseinandersetzung bei der LIBE-Sitzung am Mittwochnachmittag. Ylva Johansson hatte schon im Vorgriff Anfang Oktober per Brief Vorwürfe weit von sich gewiesen. Die Abstimmung über die Parlamentsposition wurde vorerst auf den 23. November vertagt.
Nachdem die Kommission am Montag bereits Verwaltungsvereinbarungen mit dem designierten französischen Digitale-Dienste-Koordinator und der irischen Digitalaufsichtsbehörde abgeschlossen hat, bestätigte die Landesmedienanstalt NRW Table.Media nun ebenfalls eine entsprechende Anfrage.
Die Kommission versucht derzeit, temporäre Unterstützung von mitgliedstaatlichen Akteuren zu erhalten, um bei der DSA-Aufsicht nicht erst auf den offiziellen Start warten zu müssen. Das Bundesamt für Justiz, das dem Justizministerium nachgeordnet ist und mit dem NetzDG einschlägige Erfahrungen gesammelt hat, kann hingegen aus rechtlichen Gründen erst einmal keine Rolle spielen. Das teilte das BMJ auf Anfrage mit.
Während die EU-Kommission Schwierigkeiten mit der Beaufsichtigung der besonders Großen hat, lässt sich die Bundesregierung bei den Beratungen des Digitale-Dienste-Gesetzes weiterhin Zeit. Eigentlich sollte das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch das deutsche Begleitgesetz zum Digital Services Act endlich beschließen. Doch das Digitale-Dienste-Gesetz hängt weiterhin in der Beratung zwischen den Ministerien.
Insbesondere die Kompetenzverteilung zwischen Bundes- und Landesinstitutionen ist weiter strittig. So soll etwa das Bundesfamilienministerium laut Regierungskreisen eine den Landesmedienanstalten übergeordnete Stellung der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKM) zur Bedingung für eine Kabinettsbefassung erhoben haben. Unterdessen sind die Landesmedienanstalten weiterhin unglücklich mit der geplanten Benennung einer Stelle bei der Bundesnetzagentur zum Digital Services Coordinator für Deutschland.
In Österreich wurde am Montag das “DSA-Begleitgesetz” im Rechtsinformationssystem veröffentlicht. Dort soll die ebenfalls mit dem Netzregulierer verbandelte, aber in der Medienaufsicht von diesem unabhängige Komm Austria die Rolle als – wie es im Gesetzentwurf genannt wird – “Koordinator für Digitale Dienste (KDD)” eingesetzt werden. Nach Ablauf der “Begutachtungsfrist” geht der Ministerialentwurf in den Ministerrat und von dort ins Parlament in Wien. fst
Bei ihrem informellen Rat im spanischen Léon haben sich die Telekommunikations- und Digitalminister der EU auf eine erste europäische Erklärung zum Schutz der digitalen Rechte bei der Entwicklung der Neurotechnologie geeinigt. Weitere Themen waren, wie die Einhaltung digitaler Rechte gewährleistet werden kann, die Zukunft des Telekommunikationsmarktes und die Verwirklichung der Ziele des digitalen Jahrzehnts.
Der AI Act, der noch am selben Abend im Trilog in Brüssel verhandelt wurde, und auch die G7-Leitlinien zu KI (Hiroshima-Prozess) waren hingegen kein Thema im Plenum – wohl aber in bilateralen Gesprächen am Rande des Treffens.
Neurotechnologie verbindet Neurowissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Informatik, um Systeme zu entwickeln, die mit dem Nervensystem interagieren. Die Unterzeichner der Léon-Erklärung wollen die Wettbewerbsfähigkeit und strategische Autonomie der EU in diesem Bereich stärken. Das soll unter anderem geschehen durch die Förderung öffentlich-privaten Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Neurotechnologien, die auf europäischen Werten basieren.
Dazu gehört auch die Pflege eines dynamischen Ökosystems, das die Kluft zwischen Forschung, Innovation und dem Markt schließen soll. Spanien sieht sich als Vorreiter in dem Gebiet und hat Investitionen im Volumen von 120 Millionen Euro in dem Bereich angekündigt.
Heiß diskutiert wurden vor allem die Vorschläge der Kommission zur Regulierung des Telekommunikationssektors (TK), die nach den Vorstellungen von Binnenmarktkommissar Thierry Breton in ein Digital Networks Gesetz münden sollen. “Wir sehen eine große Offenheit aller Mitgliedstaaten zur Diskussion der Zukunft des TK-Sektors, aber auch Zurückhaltung gegenüber Regulierung”, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV), das von Staatssekretär Stefan Schnoor vertreten wurde. “Auch Deutschland ist der Auffassung, dass zunächst sorgfältige Analysen erforderlich sind.” Markteingriffe seien nur bei Marktversagen gerechtfertigt, und der bestehende Rechtsrahmen für den Telekomsektor beinhalte bereits ein hohes Maß an Harmonisierung.
Bei der Frage der Beteiligung von Big Tech an den Kosten für den erforderlichen Ausbau der Netze (Fair Share) zeichne sich eine Mehrheit gegen eine zusätzliche Abgabe ab, sagte der Sprecher weiter. Das BMDV hatte von Anfang an keinen Bedarf für eine zusätzliche Regulierung gesehen. Sie berge das Risiko, die Kosten für die Verbraucher zu erhöhen und die Netzneutralität zu gefährden. vis
Der Umweltausschuss (ENVI) des Europaparlaments setzt sich für schärfere Regeln bei der Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (SUR) ein. Mit 47 zu 37 Stimmen bei zwei Enthaltungen will der Ausschuss durchsetzen, dass der Einsatz von besonders gefährlichen Pestiziden bis 2030 um 65 Prozent zurückgeht – bezogen auf die Periode 2013 bis 2017. Der Einsatz der anderen Pestizide soll um 50 Prozent eingeschränkt werden. Die Kommission hatte sich jeweils für eine Absenkung um 50 Prozent ausgesprochen – bezogen auf die Periode 2015 bis 2017.
Der Umweltausschuss fordert zudem ein Verbot von chemischen Pflanzenschutzmitteln auf sensiblen Flächen. Darunter sollen auch alle Schutzgebiete Natura 2000 fallen sowie öffentliche Spielplätze, Parks und Wege. Bei 18,6 Prozent der EU-Flächen handelt es sich um Schutzgebiete nach Natura 2000. Auf vielen dieser Flächen wird derzeit intensiv Ackerbau betrieben.
Setzt sich der Ausschuss mit dieser Position durch, wären auf diesen Flächen herkömmliche Pflanzenschutzmittel verboten. Es dürften nur noch Pestizide zum Einsatz kommen, die auch in der ökologischen Landwirtschaft erlaubt sind. Der Landwirtschaftsausschuss hat sich gegen den Vorschlag der Kommission ausgesprochen. In der Sitzungswoche vom 20. bis 23. November stimmt das Plenum über die Parlamentsposition ab. mgr
Der Umweltausschuss (ENVI) im Europaparlament setzt sich für strengere CO₂-Flottengrenzwerte bei Nutzfahrzeugen bis 2035 ein. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass die Hersteller den durchschnittlichen Ausstoß von Neufahrzeugen bis 2035 um 65 Prozent senken müssen. Eine Mehrheit im ENVI hat sich für eine Absenkung um 70 Prozent ausgesprochen. Bis 2030 fordert das Parlament minus 45 Prozent und liegt damit auf einer Linie mit Kommission und Rat.
Bis 2040 fordert das Parlament minus 90 Prozent und liegt damit ebenfalls auf einer Linie mit Kommission und Rat. Berichterstatter Bas Eickhout (Grüne) hatte für 2040 minus 92,5 Prozent angepeilt, konnte sich damit aber nicht gegen den Widerstand von EVP und Renew durchsetzen.
Bei Stadtbussen will ENVI ab 2030 ein Verbrennerverbot festschreiben. Der Rat ist für das Verbrenneraus bei Stadtbussen im Jahr 2035. Bis 2035 sollen Neufahrzeuge von Stadtbussen laut allgemeiner Ausrichtung im Rat 85 Prozent weniger CO₂ ausstoßen. ENVI will bis 2035 Stadtbusse zulassen, die mit Biomethan betrieben werden.
Parlament und Rat setzen sich dafür ein, dass die CO₂-Flottengesetzgebung im Jahr 2027 noch einmal überprüft wird. ENVI will im Rechtstext weder eine Formulierung zu klimaneutralen Kraftstoffen noch zu E-Fuels aufnehmen, vertritt also dieselbe Position wie der Ministerrat.
Bei der Definition von Nullemissionsfahrzeugen hatte die Kommission vorgeschlagen, dass sie nicht mehr als drei Gramm CO₂ je Tonnenkilometer emittieren dürfen. Der Rat hatte sich angeschlossen. ENVI setzt sich nun für die Schwellenwerte drei Gramm bis 2030 und ein Gramm nach 2030 ein.
In der Sitzungswoche vom 20. bis 23. November stimmt das Plenum in Straßburg über die CO₂-Flottengrenzwerte ab. Da der Industrieausschuss und der Verkehrsausschuss sich für eine weniger strenge Regulierung starkmachen, könnte es im Plenum noch zu Änderungen kommen. Der Trilog dürfte unter belgischer Ratspräsidentschaft Anfang 2024 abgeschlossen werden. mgr
Der Handelsausschuss des EU-Parlaments (INTA) hat sich für einen Ausbau der Handelsbeziehungen mit Taiwan ausgesprochen. Die EU-Abgeordneten forderten außerdem die EU-Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS) auf, “zügig mit der Arbeit an einem stabilen Lieferkettenabkommen mit Taiwan zu beginnen“. Der Ausschuss hat das in einer Resolution festgelegt, die im November auch im Plenum des Europaparlaments zur Abstimmung kommen soll.
Die EU-Parlamentarier rufen in dem Text die Kommission und den EEAS zudem auf, ihre Unterstützung zu verstärken, um Taiwan die Präsenz in multilateralen und internationalen Foren zu ermöglichen. “Wir fordern eine weitere Stärkung der Beziehungen sowie konkrete Fortschritte bei wichtigen Initiativen wie dem Handels- und Investitionsdialog“, sagte der rumänische Abgeordnete Iuliu Winkler. Das Europaparlament hat bereits mehrfach auch ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan vorgeschlagen – konkret passiert ist dazu vonseiten der EU-Kommission allerdings nichts.
China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz. Die EU verfolgt in Bezug auf Taiwan eine “One China”-Politik, die offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan ausschließt, bilaterale wirtschaftliche Beziehungen aber beschränkt zulässt.
Der Handelsausschuss des EU-Parlaments gab am Dienstag zudem grünes Licht für das Freihandelsabkommen mit Neuseeland. Das Europaparlament soll darüber ebenfalls im November abstimmen. Mit der Zustimmung des Rats könnte das Abkommen Mitte 2024 in Kraft treten. Das Freihandelsabkommen ist ein wichtiger Schritt für die Zusammenarbeit mit Staaten in der Indopazifik-Region. ari
Zwei AfD-Politiker dürfen für das Europaparlament kandidieren, obwohl sie bei der Wahl der Listen ungenaue Angaben zu ihrem Lebenslauf gemacht hatten. Der Vorwurf vorsätzlicher Täuschung sei nicht berechtigt, entschied eine Parteikonvent. Die beiden Kandidaten, Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch, dürfen ihre Listenplätze zehn und 14 behalten und haben damit gute Chancen, bei der Wahl am 9. Juni ins Parlament einzuziehen.
Bausemer und Khan-Hohloch sollen falsche Angaben zu Berufs- und Schulabschlüssen gemacht haben. Die Parteispitze hatte sich zunächst nur entschieden, dass die beiden Bewerber für zwei Jahre keine parteiinternen Ämter besetzen dürfen. Das reichte Parteimitgliedern aber nicht. Sie forderten, dass Bausemer und Khan-Hohloch von der Liste gestrichen werden. Diese Forderung wurde aber von einem Parteikonvent verworfen. mgr
Der Linken-Parteivorsitzende und Europaabgeordnete Martin Schirdewan betont mit Blick auf die Parteineugründung von Sahra Wagenknecht die Geschlossenheit der Linken in der EU. “Die Europaabgeordneten der Linken stehen geschlossen zur Linken”, sagte Schirdewan auf Nachfrage von Table.Media.
Die Partei sei bereits jetzt dabei, sich auf die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 vorzubereiten. “Der Europaparteitag im November wird dafür die Weichen stellen und gleichzeitig nach dem Austritt der Gruppe Wagenknecht eine erste wichtige Wegmarke der Erneuerung der Partei sein.” Am 17. und 18. November wird die Linkspartei in Augsburg ihr Wahlprogramm und ihre Kandidatenliste beschließen.
Die frühere Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht hatte am Montag bekannt gegeben, dass ihre neu gegründete Partei bei der Europawahl und den anstehenden Landtagswahlen antreten wolle. Wagenknecht will den EU-Mitgliedstaaten mehr Macht geben. fst
Die EU leide an einer “dreifachen politisch-administrativen Überdosis”, heißt es im Positionspapier, das heute beim Wirtschaftsgipfel BW-EU in Brüssel verabschiedet wird und Table.Media vorliegt. KMU seien von einer Vielzahl neuer Regelungen und Berichtspflichten überfordert. Beispiele seien die Anforderungen aus der Taxonomie und der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Statt praxistauglicher Regulierung gebe es zu viel “Mikromanagement”. Ein Beispiel sei die Verpackungsverordnung, bei der nicht die Gesamt-Ökobilanz zähle, sondern Einzelvorgaben gemacht würden.
Zusammen mit einer mehr als 100-köpfigen Wirtschaftsdelegation ist Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) für einen zweitägigen Wirtschaftsgipfel nach Brüssel gereist. “Wir benötigen ein neues Mindset und einen neuen Spirit in der EU”, forderte sie zum Beginn der Reise. In Brüssel führen Hoffmeister-Kraut und die Delegation Gespräche mit hochrangigen Vertretern der EU-Institutionen.
Die Regulierung durch Brüssel sei zu “eindimensional”, heißt es weiter in dem Positionspapier: Langfristige negative Folgen für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von KMU würden nicht berücksichtigt. Dies zeige sich bei der Medizinproduktverordnung, dem CO₂-Grenzausgleichmechanismus CBAM und drohe bei der anstehenden Regulierung von PFAS-Chemikalien.
Das Papier fordert auch mehr Schubkraft für innovative Regionen. Es müsse die Möglichkeit geben, großvolumige Beihilfen im Rahmen des Temporary Crisis and Transition Frameworks (TCTF) nicht nur an bisherige Fördergebiete zu vergeben, sondern auch an Regionen wie Baden-Württemberg.
Außerdem wird die Schaffung eines “KMU-Quarterback” angemahnt. Er solle direkt der EU-Kommissionspräsidentin unterstellt sein und damit oberhalb der Fachkommissare. Der KMU-Check durch den neuen KMU-Quarterback solle einen verbindlichen Charakter mit Veto-Möglichkeit haben und damit deutlich mehr Kompetenzen als das bisherige Regulatory Scrutiny Board. mgr
Die EU-Staaten sollen sich bei akutem Medikamentenmangel öfter gegenseitig helfen können. Die EU-Kommission hat am Dienstag in Brüssel angekündigt, dass noch diesen Oktober ein freiwilliger Verteilmechanismus gestartet werden soll. Darüber soll ein Land seinen Bedarf an einem bestimmten Arzneimittel kundgeben und andere Mitgliedstaaten daraufhin Medikamente aus ihren Beständen abgeben können. Zudem schlägt die EU-Kommission vor, dass wie bei der Corona-Impfstoffbeschaffung die EU-Staaten gemeinsam Medikamente einkaufen.
Vergangenes Jahr etwa fehlte es auch in einem großen und vergleichsweise reichem Land wie Deutschland an vielen Arzneien. Nach einer Infektwelle gab es etwa Lieferprobleme bei Fieber- und Hustensäften. Auch Antibiotika und Krebsmedikamente waren nicht immer sofort verfügbar.
Nach Angaben der EU-Kommission soll nun eine Liste mit besonders wichtigen Medikamenten ausgearbeitet werden. Darunter versteht die Behörde Mittel, für die es keine geeignete Alternative gibt und wo ein Engpass bedeutet, dass Menschen ernsthaft Schaden nehmen könnten.
Für diese Medikamente sollen dann – wenn möglich – Lösungen gegen den Mangel ausgearbeitet werden, etwa durch mehr Vorräte, mehr Produktion oder mehr Partnerschaften beispielsweise mit Drittstaaten. Auf der Liste könnten am Ende zwischen 100 und 350 Medikamente stehen, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Sie betonte aber auch: “Medikamentenknappheit kann nicht von heute auf morgen beseitigt werden, denn die Ursachen sind langwierig und vielschichtig.” dpa
Der Diplomat Kirill Logwinow soll nach Erkenntnissen des belgischen Geheimdienstes VSSE nicht nur für das russische Außenministerium, sondern auch für den russischen Auslandsnachrichtendienst SWR arbeiten, wie mehrere Quellen am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel bestätigten. Zuvor war er nach seinem Lebenslauf zwischen 2010 und 2014 auch an der russischen Botschaft in Berlin tätig.
Über den Fall berichteten am Dienstag der “Spiegel” und mehrere andere europäische Medien. Erste Berichte über den Verdacht hatte es bereits im Sommer vergangenen Jahres gegeben.
Auf die Frage, was für Arbeiten Logwinow für den SWR ausgeführt haben könnte oder noch immer ausführt, gab es am Dienstag keine Antwort. “Wir kommentieren das nicht”, sagte ein Sprecher des Geheimdienstes VSSE der dpa auf eine Anfrage.
Als Spionage gilt heutzutage nicht nur die verdeckte Beschaffung von Informationen. Auch Aktivitäten im Bereich der unerwünschten politischen oder gesellschaftlichen Einflussnahme werden dazugerechnet. Dies kann zum Beispiel durch die gezielte Verbreitung von Falschinformationen im Gastland geschehen.
Der 48 Jahre alte Logwinow ist seit September 2022 als Geschäftsträger (Chargé d’affaires) höchster Vertreter Russlands bei der EU. Der Posten des offiziellen Botschafters ist unbesetzt, seitdem Wladimir Tschischow im vergangenen Jahr nach rund 17 Jahren als russischer EU-Botschafter in seine Heimat zurückberufen wurde. Zuvor waren die Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine auf einen Tiefpunkt gesunken.
Auf die Frage, warum Logwinow angesichts des Spionageverdachts nicht zur Ausreise aufgefordert wird, gab der zuständige Auswärtige Dienst der EU am Dienstag keine klare Antwort. Ein Sprecher verwies lediglich darauf, dass es Maßnahmen gebe, “um das Ausmaß der Bedrohung fortlaufend zu bewerten”.
Zudem erinnerte er daran, dass bereits im April vergangenen Jahres 19 russische Diplomaten von der EU zu unerwünschten Personen (“personae non-gratae”) erklärt worden waren. Damals begründete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell dies damit, dass sich die Personen an Aktivitäten beteiligten, die ihrem diplomatischen Status widersprachen. dpa
“Ich habe eigentlich den Luxus aus zwei Welten”, antwortet David Denzer-Speck lachend auf die Frage, ob ihm Brüssel oder Frankfurt besser gefällt. “Brüssel ist unglaublich lebenswert, gerade mit Familie, wir sind da inzwischen verwurzelt”, erzählt er. Aber natürlich genieße er auch seine Zeit in Frankfurt. “Brüssel und Frankfurt sind fast schon Nachbarschaft, drei Stunden mit dem Zug und vier mit dem Auto.” David Denzer-Speck, Leiter des KfW-Verbindungsbüros zur EU in Brüssel, kennt die Strecke.
Denzer-Speck stammt aus Tauberbischofsheim in Nordbaden, hat Volkswirtschaft in Freiburg studiert, mit zwei Semestern an der FU Berlin. Danach hat er am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft mit Schwerpunkt Zentralbankwesen in Freiburg promoviert. Während des Studiums hat er sich im Alumni-Verein engagiert und kam erstmals mit der KfW in Berührung.
“Wir haben für junge Studierende immer Reisen organisiert und eine ging nach Frankfurt, bei der wir die Deutsche Börse, Bundesbank, Deutsche Bank und unter anderem auch bei der KfW vorbeigeschaut haben”, erinnert sich Denzer-Speck. Kurz vor Ausbruch der Finanzmarktkrise 2007, ging er dann drei Jahre nach Frankfurt in die volkswirtschaftliche Abteilung der KfW. “Ein ganz toller Einstieg, von der Theorie gleich in die Praxis springend.”
Seit 2011 ist Denzer-Speck nun in Brüssel, zunächst als Referent, dann als Abteilungsdirektor und Büroleiter mit den Standorten Brüssel und Frankfurt. “Ich kannte die deutsche Politik, und die KfW ist an vielen Stellen international aufgebaut, aber am Ende des Tages ist sie eine deutsche Institution.” Viele wichtige Weichenstellungen, gerade auch bei der Finanzmarktkrise kamen und kommen immer noch aus Brüssel. Daher sei der Wechsel für ihn damals eine tolle Chance gewesen, zur europäischen Politik zu wechseln. “Ich dachte: Mensch, dann probieren wir das mal für drei Jahre aus”, erinnert er sich. “Und Sie sehen, es sind noch ein paar Jahre mehr geworden.”
“Die KfW ist an der Schnittstelle Politik-Wirtschaft”, antwortet Denzer-Speck auf die Frage, was er an der Arbeit für die KfW besonders interessant findet. Mit seinem Team beschäftigt er sich momentan vor allem mit Entwicklungsfinanzierung, der Förderpolitik in Europa mit Schwerpunkt Deutschland und dem regulatorischen Rahmen. “Da ist die KfW eine Besonderheit, da sie auf der einen Seite eine Bank ist und auf der anderen aber der öffentlichen Hand gehört. Ich sage immer, ein bisschen wie eine Brücke zwischen der Regierung, dem Finanzsektor und der Wirtschaft.”
Gerade gehe es sehr viel um Global Gateway, die europäische Antwort auf die chinesische Seidenstraße-Initiative. Mit anderen europäischen Förderbanken werden Fördermittel in der ganzen Welt umgesetzt, schwerpunktmäßig in Afrika, aber auch in Asien und Lateinamerika. Daneben beschäftigt die KfW auch viel die Umwelt- und Klimafinanzierung. Mit dem Green Deal greife die EU an vielen Stellen in die Förderung der KfW ein und mit ihrer Fördertätigkeit in Deutschland und der Welt leiste sie einen konkreten Beitrag.
Dabei schätzt Denzer-Speck besonders die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Förderbanken. “Alleine ist man da schlecht aufgestellt”, ist er überzeugt. In Brüssel teilt er sich ein gemeinsames Büro mit italienischen, französischen, niederländischen und polnischen Kolleginnen und Kollegen. Für kleinere Banken gibt es den Verband, der die Arbeit bündelt und dann in die jeweiligen Hauptstädte geht. Gemeinsam werden so unterschiedliche Expertisen ausgetauscht. “Das ist unglaublich bereichernd, weil man mit sehr vielen und unterschiedlichen netten Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa zusammenarbeiten darf.”
Daneben ist die KfW auch als Interessensvertretung gegenüber den EU-Institutionen aktiv. “Wir alle haben ein Interesse daran, dass wir gut funktionierende Institutionen haben und stellen daher am Ende des Tages unseren Partnern viele Informationen kostenfrei zur Verfügung.”
Die Arbeit im Verbindungsbüro ist für David Denzer-Speck nie langweilig. Er ist immer an aktuellen Themen dran und die Mischung aus Analyse, Politik und Netzwerken bereichert ihn. Er hat eine große Gestaltungsfreiheit und eine große Bandbreite an Tätigkeiten: “Von der Organisation von Vorstandsbesuchen mit Kommissarinnen und Kommissaren bis hin zu: Die Kaffeemaschine funktioniert nicht, wer kümmert sich darum?”, sagt er und lacht. Livia Hofmann