bei der Einigung gab er sich als der Sheriff, der das Wild West-Gebaren der großen Plattformen endlich unter Kontrolle bringen wolle. Doch schneller als sein Schatten wird Thierry Breton auch ab morgen kaum schießen, wenn der Digital Services Act für die größten Anbieter Anwendung findet. “Die DSA-Regeln einzuhalten ist keine Bestrafung”, lässt der französische Kommissar nun wissen: “Das ist eine Gelegenheit, ihren Markenwert und ihre Reputation als vertrauenswürdig Anbieter wieder zu stärken.”
Ab Freitag fallen 17 besonders große Anbieter von Onlineplattformen und Suchmaschinen unter die Aufsicht der EU-Kommission unter dem Digital Services Act. Sie müssen dann die Regeln des umfangreichen Gesetzeswerkes befolgen. Das betrifft den Umgang mit mutmaßlich illegalen Inhalten, aber auch Transparenzpflichten und eine Überprüfung systemischer Risiken – etwa, wenn es um die Beeinflussung der Öffentlichkeit durch Falschinformationen geht.
Jewgenij Prigoschin, rechte Hand des russischen Präsidenten für besonders schmutzige militärische Einsätze, galt schon einmal als tot: Im Oktober 2019 soll er bei einem Flugzeugabsturz in der Demokratischen Republik Kongo ums Leben gekommen sein. Das war eine Ente.
Am Abend des 23. August 2023 stürzt erneut ein Flugzeug ab, nordwestlich von Moskau. An Bord befand sich nach Angaben der Luftfahrtbehörde nicht nur der Gründer der russischen Privatmiliz Wagner, sondern auch einer seiner wichtigsten Vertrauten, Dmitri Utkin.
Bei dem Flugzeug soll es sich laut Moscow Times und Wagner-nahen Telegram-Kanälen um die Embraer Maschine mit der Registrierungsnummer RA-02795 handeln – Prigoschins Flugzeug. Das russische Katastrophenschutz-Ministerium bestätigte den Absturz eines Embraer Jets bei Twer mit zehn Personen an Bord, drei davon Besatzung, nannte aber weiter keine Details.
Am Abend schrieb Xenija Sobtschak, Putins Patentochter, auf ihrem Telegram-Kanal: “Laut meinen Quellen war Prigoschin an Bord.” Unter ihrem Vater, Anatoli Sobtschak, hatte Putin in St. Petersburg in den 1990er Jahren Karriere gemacht. Seit jener Zeit war er eng mit Prigoschin verbunden. Sobtschak merkte an: “Das ist ein absolut deutliches Signal an alle Eliten, an alle, die irgendwelche aufrührerische Gedanken hatten, etwa über die Militärspezialoperation.”
Der Wagner-nahe Telegram-Kanal Grey Zone vermeldete mit Gewissheit den Tod Prigoschins und schrieb, dass er “infolge der Tat von Verrätern” starb. Ein zweites Flugzeug, das ebenfalls Prigoschin gehören soll, kreiste nach dem Vorfall über Moskau und konnte anschließend landen.
Vor genau zwei Monaten hatte die Wagner-Gruppe einen Aufstand gegen die Führung der russischen Armee begonnen, der zwei Tage lang dauerte. Unter Vermittlung des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko hatte Prigoschin den Aufstand beendet. Der Kreml nutzte die Gelegenheit und schwächte Wagner erheblich. Sowohl öffentlich im Ansehen als auch durch die Aufforderung an das Personal, sich regulären Streitkräften anzuschließen, die Miliz ganz zu verlassen oder ins Ausland zu gehen.
Erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Prigoschin-nahe Telegram-Kanäle ein Video, in dem der Wagner-Chef angeblich aus Mali eine Video-Botschaft verschickte und die Befreiung afrikanischer Staaten von westlichen Einflüssen versprach. Wo und wann genau das Video aufgenommen worden war, blieb unklar.
Unabhängige Kreml-Beobachter verweisen am Abend nach den Absturzmeldungen darauf, dass die Führungselite im Land bereits nach dem Putschversuch Prigoschins davon sprach, er habe sein Todesurteil unterschrieben.
Unter den vielen Spekulationen über die Ursache des Absturzes gab es Vermutungen über den Technikausfall und Abschuss durch ein Luftverteidigungssystem. Auch dazu gab es bis Redaktionsschluss keine offiziellen Aussagen russischer Behörden.
Erst in dieser Woche wurde bekannt, dass der russische General Sergej Surowikin von seinem Amt als Chef der Luft und Raumfahrttruppen abgelöst worden sein soll. Surowikin war ebenfalls im Zusammenhang mit dem Putschversuch in Ungnade gefallen. Er soll sich anschließend unter Hausarrest befunden haben, gegen ihn liefen Untersuchungen.
Sollte Prigoschin tatsächlich tot sein und weitere Säuberungen im russischen Militär erfolgen, spricht das dafür, dass sich Putins Vertrauter und Verteidigungsminister, Sergej Schoigu, durchgesetzt hat. Prigoschin hat ihn nicht nur öffentlich kritisiert, sondern auch beleidigt. Immer wieder forderte er eine Generalmobilmachung, einen schnelleren Umstieg auf die Kriegswirtschaft und noch aggressiveres Vorgehen gegen die Ukraine.
Nach dem Putsch veröffentlichte Prigoschin Berichte, die Schoigu für den Tod vieler Wagner-Milizen verantwortliche machten, und zwar bereits in Syrien. Dort half Wagner dem Diktator Baschar Al-Assad bei der Bekämpfung von IS-Gruppen und anderen Gegnern sowie bei der Sicherung von Öl-Anlagen.
Der russische Präsident Wladimir Putin selbst nahm am Mittwochabend an Feierlichkeiten zum Gedenken an die Schlacht von Kursk im Zweiten Weltkrieg vor 80 Jahren teil. Dort zeichnete er Soldaten, die im aktuellen Krieg in der Ukraine gekämpft haben, mit Medaillen für Heldentum aus.
Eine steile Kurve ist es, die seit Mitte Juli eine Trendumkehr im europäischen Gashandel aufzeigt. Seitdem liegen die Rückflüsse von Gas aus der EU in die Ukraine höher als im gesamten vergangenen Jahr, wie Daten der Denkfabrik Bruegel zeigen. Jahrzehntelang floss Gas hauptsächlich in westliche Richtung mit dem Transit über die ukrainischen Weiten. Vergangenes Jahr horteten die EU-Staaten so viel Gas, wie sie nur konnten, es blieb kaum ein Kubikmeter übrig für Reverse Flows Richtung Osten. Doch in diesem Jahr sieht die Lage so günstig aus wie nie für Gasspeichergeschäfte in der Ukraine – so scheint es.
Vor einer Woche meldete die Generaldirektion Energie, dass die Gasspeicher der EU bereits zu 90 Prozent gefüllt seien. Die gute Versorgungslage zeichnete sich schon im späten Frühjahr ab, sodass Überlegungen in der EU zunahmen, in diesem Jahr mehr Gas in ukrainischen Speichern einzulagern. Die physischen Voraussetzungen sind bestens. Fassen können die unterirdischen Stätten 31 Milliarden Kubikmeter (bcm), der größte Teil davon liegt im Westen des Landes. Im Jahr vor Kriegsausbruch lagerten ausländische Unternehmen immerhin zwei bcm Gas in der Ukraine ein. Doch die Ukraine bot noch mehr an.
EU-Firmen stünde ein Speicherpotenzial von zehn bcm zur Verfügung, warb der CEO des Eigners Naftogaz, Oleksiy Chernyshov, im April in einem Interview mit Euractiv. Die Ukraine könne zu einer Rückversicherung für die europäische Energieversorgung werden. Schon einmal, im Pandemiejahr 2020, hatten Unternehmen aus der EU solche Gasmengen in der Ukraine gelagert. Doch in diesem Jahr war die Reaktion im Westen bisher verhalten.
“Die ukrainischen Speicher können in der Tat dazu beitragen, Angebot und Nachfrage auszubalancieren, da sie hervorragend an die EU-Gasmärkte angebunden sind”, sagte am Mittwoch eine Sprecherin von RWE. Der Konzern gehörte laut Bloomberg in den vergangenen Jahren zu den Nutzern der ukrainischen Speicher, doch inzwischen greift Russland zumindest die Stromversorgung immer wieder mit Raketen an, selbst vor der Zerstörung des Kachowka-Staudamms schreckte Moskau nicht zurück. “Besondere Risiken für einen Händler erfordern bestimmte finanzielle Garantien, die von der Versicherungsbranche für die Ukraine derzeit nicht angeboten werden”, so die RWE-Sprecherin.
Schon Anfang Juni berichtete ein Kommissionssprecher laut Bloomberg von Überlegungen, die Bereitschaft zu Gasspeichergeschäften gegebenenfalls mit öffentlichen Garantien zu unterstützen. Wenige Wochen später zeichnete sich allerdings bereits eine ganz andere Baustelle ab.
Der Direktor der Energy Community habe mit dem ukrainischen Energieminister German Galushchenko “regulatorische Veränderungen” diskutiert, um die Risiken für das Gasspeichergeschäft in der Ukraine zu verringern, teilte das wenig bekannte Gremium mit. Die Energy Community treibt die Energiezusammenarbeit zwischen der EU und östlichen Staaten voran – vom Balkan bis nach Georgien.
Vor wenigen Tagen legte deren Direktor Artur Lorkowski mit einem knappen, aber unverblümten Bericht nach. Zwar schreibt auch die Energy Community, dass sich die Preise in der EU im kommenden Winter stabilisieren ließen, wenn hiesige Unternehmen zumindest fünf bcm Gas in der Ukraine einlagerten. Doch der Pole breitete auch den immer noch drängenden Reformbedarf Kiews in der Öffentlichkeit aus.
In Wien hatte die Energy Community am 14. Juni europäische Gashändler zusammengerufen – und die schätzten ein anderes Risiko höher ein als das militärische. Anders als etwa Umspannwerke seien ukrainische Gasspeicher und große Transportleitungen bislang nicht angegriffen worden, heißt es in dem nun erschienenen Papier. Gesandte aus der Ukraine hätten bei dem Treffen auch minutiös aufgezeigt, wie sich Krisen technisch beherrschen ließen.
“Dennoch wurde die wahrgenommene Unvorhersehbarkeit des ukrainischen Rechtsrahmens und der damit verbundenen Risiken von den EU-Akteuren immer wieder hervorgehoben”, schreiben die Veranstalter. Der Bericht listet sodann Entscheidungen auf, die die Regierung in Kiew unter dem Druck des Krieges traf, die mit dem nüchternen Blick von Unternehmen aber auch hohe Unwägbarkeiten bedeuten. So habe das Energieministerium nach dem russischen Angriff zunächst alle Gasexporte mit Ausnahme von Transits unterbunden. Später sei dieser Eingriff wieder abgeschwächt worden, sodass von ausländischen Unternehmen gespeichertes Gas nicht mehr betroffen sei.
Noch im Mai dieses Jahres habe die Regierung aber eine neue Hürde errichtet. Händler sollte nun belegen, dass sie kein Gas aus Russland in der Ukraine speicherten. “Solch eine Maßnahme brachte das Speichergeschäft von EU-Händlern praktisch zum Erliegen, da es zu dieser Zeit nicht möglich war, ein Herkunftsdokument für einzelne Erdgaslieferungen zu erhalten”, heißt es in dem Bericht. Auch diese Maßnahme sei später für Gas wieder zurückgenommen worden.
Ein besonders schwerer Vorwurf der Energy Community: “All dies zeigt, dass das Speichergeschäft in der Ukraine nicht durch militärische Angriffe beeinträchtigt wurde, sondern durch die Interventionen der Regierung, die nur teilweise durch kriegsbedingte Umstände gerechtfertigt sind.” Europäische Händler müssten erst wieder das Vertrauen in die Ukraine zurückgewinnen. Auch finanzielle Garantien von EU-Staaten sieht die Gemeinschaft nicht mehr als vorrangige Lösung, bis zum Winter sei nicht mehr mit ausreichenden Zusagen zu rechnen.
Stattdessen listete die Organisation zehn “Empfehlungen” auf, gerichtet an die ukrainische Regierung, die staatlichen Regulierungsbehörde, den Speicherbetreiber Ukrtransgaz und den Leitungsbetreiber GTSOU. Vom Energieministerium wollte die Energy Community zum Beispiel eine Garantie, dass der Transport von gespeichertem Gas auch in Notlagen nicht unterbunden werde.
Wie Table.Media exklusiv erfuhr, sind die Verhandlungen über eine Absichtserklärung zwischen ukrainischen Stellen und der Wiener Organisation bereits weit fortgeschritten. Die Energy Community hat ein Papier ausgearbeitet, dass die Risiken für Gashändler aus der EU minimieren soll. “Wir wurden informiert, dass das sogenannte De-Risking Paper dem Energieminister German Galushchenko zur Unterschrift vorliegt, der sich derzeit auf Dienstreise befindet. Die anderen involvierten Staatsunternehmen und Behörden haben bereits unterzeichnet”, sagte am Mittwoch der stellvertretende Direktor der Energy Community, Dirk Buschle.
Doch warum steigen die Gasflüsse in die Ukraine bereits seit Wochen? “Die Risiken bestehen nach wie vor und sie lassen sich oft nur schwer mit der Risikopolitik von Händlern vereinbaren”, sagt Buschle. Die dennoch stark gestiegene Einspeisung erklärt der hochrangige Experte einerseits mit dem enormen Spread zwischen Sommer- und Winter-Preis – also den Gewinnaussichten für die Händler – und andererseits mit der jüngsten Unterstützung durch die Energy Community und ukrainische Gasunternehmen. “Die Speicherung von Gas aus der EU in der Ukraine wird von der Veröffentlichung des De-Risking-Papiers weiter profitieren“, ist Buschle überzeugt.
Auch die Gaswirtschaft begründet die steigenden Lieferungen in die Ukraine mit den hohen Gewinnmöglichkeiten. Der Schweizer Händler Axpo verweist zwar auf die Risiken des Krieges. “Auf der anderen Seite ist der Sommer/Winter-Spread auf ein Niveau angestiegen, bei welchem gewisse Unternehmen das Risiko eingehen, Gas in der Ukraine zu speichern“, sagt Marco Saalfrank, Head of Continental Europe Merchant Trading. Bruegel schätzte die Gewinnmöglichkeiten für europäische Händler vor einigen Wochen auf zwei Milliarden Euro.
Einen weiteren Grund sieht Saalfrank aber auch im preislichen Entgegenkommen der ukrainischen Unternehmen. Das Speichervolumen sei so groß, dass der ukrainische Betreiber entschieden habe, die Nutzung zu festen Kosten anzubieten. “Das macht die Gasspeicherung in der Ukraine zu einer sehr attraktiven und wettbewerbsfähigen Option”, sagt Saalfrank. Eventuell werde Axpo “auch in der nahen Zukunft Gas in der Ukraine speichern”.
Ein weiteres Hindernis sind laut Bruegel aber die Transportleitungen, die immer noch nicht voll auf Reverse Flows von West nach Ost ausgelegt sind. Über die Slowakei, Polen, Ungarn und Rumänien könnten pro Monat lediglich 1,5 bis 1,8 bcm in die Ukraine geleitet werden. Die Bruegel-Analysten drängten schon Mitte Juli zur Eile: “Ein Abwarten bis Oktober würde die Menge des nutzbaren Gases beschränken.”
Der große Reformer Deng Xiaoping hatte einst Zurückhaltung in der Außenpolitik für sein Land als Maxime ausgegeben. Davon ist unter dem jetzigen chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping wirklich nichts mehr zu spüren. Seine Äußerungen und Forderungen verraten ein unverhohlenes Streben nach einer Führungsrolle im Globalen Süden.
Wie kein anderer der in Johannesburg beim Brics-Gipfel anwesenden drei Staatschefs drängte Xi Jinping auch – wie erwartet – auf eine rasche Erweiterung. Der Prozess zur Aufnahme weiterer Staaten in die “Brics-Familie” solle beschleunigt werden, forderte Xi am Mittwoch.
Die anderen Mitglieder erhörten seinen Wunsch und bremsten ihn zugleich aus. Noch am selben Tag verabschiedeten die fünf Mitglieder ein Dokument, in dem sie das Vorgehen für eine Erweiterung der Gruppe umreißen. Das sagte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor. Es blieb am Mittwoch aber bei diesem Teaser. Details zu dem Erweiterungsmechanismus werde die Öffentlichkeit erst am Ende des Gipfels, also am Donnerstag, erfahren, kündigte Pandor an.
Die Brics-Gemeinschaft werde weiter wachsen “und zu Frieden und Entwicklung in der Welt beitragen”. Internationale Standards sollten von allen Ländern auf der Grundlage der Ziele und Prinzipien der UN-Charta geschrieben und aufrechterhalten werden, “anstatt von denen mit den stärksten Muskeln und der lautesten Stimme diktiert zu werden”, war von Xi vage zu erfahren.
Was wie die Rede eines Friedensstifters klingt, verrät zugleich das Streben Xis, eine Weltordnung mit China im Mittelpunkt zu schaffen. Mehr als 40 Staaten möchten sich Brics nach Angaben der südafrikanischen Regierung anschließen, mehr als 20 Staaten haben einen Beitritt bereits formal beantragt. Die wichtigsten Beitrittskandidaten sind:
Während China aufs Tempo drückt, bremsen Brasilien, Indien und Südafrika. Denn ihre Staatschefs wissen: Sollte die Brics-Gruppe schnell um einige Länder erweitert werden, sinkt ihre eigene Bedeutung in diesem Block. China als mit Abstand mächtigste Volkswirtschaft könnte dagegen an Gewicht gewinnen. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte schon am Dienstag zum Auftakt betont, dass die Brics-Gruppe kein Gegenpol “zur G7, G20 oder den Vereinigten Staaten” werden dürfe.
Sehr viel mehr Einigkeit gab es am zweiten Gipfeltag am Mittwoch in der Frage, die Bedeutung des US-Dollar als bisherige Weltwährung zu schwächen. Man habe über die Verwendung lokaler Währungen gesprochen, um gegenseitigen Handel und Investitionen zu erleichtern, bestätigte der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, Gastgeber des Brics-Gipfels.
Lula sprach sich gar für eine gemeinsame Brics-Währung aus. Diese könne für Handel und Investitionen eingesetzt werden. Damit könnten Zahlungsmöglichkeiten zwischen Brics-Mitgliedern vermehrt und ihre Anfälligkeit für Kursschwankungen verringert werden. Xi warb für eine schnelle Nutzung der neuen Entwicklungsbank der Brics-Gruppe, als Alternative zu den bestehenden Entwicklungsbanken IWF und Weltbank.
Und auch eine gemeinsame Nutzung von Satellitendaten und gemeinsame Entwicklung bei der Künstlichen Intelligenz sei denkbar, sagte Xi. Auch hierbei wird die Intention recht deutlich: Die Brics-Entwicklungsbank hat ihren Sitz bereits in Shanghai. In der Satelliten- und KI-Forschung sind die Chinesen führend. Beides würde die bestehenden und womöglich dazu stoßenden Brics-Länder noch abhängiger von China machen.
Politische Unterschiede von Chinas Autokratie zu Demokratien wie Indien oder Brasilien sieht Xi nicht als Problem. Er rief dazu auf, dass man den kulturellen Austausch verstärken, aber “ideologische und institutionelle Konfrontationen” vermeiden solle.
Am Mittwoch waren allerdings nicht diese Inhalte das Tagesgespräch, sondern verblüffende organisatorische Ungereimtheiten. So drängelten Sicherheitsleute Xis Top-Berater an einer Tür in Football-Manier zur Seite und trennten sie von dem Präsidenten. Xi wirkte irritiert und drehte sich nach seinen Beamten um, versuchte aber gleichzeitig, sich in staatsmännischer Weise nichts anmerken zu lassen. Dann stand er etwas verloren alleine auf dem roten Teppich.
Schon kurz nach Beginn des Gipfels am Dienstag sorgte ausgerechnet Xi für Aufregung. Er erschien überraschend nicht zum Brics-Wirtschaftsforum, wo er wie die übrigen Brics-Chefs sprechen sollte. Es gab zwar eine Rede des chinesischen Staats- und Parteichefs, aber anders als im Programm vorgesehen, wurde sie ohne weitere Erklärung vom chinesischen Handelsminister Wang Wentao vorgetragen.
Dass die Rede einmal mehr die USA als Hegemonialmacht angriff, interessierte da schon niemanden mehr. Unter China-Beobachtern setzten sofort wilde Spekulationen ein. “Xi Jinping taucht beim BRICS Business Forum nicht auf. Stimmt etwas nicht?”, fragte Bonnie Glaser vom German Marshall Fund im sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter). “Zu sagen, das sei außergewöhnlich, ist eine Untertreibung, denn die chinesische Führung fehlt nie bei stark choreografierten Veranstaltungen wie dieser”, schrieb das China Global South Project.
Auf ungeschickte Weise trug China selbst dazu bei, dass sich die Geschichte immer weiter hochschaukelte. Statt eine Erklärung für Xis Abwesenheit zu liefern, erweckten die chinesischen Staatsmedien den Eindruck, der Präsident habe tatsächlich gesprochen. Selbst Hua Chunying, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, zitierte noch am Dienstag auf Twitter aus der Rede Xi Jinpings.
Angesichts der Erweiterungsfrage und den Pannen um Xi fiel das Fehlen eines globalen Top-Themas schon fast gar nicht auf. Klimaschutz steht bei dem Treffen zwar auf der offiziellen Agenda, kam aber kaum zur Sprache. Dabei litten China und Indien unter Hitzewellen und Starkregen, Waldbrände in Sibirien gerieten außer Kontrolle und Brasilien erwartet einen “exzentrischen Winter” mit extremem Regen.
Das Gastgeberland Südafrika stellt den Übergang zu einer post-fossilen Wirtschaft in den Mittelpunkt seiner Klimabemühungen bei diesem Gipfel. Die in diesem Zusammenhang genannte “Just Energy Transition Partnership” (JETP) ist allerdings ein Projekt, das Pretoria gerade nicht mit den Brics-Staaten, sondern mit den Ländern des Globalen Nordens aufgelegt hat.
Allgemein werden auf dem Gipfel zur Klimapolitik die altbekannten Fragen debattiert werden:
Dringende Aufrufe zur Emissionsreduktion, zum Ausbau von Erneuerbaren oder gar zu einem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen finden sich bisher nicht bei den Brics-Forderungen. Felix Lee/Finn Mayer-Kuckuk/Jörn Petring/Bernhard Pötter
25.08.-26.08.2023, online
FES, Seminar Innovationspolitik und Strukturwandel in NRW
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) diskutiert die Rolle der Politik und des Staates bei der Gestaltung des Strukturwandels. INFOS & ANMELDUNG
28.08.2023 – 19:00-20:30 Uhr, Hamburg
FNF, Podiumsdiskussion “ChinaPlus – Xiconomics: Was bedeutet Xis ökonomischer Ansatz?”
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) setzt sich mit Xi Jinpings ökonomischen Ansätzen (“Xiconomics”) auseinander und analysiert, was sie für Chinas Wirtschaft wie auch für die Weltwirtschaft bedeuten. INFOS & ANMELDUNG
29.08.-02.09.2023, Zagreb (Croatia)
Degrowth, Conference 9th International Degrowth Conference
This conference addresses different aspects of a degrowth economy. INFOS & REGISTRATION
19.09.-16.11.2023, online
FSR, Seminar Evolution of Electricity markets in Europe
The Florence School of Regulation (FSR) ptovides a platform for experts and professionals to discuss recent developments in the evolution of electricity markets in Europe. REGISTRATION BY 27 AUGUST
Die Abstimmung im spanischen Parlament über die Amtseinführung des neuen Ministerpräsidenten wird am 27. September stattfinden, die Debatte dazu soll am Vortag beginnen. Das verkündete die neue Sprecherin des Abgeordnetenhauses, Francina Armengol (PSOE), am Mittwoch.
Damit bleibt dem Vorsitzenden der spanischen Konservativen, Alberto Núñez Feijóo, der am Dienstag von König Felipe VI den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hat, etwas mehr als ein Monat, um genügend Unterstützung zu sammeln. Seine Partei (PP) hatte bei der Wahl am 23. Juli zwar die meisten Sitze erhalten, konnte aber keine funktionierende Mehrheit erreichen.
Ein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten muss in einer ersten Abstimmung eine absolute Mehrheit in der 350 Mitglieder zählenden Versammlung erreichen oder in einer zweiten Abstimmung, die innerhalb von zwei Tagen nach der ersten Abstimmung stattfindet, eine einfache Mehrheit mit mehr Ja- als Nein-Stimmen erzielen.
Die rechtsextreme Gruppe Vox und zwei Regionalparteien haben erklärt, dass sie Feijóo unterstützen werden, sodass er über 172 Abgeordnete verfügt. Für die restlichen Stimmen muss er jedoch eine Reihe von regionalistischen Gruppierungen überzeugen, ihn zu unterstützen oder sich in einer zweiten Abstimmung zumindest der Stimme zu enthalten. Für Feijóo ist dies eine schwierige Gratwanderung, denn Vox ist ein entschiedener Gegner der Dezentralisierung des Staates und der Übertragung von mehr Autonomie an die Regionen.
Selbst seine eigene Partei schätzt die Chancen als gering ein. “Feijóo hat eine sehr geringe Chance, weil die PP nicht bereit ist, alles zu tun, was nötig ist, um zu regieren”, sagte das führende Parteimitglied Esteban González Pons dem Radiosender Onda Cero. leo/rtr
Serbien hat sich am Mittwoch einer von der Ukraine geführten Plattform zur Wiedereingliederung der Krim angeschlossen und damit ein Abrücken von Russland signalisiert, einem historischen Verbündeten und derzeit einzigen Erdgaslieferanten des Balkanlandes.
Der Schritt erfolgte einen Tag nach einem Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vucic in Athen. In einer Online-Ansprache sagte Serbiens Premierministerin Ana Brnabic, Serbien “bedauere aufrichtig das Leid der Ukraine und des ukrainischen Volkes”.
Persönlich teilnehmen will an dem Krim-Gipfel auch der portugiesische Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, der bereits am Mittwoch zu Gesprächen in der Ukraine eintraf. Die Krim-Plattform wurde von Selenskiy 2021 mit dem Ziel der Wiedereingliederung der 2014 von Russland annektierten Krim ins Leben gerufen. Auch die EU hat sich der Plattform angeschlossen. rtr/dpa
Um das forschungspolitische Engagement im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) zu verstärken, hat das Bundesforschungsministerium (BMBF) einen KI-Aktionsplan erarbeitet. Ministerin Bettina Stark-Watzinger stellte das Vorhaben am Mittwoch vor. Bislang ist nur die Executive Summary des Plans veröffentlicht. Das gesamte, etwa 20 Seiten umfassende Dokument kündigte sie für September an. Zunächst soll es in der kommenden Woche bei der Klausurtagung des Kabinetts in Meseberg diskutiert werden. Der Digitalverband Bitkom kritisierte, dass es nicht an Plänen, sondern an der Umsetzung fehle.
Der Aktionsplan benennt elf Bereiche, in denen nach Angaben von Stark-Watzinger dringender Handlungsbedarf besteht. Dazu zählt, die Forschungsbasis weiter zu stärken, die KI-Infrastruktur zielgerichtet auszubauen und eine KI-Kompetenzoffensive zu forcieren. Außerdem sollen europäische und internationale Kooperationen weiter gestärkt werden und – mit Blick auf den AI Act der EU – eine “passfähige, agile und innovationsfreundliche Regulierung” beschlossen werden.
Zu den neuen Impulsen, die das BMBF geben will, gehören die Stärkung der KI-Fachkräftebasis, der Ausbau der Recheninfrastrukturen sowie verbesserte Zugänge zu Daten, etwa für das Forschungsdatengesetz. Weil KI auch in der Verwaltung helfen könne, sei im BMBF noch in diesem Jahr geplant “pilothaft die Nutzung von generativer KI” zu starten.
Stark-Watzinger bezeichnete den KI-Aktionsplan als Update des Beitrags ihres Ministeriums zur KI-Strategie des Bundes, die im November 2018 von der vorigen Regierung beschlossen wurde. Ergänzend zu den 50 laufenden Maßnahmen im Bereich KI, mit denen das Ministerium Forschung, Kompetenzentwicklung, Aufbau von Infrastrukturen und Transfer in die Anwendung fördert, kündigte Stark-Watzinger mindestens 20 neue Initiativen an. Etwa für den Ausbau der Supercomputing-Infrastruktur und für ein Forschungsnetz im Bereich neurobiologisch inspirierter KI. “In dieser Legislaturperiode investieren wir über 1,6 Milliarden Euro in die Umsetzung des Aktionsplans, allein im kommenden Jahr fast 500 Millionen Euro”, sagte Stark-Watzinger. Damit setze man eine klare Priorität im Haushalt.
Bitkom kritisierte, dass offen bleibe, wie der Aktionsplan in die Gesamtstrategie der Bundesregierung zur Künstlichen Intelligenz eingebettet werden soll. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sagte, hier bestehe der größte Handlungsbedarf. “Der Transfer von Erkenntnissen aus der Wissenschaft in die Wirtschaft ist die vielleicht größte Schwachstelle in Deutschland.” 24 Prozent der Unternehmen sehe Deutschland in der KI-Forschung in der Spitzengruppe weltweit. Aber nur 15 Prozent aller Unternehmen setzten KI ein.
Es genüge nicht, einzelne Leuchttürme zu schaffen, da KI eine Querschnittstechnologie für die gesamte Wirtschaft sei. “Wir müssen auch bei den Anbietern von KI-Lösungen ganz vorne mit dabei sein”, forderte Rohleder. An Absichtserklärungen zur Künstlichen Intelligenz fehle es in Deutschland jedoch nicht. Mit seiner KI-Strategie von 2018 habe Deutschland zu den Vorreitern in Europa und weltweit gehört, aber an der Umsetzung habe es gehapert.
Das liege auch daran, dass Deutschland die Anwendung behindere. Daher müssten die sehr restriktiven Regeln für die Verwendung nicht sensibler Daten geändert werden. “Wenn wir Milliarden in KI investieren, ihr dann aber die Daten entziehen, ohne die eine KI nun einmal nicht arbeiten kann, dann kommen wir nicht von der Stelle.” abg/vis
Die Texte der Table.Media-Serie “Der globale Wettlauf um Künstliche Intelligenz” finden Sie hier.
Sie war die mächtigste Frau im Kabinett von Pedro Sánchez. Nun strebt die Erste Vizepräsidentin und amtierende Ministerin für Wirtschaft und digitale Transformation zurück auf die europäische Bühne. Nadia Calviño will neue Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) werden.
Im Januar wird die Leitung der EU-Hausbank neu besetzt, die Calviño als “strategisch für Spanien und für Europa” bezeichnet hat. Ihre Hauptkonkurrentin ist die für Wettbewerb zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager. Mitte September werden die europäischen Finanzminister in der spanischen Stadt Santiago de Compostela zusammenkommen, um über die Nachfolge des scheidenden EIB-Präsidenten Werner Hoyer zu beraten.
Calviño wurde 1968 in A Coruña geboren, der Hauptstadt der Region Galicien im Nordwesten Spaniens. Sie ist mit dem Wirtschaftswissenschaftler Ignacio Manrique de Lara verheiratet, mit dem sie vier Kinder hat. Sie ist die Tochter von José María Calviño. Er war in den 1980er Jahren Direktor von Television Española (TVE) und sehr umstritten, weil er an der Spitze des Fernsehsenders Partei ergriff für die sozialistische Partei PSOE.
Calviños Vater war auch Ratgeber von Sánchez, als dieser 2016 zum Rücktritt als Generalsekretär der sozialistischen Partei gezwungen wurde. Das erklärt ihren Bezug zur PSOE, denn sie selbst ist nicht Mitglied der Partei. Diejenigen, die mit ihr in Brüssel zusammengearbeitet haben, bezeichnen sie in Wirtschaftsfragen eher als Liberale denn als Sozialistin.
In Brüssel ist sie ausgezeichnet vernetzt. Bevor Calviño 2018 in die Regierung von Pedro Sánchez eintrat, war sie Generaldirektorin für Haushalt bei der EU-Kommission. Zur Kommission kam sie bereits 2006 als stellvertretende Generaldirektorin für Wettbewerb. Calviño war damit eine der einflussreichsten Spanierinnen im Exekutivorgan der EU.
Die heute 54-Jährige verfügt über einen Abschluss in Wirtschaft von der Universidad Complutense de Madrid und in Jura von der Nationalen Fernuniversität UNED. Bevor sie nach Brüssel ging, war sie ab 1998 im spanischen Wirtschafts- und Finanzministerium in verschiedenen Positionen tätig, in den Bereichen Außenhandel, makroökonomische Analysen und Prognosen, Wirtschaftspolitik und Wettbewerb.
Die Wirtschaftsexpertin war in keine Skandale verwickelt. Aber es gab öffentliche Kritik, als ihr Ehemann Manrique de Lara zu einem der Direktoren von Patrimonio Nacional ernannt wurde. Die Regierungsagentur ist für die Verwaltung und Erhaltung der königlichen Paläste, Klöster und anderer historischer Gebäude verantwortlich. Manrique de Lara musste wegen des Vorwurfs zurücktreten, er sei wegen einer Vorzugsbehandlung ausgewählt worden.
Im Wahlkampf für die Wahlen am 23. Juli hat die PSOE vor allem die Arbeit der Regierung im Bereich der Wirtschaft hervorgehoben. Calviño und Sánchez warben damit, die spanische Wirtschaft laufe “wie geschmiert”. Tatsächlich hat die viertgrößte Volkswirtschaft der EU den heftigen Einbruch in der Corona-Pandemie inzwischen wettgemacht, die EU-Kommission erwartet für dieses und kommendes Jahr rund zwei Prozent Wachstum – deutlich mehr als für die gesamte Euro-Zone.
Calviño betont oft, ihr Profil sei eher technisch als politisch. In den vergangenen vier Jahren hat sie aber auch politisch an Gewicht gewonnen. In Interviews vor den Wahlen am 23. Juli distanzierte sie sich vom linken Regierungspartner Unidos Podemos (UP) und sagte, der Einfluss der UP auf die Wirtschaftspolitik der Regierung sei “praktisch gleich null” gewesen.
Zu den von der Regierung eingeführten Maßnahmen in der zurückliegenden Legislatur gehörte auch eine Steuer für Banken und Großunternehmen. Als Ferrovial Anfang des Jahres seinen Hauptsitz von Spanien in die Niederlande verlegte, sagte Calviño, sie verstehe die Entscheidung des Baukonzerns nicht, denn “den Unternehmen geht es mit dieser Regierung sehr gut“.
Im August hat Calviño erklärt, ihre mögliche Wahl zur Chefin der EIB werde ihre Aufgaben in der spanischen Interimsregierung “in keiner Weise” beeinträchtigen. Sánchez habe ihr das Vertrauen ausgesprochen, ihre Rolle an der Spitze des Finanz- und Wirtschaftsministeriums auch in einer möglichen Fortsetzung der PSOE-Regierung zu übernehmen. Isabel Cuesta Camacho
bei der Einigung gab er sich als der Sheriff, der das Wild West-Gebaren der großen Plattformen endlich unter Kontrolle bringen wolle. Doch schneller als sein Schatten wird Thierry Breton auch ab morgen kaum schießen, wenn der Digital Services Act für die größten Anbieter Anwendung findet. “Die DSA-Regeln einzuhalten ist keine Bestrafung”, lässt der französische Kommissar nun wissen: “Das ist eine Gelegenheit, ihren Markenwert und ihre Reputation als vertrauenswürdig Anbieter wieder zu stärken.”
Ab Freitag fallen 17 besonders große Anbieter von Onlineplattformen und Suchmaschinen unter die Aufsicht der EU-Kommission unter dem Digital Services Act. Sie müssen dann die Regeln des umfangreichen Gesetzeswerkes befolgen. Das betrifft den Umgang mit mutmaßlich illegalen Inhalten, aber auch Transparenzpflichten und eine Überprüfung systemischer Risiken – etwa, wenn es um die Beeinflussung der Öffentlichkeit durch Falschinformationen geht.
Jewgenij Prigoschin, rechte Hand des russischen Präsidenten für besonders schmutzige militärische Einsätze, galt schon einmal als tot: Im Oktober 2019 soll er bei einem Flugzeugabsturz in der Demokratischen Republik Kongo ums Leben gekommen sein. Das war eine Ente.
Am Abend des 23. August 2023 stürzt erneut ein Flugzeug ab, nordwestlich von Moskau. An Bord befand sich nach Angaben der Luftfahrtbehörde nicht nur der Gründer der russischen Privatmiliz Wagner, sondern auch einer seiner wichtigsten Vertrauten, Dmitri Utkin.
Bei dem Flugzeug soll es sich laut Moscow Times und Wagner-nahen Telegram-Kanälen um die Embraer Maschine mit der Registrierungsnummer RA-02795 handeln – Prigoschins Flugzeug. Das russische Katastrophenschutz-Ministerium bestätigte den Absturz eines Embraer Jets bei Twer mit zehn Personen an Bord, drei davon Besatzung, nannte aber weiter keine Details.
Am Abend schrieb Xenija Sobtschak, Putins Patentochter, auf ihrem Telegram-Kanal: “Laut meinen Quellen war Prigoschin an Bord.” Unter ihrem Vater, Anatoli Sobtschak, hatte Putin in St. Petersburg in den 1990er Jahren Karriere gemacht. Seit jener Zeit war er eng mit Prigoschin verbunden. Sobtschak merkte an: “Das ist ein absolut deutliches Signal an alle Eliten, an alle, die irgendwelche aufrührerische Gedanken hatten, etwa über die Militärspezialoperation.”
Der Wagner-nahe Telegram-Kanal Grey Zone vermeldete mit Gewissheit den Tod Prigoschins und schrieb, dass er “infolge der Tat von Verrätern” starb. Ein zweites Flugzeug, das ebenfalls Prigoschin gehören soll, kreiste nach dem Vorfall über Moskau und konnte anschließend landen.
Vor genau zwei Monaten hatte die Wagner-Gruppe einen Aufstand gegen die Führung der russischen Armee begonnen, der zwei Tage lang dauerte. Unter Vermittlung des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko hatte Prigoschin den Aufstand beendet. Der Kreml nutzte die Gelegenheit und schwächte Wagner erheblich. Sowohl öffentlich im Ansehen als auch durch die Aufforderung an das Personal, sich regulären Streitkräften anzuschließen, die Miliz ganz zu verlassen oder ins Ausland zu gehen.
Erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Prigoschin-nahe Telegram-Kanäle ein Video, in dem der Wagner-Chef angeblich aus Mali eine Video-Botschaft verschickte und die Befreiung afrikanischer Staaten von westlichen Einflüssen versprach. Wo und wann genau das Video aufgenommen worden war, blieb unklar.
Unabhängige Kreml-Beobachter verweisen am Abend nach den Absturzmeldungen darauf, dass die Führungselite im Land bereits nach dem Putschversuch Prigoschins davon sprach, er habe sein Todesurteil unterschrieben.
Unter den vielen Spekulationen über die Ursache des Absturzes gab es Vermutungen über den Technikausfall und Abschuss durch ein Luftverteidigungssystem. Auch dazu gab es bis Redaktionsschluss keine offiziellen Aussagen russischer Behörden.
Erst in dieser Woche wurde bekannt, dass der russische General Sergej Surowikin von seinem Amt als Chef der Luft und Raumfahrttruppen abgelöst worden sein soll. Surowikin war ebenfalls im Zusammenhang mit dem Putschversuch in Ungnade gefallen. Er soll sich anschließend unter Hausarrest befunden haben, gegen ihn liefen Untersuchungen.
Sollte Prigoschin tatsächlich tot sein und weitere Säuberungen im russischen Militär erfolgen, spricht das dafür, dass sich Putins Vertrauter und Verteidigungsminister, Sergej Schoigu, durchgesetzt hat. Prigoschin hat ihn nicht nur öffentlich kritisiert, sondern auch beleidigt. Immer wieder forderte er eine Generalmobilmachung, einen schnelleren Umstieg auf die Kriegswirtschaft und noch aggressiveres Vorgehen gegen die Ukraine.
Nach dem Putsch veröffentlichte Prigoschin Berichte, die Schoigu für den Tod vieler Wagner-Milizen verantwortliche machten, und zwar bereits in Syrien. Dort half Wagner dem Diktator Baschar Al-Assad bei der Bekämpfung von IS-Gruppen und anderen Gegnern sowie bei der Sicherung von Öl-Anlagen.
Der russische Präsident Wladimir Putin selbst nahm am Mittwochabend an Feierlichkeiten zum Gedenken an die Schlacht von Kursk im Zweiten Weltkrieg vor 80 Jahren teil. Dort zeichnete er Soldaten, die im aktuellen Krieg in der Ukraine gekämpft haben, mit Medaillen für Heldentum aus.
Eine steile Kurve ist es, die seit Mitte Juli eine Trendumkehr im europäischen Gashandel aufzeigt. Seitdem liegen die Rückflüsse von Gas aus der EU in die Ukraine höher als im gesamten vergangenen Jahr, wie Daten der Denkfabrik Bruegel zeigen. Jahrzehntelang floss Gas hauptsächlich in westliche Richtung mit dem Transit über die ukrainischen Weiten. Vergangenes Jahr horteten die EU-Staaten so viel Gas, wie sie nur konnten, es blieb kaum ein Kubikmeter übrig für Reverse Flows Richtung Osten. Doch in diesem Jahr sieht die Lage so günstig aus wie nie für Gasspeichergeschäfte in der Ukraine – so scheint es.
Vor einer Woche meldete die Generaldirektion Energie, dass die Gasspeicher der EU bereits zu 90 Prozent gefüllt seien. Die gute Versorgungslage zeichnete sich schon im späten Frühjahr ab, sodass Überlegungen in der EU zunahmen, in diesem Jahr mehr Gas in ukrainischen Speichern einzulagern. Die physischen Voraussetzungen sind bestens. Fassen können die unterirdischen Stätten 31 Milliarden Kubikmeter (bcm), der größte Teil davon liegt im Westen des Landes. Im Jahr vor Kriegsausbruch lagerten ausländische Unternehmen immerhin zwei bcm Gas in der Ukraine ein. Doch die Ukraine bot noch mehr an.
EU-Firmen stünde ein Speicherpotenzial von zehn bcm zur Verfügung, warb der CEO des Eigners Naftogaz, Oleksiy Chernyshov, im April in einem Interview mit Euractiv. Die Ukraine könne zu einer Rückversicherung für die europäische Energieversorgung werden. Schon einmal, im Pandemiejahr 2020, hatten Unternehmen aus der EU solche Gasmengen in der Ukraine gelagert. Doch in diesem Jahr war die Reaktion im Westen bisher verhalten.
“Die ukrainischen Speicher können in der Tat dazu beitragen, Angebot und Nachfrage auszubalancieren, da sie hervorragend an die EU-Gasmärkte angebunden sind”, sagte am Mittwoch eine Sprecherin von RWE. Der Konzern gehörte laut Bloomberg in den vergangenen Jahren zu den Nutzern der ukrainischen Speicher, doch inzwischen greift Russland zumindest die Stromversorgung immer wieder mit Raketen an, selbst vor der Zerstörung des Kachowka-Staudamms schreckte Moskau nicht zurück. “Besondere Risiken für einen Händler erfordern bestimmte finanzielle Garantien, die von der Versicherungsbranche für die Ukraine derzeit nicht angeboten werden”, so die RWE-Sprecherin.
Schon Anfang Juni berichtete ein Kommissionssprecher laut Bloomberg von Überlegungen, die Bereitschaft zu Gasspeichergeschäften gegebenenfalls mit öffentlichen Garantien zu unterstützen. Wenige Wochen später zeichnete sich allerdings bereits eine ganz andere Baustelle ab.
Der Direktor der Energy Community habe mit dem ukrainischen Energieminister German Galushchenko “regulatorische Veränderungen” diskutiert, um die Risiken für das Gasspeichergeschäft in der Ukraine zu verringern, teilte das wenig bekannte Gremium mit. Die Energy Community treibt die Energiezusammenarbeit zwischen der EU und östlichen Staaten voran – vom Balkan bis nach Georgien.
Vor wenigen Tagen legte deren Direktor Artur Lorkowski mit einem knappen, aber unverblümten Bericht nach. Zwar schreibt auch die Energy Community, dass sich die Preise in der EU im kommenden Winter stabilisieren ließen, wenn hiesige Unternehmen zumindest fünf bcm Gas in der Ukraine einlagerten. Doch der Pole breitete auch den immer noch drängenden Reformbedarf Kiews in der Öffentlichkeit aus.
In Wien hatte die Energy Community am 14. Juni europäische Gashändler zusammengerufen – und die schätzten ein anderes Risiko höher ein als das militärische. Anders als etwa Umspannwerke seien ukrainische Gasspeicher und große Transportleitungen bislang nicht angegriffen worden, heißt es in dem nun erschienenen Papier. Gesandte aus der Ukraine hätten bei dem Treffen auch minutiös aufgezeigt, wie sich Krisen technisch beherrschen ließen.
“Dennoch wurde die wahrgenommene Unvorhersehbarkeit des ukrainischen Rechtsrahmens und der damit verbundenen Risiken von den EU-Akteuren immer wieder hervorgehoben”, schreiben die Veranstalter. Der Bericht listet sodann Entscheidungen auf, die die Regierung in Kiew unter dem Druck des Krieges traf, die mit dem nüchternen Blick von Unternehmen aber auch hohe Unwägbarkeiten bedeuten. So habe das Energieministerium nach dem russischen Angriff zunächst alle Gasexporte mit Ausnahme von Transits unterbunden. Später sei dieser Eingriff wieder abgeschwächt worden, sodass von ausländischen Unternehmen gespeichertes Gas nicht mehr betroffen sei.
Noch im Mai dieses Jahres habe die Regierung aber eine neue Hürde errichtet. Händler sollte nun belegen, dass sie kein Gas aus Russland in der Ukraine speicherten. “Solch eine Maßnahme brachte das Speichergeschäft von EU-Händlern praktisch zum Erliegen, da es zu dieser Zeit nicht möglich war, ein Herkunftsdokument für einzelne Erdgaslieferungen zu erhalten”, heißt es in dem Bericht. Auch diese Maßnahme sei später für Gas wieder zurückgenommen worden.
Ein besonders schwerer Vorwurf der Energy Community: “All dies zeigt, dass das Speichergeschäft in der Ukraine nicht durch militärische Angriffe beeinträchtigt wurde, sondern durch die Interventionen der Regierung, die nur teilweise durch kriegsbedingte Umstände gerechtfertigt sind.” Europäische Händler müssten erst wieder das Vertrauen in die Ukraine zurückgewinnen. Auch finanzielle Garantien von EU-Staaten sieht die Gemeinschaft nicht mehr als vorrangige Lösung, bis zum Winter sei nicht mehr mit ausreichenden Zusagen zu rechnen.
Stattdessen listete die Organisation zehn “Empfehlungen” auf, gerichtet an die ukrainische Regierung, die staatlichen Regulierungsbehörde, den Speicherbetreiber Ukrtransgaz und den Leitungsbetreiber GTSOU. Vom Energieministerium wollte die Energy Community zum Beispiel eine Garantie, dass der Transport von gespeichertem Gas auch in Notlagen nicht unterbunden werde.
Wie Table.Media exklusiv erfuhr, sind die Verhandlungen über eine Absichtserklärung zwischen ukrainischen Stellen und der Wiener Organisation bereits weit fortgeschritten. Die Energy Community hat ein Papier ausgearbeitet, dass die Risiken für Gashändler aus der EU minimieren soll. “Wir wurden informiert, dass das sogenannte De-Risking Paper dem Energieminister German Galushchenko zur Unterschrift vorliegt, der sich derzeit auf Dienstreise befindet. Die anderen involvierten Staatsunternehmen und Behörden haben bereits unterzeichnet”, sagte am Mittwoch der stellvertretende Direktor der Energy Community, Dirk Buschle.
Doch warum steigen die Gasflüsse in die Ukraine bereits seit Wochen? “Die Risiken bestehen nach wie vor und sie lassen sich oft nur schwer mit der Risikopolitik von Händlern vereinbaren”, sagt Buschle. Die dennoch stark gestiegene Einspeisung erklärt der hochrangige Experte einerseits mit dem enormen Spread zwischen Sommer- und Winter-Preis – also den Gewinnaussichten für die Händler – und andererseits mit der jüngsten Unterstützung durch die Energy Community und ukrainische Gasunternehmen. “Die Speicherung von Gas aus der EU in der Ukraine wird von der Veröffentlichung des De-Risking-Papiers weiter profitieren“, ist Buschle überzeugt.
Auch die Gaswirtschaft begründet die steigenden Lieferungen in die Ukraine mit den hohen Gewinnmöglichkeiten. Der Schweizer Händler Axpo verweist zwar auf die Risiken des Krieges. “Auf der anderen Seite ist der Sommer/Winter-Spread auf ein Niveau angestiegen, bei welchem gewisse Unternehmen das Risiko eingehen, Gas in der Ukraine zu speichern“, sagt Marco Saalfrank, Head of Continental Europe Merchant Trading. Bruegel schätzte die Gewinnmöglichkeiten für europäische Händler vor einigen Wochen auf zwei Milliarden Euro.
Einen weiteren Grund sieht Saalfrank aber auch im preislichen Entgegenkommen der ukrainischen Unternehmen. Das Speichervolumen sei so groß, dass der ukrainische Betreiber entschieden habe, die Nutzung zu festen Kosten anzubieten. “Das macht die Gasspeicherung in der Ukraine zu einer sehr attraktiven und wettbewerbsfähigen Option”, sagt Saalfrank. Eventuell werde Axpo “auch in der nahen Zukunft Gas in der Ukraine speichern”.
Ein weiteres Hindernis sind laut Bruegel aber die Transportleitungen, die immer noch nicht voll auf Reverse Flows von West nach Ost ausgelegt sind. Über die Slowakei, Polen, Ungarn und Rumänien könnten pro Monat lediglich 1,5 bis 1,8 bcm in die Ukraine geleitet werden. Die Bruegel-Analysten drängten schon Mitte Juli zur Eile: “Ein Abwarten bis Oktober würde die Menge des nutzbaren Gases beschränken.”
Der große Reformer Deng Xiaoping hatte einst Zurückhaltung in der Außenpolitik für sein Land als Maxime ausgegeben. Davon ist unter dem jetzigen chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping wirklich nichts mehr zu spüren. Seine Äußerungen und Forderungen verraten ein unverhohlenes Streben nach einer Führungsrolle im Globalen Süden.
Wie kein anderer der in Johannesburg beim Brics-Gipfel anwesenden drei Staatschefs drängte Xi Jinping auch – wie erwartet – auf eine rasche Erweiterung. Der Prozess zur Aufnahme weiterer Staaten in die “Brics-Familie” solle beschleunigt werden, forderte Xi am Mittwoch.
Die anderen Mitglieder erhörten seinen Wunsch und bremsten ihn zugleich aus. Noch am selben Tag verabschiedeten die fünf Mitglieder ein Dokument, in dem sie das Vorgehen für eine Erweiterung der Gruppe umreißen. Das sagte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor. Es blieb am Mittwoch aber bei diesem Teaser. Details zu dem Erweiterungsmechanismus werde die Öffentlichkeit erst am Ende des Gipfels, also am Donnerstag, erfahren, kündigte Pandor an.
Die Brics-Gemeinschaft werde weiter wachsen “und zu Frieden und Entwicklung in der Welt beitragen”. Internationale Standards sollten von allen Ländern auf der Grundlage der Ziele und Prinzipien der UN-Charta geschrieben und aufrechterhalten werden, “anstatt von denen mit den stärksten Muskeln und der lautesten Stimme diktiert zu werden”, war von Xi vage zu erfahren.
Was wie die Rede eines Friedensstifters klingt, verrät zugleich das Streben Xis, eine Weltordnung mit China im Mittelpunkt zu schaffen. Mehr als 40 Staaten möchten sich Brics nach Angaben der südafrikanischen Regierung anschließen, mehr als 20 Staaten haben einen Beitritt bereits formal beantragt. Die wichtigsten Beitrittskandidaten sind:
Während China aufs Tempo drückt, bremsen Brasilien, Indien und Südafrika. Denn ihre Staatschefs wissen: Sollte die Brics-Gruppe schnell um einige Länder erweitert werden, sinkt ihre eigene Bedeutung in diesem Block. China als mit Abstand mächtigste Volkswirtschaft könnte dagegen an Gewicht gewinnen. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte schon am Dienstag zum Auftakt betont, dass die Brics-Gruppe kein Gegenpol “zur G7, G20 oder den Vereinigten Staaten” werden dürfe.
Sehr viel mehr Einigkeit gab es am zweiten Gipfeltag am Mittwoch in der Frage, die Bedeutung des US-Dollar als bisherige Weltwährung zu schwächen. Man habe über die Verwendung lokaler Währungen gesprochen, um gegenseitigen Handel und Investitionen zu erleichtern, bestätigte der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, Gastgeber des Brics-Gipfels.
Lula sprach sich gar für eine gemeinsame Brics-Währung aus. Diese könne für Handel und Investitionen eingesetzt werden. Damit könnten Zahlungsmöglichkeiten zwischen Brics-Mitgliedern vermehrt und ihre Anfälligkeit für Kursschwankungen verringert werden. Xi warb für eine schnelle Nutzung der neuen Entwicklungsbank der Brics-Gruppe, als Alternative zu den bestehenden Entwicklungsbanken IWF und Weltbank.
Und auch eine gemeinsame Nutzung von Satellitendaten und gemeinsame Entwicklung bei der Künstlichen Intelligenz sei denkbar, sagte Xi. Auch hierbei wird die Intention recht deutlich: Die Brics-Entwicklungsbank hat ihren Sitz bereits in Shanghai. In der Satelliten- und KI-Forschung sind die Chinesen führend. Beides würde die bestehenden und womöglich dazu stoßenden Brics-Länder noch abhängiger von China machen.
Politische Unterschiede von Chinas Autokratie zu Demokratien wie Indien oder Brasilien sieht Xi nicht als Problem. Er rief dazu auf, dass man den kulturellen Austausch verstärken, aber “ideologische und institutionelle Konfrontationen” vermeiden solle.
Am Mittwoch waren allerdings nicht diese Inhalte das Tagesgespräch, sondern verblüffende organisatorische Ungereimtheiten. So drängelten Sicherheitsleute Xis Top-Berater an einer Tür in Football-Manier zur Seite und trennten sie von dem Präsidenten. Xi wirkte irritiert und drehte sich nach seinen Beamten um, versuchte aber gleichzeitig, sich in staatsmännischer Weise nichts anmerken zu lassen. Dann stand er etwas verloren alleine auf dem roten Teppich.
Schon kurz nach Beginn des Gipfels am Dienstag sorgte ausgerechnet Xi für Aufregung. Er erschien überraschend nicht zum Brics-Wirtschaftsforum, wo er wie die übrigen Brics-Chefs sprechen sollte. Es gab zwar eine Rede des chinesischen Staats- und Parteichefs, aber anders als im Programm vorgesehen, wurde sie ohne weitere Erklärung vom chinesischen Handelsminister Wang Wentao vorgetragen.
Dass die Rede einmal mehr die USA als Hegemonialmacht angriff, interessierte da schon niemanden mehr. Unter China-Beobachtern setzten sofort wilde Spekulationen ein. “Xi Jinping taucht beim BRICS Business Forum nicht auf. Stimmt etwas nicht?”, fragte Bonnie Glaser vom German Marshall Fund im sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter). “Zu sagen, das sei außergewöhnlich, ist eine Untertreibung, denn die chinesische Führung fehlt nie bei stark choreografierten Veranstaltungen wie dieser”, schrieb das China Global South Project.
Auf ungeschickte Weise trug China selbst dazu bei, dass sich die Geschichte immer weiter hochschaukelte. Statt eine Erklärung für Xis Abwesenheit zu liefern, erweckten die chinesischen Staatsmedien den Eindruck, der Präsident habe tatsächlich gesprochen. Selbst Hua Chunying, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, zitierte noch am Dienstag auf Twitter aus der Rede Xi Jinpings.
Angesichts der Erweiterungsfrage und den Pannen um Xi fiel das Fehlen eines globalen Top-Themas schon fast gar nicht auf. Klimaschutz steht bei dem Treffen zwar auf der offiziellen Agenda, kam aber kaum zur Sprache. Dabei litten China und Indien unter Hitzewellen und Starkregen, Waldbrände in Sibirien gerieten außer Kontrolle und Brasilien erwartet einen “exzentrischen Winter” mit extremem Regen.
Das Gastgeberland Südafrika stellt den Übergang zu einer post-fossilen Wirtschaft in den Mittelpunkt seiner Klimabemühungen bei diesem Gipfel. Die in diesem Zusammenhang genannte “Just Energy Transition Partnership” (JETP) ist allerdings ein Projekt, das Pretoria gerade nicht mit den Brics-Staaten, sondern mit den Ländern des Globalen Nordens aufgelegt hat.
Allgemein werden auf dem Gipfel zur Klimapolitik die altbekannten Fragen debattiert werden:
Dringende Aufrufe zur Emissionsreduktion, zum Ausbau von Erneuerbaren oder gar zu einem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen finden sich bisher nicht bei den Brics-Forderungen. Felix Lee/Finn Mayer-Kuckuk/Jörn Petring/Bernhard Pötter
25.08.-26.08.2023, online
FES, Seminar Innovationspolitik und Strukturwandel in NRW
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) diskutiert die Rolle der Politik und des Staates bei der Gestaltung des Strukturwandels. INFOS & ANMELDUNG
28.08.2023 – 19:00-20:30 Uhr, Hamburg
FNF, Podiumsdiskussion “ChinaPlus – Xiconomics: Was bedeutet Xis ökonomischer Ansatz?”
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) setzt sich mit Xi Jinpings ökonomischen Ansätzen (“Xiconomics”) auseinander und analysiert, was sie für Chinas Wirtschaft wie auch für die Weltwirtschaft bedeuten. INFOS & ANMELDUNG
29.08.-02.09.2023, Zagreb (Croatia)
Degrowth, Conference 9th International Degrowth Conference
This conference addresses different aspects of a degrowth economy. INFOS & REGISTRATION
19.09.-16.11.2023, online
FSR, Seminar Evolution of Electricity markets in Europe
The Florence School of Regulation (FSR) ptovides a platform for experts and professionals to discuss recent developments in the evolution of electricity markets in Europe. REGISTRATION BY 27 AUGUST
Die Abstimmung im spanischen Parlament über die Amtseinführung des neuen Ministerpräsidenten wird am 27. September stattfinden, die Debatte dazu soll am Vortag beginnen. Das verkündete die neue Sprecherin des Abgeordnetenhauses, Francina Armengol (PSOE), am Mittwoch.
Damit bleibt dem Vorsitzenden der spanischen Konservativen, Alberto Núñez Feijóo, der am Dienstag von König Felipe VI den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hat, etwas mehr als ein Monat, um genügend Unterstützung zu sammeln. Seine Partei (PP) hatte bei der Wahl am 23. Juli zwar die meisten Sitze erhalten, konnte aber keine funktionierende Mehrheit erreichen.
Ein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten muss in einer ersten Abstimmung eine absolute Mehrheit in der 350 Mitglieder zählenden Versammlung erreichen oder in einer zweiten Abstimmung, die innerhalb von zwei Tagen nach der ersten Abstimmung stattfindet, eine einfache Mehrheit mit mehr Ja- als Nein-Stimmen erzielen.
Die rechtsextreme Gruppe Vox und zwei Regionalparteien haben erklärt, dass sie Feijóo unterstützen werden, sodass er über 172 Abgeordnete verfügt. Für die restlichen Stimmen muss er jedoch eine Reihe von regionalistischen Gruppierungen überzeugen, ihn zu unterstützen oder sich in einer zweiten Abstimmung zumindest der Stimme zu enthalten. Für Feijóo ist dies eine schwierige Gratwanderung, denn Vox ist ein entschiedener Gegner der Dezentralisierung des Staates und der Übertragung von mehr Autonomie an die Regionen.
Selbst seine eigene Partei schätzt die Chancen als gering ein. “Feijóo hat eine sehr geringe Chance, weil die PP nicht bereit ist, alles zu tun, was nötig ist, um zu regieren”, sagte das führende Parteimitglied Esteban González Pons dem Radiosender Onda Cero. leo/rtr
Serbien hat sich am Mittwoch einer von der Ukraine geführten Plattform zur Wiedereingliederung der Krim angeschlossen und damit ein Abrücken von Russland signalisiert, einem historischen Verbündeten und derzeit einzigen Erdgaslieferanten des Balkanlandes.
Der Schritt erfolgte einen Tag nach einem Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vucic in Athen. In einer Online-Ansprache sagte Serbiens Premierministerin Ana Brnabic, Serbien “bedauere aufrichtig das Leid der Ukraine und des ukrainischen Volkes”.
Persönlich teilnehmen will an dem Krim-Gipfel auch der portugiesische Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, der bereits am Mittwoch zu Gesprächen in der Ukraine eintraf. Die Krim-Plattform wurde von Selenskiy 2021 mit dem Ziel der Wiedereingliederung der 2014 von Russland annektierten Krim ins Leben gerufen. Auch die EU hat sich der Plattform angeschlossen. rtr/dpa
Um das forschungspolitische Engagement im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) zu verstärken, hat das Bundesforschungsministerium (BMBF) einen KI-Aktionsplan erarbeitet. Ministerin Bettina Stark-Watzinger stellte das Vorhaben am Mittwoch vor. Bislang ist nur die Executive Summary des Plans veröffentlicht. Das gesamte, etwa 20 Seiten umfassende Dokument kündigte sie für September an. Zunächst soll es in der kommenden Woche bei der Klausurtagung des Kabinetts in Meseberg diskutiert werden. Der Digitalverband Bitkom kritisierte, dass es nicht an Plänen, sondern an der Umsetzung fehle.
Der Aktionsplan benennt elf Bereiche, in denen nach Angaben von Stark-Watzinger dringender Handlungsbedarf besteht. Dazu zählt, die Forschungsbasis weiter zu stärken, die KI-Infrastruktur zielgerichtet auszubauen und eine KI-Kompetenzoffensive zu forcieren. Außerdem sollen europäische und internationale Kooperationen weiter gestärkt werden und – mit Blick auf den AI Act der EU – eine “passfähige, agile und innovationsfreundliche Regulierung” beschlossen werden.
Zu den neuen Impulsen, die das BMBF geben will, gehören die Stärkung der KI-Fachkräftebasis, der Ausbau der Recheninfrastrukturen sowie verbesserte Zugänge zu Daten, etwa für das Forschungsdatengesetz. Weil KI auch in der Verwaltung helfen könne, sei im BMBF noch in diesem Jahr geplant “pilothaft die Nutzung von generativer KI” zu starten.
Stark-Watzinger bezeichnete den KI-Aktionsplan als Update des Beitrags ihres Ministeriums zur KI-Strategie des Bundes, die im November 2018 von der vorigen Regierung beschlossen wurde. Ergänzend zu den 50 laufenden Maßnahmen im Bereich KI, mit denen das Ministerium Forschung, Kompetenzentwicklung, Aufbau von Infrastrukturen und Transfer in die Anwendung fördert, kündigte Stark-Watzinger mindestens 20 neue Initiativen an. Etwa für den Ausbau der Supercomputing-Infrastruktur und für ein Forschungsnetz im Bereich neurobiologisch inspirierter KI. “In dieser Legislaturperiode investieren wir über 1,6 Milliarden Euro in die Umsetzung des Aktionsplans, allein im kommenden Jahr fast 500 Millionen Euro”, sagte Stark-Watzinger. Damit setze man eine klare Priorität im Haushalt.
Bitkom kritisierte, dass offen bleibe, wie der Aktionsplan in die Gesamtstrategie der Bundesregierung zur Künstlichen Intelligenz eingebettet werden soll. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sagte, hier bestehe der größte Handlungsbedarf. “Der Transfer von Erkenntnissen aus der Wissenschaft in die Wirtschaft ist die vielleicht größte Schwachstelle in Deutschland.” 24 Prozent der Unternehmen sehe Deutschland in der KI-Forschung in der Spitzengruppe weltweit. Aber nur 15 Prozent aller Unternehmen setzten KI ein.
Es genüge nicht, einzelne Leuchttürme zu schaffen, da KI eine Querschnittstechnologie für die gesamte Wirtschaft sei. “Wir müssen auch bei den Anbietern von KI-Lösungen ganz vorne mit dabei sein”, forderte Rohleder. An Absichtserklärungen zur Künstlichen Intelligenz fehle es in Deutschland jedoch nicht. Mit seiner KI-Strategie von 2018 habe Deutschland zu den Vorreitern in Europa und weltweit gehört, aber an der Umsetzung habe es gehapert.
Das liege auch daran, dass Deutschland die Anwendung behindere. Daher müssten die sehr restriktiven Regeln für die Verwendung nicht sensibler Daten geändert werden. “Wenn wir Milliarden in KI investieren, ihr dann aber die Daten entziehen, ohne die eine KI nun einmal nicht arbeiten kann, dann kommen wir nicht von der Stelle.” abg/vis
Die Texte der Table.Media-Serie “Der globale Wettlauf um Künstliche Intelligenz” finden Sie hier.
Sie war die mächtigste Frau im Kabinett von Pedro Sánchez. Nun strebt die Erste Vizepräsidentin und amtierende Ministerin für Wirtschaft und digitale Transformation zurück auf die europäische Bühne. Nadia Calviño will neue Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) werden.
Im Januar wird die Leitung der EU-Hausbank neu besetzt, die Calviño als “strategisch für Spanien und für Europa” bezeichnet hat. Ihre Hauptkonkurrentin ist die für Wettbewerb zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager. Mitte September werden die europäischen Finanzminister in der spanischen Stadt Santiago de Compostela zusammenkommen, um über die Nachfolge des scheidenden EIB-Präsidenten Werner Hoyer zu beraten.
Calviño wurde 1968 in A Coruña geboren, der Hauptstadt der Region Galicien im Nordwesten Spaniens. Sie ist mit dem Wirtschaftswissenschaftler Ignacio Manrique de Lara verheiratet, mit dem sie vier Kinder hat. Sie ist die Tochter von José María Calviño. Er war in den 1980er Jahren Direktor von Television Española (TVE) und sehr umstritten, weil er an der Spitze des Fernsehsenders Partei ergriff für die sozialistische Partei PSOE.
Calviños Vater war auch Ratgeber von Sánchez, als dieser 2016 zum Rücktritt als Generalsekretär der sozialistischen Partei gezwungen wurde. Das erklärt ihren Bezug zur PSOE, denn sie selbst ist nicht Mitglied der Partei. Diejenigen, die mit ihr in Brüssel zusammengearbeitet haben, bezeichnen sie in Wirtschaftsfragen eher als Liberale denn als Sozialistin.
In Brüssel ist sie ausgezeichnet vernetzt. Bevor Calviño 2018 in die Regierung von Pedro Sánchez eintrat, war sie Generaldirektorin für Haushalt bei der EU-Kommission. Zur Kommission kam sie bereits 2006 als stellvertretende Generaldirektorin für Wettbewerb. Calviño war damit eine der einflussreichsten Spanierinnen im Exekutivorgan der EU.
Die heute 54-Jährige verfügt über einen Abschluss in Wirtschaft von der Universidad Complutense de Madrid und in Jura von der Nationalen Fernuniversität UNED. Bevor sie nach Brüssel ging, war sie ab 1998 im spanischen Wirtschafts- und Finanzministerium in verschiedenen Positionen tätig, in den Bereichen Außenhandel, makroökonomische Analysen und Prognosen, Wirtschaftspolitik und Wettbewerb.
Die Wirtschaftsexpertin war in keine Skandale verwickelt. Aber es gab öffentliche Kritik, als ihr Ehemann Manrique de Lara zu einem der Direktoren von Patrimonio Nacional ernannt wurde. Die Regierungsagentur ist für die Verwaltung und Erhaltung der königlichen Paläste, Klöster und anderer historischer Gebäude verantwortlich. Manrique de Lara musste wegen des Vorwurfs zurücktreten, er sei wegen einer Vorzugsbehandlung ausgewählt worden.
Im Wahlkampf für die Wahlen am 23. Juli hat die PSOE vor allem die Arbeit der Regierung im Bereich der Wirtschaft hervorgehoben. Calviño und Sánchez warben damit, die spanische Wirtschaft laufe “wie geschmiert”. Tatsächlich hat die viertgrößte Volkswirtschaft der EU den heftigen Einbruch in der Corona-Pandemie inzwischen wettgemacht, die EU-Kommission erwartet für dieses und kommendes Jahr rund zwei Prozent Wachstum – deutlich mehr als für die gesamte Euro-Zone.
Calviño betont oft, ihr Profil sei eher technisch als politisch. In den vergangenen vier Jahren hat sie aber auch politisch an Gewicht gewonnen. In Interviews vor den Wahlen am 23. Juli distanzierte sie sich vom linken Regierungspartner Unidos Podemos (UP) und sagte, der Einfluss der UP auf die Wirtschaftspolitik der Regierung sei “praktisch gleich null” gewesen.
Zu den von der Regierung eingeführten Maßnahmen in der zurückliegenden Legislatur gehörte auch eine Steuer für Banken und Großunternehmen. Als Ferrovial Anfang des Jahres seinen Hauptsitz von Spanien in die Niederlande verlegte, sagte Calviño, sie verstehe die Entscheidung des Baukonzerns nicht, denn “den Unternehmen geht es mit dieser Regierung sehr gut“.
Im August hat Calviño erklärt, ihre mögliche Wahl zur Chefin der EIB werde ihre Aufgaben in der spanischen Interimsregierung “in keiner Weise” beeinträchtigen. Sánchez habe ihr das Vertrauen ausgesprochen, ihre Rolle an der Spitze des Finanz- und Wirtschaftsministeriums auch in einer möglichen Fortsetzung der PSOE-Regierung zu übernehmen. Isabel Cuesta Camacho