wenn das erste Solarpaket der Bundesregierung heute das Licht der Welt erblickt, dann werden ein paar hellgraue Wölkchen über Berlin schweben – zumindest metaphorisch. Denn wichtige Teile des anstehenden Kabinettsbeschlusses stehen unter Beihilfevorbehalt aus Brüssel.
Die Vergütung für Agri-PV, also die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für Photovoltaik, kann erst dann wie vorgesehen erhöht werden, wenn die EU-Kommission dies genehmigt hat. Bis dahin müssen zum Beispiel Obstbauern noch mit niedrigeren Zuschlägen auskommen, wenn sie ihre Himbeeren im Schutz von aufgeständerten Solarmodulen anbauen wollen. Unter Vorbehalt steht auch der zusätzliche Bonus für extensive Agri-PV, wenn Landwirte also weniger Stickstoffdünger verwenden, auf Herbizide verzichten und Blühstreifen anlegen.
Angesichts der überschaubaren Änderungen könnte die Genehmigung allerdings recht schnell kommen. Das deutlich umfangreichere EEG 2023 hatte die Kommission Ende vergangenen Jahres bewilligt – knapp ein halbes Jahr nach dem Beschluss des Bundestages.
An diesem Donnerstag konstituieren sich die Cortes (Kongress und Senat) und stimmen über den Vorsitz des Kongresses ab. Der bisher regierende Präsident Pedro Sánchez von den Sozialisten hofft, dass sich dabei das linke Lager durchsetzen kann. Die Wahl gilt als Gradmesser für die Regierungsbildung in dem Land. Doch dazu braucht Sánchez ausgerechnet die Hilfe von Separatistenführer Carles Puigdemont. Und der treibt den Preis für seine Unterstützung aktuell nach oben.
Puigdemont und seine Junts-Partei haben erklärt, dass sie erst Stunden vor der Abstimmung über den Kongressvorsitzenden festlegen werden, ob sie Sánchez Bündnis mit der Linkskoalition Sumar unterstützen. Damit erhöht der, vor der spanischen Justiz geflüchtete, katalanische Separatistenführer den Druck auf den Sozialisten.
Junts hat seinen Mitgliedern Schweigen und Diskretion in Bezug auf den Dialog mit Sánchez’ Partei (PSOE) auferlegt. Er wolle die Verhandlungen durch öffentliche Äußerungen, die Spekulationen verursachten, nicht stören, twitterte Puigdemont. Stattdessen forderte er “Geduld und Beharrlichkeit”. Die Zeitung El Español berichtet derweil mit Verweis auf ranghohe PSOE-Mitglieder, die Junts-Partei spiele nur “Theater”, indem sie die Verlautbarung bis Donnerstagmorgen hinauszögere, obwohl die Einigung für die Wahl des Kongressvorsitzes bereits feststünde.
Unmittelbar nach der Wahl am 23. Juli kündigte Junts an, einen Höchstpreis für die Unterstützung von Sánchez zu verlangen. Sie wollen eine Amnestie für alle, die in das für gesetzeswidrig erklärte katalanische Unabhängigkeits-Referendum vom 1. Oktober 2017 verwickelt waren. Außerdem wollen sie das Recht, über die Unabhängigkeit Kataloniens zu entscheiden, sowie den Erlass der 70 Milliarden Euro Schulden der Region. Die Amnestie soll für Dutzende katalanische Separatisten, ehemalige Beamte und Personen gelten, denen unter anderem Ungehorsam, Veruntreuung öffentlicher Gelder, Angriff auf die Staatsgewalt, Herstellung von Sprengstoff und Terrorismus vorgeworfen wird.
Eine Woche vor der Wahl hatte Puigdemont noch beteuert, dass Junts-Stimmen niemals dafür eingesetzt werden würden, Sánchez erneut zum Ministerpräsidenten zu machen. Sánchez lüge und halte sein Wort nicht, warf Puigdemont dem Chef der Sozialisten vor. Sánchez hatte seinerseits ebenfalls bereits vor den Wahlen deutlich gemacht, dass es “keine Amnestie und kein Referendum” geben werde, sollte er im Amt bleiben. Nun könnten beide ihre Wahlversprechen brechen.
Obwohl Sánchez sich als Wahlsieger hervortut, hatte die konservative Partido Popular (PP) um Parteichef Alberto Núñez Feijóo die Wahl gewonnen. Allerdings fehlen der Volkspartei die Bündnispartner für eine Mehrheit. Auch Sánchez lehnte die Einladung von Feijóo ab, das politische Patt nach den Wahlergebnissen gemeinsam zu überwinden. Feijóo wollte ein Treffen arrangieren zwischen den wichtigsten politischen Kräften, PP und PSOE, die 33 beziehungsweise 31 Prozent der Stimmen erhielten.
Stattdessen setzt sich Sánchez offenbar mit den Forderungen Puigdemonts auseinander, denn der Ton von Sánchez, seinen Ministern und Bündnispartnern der Sumar-Koalition deutet darauf hin, dass er um jeden Preis eine Regierung bilden will. Doch dafür braucht er Puigdemonts Unterstützung. Wenn Sánchez den Forderungen nachgibt, würde sein linkes Bündnis mit den sieben Abgeordneten der Junts eine knappe Mehrheit von 178 Sitzen erreichen – 176 braucht es für eine Mehrheit.
Als der US-Inflation Reduction Act (IRA) vor einem Jahr in Kraft trat, war die Aufregung groß. Das zunächst mit 369 Milliarden US-Dollar budgetierte Subventionsprogramm für die Ansiedlung grüner Industrien benachteilige europäische Hersteller und könnte zu einem Handelskrieg und einem Wettlauf um staatliche Subventionen führen, so die Befürchtungen.
Ein Jahr nach Inkrafttreten zeigt sich eine gemischte IRA-Bilanz:
Allerdings gibt es auch Zweifel an diesen Zahlen, die meist von Klima-Interessenvertretungen stammen. “Teilweise wurden Investitionsprojekte nach Inkrafttreten des IRA einfach noch mal angekündigt. Ein Teil der Investitionen wäre wahrscheinlich auch ohne IRA-Förderung realisiert worden“, sagt Niclas Poitiers, Research Fellow des Think-Tanks Bruegel gegenüber Table.Media.
Betrachtet man die Größe der US-Volkswirtschaft, seien 170.000 Arbeitsplätze nicht viel. In einigen Bereichen “fließen Milliarden-Subventionen, aber es werden nur sehr wenige Jobs geschaffen”, kritisiert Poitiers. Der Bruegel-Forscher warnt vor einem internationalen Subventionswettlauf, “an dessen Ende Milliarden bei großen Unternehmen landen könnten, aber kaum positive Effekte hinsichtlich Arbeitsplätzen und wirklich neuen Investitionen erzielt werden”.
Zu den Klimawirkungen des IRA herrscht mehr Einigkeit. Laut einem Science-Paper werde der IRA zu einer Emissionsreduktion von 43 bis 48 Prozent im Jahr 2035 im Vergleich zum Basisjahr 2005 beitragen. Ohne IRA-Maßnahmen würden die Emissionen nur um 27 bis 35 Prozent sinken. Die Studie basiert auf neun Berechnungen und zeigt recht deutlich den Klimanutzen des Subventionsprogramms. Durch reduzierte Kosten für grüne Technologien werde der IRA auch positive Klimawirkungen in andere Staaten haben, so Bruegel.
Allerdings könnten ausbleibende Investitionen in das teils marode Stromnetz die Wirkung des IRA schmälern. Wenn die USA die Energieübertragungskapazität nicht doppelt so schnell ausbaue wie im vergangenen Jahrzehnt, könnte gut die Hälfte des IRA-Klimaeffekts zunichtegemacht werden, zeigt eine Studie der Princeton Universität. Um die Klimaziele der USA zu erreichen, brauche es “robuste Vorschriften und zusätzliche Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene“, sagt Jesse Jenkins, IRA-Experte an der Princeton-Universität. Er nennt beispielsweise einen früheren Kohleausstieg und bessere Regulierungen im Land- und Forstwirtschaftssektor. Der Think-Tank BloombergNEF hatte kürzlich einen CO₂-Preis als zusätzliche Maßnahme angeführt, um den IRA zu ergänzen.
Poitiers von Bruegel hält fokussiertere Subventionen für sinnvoller als das Gießkannenprinzip des IRA: “Der Aufbau einer westlichen Solarindustrie führt nicht notwendigerweise dazu, dass auch nur ein Solarpanel mehr hergestellt wird, wenn es nur zu Produktionsverlagerungen kommt.” Poitiers schlägt stattdessen staatliche Investitionen in die Infrastruktur, wie beispielsweise E-Auto-Ladestationen oder in die Dekarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie oder den sozialen Ausgleich der Klimakosten vor.
Auch Nils Redeker, Vize-Direktor des Jacques Delors Centres für Europapolitik, mahnt gegenüber Table.Media zu zielgerichteteren Subventionen. Die USA lägen bei der Produktion grüner Technologien hinter China und Europa. Das Gießkannenprinzip des IRA lehnt auch Redeker ab: “Bei neuen Technologien wie Wasserstoff oder modernen Batterien können solche Subventionen den Aufbau wettbewerbsfähiger Industrien unterstützen. Bei etablierten Massenprodukten wie Solarzellen werden die USA den Vorsprung asiatischer Hersteller dagegen kaum aufholen können.”
Europa rät er, den IRA nicht direkt zu kopieren, sondern “fokussiert Sektoren zu fördern, bei denen man bereits einen Fuß in der Tür hat oder technologisch noch Entwicklungspotenzial besteht”. Die nächste EU-Kommission müsse eine bessere Antwort auf die industriepolitische Herausforderung finden. “Mittelfristig können wir das Problem durch nationale Beihilfen allein nicht lösen. Um den Binnenmarkt vor wirtschaftlicher Divergenz und unfairem Wettbewerb zu schützen, braucht es Koordinierung und Finanzierung auf EU-Ebene”. Das sei ein dickes Brett, aber eines, das die EU auf jeden Fall bohren müsse.
In den letzten Zügen der Legislatur arbeiten die EU-Institutionen zurzeit noch daran, förderwürdige Technologien im Net-Zero Industry Act (NZIA) festzulegen. Der NZIA soll die europäische Antwort auf den IRA sein. Die Kommission will auch etablierte Güter wie Photovoltaik und Windenergie einbeziehen. Aus der Wirtschaft und dem Parlament kommt allerdings immer wieder Kritik an dem NZIA. Der zuständige Berichterstatter im Europaparlament, Christian Ehler (CDU) kritisierte beispielsweise, die Ambitionen des NZIA und der neuen Finanzierungsplattform STEP stünden nicht im Einklang mit den dafür vorgesehen Finanzmitteln. Die Industrie sehe den NZIA nicht als gleichwertig mit dem IRA.
Wie hoch die Kosten des IRA in den kommenden Jahren werden, ist derweil noch unklar. Die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs gehen sogar davon aus, dass die Unternehmen in den kommenden zehn Jahren bis zu 1,2 Billionen US-Dollar an IRA-Steuervorteilen und Subventionen geltend machen könnten, um damit bis zu 2,9 Billionen US-Dollar an Investitionen zu leisten. Eine Brookings-Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Trotz dieser hohen Kosten könne der IRA “ein kosteneffizienter Anreiz für die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen sein”, so die Autoren. Die IRA-Anreize werden pro Tonne eingesparten CO₂ wahrscheinlich weniger als 100 US-Dollar kosten, was niedriger sei als die geschätzten Schäden durch Treibhausgase, die zwischen 100 und 380 Dollar pro Tonne liegen.
Ist es ein Sicherheitsrisiko, wenn europäische Netzbetreiber mit chinesischen Komponenten in ihren Mobilfunknetzen arbeiten? Über diese Frage streitet derzeit das Bundesinnenministerium mit den betroffenen Unternehmen. Jetzt zeichnet sich nach Informationen des Handelsblatts wenigstens in Deutschland ein Kompromiss ab. Demnach müssten Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone lediglich sicherheitskritische Teile austauschen.
Offiziell wollten die Unternehmen sich nicht zum Stand der Gespräche äußern. Experten halten es aber für wahrscheinlich, dass sich beide Seiten auf eine derartige Regelung einigen könnten. Denn diese Lösung wäre finanziell deutlich günstiger als der vollständige Ausbau. Außerdem wäre sie schneller umsetzbar und mit weniger Einschränkungen für den Betrieb verbunden.
So ein Kompromiss könnte auch als Vorlage für eine europäische Lösung dienen. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat immer wieder deutlich gemacht, dass er große Sicherheitsbedenken hat und lieber gar keine Technologie von Anbietern wie Huawei oder ZTE mehr in europäischen Netzen hätte – so wie die USA es ihren Unternehmen auferlegt haben.
Die Netzbetreiber – auch in Deutschland – wehren sich jedoch gegen die Verbannung von Huawei. Ein Ausbau aller chinesischen Komponenten würde nach Aussagen der Netzbetreiber auch den weiteren 5G-Ausbau bremsen. Experten halten die Kompromisslösung für technisch anspruchsvoll, aber machbar. Voraussetzung sei allerdings, dass Huawei entsprechende Schnittstellen bereitstellt. Das gilt angesichts der Alternative, in Europa gar kein Geschäft mehr zu machen, als recht wahrscheinlich. vis
Chinesische Hersteller machen deutschen Herstellern auf ihrem Heimatmarkt in der Europäischen Union zunehmend das Leben schwer. Das zeigt eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Demnach machten deutsche Produkte zur Jahrtausendwende rund 14 Prozent an den gesamten EU-Importen aus, 2022 waren es nur noch 12,5 Prozent. Im selben Zeitraum stieg der Anteil chinesischer Waren von 2,6 Prozent auf 8,8 Prozent an.
Besonders drastisch sei die Entwicklung ausgerechnet bei deutschen Exportschlagern wie Maschinen, chemischen Produkten, Metallerzeugnissen und Autos, bilanziert die IW-Studie. Das Forschungsinstitut warnt daher, dass Deutschlands Wirtschaftsmotor ins Stocken geraten könne. “Diese Ergebnisse sind angesichts der Herausforderungen der Energiewende und der Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands besorgniserregend“, sagte der IW-Forscher Jürgen Matthes.
Zu den Herausforderungen, die die Studie auflistet, gehören die chinesische Staatssubvention für Unternehmen, die mit deutschen Firmen in der EU konkurrieren. Zugleich schwächten die hohen Energiekosten nach dem Verlust des russischen Gases energieintensive Sektoren in Deutschland wie die Chemie. Auch die Automobilexporte seien von den hohen Energiepreisen betroffen, zeitgleich erobern chinesische Firmen mit ihren E-Autos zunehmend den EU-Markt, sagt Matthes. rtr/lei
Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, fordert mehr Unterstützung von der EU und der Bundesregierung. Während der internationale Standortwettbewerb immer härter geführt werde, fehle es in Berlin und Brüssel zu oft an Geschwindigkeit und praxisnahen Konzepten. Die Politik verliere sich in immer mehr Regeln und Auflagen. “Und wenn es Hilfen gibt, dann leider oftmals mit maximalem bürokratischen Aufwand”, sagte die VDA-Präsidentin.
Die Bundesregierung und die EU seien aufgerufen, schnellstmöglich die Rahmenbedingungen für den deutschen und den europäischen Standort zu verbessern. “Wir brauchen weniger Bürokratie, mehr Handelsabkommen, ein konkurrenzfähiges Steuer- und Abgabensystem und einfachere und schnelle Genehmigungsverfahren”, sagte Müller. Zudem müsse die Energie- und Rohstoffversorgung mit internationalen Partnerschaften abgesichert werden, um Deutschland und Europa unabhängiger und Lieferketten resilienter zu machen.
Müller sagte, die Automobilbranche stehe vor ihrer bisher größten unternehmerischen Herausforderung. Die Branche stelle sich dem Wandel mit aller Innovationskraft und Verantwortung für die Beschäftigten. “Doch zur Wahrheit gehört auch: Das allein reicht nicht”, sagte Müller. dpa/lei
Lettland könnte im Herbst mit dem Export ukrainischen Getreides über seine Häfen beginnen. Das Volumen könnte bis zu einer Million Tonnen pro Jahr erreichen, sagte Rinalds Pļavnieks, der Vorstandsvorsitzende der lettischen Eisenbahnen am Dienstag gegenüber dem lettischen Rundfunk. “Gerade jetzt bietet sich eine Gelegenheit für den Transport ukrainischen Getreides.”
Ganz einfach ist das Unterfangen nicht. Das Getreide müsse durch Polen transportiert werden, das eine andere Spurweite als Lettland und die Ukraine hat und dadurch zwei Umladevorgänge erfordert. Das wiederum schlägt sich in höheren Kosten nieder. Der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins hatte gegenüber Table.Media von der EU gefordert, einen Teil der Transportkosten für ukrainisches Getreide zu übernehmen.
“Wir gehen davon aus, dass etwa 500.000 bis eine Million Tonnen pro Jahr über diesen Transitkorridor transportiert werden könnten”, sagte Pļavnieks weiter. Hintergrund für die Anstrengungen ist der Rückzug Russlands aus dem Schwarzmeer-Abkommen. Das Abkommen hatte die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer ermöglicht. Die Ukraine ist einer der weltweit größten Exporteure von Getreide und auch wirtschaftlich stark darauf angewiesen. Im vergangenen Jahr kam die Ukraine auf knapp 60 Millionen Tonnen Getreideernte.
Letzten Monat hat Litauen die Europäische Kommission gebeten, eine Route für ukrainisches Getreide über fünf Häfen in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen zu entwickeln. Die fünf Häfen haben zusammen eine jährliche Getreideexportkapazität von 25 Millionen Tonnen, heißt es in einem Schreiben. rtr/lei
Die lettische Verteidigungsministerin Ināra Mūrniece hat am Dienstag die Armee angewiesen, die Grenze des baltischen Landes zum russischen Verbündeten Belarus zu bewachen. Zuvor hatten 96 Menschen binnen 24 Stunden versucht, unerlaubt die Grenze zu überqueren. Auch Beamte des Grenzschutzes wurden aus ihrem Urlaub zurückgerufen, um bei den Patrouillen zu helfen.
Lettland habe “Informationen über eine mögliche Zunahme hybrider Bedrohungen“, hießt es vom Grenzschutz in einer Erklärung. Belarussische Behörden seien zunehmend in die Organisation des Stroms illegaler Einwanderer involviert, hieß es weiter.
Die EU-Mitglieder Lettland, Litauen und Polen, die eine gemeinsame Grenze mit Belarus haben, sind zunehmend besorgt über die Grenzübertritte, seit Hunderte russische Wagner-Söldner letzten Monat auf Einladung von Präsident Alexander Lukaschenko nach Belarus kamen. Lukaschenko hat mehrfach erklärt, dass er Wagner-Kämpfer, die Polen angreifen wollen, zurückhalte.
Auch Polen plant die Verlegung von bis zu 10.000 zusätzlichen Soldaten an die Grenze zu Belarus, um den Grenzschutz zu unterstützen, kündigte Verteidigungsminister Mariusz Błaszczakam in der vergangenen Woche an. rtr/lei
Die ursprünglich geplante Ernennung von Fiona Scott Morton zur Chefökonomin der Generaldirektion Wettbewerb (DG COMP) hat wegen ihrer Nationalität und des Risikos von Interessenkonflikten aus ihren früheren Funktionen – Antitrust der Obama-Regierung, Beraterin für Apple und Microsoft – eine intensive Kontroverse ausgelöst. Abgesehen von der Polemik muss ein wenig erwähntes Problem unterstrichen werden, das die DG COMP betrifft: die seit mehr als 20 Jahren andauernde volle Ergebnislosigkeit im Bereich Digitalisierung und Technologie dieses “Staates im Staat” innerhalb der Europäischen Kommission.
Ihr Versagen liegt auf verschiedenen Ebenen. Da sind etwa die fehlenden Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Entstehung gigantischer digitaler Monopole. Von den 25 Milliarden Euro Bußgeldern in den vergangenen 15 Jahren wurden nur etwa 3,5 Milliarden Euro wirklich gezahlt (weniger als 1,5 Prozent des Nettogewinns der GAFAMs* im Jahr 2022 allein). Die Marktkapitalisierung der sieben größten Tech-Unternehmen beläuft sich auf elf Billionen US-Dollar, wovon vier Billionen in 2022 allein hinzukommen sind. Dies wirft die Frage auf, wie effektiv die DG COMP für den Markt und die europäischen Bürger ist.
Ein weiterer Grund für dieses Scheitern könnte die Zusammensetzung der DG COMP sein. Es wird geschätzt, dass fast 80 Prozent der Beamten Juristen sind und keine wirkliche Erfahrung in den Sektoren haben, die sie regulieren sollen. Ein Verständnis der wissenschaftlichen oder technologischen Hintergründe ist jedoch im 21. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung – um die Relevanz der eingeleiteten Untersuchungen zu bewerten und um zu antizipieren, was dem gesunden Wettbewerb wirklich schaden wird.
Zwei Beispiele, bei denen Brüssel fast nichts gesehen hat: Die Zustimmung zur 19-Milliarden-Übernahme von WhatsApp durch Facebook, bei der die DG COMP die Ansicht vertrat, dass “WhatsApp und Facebook Messenger keine Konkurrenten sind” (sic). Seitdem ist Meta (ehemals Facebook) weiterhin massiv Marktführer bei Instant Messaging.
Ein weiteres Beispiel ist die Zustimmung zu Googles Übernahme von Deepmind im Jahr 2014. Das britische Start-up hatte nur einen Umsatz von einigen Dutzend Millionen Pfund und war daher nicht Gegenstand einer eingehenden Untersuchung. Bei Deepmind konzentrierten sich aber schätzungsweise ein Drittel der besten europäischen KI-Talente. Diese Übernahme hat also den KI-Wettbewerb in Europa viel mehr gelähmt als jede andere Transaktion.
Die dadurch gewonnene Macht von Facebook und Google hat dennoch keineswegs zu Infragestellung bei der DG COMP geführt. Dabei ist es klar, dass Europa seine Industrie- und Wettbewerbspolitik, die im vergangenen Jahrhundert stehengeblieben ist, dringend auf den neuesten Stand bringen muss.
Weitere Beweise dafür sind die bislang fehlenden greifbaren Ergebnisse der “Missionen” im Forschungsbereich, der IPCEIs im industriellen Bereich oder unsere Unfähigkeit, eine schlagkräftige Antwort auf den Inflation Reduction Act zu finden. Die EU und die DG COMP brauchen dringend einen Chief Scientist oder einen Chief Strategist, statt einen weiteren Chief Economist.
In den vergangenen 15 Jahren ist das Pro-Kopf-BIP in den USA 60 Prozent schneller gewachsen als in der EU (in der Schweiz sogar circa 75 Prozent schneller). Und der ärmste Bundesstaat der USA (Mississippi) hat ein ähnliches Pro-Kopf-BIP wie Deutschland und ein höheres als Frankreich. Für die Zukunft unserer Demokratien ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir Institutionen, die heute ihren Bürgern keine bessere Zukunft mehr garantieren, grundlegend verändern.
Die DG COMP trägt eine eindeutige Verantwortung für den allgemeinen technologischen Niedergang Europas, in allen Bereichen: Digitales, Künstliche Intelligenz, Halbleiter, Cloud, Raumfahrt, Cyber. Kein europäisches Unternehmen – mit Ausnahme von LVMH – ist unter den Top 20 der wertvollsten Unternehmen der Welt. Die Wettbewerbsregeln schöpfen aus den wirtschaftlichen Konzepten des 20. Jahrhunderts (Marktanteile, Referenzmarkt), ohne die wichtigsten Erfolgsfaktoren des 21. Jahrhunderts wie Netzwerkeffekte, Talentakquise oder Skalierung zu berücksichtigen.
Wenn wir nicht wollen, dass die Europäer dem Populismus nachgeben, müssen wir eine strategische Vision der europäischen Technologieführerschaft haben. Wir müssen die wissenschaftliche Kompetenz von Politik und Institutionen stärken. Wir müssen aufhören, mit großen Ankündigungen ohne Folgen, und die Wirksamkeit der politischen Entscheidungen messen.
Schließlich müssen wir auch die Freude an Herausforderung und Fortschritt wiederfinden und den Bürgern, Unternehmern und der Zivilgesellschaft viel mehr Vertrauen schenken. Eine grundlegende Reform der DG COMP ist ein zentraler Baustein für eine europäische Industrie- und Innovationsstrategie für das technologische 21. Jahrhundert.
*GAFAMs: Google (Alphabet), Amazon, Facebook (Meta), Apple und Microsoft.
wenn das erste Solarpaket der Bundesregierung heute das Licht der Welt erblickt, dann werden ein paar hellgraue Wölkchen über Berlin schweben – zumindest metaphorisch. Denn wichtige Teile des anstehenden Kabinettsbeschlusses stehen unter Beihilfevorbehalt aus Brüssel.
Die Vergütung für Agri-PV, also die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für Photovoltaik, kann erst dann wie vorgesehen erhöht werden, wenn die EU-Kommission dies genehmigt hat. Bis dahin müssen zum Beispiel Obstbauern noch mit niedrigeren Zuschlägen auskommen, wenn sie ihre Himbeeren im Schutz von aufgeständerten Solarmodulen anbauen wollen. Unter Vorbehalt steht auch der zusätzliche Bonus für extensive Agri-PV, wenn Landwirte also weniger Stickstoffdünger verwenden, auf Herbizide verzichten und Blühstreifen anlegen.
Angesichts der überschaubaren Änderungen könnte die Genehmigung allerdings recht schnell kommen. Das deutlich umfangreichere EEG 2023 hatte die Kommission Ende vergangenen Jahres bewilligt – knapp ein halbes Jahr nach dem Beschluss des Bundestages.
An diesem Donnerstag konstituieren sich die Cortes (Kongress und Senat) und stimmen über den Vorsitz des Kongresses ab. Der bisher regierende Präsident Pedro Sánchez von den Sozialisten hofft, dass sich dabei das linke Lager durchsetzen kann. Die Wahl gilt als Gradmesser für die Regierungsbildung in dem Land. Doch dazu braucht Sánchez ausgerechnet die Hilfe von Separatistenführer Carles Puigdemont. Und der treibt den Preis für seine Unterstützung aktuell nach oben.
Puigdemont und seine Junts-Partei haben erklärt, dass sie erst Stunden vor der Abstimmung über den Kongressvorsitzenden festlegen werden, ob sie Sánchez Bündnis mit der Linkskoalition Sumar unterstützen. Damit erhöht der, vor der spanischen Justiz geflüchtete, katalanische Separatistenführer den Druck auf den Sozialisten.
Junts hat seinen Mitgliedern Schweigen und Diskretion in Bezug auf den Dialog mit Sánchez’ Partei (PSOE) auferlegt. Er wolle die Verhandlungen durch öffentliche Äußerungen, die Spekulationen verursachten, nicht stören, twitterte Puigdemont. Stattdessen forderte er “Geduld und Beharrlichkeit”. Die Zeitung El Español berichtet derweil mit Verweis auf ranghohe PSOE-Mitglieder, die Junts-Partei spiele nur “Theater”, indem sie die Verlautbarung bis Donnerstagmorgen hinauszögere, obwohl die Einigung für die Wahl des Kongressvorsitzes bereits feststünde.
Unmittelbar nach der Wahl am 23. Juli kündigte Junts an, einen Höchstpreis für die Unterstützung von Sánchez zu verlangen. Sie wollen eine Amnestie für alle, die in das für gesetzeswidrig erklärte katalanische Unabhängigkeits-Referendum vom 1. Oktober 2017 verwickelt waren. Außerdem wollen sie das Recht, über die Unabhängigkeit Kataloniens zu entscheiden, sowie den Erlass der 70 Milliarden Euro Schulden der Region. Die Amnestie soll für Dutzende katalanische Separatisten, ehemalige Beamte und Personen gelten, denen unter anderem Ungehorsam, Veruntreuung öffentlicher Gelder, Angriff auf die Staatsgewalt, Herstellung von Sprengstoff und Terrorismus vorgeworfen wird.
Eine Woche vor der Wahl hatte Puigdemont noch beteuert, dass Junts-Stimmen niemals dafür eingesetzt werden würden, Sánchez erneut zum Ministerpräsidenten zu machen. Sánchez lüge und halte sein Wort nicht, warf Puigdemont dem Chef der Sozialisten vor. Sánchez hatte seinerseits ebenfalls bereits vor den Wahlen deutlich gemacht, dass es “keine Amnestie und kein Referendum” geben werde, sollte er im Amt bleiben. Nun könnten beide ihre Wahlversprechen brechen.
Obwohl Sánchez sich als Wahlsieger hervortut, hatte die konservative Partido Popular (PP) um Parteichef Alberto Núñez Feijóo die Wahl gewonnen. Allerdings fehlen der Volkspartei die Bündnispartner für eine Mehrheit. Auch Sánchez lehnte die Einladung von Feijóo ab, das politische Patt nach den Wahlergebnissen gemeinsam zu überwinden. Feijóo wollte ein Treffen arrangieren zwischen den wichtigsten politischen Kräften, PP und PSOE, die 33 beziehungsweise 31 Prozent der Stimmen erhielten.
Stattdessen setzt sich Sánchez offenbar mit den Forderungen Puigdemonts auseinander, denn der Ton von Sánchez, seinen Ministern und Bündnispartnern der Sumar-Koalition deutet darauf hin, dass er um jeden Preis eine Regierung bilden will. Doch dafür braucht er Puigdemonts Unterstützung. Wenn Sánchez den Forderungen nachgibt, würde sein linkes Bündnis mit den sieben Abgeordneten der Junts eine knappe Mehrheit von 178 Sitzen erreichen – 176 braucht es für eine Mehrheit.
Als der US-Inflation Reduction Act (IRA) vor einem Jahr in Kraft trat, war die Aufregung groß. Das zunächst mit 369 Milliarden US-Dollar budgetierte Subventionsprogramm für die Ansiedlung grüner Industrien benachteilige europäische Hersteller und könnte zu einem Handelskrieg und einem Wettlauf um staatliche Subventionen führen, so die Befürchtungen.
Ein Jahr nach Inkrafttreten zeigt sich eine gemischte IRA-Bilanz:
Allerdings gibt es auch Zweifel an diesen Zahlen, die meist von Klima-Interessenvertretungen stammen. “Teilweise wurden Investitionsprojekte nach Inkrafttreten des IRA einfach noch mal angekündigt. Ein Teil der Investitionen wäre wahrscheinlich auch ohne IRA-Förderung realisiert worden“, sagt Niclas Poitiers, Research Fellow des Think-Tanks Bruegel gegenüber Table.Media.
Betrachtet man die Größe der US-Volkswirtschaft, seien 170.000 Arbeitsplätze nicht viel. In einigen Bereichen “fließen Milliarden-Subventionen, aber es werden nur sehr wenige Jobs geschaffen”, kritisiert Poitiers. Der Bruegel-Forscher warnt vor einem internationalen Subventionswettlauf, “an dessen Ende Milliarden bei großen Unternehmen landen könnten, aber kaum positive Effekte hinsichtlich Arbeitsplätzen und wirklich neuen Investitionen erzielt werden”.
Zu den Klimawirkungen des IRA herrscht mehr Einigkeit. Laut einem Science-Paper werde der IRA zu einer Emissionsreduktion von 43 bis 48 Prozent im Jahr 2035 im Vergleich zum Basisjahr 2005 beitragen. Ohne IRA-Maßnahmen würden die Emissionen nur um 27 bis 35 Prozent sinken. Die Studie basiert auf neun Berechnungen und zeigt recht deutlich den Klimanutzen des Subventionsprogramms. Durch reduzierte Kosten für grüne Technologien werde der IRA auch positive Klimawirkungen in andere Staaten haben, so Bruegel.
Allerdings könnten ausbleibende Investitionen in das teils marode Stromnetz die Wirkung des IRA schmälern. Wenn die USA die Energieübertragungskapazität nicht doppelt so schnell ausbaue wie im vergangenen Jahrzehnt, könnte gut die Hälfte des IRA-Klimaeffekts zunichtegemacht werden, zeigt eine Studie der Princeton Universität. Um die Klimaziele der USA zu erreichen, brauche es “robuste Vorschriften und zusätzliche Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene“, sagt Jesse Jenkins, IRA-Experte an der Princeton-Universität. Er nennt beispielsweise einen früheren Kohleausstieg und bessere Regulierungen im Land- und Forstwirtschaftssektor. Der Think-Tank BloombergNEF hatte kürzlich einen CO₂-Preis als zusätzliche Maßnahme angeführt, um den IRA zu ergänzen.
Poitiers von Bruegel hält fokussiertere Subventionen für sinnvoller als das Gießkannenprinzip des IRA: “Der Aufbau einer westlichen Solarindustrie führt nicht notwendigerweise dazu, dass auch nur ein Solarpanel mehr hergestellt wird, wenn es nur zu Produktionsverlagerungen kommt.” Poitiers schlägt stattdessen staatliche Investitionen in die Infrastruktur, wie beispielsweise E-Auto-Ladestationen oder in die Dekarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie oder den sozialen Ausgleich der Klimakosten vor.
Auch Nils Redeker, Vize-Direktor des Jacques Delors Centres für Europapolitik, mahnt gegenüber Table.Media zu zielgerichteteren Subventionen. Die USA lägen bei der Produktion grüner Technologien hinter China und Europa. Das Gießkannenprinzip des IRA lehnt auch Redeker ab: “Bei neuen Technologien wie Wasserstoff oder modernen Batterien können solche Subventionen den Aufbau wettbewerbsfähiger Industrien unterstützen. Bei etablierten Massenprodukten wie Solarzellen werden die USA den Vorsprung asiatischer Hersteller dagegen kaum aufholen können.”
Europa rät er, den IRA nicht direkt zu kopieren, sondern “fokussiert Sektoren zu fördern, bei denen man bereits einen Fuß in der Tür hat oder technologisch noch Entwicklungspotenzial besteht”. Die nächste EU-Kommission müsse eine bessere Antwort auf die industriepolitische Herausforderung finden. “Mittelfristig können wir das Problem durch nationale Beihilfen allein nicht lösen. Um den Binnenmarkt vor wirtschaftlicher Divergenz und unfairem Wettbewerb zu schützen, braucht es Koordinierung und Finanzierung auf EU-Ebene”. Das sei ein dickes Brett, aber eines, das die EU auf jeden Fall bohren müsse.
In den letzten Zügen der Legislatur arbeiten die EU-Institutionen zurzeit noch daran, förderwürdige Technologien im Net-Zero Industry Act (NZIA) festzulegen. Der NZIA soll die europäische Antwort auf den IRA sein. Die Kommission will auch etablierte Güter wie Photovoltaik und Windenergie einbeziehen. Aus der Wirtschaft und dem Parlament kommt allerdings immer wieder Kritik an dem NZIA. Der zuständige Berichterstatter im Europaparlament, Christian Ehler (CDU) kritisierte beispielsweise, die Ambitionen des NZIA und der neuen Finanzierungsplattform STEP stünden nicht im Einklang mit den dafür vorgesehen Finanzmitteln. Die Industrie sehe den NZIA nicht als gleichwertig mit dem IRA.
Wie hoch die Kosten des IRA in den kommenden Jahren werden, ist derweil noch unklar. Die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs gehen sogar davon aus, dass die Unternehmen in den kommenden zehn Jahren bis zu 1,2 Billionen US-Dollar an IRA-Steuervorteilen und Subventionen geltend machen könnten, um damit bis zu 2,9 Billionen US-Dollar an Investitionen zu leisten. Eine Brookings-Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Trotz dieser hohen Kosten könne der IRA “ein kosteneffizienter Anreiz für die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen sein”, so die Autoren. Die IRA-Anreize werden pro Tonne eingesparten CO₂ wahrscheinlich weniger als 100 US-Dollar kosten, was niedriger sei als die geschätzten Schäden durch Treibhausgase, die zwischen 100 und 380 Dollar pro Tonne liegen.
Ist es ein Sicherheitsrisiko, wenn europäische Netzbetreiber mit chinesischen Komponenten in ihren Mobilfunknetzen arbeiten? Über diese Frage streitet derzeit das Bundesinnenministerium mit den betroffenen Unternehmen. Jetzt zeichnet sich nach Informationen des Handelsblatts wenigstens in Deutschland ein Kompromiss ab. Demnach müssten Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone lediglich sicherheitskritische Teile austauschen.
Offiziell wollten die Unternehmen sich nicht zum Stand der Gespräche äußern. Experten halten es aber für wahrscheinlich, dass sich beide Seiten auf eine derartige Regelung einigen könnten. Denn diese Lösung wäre finanziell deutlich günstiger als der vollständige Ausbau. Außerdem wäre sie schneller umsetzbar und mit weniger Einschränkungen für den Betrieb verbunden.
So ein Kompromiss könnte auch als Vorlage für eine europäische Lösung dienen. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat immer wieder deutlich gemacht, dass er große Sicherheitsbedenken hat und lieber gar keine Technologie von Anbietern wie Huawei oder ZTE mehr in europäischen Netzen hätte – so wie die USA es ihren Unternehmen auferlegt haben.
Die Netzbetreiber – auch in Deutschland – wehren sich jedoch gegen die Verbannung von Huawei. Ein Ausbau aller chinesischen Komponenten würde nach Aussagen der Netzbetreiber auch den weiteren 5G-Ausbau bremsen. Experten halten die Kompromisslösung für technisch anspruchsvoll, aber machbar. Voraussetzung sei allerdings, dass Huawei entsprechende Schnittstellen bereitstellt. Das gilt angesichts der Alternative, in Europa gar kein Geschäft mehr zu machen, als recht wahrscheinlich. vis
Chinesische Hersteller machen deutschen Herstellern auf ihrem Heimatmarkt in der Europäischen Union zunehmend das Leben schwer. Das zeigt eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Demnach machten deutsche Produkte zur Jahrtausendwende rund 14 Prozent an den gesamten EU-Importen aus, 2022 waren es nur noch 12,5 Prozent. Im selben Zeitraum stieg der Anteil chinesischer Waren von 2,6 Prozent auf 8,8 Prozent an.
Besonders drastisch sei die Entwicklung ausgerechnet bei deutschen Exportschlagern wie Maschinen, chemischen Produkten, Metallerzeugnissen und Autos, bilanziert die IW-Studie. Das Forschungsinstitut warnt daher, dass Deutschlands Wirtschaftsmotor ins Stocken geraten könne. “Diese Ergebnisse sind angesichts der Herausforderungen der Energiewende und der Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands besorgniserregend“, sagte der IW-Forscher Jürgen Matthes.
Zu den Herausforderungen, die die Studie auflistet, gehören die chinesische Staatssubvention für Unternehmen, die mit deutschen Firmen in der EU konkurrieren. Zugleich schwächten die hohen Energiekosten nach dem Verlust des russischen Gases energieintensive Sektoren in Deutschland wie die Chemie. Auch die Automobilexporte seien von den hohen Energiepreisen betroffen, zeitgleich erobern chinesische Firmen mit ihren E-Autos zunehmend den EU-Markt, sagt Matthes. rtr/lei
Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, fordert mehr Unterstützung von der EU und der Bundesregierung. Während der internationale Standortwettbewerb immer härter geführt werde, fehle es in Berlin und Brüssel zu oft an Geschwindigkeit und praxisnahen Konzepten. Die Politik verliere sich in immer mehr Regeln und Auflagen. “Und wenn es Hilfen gibt, dann leider oftmals mit maximalem bürokratischen Aufwand”, sagte die VDA-Präsidentin.
Die Bundesregierung und die EU seien aufgerufen, schnellstmöglich die Rahmenbedingungen für den deutschen und den europäischen Standort zu verbessern. “Wir brauchen weniger Bürokratie, mehr Handelsabkommen, ein konkurrenzfähiges Steuer- und Abgabensystem und einfachere und schnelle Genehmigungsverfahren”, sagte Müller. Zudem müsse die Energie- und Rohstoffversorgung mit internationalen Partnerschaften abgesichert werden, um Deutschland und Europa unabhängiger und Lieferketten resilienter zu machen.
Müller sagte, die Automobilbranche stehe vor ihrer bisher größten unternehmerischen Herausforderung. Die Branche stelle sich dem Wandel mit aller Innovationskraft und Verantwortung für die Beschäftigten. “Doch zur Wahrheit gehört auch: Das allein reicht nicht”, sagte Müller. dpa/lei
Lettland könnte im Herbst mit dem Export ukrainischen Getreides über seine Häfen beginnen. Das Volumen könnte bis zu einer Million Tonnen pro Jahr erreichen, sagte Rinalds Pļavnieks, der Vorstandsvorsitzende der lettischen Eisenbahnen am Dienstag gegenüber dem lettischen Rundfunk. “Gerade jetzt bietet sich eine Gelegenheit für den Transport ukrainischen Getreides.”
Ganz einfach ist das Unterfangen nicht. Das Getreide müsse durch Polen transportiert werden, das eine andere Spurweite als Lettland und die Ukraine hat und dadurch zwei Umladevorgänge erfordert. Das wiederum schlägt sich in höheren Kosten nieder. Der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins hatte gegenüber Table.Media von der EU gefordert, einen Teil der Transportkosten für ukrainisches Getreide zu übernehmen.
“Wir gehen davon aus, dass etwa 500.000 bis eine Million Tonnen pro Jahr über diesen Transitkorridor transportiert werden könnten”, sagte Pļavnieks weiter. Hintergrund für die Anstrengungen ist der Rückzug Russlands aus dem Schwarzmeer-Abkommen. Das Abkommen hatte die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer ermöglicht. Die Ukraine ist einer der weltweit größten Exporteure von Getreide und auch wirtschaftlich stark darauf angewiesen. Im vergangenen Jahr kam die Ukraine auf knapp 60 Millionen Tonnen Getreideernte.
Letzten Monat hat Litauen die Europäische Kommission gebeten, eine Route für ukrainisches Getreide über fünf Häfen in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen zu entwickeln. Die fünf Häfen haben zusammen eine jährliche Getreideexportkapazität von 25 Millionen Tonnen, heißt es in einem Schreiben. rtr/lei
Die lettische Verteidigungsministerin Ināra Mūrniece hat am Dienstag die Armee angewiesen, die Grenze des baltischen Landes zum russischen Verbündeten Belarus zu bewachen. Zuvor hatten 96 Menschen binnen 24 Stunden versucht, unerlaubt die Grenze zu überqueren. Auch Beamte des Grenzschutzes wurden aus ihrem Urlaub zurückgerufen, um bei den Patrouillen zu helfen.
Lettland habe “Informationen über eine mögliche Zunahme hybrider Bedrohungen“, hießt es vom Grenzschutz in einer Erklärung. Belarussische Behörden seien zunehmend in die Organisation des Stroms illegaler Einwanderer involviert, hieß es weiter.
Die EU-Mitglieder Lettland, Litauen und Polen, die eine gemeinsame Grenze mit Belarus haben, sind zunehmend besorgt über die Grenzübertritte, seit Hunderte russische Wagner-Söldner letzten Monat auf Einladung von Präsident Alexander Lukaschenko nach Belarus kamen. Lukaschenko hat mehrfach erklärt, dass er Wagner-Kämpfer, die Polen angreifen wollen, zurückhalte.
Auch Polen plant die Verlegung von bis zu 10.000 zusätzlichen Soldaten an die Grenze zu Belarus, um den Grenzschutz zu unterstützen, kündigte Verteidigungsminister Mariusz Błaszczakam in der vergangenen Woche an. rtr/lei
Die ursprünglich geplante Ernennung von Fiona Scott Morton zur Chefökonomin der Generaldirektion Wettbewerb (DG COMP) hat wegen ihrer Nationalität und des Risikos von Interessenkonflikten aus ihren früheren Funktionen – Antitrust der Obama-Regierung, Beraterin für Apple und Microsoft – eine intensive Kontroverse ausgelöst. Abgesehen von der Polemik muss ein wenig erwähntes Problem unterstrichen werden, das die DG COMP betrifft: die seit mehr als 20 Jahren andauernde volle Ergebnislosigkeit im Bereich Digitalisierung und Technologie dieses “Staates im Staat” innerhalb der Europäischen Kommission.
Ihr Versagen liegt auf verschiedenen Ebenen. Da sind etwa die fehlenden Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Entstehung gigantischer digitaler Monopole. Von den 25 Milliarden Euro Bußgeldern in den vergangenen 15 Jahren wurden nur etwa 3,5 Milliarden Euro wirklich gezahlt (weniger als 1,5 Prozent des Nettogewinns der GAFAMs* im Jahr 2022 allein). Die Marktkapitalisierung der sieben größten Tech-Unternehmen beläuft sich auf elf Billionen US-Dollar, wovon vier Billionen in 2022 allein hinzukommen sind. Dies wirft die Frage auf, wie effektiv die DG COMP für den Markt und die europäischen Bürger ist.
Ein weiterer Grund für dieses Scheitern könnte die Zusammensetzung der DG COMP sein. Es wird geschätzt, dass fast 80 Prozent der Beamten Juristen sind und keine wirkliche Erfahrung in den Sektoren haben, die sie regulieren sollen. Ein Verständnis der wissenschaftlichen oder technologischen Hintergründe ist jedoch im 21. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung – um die Relevanz der eingeleiteten Untersuchungen zu bewerten und um zu antizipieren, was dem gesunden Wettbewerb wirklich schaden wird.
Zwei Beispiele, bei denen Brüssel fast nichts gesehen hat: Die Zustimmung zur 19-Milliarden-Übernahme von WhatsApp durch Facebook, bei der die DG COMP die Ansicht vertrat, dass “WhatsApp und Facebook Messenger keine Konkurrenten sind” (sic). Seitdem ist Meta (ehemals Facebook) weiterhin massiv Marktführer bei Instant Messaging.
Ein weiteres Beispiel ist die Zustimmung zu Googles Übernahme von Deepmind im Jahr 2014. Das britische Start-up hatte nur einen Umsatz von einigen Dutzend Millionen Pfund und war daher nicht Gegenstand einer eingehenden Untersuchung. Bei Deepmind konzentrierten sich aber schätzungsweise ein Drittel der besten europäischen KI-Talente. Diese Übernahme hat also den KI-Wettbewerb in Europa viel mehr gelähmt als jede andere Transaktion.
Die dadurch gewonnene Macht von Facebook und Google hat dennoch keineswegs zu Infragestellung bei der DG COMP geführt. Dabei ist es klar, dass Europa seine Industrie- und Wettbewerbspolitik, die im vergangenen Jahrhundert stehengeblieben ist, dringend auf den neuesten Stand bringen muss.
Weitere Beweise dafür sind die bislang fehlenden greifbaren Ergebnisse der “Missionen” im Forschungsbereich, der IPCEIs im industriellen Bereich oder unsere Unfähigkeit, eine schlagkräftige Antwort auf den Inflation Reduction Act zu finden. Die EU und die DG COMP brauchen dringend einen Chief Scientist oder einen Chief Strategist, statt einen weiteren Chief Economist.
In den vergangenen 15 Jahren ist das Pro-Kopf-BIP in den USA 60 Prozent schneller gewachsen als in der EU (in der Schweiz sogar circa 75 Prozent schneller). Und der ärmste Bundesstaat der USA (Mississippi) hat ein ähnliches Pro-Kopf-BIP wie Deutschland und ein höheres als Frankreich. Für die Zukunft unserer Demokratien ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir Institutionen, die heute ihren Bürgern keine bessere Zukunft mehr garantieren, grundlegend verändern.
Die DG COMP trägt eine eindeutige Verantwortung für den allgemeinen technologischen Niedergang Europas, in allen Bereichen: Digitales, Künstliche Intelligenz, Halbleiter, Cloud, Raumfahrt, Cyber. Kein europäisches Unternehmen – mit Ausnahme von LVMH – ist unter den Top 20 der wertvollsten Unternehmen der Welt. Die Wettbewerbsregeln schöpfen aus den wirtschaftlichen Konzepten des 20. Jahrhunderts (Marktanteile, Referenzmarkt), ohne die wichtigsten Erfolgsfaktoren des 21. Jahrhunderts wie Netzwerkeffekte, Talentakquise oder Skalierung zu berücksichtigen.
Wenn wir nicht wollen, dass die Europäer dem Populismus nachgeben, müssen wir eine strategische Vision der europäischen Technologieführerschaft haben. Wir müssen die wissenschaftliche Kompetenz von Politik und Institutionen stärken. Wir müssen aufhören, mit großen Ankündigungen ohne Folgen, und die Wirksamkeit der politischen Entscheidungen messen.
Schließlich müssen wir auch die Freude an Herausforderung und Fortschritt wiederfinden und den Bürgern, Unternehmern und der Zivilgesellschaft viel mehr Vertrauen schenken. Eine grundlegende Reform der DG COMP ist ein zentraler Baustein für eine europäische Industrie- und Innovationsstrategie für das technologische 21. Jahrhundert.
*GAFAMs: Google (Alphabet), Amazon, Facebook (Meta), Apple und Microsoft.