es ist wohl ein Novum: Ohne Deutschland und Frankreich, die beiden größten Mitgliedstaaten, haben die EU-Arbeitsminister am Montag neue Regeln für Arbeiter auf großen Online-Plattformen auf den Weg gebracht. Paris stimmte gegen die Richtlinie, die insbesondere Scheinselbstständigkeit bei Liefer- und Fahrdiensten wie Uber verhindern soll. Die Ampelkoalition hatte sich enthalten, auf Druck der FDP. Mehr lesen Sie in der Analyse meiner Kollegin Alina Leimbach.
Am Mittwoch wird die Bundesregierung wohl erneut in Brüssel überstimmt. Da befassen sich die stellvertretenden EU-Botschafter in Brüssel mit der Trilogeinigung zum Verbot für Produkte aus Zwangsarbeit. Bundesfinanzminister Christian Lindner lehne das Vorhaben unter Verweis auf Bürokratielasten für Unternehmen weiter ab, heißt es in der Ampelkoalition. In BMF-Kreisen heißt es, man prüfe noch. Auch ohne die deutsche Stimme werde aller Voraussicht nach eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für das Gesetz stimmen, heißt es in Brüssel.
Die Verordnung soll erreichen, dass in Zwangsarbeit hergestellte Produkte nicht mehr auf dem EU-Binnenmarkt verkauft werden. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation wurden im Jahr 2021 rund 27,6 Millionen Menschen zur Arbeit gezwungen. Am kommenden Dienstag will die ILO eine neue Studie vorstellen, der Titel: “Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour”.
Ich wünsche Ihnen eine erhellende Lektüre.
Nach mehr als drei Jahren Arbeit haben am Montag 25 Arbeitsminister der EU-Staaten ihr grünes Licht für die Plattformarbeitsrichtlinie gegeben – und damit die größten EU-Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich überstimmt. Frankreich stimmte gegen die Richtlinie, Deutschland enthielt sich wie auch bei den Abstimmungen zuvor. Die notwendige qualifizierte Mehrheit von 65 Prozent der Bevölkerung wurde dennoch erreicht. Das Dossier galt als so kompliziert, dass es nun auf die Ministerebene gehoben wurde. Laut Table.Briefings-Informationen hat es keine Nebenabstimmungen mit Griechenland und Estland gegeben, um deren Zustimmung zum Gesetz zu ermöglichen.
Dass eine Richtlinie gegen den Willen Frankreichs und Deutschlands eine Mehrheit im Rat erhält, gilt als Novum auf EU-Ebene, an das sich auch erfahrene Parlamentarier so nicht erinnern können. Der Grund: Beide Länder bringen zusammen fast alleine die notwendige Sperrminorität auf, um Entscheidungen im Rat zu verhindern.
Die Plattformarbeitsrichtlinie gibt weltweit erstmals Spielregeln für algorithmisches Management vor und soll ein Instrument gegen Scheinselbstständigkeit auf den großen Digitalplattformen wie Uber und FreeNow sein. Zentraler Aspekt ist die darin vorgesehene Beweislastumkehr. Wird in einem Staat, eine sogenannte Beschäftigungsvermutung eingeleitet, die besagt, dass ein Plattformarbeiter in Wahrheit ein Angestellter sein könnte, sollen die Plattformen künftig das Gegenteil beweisen. Die Regeln zum algorithmischen Management besagen, dass es etwa keine automatisierten Kündigungen geben darf, ohne dass ein Mensch darüber geschaut hat.
Die EU-Kommission schätzt, dass etwa fünf Millionen der rund 30 Millionen Plattformarbeitenden in der EU in Wahrheit Angestellte sein könnten. Damit hätten sie etwa Anrecht auf Mindestlöhne, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub.
In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder juristische Auseinandersetzungen mit großen Digitalplattformen wegen Scheinselbstständigkeitsvorwürfen gegeben. Oft sind diese zugunsten einzelner Arbeiter ausgegangen, die zuvor als Selbstständige geführt wurden. Die Beweislastumkehr soll den oft prekär beschäftigten Essenskurieren oder Fahrdienstleistern helfen, im Rechtsstreit gegen multinationale Konzerne zu ihrem Recht zu kommen. EU-einheitliche Kriterien, die zur Einleitung des Anfangsverdachts führen sollten, waren nach Ablehnung einiger Mitgliedstaaten aus dem Text gestrichen worden.
Der deutsche Schattenberichterstatter Dennis Radtke (CDU) hatte die Richtlinie mitverhandelt und sich auch für eine Zustimmung unter Christdemokraten starkgemacht. Er sagte Table.Briefings: “Die Beweislastumkehr ist ein echter Game-Changer.” Auch mit den in der Richtlinie enthaltenen Regeln zum algorithmischen Management schaffe man nun erstmals notwendige Standards für die digitale Arbeitswelt, so der CDU-Politiker.
Die Europaabgeordnete Gaby Bischoff (SPD) sagte, man schreibe mit dieser Vereinbarung Geschichte für ein soziales Europa. “Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Rekordumsätze auf dem Rücken der Plattformarbeiterinnen erwirtschaftet, die häufig als Scheinselbstständige ohne soziale Absicherung für sie arbeiteten.”
Blockiert hatten das Vorhaben am Ende nur die liberale französische Regierung und die FDP innerhalb der Bundesregierung. Auf Drängen der FDP musste sich der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil am Montag enthalten. In Brüssel freute er sich allerdings über die Einigung: “Ich bin sehr froh, dass heute eine Einigung auf die EU-Plattformrichtlinie geglückt ist.”
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel hatte die vorgesehenen Plattformregeln vor der Abstimmung als “einen Angriff auf alle Selbstständigen in Europa” bezeichnet. Kritik an der Richtlinie kam am Montag auch vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). Dort hieß es: “Der Plattformbegriff der Richtlinie ist so weit gefasst, dass er Hunderttausende Menschen betreffen wird, die sich nicht als Plattformarbeitende sehen, gerne selbstständig sind und dies auch bleiben wollen.”
Der Verband hätte sich sogar europaweit einheitliche Kriterien gewünscht, weil es in Deutschland nach Sicht des VGSD an solchen klaren Kriterien zum Thema Scheinselbstständigkeit derzeit mangele. Beobachter halten es aber für unwahrscheinlich, dass mit dem neuen Gesetz “Schein-Angestellte” entstehen, da die Statusfeststellung über Gerichte läuft.
An der deutschen und französischen Haltung hatte es immer wieder Kritik gegeben. Macron war gar als “Ubers Cheflobbyist” in Europa bezeichnet worden. Aber auch die deutsche Enthaltung hatte Kopfschütteln verursacht. Immerhin wird die Bundesregierung vom sozialdemokratischen Kanzler Olaf Scholz angeführt. Entsprechend sagte auch CDU-Politiker Radtke: “Das ist eine historische Klatsche für die Bundesregierung, die sich nun gegen 25 andere Staaten gestellt und eine historische Einigung an der Kette einer Kleinstpartei fast verhindert hat.”
Nun muss das EU-Parlament dem Kompromiss noch zustimmen. Dies gilt als Formsache und wird voraussichtlich in der letzten Plenarwoche vor der Europawahl im April geschehen. Mit Markus Grabitz
Der Vorsitzende des Mitte-Rechts-Bündnisses Demokratische Allianz (AD), Luis Montenegro, machte einen besorgten Eindruck, als er am Sonntag in der Öffentlichkeit seinen Sieg verkündete. Er lächelte kaum angesichts der schwierigen Aufgabe, eine Minderheitsregierung bilden zu müssen. Die AD hat die Wahl mit 29,49 Prozent (79 Sitze) gegenüber 28,66 Prozent (77) der Sozialisten zwar gewonnen. Doch mit einem so dünnen Ergebnis wird es für Montenegro schwierig sein, eine stabile Regierung zu führen. Einen Pakt mit der rechtsextremen Chega-Partei, die mit 18 Prozent der Stimmen den dritten Platz belegte, lehnt er ab.
Der Vorsitzende der Sozialisten (PS) Pedro Nuno Santos kündigte an, dass er eine Minderheitsregierung von Montenegro nicht verhindern werde und seine Partei in die Opposition gehe, da sie keine alternative Exekutive bilden könne.
Zu der Möglichkeit, dass die PS einen von einer AD-Regierung vorgelegten Staatshaushalt für 2025 durchwinken könnte, sagte Santos, ein solches Szenario sei “praktisch unmöglich”: “Es lohnt sich nicht, Druck auf die PS auszuüben, wir werden die Opposition anführen, wir sind nicht diejenigen, die eine AD-Regierung unterstützen werden”.
Die neue Regierung läuft nicht nur ständig Gefahr, gestürzt zu werden, sondern ist auch in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. “Es wird eine große Dialogfähigkeit erforderlich sein”, sagte Montenegro, der alle Parteien, insbesondere die PS, aufforderte, “Verantwortung zu zeigen”. Die einzige Garantie, die die PS gibt, ist jedoch, die Regierung nicht gleich zu Beginn zu stürzen.
Da der Sieg Montenegros derart knapp ausfiel, muss das Ergebnis der Abstimmung der im Ausland lebenden Portugiesen zudem noch abgewartet werden, das erst am 20. März feststeht. Montenegro rechnet dennoch damit, dass Präsident Marcelo Rebelo de Soussa ihn um die Bildung einer Regierung bitten wird. Der Präsident wird sich kommende Woche mit den Parteiführern treffen – am Montag mit Chega, am Dienstag mit der PS und am Mittwoch mit der AD.
Wie bereits im Wahlkampf versprochen hat Montenegro am Wahlabend bekräftigt, dass er keinen Pakt mit der ultrarechten Chega-Partei von Andre Ventura eingehen wird, die mit 18 Prozent (48 Sitze) ihre Stimmenzahl vervierfachen konnte und somit der große Gewinner der Wahl ist. Im Falle einer Minderheitsregierung dürfte Montenegro für mögliche Beschlüsse jedoch auf Ventura angewiesen sein. Der Sozialist Santos räumte auch ein, dass Chega “ein beeindruckendes Ergebnis erzielt hat, das nicht ignoriert werden kann” und fügte hinzu, dass “18 Prozent der portugiesischen Wähler nicht rassistisch oder fremdenfeindlich sind, aber es gibt viele wütende Portugiesen”.
Der Chega-Vorsitzende Ventura sprach seinerseits von einem “historischen Tag” und dem “Ende der Zweiparteienherrschaft” und sagte, die Portugiesen hätten ihnen eine Mehrheit gegeben. “Wir wären völlig unverantwortlich, wenn wir sie nicht mit einer Regierung verwirklichen würden, die hoffentlich morgen gebildet werden kann”. Ventura behauptet, die Chega sei die “am meisten verfolgte Partei in der gesamten Geschichte der Demokratie”. Er hoffe, dass “einige Journalisten und Kommentatoren ein paar Worte schlucken”.
Die Wahlbeteiligung am Sonntag war die höchste seit 2015. Bis 16 Uhr hatten 51,96 Prozent der Wähler ihre Stimme abgegeben, mehr als am gesamten Tag der Wahlen von 2022, wie das portugiesische Innenministerium mitteilte. Diese Zahlen übertrafen die Wahlbeteiligung der letzten Parlamentswahlen um sechs Prozentpunkte. Am Ende lag die Wahlbeteiligung bei 66 Prozent.
In der europäischen Solarindustrie herrscht Katerstimmung. Chinesische Konkurrenten überschwemmen den Weltmarkt mit staatlich geförderten Modulen zu Dumpingpreisen. Europäische Anbieter verlieren durch den Preisverfall immer stärker an Wettbewerbsfähigkeit. Die Firma Meyer Burger, der wichtigste europäische Produzent, droht mit Abzug in die USA, wo Subventionen winken. In Deutschland bitten auch Zulieferer die Bundesregierung um Hilfe. Komme die nicht, drohe auch hier das Aus.
Auch die EU-Kommission will den Kater nicht lindern. Sie plant weder Handelsbeschränkungen gegen chinesische Module noch neue Subventionen, wie EU-Kommissare jüngst deutlich gemacht haben. Die Kommission sieht vielmehr die Mitgliedsstaaten in der Pflicht. Denn die Ziele sind hochgesteckt: Die EU-Staaten wollen mit ihrem Net-Zero Industry Act (NZIA) bis 2030 eine europäische Solarindustrie aufbauen, die 40 Prozent des heimischen Bedarfs decken kann – und zwar in allen Schritten der Wertschöpfungskette. Dadurch soll die Abhängigkeit von China gesenkt werden, das bisher 80 bis 95 Prozent der globalen Produktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette abdeckt.
Experten halten das 40-Prozent-Ziel weder für realistisch noch für sinnvoll. Es gebe weder genug Bereitschaft für Investitionen in neue Fabriken, noch die notwendigen Anreize für Investitionen, um das 40-Prozent-Ziel zu erreichen, sagt Antoine Vagneur-Jones, Solarexperte des Analyseunternehmens BloombergNEF, zu Table.Briefings. “Der Bau von Solarfabriken in Europa ist etwa drei- bis viermal so teuer wie in China. Die Produktion ist mit einem beträchtlichen Kostenaufschlag verbunden”, so Vagneur-Jones.
Laut optimistischen Schätzungen der EU-Kommission würde es 7,5 Milliarden Euro kosten, um eine Industrie mit den nötigen Kapazitäten aufzubauen. Der Verband Solar Power Europe geht hingegen von nötigen Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro aus, die zudem bis 2025 getätigt werden müssten, wie Marie Tamba, Senior Research Analyst der Rhodium Group, sagt.
Um eine nennenswerte Industrie aufzubauen, müsste Europa “die Investitionen und Betriebskosten von Solarherstellern massiv subventionieren”, sagt Jenny Chase, langjährige Solaranalystin von BloombergNEF zu Table.Briefings. Die Produktionskosten von Meyer Burger liegen ihr zufolge bei über 40 US-Cent pro Watt – der Marktpreis allerdings nur bei etwas über 11 US-Cent. Chase bedauert: Meyer Burger hätte viel Erfahrung. Es sei ein “schwerer Schlag, wenn sie sich zurückziehen”.
Analysten des Thinktanks Bruegel bezweifeln, dass das 40-Prozent-Ziel überhaupt sinnvoll ist. “Vollständige Herstellungsprozesse erfordern energie- und kapitalintensive Investitionen, bei denen Europa keinen Vorteil hat“, schreiben die Analysten. So ist beispielsweise die Herstellung von Polysilizium, Ausgangsstoff von Solarzellen, sehr energieintensiv. Auf dem Solarmarkt herrsche schon heute ein massives Überangebot an Solarmodulen. “Die Subventionierung zusätzlicher Produktion hat keinen Nutzen für das Klima”, so das Fazit der Bruegel-Analysten. Auch Chase hat ihre Zweifel: “Die Solarindustrie ist ein schwieriges Geschäftsfeld. Der Wettbewerb ist brutal.” Die neuesten Fabriken hätten die beste Technologie und somit Wettbewerbsvorteile. Ältere Hersteller hätten große Nachteile, weil das Equipment schnell überholt werde.
Chase schätzt, dass sich die Energiewende im Bereich Solarenergie um “vielleicht 50 Prozent” verteuern würde, wenn Europa die Abhängigkeit von chinesischen Modulen nennenswert verringern würde. Aus diesem Grund werde das auch kaum passieren, so die Einschätzung der BloombergNEF-Expertin.
Auch die Analysten der Energie-Beratungsfirma Wood Mackenzie gehen von einem massiven Preisaufschlag aus. Im letzten Jahrzehnt seien die Kosten für Solarmodule um 85 Prozent gefallen. “Der Ausbau der chinesischen Produktionskapazitäten im Bereich der sauberen Technologien ist das Herzstück dieser Entwicklung”, schreiben sie in einer aktuellen Analyse. Ohne China wären die “massiven Kostensenkungen, an die wir uns gewöhnt haben, vorbei”, so die Einschätzung der Berater. Allein Deutschland habe durch die globalisierte Solarlieferkette zwischen 2008 und 2020 circa sieben Milliarden US-Dollar gespart, wie eine Nature-Studie aus dem Jahr 2022 zeigt.
Selbst wenn weitere Risiken, die mit einer hohen Abhängigkeit von China einhergehen, beachtet würden, “überwiegen bei der Solarindustrie erst einmal die Vorteile billiger Importe”, sagt Tobias Gehrke, Senior Policy Fellow des Thinktanks European Council on Foreign Relations. “Die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Risiken sind zusammengenommen wohl zu gering, um den Nachteil der fehlenden europäischen Wettbewerbsfähigkeit unbedingt ausbügeln zu müssen”, so der Analyst und Experte für den Wettbewerb der Großmächte in der Weltwirtschaft.
Antoine Vagneur-Jones von BloombergNEF fasst die Situation zusammen: “Die Überkapazitäten im Solarsektor sind gut für die Energiewende: Sie machen alles billiger. Aber sie machen die wirtschaftlichen Argumente für den Aufbau einer eigenen Solarindustrie noch schwächer.”
Um unabhängiger von China zu werden, schlagen die Bruegel-Analysten den Aufbau von Lagerbeständen an Solarmodulen und eine Diversifizierung der Handelsbeziehungen vor. Derzeit bauen beispielsweise die USA und Indien eine eigene Solarindustrie auf. Lagerbestände von etwa 30 Prozent der Marktnachfrage könnten zu einer gewissen Flexibilität führen, sollte China den Verkauf von Modulen tatsächlich einmal abrupt stoppen, so die Bruegel-Analysten. “Die Diversifizierung der Einfuhren ist ein wirksameres und effizienteres Instrument als die Importsubstitution”, schreiben sie.
Chase ist allerdings anderer Meinung. Wenn die EU-Staaten mehr aus den USA oder Indien importieren wollten, müssten sie “für schlechtere Produkte mehr Geld bezahlen als für solche aus China”. Ihr Kollege Antoine Vagneur-Jones sagt, auch die US-Hersteller litten unter Überkapazitäten, und erste angekündigte Investitionen würden schon wieder zurückgezogen – trotz US-Förderung.
Laut BloombergNEF werde wohl nur etwa die Hälfte der angekündigten US-Solarinvestitionen in Höhe von 60 Gigawatt für das Jahr 2024 tatsächlich gebaut. Fast ein Viertel der geplanten Investitionen stammt ironischerweise von chinesischen Herstellern, die nun auch in den USA Subventionen erhalten. Indien könnte eher ein Exporteur in Richtung Europa werden, sagt Elissa Pierce, Research Associate der Energieberatungsagentur Wood Mackenzie. “Bei einem Preis von 20 US-Cent pro Watt sind indische Module für europäische Käufer attraktiver als US-Module”, sagt die Analystin. Die US-Module lägen derzeit bei 35 Cent pro Watt.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings für die Solarmodul-Produktion von Meyer Burger im sächsischen Freiberg. Das Unternehmen “1Komma5°”, ein Anbieter von Solaranlagen, Wärmepumpen, Stromspeichern und Wallboxen, scheint die Produktionsanlagen übernehmen zu wollen, sollte Meyer Burger das Werk tatsächlich aufgeben.
Als Soforthilfe fordern die Grünen im EU-Parlament “ein Sofort-Programm, um den akut betroffenen Unternehmen ihre Solarpanels abzukaufen und damit beispielsweise Schuldächer auszustatten”, wie der Abgeordnete Michael Bloss sagt. Um den Absatz zu fördern, brauche es in Deutschland Resilienz-Ausschreibungen. Dabei würden Käufer von europäischen Modulen einen Zuschuss erhalten.
Neue Werke könnte die Bundesregierung außerdem mit einer neuen gesetzlichen Möglichkeit aus dem Net-Zero Industry Act schnell genehmigen – in speziellen Beschleunigungsgebieten, in denen private Investoren von Bürokratie und damit auch Kosten entlastet würden. “Die Bundesregierung muss investieren, um Deutschland für die produzierende Industrie wieder attraktiv zu machen, beispielsweise durch die Einrichtung von Net-Zero Acceleration Valleys“, sagt der CDU-Europaabgeordnete Christian Ehler, der den NZIA für das Parlament verhandelt hat. Mit Manuel Berkel
13.03.2024 – 09:30-18:00 Uhr, online
IHK Nürnberg, Conference IPEC 2024 – Catalyzing Change: Industry Transformation through AI and Circular Economy
The International Chamber of Commerce (IHK) Nürnberg is holding a conference on digitalization and sustainability with reference to the UN Sustainable Development Goals which aims to promote networking and knowledge exchange between companies from Bavaria and international companies and research institutions. INFO & REGISTRATION
13.03.2024 – 11:15 Uhr, online
EBD, Diskussion EBD De-Briefing ECOFIN & Euro-Gruppe
Zur Nachbereitung des Treffens der EU-Wirtschafts- und Finanzminister und der Euro-Gruppe am 11. und 12. März lädt die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) Dr. Judith Hermes ein, Leiterin der Abteilung Europapolitik und Internationale Finanzpolitik im Bundesministerium der Finanzen. INFOS
13.03.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
EUI, Panel Discussion Navigating the Path Towards EU Climate Neutrality
The European University Institute (EUI) will present and discuss the findings of the recently released report ‘Towards EU climate neutrality: progress, policy gaps and opportunities’ by the European Scientific Advisory Board on Climate Change (ESABCC). INFO & REGISTRATION
14.03.-15.03.2024, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Environmental Law 2024
The European Law Academy’s (ERA) conference aims to facilitate exchange and update law specialists on the latest developments regarding legislation, case law and best practice in European environmental law. INFO & REGISTRATION
14.03.-15.03.2024, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Public Procurement Law 2024
This European Law Academy (ERA) conference provides legal practitioners with an update on the most recent developments in the field. Special attention will be paid to the latest initiatives of the European Commission and recent case law of the Court of Justice of the EU on topics including sustainable procurement. INFO & REGISTRATION
14.03.2024 – 08:30-17:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Seminar Incentivising hydrogen demand: Critical challenges and opportunities
The seminar organised by the European Roundtable of Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) covers different aspects of how to create hydrogen demand and catalyse an international hydrogen market. INFO
14.03.2024 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
bpb, Seminar Handlungsräume im autoritären Russland
Die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) wirft einen Blick auf die aktuelle Situation der Bevölkerung in Russland und welche politischen und zivilgesellschaftlichen Handlungsräume noch existieren. INFOS & ANMELDUNG
14.03.2024 – 19:00 Uhr, online
HSS, Vortrag N – wie Nachhaltigkeit und Klimapolitik
Als Teil einer Veranstaltungsreihe zur EU geht die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) der Frage nach, wie nah die EU ihren Klimazielen ist und was zu deren Erreichung noch getan werden muss. INFOS & ANMELDUNG
CDU und CSU erteilen einer erneuten Schuldenaufnahme durch die EU eine Absage. “Die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung des Corona-Wiederaufbauprogramms in der Notlage der Pandemie muss eine Ausnahme bleiben”, heißt es in dem gemeinsamen Wahlprogramm, das die Präsidien von CDU und CSU in einer gemeinsamen Sitzung beschlossen haben. Damit widersprechen die beiden Parteien Forderungen aus südeuropäischen Mitgliedstaaten nach einer weiteren Verschuldung der EU im nächsten Mandat. Es gibt offenbar Überlegungen in der Kommission, im nächsten Mandat eine gemeinsame Beschaffung von Waffen durch die Mitgliedstaaten über Kredite zu finanzieren.
Das gemeinsame Programm, das die Parteichefs Friedrich Merz und Markus Söder, EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen und EVP-Fraktions- und Parteichef Manfred Weber vorstellten, sieht die Möglichkeit vor, zum Schutz der EU-Außengrenzen auch einen Zaun zu bauen: “Wir brauchen eine bessere Überwachung der EU-Außengrenzen und – wo immer es nötig ist – auch baulichen Grenzschutz.”
Wie im Manifesto der europäischen Parteienfamilie EVP will auch die Union Asylverfahren künftig in sicheren Mitgliedstaaten durchführen lassen. “Jeder, der in der EU Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat außerhalb der EU gebracht werden und dort ein Verfahren durchlaufen.” Wenn das Drittstaatenkonzept erfolgreich etabliert sei, solle eine “Koalition der Willigen innerhalb der EU jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen” aufnehmen und verteilen.
CDU und CSU wollen zudem “eine Zukunftsperspektive für den sauberen Verbrenner schaffen”. Weiter heißt es in dem Programm: “Wir stehen zum Auto, unabhängig von der Antriebsart. Wir wollen das Verbrennerverbot wieder abschaffen und die deutsche Spitzentechnologie des Verbrennungsmotors erhalten.” Synthetische Kraftstoffe spielten dafür eine zentrale Rolle. Weber machte deutlich, dass die Revisionsklausel im Gesetzgebungstext für die CO₂-Flottengrenzwerte ein Ansatz wäre, um das Verbrennerverbot im Jahr 2035 wieder rückgängig zu machen. Die Überprüfung ist laut Gesetz für 2026 vorgesehen. mgr
Die EU-Finanzminister haben sich am Montag in Brüssel getroffen, um das weitere Vorgehen in Sachen Kapitalmarktunion zu besprechen. Die Euro-Gruppe hatte sich im vergangenen Jahr das Ziel gesetzt, bis im März dieses Jahres ein Arbeitsprogramm für die nächste EU-Kommission zu formulieren.
Dieses Arbeitsprogramm wurde nun zur Zufriedenheit des Eurogruppenpräsidenten Paschal Donohoe verabschiedet. Unter anderem folgende Ziele stehen in der Deklaration:
Donohoe nannte die Deklaration “ambitioniert”, doch in vielen Punkten bleibt der Text aufgrund der weiterhin vorhandenen Divergenzen unter den Finanzministern vage. So listet die Deklaration kaum konkrete Maßnahmen auf, sondern formuliert mehrheitlich Prüfaufträge an die Kommission.
Ein besonders umstrittener Punkt ist die Marktüberwachung. Diese wird aktuell auf nationaler Ebene sichergestellt, was zu unterschiedlichen Interpretationen der gemeinsamen Regeln führt. Doch laut EU-Diplomaten widersetzen sich insbesondere Deutschland und Luxemburg einer Zentralisierung der Überwachung. Sie wollen an den nationalen Instituten festhalten und verhinderten deshalb eine ambitioniertere Deklaration.
Bei einem Treffen der Finanzminister im Februar zeigte sich der französische Finanzminister Bruno Le Maire empört über den langsamen Fortschritt in der Euro-Gruppe. Er kündigte an, dass Frankreich gemeinsam mit anderen interessierten Staaten auch ohne den Konsens der Euro-Gruppe voranschreiten werde, konkret bei der zentralen Überwachung durch die ESMA, beim Verbriefungsmarkt, und bei der Entwicklung eines europäischen Sparprodukts.
In der vergangenen Woche drückte auch die EZB aufs Gaspedal. “Es ist klar, dass die EU über allgemeine Erklärungen und ein kleinteiliges Vorgehen in Bezug auf die Kapitalmarktunion hinausgehen muss”, erklärte sie in einem Statement und forderte einen “Top-Down-Ansatz” und konkrete Maßnahmen.
Donohoe, der sich am vergangenen Freitag mit Le Maire ausgesprochen hatte, verteidigte seinen Ansatz bei einer Pressekonferenz am Montag. Seine Aufgabe sei es, mit allen Ministern gemeinsam zu arbeiten, um das gesamte Ambitionsniveau zu heben. “Das ist ein Statement, das von den Ministern selbst kommt, nicht nur von der Kommission”, sagte er zur gemeinsamen Deklaration. Seiner Meinung nach garantiert dieses Vorgehen den Rückhalt in den Mitgliedstaaten, der früher gefehlt habe. jaa
Noch am Dienstag oder spätestens kommende Woche dürfte die EU-Kommission ihre Empfehlung verabschieden, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Das Land wäre somit auf dem gleichen Stand wie Moldau und die Ukraine, die derzeit noch auf den Verhandlungsrahmen warten. Hier dürfte die Kommission in einem Zwischenschritt vorerst nur mündlich über Reformfortschritte berichten, die beim Dezember-Gipfel von den Staats- und Regierungschefs festgelegt wurden und die Empfehlung zum Start der Beitrittsverhandlungen erst nach der Europawahl im Juni fällen.
Die Kommissionsempfehlung zu Bosnien ist auf der Agenda des Ausschusses der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV) am Mittwoch, Änderungen in letzter Minute sind nicht ausgeschlossen. Danach wären kommende Woche beim EU-Gipfel die Staats- und Regierungschefs am Zug.
Vergangene Woche waren die Außenminister Italiens und Österreichs zusammen in Sarajevo, kurz danach auch Amtskollegin Annalena Baerbock, um jüngste Reformschritte zu loben, aber auch weitere Anstrengungen anzumahnen. So wurde ein Gesetz zur Terrorbekämpfung und zur Bekämpfung von Geldwäsche beschlossen, eine alte Forderung der EU. Eine Justizreform und ein Gesetz zum Umgang mit Interessenskonflikten stehen noch aus.
Der Balkanstaat ist derzeit auch Schauplatz von Destabilisierungsbemühungen aus Moskau. Es stehe an einer Weggabelung, sagte Baerbock in Sarajevo. Vor allem Österreich und Italien sowie Ungarn und Kroatien haben sich dafür starkgemacht, dass Bosnien nicht zurückfällt. Begleitet wurde dies von Veto-Drohungen, sonst die Eröffnung der Verhandlungen mit der Ukraine und Moldau zu blockieren. Diese Gefahr will die Kommission mit ihrer positiven Empfehlung für Bosnien aus dem Weg räumen. sti
Von Überschwemmungen bis hin zu tödlichen Hitzewellen – jeder Teil der Wirtschaft und Gesellschaft werde innerhalb dieses Jahrhunderts von den “katastrophalen” Auswirkungen des Klimawandels getroffen werden, schreibt die EU-Umweltagentur (EEA) in ihrem am Montag vorgestellten “European Climate Risk Assessment” (EUCRA). Bisher sei Europa auf die Klimakrise und die mit ihr einhergehenden Risiken nicht ausreichend vorbereitet. Die politischen Entscheidungsträger müssen neue Pläne zur Bewältigung der Herausforderungen aufstellen, zum Beispiel:
Europa sei der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt. Der Kontinent habe sich seit den 1980er Jahren doppelt so stark erwärmt wie der globale Durchschnitt, so die EEA. Ohne schnelle Maßnahmen könnten die Auswirkungen der meisten der 36 analysierten Klimarisiken, mit denen Europa konfrontiert ist, in diesem Jahrhundert ein “kritisches oder katastrophales Ausmaß” erreichen, so die EU-Umweltagentur. Dazu gehören Risiken für die Gesundheit, die Agrar-Produktion und die Infrastruktur. Klimaauswirkungen auf Ökosysteme könnten zudem Konsequenzen haben, die auf viele andere Sektoren wie Gesundheit und Ernährungssicherheit überschwappen.
Regional verteilen sich die Klimarisiken sehr unterschiedlich: In Südeuropa steigt das Risiko für Dürren und Hitzewellen besonders stark. Das Risiko für Überflutungen nimmt besonders in Küstenregionen zu. Abgelegene Regionen sind besonders verletzlich, weil dort die Infrastruktur schlechter ist und diese Regionen wirtschaftlich vorwiegend weniger entwickelt sind.
Im schlimmsten Szenario ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen würden laut der EEA bis Ende des Jahrhunderts Hunderttausende durch Hitzewellen sterben und “die wirtschaftlichen Verluste allein durch Überschwemmungen an den Küsten könnten 1 Billion Euro pro Jahr übersteigen.” Das wäre weit mehr als die 650 Milliarden Euro an wirtschaftlichen Verlusten, die zwischen 1980 und 2022 durch wetter- und klimabedingte Extremereignisse verursacht wurden. Im Laufe des Dienstags will die Europäische Kommission zu dem Bericht Stellung nehmen. rtr/kul
Der Europäische Datenschutzbeauftragte (European Dataprotection Supervisor, EDPS) stellt die EU-Kommission vor eine schwierige Wahl: Entweder sie schafft es, Microsofts Cloud-Bürosoftware Office 365 datenschutzrechtskonform zu betreiben. Oder sie muss zum 9. Dezember 2024 jeglichen Datentransfer an Microsoft und Dienstleister außerhalb des Geltungsbereichs der Datenschutzgrundverordnung oder von Angemessenheitsbeschlüssen einstellen. Zudem muss sie ihre eigene Nutzung in Einklang mit der Schutzverordnung bringen. Ansonsten muss sie die Nutzung von Office 365 beenden.
Mit seiner am Montag veröffentlichten Anordnung bescheinigt Wojciech Wiewiórowski der EU-Kommission, mit der aktuellen Nutzung gegen die Datenschutzverordnung für EU-Institutionen zu verstoßen. Grundlage dafür ist die Verordnung 2018/2175. Sie bindet die Europäischen Institutionen an das Datenschutzrecht, soweit sie nicht Polizei und Justiz zuzuordnen sind. Neben DSGVO und der Richtlinie zum Datenschutz bei Polizei und Justiz ist sie das unbekannteste Teilstück der großen Datenschutzreform Mitte der 2010er Jahre.
Ob eine Nutzung von Microsofts Cloud-Office “365” überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist, ist seit Jahren Gegenstand von Auseinandersetzungen. Wiewiórowskis Aufsichtsbehörde hat nun ihre Prüfung des Einsatzes innerhalb der Kommission abgeschlossen – und sieht massive Probleme. Organe, Einrichtungen, Ämter und Behörden der EU müssten sicherstellen, “dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten außerhalb und innerhalb der EU und des EWR, auch im Zusammenhang mit Cloud-basierten Diensten, mit robusten Datenschutzgarantien und -maßnahmen einhergeht”, sagte der Europäische Datenschutzbeauftragte.
Der EDPS fordert von der EU-Kommission unter anderem, überhaupt erst einmal herauszufinden, welche personenbezogenen Daten an welche Stellen gehen. Außerdem soll sie Nachbesserungen bei der Zweckbindung der in oder durch Office 365 erhobenen Daten und einer 2021 mit Microsoft geschlossenen Vereinbarung bis Anfang Dezember vornehmen. Anders als bei deutschen Behörden kann der Europäische Datenschutzbeauftragte gegenüber Institutionen auch ein Bußgeld verhängen.
Die Kommission will den Bescheid nun analysieren, geht aber davon aus, dass ein vollständiges Befolgen “das derzeitige hohe Niveau mobiler und integrierter IT-Dienstleistungen unterminiere”. Das gelte nicht nur für Microsofts Produkte. Die Kommission sei schon immer dazu bereit, “substanziierten Empfehlungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten Folge zu leisten” und “dankbar” für dessen Hinweise. Gegen die Anordnung des EDPS könnte sie vor der Europäischen Gerichtsbarkeit Klage erheben. fst
Am Dienstag stimmt das EU-Parlament in Straßburg über seinen Bericht zur “Green Claims”-Richtlinie ab. Als problematisch betrachtet die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), dass eine Passage zur EU-weiten Harmonisierung der Scoring-Systeme gestrichen wurde. “Wir wollen nicht, dass wir einen Claim in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen bekommen und in einem anderen nicht”, sagt Stefanie Sabet, BVE-Geschäftsführerin und Leiterin des Brüsseler BVE-Büros zu Table.Briefings.
Nicht einverstanden ist sie damit, dass der Bezug zur EU-Verpackungsverordnung gestrichen wurde. “Das sorgt wieder nur für mehr Bürokratie”, sagt Sabet. Obwohl es über die neue EU-Verpackungsverordnung schon gesetzliche Vorgaben, beispielsweise zum Rezyklatanteil, gebe, müsse eine Behörde das Umweltsiegel für eine nachhaltige Verpackung nun trotzdem prüfen.
“Positiv ist, dass der Zertifizierungsprozess vereinfacht werden soll”, sagt die BVE-Geschäftsführerin. Dafür wird die EU-Kommission zwei Dinge umsetzen:
Sabet warnt, es dürfe nicht so werden wie bei der “Health Claims”-Verordnung. Hier warte man Jahre auf Genehmigungen. “Es ergibt keinen Sinn, wenn jedes Unternehmen, dass die gleiche Methodik verwendet, einen langen Prozess durchläuft und Behörden die gleiche Methodik tausendmal freigeben müssen.”
“Das Ziel ist richtig, der Weg ist falsch”, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier. Er ist Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union. Dass sich Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern Umweltaussagen zertifizieren lassen müssen, sei ein “krasses Beispiel von Überregulierung”. Der Entwurf schaffe hohe Risiken und Kosten für Unternehmen. “Unser aller Ziel muss mehr Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz sein, der Bürger und Unternehmen mitnimmt”, sagt der FDP-Politiker. Ziel dürfe nicht sein, den Mittelstand kaputt zu regulieren.
Im Juni werden die Mitgliedstaaten voraussichtlich ihre Position zur “Green Claims”-Richtlinie vorlegen. mo
Den Kragen ihres Trenchcoats für stürmisches Wetter hochgeschlagen und mit entschlossenem Blick, so zieht Marie-Agnes Strack-Zimmermann in den anlaufenden Wahlkampf. “Streitbar in Europa” haben die FDP-Strategen auf das Wahlplakat gedruckt, und darüber ihren Kampfnamen: “Eurofighterin”.
In der deutschen Öffentlichkeit hat sich die 66-Jährige mit Streitlust und griffigen Forderungen längst einen Namen gemacht, nun soll sie auch in anderen EU-Ländern Zugkraft entfalten. Am Nachmittag des 20. März wird die größte liberale Parteienfamilie ALDE Strack-Zimmermann zu ihrer Spitzenkandidatin wählen – Stand gestern Nachmittag unterstützten bereits 13 Mitgliedsparteien ihre Nominierung. Am Abend dann tritt ein Trio vor die Öffentlichkeit: neben MASZ noch Valérie Hayer als Spitzenkandidatin für die französische Partei Renaissance und Sandro Gozi für die kleinere Parteienfamilie EDP.
Die europäischen Liberalen sind eben etwas komplizierter als andere Parteienfamilien, wie auch das bunte Abstimmungsverhalten der Renew-Gruppe im Europaparlament zeigt. Strack-Zimmermann jedenfalls findet es “cool”, als Trio an den Start zu gehen. Und hält sich beim Vorstellen der Kampagne am Montag auch nicht zurück: Emmanuel Macron und Olaf Scholz empfiehlt sie eine “Paartherapie”, Sahra Wagenknecht wirft sie in einen Topf mit den Rechtsaußen Europas – “das Gleiche in Dunkelrot”.
An anderer Stelle anecken dürfte Strack-Zimmermann mit einem weiteren FDP-Slogan für die Wahlkampagne: “Europa lebt von Freiheit. Nicht von Richtlinien.” Viele ihrer künftigen Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament vermögen darin keinen Widerspruch zu erkennen. Bleibt zu beobachten, ob die Zeit in Brüssel und Straßburg auch die Eurofighterin formen wird. Till Hoppe
es ist wohl ein Novum: Ohne Deutschland und Frankreich, die beiden größten Mitgliedstaaten, haben die EU-Arbeitsminister am Montag neue Regeln für Arbeiter auf großen Online-Plattformen auf den Weg gebracht. Paris stimmte gegen die Richtlinie, die insbesondere Scheinselbstständigkeit bei Liefer- und Fahrdiensten wie Uber verhindern soll. Die Ampelkoalition hatte sich enthalten, auf Druck der FDP. Mehr lesen Sie in der Analyse meiner Kollegin Alina Leimbach.
Am Mittwoch wird die Bundesregierung wohl erneut in Brüssel überstimmt. Da befassen sich die stellvertretenden EU-Botschafter in Brüssel mit der Trilogeinigung zum Verbot für Produkte aus Zwangsarbeit. Bundesfinanzminister Christian Lindner lehne das Vorhaben unter Verweis auf Bürokratielasten für Unternehmen weiter ab, heißt es in der Ampelkoalition. In BMF-Kreisen heißt es, man prüfe noch. Auch ohne die deutsche Stimme werde aller Voraussicht nach eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für das Gesetz stimmen, heißt es in Brüssel.
Die Verordnung soll erreichen, dass in Zwangsarbeit hergestellte Produkte nicht mehr auf dem EU-Binnenmarkt verkauft werden. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation wurden im Jahr 2021 rund 27,6 Millionen Menschen zur Arbeit gezwungen. Am kommenden Dienstag will die ILO eine neue Studie vorstellen, der Titel: “Profits and Poverty: The Economics of Forced Labour”.
Ich wünsche Ihnen eine erhellende Lektüre.
Nach mehr als drei Jahren Arbeit haben am Montag 25 Arbeitsminister der EU-Staaten ihr grünes Licht für die Plattformarbeitsrichtlinie gegeben – und damit die größten EU-Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich überstimmt. Frankreich stimmte gegen die Richtlinie, Deutschland enthielt sich wie auch bei den Abstimmungen zuvor. Die notwendige qualifizierte Mehrheit von 65 Prozent der Bevölkerung wurde dennoch erreicht. Das Dossier galt als so kompliziert, dass es nun auf die Ministerebene gehoben wurde. Laut Table.Briefings-Informationen hat es keine Nebenabstimmungen mit Griechenland und Estland gegeben, um deren Zustimmung zum Gesetz zu ermöglichen.
Dass eine Richtlinie gegen den Willen Frankreichs und Deutschlands eine Mehrheit im Rat erhält, gilt als Novum auf EU-Ebene, an das sich auch erfahrene Parlamentarier so nicht erinnern können. Der Grund: Beide Länder bringen zusammen fast alleine die notwendige Sperrminorität auf, um Entscheidungen im Rat zu verhindern.
Die Plattformarbeitsrichtlinie gibt weltweit erstmals Spielregeln für algorithmisches Management vor und soll ein Instrument gegen Scheinselbstständigkeit auf den großen Digitalplattformen wie Uber und FreeNow sein. Zentraler Aspekt ist die darin vorgesehene Beweislastumkehr. Wird in einem Staat, eine sogenannte Beschäftigungsvermutung eingeleitet, die besagt, dass ein Plattformarbeiter in Wahrheit ein Angestellter sein könnte, sollen die Plattformen künftig das Gegenteil beweisen. Die Regeln zum algorithmischen Management besagen, dass es etwa keine automatisierten Kündigungen geben darf, ohne dass ein Mensch darüber geschaut hat.
Die EU-Kommission schätzt, dass etwa fünf Millionen der rund 30 Millionen Plattformarbeitenden in der EU in Wahrheit Angestellte sein könnten. Damit hätten sie etwa Anrecht auf Mindestlöhne, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub.
In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder juristische Auseinandersetzungen mit großen Digitalplattformen wegen Scheinselbstständigkeitsvorwürfen gegeben. Oft sind diese zugunsten einzelner Arbeiter ausgegangen, die zuvor als Selbstständige geführt wurden. Die Beweislastumkehr soll den oft prekär beschäftigten Essenskurieren oder Fahrdienstleistern helfen, im Rechtsstreit gegen multinationale Konzerne zu ihrem Recht zu kommen. EU-einheitliche Kriterien, die zur Einleitung des Anfangsverdachts führen sollten, waren nach Ablehnung einiger Mitgliedstaaten aus dem Text gestrichen worden.
Der deutsche Schattenberichterstatter Dennis Radtke (CDU) hatte die Richtlinie mitverhandelt und sich auch für eine Zustimmung unter Christdemokraten starkgemacht. Er sagte Table.Briefings: “Die Beweislastumkehr ist ein echter Game-Changer.” Auch mit den in der Richtlinie enthaltenen Regeln zum algorithmischen Management schaffe man nun erstmals notwendige Standards für die digitale Arbeitswelt, so der CDU-Politiker.
Die Europaabgeordnete Gaby Bischoff (SPD) sagte, man schreibe mit dieser Vereinbarung Geschichte für ein soziales Europa. “Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Rekordumsätze auf dem Rücken der Plattformarbeiterinnen erwirtschaftet, die häufig als Scheinselbstständige ohne soziale Absicherung für sie arbeiteten.”
Blockiert hatten das Vorhaben am Ende nur die liberale französische Regierung und die FDP innerhalb der Bundesregierung. Auf Drängen der FDP musste sich der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil am Montag enthalten. In Brüssel freute er sich allerdings über die Einigung: “Ich bin sehr froh, dass heute eine Einigung auf die EU-Plattformrichtlinie geglückt ist.”
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel hatte die vorgesehenen Plattformregeln vor der Abstimmung als “einen Angriff auf alle Selbstständigen in Europa” bezeichnet. Kritik an der Richtlinie kam am Montag auch vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD). Dort hieß es: “Der Plattformbegriff der Richtlinie ist so weit gefasst, dass er Hunderttausende Menschen betreffen wird, die sich nicht als Plattformarbeitende sehen, gerne selbstständig sind und dies auch bleiben wollen.”
Der Verband hätte sich sogar europaweit einheitliche Kriterien gewünscht, weil es in Deutschland nach Sicht des VGSD an solchen klaren Kriterien zum Thema Scheinselbstständigkeit derzeit mangele. Beobachter halten es aber für unwahrscheinlich, dass mit dem neuen Gesetz “Schein-Angestellte” entstehen, da die Statusfeststellung über Gerichte läuft.
An der deutschen und französischen Haltung hatte es immer wieder Kritik gegeben. Macron war gar als “Ubers Cheflobbyist” in Europa bezeichnet worden. Aber auch die deutsche Enthaltung hatte Kopfschütteln verursacht. Immerhin wird die Bundesregierung vom sozialdemokratischen Kanzler Olaf Scholz angeführt. Entsprechend sagte auch CDU-Politiker Radtke: “Das ist eine historische Klatsche für die Bundesregierung, die sich nun gegen 25 andere Staaten gestellt und eine historische Einigung an der Kette einer Kleinstpartei fast verhindert hat.”
Nun muss das EU-Parlament dem Kompromiss noch zustimmen. Dies gilt als Formsache und wird voraussichtlich in der letzten Plenarwoche vor der Europawahl im April geschehen. Mit Markus Grabitz
Der Vorsitzende des Mitte-Rechts-Bündnisses Demokratische Allianz (AD), Luis Montenegro, machte einen besorgten Eindruck, als er am Sonntag in der Öffentlichkeit seinen Sieg verkündete. Er lächelte kaum angesichts der schwierigen Aufgabe, eine Minderheitsregierung bilden zu müssen. Die AD hat die Wahl mit 29,49 Prozent (79 Sitze) gegenüber 28,66 Prozent (77) der Sozialisten zwar gewonnen. Doch mit einem so dünnen Ergebnis wird es für Montenegro schwierig sein, eine stabile Regierung zu führen. Einen Pakt mit der rechtsextremen Chega-Partei, die mit 18 Prozent der Stimmen den dritten Platz belegte, lehnt er ab.
Der Vorsitzende der Sozialisten (PS) Pedro Nuno Santos kündigte an, dass er eine Minderheitsregierung von Montenegro nicht verhindern werde und seine Partei in die Opposition gehe, da sie keine alternative Exekutive bilden könne.
Zu der Möglichkeit, dass die PS einen von einer AD-Regierung vorgelegten Staatshaushalt für 2025 durchwinken könnte, sagte Santos, ein solches Szenario sei “praktisch unmöglich”: “Es lohnt sich nicht, Druck auf die PS auszuüben, wir werden die Opposition anführen, wir sind nicht diejenigen, die eine AD-Regierung unterstützen werden”.
Die neue Regierung läuft nicht nur ständig Gefahr, gestürzt zu werden, sondern ist auch in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. “Es wird eine große Dialogfähigkeit erforderlich sein”, sagte Montenegro, der alle Parteien, insbesondere die PS, aufforderte, “Verantwortung zu zeigen”. Die einzige Garantie, die die PS gibt, ist jedoch, die Regierung nicht gleich zu Beginn zu stürzen.
Da der Sieg Montenegros derart knapp ausfiel, muss das Ergebnis der Abstimmung der im Ausland lebenden Portugiesen zudem noch abgewartet werden, das erst am 20. März feststeht. Montenegro rechnet dennoch damit, dass Präsident Marcelo Rebelo de Soussa ihn um die Bildung einer Regierung bitten wird. Der Präsident wird sich kommende Woche mit den Parteiführern treffen – am Montag mit Chega, am Dienstag mit der PS und am Mittwoch mit der AD.
Wie bereits im Wahlkampf versprochen hat Montenegro am Wahlabend bekräftigt, dass er keinen Pakt mit der ultrarechten Chega-Partei von Andre Ventura eingehen wird, die mit 18 Prozent (48 Sitze) ihre Stimmenzahl vervierfachen konnte und somit der große Gewinner der Wahl ist. Im Falle einer Minderheitsregierung dürfte Montenegro für mögliche Beschlüsse jedoch auf Ventura angewiesen sein. Der Sozialist Santos räumte auch ein, dass Chega “ein beeindruckendes Ergebnis erzielt hat, das nicht ignoriert werden kann” und fügte hinzu, dass “18 Prozent der portugiesischen Wähler nicht rassistisch oder fremdenfeindlich sind, aber es gibt viele wütende Portugiesen”.
Der Chega-Vorsitzende Ventura sprach seinerseits von einem “historischen Tag” und dem “Ende der Zweiparteienherrschaft” und sagte, die Portugiesen hätten ihnen eine Mehrheit gegeben. “Wir wären völlig unverantwortlich, wenn wir sie nicht mit einer Regierung verwirklichen würden, die hoffentlich morgen gebildet werden kann”. Ventura behauptet, die Chega sei die “am meisten verfolgte Partei in der gesamten Geschichte der Demokratie”. Er hoffe, dass “einige Journalisten und Kommentatoren ein paar Worte schlucken”.
Die Wahlbeteiligung am Sonntag war die höchste seit 2015. Bis 16 Uhr hatten 51,96 Prozent der Wähler ihre Stimme abgegeben, mehr als am gesamten Tag der Wahlen von 2022, wie das portugiesische Innenministerium mitteilte. Diese Zahlen übertrafen die Wahlbeteiligung der letzten Parlamentswahlen um sechs Prozentpunkte. Am Ende lag die Wahlbeteiligung bei 66 Prozent.
In der europäischen Solarindustrie herrscht Katerstimmung. Chinesische Konkurrenten überschwemmen den Weltmarkt mit staatlich geförderten Modulen zu Dumpingpreisen. Europäische Anbieter verlieren durch den Preisverfall immer stärker an Wettbewerbsfähigkeit. Die Firma Meyer Burger, der wichtigste europäische Produzent, droht mit Abzug in die USA, wo Subventionen winken. In Deutschland bitten auch Zulieferer die Bundesregierung um Hilfe. Komme die nicht, drohe auch hier das Aus.
Auch die EU-Kommission will den Kater nicht lindern. Sie plant weder Handelsbeschränkungen gegen chinesische Module noch neue Subventionen, wie EU-Kommissare jüngst deutlich gemacht haben. Die Kommission sieht vielmehr die Mitgliedsstaaten in der Pflicht. Denn die Ziele sind hochgesteckt: Die EU-Staaten wollen mit ihrem Net-Zero Industry Act (NZIA) bis 2030 eine europäische Solarindustrie aufbauen, die 40 Prozent des heimischen Bedarfs decken kann – und zwar in allen Schritten der Wertschöpfungskette. Dadurch soll die Abhängigkeit von China gesenkt werden, das bisher 80 bis 95 Prozent der globalen Produktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette abdeckt.
Experten halten das 40-Prozent-Ziel weder für realistisch noch für sinnvoll. Es gebe weder genug Bereitschaft für Investitionen in neue Fabriken, noch die notwendigen Anreize für Investitionen, um das 40-Prozent-Ziel zu erreichen, sagt Antoine Vagneur-Jones, Solarexperte des Analyseunternehmens BloombergNEF, zu Table.Briefings. “Der Bau von Solarfabriken in Europa ist etwa drei- bis viermal so teuer wie in China. Die Produktion ist mit einem beträchtlichen Kostenaufschlag verbunden”, so Vagneur-Jones.
Laut optimistischen Schätzungen der EU-Kommission würde es 7,5 Milliarden Euro kosten, um eine Industrie mit den nötigen Kapazitäten aufzubauen. Der Verband Solar Power Europe geht hingegen von nötigen Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Euro aus, die zudem bis 2025 getätigt werden müssten, wie Marie Tamba, Senior Research Analyst der Rhodium Group, sagt.
Um eine nennenswerte Industrie aufzubauen, müsste Europa “die Investitionen und Betriebskosten von Solarherstellern massiv subventionieren”, sagt Jenny Chase, langjährige Solaranalystin von BloombergNEF zu Table.Briefings. Die Produktionskosten von Meyer Burger liegen ihr zufolge bei über 40 US-Cent pro Watt – der Marktpreis allerdings nur bei etwas über 11 US-Cent. Chase bedauert: Meyer Burger hätte viel Erfahrung. Es sei ein “schwerer Schlag, wenn sie sich zurückziehen”.
Analysten des Thinktanks Bruegel bezweifeln, dass das 40-Prozent-Ziel überhaupt sinnvoll ist. “Vollständige Herstellungsprozesse erfordern energie- und kapitalintensive Investitionen, bei denen Europa keinen Vorteil hat“, schreiben die Analysten. So ist beispielsweise die Herstellung von Polysilizium, Ausgangsstoff von Solarzellen, sehr energieintensiv. Auf dem Solarmarkt herrsche schon heute ein massives Überangebot an Solarmodulen. “Die Subventionierung zusätzlicher Produktion hat keinen Nutzen für das Klima”, so das Fazit der Bruegel-Analysten. Auch Chase hat ihre Zweifel: “Die Solarindustrie ist ein schwieriges Geschäftsfeld. Der Wettbewerb ist brutal.” Die neuesten Fabriken hätten die beste Technologie und somit Wettbewerbsvorteile. Ältere Hersteller hätten große Nachteile, weil das Equipment schnell überholt werde.
Chase schätzt, dass sich die Energiewende im Bereich Solarenergie um “vielleicht 50 Prozent” verteuern würde, wenn Europa die Abhängigkeit von chinesischen Modulen nennenswert verringern würde. Aus diesem Grund werde das auch kaum passieren, so die Einschätzung der BloombergNEF-Expertin.
Auch die Analysten der Energie-Beratungsfirma Wood Mackenzie gehen von einem massiven Preisaufschlag aus. Im letzten Jahrzehnt seien die Kosten für Solarmodule um 85 Prozent gefallen. “Der Ausbau der chinesischen Produktionskapazitäten im Bereich der sauberen Technologien ist das Herzstück dieser Entwicklung”, schreiben sie in einer aktuellen Analyse. Ohne China wären die “massiven Kostensenkungen, an die wir uns gewöhnt haben, vorbei”, so die Einschätzung der Berater. Allein Deutschland habe durch die globalisierte Solarlieferkette zwischen 2008 und 2020 circa sieben Milliarden US-Dollar gespart, wie eine Nature-Studie aus dem Jahr 2022 zeigt.
Selbst wenn weitere Risiken, die mit einer hohen Abhängigkeit von China einhergehen, beachtet würden, “überwiegen bei der Solarindustrie erst einmal die Vorteile billiger Importe”, sagt Tobias Gehrke, Senior Policy Fellow des Thinktanks European Council on Foreign Relations. “Die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Risiken sind zusammengenommen wohl zu gering, um den Nachteil der fehlenden europäischen Wettbewerbsfähigkeit unbedingt ausbügeln zu müssen”, so der Analyst und Experte für den Wettbewerb der Großmächte in der Weltwirtschaft.
Antoine Vagneur-Jones von BloombergNEF fasst die Situation zusammen: “Die Überkapazitäten im Solarsektor sind gut für die Energiewende: Sie machen alles billiger. Aber sie machen die wirtschaftlichen Argumente für den Aufbau einer eigenen Solarindustrie noch schwächer.”
Um unabhängiger von China zu werden, schlagen die Bruegel-Analysten den Aufbau von Lagerbeständen an Solarmodulen und eine Diversifizierung der Handelsbeziehungen vor. Derzeit bauen beispielsweise die USA und Indien eine eigene Solarindustrie auf. Lagerbestände von etwa 30 Prozent der Marktnachfrage könnten zu einer gewissen Flexibilität führen, sollte China den Verkauf von Modulen tatsächlich einmal abrupt stoppen, so die Bruegel-Analysten. “Die Diversifizierung der Einfuhren ist ein wirksameres und effizienteres Instrument als die Importsubstitution”, schreiben sie.
Chase ist allerdings anderer Meinung. Wenn die EU-Staaten mehr aus den USA oder Indien importieren wollten, müssten sie “für schlechtere Produkte mehr Geld bezahlen als für solche aus China”. Ihr Kollege Antoine Vagneur-Jones sagt, auch die US-Hersteller litten unter Überkapazitäten, und erste angekündigte Investitionen würden schon wieder zurückgezogen – trotz US-Förderung.
Laut BloombergNEF werde wohl nur etwa die Hälfte der angekündigten US-Solarinvestitionen in Höhe von 60 Gigawatt für das Jahr 2024 tatsächlich gebaut. Fast ein Viertel der geplanten Investitionen stammt ironischerweise von chinesischen Herstellern, die nun auch in den USA Subventionen erhalten. Indien könnte eher ein Exporteur in Richtung Europa werden, sagt Elissa Pierce, Research Associate der Energieberatungsagentur Wood Mackenzie. “Bei einem Preis von 20 US-Cent pro Watt sind indische Module für europäische Käufer attraktiver als US-Module”, sagt die Analystin. Die US-Module lägen derzeit bei 35 Cent pro Watt.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings für die Solarmodul-Produktion von Meyer Burger im sächsischen Freiberg. Das Unternehmen “1Komma5°”, ein Anbieter von Solaranlagen, Wärmepumpen, Stromspeichern und Wallboxen, scheint die Produktionsanlagen übernehmen zu wollen, sollte Meyer Burger das Werk tatsächlich aufgeben.
Als Soforthilfe fordern die Grünen im EU-Parlament “ein Sofort-Programm, um den akut betroffenen Unternehmen ihre Solarpanels abzukaufen und damit beispielsweise Schuldächer auszustatten”, wie der Abgeordnete Michael Bloss sagt. Um den Absatz zu fördern, brauche es in Deutschland Resilienz-Ausschreibungen. Dabei würden Käufer von europäischen Modulen einen Zuschuss erhalten.
Neue Werke könnte die Bundesregierung außerdem mit einer neuen gesetzlichen Möglichkeit aus dem Net-Zero Industry Act schnell genehmigen – in speziellen Beschleunigungsgebieten, in denen private Investoren von Bürokratie und damit auch Kosten entlastet würden. “Die Bundesregierung muss investieren, um Deutschland für die produzierende Industrie wieder attraktiv zu machen, beispielsweise durch die Einrichtung von Net-Zero Acceleration Valleys“, sagt der CDU-Europaabgeordnete Christian Ehler, der den NZIA für das Parlament verhandelt hat. Mit Manuel Berkel
13.03.2024 – 09:30-18:00 Uhr, online
IHK Nürnberg, Conference IPEC 2024 – Catalyzing Change: Industry Transformation through AI and Circular Economy
The International Chamber of Commerce (IHK) Nürnberg is holding a conference on digitalization and sustainability with reference to the UN Sustainable Development Goals which aims to promote networking and knowledge exchange between companies from Bavaria and international companies and research institutions. INFO & REGISTRATION
13.03.2024 – 11:15 Uhr, online
EBD, Diskussion EBD De-Briefing ECOFIN & Euro-Gruppe
Zur Nachbereitung des Treffens der EU-Wirtschafts- und Finanzminister und der Euro-Gruppe am 11. und 12. März lädt die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) Dr. Judith Hermes ein, Leiterin der Abteilung Europapolitik und Internationale Finanzpolitik im Bundesministerium der Finanzen. INFOS
13.03.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
EUI, Panel Discussion Navigating the Path Towards EU Climate Neutrality
The European University Institute (EUI) will present and discuss the findings of the recently released report ‘Towards EU climate neutrality: progress, policy gaps and opportunities’ by the European Scientific Advisory Board on Climate Change (ESABCC). INFO & REGISTRATION
14.03.-15.03.2024, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Environmental Law 2024
The European Law Academy’s (ERA) conference aims to facilitate exchange and update law specialists on the latest developments regarding legislation, case law and best practice in European environmental law. INFO & REGISTRATION
14.03.-15.03.2024, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Public Procurement Law 2024
This European Law Academy (ERA) conference provides legal practitioners with an update on the most recent developments in the field. Special attention will be paid to the latest initiatives of the European Commission and recent case law of the Court of Justice of the EU on topics including sustainable procurement. INFO & REGISTRATION
14.03.2024 – 08:30-17:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Seminar Incentivising hydrogen demand: Critical challenges and opportunities
The seminar organised by the European Roundtable of Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) covers different aspects of how to create hydrogen demand and catalyse an international hydrogen market. INFO
14.03.2024 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
bpb, Seminar Handlungsräume im autoritären Russland
Die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) wirft einen Blick auf die aktuelle Situation der Bevölkerung in Russland und welche politischen und zivilgesellschaftlichen Handlungsräume noch existieren. INFOS & ANMELDUNG
14.03.2024 – 19:00 Uhr, online
HSS, Vortrag N – wie Nachhaltigkeit und Klimapolitik
Als Teil einer Veranstaltungsreihe zur EU geht die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) der Frage nach, wie nah die EU ihren Klimazielen ist und was zu deren Erreichung noch getan werden muss. INFOS & ANMELDUNG
CDU und CSU erteilen einer erneuten Schuldenaufnahme durch die EU eine Absage. “Die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung des Corona-Wiederaufbauprogramms in der Notlage der Pandemie muss eine Ausnahme bleiben”, heißt es in dem gemeinsamen Wahlprogramm, das die Präsidien von CDU und CSU in einer gemeinsamen Sitzung beschlossen haben. Damit widersprechen die beiden Parteien Forderungen aus südeuropäischen Mitgliedstaaten nach einer weiteren Verschuldung der EU im nächsten Mandat. Es gibt offenbar Überlegungen in der Kommission, im nächsten Mandat eine gemeinsame Beschaffung von Waffen durch die Mitgliedstaaten über Kredite zu finanzieren.
Das gemeinsame Programm, das die Parteichefs Friedrich Merz und Markus Söder, EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen und EVP-Fraktions- und Parteichef Manfred Weber vorstellten, sieht die Möglichkeit vor, zum Schutz der EU-Außengrenzen auch einen Zaun zu bauen: “Wir brauchen eine bessere Überwachung der EU-Außengrenzen und – wo immer es nötig ist – auch baulichen Grenzschutz.”
Wie im Manifesto der europäischen Parteienfamilie EVP will auch die Union Asylverfahren künftig in sicheren Mitgliedstaaten durchführen lassen. “Jeder, der in der EU Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat außerhalb der EU gebracht werden und dort ein Verfahren durchlaufen.” Wenn das Drittstaatenkonzept erfolgreich etabliert sei, solle eine “Koalition der Willigen innerhalb der EU jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen” aufnehmen und verteilen.
CDU und CSU wollen zudem “eine Zukunftsperspektive für den sauberen Verbrenner schaffen”. Weiter heißt es in dem Programm: “Wir stehen zum Auto, unabhängig von der Antriebsart. Wir wollen das Verbrennerverbot wieder abschaffen und die deutsche Spitzentechnologie des Verbrennungsmotors erhalten.” Synthetische Kraftstoffe spielten dafür eine zentrale Rolle. Weber machte deutlich, dass die Revisionsklausel im Gesetzgebungstext für die CO₂-Flottengrenzwerte ein Ansatz wäre, um das Verbrennerverbot im Jahr 2035 wieder rückgängig zu machen. Die Überprüfung ist laut Gesetz für 2026 vorgesehen. mgr
Die EU-Finanzminister haben sich am Montag in Brüssel getroffen, um das weitere Vorgehen in Sachen Kapitalmarktunion zu besprechen. Die Euro-Gruppe hatte sich im vergangenen Jahr das Ziel gesetzt, bis im März dieses Jahres ein Arbeitsprogramm für die nächste EU-Kommission zu formulieren.
Dieses Arbeitsprogramm wurde nun zur Zufriedenheit des Eurogruppenpräsidenten Paschal Donohoe verabschiedet. Unter anderem folgende Ziele stehen in der Deklaration:
Donohoe nannte die Deklaration “ambitioniert”, doch in vielen Punkten bleibt der Text aufgrund der weiterhin vorhandenen Divergenzen unter den Finanzministern vage. So listet die Deklaration kaum konkrete Maßnahmen auf, sondern formuliert mehrheitlich Prüfaufträge an die Kommission.
Ein besonders umstrittener Punkt ist die Marktüberwachung. Diese wird aktuell auf nationaler Ebene sichergestellt, was zu unterschiedlichen Interpretationen der gemeinsamen Regeln führt. Doch laut EU-Diplomaten widersetzen sich insbesondere Deutschland und Luxemburg einer Zentralisierung der Überwachung. Sie wollen an den nationalen Instituten festhalten und verhinderten deshalb eine ambitioniertere Deklaration.
Bei einem Treffen der Finanzminister im Februar zeigte sich der französische Finanzminister Bruno Le Maire empört über den langsamen Fortschritt in der Euro-Gruppe. Er kündigte an, dass Frankreich gemeinsam mit anderen interessierten Staaten auch ohne den Konsens der Euro-Gruppe voranschreiten werde, konkret bei der zentralen Überwachung durch die ESMA, beim Verbriefungsmarkt, und bei der Entwicklung eines europäischen Sparprodukts.
In der vergangenen Woche drückte auch die EZB aufs Gaspedal. “Es ist klar, dass die EU über allgemeine Erklärungen und ein kleinteiliges Vorgehen in Bezug auf die Kapitalmarktunion hinausgehen muss”, erklärte sie in einem Statement und forderte einen “Top-Down-Ansatz” und konkrete Maßnahmen.
Donohoe, der sich am vergangenen Freitag mit Le Maire ausgesprochen hatte, verteidigte seinen Ansatz bei einer Pressekonferenz am Montag. Seine Aufgabe sei es, mit allen Ministern gemeinsam zu arbeiten, um das gesamte Ambitionsniveau zu heben. “Das ist ein Statement, das von den Ministern selbst kommt, nicht nur von der Kommission”, sagte er zur gemeinsamen Deklaration. Seiner Meinung nach garantiert dieses Vorgehen den Rückhalt in den Mitgliedstaaten, der früher gefehlt habe. jaa
Noch am Dienstag oder spätestens kommende Woche dürfte die EU-Kommission ihre Empfehlung verabschieden, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Das Land wäre somit auf dem gleichen Stand wie Moldau und die Ukraine, die derzeit noch auf den Verhandlungsrahmen warten. Hier dürfte die Kommission in einem Zwischenschritt vorerst nur mündlich über Reformfortschritte berichten, die beim Dezember-Gipfel von den Staats- und Regierungschefs festgelegt wurden und die Empfehlung zum Start der Beitrittsverhandlungen erst nach der Europawahl im Juni fällen.
Die Kommissionsempfehlung zu Bosnien ist auf der Agenda des Ausschusses der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV) am Mittwoch, Änderungen in letzter Minute sind nicht ausgeschlossen. Danach wären kommende Woche beim EU-Gipfel die Staats- und Regierungschefs am Zug.
Vergangene Woche waren die Außenminister Italiens und Österreichs zusammen in Sarajevo, kurz danach auch Amtskollegin Annalena Baerbock, um jüngste Reformschritte zu loben, aber auch weitere Anstrengungen anzumahnen. So wurde ein Gesetz zur Terrorbekämpfung und zur Bekämpfung von Geldwäsche beschlossen, eine alte Forderung der EU. Eine Justizreform und ein Gesetz zum Umgang mit Interessenskonflikten stehen noch aus.
Der Balkanstaat ist derzeit auch Schauplatz von Destabilisierungsbemühungen aus Moskau. Es stehe an einer Weggabelung, sagte Baerbock in Sarajevo. Vor allem Österreich und Italien sowie Ungarn und Kroatien haben sich dafür starkgemacht, dass Bosnien nicht zurückfällt. Begleitet wurde dies von Veto-Drohungen, sonst die Eröffnung der Verhandlungen mit der Ukraine und Moldau zu blockieren. Diese Gefahr will die Kommission mit ihrer positiven Empfehlung für Bosnien aus dem Weg räumen. sti
Von Überschwemmungen bis hin zu tödlichen Hitzewellen – jeder Teil der Wirtschaft und Gesellschaft werde innerhalb dieses Jahrhunderts von den “katastrophalen” Auswirkungen des Klimawandels getroffen werden, schreibt die EU-Umweltagentur (EEA) in ihrem am Montag vorgestellten “European Climate Risk Assessment” (EUCRA). Bisher sei Europa auf die Klimakrise und die mit ihr einhergehenden Risiken nicht ausreichend vorbereitet. Die politischen Entscheidungsträger müssen neue Pläne zur Bewältigung der Herausforderungen aufstellen, zum Beispiel:
Europa sei der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt. Der Kontinent habe sich seit den 1980er Jahren doppelt so stark erwärmt wie der globale Durchschnitt, so die EEA. Ohne schnelle Maßnahmen könnten die Auswirkungen der meisten der 36 analysierten Klimarisiken, mit denen Europa konfrontiert ist, in diesem Jahrhundert ein “kritisches oder katastrophales Ausmaß” erreichen, so die EU-Umweltagentur. Dazu gehören Risiken für die Gesundheit, die Agrar-Produktion und die Infrastruktur. Klimaauswirkungen auf Ökosysteme könnten zudem Konsequenzen haben, die auf viele andere Sektoren wie Gesundheit und Ernährungssicherheit überschwappen.
Regional verteilen sich die Klimarisiken sehr unterschiedlich: In Südeuropa steigt das Risiko für Dürren und Hitzewellen besonders stark. Das Risiko für Überflutungen nimmt besonders in Küstenregionen zu. Abgelegene Regionen sind besonders verletzlich, weil dort die Infrastruktur schlechter ist und diese Regionen wirtschaftlich vorwiegend weniger entwickelt sind.
Im schlimmsten Szenario ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen würden laut der EEA bis Ende des Jahrhunderts Hunderttausende durch Hitzewellen sterben und “die wirtschaftlichen Verluste allein durch Überschwemmungen an den Küsten könnten 1 Billion Euro pro Jahr übersteigen.” Das wäre weit mehr als die 650 Milliarden Euro an wirtschaftlichen Verlusten, die zwischen 1980 und 2022 durch wetter- und klimabedingte Extremereignisse verursacht wurden. Im Laufe des Dienstags will die Europäische Kommission zu dem Bericht Stellung nehmen. rtr/kul
Der Europäische Datenschutzbeauftragte (European Dataprotection Supervisor, EDPS) stellt die EU-Kommission vor eine schwierige Wahl: Entweder sie schafft es, Microsofts Cloud-Bürosoftware Office 365 datenschutzrechtskonform zu betreiben. Oder sie muss zum 9. Dezember 2024 jeglichen Datentransfer an Microsoft und Dienstleister außerhalb des Geltungsbereichs der Datenschutzgrundverordnung oder von Angemessenheitsbeschlüssen einstellen. Zudem muss sie ihre eigene Nutzung in Einklang mit der Schutzverordnung bringen. Ansonsten muss sie die Nutzung von Office 365 beenden.
Mit seiner am Montag veröffentlichten Anordnung bescheinigt Wojciech Wiewiórowski der EU-Kommission, mit der aktuellen Nutzung gegen die Datenschutzverordnung für EU-Institutionen zu verstoßen. Grundlage dafür ist die Verordnung 2018/2175. Sie bindet die Europäischen Institutionen an das Datenschutzrecht, soweit sie nicht Polizei und Justiz zuzuordnen sind. Neben DSGVO und der Richtlinie zum Datenschutz bei Polizei und Justiz ist sie das unbekannteste Teilstück der großen Datenschutzreform Mitte der 2010er Jahre.
Ob eine Nutzung von Microsofts Cloud-Office “365” überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist, ist seit Jahren Gegenstand von Auseinandersetzungen. Wiewiórowskis Aufsichtsbehörde hat nun ihre Prüfung des Einsatzes innerhalb der Kommission abgeschlossen – und sieht massive Probleme. Organe, Einrichtungen, Ämter und Behörden der EU müssten sicherstellen, “dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten außerhalb und innerhalb der EU und des EWR, auch im Zusammenhang mit Cloud-basierten Diensten, mit robusten Datenschutzgarantien und -maßnahmen einhergeht”, sagte der Europäische Datenschutzbeauftragte.
Der EDPS fordert von der EU-Kommission unter anderem, überhaupt erst einmal herauszufinden, welche personenbezogenen Daten an welche Stellen gehen. Außerdem soll sie Nachbesserungen bei der Zweckbindung der in oder durch Office 365 erhobenen Daten und einer 2021 mit Microsoft geschlossenen Vereinbarung bis Anfang Dezember vornehmen. Anders als bei deutschen Behörden kann der Europäische Datenschutzbeauftragte gegenüber Institutionen auch ein Bußgeld verhängen.
Die Kommission will den Bescheid nun analysieren, geht aber davon aus, dass ein vollständiges Befolgen “das derzeitige hohe Niveau mobiler und integrierter IT-Dienstleistungen unterminiere”. Das gelte nicht nur für Microsofts Produkte. Die Kommission sei schon immer dazu bereit, “substanziierten Empfehlungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten Folge zu leisten” und “dankbar” für dessen Hinweise. Gegen die Anordnung des EDPS könnte sie vor der Europäischen Gerichtsbarkeit Klage erheben. fst
Am Dienstag stimmt das EU-Parlament in Straßburg über seinen Bericht zur “Green Claims”-Richtlinie ab. Als problematisch betrachtet die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), dass eine Passage zur EU-weiten Harmonisierung der Scoring-Systeme gestrichen wurde. “Wir wollen nicht, dass wir einen Claim in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen bekommen und in einem anderen nicht”, sagt Stefanie Sabet, BVE-Geschäftsführerin und Leiterin des Brüsseler BVE-Büros zu Table.Briefings.
Nicht einverstanden ist sie damit, dass der Bezug zur EU-Verpackungsverordnung gestrichen wurde. “Das sorgt wieder nur für mehr Bürokratie”, sagt Sabet. Obwohl es über die neue EU-Verpackungsverordnung schon gesetzliche Vorgaben, beispielsweise zum Rezyklatanteil, gebe, müsse eine Behörde das Umweltsiegel für eine nachhaltige Verpackung nun trotzdem prüfen.
“Positiv ist, dass der Zertifizierungsprozess vereinfacht werden soll”, sagt die BVE-Geschäftsführerin. Dafür wird die EU-Kommission zwei Dinge umsetzen:
Sabet warnt, es dürfe nicht so werden wie bei der “Health Claims”-Verordnung. Hier warte man Jahre auf Genehmigungen. “Es ergibt keinen Sinn, wenn jedes Unternehmen, dass die gleiche Methodik verwendet, einen langen Prozess durchläuft und Behörden die gleiche Methodik tausendmal freigeben müssen.”
“Das Ziel ist richtig, der Weg ist falsch”, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier. Er ist Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union. Dass sich Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern Umweltaussagen zertifizieren lassen müssen, sei ein “krasses Beispiel von Überregulierung”. Der Entwurf schaffe hohe Risiken und Kosten für Unternehmen. “Unser aller Ziel muss mehr Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz sein, der Bürger und Unternehmen mitnimmt”, sagt der FDP-Politiker. Ziel dürfe nicht sein, den Mittelstand kaputt zu regulieren.
Im Juni werden die Mitgliedstaaten voraussichtlich ihre Position zur “Green Claims”-Richtlinie vorlegen. mo
Den Kragen ihres Trenchcoats für stürmisches Wetter hochgeschlagen und mit entschlossenem Blick, so zieht Marie-Agnes Strack-Zimmermann in den anlaufenden Wahlkampf. “Streitbar in Europa” haben die FDP-Strategen auf das Wahlplakat gedruckt, und darüber ihren Kampfnamen: “Eurofighterin”.
In der deutschen Öffentlichkeit hat sich die 66-Jährige mit Streitlust und griffigen Forderungen längst einen Namen gemacht, nun soll sie auch in anderen EU-Ländern Zugkraft entfalten. Am Nachmittag des 20. März wird die größte liberale Parteienfamilie ALDE Strack-Zimmermann zu ihrer Spitzenkandidatin wählen – Stand gestern Nachmittag unterstützten bereits 13 Mitgliedsparteien ihre Nominierung. Am Abend dann tritt ein Trio vor die Öffentlichkeit: neben MASZ noch Valérie Hayer als Spitzenkandidatin für die französische Partei Renaissance und Sandro Gozi für die kleinere Parteienfamilie EDP.
Die europäischen Liberalen sind eben etwas komplizierter als andere Parteienfamilien, wie auch das bunte Abstimmungsverhalten der Renew-Gruppe im Europaparlament zeigt. Strack-Zimmermann jedenfalls findet es “cool”, als Trio an den Start zu gehen. Und hält sich beim Vorstellen der Kampagne am Montag auch nicht zurück: Emmanuel Macron und Olaf Scholz empfiehlt sie eine “Paartherapie”, Sahra Wagenknecht wirft sie in einen Topf mit den Rechtsaußen Europas – “das Gleiche in Dunkelrot”.
An anderer Stelle anecken dürfte Strack-Zimmermann mit einem weiteren FDP-Slogan für die Wahlkampagne: “Europa lebt von Freiheit. Nicht von Richtlinien.” Viele ihrer künftigen Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament vermögen darin keinen Widerspruch zu erkennen. Bleibt zu beobachten, ob die Zeit in Brüssel und Straßburg auch die Eurofighterin formen wird. Till Hoppe