in Straßburg dreht sich am heutigen Dienstag einiges um China. Die Kommission tagt wie immer in den Sitzungswochen des Parlaments ebenfalls am Rhein und wird beschließen, für welche kritischen Technologien sie die Strategie des De-Riskings in den Handelsbeziehungen mit China verfolgen will.
Die Liste wird Teil der Brüsseler Strategie für wirtschaftliche Sicherheit sein und voraussichtlich Bereiche der Mikroelektronik, Quantencomputing, Robotik, künstliche Intelligenz und Biotechnologie umfassen. Vize-Präsidentin Jourová und Kommissar Breton werden die Pläne vorstellen. Mit der Aufzählung soll auch ein Bereich definiert werden, der für ein mögliches Screening von Outbound-Investitionen infrage kommt und dem US-Vorbild bei Beschränkungen von Investitionen unter anderem bei Halbleitern oder KI folgen würde.
Ebenso heute stehen im Parlament zwei wichtige Themen mit China-Bezug auf der Tagesordnung: Zum einen werden die Europa-Abgeordneten formal über das Handelsinstrument gegen wirtschaftlichen Zwang (auf Englisch anti-coercion tool) abstimmen. Zum anderen muss die Kommission Rede und Antwort zu den Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik China stehen. Dazu ist ab 15 Uhr eine Debatte mit den EU-Parlamentariern und einem Vertreter der Kommission vorgesehen. Genießen Sie noch einmal einen herrlichen Spätsommertag!
Jaroslaw Kaczynski, der als Vorsitzender der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seit acht Jahren die Geschicke Polens bestimmt, warnt immer wieder vor Feinden, die es auf Polens Souveränität abgesehen haben. Ganz Europa beneide Polen um seinen wirtschaftlichen Erfolg – allen voran sein Nachbar Deutschland, behauptet der gealterte Politiker.
Im Wahlkampf versucht Kaczynski bei jeder Veranstaltung Angst zu schüren – und seine Partei als den einzigen Retter der polnischen Staatlichkeit zu präsentieren. Sollte der Oppositionsführer Donald Tusk wieder an die Macht kommen, werde Polen erneut “unter den deutschen Stiefel fallen”. Tusk sei ein “Vaterlandsverräter”, der Befehle aus Berlin empfange und den “Ausverkauf des polnischen Volksvermögens” an deutsche Unternehmen anstrebe. Kaczynski beklagt stets die deutsche Dominanz in der EU – die angeblich auf Kosten Polens geht. “Die Deutschen wollten heute mit friedlichen Mitteln das erreichen, was sie sich einst mit militärischen Mitteln vorgenommen hätten”, sagt der PiS-Chef in Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg.
Diese deutschlandfeindlichen Töne kommen bei vielen Senioren über 60 Jahren, die über die Hälfte der PiS-Wähler ausmachen, gut an. Vor allem die Forderung nach Reparationen für die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, die die PiS-Politiker gern erheben, findet Unterstützung. Vor einem Jahr legte eine von der Regierung beauftragte Kommission einen Bericht vor, der die Höhe der Verluste auf 1.300 Milliarden Euro beziffert hat. Diese Summe würde Kaczynski gern von Deutschland erhalten.
Doch die Rechtslage ist nicht so simpel wie die Parolen. Denn Warschau hat 1953 – auf klaren Wunsch der “Schutzmacht” Sowjetunion – auf Reparationen aus Deutschland verzichtet. Auch beim Grenzvertrag, den Deutschland und Polen 1990 unterzeichnet haben, wurden Reparationen mit keinem Wort erwähnt. Mag sein, dass Polen im Vergleich zu anderen von Deutschland zerstörten Ländern nicht gerecht entschädigt wurde. Doch der in Raum gestellte Betrag von 1.300 Milliarden Euro ist absurd. Er würde jedes Land in den Ruin treiben.
Die Deutschen haben in der PiS-Narration nicht nur Schulden aus der Vergangenheit zu begleichen: Die Regierung wirft deutschen Recycling-Unternehmen auch vor, ihren Müll seit Jahren in Polen illegal abzulagern. Das Umweltministerium hat Ende Juli eine Beschwerde gegen Deutschland bei der EU-Kommission eingereicht und strebt ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof an. Die deutschen Müllentsorger weigern sich aber, den Müll zurückzuholen – in den meisten Fällen haben sie ihn an legal existierende polnische Unternehmen geliefert und für deren Entsorgung bezahlt. Mit der eigenen Müll-Mafia muss sich Warschau selbst auseinandersetzen.
In diesem Wahlkampf können zum ersten Mal auch verstärkt anti-ukrainische Töne vernommen werden. Nach dem Ausbruch des Krieges hat Polen Tor und Tür für ukrainische Flüchtlinge geöffnet. Viele sind zurückgekehrt oder weitergezogen, doch rund 1,2 Millionen sind in Polen geblieben. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung stößt langsam an Grenzen, die Stimmung droht zu kippen.
Zwar ist die Mehrheit der Polen (67 Prozent) den Flüchtlingen positiv gesinnt, doch seit Januar 2023 ist die Zustimmung um 13 Prozent gesunken. Die ablehnende Haltung gegenüber Ukrainern ist zugleich von 8 auf 13 Prozent gestiegen. Zum ersten Mal lehnen über die Hälfte der Polen (55 Prozent) zusätzliche Hilfsleistungen für die Ukrainer ab.
An dieser Wende ist nicht zuletzt auch die Regierung schuld. Polen blockiert seit über einem Jahr die Einfuhr von ukrainischem Getreide – um ihre eigenen Produzenten zu schützen, wie die Regierung behauptet. Im September hat Warschau die Blockade eigenmächtig verlängert – obwohl die EU zur gleichen Zeit beschloss, die Einfuhren wieder zu erlauben. Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verkündete, Polen wegen Behinderung des Handels vor ein WTO-Gericht zu zitieren, drohte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen. “Eine völlig unnötige Zuspitzung, die Polen wieder einmal als einen unzuverlässigen Partner für Ost wie West darstellt”, urteil Radoslaw Sikorski, Polens ehemaliger Außenminister.
Mehrere rechte Gruppierungen, allen voran Konfederacja, der die Meinungsforscher den Einzug ins Parlament prophezeien, versuchen, sich mit antiukrainischen Inhalten im Wahlkampf zu profilieren. Der Ukrainer ist in deren Narration von Natur aus ein Polen-Fresser. Sie erinnern bei jeder Gelegenheit an die ukrainischen Massaker in Wolhynien in 1943, bei denen ukrainische Nationalisten etwa 50.000 bis 60.000 Polen brutal ermordet haben. Der bekannte Politiker Janusz Korwin-Mikke sagt deswegen: “Selbst wenn in Russland Kannibalismus herrschte, wäre ich für gute Beziehungen zu Russland, weil ich Angst vor einem Machtzuwachs der Ukraine habe.”
Die Politiker der Konfederacja warnen vor der “Ukrainisierung Polens”. Sie werfen den Flüchtlingen vor, aus wirtschaftlichen Gründen nach Polen gekommen zu sein, da die Mehrheit aus Gebieten stamme, die vom Krieg nicht betroffen sind. Das Institut für Medienbeobachtung in Warschau zählt jeden Monat etwa 100.000 anti-ukrainische Beiträge im Netz. Der Tenor: Ukrainer kommen für ein paar Tage nach Polen, um polnische Sozialleistungen zu kassieren, und kehren dann in die Ukraine zurück. Die Posts werden gern mit Fotos nobler Autos mit ukrainischen Kennzeichen illustriert.
Ein Teil der Polen glaubt, dass die Ukrainer in Polen besser behandelt werden als die eigenen Bürger. Im Netz heißt es oft, dass sie höhere Sozialleistungen bekämen als Polen – etwa kostenlose medizinische Versorgung, freie Kontoführung oder Kreditkartenverwaltung. Die Ukrainer trieben auch die Preise auf dem Wohnungsmarkt hoch, sodass Polen sich die Mieten nicht leisten können.
Die meisten antiukrainischen Inhalte werden über die Plattform X verbreitet, manchmal von rechtsextremen Politikern, Mitgliedern nationalistischer Bewegungen sowie von Anti-Impf-Aktivisten. Die meisten Posts sind anonym, womöglich werden sie auch im Auftrag Russlands produziert. Der Kreml freut sich, wenn er die Polen und Ukrainer spalten kann. Andzrej Rybak
Glyphosat bleibt vorerst ein Zankapfel. Die EU-Kommission wälzt die Verantwortung auf die EU-Mitgliedstaaten ab und verspielt die Chance, harmonisierte Regeln für den Schutz der Artenvielfalt einzuführen. “Der Vorschlag enthält mehrere rechtlich nicht verbindliche Einschränkungen für die Mitgliedsstaaten”, kritisiert der Wiener Forscher Johann Zaller von der Universität für Bodenkultur in Österreich. “Viele Zuständigkeiten werden mit dem Vorschlag einfach auf die Mitgliedsstaaten übertragen. Angesichts des beklagenswerten Zustandes der Biodiversität in den Mitgliedstaaten und der Bedeutung, die sie dem Naturschutz beimessen, bedeutet das nichts Gutes”, kritisiert Zaller.
Die Forscherin Maria Finckh von der Universität Kassel, Leiterin des Fachgebiets Ökologischer Pflanzenschutz, hält die vorgeschlagenen Einschränkungen EU-weit betrachtet für eine Verbesserung. Konkret nennt sie vor allem das Verbot der Sikkation und die mindestens fünf Meter Randstreifen auf den Feldern, sowie den Verweis auf die Risiken der Beimischungen. Allerdings schränkt sie ein, dass “letzterer Verweis sehr ungenau und damit leicht auszuhebeln” sei. Für Deutschland seien die Einschränkungen fast keine Veränderung des Status Quo, meint Finckh.
Die erneute Zulassung des umstrittenen Wirkstoffs soll nach Vorschlag der EU-Kommission an folgende Einschränkungen geknüpft werden:
Nach der Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hätte die EU-Kommission auch anders entscheiden können. Im Juli hatte die Behörde mit Sitz im italienischen Parma zwar eine positive Risikoeinschätzung für die erneute Zulassung von Glyphosat abgegeben. Aus ihren Schlussfolgerungen wird aber ersichtlich: Obwohl es laut EFSA keine kritischen Problembereiche gibt, die ein Verbot des umstrittenen Herbizids rechtfertigen, macht die Behörde einige Datenlücken, vor allem mit Blick auf die Biodiversität, geltend.
“Der Vorschlag der EU-Kommission offenbart ein systematisches Leugnen des dramatischen Rückgangs der Biodiversität und der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Glyphosat dazu beiträgt”, kritisiert der österreichische Wissenschaftler Zaller. Er wirft der Brüsseler Behörde eine “Verhöhnung der ökologischen Wissenschaften” vor und verweist auf die Studienlage zu den Auswirkungen des umstrittenen Wirkstoffs auf terrestrische Ökosysteme.
Der Vorschlag berücksichtige weder Auswirkungen auf das Mikrobiom noch auf Insekten, vor allem Bienen, ergänzt Forscherin Finckh. “Es werden nur indirekte Effekte auf die Biodiversität über das Nahrungsnetz genannt”, sagt Finckh. Aus Sicht der Wissenschaftlerin sei die antibiotische Wirkung von Glyphosat der triftigste Grund, warum der Wirkstoff problematisch ist: Dem Boden zugeführt, schädige er dort lebende Bakterien und Pilze oder führe zu resistenten Keimen, zu denen auch Humanpathogene gehören, welche im menschlichen Organismus Krankheiten hervorrufen können. “Folge sind häufig Dysbiosen: aus dem Gleichgewicht geratene Mikrobiome, zum Beispiel in der Darmflora, aber auch andernorts”, sagt Finckh. Die EU-Kommission unterlaufe mit diesem Vorschlag eigene Bemühungen, eine permanente Bodenbedeckung und Begrünung zu fördern, um insgesamt die Kohlenstoffspeicherung in den Böden zu erhöhen, meint Finckh weiter.
“Ich halte den Vorschlag für angemessen”, sagt hingegen Christoph Schäfer vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie. “Das wesentliche Problem von Glyphosat ist sein Einsatz in extrem großem Umfang. Wenn dieser mithilfe der neuen Regulation eingeschränkt wird, ist bereits viel erreicht. Besser ist: ganz ohne Herbizide.” Hierzu brauche es eine Umstellung der räumlichen und zeitlichen Kulturfolgen und Untersaaten, mechanische Methoden in Verbindung mit Smart Farming, sowie höhere Erzeugerpreise und die Solidarität der Verbraucher.
“Glyphosat ist zwar von den Risiken her gesehen ein Leichtgewicht, aber es ist ein großer Treiber bei den ausgebrachten Mengen“, sagt Horst-Henning Steinmann von der Georg-August-Universität Göttingen. “Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob ein System einer Mengendeckelung machbar ist.” Dann könnte erreicht werden, dass Glyphosat nur dort angewendet wird, wo es den größten Nutzen hat und wo es keine praktikable Alternative gibt, meint Steinmann.
04.10.-06.10.2023, Malaga (Spanien)
EC, Conference EU Industry Days 2023
The annual European Commission (EC) event offers a wide range of plenary sessions focusing on main drivers, opportunities and challenges of the green digital transition, EU open strategic autonomy and the integration of Ukraine into the single market. INFO & REGISTRATION
04.10.2023 – 10:30-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable Expert Stakeholder Consultation: Free Allocation Regulation (FAR) EU ETS Public Consultation
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) is hosting a brainstorming roundtable with a small group of stakeholders and policy makers to brainstorm on the upcoming revision of the FAR, in response to the ETS revision/Fit For 55. INFO
04.10.2023 – 14:30-16:30, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable Public perception of CCUS and carbon removals
In this European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) event, different perspectives on public perception of CCUS are explored, to understand views and learn about the experience from stakeholders from various sectors. INFO & REGISTRATION
04.10.2023 – 15:00-16:15 Uhr, online
Eurogas, Conference Securing gas supply for the upcoming winter season and beyond
This event will look to address how Europe and the rest of the world are planning to secure gas supply for the upcoming winter season and the future with a keynote speech by the Deputy Director-General from DG ENER, followed by an expert panel discussion. INFO & REGISTRATION
04.10.2023 – 18:00 Uhr, Potsdam
KAS, Diskussion Deutschlands nukleare Interessen nach dem Ukrainekrieg
Der ehemalige Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Dr. Karl-Heinz Kamp, stellt bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) seine neue Studie vor und diskutiert über Deutschlands nukleare Sicherheitsinteressen und -strategien. INFOS & ANMELDUNG
05.10.-06.10.2023, Zagreb (Kroatien)
ERA, Seminar Cartel Enforcement in the EU: Advanced EU Competition Law Training
This European Law Academy (ERA) seminar is aimed at providing a thorough update for competition law practitioners on the recent trends, developments and jurisdiction in EU cartel enforcement. INFO & REGISTRATION
05.10.2023 – 09:00-18:00 Uhr, Mailand (Italien)
EC, Workshop The Costs of Non-Europe and the Accomplishment of the European Integration Project: Economic, Legal, and Political Opportunities and Hindrances
The Joint Research Center of the European Commission (EC) aims to evaluate the costs of non-Europe and the benefits of EU-level legislation, drawing upon the cost-benefit analysis of Brexit, as well as to delve into the evolvement of European identity. INFO
05.10.2023 – 15:30-17:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable CBAM Launch event: Report on methods and process for crediting carbon prices
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) will bring together experts in the areas of economics, law, and policy to present a paper, followed by a discussion on the method for crediting carbon prices. INFO & REGISTRATION
05.10.2023 – 19:00-21:00 Uhr, Hannover
FNF, Vortrag Great Britain – How are you?
Wera Hobhouse, Mitglied im Britischen Unterhaus für die Liberal Democrats, spricht bei der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) über die Perspektive Großbritanniens post-Brexit und gibt einen Einblick in Großbritanniens Verfassung. INFOS & ANMELDUNG
Der Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) hat am späten Montagabend noch nicht den Weg frei für eine Ernennung des designierten Klimakommissars Wopke Hoekstra gemacht. Die Koordinatoren der Fraktionen vertagten im Anschluss an die dreistündige Anhörung Hoekstras ihre Entscheidung, ob sie ihre Empfehlung für den Niederländer an die Präsidentenkonferenz der EU (COP) weiterleiten. Sie wollen nun am heutigen Dienstag um 14 Uhr entscheiden, nachdem der ENVI auch den designierten Green-Deal-Kommissar Maroš Šefčovič befragt hat.
Insbesondere die Grünen pochten auf die Vertagung, da sie weitere Antworten von Hoekstra einfordern. Er habe versucht, es allen recht zu machen, bei konkreten Vorschlägen sei es dünn geworden, kommentierte der klimapolitische Sprecher der Grünen Michael Bloss. “Der Klimakommissar muss in einer zweiten Runde deutlich machen, dass er nicht wie die Konservativen den Green Deal bekämpft, sondern ihn weiterentwickeln will.”
Zuvor hatte Hoekstra während der Befragung durch die Abgeordneten eine mindestens 90-prozentige CO₂-Reduktion für das europäische Klimaziel für 2040 angekündigt. Eine entsprechende Kommunikation soll noch im ersten Quartal des kommenden Jahres folgen. Auch ein Zwischenziel für 2035 wolle er vorlegen, sobald die globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake) auf der UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) durchgeführt wurde. Außerdem versprach Hoekstra, sich in Dubai für das Ende unverminderter Kohleverstromung (“unabated fossil fuels”) und höhere Ambitionen bei der globalen CO₂-Vermeidung (Mitigation) einsetzen zu wollen. Zudem kündigte Hoekstra an, eine Kerosinsteuer einführend zu wollen. luk
Der Einsatz synthetischer Düngemittel könnte laut einer Studie weltweit um etwa ein Drittel sinken, ohne dass die Erträge global betrachtet zurückgehen würden. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die im Fachjournal “Communications Earth & Environment” erschienen ist. Die Forschenden aus Karlsruhe betrachten in ihrer Studie die drei wichtigsten Getreidesorten Mais, Weizen und Reis im Zeitraum von 2015 bis 2030. Für die Untersuchung nutzen sie ein eigens entwickeltes biogeochemisches Modell.
In dem Beitrag legen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dar, welche globalen Umverteilungen notwendig wären, um rund ein Drittel Kunstdünger bei gleichbleibenden Erträgen einzusparen. Landwirte in Regionen, in denen die Stickstoffbelastung aktuell hoch ist – etwa in Ostasien, Nordamerika oder Westeuropa – müssten deutlich weniger Düngemittel verwenden, wodurch ihre Erträge leicht sinken würden. Landwirte in Subsahara-Afrika und Eurasien, wo der Ertrag pro Fläche aktuell häufig viel niedriger ist, müssten hingegen mehr düngen. Sie könnten auf diese Weise höhere Erträge erzielen. Das würde die Ertragsverluste in anderen Regionen mehr als ausgleichen, schreiben die Forschenden.
Von dem Modell versprechen sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einerseits eine Steigerung der Ernteerträge in Regionen wie Subsahara-Afrika und damit die Sicherung der Welternährung. Andererseits verweisen sie auf die Verringerung der Stickstoffbelastung der Umwelt in Regionen, in denen viel gedüngt wird. Für Christoph Müller, Leiter der Arbeitsgruppe zu Landnutzung und Resilienz am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sind die Studienergebnisse qualitativ nicht überraschend. Die nicht-linearen Beziehungen zwischen Erträgen und Stickstoffgaben führten dazu, dass in Systemen mit geringem Stickstoffeintrag relativ große Ertragssteigerungen pro zusätzlicher Einheit Stickstoff erreicht werden könnten, so Müller. Gleichzeitig seien die Ertragssteigerungen in Systemen mit hohem Eintrag sehr gering und die umweltschädlichen Emissionen hoch.
In der Praxis gerät das von den Forschenden dargelegte Szenario an seine Grenzen. Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selbst einräumen, würde es durch die Umverteilungen zu Verschiebungen in der Produktion kommen, die wirtschaftliche Auswirkungen hätten. Auch Christoph Müller vom PIK hält fest: “Eine solche Umverteilung ist ohne erhebliche Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht möglich.” Zum einen müssten zumindest in den Regionen mit hohen Stickstoffgaben finanzielle Anreize geschaffen werden, Stickstoff in geringeren Mengen und effizienter einzusetzen, so Müller. Zum anderen müsste sichergestellt werden, dass Stickstoff – und auch andere Nährstoffe – in die Regionen kommt, wo Nährstoffe dringend gebraucht werden, um Erträge zu steigern. Dazu müssten Produzenten in der Lage sein, sich diese Einträge leisten zu können. Außerdem wären bessere Anbindungen an Märkte nötig.
Für Adrian Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Departement für Agrar- und Ernährungssysteme am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz, birgt eine solche Umverteilung den Vorteil, Regionen, die heute relativ wenig produzieren, ernährungssicherer und weniger abhängig von Nahrungsmittelimporten zu machen. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, “dass über die erhöhte Mineraldüngernutzung in den heute wenig produktiven Regionen eine neue Abhängigkeit entsteht, die auch wieder sehr krisenanfällig ist”. heu
Als Reaktion auf die Spannungen im Norden des Kosovo stellt Großbritannien 200 zusätzliche Soldaten bereit, um die Nato-Schutztruppe Kfor vor Ort zu verstärken. Es ist vor allem ein symbolischer Schritt. Nach dem Höhepunkt vor 20 Jahren mit knapp 50.000 Soldaten hatte die Nato ihre Präsenz lange kontinuierlich zurückgefahren. Dies in der Hoffnung auf einen Erfolg des Dialogs und eine Annäherung zwischen Belgrad und Pristina. Diese Hoffnungen drohen sich nun zu zerschlagen.
Großbritannien war bisher mit 400 Soldaten dabei, die Bundeswehr noch mit 70. Man komme mit der Aufstockung einer Anfrage des Nato-Oberkommandierenden Saceur entgegen, teilt das britische Verteidigungsministerium zur Verstärkung mit. Nach einer ersten Eskalation im Mai hatte schon die Türkei ihr Kontingent erhöht. Derzeit verfügt Kfor über eine Truppenstärke von 4500 Soldatinnen und Soldaten. Im Mai war die Kfor in einer Konfrontation zwischen einem serbischen Mob und der Kosovo-Polizei zwischen die Fronten geraten. Mehrere Dutzend Soldaten aus Ungarn und Italien wurden dabei verletzt.
Die jüngste Eskalation ist deutlich ernster, wobei die Hintergründe nach wie vor nicht ganz geklärt sind. Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani beschuldigt Serbien und dessen Präsidenten Alexandar Vučić, nach dem “Krim-Modell” territoriale Ansprüche im Norden Kosovos durchsetzen zu wollen. Demnach hätten die mindestens 30-köpfige Truppe von Paramilitärs mit dem Kosovo-Serben Milan Radoičić an der Spitze einen Zwischenfall provozieren wollen, der dann den Einmarsch der serbischen Armee gerechtfertigt hätte.
So zumindest ein mögliches Szenario. Präsident Vučić bestritt am Wochenende Pläne für einen militärischen Einmarsch in die ehemals von Belgrad kontrollierte Provinz. Serbien habe im vergangenen Jahr 14.000 Soldaten nahe des Kosovos stationiert, derzeit seien es noch 7.500 und man werde bis auf 4.000 Mann reduzieren. Die USA und die EU hatten sich zuletzt über die Truppenkonzentration besorgt gezeigt und Belgrad aufgerufen, Soldaten abzuziehen. Vučić schien zuletzt überhaupt um Entspannung bemüht. So distanzierte sich der Präsident von Milan Radoičić, einem langjährigen Vertrauten und Statthalter in Nordkosovo.
Der Anwalt des Paramilitärs und zwielichtigen Geschäftsmanns betonte bei einem Auftritt vor den Medien in Belgrad, sein Mandant habe auf eigene Faust gehandelt. Milan Radoičić wurde in der serbischen Hauptstadt gesichtet und von der Polizei nicht behelligt. Der serbische Präsident wies auch Vorwürfe Kosovos Premier Albin Kurti zurück, wonach die Paramilitärs auf einem Stützpunkt der serbischen Armee trainiert haben sollen. Man nehme die Truppenkonzentration und die große Menge von den Paramilitärs zurückgelassenen Waffen “sehr ernst”, sagte Peter Stano, Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag. Alle Fakten müssten auf den Tisch, und die EU erwarte die volle Kooperation Serbiens.
Die EU tut sich auch nach der blutigen Konfrontation zwischen Kosovos Polizei und den serbischen Paramilitärs mit einer Verurteilung Serbiens schwer. Mindestens acht EU-Staaten sollen allerdings bei einer Aussprache vergangene Woche mit Borrell darauf gedrängt haben, Strafmaßnahmen gegen Belgrad zu verhängen. Es gebe genug Hinweise, dass der serbische Staat bei dem “terroristischen Anschlag” involviert gewesen sei, bei dem letzte Woche ein Kosovo-Polizist erschossen wurde und vier Paramilitärs starben. Laut EU-Diplomaten war Deutschland nicht bei der Gruppe dabei, die auf einen härteren Kurs gegenüber Serbien drängten. Gegen die Regierung in Pristina hat die EU bereits vor dem Sommer Strafmaßnahmen verhängt. In Belgrad schließen Beobachter nicht aus, dass Vučić die Spannungen mit Kosovo mit Blick auf vorgezogene Neuwahlen geschürt, die am 17. Dezember stattfinden sollen. Serbiens Präsident ist zu Hause unter anderem wegen der schlechten Wirtschaftslage unter Druck. sti
Die EU-Außenminister haben der Ukraine am Montag bei einem überraschenden informellen Treffen in Kiew ihre weitere Unterstützung versichert. Außenministerin Annalena Baerbock warb bei dem ersten Treffen der 27 Chefdiplomaten und des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell außerhalb der EU dafür, der Ukraine angesichts der russischen Angriffe durch den Winter zu helfen. “Die Ukraine braucht einen Winterschutzschirm”, sagte die Grünen-Politikerin. Dazu gehöre, dass man die Luftverteidigung und die Energieversorgung in der Ukraine verstärke und mehr Generatoren liefere.
Die Außenminister trafen auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Das EU-Treffen fand in einer Zeit statt, in der in den USA zwischen Republikanern und Demokraten im Kongress kontrovers diskutiert wird, ob die milliardenschwere Militärhilfe für die Ukraine fortgesetzt werden soll. Am Sonntag war zudem in dem EU-Land Slowakei die Partei des linksgerichteten und prorussischen Ex-Ministerpräsidenten Robert Fico stärkste Kraft geworden. Fico hatte angekündigt, die Militärhilfe seines Landes für die Ukraine beenden zu wollen. Er beteuerte aber am Montag, dass auch er als slowakischer Regierungschef die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau der Ukraine fortsetzen wolle.
“Wir haben nicht das Gefühl, dass die Unterstützung der USA erschüttert wurde. Die Vereinigten Staaten verstehen, dass in der Ukraine viel mehr auf dem Spiel steht als nur die Ukraine”, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bei einem Treffen mit Borrell. Und in der Slowakei müsse Fico erst noch eine Koalition mit anderen Parteien bilden. Borrell bezeichnete das Treffen als historische Premiere. Er habe ein EU-Ausgabenpaket für Kiew in Höhe von bis zu fünf Milliarden Euro für 2024 vorgeschlagen. rtr
In diesem Sommer ächzte Europa unter Rekordtemperaturen; es gab heftige Unwetter und Überschwemmungen, so wie zuletzt etwa in Griechenland und Libyen: Die Klimakrise ist längst Teil unseres Alltags – und viele Menschen machen sich große Sorgen über ihre Auswirkungen. Nicht wenige Stimmen in der Politik und den Medien warnen dabei immer wieder vor Millionen “Klimaflüchtlingen” aus Afrika und anderen Regionen des Globalen Südens, die schon bald nach Europa strömen könnten.
Auch unabhängig von der Erderwärmung prägt die Migrationsdebatte – acht Jahre nach der Flüchtlingskrise – derzeit erneut die Politik. Deutsche Kommunen klagen über Überforderung, deutsche Politikerinnen und Politiker streiten über Grenzkontrollen und Obergrenzen. Auf der italienischen Insel Lampedusa haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni vor Kurzem einen Zehn-Punkte-Plan gegen irreguläre Einwanderung vorgelegt.
Die Klimakrise wird die Migrationsbewegungen wohl noch verstärken. Aber ist das Szenario einer gigantischen, klimabedingten Migrationsbewegung in Richtung Europa überhaupt stichhaltig? Und wie würde ein angemessener politischer Umgang mit den Herausforderungen der “Klimamigration” aussehen?
Um es direkt vorwegzunehmen: Ein Ansturm von Klimaflüchtlingen auf die europäischen Außengrenzen ist – auch wenn die aktuellen Bilder von Lampedusa etwas anderes zu zeigen scheinen – eher unrealistisch. Denn die Forschung zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration kommt zu dem Ergebnis, dass Migrations- und Fluchtbewegungen in Verbindung mit Klimafolgen fast ausschließlich innerhalb der betroffenen Länder und Regionen passieren.
Generell migrieren Menschen im Globalen Süden vor allem intraregional: In West-Afrika beispielsweise beträgt der Anteil der Migration innerhalb der Region nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) rund 90 Prozent. Bei den Hauptbetroffenen der Klimakrise handelt es zum allergrößten Teil um arme Menschen wie Kleinbauern, denen es erst recht an den notwendigen Mitteln fehlt, um in Richtung Europa zu migrieren.
Zudem entspricht das Verhältnis zwischen Klima und menschlichen Wanderungen keineswegs einer simplen Arithmetik, die mit einer Formel à la “0,1 Grad Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur resultieren in x Millionen Klimaflüchtlingen” berechnet werden könnte. Migrations- und Fluchtprozesse sind komplex. Sie werden von politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Faktoren beeinflusst, auch in heute schon stark von der Klimakrise betroffenen Gebieten. Außerdem führen die Klimafolgen nicht selten dazu, dass Menschen eher an Mobilität einbüßen, da sie wichtige Ressourcen verlieren.
Deshalb lenkt die vermeintliche Gefahr einer klimabedingten Mega-Flüchtlingskrise eher von den tatsächlichen Herausforderungen ab, die der Klimawandel und die daraus resultierende Migration mit sich bringt.
Zum einen müssen wir uns in Europa darauf einstellen, dass auch bei uns etwa ab der Mitte des 21. Jahrhunderts viele Menschen ihr Zuhause werden verlassen müssen. Allein aufgrund des erwartbaren Anstiegs des Meeresspiegels sind Millionen von Menschen in küstennahen Gebieten Europas gefährdet. Selbst wenn diese Gefahr heute noch nicht so akut erscheinen mag, müssen sich Politik und Gesellschaften Gedanken darüber machen, wie sie diese gigantische Herausforderung bewältigen können.
Bis jetzt scheint diesbezüglich noch unbedarfte Sorglosigkeit zu herrschen. Natürlich planen europäischen Länder und Regionen bereits ihre längerfristigen Anpassungsoptionen. Was ist aber, wenn etwa der Meeresspiegel nach 2050 stärker ansteigt als bislang angenommen? Was ist, wenn die Anpassung technisch oder finanziell für gewisse Gebiete nicht mehr leistbar ist und Menschen dauerhaft weggehen müssen? Für diese Umsiedlungsmaßnahmen muss es einen umfassenden und gut durchdachten Dialog- und Planungsprozess geben, der darauf abzielt, die sozialen und wirtschaftlichen Verluste für alle Beteiligten so gering wie möglich zu halten. Ihn in Gang zu setzen, ist eine Mammutaufgabe für Regierungen und Behörden.
Aber auch die Prozesse von Flucht und Migration, die sich im Kontext der Klimakrise innerhalb anderer Erdteile abspielen, haben Auswirkungen auf uns in Europa. Zwar sind die Zusammenhänge komplex. Aber sowohl die Folgen des Klimawandels selbst als die dadurch mitverursachten Migrationsbewegungen stellen viele Länder des Globalen Südens vor große Herausforderungen. Sie erhöhen auch das Potenzial für mehr Konflikte und Instabilität. Das kann nicht im europäischen Interesse liegen.
Internationale Foren, Prozesse und Organisationen sowie auch nationale Regierungen oder entwicklungspolitische Organisationen beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit Klimamigration -vor allem in den betroffenen Weltregionen, wie der Karibik oder dem Horn von Afrika. Ihre Aktivitäten zielen oft darauf ab, ein gemeinsames Problembewusstsein bei Entscheidungsträgern zu schaffen und einen politischen Dialog in Gang zu bringen. Europa steht dabei nur nicht wegen geostrategischer Überlegungen in der Pflicht, sondern hat als einer der Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels auch eine ethische Verpflichtung.
Konkret muss diese Unterstützung durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten fünf Bereiche umfassen:
Sich auf mehr Klimamigration im eigenen Land vorzubereiten, und zugleich die Partnerländer im Globalen Süden in der Klimakrise besser zu unterstützen, damit die Menschen dort ihre Heimat nicht verlassen müssen: Das wäre ein guter Weg, um mit der Klimamigration politisch umzugehen.
Benjamin Schraven ist Assoziierter Wissenschaftler des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und hat jüngst ein Buch zum Thema “Klimamigration” veröffentlicht.
in Straßburg dreht sich am heutigen Dienstag einiges um China. Die Kommission tagt wie immer in den Sitzungswochen des Parlaments ebenfalls am Rhein und wird beschließen, für welche kritischen Technologien sie die Strategie des De-Riskings in den Handelsbeziehungen mit China verfolgen will.
Die Liste wird Teil der Brüsseler Strategie für wirtschaftliche Sicherheit sein und voraussichtlich Bereiche der Mikroelektronik, Quantencomputing, Robotik, künstliche Intelligenz und Biotechnologie umfassen. Vize-Präsidentin Jourová und Kommissar Breton werden die Pläne vorstellen. Mit der Aufzählung soll auch ein Bereich definiert werden, der für ein mögliches Screening von Outbound-Investitionen infrage kommt und dem US-Vorbild bei Beschränkungen von Investitionen unter anderem bei Halbleitern oder KI folgen würde.
Ebenso heute stehen im Parlament zwei wichtige Themen mit China-Bezug auf der Tagesordnung: Zum einen werden die Europa-Abgeordneten formal über das Handelsinstrument gegen wirtschaftlichen Zwang (auf Englisch anti-coercion tool) abstimmen. Zum anderen muss die Kommission Rede und Antwort zu den Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik China stehen. Dazu ist ab 15 Uhr eine Debatte mit den EU-Parlamentariern und einem Vertreter der Kommission vorgesehen. Genießen Sie noch einmal einen herrlichen Spätsommertag!
Jaroslaw Kaczynski, der als Vorsitzender der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seit acht Jahren die Geschicke Polens bestimmt, warnt immer wieder vor Feinden, die es auf Polens Souveränität abgesehen haben. Ganz Europa beneide Polen um seinen wirtschaftlichen Erfolg – allen voran sein Nachbar Deutschland, behauptet der gealterte Politiker.
Im Wahlkampf versucht Kaczynski bei jeder Veranstaltung Angst zu schüren – und seine Partei als den einzigen Retter der polnischen Staatlichkeit zu präsentieren. Sollte der Oppositionsführer Donald Tusk wieder an die Macht kommen, werde Polen erneut “unter den deutschen Stiefel fallen”. Tusk sei ein “Vaterlandsverräter”, der Befehle aus Berlin empfange und den “Ausverkauf des polnischen Volksvermögens” an deutsche Unternehmen anstrebe. Kaczynski beklagt stets die deutsche Dominanz in der EU – die angeblich auf Kosten Polens geht. “Die Deutschen wollten heute mit friedlichen Mitteln das erreichen, was sie sich einst mit militärischen Mitteln vorgenommen hätten”, sagt der PiS-Chef in Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg.
Diese deutschlandfeindlichen Töne kommen bei vielen Senioren über 60 Jahren, die über die Hälfte der PiS-Wähler ausmachen, gut an. Vor allem die Forderung nach Reparationen für die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, die die PiS-Politiker gern erheben, findet Unterstützung. Vor einem Jahr legte eine von der Regierung beauftragte Kommission einen Bericht vor, der die Höhe der Verluste auf 1.300 Milliarden Euro beziffert hat. Diese Summe würde Kaczynski gern von Deutschland erhalten.
Doch die Rechtslage ist nicht so simpel wie die Parolen. Denn Warschau hat 1953 – auf klaren Wunsch der “Schutzmacht” Sowjetunion – auf Reparationen aus Deutschland verzichtet. Auch beim Grenzvertrag, den Deutschland und Polen 1990 unterzeichnet haben, wurden Reparationen mit keinem Wort erwähnt. Mag sein, dass Polen im Vergleich zu anderen von Deutschland zerstörten Ländern nicht gerecht entschädigt wurde. Doch der in Raum gestellte Betrag von 1.300 Milliarden Euro ist absurd. Er würde jedes Land in den Ruin treiben.
Die Deutschen haben in der PiS-Narration nicht nur Schulden aus der Vergangenheit zu begleichen: Die Regierung wirft deutschen Recycling-Unternehmen auch vor, ihren Müll seit Jahren in Polen illegal abzulagern. Das Umweltministerium hat Ende Juli eine Beschwerde gegen Deutschland bei der EU-Kommission eingereicht und strebt ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof an. Die deutschen Müllentsorger weigern sich aber, den Müll zurückzuholen – in den meisten Fällen haben sie ihn an legal existierende polnische Unternehmen geliefert und für deren Entsorgung bezahlt. Mit der eigenen Müll-Mafia muss sich Warschau selbst auseinandersetzen.
In diesem Wahlkampf können zum ersten Mal auch verstärkt anti-ukrainische Töne vernommen werden. Nach dem Ausbruch des Krieges hat Polen Tor und Tür für ukrainische Flüchtlinge geöffnet. Viele sind zurückgekehrt oder weitergezogen, doch rund 1,2 Millionen sind in Polen geblieben. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung stößt langsam an Grenzen, die Stimmung droht zu kippen.
Zwar ist die Mehrheit der Polen (67 Prozent) den Flüchtlingen positiv gesinnt, doch seit Januar 2023 ist die Zustimmung um 13 Prozent gesunken. Die ablehnende Haltung gegenüber Ukrainern ist zugleich von 8 auf 13 Prozent gestiegen. Zum ersten Mal lehnen über die Hälfte der Polen (55 Prozent) zusätzliche Hilfsleistungen für die Ukrainer ab.
An dieser Wende ist nicht zuletzt auch die Regierung schuld. Polen blockiert seit über einem Jahr die Einfuhr von ukrainischem Getreide – um ihre eigenen Produzenten zu schützen, wie die Regierung behauptet. Im September hat Warschau die Blockade eigenmächtig verlängert – obwohl die EU zur gleichen Zeit beschloss, die Einfuhren wieder zu erlauben. Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verkündete, Polen wegen Behinderung des Handels vor ein WTO-Gericht zu zitieren, drohte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen. “Eine völlig unnötige Zuspitzung, die Polen wieder einmal als einen unzuverlässigen Partner für Ost wie West darstellt”, urteil Radoslaw Sikorski, Polens ehemaliger Außenminister.
Mehrere rechte Gruppierungen, allen voran Konfederacja, der die Meinungsforscher den Einzug ins Parlament prophezeien, versuchen, sich mit antiukrainischen Inhalten im Wahlkampf zu profilieren. Der Ukrainer ist in deren Narration von Natur aus ein Polen-Fresser. Sie erinnern bei jeder Gelegenheit an die ukrainischen Massaker in Wolhynien in 1943, bei denen ukrainische Nationalisten etwa 50.000 bis 60.000 Polen brutal ermordet haben. Der bekannte Politiker Janusz Korwin-Mikke sagt deswegen: “Selbst wenn in Russland Kannibalismus herrschte, wäre ich für gute Beziehungen zu Russland, weil ich Angst vor einem Machtzuwachs der Ukraine habe.”
Die Politiker der Konfederacja warnen vor der “Ukrainisierung Polens”. Sie werfen den Flüchtlingen vor, aus wirtschaftlichen Gründen nach Polen gekommen zu sein, da die Mehrheit aus Gebieten stamme, die vom Krieg nicht betroffen sind. Das Institut für Medienbeobachtung in Warschau zählt jeden Monat etwa 100.000 anti-ukrainische Beiträge im Netz. Der Tenor: Ukrainer kommen für ein paar Tage nach Polen, um polnische Sozialleistungen zu kassieren, und kehren dann in die Ukraine zurück. Die Posts werden gern mit Fotos nobler Autos mit ukrainischen Kennzeichen illustriert.
Ein Teil der Polen glaubt, dass die Ukrainer in Polen besser behandelt werden als die eigenen Bürger. Im Netz heißt es oft, dass sie höhere Sozialleistungen bekämen als Polen – etwa kostenlose medizinische Versorgung, freie Kontoführung oder Kreditkartenverwaltung. Die Ukrainer trieben auch die Preise auf dem Wohnungsmarkt hoch, sodass Polen sich die Mieten nicht leisten können.
Die meisten antiukrainischen Inhalte werden über die Plattform X verbreitet, manchmal von rechtsextremen Politikern, Mitgliedern nationalistischer Bewegungen sowie von Anti-Impf-Aktivisten. Die meisten Posts sind anonym, womöglich werden sie auch im Auftrag Russlands produziert. Der Kreml freut sich, wenn er die Polen und Ukrainer spalten kann. Andzrej Rybak
Glyphosat bleibt vorerst ein Zankapfel. Die EU-Kommission wälzt die Verantwortung auf die EU-Mitgliedstaaten ab und verspielt die Chance, harmonisierte Regeln für den Schutz der Artenvielfalt einzuführen. “Der Vorschlag enthält mehrere rechtlich nicht verbindliche Einschränkungen für die Mitgliedsstaaten”, kritisiert der Wiener Forscher Johann Zaller von der Universität für Bodenkultur in Österreich. “Viele Zuständigkeiten werden mit dem Vorschlag einfach auf die Mitgliedsstaaten übertragen. Angesichts des beklagenswerten Zustandes der Biodiversität in den Mitgliedstaaten und der Bedeutung, die sie dem Naturschutz beimessen, bedeutet das nichts Gutes”, kritisiert Zaller.
Die Forscherin Maria Finckh von der Universität Kassel, Leiterin des Fachgebiets Ökologischer Pflanzenschutz, hält die vorgeschlagenen Einschränkungen EU-weit betrachtet für eine Verbesserung. Konkret nennt sie vor allem das Verbot der Sikkation und die mindestens fünf Meter Randstreifen auf den Feldern, sowie den Verweis auf die Risiken der Beimischungen. Allerdings schränkt sie ein, dass “letzterer Verweis sehr ungenau und damit leicht auszuhebeln” sei. Für Deutschland seien die Einschränkungen fast keine Veränderung des Status Quo, meint Finckh.
Die erneute Zulassung des umstrittenen Wirkstoffs soll nach Vorschlag der EU-Kommission an folgende Einschränkungen geknüpft werden:
Nach der Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hätte die EU-Kommission auch anders entscheiden können. Im Juli hatte die Behörde mit Sitz im italienischen Parma zwar eine positive Risikoeinschätzung für die erneute Zulassung von Glyphosat abgegeben. Aus ihren Schlussfolgerungen wird aber ersichtlich: Obwohl es laut EFSA keine kritischen Problembereiche gibt, die ein Verbot des umstrittenen Herbizids rechtfertigen, macht die Behörde einige Datenlücken, vor allem mit Blick auf die Biodiversität, geltend.
“Der Vorschlag der EU-Kommission offenbart ein systematisches Leugnen des dramatischen Rückgangs der Biodiversität und der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Glyphosat dazu beiträgt”, kritisiert der österreichische Wissenschaftler Zaller. Er wirft der Brüsseler Behörde eine “Verhöhnung der ökologischen Wissenschaften” vor und verweist auf die Studienlage zu den Auswirkungen des umstrittenen Wirkstoffs auf terrestrische Ökosysteme.
Der Vorschlag berücksichtige weder Auswirkungen auf das Mikrobiom noch auf Insekten, vor allem Bienen, ergänzt Forscherin Finckh. “Es werden nur indirekte Effekte auf die Biodiversität über das Nahrungsnetz genannt”, sagt Finckh. Aus Sicht der Wissenschaftlerin sei die antibiotische Wirkung von Glyphosat der triftigste Grund, warum der Wirkstoff problematisch ist: Dem Boden zugeführt, schädige er dort lebende Bakterien und Pilze oder führe zu resistenten Keimen, zu denen auch Humanpathogene gehören, welche im menschlichen Organismus Krankheiten hervorrufen können. “Folge sind häufig Dysbiosen: aus dem Gleichgewicht geratene Mikrobiome, zum Beispiel in der Darmflora, aber auch andernorts”, sagt Finckh. Die EU-Kommission unterlaufe mit diesem Vorschlag eigene Bemühungen, eine permanente Bodenbedeckung und Begrünung zu fördern, um insgesamt die Kohlenstoffspeicherung in den Böden zu erhöhen, meint Finckh weiter.
“Ich halte den Vorschlag für angemessen”, sagt hingegen Christoph Schäfer vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie. “Das wesentliche Problem von Glyphosat ist sein Einsatz in extrem großem Umfang. Wenn dieser mithilfe der neuen Regulation eingeschränkt wird, ist bereits viel erreicht. Besser ist: ganz ohne Herbizide.” Hierzu brauche es eine Umstellung der räumlichen und zeitlichen Kulturfolgen und Untersaaten, mechanische Methoden in Verbindung mit Smart Farming, sowie höhere Erzeugerpreise und die Solidarität der Verbraucher.
“Glyphosat ist zwar von den Risiken her gesehen ein Leichtgewicht, aber es ist ein großer Treiber bei den ausgebrachten Mengen“, sagt Horst-Henning Steinmann von der Georg-August-Universität Göttingen. “Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob ein System einer Mengendeckelung machbar ist.” Dann könnte erreicht werden, dass Glyphosat nur dort angewendet wird, wo es den größten Nutzen hat und wo es keine praktikable Alternative gibt, meint Steinmann.
04.10.-06.10.2023, Malaga (Spanien)
EC, Conference EU Industry Days 2023
The annual European Commission (EC) event offers a wide range of plenary sessions focusing on main drivers, opportunities and challenges of the green digital transition, EU open strategic autonomy and the integration of Ukraine into the single market. INFO & REGISTRATION
04.10.2023 – 10:30-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable Expert Stakeholder Consultation: Free Allocation Regulation (FAR) EU ETS Public Consultation
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) is hosting a brainstorming roundtable with a small group of stakeholders and policy makers to brainstorm on the upcoming revision of the FAR, in response to the ETS revision/Fit For 55. INFO
04.10.2023 – 14:30-16:30, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable Public perception of CCUS and carbon removals
In this European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) event, different perspectives on public perception of CCUS are explored, to understand views and learn about the experience from stakeholders from various sectors. INFO & REGISTRATION
04.10.2023 – 15:00-16:15 Uhr, online
Eurogas, Conference Securing gas supply for the upcoming winter season and beyond
This event will look to address how Europe and the rest of the world are planning to secure gas supply for the upcoming winter season and the future with a keynote speech by the Deputy Director-General from DG ENER, followed by an expert panel discussion. INFO & REGISTRATION
04.10.2023 – 18:00 Uhr, Potsdam
KAS, Diskussion Deutschlands nukleare Interessen nach dem Ukrainekrieg
Der ehemalige Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Dr. Karl-Heinz Kamp, stellt bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) seine neue Studie vor und diskutiert über Deutschlands nukleare Sicherheitsinteressen und -strategien. INFOS & ANMELDUNG
05.10.-06.10.2023, Zagreb (Kroatien)
ERA, Seminar Cartel Enforcement in the EU: Advanced EU Competition Law Training
This European Law Academy (ERA) seminar is aimed at providing a thorough update for competition law practitioners on the recent trends, developments and jurisdiction in EU cartel enforcement. INFO & REGISTRATION
05.10.2023 – 09:00-18:00 Uhr, Mailand (Italien)
EC, Workshop The Costs of Non-Europe and the Accomplishment of the European Integration Project: Economic, Legal, and Political Opportunities and Hindrances
The Joint Research Center of the European Commission (EC) aims to evaluate the costs of non-Europe and the benefits of EU-level legislation, drawing upon the cost-benefit analysis of Brexit, as well as to delve into the evolvement of European identity. INFO
05.10.2023 – 15:30-17:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable CBAM Launch event: Report on methods and process for crediting carbon prices
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) will bring together experts in the areas of economics, law, and policy to present a paper, followed by a discussion on the method for crediting carbon prices. INFO & REGISTRATION
05.10.2023 – 19:00-21:00 Uhr, Hannover
FNF, Vortrag Great Britain – How are you?
Wera Hobhouse, Mitglied im Britischen Unterhaus für die Liberal Democrats, spricht bei der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) über die Perspektive Großbritanniens post-Brexit und gibt einen Einblick in Großbritanniens Verfassung. INFOS & ANMELDUNG
Der Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) hat am späten Montagabend noch nicht den Weg frei für eine Ernennung des designierten Klimakommissars Wopke Hoekstra gemacht. Die Koordinatoren der Fraktionen vertagten im Anschluss an die dreistündige Anhörung Hoekstras ihre Entscheidung, ob sie ihre Empfehlung für den Niederländer an die Präsidentenkonferenz der EU (COP) weiterleiten. Sie wollen nun am heutigen Dienstag um 14 Uhr entscheiden, nachdem der ENVI auch den designierten Green-Deal-Kommissar Maroš Šefčovič befragt hat.
Insbesondere die Grünen pochten auf die Vertagung, da sie weitere Antworten von Hoekstra einfordern. Er habe versucht, es allen recht zu machen, bei konkreten Vorschlägen sei es dünn geworden, kommentierte der klimapolitische Sprecher der Grünen Michael Bloss. “Der Klimakommissar muss in einer zweiten Runde deutlich machen, dass er nicht wie die Konservativen den Green Deal bekämpft, sondern ihn weiterentwickeln will.”
Zuvor hatte Hoekstra während der Befragung durch die Abgeordneten eine mindestens 90-prozentige CO₂-Reduktion für das europäische Klimaziel für 2040 angekündigt. Eine entsprechende Kommunikation soll noch im ersten Quartal des kommenden Jahres folgen. Auch ein Zwischenziel für 2035 wolle er vorlegen, sobald die globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake) auf der UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) durchgeführt wurde. Außerdem versprach Hoekstra, sich in Dubai für das Ende unverminderter Kohleverstromung (“unabated fossil fuels”) und höhere Ambitionen bei der globalen CO₂-Vermeidung (Mitigation) einsetzen zu wollen. Zudem kündigte Hoekstra an, eine Kerosinsteuer einführend zu wollen. luk
Der Einsatz synthetischer Düngemittel könnte laut einer Studie weltweit um etwa ein Drittel sinken, ohne dass die Erträge global betrachtet zurückgehen würden. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die im Fachjournal “Communications Earth & Environment” erschienen ist. Die Forschenden aus Karlsruhe betrachten in ihrer Studie die drei wichtigsten Getreidesorten Mais, Weizen und Reis im Zeitraum von 2015 bis 2030. Für die Untersuchung nutzen sie ein eigens entwickeltes biogeochemisches Modell.
In dem Beitrag legen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dar, welche globalen Umverteilungen notwendig wären, um rund ein Drittel Kunstdünger bei gleichbleibenden Erträgen einzusparen. Landwirte in Regionen, in denen die Stickstoffbelastung aktuell hoch ist – etwa in Ostasien, Nordamerika oder Westeuropa – müssten deutlich weniger Düngemittel verwenden, wodurch ihre Erträge leicht sinken würden. Landwirte in Subsahara-Afrika und Eurasien, wo der Ertrag pro Fläche aktuell häufig viel niedriger ist, müssten hingegen mehr düngen. Sie könnten auf diese Weise höhere Erträge erzielen. Das würde die Ertragsverluste in anderen Regionen mehr als ausgleichen, schreiben die Forschenden.
Von dem Modell versprechen sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einerseits eine Steigerung der Ernteerträge in Regionen wie Subsahara-Afrika und damit die Sicherung der Welternährung. Andererseits verweisen sie auf die Verringerung der Stickstoffbelastung der Umwelt in Regionen, in denen viel gedüngt wird. Für Christoph Müller, Leiter der Arbeitsgruppe zu Landnutzung und Resilienz am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sind die Studienergebnisse qualitativ nicht überraschend. Die nicht-linearen Beziehungen zwischen Erträgen und Stickstoffgaben führten dazu, dass in Systemen mit geringem Stickstoffeintrag relativ große Ertragssteigerungen pro zusätzlicher Einheit Stickstoff erreicht werden könnten, so Müller. Gleichzeitig seien die Ertragssteigerungen in Systemen mit hohem Eintrag sehr gering und die umweltschädlichen Emissionen hoch.
In der Praxis gerät das von den Forschenden dargelegte Szenario an seine Grenzen. Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selbst einräumen, würde es durch die Umverteilungen zu Verschiebungen in der Produktion kommen, die wirtschaftliche Auswirkungen hätten. Auch Christoph Müller vom PIK hält fest: “Eine solche Umverteilung ist ohne erhebliche Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht möglich.” Zum einen müssten zumindest in den Regionen mit hohen Stickstoffgaben finanzielle Anreize geschaffen werden, Stickstoff in geringeren Mengen und effizienter einzusetzen, so Müller. Zum anderen müsste sichergestellt werden, dass Stickstoff – und auch andere Nährstoffe – in die Regionen kommt, wo Nährstoffe dringend gebraucht werden, um Erträge zu steigern. Dazu müssten Produzenten in der Lage sein, sich diese Einträge leisten zu können. Außerdem wären bessere Anbindungen an Märkte nötig.
Für Adrian Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Departement für Agrar- und Ernährungssysteme am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz, birgt eine solche Umverteilung den Vorteil, Regionen, die heute relativ wenig produzieren, ernährungssicherer und weniger abhängig von Nahrungsmittelimporten zu machen. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, “dass über die erhöhte Mineraldüngernutzung in den heute wenig produktiven Regionen eine neue Abhängigkeit entsteht, die auch wieder sehr krisenanfällig ist”. heu
Als Reaktion auf die Spannungen im Norden des Kosovo stellt Großbritannien 200 zusätzliche Soldaten bereit, um die Nato-Schutztruppe Kfor vor Ort zu verstärken. Es ist vor allem ein symbolischer Schritt. Nach dem Höhepunkt vor 20 Jahren mit knapp 50.000 Soldaten hatte die Nato ihre Präsenz lange kontinuierlich zurückgefahren. Dies in der Hoffnung auf einen Erfolg des Dialogs und eine Annäherung zwischen Belgrad und Pristina. Diese Hoffnungen drohen sich nun zu zerschlagen.
Großbritannien war bisher mit 400 Soldaten dabei, die Bundeswehr noch mit 70. Man komme mit der Aufstockung einer Anfrage des Nato-Oberkommandierenden Saceur entgegen, teilt das britische Verteidigungsministerium zur Verstärkung mit. Nach einer ersten Eskalation im Mai hatte schon die Türkei ihr Kontingent erhöht. Derzeit verfügt Kfor über eine Truppenstärke von 4500 Soldatinnen und Soldaten. Im Mai war die Kfor in einer Konfrontation zwischen einem serbischen Mob und der Kosovo-Polizei zwischen die Fronten geraten. Mehrere Dutzend Soldaten aus Ungarn und Italien wurden dabei verletzt.
Die jüngste Eskalation ist deutlich ernster, wobei die Hintergründe nach wie vor nicht ganz geklärt sind. Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani beschuldigt Serbien und dessen Präsidenten Alexandar Vučić, nach dem “Krim-Modell” territoriale Ansprüche im Norden Kosovos durchsetzen zu wollen. Demnach hätten die mindestens 30-köpfige Truppe von Paramilitärs mit dem Kosovo-Serben Milan Radoičić an der Spitze einen Zwischenfall provozieren wollen, der dann den Einmarsch der serbischen Armee gerechtfertigt hätte.
So zumindest ein mögliches Szenario. Präsident Vučić bestritt am Wochenende Pläne für einen militärischen Einmarsch in die ehemals von Belgrad kontrollierte Provinz. Serbien habe im vergangenen Jahr 14.000 Soldaten nahe des Kosovos stationiert, derzeit seien es noch 7.500 und man werde bis auf 4.000 Mann reduzieren. Die USA und die EU hatten sich zuletzt über die Truppenkonzentration besorgt gezeigt und Belgrad aufgerufen, Soldaten abzuziehen. Vučić schien zuletzt überhaupt um Entspannung bemüht. So distanzierte sich der Präsident von Milan Radoičić, einem langjährigen Vertrauten und Statthalter in Nordkosovo.
Der Anwalt des Paramilitärs und zwielichtigen Geschäftsmanns betonte bei einem Auftritt vor den Medien in Belgrad, sein Mandant habe auf eigene Faust gehandelt. Milan Radoičić wurde in der serbischen Hauptstadt gesichtet und von der Polizei nicht behelligt. Der serbische Präsident wies auch Vorwürfe Kosovos Premier Albin Kurti zurück, wonach die Paramilitärs auf einem Stützpunkt der serbischen Armee trainiert haben sollen. Man nehme die Truppenkonzentration und die große Menge von den Paramilitärs zurückgelassenen Waffen “sehr ernst”, sagte Peter Stano, Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag. Alle Fakten müssten auf den Tisch, und die EU erwarte die volle Kooperation Serbiens.
Die EU tut sich auch nach der blutigen Konfrontation zwischen Kosovos Polizei und den serbischen Paramilitärs mit einer Verurteilung Serbiens schwer. Mindestens acht EU-Staaten sollen allerdings bei einer Aussprache vergangene Woche mit Borrell darauf gedrängt haben, Strafmaßnahmen gegen Belgrad zu verhängen. Es gebe genug Hinweise, dass der serbische Staat bei dem “terroristischen Anschlag” involviert gewesen sei, bei dem letzte Woche ein Kosovo-Polizist erschossen wurde und vier Paramilitärs starben. Laut EU-Diplomaten war Deutschland nicht bei der Gruppe dabei, die auf einen härteren Kurs gegenüber Serbien drängten. Gegen die Regierung in Pristina hat die EU bereits vor dem Sommer Strafmaßnahmen verhängt. In Belgrad schließen Beobachter nicht aus, dass Vučić die Spannungen mit Kosovo mit Blick auf vorgezogene Neuwahlen geschürt, die am 17. Dezember stattfinden sollen. Serbiens Präsident ist zu Hause unter anderem wegen der schlechten Wirtschaftslage unter Druck. sti
Die EU-Außenminister haben der Ukraine am Montag bei einem überraschenden informellen Treffen in Kiew ihre weitere Unterstützung versichert. Außenministerin Annalena Baerbock warb bei dem ersten Treffen der 27 Chefdiplomaten und des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell außerhalb der EU dafür, der Ukraine angesichts der russischen Angriffe durch den Winter zu helfen. “Die Ukraine braucht einen Winterschutzschirm”, sagte die Grünen-Politikerin. Dazu gehöre, dass man die Luftverteidigung und die Energieversorgung in der Ukraine verstärke und mehr Generatoren liefere.
Die Außenminister trafen auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Das EU-Treffen fand in einer Zeit statt, in der in den USA zwischen Republikanern und Demokraten im Kongress kontrovers diskutiert wird, ob die milliardenschwere Militärhilfe für die Ukraine fortgesetzt werden soll. Am Sonntag war zudem in dem EU-Land Slowakei die Partei des linksgerichteten und prorussischen Ex-Ministerpräsidenten Robert Fico stärkste Kraft geworden. Fico hatte angekündigt, die Militärhilfe seines Landes für die Ukraine beenden zu wollen. Er beteuerte aber am Montag, dass auch er als slowakischer Regierungschef die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau der Ukraine fortsetzen wolle.
“Wir haben nicht das Gefühl, dass die Unterstützung der USA erschüttert wurde. Die Vereinigten Staaten verstehen, dass in der Ukraine viel mehr auf dem Spiel steht als nur die Ukraine”, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bei einem Treffen mit Borrell. Und in der Slowakei müsse Fico erst noch eine Koalition mit anderen Parteien bilden. Borrell bezeichnete das Treffen als historische Premiere. Er habe ein EU-Ausgabenpaket für Kiew in Höhe von bis zu fünf Milliarden Euro für 2024 vorgeschlagen. rtr
In diesem Sommer ächzte Europa unter Rekordtemperaturen; es gab heftige Unwetter und Überschwemmungen, so wie zuletzt etwa in Griechenland und Libyen: Die Klimakrise ist längst Teil unseres Alltags – und viele Menschen machen sich große Sorgen über ihre Auswirkungen. Nicht wenige Stimmen in der Politik und den Medien warnen dabei immer wieder vor Millionen “Klimaflüchtlingen” aus Afrika und anderen Regionen des Globalen Südens, die schon bald nach Europa strömen könnten.
Auch unabhängig von der Erderwärmung prägt die Migrationsdebatte – acht Jahre nach der Flüchtlingskrise – derzeit erneut die Politik. Deutsche Kommunen klagen über Überforderung, deutsche Politikerinnen und Politiker streiten über Grenzkontrollen und Obergrenzen. Auf der italienischen Insel Lampedusa haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni vor Kurzem einen Zehn-Punkte-Plan gegen irreguläre Einwanderung vorgelegt.
Die Klimakrise wird die Migrationsbewegungen wohl noch verstärken. Aber ist das Szenario einer gigantischen, klimabedingten Migrationsbewegung in Richtung Europa überhaupt stichhaltig? Und wie würde ein angemessener politischer Umgang mit den Herausforderungen der “Klimamigration” aussehen?
Um es direkt vorwegzunehmen: Ein Ansturm von Klimaflüchtlingen auf die europäischen Außengrenzen ist – auch wenn die aktuellen Bilder von Lampedusa etwas anderes zu zeigen scheinen – eher unrealistisch. Denn die Forschung zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration kommt zu dem Ergebnis, dass Migrations- und Fluchtbewegungen in Verbindung mit Klimafolgen fast ausschließlich innerhalb der betroffenen Länder und Regionen passieren.
Generell migrieren Menschen im Globalen Süden vor allem intraregional: In West-Afrika beispielsweise beträgt der Anteil der Migration innerhalb der Region nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) rund 90 Prozent. Bei den Hauptbetroffenen der Klimakrise handelt es zum allergrößten Teil um arme Menschen wie Kleinbauern, denen es erst recht an den notwendigen Mitteln fehlt, um in Richtung Europa zu migrieren.
Zudem entspricht das Verhältnis zwischen Klima und menschlichen Wanderungen keineswegs einer simplen Arithmetik, die mit einer Formel à la “0,1 Grad Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur resultieren in x Millionen Klimaflüchtlingen” berechnet werden könnte. Migrations- und Fluchtprozesse sind komplex. Sie werden von politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Faktoren beeinflusst, auch in heute schon stark von der Klimakrise betroffenen Gebieten. Außerdem führen die Klimafolgen nicht selten dazu, dass Menschen eher an Mobilität einbüßen, da sie wichtige Ressourcen verlieren.
Deshalb lenkt die vermeintliche Gefahr einer klimabedingten Mega-Flüchtlingskrise eher von den tatsächlichen Herausforderungen ab, die der Klimawandel und die daraus resultierende Migration mit sich bringt.
Zum einen müssen wir uns in Europa darauf einstellen, dass auch bei uns etwa ab der Mitte des 21. Jahrhunderts viele Menschen ihr Zuhause werden verlassen müssen. Allein aufgrund des erwartbaren Anstiegs des Meeresspiegels sind Millionen von Menschen in küstennahen Gebieten Europas gefährdet. Selbst wenn diese Gefahr heute noch nicht so akut erscheinen mag, müssen sich Politik und Gesellschaften Gedanken darüber machen, wie sie diese gigantische Herausforderung bewältigen können.
Bis jetzt scheint diesbezüglich noch unbedarfte Sorglosigkeit zu herrschen. Natürlich planen europäischen Länder und Regionen bereits ihre längerfristigen Anpassungsoptionen. Was ist aber, wenn etwa der Meeresspiegel nach 2050 stärker ansteigt als bislang angenommen? Was ist, wenn die Anpassung technisch oder finanziell für gewisse Gebiete nicht mehr leistbar ist und Menschen dauerhaft weggehen müssen? Für diese Umsiedlungsmaßnahmen muss es einen umfassenden und gut durchdachten Dialog- und Planungsprozess geben, der darauf abzielt, die sozialen und wirtschaftlichen Verluste für alle Beteiligten so gering wie möglich zu halten. Ihn in Gang zu setzen, ist eine Mammutaufgabe für Regierungen und Behörden.
Aber auch die Prozesse von Flucht und Migration, die sich im Kontext der Klimakrise innerhalb anderer Erdteile abspielen, haben Auswirkungen auf uns in Europa. Zwar sind die Zusammenhänge komplex. Aber sowohl die Folgen des Klimawandels selbst als die dadurch mitverursachten Migrationsbewegungen stellen viele Länder des Globalen Südens vor große Herausforderungen. Sie erhöhen auch das Potenzial für mehr Konflikte und Instabilität. Das kann nicht im europäischen Interesse liegen.
Internationale Foren, Prozesse und Organisationen sowie auch nationale Regierungen oder entwicklungspolitische Organisationen beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit Klimamigration -vor allem in den betroffenen Weltregionen, wie der Karibik oder dem Horn von Afrika. Ihre Aktivitäten zielen oft darauf ab, ein gemeinsames Problembewusstsein bei Entscheidungsträgern zu schaffen und einen politischen Dialog in Gang zu bringen. Europa steht dabei nur nicht wegen geostrategischer Überlegungen in der Pflicht, sondern hat als einer der Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels auch eine ethische Verpflichtung.
Konkret muss diese Unterstützung durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten fünf Bereiche umfassen:
Sich auf mehr Klimamigration im eigenen Land vorzubereiten, und zugleich die Partnerländer im Globalen Süden in der Klimakrise besser zu unterstützen, damit die Menschen dort ihre Heimat nicht verlassen müssen: Das wäre ein guter Weg, um mit der Klimamigration politisch umzugehen.
Benjamin Schraven ist Assoziierter Wissenschaftler des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und hat jüngst ein Buch zum Thema “Klimamigration” veröffentlicht.