die Anhörungen der designierten Kommissare sind durch, aber noch ist nichts final entschieden.
Gestern waren die designierten Exekutiv-Vizepräsidenten an der Reihe. Der Ton war giftiger als bei den vorherigen Anhörungen. Das lag nicht nur daran, dass es um die wichtigsten Kommissionsjobs geht, sondern auch daran, dass nationale politische Streitigkeiten auf die europäische Ebene getragen wurden.
Stéphane Séjourné wurde von französischen Rechten und Linken als Befehlsempfänger Macrons verunglimpft, während spanische Rechte versuchten, Teresa Ribera für die Unwetterkatastrophe in Valencia verantwortlich zu machen. Lesen Sie die Berichte zum Inhalt der einzelnen Anhörungen in der heutigen Ausgabe.
Obwohl sich die designierten Vizepräsidenten in den Anhörungen relativ gut geschlagen haben, ist ihre Bestätigung alles andere als gewiss. Lesen Sie in der Analyse meines Kollegen Till Hoppe, weshalb das Parlament noch mehr Zeit benötigt, um seine Entscheidung über die Kommissionszusammensetzung zu fällen.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen,
Das Europaparlament vertagt die Entscheidung über die designierten Vizepräsidenten der neuen EU-Kommission, und zwar voraussichtlich auf nächste Woche. Die Fraktionsvorsitzenden von EVP, S&D sowie Renew wollten in dieser Zeit versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden und ihr pro-europäisches Bündnis zu bewahren, hieß es im Parlament. Es sei weiter das Ziel, dass die neue Kommission zum 1. Dezember die Arbeit aufnehmen könne. Die finale Abstimmung ist derzeit für den 27. November angesetzt.
Die Verhandlungen zwischen den drei Fraktionen der Von-der-Leyen-Koalition gingen am Abend ohne Einigung zu Ende. Besonders bei den Sozialdemokraten gibt es Widerstand gegen die Verzögerung. Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken nannte das Verhalten der EVP unverantwortlich: “Diejenigen, die behaupten, es müsse ganz schnell gehen, haben den Wunsch, die Anhörung möglichst bis in die nächste Woche zu verzögern.” Eine Rolle spielt auch, dass die spanische PP über Ribera in Brüssel möglichst erst nach ihrer Befragung zur Flutkatastrophe vor dem Parlament in Madrid am 20. November entscheiden will.
Vor den Anhörungen der sechs Exekutiv-Vizepräsidenten am Dienstag hatten die Spannungen zwischen den Lagern deutlich zugenommen. In der Sitzung am Dienstag attackierten die Abgeordneten von S&D, Liberalen, Grünen und Linken scharf den designierten Exekutiv-Vizepräsidenten für Kohäsion und Reformen, Raffaele Fitto, einen Parteifreund von Italiens rechter Regierungschefin Giorgia Meloni. Die spanische Sozialistin Teresa Ribera musste sich wiederum Kritik von EVP- und rechten Abgeordneten anhören.
Die Koordinatoren der Fraktionen in den Fachausschüssen verschoben am Dienstag die Beurteilung der Kandidaten. Die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Fraktionen sprechen aber dafür, dass sowohl Ribera als auch Fitto am Ende die nötige Unterstützung des Parlaments finden. Der liberale Kandidat Stéphane Séjourné bekam gestern bereits eine “ordentliche” Leistung attestiert, so der EVP-Koordinator im Binnenmarktausschuss, Andreas Schwab (CDU). Mehrere Abgeordnete äußerten jedoch Bedauern, dass ihnen die fachliche Entscheidung über die Vizepräsidenten von ihren Fraktionschefs abgenommen wird. “Der Sinn der Anhörungen geht leider verloren und es läuft auf einen politischen Kuhhandel hinaus”, sagte der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss am späten Abend.
Teil der Überlegungen auf höchster Ebene: Um den EKR-Politiker Fitto gegen den Widerstand von Sozialdemokraten und Liberalen durchzusetzen, müssten die Christdemokraten gemeinsame Sache mit den Rechtsaußen-Fraktionen machen – einschließlich der AfD-Gruppe Europa der Souveränen Nationen (ESN). Fraktionschef Manfred Weber will dies vermeiden.
Weber drängt dem Vernehmen nach seine Kolleginnen von S&D und Renew, Iratxe García Pérez und Valérie Hayer, im Rahmen eines Deals auch den ungarischen Kommissarsanwärter Olivér Várhelyi zu unterstützen. Der CSU-Politiker will sich offenbar nicht der Kritik aussetzen, gemeinsame Sache mit den Rechtsaußen zu machen. Sozialdemokraten und Liberale werfen ihm bereits vor, wenig Berührungsängste zu zeigen.
Várhelyi, designierter Kommissar für Gesundheit und Tierwohl, hat als einziger der einfachen Kommissare noch kein grünes Licht erhalten. Die Sozialdemokraten sehen den Vertrauten von Ministerpräsident Viktor Orbán kritisch und fordern zumindest substanzielle Änderungen an Várhelyis Portfolio. Über ihn wollen die Koordinatoren ebenfalls wieder am Mittwoch beraten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist aber zurückhaltend, sie will weder Orbán noch Meloni verprellen. Die CDU-Politikerin schaltete sich gestern erneut in die Verhandlungen zwischen den Fraktionschefs ein.
Sozialdemokraten, Liberale und Grüne halten Fitto für nicht geeignet für den Posten eines Vizepräsidenten der Kommission. Als Europaabgeordneter habe er Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn und Polen abgelehnt, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Vladimir Prebilič. Dabei habe Fitto argumentiert, die EU-Institutionen wollten auf diesem Wege demokratisch gewählte Regierungen untergraben, sagte die liberale Abgeordnete Raquel Garcia Hermida-Van der Walle.
Fitto rechtfertigte sich, dabei habe es sich um einzelne Erklärungen aus einer politischen Debatte von vor einigen Jahre gehandelt, und aus “einer politischen Rolle heraus, die wir alle haben”. Als Europaminister Italiens habe er sich in den vergangenen beiden Jahren im Rat für den Schutz des Rechtsstaates eingesetzt. Rechtsstaatlichkeit sei nicht nur ein Grundwert der EU, beteuerte Fitto, sondern auch ein “entscheidender und grundlegender Punkt für meine europäische Überzeugung”.
Die Linken-Abgeordnete Valentina Palmisano hielt Fitto vor, 2021 nicht dem Resilienz- und Aufbaufonds zugestimmt zu haben. Dabei sei dieser ein wichtiges Symbol der europäischen Solidarität. Fitto rechtfertigte sich, seine Fraktion habe noch Zweifel bezüglich der Umsetzung gehabt. Als Minister habe er positive Erfahrung mit dem Corona-Aufbaufonds gemacht. “Müsste ich morgen abstimmen, würde ich dafür stimmen.” Mit Manuel Berkel, Stephan Israel
Mit Provokationen zum Klimaschutz sorgten rechte Abgeordnete Dienstagabend bei der Anhörung der spanischen Sozialdemokratin Teresa Ribera immer wieder für Unruhe im Europäischen Parlament. Von spanischen EVP-Politikern hagelte es zudem Anwürfe wegen der Flutkatastrophe im Süden des Landes. “Die Geschichte wird über sie richten”, sagte die PP-Abgeordnete Dolors Montserrat unter lautem Beifall.
Mit den vielen Vorwürfen gegen Ribera wegen der Flutkatastrophe versuchen die spanischen EVP-ler allerdings auch, von eigenen Versäumnissen abzulenken. In Valencia hatten sich am Wochenende 130.000 Demonstranten versammelt und den Rücktritt des Regionalpräsidenten und PP-Politikers Carlos Mazón gefordert.
Teresa Ribera entgegnete diesem Sturm mit großer Ernsthaftigkeit und ermahnte einzelne Abgeordnete immer wieder zu einem höflichen Umgangston. Über eine Stunde dauerte es, bis sie wiederholte Vorwürfe auch einmal weglächelte. Ihre Ernsthaftigkeit passt zu einer künftigen Wettbewerbskommissarin, die ab und an dem Drängen der Mitgliedstaaten zur Genehmigung von Milliardenbeihilfen widerstehen muss. Auch in internationalen Streitfällen mit exzentrischen Techmilliardären könnte ihr ihre sachliche und beständige Art zugutekommen.
Kernfragen zum Portfolio der designierten Wettbewerbskommissarin und Exekutiv-Vizepräsidentin für einen sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang wurden durch die Fragen zur Flutkatastrophe fast ein wenig an den Rand gedrängt. Dabei gab es durchaus fundierte Kritik:
Entschlossen wirkte Ribera dagegen bei ihrem Kernthema Klimaschutz. “Wir können nicht ständig überlegen, ob wir auf Ökologisierung setzen oder nicht“, sagte die erfahrene Umweltpolitikerin. Unternehmen bräuchten Planbarkeit. Ribera signalisierte zudem, dass mit dem Clean Industrial Deal nicht nur einzelne Sektoren unterstützt werden sollten – wie es die vergangene Kommission anfangs noch mit dem Net-Zero Industry Act vorhatte.
Den Konservativen im Parlament machte Ribera jedoch keine konkreten Zugeständnisse. “Ich habe nicht viele Argumente gefunden, die meine Fraktion überzeugen, dass Sie die Richtige sind”, bilanzierte der Umweltpolitiker Peter Liese für die EVP noch während der Anhörung.
Stéphane Séjourné sprach leise, fast schüchtern während seiner Anhörung. Vielleicht wollte der ehemalige Fraktionschef der Liberalen gegenüber seinen Ex-Kollegen den Eindruck von Überheblichkeit vermeiden. Aber bei allem Respekt vor dem Parlament blieb auch der designierte Vizepräsident der Kommission in seinen Aussagen eher unverbindlich.
Als “Kommissar für Wohlstand und eine europäische Industriestrategie” steht Séjourné angesichts der schlechten Nachrichten aus der Industrie vor einer großen Aufgabe. Am Green Deal will er dennoch nicht rütteln. “Es wird keine Industrie geben ohne Dekarbonisierung und es wird keine Dekarbonisierung geben ohne Industrie”, erklärte Séjourné zu Beginn seiner Anhörung. Deshalb sei es wichtig, dass die produzierende Industrie in Europa bleibe und dass Europa bei den künftigen Technologien aufhole.
Séjourné kündigte sektorielle Industriestrategien für alle strategisch wichtigen Wirtschaftssektoren an. Dabei will er insbesondere auf das Konzept der “grünen Leitmärkte” setzen, die der europäischen Industrie eine gewisse Nachfrage für ihre Produkte garantieren soll. Inhaltlich ging Séjourné zudem auf folgende Themen ein:
Den größten Applaus bekam Kaja Kallas, als sie den Vorwurf eines Abgeordneten zurückwies, sie sei gegen ein Ende des Kriegs in der Ukraine. Sie sei für Frieden, betonte die designierte EU-Außenbeauftragte. Die Frage sei jedoch, was die richtige Strategie für einen Frieden sei. Die Abkommen von Minsk zum Beispiel hätten keinen Frieden, sondern mehr Kriege gebracht. Russland müsse seinen letzten Kolonialkrieg verlieren.
Schon in ihrem Eingangsstatement sprach Kaja Kallas Klartext. Die Ukraine müsse siegen, denn alles andere sei eine Einladung an Diktaturen anderswo in der Welt, sich ein Stück ihres Nachbarlandes einzuverleiben. Auch sonst bestätigte sie ihren Ruf, mit Blick auf Russland ein Falke zu sein. Zum Beispiel sprach sie sich dafür aus, die 300 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Staatsbankgeldern für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. Russland sei dabei, die Ukraine zu zerstören und müsse dafür zahlen.
Was aber, wenn Donald Trump nach der Rückkehr ins Weiße Haus die Unterstützung der Ukraine einstellen wird? Niemand wisse, was der gewählte Präsident tun werde. Sie werde mit Vertretern der neuen US-Administration Kontakt aufnehmen, noch bevor Trump offiziell das Amt übernehme, sagte Kallas. Die Geschichte zeige, dass Isolationismus sich für die USA nie ausgezahlt habe. Und die USA und Europa seien gemeinsam als Verbündete immer stark gewesen.
Was, wenn die Trump-Administration den Fokus komplett auf China richten wird? Wenn die USA sich um China Sorgen machten, sollten sie zuerst um Russland besorgt sein, betonte Kaja Kallas. Chinas Unterstützung für Russlands Aggressionskrieg gegen die Ukraine werde unterschätzt. Es könne nicht sein, dass Nordkorea, China und Iran mehr Munition lieferten oder Unterstützung für Russlands Rüstungsindustrie leisteten als die Verbündeten der Ukraine.
Auf die Frage der Zusammenarbeit mit der Nato angesprochen sagte Kallas, sie sehe für die EU und das Bündnis zwei verschiedene Aufgaben. Die EU müsse sich auf die Stärkung der Verteidigungsindustrie konzentrieren, die Nato auf rein militärische Verteidigung. Der Idee einer europäischen Armee erteilte die Estin eine Absage. Es brauche keine parallele Strukturen beziehungsweise zwei separate Militärmächte.
Vage antwortete Kaja Kallas auf Fragen zu Krisen in Afrika und insbesondere zum Nahostkonflikt. Auf den Vorwurf eines Doppelstandards mit Blick auf Russlands Angriffskrieg und Israels Antwort auf den Angriff der Hamas ging sie nicht ein. Die frühere Regierungschefin plädierte für einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und freien Zugang für humanitäre Hilfe zum Gaza-Streifen. Zum Standardrepertoire gehörte auch das Bekenntnis zur Zweistaatenlösung.
Die designierte Außenbeauftragte reagierte nicht auf die Frage, ob das Assoziierungsabkommen mit Israel suspendiert werden sollte und wie sie das Vorgehen von Israels Streitkräften qualifiziere. Praktisch kein Thema war die Lage auf dem Westbalkan und der Dialog zwischen Belgrad und Pristina, in den Amtsinhaber Josep Borrell viel Energie investiert hatte, allerdings ohne messbaren Erfolg.
Roxana Mînzatu, die designierte Exekutiv-Vizepräsidentin für Fachkräfte, Kompetenzen und Vorausschau, zeigte sich zu Beginn ihrer Anhörung nervös. In ihrem Anfangsstatement zählte sie die zahlreichen Initiativen auf, die sie in ihrem Zuständigkeitsbereich anschieben will und die meist schon aus ihrem Mission Letter bekannt sind. Sie weiß, dass sie viel zu tun hat, das räumte sie in sehr sicherem Englisch ein. Ohne pathetisch zu werden, befand die bisher relativ unbekannte rumänische Sozialdemokratin aber: “Das Risiko besteht nicht darin, sich zu hohe Ziele zu setzen und sie nicht zu erreichen, sondern zu niedrige Ziele aufzustellen, die man dann erreicht.”
Mit dem Verlauf der Anhörung wurde Mînzatu sicherer. Sie sprach freier und zeigte sich auch schlagfertig. Als eine ungarische Abgeordnete sie fragte, ob die Kommission bald die Erasmus Plus Gelder für Ungarn freigeben würde, verwies Mînzatu auf die Rechtsstaatlichkeitsprobleme in Ungarn. “Ob es Ungarn schafft, diese Fragen zu lösen und das Vertrauen herstellen kann, dass liegt ganz alleine an [Ungarn] und ich hoffe und wünsche mir, dass die ungarische Regierung das erkennt”, sagte Mînzatu und erntete dafür einen Applaus.
Die Rumänin zeigte mit Detailkenntnissen, dass sie sich gut auf die Anhörung vorbereitet. Beispielsweise, als sie anführte, dass die Reform der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit schon seit 7,5 Jahre stockt oder wie einzelne Förderprogramme schon jetzt ineinander greifen.
Mînzatu bekannte sich zu “anständigen Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen, dass für Beschäftigte die gleichen Rechte offline wie online gelten müssen.” Das alles solle in jedem Fall Teil ihrer “Quality Job Roadmap” werden, die sie in den ersten Monaten erarbeiten wolle. Gleich mehrfach wurde sie gefragt, ob sie eine Richtlinie zur Regulierung von KI im Arbeitskontext vorschlagen wolle – ein zentraler Wunsch vieler Parlamentarier im EMPL-Ausschuss, der aber bisher weder in den politischen Leitlinien noch im Mission Letter auftauchte. Mînzatus Antwort: “Meiner Meinung nach ist das, was wir bisher getan haben, nicht genug.”
Konkreter wurde sie aber meistens nicht. Denn die neue Kommission steht unter der Prämisse der Wettbewerbsfähigkeit, die Wirtschaft ruft nach weniger statt mehr Regeln. So betont auch Mînzatu: “KI bietet große Chancen, schafft auch hochwertige Arbeitsplätze. Ob wir dazu ein neues Gesetz vorlegen oder nicht, das kann ich noch nicht sagen.” Ähnliches gilt in Sachen Reform der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA), neuen Regeln für Telearbeit und zahlreichen anderen Dossiers.
Richtig ungemütlich wurde es nur einmal wirklich. Da wurde Mînzatu von der CDU-Politikerin und Parlamentsvizepräsidentin Sabine Verheyen gefragt, ob es stimme, dass sie ihr Haus in Brașov trotz Denkmalschutzauflagen ausgebaut habe. Mînzatu blieb da aber selbstbewusst: “Ich habe offizielle Dokumente aus 2011 und von Montag, dass dieses Haus kein historisches Monument ist.”
Gleich zu Beginn der Bestätigungsanhörung macht Henna Virkkunen ihren Standpunkt klar: Sie komme aus einem kleinen Land am Rande Europas, sagt sie, mit einem feindlichen Nachbarn. Sicherheit gehöre daher selbstverständlich zu ihren Prioritäten.
Tatsächlich zieht sich das Thema Sicherheit durch das gesamte Portfolio der designierten Exekutiv-Vizepräsidentin für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie. Als frühere Bildungsministerin in ihrer Heimat Finnland und dann Abgeordnete des Europäischen Parlaments, weiß die EVP-Politikerin sowohl, wie man ein Ministerium führt als auch wie das Parlament funktioniert.
Ihr Eingangsstatement birgt keine Überraschungen und Virkkunen bleibt auch in der gesamten Anhörung recht blass. Die designierte Digitalkommissarin will sich dafür einsetzen, dass Europa technologisch souveräner wird – sowohl im digitalen als auch im militärischen Feld. “Die beste Investition in unsere Sicherheit ist, in die Ukraine zu investieren“, stellt sie klar. Die USA nennt sie einen wichtigen Handelspartner und einen wichtigen strategischen Partner bei der Sicherheit.
Innovationen und Investitionen in Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Quantum oder Weltraumtechnologien will sie fördern. Sie erwähnt den Digital Fairness Act und den Digital Networks Act, die sie beide voranbringen will. Die Verbesserung des Schutzes von Minderjährigen in der digitalen Welt, nennt sie als eine ihrer Prioritäten.
Ganz ähnlich wie ihr Vorgänger Thierry Breton betont sie im Hinblick auf die neuen Digitalgesetze: “Alle, die in Europa Geschäfte machen wollen, müssen sich an unsere Regeln halten.” Das gelte auch für die großen Plattformen wie X. Und auf die Frage, wie sie es mit Kommunikationstechnik aus China halten will, sagt sie, sie sei nicht zufrieden damit, dass 42 Prozent der Europäer mit Technik aus China kommunizierten. “Einige Mitgliedstaaten nehmen das nicht ernst genug.” Das wolle sie ändern.
Neben den neuen Initiativen, die sie angehen will, nennt sie die Umsetzung wie auch die Überarbeitung bestehender Gesetzgebung als eine weitere Priorität. Dabei gehe es auch darum herauszufinden, wo es Überschneidungen und womöglich Widersprüche gibt, die sie dann ausräumen wolle. Einige Gesetze bräuchten einen “Fitnesscheck”, ob sie ihren Zweck noch erfüllten. Schließlich erklärt sie auch den Abbau von Bürokratie und ausufernden Berichtspflichten zu einer ihrer Prioritäten.
Insgesamt scheinen die Parlamentarier mit Virkkunen als künftiger Kommissarin einverstanden zu sein. Positive Stimmen kommen auch aus den anderen Fraktionen. “Henna Virkkunen vermittelt glaubwürdig, bei Abbau von Bürokratie und Berichtspflichten anpacken zu wollen”, lobte Svenja Hahn, Koordinatorin für Renew im IMCO. Leider habe sie sich jedoch trotz konkreter Frage nicht zum One-in-two-out-Prinzip bekannt. Sie habe auch keine eigenen Ideen präsentiert, wo sie abbauen möchte. Hahn gefiel Virkkunens Ansage, geltendes Recht wie den DSA konsequent umzusetzen. Das sei wichtig im Lichte von Aussagen des gewählten US-Vizepräsidenten JD Vance, X-Eigner Elon Musk vor EU Gesetzen schützen zu wollen. “Leider kam trotz meiner explizierten Frage keine konkrete Antwort von Virkkunen, wie sie die Zusammenarbeit mit den USA stärken und beispielsweise das Dialogformat des Trade and Technology Council ausbauen will.”
Damian Boeselager, Grünen/EFA-Schattenberichterstatter im ITRE für den Data Act, hob hervor, dass Virkkunen ihm auf seine Frage hin versprochen habe, sich für Datenmarktplätze für Industriedaten einzusetzen. “Und sie hat als erste in diesen Wochen ehrlich über die Notwendigkeit von Arbeitsmigration für Wettbewerbsfähigkeit geredet. Endlich!”, sagte Boeselager.
Die Europäische Kommission und nationale Verbraucherschutzbehörden fordern Apple auf, die Geoblocking-Praktiken bei seinen Media-Diensten zu beenden. Das Kooperationsnetzwerk CPC informierte Apple offiziell über mehrere Verstöße gegen die EU-Geoblocking-Verordnung. Zur CPC gehören die Verbraucherschutzbehörden der EU-Mitgliedstaaten, Norwegens und Islands. Eine Untersuchung zeigte, dass europäische Nutzerinnen und Nutzer durch Beschränkungen beim Zugang zu den Diensten benachteiligt sind.
Geoblocking ist eine Geschäftspraxis, bei der Unternehmen abhängig vom Standort den Zugriff auf Online-Dienste erschweren oder Leistungen verweigern, die in anderen Ländern verfügbar sind. Das CPC-Netzwerk stellte fest, dass Apple solche Praktiken bei verschiedenen Diensten einsetzt. Zum Beispiel im App Store, Apple Arcade, Music, iTunes Store, Books und Podcasts. Nutzerinnen und Nutzer können oft nur auf Inhalte zugreifen, die für das Land ihrer Apple-ID-Registrierung vorgesehen sind. Darüber hinaus akzeptiert Apple Zahlungsmethoden wie Kreditkarten oft nur dann, wenn sie in demselben Land ausgestellt wurden.
Die EU-Verbraucherschutzbehörden fordern nun von Apple, die Praktiken an die Geoblocking-Verordnung anzupassen. Diese Verordnung verabschiedete die EU im Jahr 2018, um zu verhindern, dass Verbraucher innerhalb des EU-Binnenmarkts ungerecht behandelt werden, wenn sie grenzüberschreitend auf digitale Dienste zugreifen möchten. “Kein Unternehmen, ob groß oder klein, sollte Kunden wegen ihrer Nationalität, ihres Wohnsitzes oder ihrer Niederlassung unzulässig diskriminieren”, sagte die scheidende Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager.
Apple hat nun einen Monat Zeit, um auf die Forderungen der Behörden zu reagieren und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. vis
Meta hat in der EU eine neue Version seines Werbemodells angekündigt. Nutzer von Facebook und Instagram können nun zwischen detailliert personalisierter Werbung, weniger personalisierter Werbung oder einem werbefreien, kostenpflichtigen Abonnement wählen. Mit dem Modell reagiert das Unternehmen auf zunehmenden Druck von den EU-Datenschutzbehörden. Es erntet jedoch erneut Kritik.
Meta bietet neben personalisierter Werbung künftig eine Variante an, bei der Nutzer weniger detailliert profiliert werden. Diese Anzeigen basieren auf einem minimalen Satz von Daten wie Alter, Standort und Geschlecht der Nutzer sowie ihrem Verhalten auf den Plattformen. Alternativ können Nutzer ein werbefreies Abonnement wählen. Meta kündigte an, den Preis für das Monatsabonnement zu senken: von 9,99 Euro auf 5,99 Euro pro Monat im Browser beziehungsweise von 12,99 Euro auf 7,99 Euro pro Monat auf iOS und Android.
Das von Meta eingeführte neue Modell liege in der alleinigen Verantwortung von Meta und sei weder von der Kommission gebilligt noch mit ihr abgestimmt, teilte die Kommission auf Anfrage mit. Es sei verfrüht, über die Auswirkungen auf die anhängigen Verfahren wegen Nichteinhaltung der Vorschriften zu spekulieren. “Unser Ziel ist es, Meta so schnell wie möglich zur vollständigen und effektiven Einhaltung der Vorschriften in dieser Angelegenheit zu bringen.”
Diese Änderungen kommen, nachdem Meta in den vergangenen Jahren zunehmend in Konflikt mit der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der neuen Digitalregulierung geraten ist. Im November 2023 führte Meta erstmals sein “Pay or Consent”-Modell ein: Entweder stimmen Nutzer der personalisierten Werbung zu, oder sie zahlen für werbefreie Dienste. Eine echte Ja/Nein-Einwilligung sehen Kritiker darin nicht.
Die Kommission hat in diesem Zusammenhang ein formelles Verfahren gegen Meta eingeleitet, um zu untersuchen, ob das “Pay or Consent”-Modell gegen den Digital Markets Act (DMA) verstößt. Vorläufige Untersuchungsergebnisse vom Juli 2024 deuten darauf hin, dass Metas Ansatz möglicherweise nicht DMA-konform ist. Parallel dazu hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2024 entschieden, dass Meta bei der Verarbeitung personenbezogener Daten für personalisierte Werbung die Grundsätze der Datenminimierung einhalten muss.
Die Organisation noyb des Datenschutzaktivisten Max Schrems hat bereits mehrere Klagen gegen Meta eingereicht. Schrems sieht auch den neuen Ansatz kritisch und wirft Meta vor, die Nutzer durch unüberspringbare Anzeigen “nerven” zu wollen, bis sie schließlich in eine detaillierte Profilierung einwilligen.
Schrems vergleicht dies mit Methoden aus der Freemium-Gaming-Welt, in der störende Werbung Nutzer zur kostenpflichtigen Version drängt. Er stimme zwar zu, dass “weniger personalisiert” auch “weniger illegal” sei. “Aber das bedeutet nicht, dass Meta jetzt ,legal’ handelt”, sagte Schrems. “Das ist so, als wäre man stolz darauf, ,weniger Drogen’ zu verkaufen.”
Das European Data Protection Board (EDPB) hingegen sieht die Einführung weniger personalisierter Werbung als Schritt in die richtige Richtung. Anu Talus, Vorsitzende des EDPB, begrüßte die neue Wahlmöglichkeit. Sie betonte jedoch, dass die neuen Regelungen noch einer genauen Prüfung bedürfen. Das EDPB plant zudem, Leitlinien zu “Consent or Pay”-Modellen zu entwickeln, um eine einheitliche Regelung für große Plattformen zu gewährleisten. Eine Veranstaltung zur Einholung von Stakeholder-Feedback soll im November stattfinden. vis
Kommenden Montag will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der COP29 in Baku einen Standard für die Herstellung von grünem Zement vorstellen. Es ist ein erstes wichtiges Ergebnis des von Bundeskanzler Olaf Scholz initiierten und bei der COP28 in Dubai offiziell gegründeten Klimaclubs. Auch bei grünem Stahl gehen die Diskussionen über gemeinsame Standards voran. Die Definition der Internationalen Energieagentur gilt als Arbeitsgrundlage.
Offen ist noch, wie die Dekarbonisierung der Schwerindustrien insbesondere im Globalen Süden finanziert werden soll. In einer gemeinsamen Ankündigung einiger Industrieländer des Klimaclubs kommende Woche – darunter auch Deutschland und die USA – soll bereits erstes Geld versprochen werden, heißt es in Baku.
Darüber hinaus sollen Schwellenländer mit emissionsintensiven Industriezweigen über eine sogenannte Matchmaking-Plattform mit möglichen Finanziers zusammengebracht werden. Chile, Kolumbien, Indonesien, Kenia und Marokko seien bereits Teil der Plattform und sollen darüber finanzielle sowie technische Unterstützung bei der Dekarbonisierung erhalten.
Der Klimaclub wächst derweil weiter. Kroatien, die Slowakei, Polen und Bangladesch sind neu dabei, die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt somit 43 Länder. luk
Die Bundesregierung soll sich auf EU-Ebene für die schnelle Abschaffung der Zollfreigrenzen für nicht-europäische E-Commerce-Plattformen einsetzen. Das fordern die Länder Bayern und Hamburg für die am 21. November stattfindende Wirtschaftsministerkonferenz. Derzeit liegt die Zollfreigrenze bei 150 Euro. Davon profitieren chinesische Onlinehändler wie Temu und Shein. “Zusätzlich ist zu beobachten, dass diese Freigrenze zur Zollvermeidung von Waren mit höherem Sachwert ausgenutzt wird, etwa indem Lieferungen in mehrere Einzelpakete aufgeteilt werden oder der Warenwert zu niedrig deklariert wird”, heißt es in der Beschlussvorlage.
Die Abschaffung der Freigrenze sei zwar im Zuge der EU-Zollrechtsreform angedacht, müsse jedoch deutlich schneller geschehen als bislang vorgesehen. Ziel sei es, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und die Belastung für Zollbehörden gering zu halten. Außerdem sollen künftig drittstaatliche Plattformen für Produktsicherheitsrisiken direkt haftbar sein und verpflichtet werden, detaillierte Informationen über Herkunft und Produktionsbedingungen ihrer Waren bereitzustellen.
Die Bundesregierung warb im EU-Rat schon im September für ein schärferes Vorgehen gegen die chinesischen Billig-Onlinehändler. Die EU´-Kommission hat zudem ein formelles Verfahren gegen Temu eingeleitet, unter anderem weil immer wieder verbotene Produkte über die Plattform verkauft werden.
Auch der designierte EU-Kommissar für Industriestrategie, Stéphane Séjourné, sprach sich am Dienstag für die Abschaffung der Regel aus. Die Ausnahme für Pakete mit einem Warenwert von unter 150 Euro sei eine “echte Anomalie”, sagte Séjourné bei seiner Anhörung für den EU-Posten. Er warnte EU-Verbraucher zudem davor, ihre Weihnachtseinkäufe auf den Plattformen zu tätigen: “Da wir uns nun der Weihnachtszeit nähern, möchte ich Sie dringend bitten, genau hinzuschauen ( … ) wenn Sie online einkaufen, tragen die Produkte vielleicht das CE-Logo, aber sie werden nicht unbedingt immer nach unseren Standards hergestellt”, betonte der Franzose. max/ari
die Anhörungen der designierten Kommissare sind durch, aber noch ist nichts final entschieden.
Gestern waren die designierten Exekutiv-Vizepräsidenten an der Reihe. Der Ton war giftiger als bei den vorherigen Anhörungen. Das lag nicht nur daran, dass es um die wichtigsten Kommissionsjobs geht, sondern auch daran, dass nationale politische Streitigkeiten auf die europäische Ebene getragen wurden.
Stéphane Séjourné wurde von französischen Rechten und Linken als Befehlsempfänger Macrons verunglimpft, während spanische Rechte versuchten, Teresa Ribera für die Unwetterkatastrophe in Valencia verantwortlich zu machen. Lesen Sie die Berichte zum Inhalt der einzelnen Anhörungen in der heutigen Ausgabe.
Obwohl sich die designierten Vizepräsidenten in den Anhörungen relativ gut geschlagen haben, ist ihre Bestätigung alles andere als gewiss. Lesen Sie in der Analyse meines Kollegen Till Hoppe, weshalb das Parlament noch mehr Zeit benötigt, um seine Entscheidung über die Kommissionszusammensetzung zu fällen.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen,
Das Europaparlament vertagt die Entscheidung über die designierten Vizepräsidenten der neuen EU-Kommission, und zwar voraussichtlich auf nächste Woche. Die Fraktionsvorsitzenden von EVP, S&D sowie Renew wollten in dieser Zeit versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden und ihr pro-europäisches Bündnis zu bewahren, hieß es im Parlament. Es sei weiter das Ziel, dass die neue Kommission zum 1. Dezember die Arbeit aufnehmen könne. Die finale Abstimmung ist derzeit für den 27. November angesetzt.
Die Verhandlungen zwischen den drei Fraktionen der Von-der-Leyen-Koalition gingen am Abend ohne Einigung zu Ende. Besonders bei den Sozialdemokraten gibt es Widerstand gegen die Verzögerung. Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken nannte das Verhalten der EVP unverantwortlich: “Diejenigen, die behaupten, es müsse ganz schnell gehen, haben den Wunsch, die Anhörung möglichst bis in die nächste Woche zu verzögern.” Eine Rolle spielt auch, dass die spanische PP über Ribera in Brüssel möglichst erst nach ihrer Befragung zur Flutkatastrophe vor dem Parlament in Madrid am 20. November entscheiden will.
Vor den Anhörungen der sechs Exekutiv-Vizepräsidenten am Dienstag hatten die Spannungen zwischen den Lagern deutlich zugenommen. In der Sitzung am Dienstag attackierten die Abgeordneten von S&D, Liberalen, Grünen und Linken scharf den designierten Exekutiv-Vizepräsidenten für Kohäsion und Reformen, Raffaele Fitto, einen Parteifreund von Italiens rechter Regierungschefin Giorgia Meloni. Die spanische Sozialistin Teresa Ribera musste sich wiederum Kritik von EVP- und rechten Abgeordneten anhören.
Die Koordinatoren der Fraktionen in den Fachausschüssen verschoben am Dienstag die Beurteilung der Kandidaten. Die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Fraktionen sprechen aber dafür, dass sowohl Ribera als auch Fitto am Ende die nötige Unterstützung des Parlaments finden. Der liberale Kandidat Stéphane Séjourné bekam gestern bereits eine “ordentliche” Leistung attestiert, so der EVP-Koordinator im Binnenmarktausschuss, Andreas Schwab (CDU). Mehrere Abgeordnete äußerten jedoch Bedauern, dass ihnen die fachliche Entscheidung über die Vizepräsidenten von ihren Fraktionschefs abgenommen wird. “Der Sinn der Anhörungen geht leider verloren und es läuft auf einen politischen Kuhhandel hinaus”, sagte der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss am späten Abend.
Teil der Überlegungen auf höchster Ebene: Um den EKR-Politiker Fitto gegen den Widerstand von Sozialdemokraten und Liberalen durchzusetzen, müssten die Christdemokraten gemeinsame Sache mit den Rechtsaußen-Fraktionen machen – einschließlich der AfD-Gruppe Europa der Souveränen Nationen (ESN). Fraktionschef Manfred Weber will dies vermeiden.
Weber drängt dem Vernehmen nach seine Kolleginnen von S&D und Renew, Iratxe García Pérez und Valérie Hayer, im Rahmen eines Deals auch den ungarischen Kommissarsanwärter Olivér Várhelyi zu unterstützen. Der CSU-Politiker will sich offenbar nicht der Kritik aussetzen, gemeinsame Sache mit den Rechtsaußen zu machen. Sozialdemokraten und Liberale werfen ihm bereits vor, wenig Berührungsängste zu zeigen.
Várhelyi, designierter Kommissar für Gesundheit und Tierwohl, hat als einziger der einfachen Kommissare noch kein grünes Licht erhalten. Die Sozialdemokraten sehen den Vertrauten von Ministerpräsident Viktor Orbán kritisch und fordern zumindest substanzielle Änderungen an Várhelyis Portfolio. Über ihn wollen die Koordinatoren ebenfalls wieder am Mittwoch beraten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist aber zurückhaltend, sie will weder Orbán noch Meloni verprellen. Die CDU-Politikerin schaltete sich gestern erneut in die Verhandlungen zwischen den Fraktionschefs ein.
Sozialdemokraten, Liberale und Grüne halten Fitto für nicht geeignet für den Posten eines Vizepräsidenten der Kommission. Als Europaabgeordneter habe er Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn und Polen abgelehnt, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Vladimir Prebilič. Dabei habe Fitto argumentiert, die EU-Institutionen wollten auf diesem Wege demokratisch gewählte Regierungen untergraben, sagte die liberale Abgeordnete Raquel Garcia Hermida-Van der Walle.
Fitto rechtfertigte sich, dabei habe es sich um einzelne Erklärungen aus einer politischen Debatte von vor einigen Jahre gehandelt, und aus “einer politischen Rolle heraus, die wir alle haben”. Als Europaminister Italiens habe er sich in den vergangenen beiden Jahren im Rat für den Schutz des Rechtsstaates eingesetzt. Rechtsstaatlichkeit sei nicht nur ein Grundwert der EU, beteuerte Fitto, sondern auch ein “entscheidender und grundlegender Punkt für meine europäische Überzeugung”.
Die Linken-Abgeordnete Valentina Palmisano hielt Fitto vor, 2021 nicht dem Resilienz- und Aufbaufonds zugestimmt zu haben. Dabei sei dieser ein wichtiges Symbol der europäischen Solidarität. Fitto rechtfertigte sich, seine Fraktion habe noch Zweifel bezüglich der Umsetzung gehabt. Als Minister habe er positive Erfahrung mit dem Corona-Aufbaufonds gemacht. “Müsste ich morgen abstimmen, würde ich dafür stimmen.” Mit Manuel Berkel, Stephan Israel
Mit Provokationen zum Klimaschutz sorgten rechte Abgeordnete Dienstagabend bei der Anhörung der spanischen Sozialdemokratin Teresa Ribera immer wieder für Unruhe im Europäischen Parlament. Von spanischen EVP-Politikern hagelte es zudem Anwürfe wegen der Flutkatastrophe im Süden des Landes. “Die Geschichte wird über sie richten”, sagte die PP-Abgeordnete Dolors Montserrat unter lautem Beifall.
Mit den vielen Vorwürfen gegen Ribera wegen der Flutkatastrophe versuchen die spanischen EVP-ler allerdings auch, von eigenen Versäumnissen abzulenken. In Valencia hatten sich am Wochenende 130.000 Demonstranten versammelt und den Rücktritt des Regionalpräsidenten und PP-Politikers Carlos Mazón gefordert.
Teresa Ribera entgegnete diesem Sturm mit großer Ernsthaftigkeit und ermahnte einzelne Abgeordnete immer wieder zu einem höflichen Umgangston. Über eine Stunde dauerte es, bis sie wiederholte Vorwürfe auch einmal weglächelte. Ihre Ernsthaftigkeit passt zu einer künftigen Wettbewerbskommissarin, die ab und an dem Drängen der Mitgliedstaaten zur Genehmigung von Milliardenbeihilfen widerstehen muss. Auch in internationalen Streitfällen mit exzentrischen Techmilliardären könnte ihr ihre sachliche und beständige Art zugutekommen.
Kernfragen zum Portfolio der designierten Wettbewerbskommissarin und Exekutiv-Vizepräsidentin für einen sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang wurden durch die Fragen zur Flutkatastrophe fast ein wenig an den Rand gedrängt. Dabei gab es durchaus fundierte Kritik:
Entschlossen wirkte Ribera dagegen bei ihrem Kernthema Klimaschutz. “Wir können nicht ständig überlegen, ob wir auf Ökologisierung setzen oder nicht“, sagte die erfahrene Umweltpolitikerin. Unternehmen bräuchten Planbarkeit. Ribera signalisierte zudem, dass mit dem Clean Industrial Deal nicht nur einzelne Sektoren unterstützt werden sollten – wie es die vergangene Kommission anfangs noch mit dem Net-Zero Industry Act vorhatte.
Den Konservativen im Parlament machte Ribera jedoch keine konkreten Zugeständnisse. “Ich habe nicht viele Argumente gefunden, die meine Fraktion überzeugen, dass Sie die Richtige sind”, bilanzierte der Umweltpolitiker Peter Liese für die EVP noch während der Anhörung.
Stéphane Séjourné sprach leise, fast schüchtern während seiner Anhörung. Vielleicht wollte der ehemalige Fraktionschef der Liberalen gegenüber seinen Ex-Kollegen den Eindruck von Überheblichkeit vermeiden. Aber bei allem Respekt vor dem Parlament blieb auch der designierte Vizepräsident der Kommission in seinen Aussagen eher unverbindlich.
Als “Kommissar für Wohlstand und eine europäische Industriestrategie” steht Séjourné angesichts der schlechten Nachrichten aus der Industrie vor einer großen Aufgabe. Am Green Deal will er dennoch nicht rütteln. “Es wird keine Industrie geben ohne Dekarbonisierung und es wird keine Dekarbonisierung geben ohne Industrie”, erklärte Séjourné zu Beginn seiner Anhörung. Deshalb sei es wichtig, dass die produzierende Industrie in Europa bleibe und dass Europa bei den künftigen Technologien aufhole.
Séjourné kündigte sektorielle Industriestrategien für alle strategisch wichtigen Wirtschaftssektoren an. Dabei will er insbesondere auf das Konzept der “grünen Leitmärkte” setzen, die der europäischen Industrie eine gewisse Nachfrage für ihre Produkte garantieren soll. Inhaltlich ging Séjourné zudem auf folgende Themen ein:
Den größten Applaus bekam Kaja Kallas, als sie den Vorwurf eines Abgeordneten zurückwies, sie sei gegen ein Ende des Kriegs in der Ukraine. Sie sei für Frieden, betonte die designierte EU-Außenbeauftragte. Die Frage sei jedoch, was die richtige Strategie für einen Frieden sei. Die Abkommen von Minsk zum Beispiel hätten keinen Frieden, sondern mehr Kriege gebracht. Russland müsse seinen letzten Kolonialkrieg verlieren.
Schon in ihrem Eingangsstatement sprach Kaja Kallas Klartext. Die Ukraine müsse siegen, denn alles andere sei eine Einladung an Diktaturen anderswo in der Welt, sich ein Stück ihres Nachbarlandes einzuverleiben. Auch sonst bestätigte sie ihren Ruf, mit Blick auf Russland ein Falke zu sein. Zum Beispiel sprach sie sich dafür aus, die 300 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Staatsbankgeldern für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. Russland sei dabei, die Ukraine zu zerstören und müsse dafür zahlen.
Was aber, wenn Donald Trump nach der Rückkehr ins Weiße Haus die Unterstützung der Ukraine einstellen wird? Niemand wisse, was der gewählte Präsident tun werde. Sie werde mit Vertretern der neuen US-Administration Kontakt aufnehmen, noch bevor Trump offiziell das Amt übernehme, sagte Kallas. Die Geschichte zeige, dass Isolationismus sich für die USA nie ausgezahlt habe. Und die USA und Europa seien gemeinsam als Verbündete immer stark gewesen.
Was, wenn die Trump-Administration den Fokus komplett auf China richten wird? Wenn die USA sich um China Sorgen machten, sollten sie zuerst um Russland besorgt sein, betonte Kaja Kallas. Chinas Unterstützung für Russlands Aggressionskrieg gegen die Ukraine werde unterschätzt. Es könne nicht sein, dass Nordkorea, China und Iran mehr Munition lieferten oder Unterstützung für Russlands Rüstungsindustrie leisteten als die Verbündeten der Ukraine.
Auf die Frage der Zusammenarbeit mit der Nato angesprochen sagte Kallas, sie sehe für die EU und das Bündnis zwei verschiedene Aufgaben. Die EU müsse sich auf die Stärkung der Verteidigungsindustrie konzentrieren, die Nato auf rein militärische Verteidigung. Der Idee einer europäischen Armee erteilte die Estin eine Absage. Es brauche keine parallele Strukturen beziehungsweise zwei separate Militärmächte.
Vage antwortete Kaja Kallas auf Fragen zu Krisen in Afrika und insbesondere zum Nahostkonflikt. Auf den Vorwurf eines Doppelstandards mit Blick auf Russlands Angriffskrieg und Israels Antwort auf den Angriff der Hamas ging sie nicht ein. Die frühere Regierungschefin plädierte für einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und freien Zugang für humanitäre Hilfe zum Gaza-Streifen. Zum Standardrepertoire gehörte auch das Bekenntnis zur Zweistaatenlösung.
Die designierte Außenbeauftragte reagierte nicht auf die Frage, ob das Assoziierungsabkommen mit Israel suspendiert werden sollte und wie sie das Vorgehen von Israels Streitkräften qualifiziere. Praktisch kein Thema war die Lage auf dem Westbalkan und der Dialog zwischen Belgrad und Pristina, in den Amtsinhaber Josep Borrell viel Energie investiert hatte, allerdings ohne messbaren Erfolg.
Roxana Mînzatu, die designierte Exekutiv-Vizepräsidentin für Fachkräfte, Kompetenzen und Vorausschau, zeigte sich zu Beginn ihrer Anhörung nervös. In ihrem Anfangsstatement zählte sie die zahlreichen Initiativen auf, die sie in ihrem Zuständigkeitsbereich anschieben will und die meist schon aus ihrem Mission Letter bekannt sind. Sie weiß, dass sie viel zu tun hat, das räumte sie in sehr sicherem Englisch ein. Ohne pathetisch zu werden, befand die bisher relativ unbekannte rumänische Sozialdemokratin aber: “Das Risiko besteht nicht darin, sich zu hohe Ziele zu setzen und sie nicht zu erreichen, sondern zu niedrige Ziele aufzustellen, die man dann erreicht.”
Mit dem Verlauf der Anhörung wurde Mînzatu sicherer. Sie sprach freier und zeigte sich auch schlagfertig. Als eine ungarische Abgeordnete sie fragte, ob die Kommission bald die Erasmus Plus Gelder für Ungarn freigeben würde, verwies Mînzatu auf die Rechtsstaatlichkeitsprobleme in Ungarn. “Ob es Ungarn schafft, diese Fragen zu lösen und das Vertrauen herstellen kann, dass liegt ganz alleine an [Ungarn] und ich hoffe und wünsche mir, dass die ungarische Regierung das erkennt”, sagte Mînzatu und erntete dafür einen Applaus.
Die Rumänin zeigte mit Detailkenntnissen, dass sie sich gut auf die Anhörung vorbereitet. Beispielsweise, als sie anführte, dass die Reform der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit schon seit 7,5 Jahre stockt oder wie einzelne Förderprogramme schon jetzt ineinander greifen.
Mînzatu bekannte sich zu “anständigen Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen, dass für Beschäftigte die gleichen Rechte offline wie online gelten müssen.” Das alles solle in jedem Fall Teil ihrer “Quality Job Roadmap” werden, die sie in den ersten Monaten erarbeiten wolle. Gleich mehrfach wurde sie gefragt, ob sie eine Richtlinie zur Regulierung von KI im Arbeitskontext vorschlagen wolle – ein zentraler Wunsch vieler Parlamentarier im EMPL-Ausschuss, der aber bisher weder in den politischen Leitlinien noch im Mission Letter auftauchte. Mînzatus Antwort: “Meiner Meinung nach ist das, was wir bisher getan haben, nicht genug.”
Konkreter wurde sie aber meistens nicht. Denn die neue Kommission steht unter der Prämisse der Wettbewerbsfähigkeit, die Wirtschaft ruft nach weniger statt mehr Regeln. So betont auch Mînzatu: “KI bietet große Chancen, schafft auch hochwertige Arbeitsplätze. Ob wir dazu ein neues Gesetz vorlegen oder nicht, das kann ich noch nicht sagen.” Ähnliches gilt in Sachen Reform der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA), neuen Regeln für Telearbeit und zahlreichen anderen Dossiers.
Richtig ungemütlich wurde es nur einmal wirklich. Da wurde Mînzatu von der CDU-Politikerin und Parlamentsvizepräsidentin Sabine Verheyen gefragt, ob es stimme, dass sie ihr Haus in Brașov trotz Denkmalschutzauflagen ausgebaut habe. Mînzatu blieb da aber selbstbewusst: “Ich habe offizielle Dokumente aus 2011 und von Montag, dass dieses Haus kein historisches Monument ist.”
Gleich zu Beginn der Bestätigungsanhörung macht Henna Virkkunen ihren Standpunkt klar: Sie komme aus einem kleinen Land am Rande Europas, sagt sie, mit einem feindlichen Nachbarn. Sicherheit gehöre daher selbstverständlich zu ihren Prioritäten.
Tatsächlich zieht sich das Thema Sicherheit durch das gesamte Portfolio der designierten Exekutiv-Vizepräsidentin für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie. Als frühere Bildungsministerin in ihrer Heimat Finnland und dann Abgeordnete des Europäischen Parlaments, weiß die EVP-Politikerin sowohl, wie man ein Ministerium führt als auch wie das Parlament funktioniert.
Ihr Eingangsstatement birgt keine Überraschungen und Virkkunen bleibt auch in der gesamten Anhörung recht blass. Die designierte Digitalkommissarin will sich dafür einsetzen, dass Europa technologisch souveräner wird – sowohl im digitalen als auch im militärischen Feld. “Die beste Investition in unsere Sicherheit ist, in die Ukraine zu investieren“, stellt sie klar. Die USA nennt sie einen wichtigen Handelspartner und einen wichtigen strategischen Partner bei der Sicherheit.
Innovationen und Investitionen in Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Quantum oder Weltraumtechnologien will sie fördern. Sie erwähnt den Digital Fairness Act und den Digital Networks Act, die sie beide voranbringen will. Die Verbesserung des Schutzes von Minderjährigen in der digitalen Welt, nennt sie als eine ihrer Prioritäten.
Ganz ähnlich wie ihr Vorgänger Thierry Breton betont sie im Hinblick auf die neuen Digitalgesetze: “Alle, die in Europa Geschäfte machen wollen, müssen sich an unsere Regeln halten.” Das gelte auch für die großen Plattformen wie X. Und auf die Frage, wie sie es mit Kommunikationstechnik aus China halten will, sagt sie, sie sei nicht zufrieden damit, dass 42 Prozent der Europäer mit Technik aus China kommunizierten. “Einige Mitgliedstaaten nehmen das nicht ernst genug.” Das wolle sie ändern.
Neben den neuen Initiativen, die sie angehen will, nennt sie die Umsetzung wie auch die Überarbeitung bestehender Gesetzgebung als eine weitere Priorität. Dabei gehe es auch darum herauszufinden, wo es Überschneidungen und womöglich Widersprüche gibt, die sie dann ausräumen wolle. Einige Gesetze bräuchten einen “Fitnesscheck”, ob sie ihren Zweck noch erfüllten. Schließlich erklärt sie auch den Abbau von Bürokratie und ausufernden Berichtspflichten zu einer ihrer Prioritäten.
Insgesamt scheinen die Parlamentarier mit Virkkunen als künftiger Kommissarin einverstanden zu sein. Positive Stimmen kommen auch aus den anderen Fraktionen. “Henna Virkkunen vermittelt glaubwürdig, bei Abbau von Bürokratie und Berichtspflichten anpacken zu wollen”, lobte Svenja Hahn, Koordinatorin für Renew im IMCO. Leider habe sie sich jedoch trotz konkreter Frage nicht zum One-in-two-out-Prinzip bekannt. Sie habe auch keine eigenen Ideen präsentiert, wo sie abbauen möchte. Hahn gefiel Virkkunens Ansage, geltendes Recht wie den DSA konsequent umzusetzen. Das sei wichtig im Lichte von Aussagen des gewählten US-Vizepräsidenten JD Vance, X-Eigner Elon Musk vor EU Gesetzen schützen zu wollen. “Leider kam trotz meiner explizierten Frage keine konkrete Antwort von Virkkunen, wie sie die Zusammenarbeit mit den USA stärken und beispielsweise das Dialogformat des Trade and Technology Council ausbauen will.”
Damian Boeselager, Grünen/EFA-Schattenberichterstatter im ITRE für den Data Act, hob hervor, dass Virkkunen ihm auf seine Frage hin versprochen habe, sich für Datenmarktplätze für Industriedaten einzusetzen. “Und sie hat als erste in diesen Wochen ehrlich über die Notwendigkeit von Arbeitsmigration für Wettbewerbsfähigkeit geredet. Endlich!”, sagte Boeselager.
Die Europäische Kommission und nationale Verbraucherschutzbehörden fordern Apple auf, die Geoblocking-Praktiken bei seinen Media-Diensten zu beenden. Das Kooperationsnetzwerk CPC informierte Apple offiziell über mehrere Verstöße gegen die EU-Geoblocking-Verordnung. Zur CPC gehören die Verbraucherschutzbehörden der EU-Mitgliedstaaten, Norwegens und Islands. Eine Untersuchung zeigte, dass europäische Nutzerinnen und Nutzer durch Beschränkungen beim Zugang zu den Diensten benachteiligt sind.
Geoblocking ist eine Geschäftspraxis, bei der Unternehmen abhängig vom Standort den Zugriff auf Online-Dienste erschweren oder Leistungen verweigern, die in anderen Ländern verfügbar sind. Das CPC-Netzwerk stellte fest, dass Apple solche Praktiken bei verschiedenen Diensten einsetzt. Zum Beispiel im App Store, Apple Arcade, Music, iTunes Store, Books und Podcasts. Nutzerinnen und Nutzer können oft nur auf Inhalte zugreifen, die für das Land ihrer Apple-ID-Registrierung vorgesehen sind. Darüber hinaus akzeptiert Apple Zahlungsmethoden wie Kreditkarten oft nur dann, wenn sie in demselben Land ausgestellt wurden.
Die EU-Verbraucherschutzbehörden fordern nun von Apple, die Praktiken an die Geoblocking-Verordnung anzupassen. Diese Verordnung verabschiedete die EU im Jahr 2018, um zu verhindern, dass Verbraucher innerhalb des EU-Binnenmarkts ungerecht behandelt werden, wenn sie grenzüberschreitend auf digitale Dienste zugreifen möchten. “Kein Unternehmen, ob groß oder klein, sollte Kunden wegen ihrer Nationalität, ihres Wohnsitzes oder ihrer Niederlassung unzulässig diskriminieren”, sagte die scheidende Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager.
Apple hat nun einen Monat Zeit, um auf die Forderungen der Behörden zu reagieren und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. vis
Meta hat in der EU eine neue Version seines Werbemodells angekündigt. Nutzer von Facebook und Instagram können nun zwischen detailliert personalisierter Werbung, weniger personalisierter Werbung oder einem werbefreien, kostenpflichtigen Abonnement wählen. Mit dem Modell reagiert das Unternehmen auf zunehmenden Druck von den EU-Datenschutzbehörden. Es erntet jedoch erneut Kritik.
Meta bietet neben personalisierter Werbung künftig eine Variante an, bei der Nutzer weniger detailliert profiliert werden. Diese Anzeigen basieren auf einem minimalen Satz von Daten wie Alter, Standort und Geschlecht der Nutzer sowie ihrem Verhalten auf den Plattformen. Alternativ können Nutzer ein werbefreies Abonnement wählen. Meta kündigte an, den Preis für das Monatsabonnement zu senken: von 9,99 Euro auf 5,99 Euro pro Monat im Browser beziehungsweise von 12,99 Euro auf 7,99 Euro pro Monat auf iOS und Android.
Das von Meta eingeführte neue Modell liege in der alleinigen Verantwortung von Meta und sei weder von der Kommission gebilligt noch mit ihr abgestimmt, teilte die Kommission auf Anfrage mit. Es sei verfrüht, über die Auswirkungen auf die anhängigen Verfahren wegen Nichteinhaltung der Vorschriften zu spekulieren. “Unser Ziel ist es, Meta so schnell wie möglich zur vollständigen und effektiven Einhaltung der Vorschriften in dieser Angelegenheit zu bringen.”
Diese Änderungen kommen, nachdem Meta in den vergangenen Jahren zunehmend in Konflikt mit der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der neuen Digitalregulierung geraten ist. Im November 2023 führte Meta erstmals sein “Pay or Consent”-Modell ein: Entweder stimmen Nutzer der personalisierten Werbung zu, oder sie zahlen für werbefreie Dienste. Eine echte Ja/Nein-Einwilligung sehen Kritiker darin nicht.
Die Kommission hat in diesem Zusammenhang ein formelles Verfahren gegen Meta eingeleitet, um zu untersuchen, ob das “Pay or Consent”-Modell gegen den Digital Markets Act (DMA) verstößt. Vorläufige Untersuchungsergebnisse vom Juli 2024 deuten darauf hin, dass Metas Ansatz möglicherweise nicht DMA-konform ist. Parallel dazu hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2024 entschieden, dass Meta bei der Verarbeitung personenbezogener Daten für personalisierte Werbung die Grundsätze der Datenminimierung einhalten muss.
Die Organisation noyb des Datenschutzaktivisten Max Schrems hat bereits mehrere Klagen gegen Meta eingereicht. Schrems sieht auch den neuen Ansatz kritisch und wirft Meta vor, die Nutzer durch unüberspringbare Anzeigen “nerven” zu wollen, bis sie schließlich in eine detaillierte Profilierung einwilligen.
Schrems vergleicht dies mit Methoden aus der Freemium-Gaming-Welt, in der störende Werbung Nutzer zur kostenpflichtigen Version drängt. Er stimme zwar zu, dass “weniger personalisiert” auch “weniger illegal” sei. “Aber das bedeutet nicht, dass Meta jetzt ,legal’ handelt”, sagte Schrems. “Das ist so, als wäre man stolz darauf, ,weniger Drogen’ zu verkaufen.”
Das European Data Protection Board (EDPB) hingegen sieht die Einführung weniger personalisierter Werbung als Schritt in die richtige Richtung. Anu Talus, Vorsitzende des EDPB, begrüßte die neue Wahlmöglichkeit. Sie betonte jedoch, dass die neuen Regelungen noch einer genauen Prüfung bedürfen. Das EDPB plant zudem, Leitlinien zu “Consent or Pay”-Modellen zu entwickeln, um eine einheitliche Regelung für große Plattformen zu gewährleisten. Eine Veranstaltung zur Einholung von Stakeholder-Feedback soll im November stattfinden. vis
Kommenden Montag will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der COP29 in Baku einen Standard für die Herstellung von grünem Zement vorstellen. Es ist ein erstes wichtiges Ergebnis des von Bundeskanzler Olaf Scholz initiierten und bei der COP28 in Dubai offiziell gegründeten Klimaclubs. Auch bei grünem Stahl gehen die Diskussionen über gemeinsame Standards voran. Die Definition der Internationalen Energieagentur gilt als Arbeitsgrundlage.
Offen ist noch, wie die Dekarbonisierung der Schwerindustrien insbesondere im Globalen Süden finanziert werden soll. In einer gemeinsamen Ankündigung einiger Industrieländer des Klimaclubs kommende Woche – darunter auch Deutschland und die USA – soll bereits erstes Geld versprochen werden, heißt es in Baku.
Darüber hinaus sollen Schwellenländer mit emissionsintensiven Industriezweigen über eine sogenannte Matchmaking-Plattform mit möglichen Finanziers zusammengebracht werden. Chile, Kolumbien, Indonesien, Kenia und Marokko seien bereits Teil der Plattform und sollen darüber finanzielle sowie technische Unterstützung bei der Dekarbonisierung erhalten.
Der Klimaclub wächst derweil weiter. Kroatien, die Slowakei, Polen und Bangladesch sind neu dabei, die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt somit 43 Länder. luk
Die Bundesregierung soll sich auf EU-Ebene für die schnelle Abschaffung der Zollfreigrenzen für nicht-europäische E-Commerce-Plattformen einsetzen. Das fordern die Länder Bayern und Hamburg für die am 21. November stattfindende Wirtschaftsministerkonferenz. Derzeit liegt die Zollfreigrenze bei 150 Euro. Davon profitieren chinesische Onlinehändler wie Temu und Shein. “Zusätzlich ist zu beobachten, dass diese Freigrenze zur Zollvermeidung von Waren mit höherem Sachwert ausgenutzt wird, etwa indem Lieferungen in mehrere Einzelpakete aufgeteilt werden oder der Warenwert zu niedrig deklariert wird”, heißt es in der Beschlussvorlage.
Die Abschaffung der Freigrenze sei zwar im Zuge der EU-Zollrechtsreform angedacht, müsse jedoch deutlich schneller geschehen als bislang vorgesehen. Ziel sei es, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und die Belastung für Zollbehörden gering zu halten. Außerdem sollen künftig drittstaatliche Plattformen für Produktsicherheitsrisiken direkt haftbar sein und verpflichtet werden, detaillierte Informationen über Herkunft und Produktionsbedingungen ihrer Waren bereitzustellen.
Die Bundesregierung warb im EU-Rat schon im September für ein schärferes Vorgehen gegen die chinesischen Billig-Onlinehändler. Die EU´-Kommission hat zudem ein formelles Verfahren gegen Temu eingeleitet, unter anderem weil immer wieder verbotene Produkte über die Plattform verkauft werden.
Auch der designierte EU-Kommissar für Industriestrategie, Stéphane Séjourné, sprach sich am Dienstag für die Abschaffung der Regel aus. Die Ausnahme für Pakete mit einem Warenwert von unter 150 Euro sei eine “echte Anomalie”, sagte Séjourné bei seiner Anhörung für den EU-Posten. Er warnte EU-Verbraucher zudem davor, ihre Weihnachtseinkäufe auf den Plattformen zu tätigen: “Da wir uns nun der Weihnachtszeit nähern, möchte ich Sie dringend bitten, genau hinzuschauen ( … ) wenn Sie online einkaufen, tragen die Produkte vielleicht das CE-Logo, aber sie werden nicht unbedingt immer nach unseren Standards hergestellt”, betonte der Franzose. max/ari