nach einem G20-Gipfel ist es nicht anders als nach einem Europäischen Rat in Brüssel: Jeder Teilnehmer brüstet sich der eigenen Erfolge, verkauft sich dem heimischen Publikum als Sieger. So auch Kanzler Olaf Scholz bei dem Treffen in Neu-Delhi: Die Abschlusserklärung sei “ein klares Bekenntnis dazu, dass die territoriale Integrität von Staaten wie der Ukraine außer Frage steht, dass nicht mit Gewalt Grenzen verschoben werden sollen”, betonte er. An dieser Klarheit sei der russischen Regierung “ganz sicher nicht gelegen”.
Durchaus gelegen war Moskau hingegen daran, eine scharfe Verurteilung der “Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine”, zu verhindern. Gemeinsam mit dem Verbündeten China verhinderte Außenminister Sergej Lawrow eine solche Formulierung, wie sie noch beim vorherigen G20-Gipfel auf Bali vereinbart worden war. Der nun beschlossene Text sei “nichts, worauf die Gruppe der 20 stolz sein sollte”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Kiew.
Aber die westlichen Vertreter konnten in Neu-Delhi durchaus Erfolge verbuchen: Die Vereinbarung für einen neuen Wirtschaftskorridor zwischen Indien und Europa hat das Potenzial, wichtige Akteure wie Indien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emiraten enger an die EU zu binden. Hinter dem Projekt stünden “Partnerstaaten, die nicht nur über große Erfahrung mit strategischen Infrastrukturvorhaben verfügen, sondern auch über entsprechende finanzielle Möglichkeiten”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Table.Media. Von dieser strategischen Verbindung würden nicht nur die Staaten profitieren, durch die der Korridor führt.
Mehr zu dem Vorhaben lesen Sie in meiner Analyse in dieser Ausgabe. Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart!
Noch ist es nur eine Absichtserklärung, aber eine von geopolitischer Bedeutung: Die EU-Teilnehmer beim G20-Gipfel in Neu-Delhi haben mit den USA, Indien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinbart, einen neuen Transportkorridor zwischen Indien und Europa in Angriff zu nehmen. Dieser soll den Warentransport um mehrere Tage beschleunigen und neue Leitungen für Strom, Wasserstoff und Daten umfassen.
Die Teilnehmer wollen über den neuen Wirtschaftskorridor Indien-Naher Osten-Europa ihre Handelsbeziehungen ausbauen und damit zugleich dem wachsenden Einfluss Chinas in der Region etwas entgegensetzen. Peking nutzt Infrastrukturinvestitionen im Rahmen seiner Belt-and-Road-Initiative (BRI), um seine politische Macht auszuweiten. So vermittelte Peking eine Annäherung der beiden Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran im Frühjahr.
“Wir schlagen eine Brücke, über die Güter, saubere Energie und digitale Informationen zwischen starken Wirtschaftsräumen schneller und verlässlicher zirkulieren können”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Table.Media. Hinter dem Projekt stünden Partnerstaaten, “die nicht nur über große Erfahrung mit strategischen Infrastrukturvorhaben verfügen, sondern auch über entsprechende finanzielle Möglichkeiten”. Daher könne der neue Korridor dazu beitragen, die Handelsströme zwischen Europa, dem Nahen Osten und Asien zu stärken. Davon profitierten nicht nur die Staaten, durch die der Korridor führe.
Die Absichtserklärung sieht zwei neue Korridore vor:
Die Fertigstellung der Route würde laut von der Leyen die Zeit für den Gütertransport um 40 Prozent verkürzen. Bislang läuft der Handel vor allem durch den Suezkanal. Laut Michaël Tanchum, Forscher am Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), könnte ein Landkorridor über die arabische Halbinsel die Transportzeiten zwischen Mumbai und Piräus von 17 auf zehn Tage verkürzen. Der Experte hatte bereits vor zwei Jahren in einem Papier die mögliche Route eines solchen Korridors aufgezeichnet.
Die Umsetzung der Pläne würde massive Investitionen erfordern, insbesondere in den Ausbau der Bahnlinie durch Saudi-Arabien. Der Bau könnte so zu einem der großangelegten Infrastrukturprojekte werden, die der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman plant.
Die beteiligten Länder wollen nun binnen 60 Tagen einen Aktionsplan für den Wirtschaftskorridor erarbeiten. Die Koordinierung wird voraussichtlich eine Task-Force übernehmen, die von der EU-Kommission und der indischen Regierung geleitet wird und die übrigen Partner einbindet. Da von der Leyen dem Projekt strategische Bedeutung zuspricht, dürfte sie die Arbeit in der Kommission direkt bei sich aufhängen.
Die Kommissionspräsidentin hatte auf dem Weg nach Neu-Delhi in Abu Dhabi einen Zwischenstopp eingelegt, um beim Präsidenten der VAE, Scheich Mohamed bin Zayed Al Nahyan, für den Korridor zu werben. Die Pläne waren im Stillen ausgearbeitet worden, da insbesondere der Nexus Saudi-Arabien-Jordanien-Israel politisch hochsensibel ist. Hier habe Washington vermittelt, hieß es.
Die US-Regierung versucht derzeit, verlorenen Boden im Nahen Osten zurückzugewinnen. Die Regierung bemüht sich besonders um eine Annäherung Saudi-Arabiens und der VAE mit dem Verbündeten Israel. Der nun vereinbarte Wirtschaftskorridor sei “eine wirklich große Sache”, sagte Präsident Joe Biden nach der Unterzeichnung der Absichtserklärung.
Aus EU-Sicht kann das Megaprojekt die Global-Gateway-Initiative aufwerten. Diese will binnen sieben Jahren rund 300 Milliarden Euro an Investitionen für Konnektivitätsprojekte mobilisieren, um Europas Einfluss zu wahren. Große und strategisch wichtige Vorhaben wie der neue Korridor waren aber bislang Mangelware.
Von der Leyen setzt darauf, über die neuen Verbindungen den Import großer Mengen von erneuerbarer Energie und sauberem Wasserstoff vor allem aus Saudi-Arabien, den VAE und aus Indien zu ermöglichen. Das neue Internet-Unterseekabel soll überdies dem Vernehmen nach möglichst ohne chinesische Technologie gebaut werden, um die Kommunikationssicherheit zu erhöhen.
Daran hat auch Indiens Premier Narendra Modi ein Interesse. Bessere Verbindungen könnten nicht nur den Handel befördern, sondern auch gegenseitiges Vertrauen schaffen, sagte er. Für den Gastgeber des G20-Gipfels ist die Initiative ebenfalls ein Coup – Neu-Delhi sieht den Nachbarn China als großen Rivalen in der Region. In Indien gebe es zudem Überlegungen, den Korridor bis nach Vietnam zu verlängern, um den eigenen Einfluss in Südostasien zu stärken. Saudi-Arabien und die VAE wiederum haben ein Interesse an wachsendem Handel und wollen sich nicht zu sehr auf China stützen.
Um die Transportinfrastruktur im südlichen Afrika auszubauen, wollen USA und EU sich überdies mit den dortigen Regierungen zusammentun. Der transafrikanische Korridor soll die Region Katanga in der Demokratischen Republik Kongo und den Kupfergürtel in Sambia an den Hafen von Lobito in Angola anbinden, wie es in einer gemeinsamen Erklärung heißt. Katanga im Südosten Kongos verfügt über große Rohstoffvorkommen, vor allem Kupfer und Kobalt, die für die grüne Transformation wichtig sind.
Zunächst wollen Washington und Brüssel nun Durchführbarkeitsstudien für den Bau einer Bahnstrecke zwischen Sambia und Angola in Auftrag geben. Dies baue auf der von den USA betriebenen Modernisierung des Eisenbahnabschnitts vom Hafen in Lobito bis zur Demokratischen Republik Kongo auf. Nach der Fertigstellung verbesserten sich nicht nur die Exportmöglichkeiten für die drei Länder, auch der regionale Warenverkehr werde angekurbelt.
Margrethe Vestager wirbt für weitreichende Reformen bei der Europäischen Investitionsbank (EIB). “Geschwindigkeit ist entscheidend, aber die Bank ist dafür nicht bekannt”, sagte sie am Freitag vor Journalisten in Berlin. Die Bank sei in den vergangenen zehn Jahren enorm gewachsen, von 2.000 Mitarbeitern auf mehr als 4.000, sie habe die Aufgabe als EU-Klimabank neu übernommen und ihre globale Präsenz ausgebaut. Nun sei es an der Zeit, die Prozesse zu überprüfen und zugleich die Bekanntheit der Bank zu erhöhen: “Es ist wirklich schade, dass nicht mehr Menschen wissen, dass die größte multinationale Bank der Welt die Europäische Investitionsbank ist.”
Die 55-jährige Dänin hatte zuvor mit Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt gesprochen und für ihre Kandidatur für die Spitze der EIB geworben. Die Bundesregierung ist eine der größten Anteilseignerinnen der Bank mit Sitz in Luxemburg.
Die EU-Finanzminister werden beim informellen Rat in Santiago de Compostela am Ende der Woche über die Personalie diskutieren, aber voraussichtlich noch keine Entscheidung treffen. Den Vorsitz dort hat ausgerechnet Vestagers schärfste Rivalin, die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Sie selbst werde als Teil der dänischen Delegation zu dem Treffen reisen, sagte Vestager, um für Gespräche zur Verfügung zu stehen.
Vestager plädiert dafür, mithilfe der EIB eine Lücke bei der Finanzierung junger Unternehmen in Europa zu füllen. Für Firmen in der Wachstumsphase sei es hier sehr schwierig, größere Finanzierungen über 35 oder 50 Millionen Euro zu erhalten. Sie orientierten sich deshalb oft in Richtung, USA, Saudi-Arabien oder Singapur. “Es darf nicht sein, dass es dafür keine Finanzierung in Europa gibt”, sagte die Dänin. Zumal der Investitionsbedarf etwa für die Dekarbonisierung hoch sei.
Die Finanzierung solcher Projekte sei natürlich mit mehr Risiken behaftet als das traditionelle Geschäft der EIB, räumte Vestager ein. Daher sei ein gut funktionierendes Risikomanagement essenziell. In der EIB-Gruppe gebe es aber bereits Erfahrung mit der Finanzierung von Start-ups, insbesondere beim Europäischen Investitionsfonds (EIF). “Diese Ideen sind also nicht fremd oder revolutionär in der Bank.”
Vestager versicherte, sie wolle dadurch keinesfalls die Top-Bonität der Bank aufs Spiel setzen. “Das Triple-A-Rating ist Teil des Geschäftsmodells der Bank”, sagte sie. Nur so könne sie günstig Geld aufnehmen und Finanzierungen anbieten. Lindner hatte tags zuvor betont, das Top-Rating sei “von einer überragenden Bedeutung” für die Bank. “Sound Banking” müsse für die EIB weiterhin oberste Priorität haben.
Die Berliner Koalitionspartner halten sich bislang bedeckt, wen sie unterstützen wollen. Kanzler Olaf Scholz wird nachgesagt, Calviño für den Posten zu bevorzugen. Im Rennen ist unter anderem auch der frühere italienische Finanzminister Daniele Franco. Die italienische Regierung teilte am Sonntag mit, dass sie Deutschland um Unterstützung für Franco gebeten habe. Er sei ein “hochqualifizierter Technokrat, frei von politischen Einflüssen”. Dem angesehenen Ökonomen, der zuletzt von 2021 bis 2022 in der Einheitsregierung von Mario Draghi Wirtschaftsminister war, werden wegen seines Alters (70) aber nur Außenseiterchancen eingeräumt. Der langjährige EIB-Präsident Werner Hoyer hört zum Jahresende auf.
Habeck fordert, dass die Förderbank mehr grenzüberschreitende Projekte finanziert, etwa zum Ausbau von Stromleitungen oder Zugverbindungen. Vestager versicherte, dies gehöre auch zu ihren Prioritäten: “Die Bank war immer und wird immer ein großer Investor in Infrastruktur sein.” Die Energie-Union erforderte den Ausbau von Interkonnektoren, zudem fehlten insbesondere in Osteuropa Verkehrsverbindungen in die anderen EU-Staaten. Auch mit Blick auf eine mögliche Erweiterung der EU seien solche Investitionen absolut notwendig.
Die EIB könne in der geopolitischen Lage auch außerhalb Europas eine wichtige Rolle spielen, argumentierte Vestager. Auch dafür sei es aber wichtig, dass sie schneller werde. “Denn wir haben große Wettbewerber bei Finanzierungen in Afrika oder Lateinamerika.”
Möglichst heraushalten will Vestager die Bank im Streit um die Rolle der Kernenergie zwischen den Mitgliedstaaten – insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich. “Ich persönlich bin da völlig pragmatisch”, sagte sie. “Aber die Bank ist eine Bank und sollte kein Ort für politische Kämpfe sein.” Welche Rolle die Atomkraft in der EU einnehmen solle, müsse in Europaparlament, Rat und Kommission diskutiert werden. Industriekommissar Thierry Breton hatte zuletzt gefordert, die Bank solle auch Kernkraft finanzieren. Derzeit finanziert sie lediglich etwa die Lagerung von Atommüll, aber keine neuen AKWs.
Die Verhandlungen über die Schadstoffnorm Euro 7 gewinnen im Rat an Kontur. Die spanische Ratspräsidentschaft hat den fünften Kompromissvorschlag vorgelegt, der Table.Media vorliegt. Zugleich gibt es einen Vorstoß aus der Gruppe um Tschechien und Italien, die das Non-Paper vorgelegt hatten, in Euro 7 auch Regelungen für E-Fuels-only-Fahrzeuge und teils mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge aufzunehmen. Auch Deutschland fordert, E-Fuels in der Euro-7-Regulierung zu berücksichtigen.
Bei der Sitzung der Ratsarbeitsgruppe am Dienstag sollen die Änderungswünsche der Mitgliedstaaten besprochen werden. Auf Botschafterebene (AStV 1) soll abschließend am 20. September über die Regulierung gesprochen werden. Die spanische Ratspräsidentschaft will beim Wettbewerbsfähigkeitsrat am 25. September die allgemeine Ausrichtung vornehmen.
Bislang ist von der Kommission vorgesehen, in Euro 6 die Zulassung von Fahrzeugen aufzunehmen, die nach dem Verbrenner-Aus 2035 ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels only) betrieben werden. Nun gibt es den Vorschlag von Italien, auch in Euro 7 Regelungen zu E-Fuels aufzunehmen. Italien macht sich wie die DG Grow der Kommission dafür stark, bei E-Fuels eine Treibhausgas-Ersparnis von 70 Prozent gegenüber fossilen Kraftstoffen zur Bedingung zu machen. Sollte das nicht gehen, schlägt Italien den Wert von 80 Prozent vor. Außerdem solle es “Euro 7 NF vehicles” geben: Für diese Kategorie könnten die Hersteller Fahrzeuge entwickeln, die entweder nur mit E-Fuels (E-Fuels only) fahren oder mit E-Fuels, die mit anderen Kraftstoffen gemischt (blend) werden.
Der fünfte Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft sieht einige Änderungen vor. Sie werden aber nicht als ausschlaggebend interpretiert. So sind die Grenzwerte bei den Lieferwagen unverändert. Es gibt einige Änderungen bei den Testbedingungen für Lieferwagen und schweren Nutzfahrzeugen. Bei den schweren Nutzfahrzeugen wurden zwei Grenzwerte gestrichen. Verlängert wurde zudem die Dauer in Jahren, die schwere Nutzfahrzeuge die Grenzwerte einhalten müssen. mgr/luk
Die Berichterstatter im Industrieausschuss zum Net-Zero Industry Act wollen am Dienstag die verbliebenen Streitpunkte ausräumen. So verlautete es aus Kreisen des Europaparlaments nach einem Treffen auf Arbeitsebene. Der NZIA soll Investitionen in klimafreundliche Technologien wie Solar, Wind oder Wärmepumpen in den EU-Staaten anlocken.
Der federführende Abgeordnete Christian Ehler (CDU) hatte Ende Mai seinen Berichtsentwurf vorgelegt. Kurz vor der Sommerpause einigte sich Ehler mit den Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen auf die Eckpunkte der Parlamentsposition. Diese wurden seither auf technischer Ebene im Detail ausformuliert.
Konkret diskutiert wird nun noch, nach welchen Kriterien “strategische Projekte” ausgewählt werden, die dann von beschleunigten Genehmigungsverfahren und leichterem Zugang zu Finanzmitteln profitieren. Um den Status “strategisch” zu erhalten, sollen Investoren mindestens eines der drei Ziele einen Beitrag leisten:
Auch die konkrete Ausgestaltung der Vorteile ist noch in der Diskussion, etwa noch kürzere Fristen für die Genehmigungsbehörden. Uneins sind sich die Unterhändler zudem noch darin, ob die Kommission für jeden einzelnen Sektor konkrete Ziele ausgeben sollte. Die Behörde hatte in ihrem Vorschlag das übergreifende Ziel ausgegeben, 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an den Netto-Null-Technologien in Europa selbst herzustellen. Die Parlamentarier bevorzugen hingegen die Metrik, 25 Prozent am Weltmarktanteil anzustreben.
Nach dem bisherigen Zeitplan wollen die Abgeordneten am 12. Oktober dann im Industrieausschuss über den Bericht Ehlers abstimmen, im November dann im Plenum. Die Termine könnten sich aber noch um ein bis zwei Wochen nach hinten verschieben.
Die Verhandlungen im Rat verlaufen mehr oder weniger parallel. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte vergangene Woche einen neuen Kompromissvorschlag vorgelegt. Dieser ergänzt die Liste der Kommission für acht strategische Technologien lediglich um eine weitere, “fortschrittliche Fertigungstechnologien für die Kreislaufwirtschaft und die Materialverarbeitung”. Besonders umstritten im Rat ist die Frage, ob auch neue Nukleartechnologien als strategisch eingestuft werden. Hier liegen insbesondere Deutschland und Frankreich über Kreuz. tho
Die Digitalindustrie hat ihre Ausgaben für Lobbyarbeit in Brüssel noch einmal deutlich auf 113 Millionen Euro gesteigert. Das ist das Ergebnis einer Berechnung von Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory. Demnach stiegen die Lobbyausgaben des Sektors seit 2021 um 16,5 Prozent an. Damit gibt die Digitalindustrie nach wie vor mehr Geld aus als alle anderen Branchen, auch als die Automobil- und Finanzindustrie.
Bemerkenswert ist, dass die zehn größten Digitalkonzerne – darunter Meta, Google, Apple, Microsoft und Amazon – mit einem Lobbybudget von 40 Millionen Euro für mehr als ein Drittel der Lobbyausgaben des
Sektors verantwortlich waren. Wie Lobbycontrol berichtet, ist Meta mit einem Budget von inzwischen acht Millionen Euro der finanzkräftigste Techkonzern im Lobbyregister. Dahinter folgt Apple, das seine Lobbyausgaben von dreieinhalb auf sieben Millionen Euro verdoppelte.
“Der Zuwachs an Ressourcen für Lobbyarbeit bei gleichzeitiger Monopolmacht in diesem Sektor ist
besorgniserregend“, warnte Verena Leyendecker von Lobbycontrol. Die großen Techkonzerne hätten durch ihre enormen Ressourcen unverhältnismäßig viele Möglichkeiten, Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Die deutlich gestiegenen Lobbyausgaben der Digitalindustrie zeigten, dass die ohnehin bereits starke Präsenz von Big Tech in der EU weiter zunehme. Das sei problematisch, sagte Bram Vranken von Corporate Europe Observatory. “Geld sollte nicht den Zugang und Einfluss auf die EU-Politik bestimmen, aber genau das scheint das Ziel der Techkonzerne zu sein.”
Die Lobbyarbeit von Big Tech drohe nicht nur wichtige Maßnahmen wie den AI Act zu verwässern, sondern untergrabe auch die demokratische Entscheidungsfindung. “Die EU muss den privilegierten Zugang für Unternehmenslobbyisten dringend unterbinden”, forderte Vranken.
Die Zahlen sind ein Update zu einer Studie zur Macht der Digitalindustrie, die Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory im August 2021 veröffentlichten. Die Berechnungen zu Lobbyausgaben basieren auf dem Onlinedatentool Lobbyfacts.eu, das Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory betreiben. vis
Österreich will bei der Umsetzung der europäischen KI-Regulierung eng mit Deutschland zusammenarbeiten. Derzeit liefen die Vorbereitungen, sagte Staatssekretär Florian Tursky am Rande eines Arbeitsbesuches in Berlin. Beide Länder wollen hierzu eigene Institutionen aufbauen, Deutschland setzt hier auf KI-Kompetenzzentren, Österreich auf KI-Behörden. “Im Europäischen digitalen Binnenmarkt macht die Digitalisierung nicht an den Landesgrenzen halt“, sagte Tursky, der in Österreich die Digitalisierungsthemen für die dortige Bundesregierung koordiniert.
Die Verhandlungen zum AI Act befänden sich derzeit in der heißen Phase, sagte der Politiker. Gerade in Bezug auf General Purpose AI und Foundation Models seien noch viele Fragen zu klären. Dennoch gebe es die politische Notwendigkeit, bald zu einer Lösung zu kommen. Alle Seiten seien entschlossen, die Verhandlungen noch in diesem Jahr abzuschließen.
Tursky war auf Einladung von Digitalminister Volker Wissing in Berlin und traf sich auch mit Staatssekretär Stefan Schnorr. Neben KI standen E-Government und Datenaustausch auf der Agenda. In Sachen elektronischer Identität (eID) ist Österreich weit voraus, seit Sommer 2022 können Nutzerinnen und Nutzer auf die ID Austria umsteigen und sich per Handy ausweisen.
Der Führerschein ist ebenfalls bereits seit Oktober digitalisiert. Die deutsche Polizei könnte die Fahrerlaubnis auch per App checken – doch es fehlt noch die entsprechende rechtliche Grundlage hierzulande. “Noch ist eine grenzüberschreitende Akzeptanz nicht gegeben”, daher seien die Gespräche mit dem deutschen Digitalministerium besonders wertvoll, erklärte Tursky.
Und noch ein wichtiges Anliegen brachte der Österreicher in Berlin vor: die Etablierung einer stabilen 5G-Verbindung im Deutschen Eck. Die kürzeste und verkehrsgünstige Straßen- und Eisenbahnverbindungen zwischen dem östlichen und dem westlichen Teil Österreichs führt über deutsches Staatsgebiet. Salzburg und Tirol sind bereits zu 95 Prozent mit mobilem 5G-Internet versorgt, dazwischen liegt Bayern mit 76-prozentiger Abdeckung. “Wer öfter über das große Deutsche Eck fährt, kennt die Problematik, dass plötzlich die Telefon- oder Internetverbindung ausfällt”, beklagt Tursky. Berlin habe ihm zugesichert, gemeinsam daran arbeiten zu wollen, die mobile Konnektivität sicherzustellen. vis
Die Familie eines schwedischen EU-Mitarbeiters, der im Iran inhaftiert ist, hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sich für seine Freilassung nach über 500 Tagen Haft wegen angeblicher Spionage einzusetzen, wie seine Familie am Sonntag mitteilte. EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Dienstag, dass die Inhaftierung von Johan Floderus wiederholt bei den Behörden der Islamischen Republik angesprochen worden sei.
“Die Familie, Freunde und Unterstützer von Johan Floderus fordern dringende internationale Aufmerksamkeit, um seine sofortige Freilassung und sichere Rückkehr nach Europa sicherzustellen”, schrieb die Familie am Sonntag anlässlich Floderus 33. Geburtstages. Sie sagten, dass Floderus ohne formelle Anklage im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten werde. Das Gefängnis ist für seine schlechten Zustände berüchtigt. Zahlreiche politische Gefangene sitzen dort ein. Auch Floderus Familie sieht ihn als politischen Gefangenen: “Er ist ein weiteres Opfer der alarmierenden Praxis des Iran, ausländische Staatsangehörige zu politischen Zwecken als Geiseln zu nehmen.” Sie vermuten, dass es das erste Mal ist, dass ein EU-Bediensteter im Iran auf diese Weise festgehalten wird.
Floderus gehe es der Familie zufolge schlecht. “Seine Bedürfnisse nach angemessenen Essensrationen, Spaziergängen im Freien, medizinischen Untersuchungen und vielem mehr werden (im Gefängnis) nicht respektiert”, schrieb sie. Zudem werde ihm die Kommunikation mit der schwedischen Botschaft in Teheran verweigert, mit Ausnahme einiger konsularischer Besuche. Sie sagten, dass Floderus seit Februar 2023 nur noch einmal im Monat kurz telefonieren dürfe. “Er musste in den Hungerstreik treten, um einige dieser Anrufe tätigen zu dürfen, die auf Englisch geführt und überwacht werden müssen.”
Die Beziehungen zwischen Stockholm und Teheran sind seit 2019 angespannt, als Schweden einen ehemaligen iranischen Beamten wegen seiner Beteiligung an den Massenhinrichtungen und Folterungen von politischen Gefangenen im Iran in den 1980er Jahren verhaftete. Er wurde letztes Jahr zu lebenslanger Haft verurteilt, woraufhin der Iran seinen Gesandten in Schweden aus Protest zurückrief.
Nach Angaben seiner Familie war Floderus in den Nahen Osten gereist, um Sprachen zu studieren, historische Stätten zu erkunden und im Auftrag der EU humanitäre Kooperationsprojekte im Iran zu unterstützen, und wurde im April 2022 verhaftet. rtr/lei
In ihrem Alltag diskutiert Heike Raab mit den Kabinettsmitgliedern von EU-Kommissaren, sitzt als Bevollmächtigte von Rheinland-Pfalz in der Europaministerkonferenz und tauscht sich im europäischen Ausschuss der Regionen mit Bürgermeistern, Landräten und Landespolitikerinnen aus der ganzen EU aus. All das ist mittlerweile ganz selbstverständlich für Heike Raab. Denn als Staatssekretärin des südwestlichen Bundeslandes kümmert sie sich um “basisdemokratische Europapolitik“, wie sie es nennt.
Raabs Job ist es, die Interessen von Rheinland-Pfalz durchzusetzen, und das nicht nur auf der europäischen Ebene. Sie koordiniert auch die Politik des Bundeslandes im Bundesrat und auf Bundesebene. Außerdem leitet sie die Rundfunkkommission der Länder. Raab ist viel unterwegs: von Sitzungen in Brüssel geht es zur Staatskanzlei in Mainz und dann in die Landesvertretung in Berlin.
Zu Hause ist Raab im pittoresken Cochem an der Mosel – wo die heute 58-Jährige auch aufgewachsen ist. Seit 2000 lebt sie wieder “dort, wo andere Urlaub machen”. Als sie dort Mitte der 1980er-Jahre ihr Abitur machte, öffneten sich gerade die Grenzen Europas mit dem Schengener Abkommen. “Das war eine Zeit, in der ich Europa als junge Frau erstmals ganz anders entdecken konnte”, sagt Raab. Dennoch war die Europäische Union noch ein abstraktes Gebilde für sie. Politisiert haben sie andere Themen. Sie engagierte sich unter anderem gegen eine Wiederaufbereitungsanlage für nukleare Brennelemente in der Eifel.
Nach der Schulzeit absolvierte sie eine Ausbildung zur Krankengymnastin. “Ich komme nicht aus einem Akademikerhaushalt“, erklärt Raab. “Bei uns war es normal, dass alle Kinder erst mal eine Berufsausbildung machen.” Erst danach studierte sie Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften und Spanisch. Und trat während des Studiums im Jahr 1989 in die SPD ein.
Nach dem Studium prägte ab 1992 die Politik ihr Leben: Sie war persönliche Referentin des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping, Landtagsabgeordnete in Mainz und medienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Vor ihrem jetzigen Job arbeitete Raab als Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Innenministerium.
Seit vielen Jahren betrachtet Raab insbesondere die Medienpolitik als ihr Thema. Sie will zum Beispiel journalistische Texte kennzeichnen lassen, die von einer künstlichen Intelligenz produziert wurden. “Das wäre eine wichtige, vertrauensbildende Maßnahme.” In diese Richtung zielt auch die derzeit verhandelte europäische Richtlinie zu künstlicher Intelligenz, sagt Raab.
Außerdem beschäftigt sie die Frage, wie sich Bürgerinnen und Bürger heute noch verlässlich informieren können. Denn die Tageszeitungen erreichen manche Menschen nicht mehr, stattdessen konsumieren sie von Fake News überflutete soziale Medien. Raabs Vision ist eine europäische, öffentliche Medienplattform, die der journalistischen Sorgfaltspflicht unterworfen ist. Sie steht dazu aktuell im engen Austausch mit europäischen Kollegen und Kolleginnen, sagt sie: “Das ist wichtig für die Demokratie. Und es ist für mich auch ein Thema, das mich immer wieder mit Energie auflädt.” Theresa Stoll
nach einem G20-Gipfel ist es nicht anders als nach einem Europäischen Rat in Brüssel: Jeder Teilnehmer brüstet sich der eigenen Erfolge, verkauft sich dem heimischen Publikum als Sieger. So auch Kanzler Olaf Scholz bei dem Treffen in Neu-Delhi: Die Abschlusserklärung sei “ein klares Bekenntnis dazu, dass die territoriale Integrität von Staaten wie der Ukraine außer Frage steht, dass nicht mit Gewalt Grenzen verschoben werden sollen”, betonte er. An dieser Klarheit sei der russischen Regierung “ganz sicher nicht gelegen”.
Durchaus gelegen war Moskau hingegen daran, eine scharfe Verurteilung der “Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine”, zu verhindern. Gemeinsam mit dem Verbündeten China verhinderte Außenminister Sergej Lawrow eine solche Formulierung, wie sie noch beim vorherigen G20-Gipfel auf Bali vereinbart worden war. Der nun beschlossene Text sei “nichts, worauf die Gruppe der 20 stolz sein sollte”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Kiew.
Aber die westlichen Vertreter konnten in Neu-Delhi durchaus Erfolge verbuchen: Die Vereinbarung für einen neuen Wirtschaftskorridor zwischen Indien und Europa hat das Potenzial, wichtige Akteure wie Indien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emiraten enger an die EU zu binden. Hinter dem Projekt stünden “Partnerstaaten, die nicht nur über große Erfahrung mit strategischen Infrastrukturvorhaben verfügen, sondern auch über entsprechende finanzielle Möglichkeiten”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Table.Media. Von dieser strategischen Verbindung würden nicht nur die Staaten profitieren, durch die der Korridor führt.
Mehr zu dem Vorhaben lesen Sie in meiner Analyse in dieser Ausgabe. Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart!
Noch ist es nur eine Absichtserklärung, aber eine von geopolitischer Bedeutung: Die EU-Teilnehmer beim G20-Gipfel in Neu-Delhi haben mit den USA, Indien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinbart, einen neuen Transportkorridor zwischen Indien und Europa in Angriff zu nehmen. Dieser soll den Warentransport um mehrere Tage beschleunigen und neue Leitungen für Strom, Wasserstoff und Daten umfassen.
Die Teilnehmer wollen über den neuen Wirtschaftskorridor Indien-Naher Osten-Europa ihre Handelsbeziehungen ausbauen und damit zugleich dem wachsenden Einfluss Chinas in der Region etwas entgegensetzen. Peking nutzt Infrastrukturinvestitionen im Rahmen seiner Belt-and-Road-Initiative (BRI), um seine politische Macht auszuweiten. So vermittelte Peking eine Annäherung der beiden Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran im Frühjahr.
“Wir schlagen eine Brücke, über die Güter, saubere Energie und digitale Informationen zwischen starken Wirtschaftsräumen schneller und verlässlicher zirkulieren können”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Table.Media. Hinter dem Projekt stünden Partnerstaaten, “die nicht nur über große Erfahrung mit strategischen Infrastrukturvorhaben verfügen, sondern auch über entsprechende finanzielle Möglichkeiten”. Daher könne der neue Korridor dazu beitragen, die Handelsströme zwischen Europa, dem Nahen Osten und Asien zu stärken. Davon profitierten nicht nur die Staaten, durch die der Korridor führe.
Die Absichtserklärung sieht zwei neue Korridore vor:
Die Fertigstellung der Route würde laut von der Leyen die Zeit für den Gütertransport um 40 Prozent verkürzen. Bislang läuft der Handel vor allem durch den Suezkanal. Laut Michaël Tanchum, Forscher am Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), könnte ein Landkorridor über die arabische Halbinsel die Transportzeiten zwischen Mumbai und Piräus von 17 auf zehn Tage verkürzen. Der Experte hatte bereits vor zwei Jahren in einem Papier die mögliche Route eines solchen Korridors aufgezeichnet.
Die Umsetzung der Pläne würde massive Investitionen erfordern, insbesondere in den Ausbau der Bahnlinie durch Saudi-Arabien. Der Bau könnte so zu einem der großangelegten Infrastrukturprojekte werden, die der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman plant.
Die beteiligten Länder wollen nun binnen 60 Tagen einen Aktionsplan für den Wirtschaftskorridor erarbeiten. Die Koordinierung wird voraussichtlich eine Task-Force übernehmen, die von der EU-Kommission und der indischen Regierung geleitet wird und die übrigen Partner einbindet. Da von der Leyen dem Projekt strategische Bedeutung zuspricht, dürfte sie die Arbeit in der Kommission direkt bei sich aufhängen.
Die Kommissionspräsidentin hatte auf dem Weg nach Neu-Delhi in Abu Dhabi einen Zwischenstopp eingelegt, um beim Präsidenten der VAE, Scheich Mohamed bin Zayed Al Nahyan, für den Korridor zu werben. Die Pläne waren im Stillen ausgearbeitet worden, da insbesondere der Nexus Saudi-Arabien-Jordanien-Israel politisch hochsensibel ist. Hier habe Washington vermittelt, hieß es.
Die US-Regierung versucht derzeit, verlorenen Boden im Nahen Osten zurückzugewinnen. Die Regierung bemüht sich besonders um eine Annäherung Saudi-Arabiens und der VAE mit dem Verbündeten Israel. Der nun vereinbarte Wirtschaftskorridor sei “eine wirklich große Sache”, sagte Präsident Joe Biden nach der Unterzeichnung der Absichtserklärung.
Aus EU-Sicht kann das Megaprojekt die Global-Gateway-Initiative aufwerten. Diese will binnen sieben Jahren rund 300 Milliarden Euro an Investitionen für Konnektivitätsprojekte mobilisieren, um Europas Einfluss zu wahren. Große und strategisch wichtige Vorhaben wie der neue Korridor waren aber bislang Mangelware.
Von der Leyen setzt darauf, über die neuen Verbindungen den Import großer Mengen von erneuerbarer Energie und sauberem Wasserstoff vor allem aus Saudi-Arabien, den VAE und aus Indien zu ermöglichen. Das neue Internet-Unterseekabel soll überdies dem Vernehmen nach möglichst ohne chinesische Technologie gebaut werden, um die Kommunikationssicherheit zu erhöhen.
Daran hat auch Indiens Premier Narendra Modi ein Interesse. Bessere Verbindungen könnten nicht nur den Handel befördern, sondern auch gegenseitiges Vertrauen schaffen, sagte er. Für den Gastgeber des G20-Gipfels ist die Initiative ebenfalls ein Coup – Neu-Delhi sieht den Nachbarn China als großen Rivalen in der Region. In Indien gebe es zudem Überlegungen, den Korridor bis nach Vietnam zu verlängern, um den eigenen Einfluss in Südostasien zu stärken. Saudi-Arabien und die VAE wiederum haben ein Interesse an wachsendem Handel und wollen sich nicht zu sehr auf China stützen.
Um die Transportinfrastruktur im südlichen Afrika auszubauen, wollen USA und EU sich überdies mit den dortigen Regierungen zusammentun. Der transafrikanische Korridor soll die Region Katanga in der Demokratischen Republik Kongo und den Kupfergürtel in Sambia an den Hafen von Lobito in Angola anbinden, wie es in einer gemeinsamen Erklärung heißt. Katanga im Südosten Kongos verfügt über große Rohstoffvorkommen, vor allem Kupfer und Kobalt, die für die grüne Transformation wichtig sind.
Zunächst wollen Washington und Brüssel nun Durchführbarkeitsstudien für den Bau einer Bahnstrecke zwischen Sambia und Angola in Auftrag geben. Dies baue auf der von den USA betriebenen Modernisierung des Eisenbahnabschnitts vom Hafen in Lobito bis zur Demokratischen Republik Kongo auf. Nach der Fertigstellung verbesserten sich nicht nur die Exportmöglichkeiten für die drei Länder, auch der regionale Warenverkehr werde angekurbelt.
Margrethe Vestager wirbt für weitreichende Reformen bei der Europäischen Investitionsbank (EIB). “Geschwindigkeit ist entscheidend, aber die Bank ist dafür nicht bekannt”, sagte sie am Freitag vor Journalisten in Berlin. Die Bank sei in den vergangenen zehn Jahren enorm gewachsen, von 2.000 Mitarbeitern auf mehr als 4.000, sie habe die Aufgabe als EU-Klimabank neu übernommen und ihre globale Präsenz ausgebaut. Nun sei es an der Zeit, die Prozesse zu überprüfen und zugleich die Bekanntheit der Bank zu erhöhen: “Es ist wirklich schade, dass nicht mehr Menschen wissen, dass die größte multinationale Bank der Welt die Europäische Investitionsbank ist.”
Die 55-jährige Dänin hatte zuvor mit Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt gesprochen und für ihre Kandidatur für die Spitze der EIB geworben. Die Bundesregierung ist eine der größten Anteilseignerinnen der Bank mit Sitz in Luxemburg.
Die EU-Finanzminister werden beim informellen Rat in Santiago de Compostela am Ende der Woche über die Personalie diskutieren, aber voraussichtlich noch keine Entscheidung treffen. Den Vorsitz dort hat ausgerechnet Vestagers schärfste Rivalin, die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Sie selbst werde als Teil der dänischen Delegation zu dem Treffen reisen, sagte Vestager, um für Gespräche zur Verfügung zu stehen.
Vestager plädiert dafür, mithilfe der EIB eine Lücke bei der Finanzierung junger Unternehmen in Europa zu füllen. Für Firmen in der Wachstumsphase sei es hier sehr schwierig, größere Finanzierungen über 35 oder 50 Millionen Euro zu erhalten. Sie orientierten sich deshalb oft in Richtung, USA, Saudi-Arabien oder Singapur. “Es darf nicht sein, dass es dafür keine Finanzierung in Europa gibt”, sagte die Dänin. Zumal der Investitionsbedarf etwa für die Dekarbonisierung hoch sei.
Die Finanzierung solcher Projekte sei natürlich mit mehr Risiken behaftet als das traditionelle Geschäft der EIB, räumte Vestager ein. Daher sei ein gut funktionierendes Risikomanagement essenziell. In der EIB-Gruppe gebe es aber bereits Erfahrung mit der Finanzierung von Start-ups, insbesondere beim Europäischen Investitionsfonds (EIF). “Diese Ideen sind also nicht fremd oder revolutionär in der Bank.”
Vestager versicherte, sie wolle dadurch keinesfalls die Top-Bonität der Bank aufs Spiel setzen. “Das Triple-A-Rating ist Teil des Geschäftsmodells der Bank”, sagte sie. Nur so könne sie günstig Geld aufnehmen und Finanzierungen anbieten. Lindner hatte tags zuvor betont, das Top-Rating sei “von einer überragenden Bedeutung” für die Bank. “Sound Banking” müsse für die EIB weiterhin oberste Priorität haben.
Die Berliner Koalitionspartner halten sich bislang bedeckt, wen sie unterstützen wollen. Kanzler Olaf Scholz wird nachgesagt, Calviño für den Posten zu bevorzugen. Im Rennen ist unter anderem auch der frühere italienische Finanzminister Daniele Franco. Die italienische Regierung teilte am Sonntag mit, dass sie Deutschland um Unterstützung für Franco gebeten habe. Er sei ein “hochqualifizierter Technokrat, frei von politischen Einflüssen”. Dem angesehenen Ökonomen, der zuletzt von 2021 bis 2022 in der Einheitsregierung von Mario Draghi Wirtschaftsminister war, werden wegen seines Alters (70) aber nur Außenseiterchancen eingeräumt. Der langjährige EIB-Präsident Werner Hoyer hört zum Jahresende auf.
Habeck fordert, dass die Förderbank mehr grenzüberschreitende Projekte finanziert, etwa zum Ausbau von Stromleitungen oder Zugverbindungen. Vestager versicherte, dies gehöre auch zu ihren Prioritäten: “Die Bank war immer und wird immer ein großer Investor in Infrastruktur sein.” Die Energie-Union erforderte den Ausbau von Interkonnektoren, zudem fehlten insbesondere in Osteuropa Verkehrsverbindungen in die anderen EU-Staaten. Auch mit Blick auf eine mögliche Erweiterung der EU seien solche Investitionen absolut notwendig.
Die EIB könne in der geopolitischen Lage auch außerhalb Europas eine wichtige Rolle spielen, argumentierte Vestager. Auch dafür sei es aber wichtig, dass sie schneller werde. “Denn wir haben große Wettbewerber bei Finanzierungen in Afrika oder Lateinamerika.”
Möglichst heraushalten will Vestager die Bank im Streit um die Rolle der Kernenergie zwischen den Mitgliedstaaten – insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich. “Ich persönlich bin da völlig pragmatisch”, sagte sie. “Aber die Bank ist eine Bank und sollte kein Ort für politische Kämpfe sein.” Welche Rolle die Atomkraft in der EU einnehmen solle, müsse in Europaparlament, Rat und Kommission diskutiert werden. Industriekommissar Thierry Breton hatte zuletzt gefordert, die Bank solle auch Kernkraft finanzieren. Derzeit finanziert sie lediglich etwa die Lagerung von Atommüll, aber keine neuen AKWs.
Die Verhandlungen über die Schadstoffnorm Euro 7 gewinnen im Rat an Kontur. Die spanische Ratspräsidentschaft hat den fünften Kompromissvorschlag vorgelegt, der Table.Media vorliegt. Zugleich gibt es einen Vorstoß aus der Gruppe um Tschechien und Italien, die das Non-Paper vorgelegt hatten, in Euro 7 auch Regelungen für E-Fuels-only-Fahrzeuge und teils mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge aufzunehmen. Auch Deutschland fordert, E-Fuels in der Euro-7-Regulierung zu berücksichtigen.
Bei der Sitzung der Ratsarbeitsgruppe am Dienstag sollen die Änderungswünsche der Mitgliedstaaten besprochen werden. Auf Botschafterebene (AStV 1) soll abschließend am 20. September über die Regulierung gesprochen werden. Die spanische Ratspräsidentschaft will beim Wettbewerbsfähigkeitsrat am 25. September die allgemeine Ausrichtung vornehmen.
Bislang ist von der Kommission vorgesehen, in Euro 6 die Zulassung von Fahrzeugen aufzunehmen, die nach dem Verbrenner-Aus 2035 ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels only) betrieben werden. Nun gibt es den Vorschlag von Italien, auch in Euro 7 Regelungen zu E-Fuels aufzunehmen. Italien macht sich wie die DG Grow der Kommission dafür stark, bei E-Fuels eine Treibhausgas-Ersparnis von 70 Prozent gegenüber fossilen Kraftstoffen zur Bedingung zu machen. Sollte das nicht gehen, schlägt Italien den Wert von 80 Prozent vor. Außerdem solle es “Euro 7 NF vehicles” geben: Für diese Kategorie könnten die Hersteller Fahrzeuge entwickeln, die entweder nur mit E-Fuels (E-Fuels only) fahren oder mit E-Fuels, die mit anderen Kraftstoffen gemischt (blend) werden.
Der fünfte Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft sieht einige Änderungen vor. Sie werden aber nicht als ausschlaggebend interpretiert. So sind die Grenzwerte bei den Lieferwagen unverändert. Es gibt einige Änderungen bei den Testbedingungen für Lieferwagen und schweren Nutzfahrzeugen. Bei den schweren Nutzfahrzeugen wurden zwei Grenzwerte gestrichen. Verlängert wurde zudem die Dauer in Jahren, die schwere Nutzfahrzeuge die Grenzwerte einhalten müssen. mgr/luk
Die Berichterstatter im Industrieausschuss zum Net-Zero Industry Act wollen am Dienstag die verbliebenen Streitpunkte ausräumen. So verlautete es aus Kreisen des Europaparlaments nach einem Treffen auf Arbeitsebene. Der NZIA soll Investitionen in klimafreundliche Technologien wie Solar, Wind oder Wärmepumpen in den EU-Staaten anlocken.
Der federführende Abgeordnete Christian Ehler (CDU) hatte Ende Mai seinen Berichtsentwurf vorgelegt. Kurz vor der Sommerpause einigte sich Ehler mit den Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen auf die Eckpunkte der Parlamentsposition. Diese wurden seither auf technischer Ebene im Detail ausformuliert.
Konkret diskutiert wird nun noch, nach welchen Kriterien “strategische Projekte” ausgewählt werden, die dann von beschleunigten Genehmigungsverfahren und leichterem Zugang zu Finanzmitteln profitieren. Um den Status “strategisch” zu erhalten, sollen Investoren mindestens eines der drei Ziele einen Beitrag leisten:
Auch die konkrete Ausgestaltung der Vorteile ist noch in der Diskussion, etwa noch kürzere Fristen für die Genehmigungsbehörden. Uneins sind sich die Unterhändler zudem noch darin, ob die Kommission für jeden einzelnen Sektor konkrete Ziele ausgeben sollte. Die Behörde hatte in ihrem Vorschlag das übergreifende Ziel ausgegeben, 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an den Netto-Null-Technologien in Europa selbst herzustellen. Die Parlamentarier bevorzugen hingegen die Metrik, 25 Prozent am Weltmarktanteil anzustreben.
Nach dem bisherigen Zeitplan wollen die Abgeordneten am 12. Oktober dann im Industrieausschuss über den Bericht Ehlers abstimmen, im November dann im Plenum. Die Termine könnten sich aber noch um ein bis zwei Wochen nach hinten verschieben.
Die Verhandlungen im Rat verlaufen mehr oder weniger parallel. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte vergangene Woche einen neuen Kompromissvorschlag vorgelegt. Dieser ergänzt die Liste der Kommission für acht strategische Technologien lediglich um eine weitere, “fortschrittliche Fertigungstechnologien für die Kreislaufwirtschaft und die Materialverarbeitung”. Besonders umstritten im Rat ist die Frage, ob auch neue Nukleartechnologien als strategisch eingestuft werden. Hier liegen insbesondere Deutschland und Frankreich über Kreuz. tho
Die Digitalindustrie hat ihre Ausgaben für Lobbyarbeit in Brüssel noch einmal deutlich auf 113 Millionen Euro gesteigert. Das ist das Ergebnis einer Berechnung von Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory. Demnach stiegen die Lobbyausgaben des Sektors seit 2021 um 16,5 Prozent an. Damit gibt die Digitalindustrie nach wie vor mehr Geld aus als alle anderen Branchen, auch als die Automobil- und Finanzindustrie.
Bemerkenswert ist, dass die zehn größten Digitalkonzerne – darunter Meta, Google, Apple, Microsoft und Amazon – mit einem Lobbybudget von 40 Millionen Euro für mehr als ein Drittel der Lobbyausgaben des
Sektors verantwortlich waren. Wie Lobbycontrol berichtet, ist Meta mit einem Budget von inzwischen acht Millionen Euro der finanzkräftigste Techkonzern im Lobbyregister. Dahinter folgt Apple, das seine Lobbyausgaben von dreieinhalb auf sieben Millionen Euro verdoppelte.
“Der Zuwachs an Ressourcen für Lobbyarbeit bei gleichzeitiger Monopolmacht in diesem Sektor ist
besorgniserregend“, warnte Verena Leyendecker von Lobbycontrol. Die großen Techkonzerne hätten durch ihre enormen Ressourcen unverhältnismäßig viele Möglichkeiten, Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Die deutlich gestiegenen Lobbyausgaben der Digitalindustrie zeigten, dass die ohnehin bereits starke Präsenz von Big Tech in der EU weiter zunehme. Das sei problematisch, sagte Bram Vranken von Corporate Europe Observatory. “Geld sollte nicht den Zugang und Einfluss auf die EU-Politik bestimmen, aber genau das scheint das Ziel der Techkonzerne zu sein.”
Die Lobbyarbeit von Big Tech drohe nicht nur wichtige Maßnahmen wie den AI Act zu verwässern, sondern untergrabe auch die demokratische Entscheidungsfindung. “Die EU muss den privilegierten Zugang für Unternehmenslobbyisten dringend unterbinden”, forderte Vranken.
Die Zahlen sind ein Update zu einer Studie zur Macht der Digitalindustrie, die Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory im August 2021 veröffentlichten. Die Berechnungen zu Lobbyausgaben basieren auf dem Onlinedatentool Lobbyfacts.eu, das Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory betreiben. vis
Österreich will bei der Umsetzung der europäischen KI-Regulierung eng mit Deutschland zusammenarbeiten. Derzeit liefen die Vorbereitungen, sagte Staatssekretär Florian Tursky am Rande eines Arbeitsbesuches in Berlin. Beide Länder wollen hierzu eigene Institutionen aufbauen, Deutschland setzt hier auf KI-Kompetenzzentren, Österreich auf KI-Behörden. “Im Europäischen digitalen Binnenmarkt macht die Digitalisierung nicht an den Landesgrenzen halt“, sagte Tursky, der in Österreich die Digitalisierungsthemen für die dortige Bundesregierung koordiniert.
Die Verhandlungen zum AI Act befänden sich derzeit in der heißen Phase, sagte der Politiker. Gerade in Bezug auf General Purpose AI und Foundation Models seien noch viele Fragen zu klären. Dennoch gebe es die politische Notwendigkeit, bald zu einer Lösung zu kommen. Alle Seiten seien entschlossen, die Verhandlungen noch in diesem Jahr abzuschließen.
Tursky war auf Einladung von Digitalminister Volker Wissing in Berlin und traf sich auch mit Staatssekretär Stefan Schnorr. Neben KI standen E-Government und Datenaustausch auf der Agenda. In Sachen elektronischer Identität (eID) ist Österreich weit voraus, seit Sommer 2022 können Nutzerinnen und Nutzer auf die ID Austria umsteigen und sich per Handy ausweisen.
Der Führerschein ist ebenfalls bereits seit Oktober digitalisiert. Die deutsche Polizei könnte die Fahrerlaubnis auch per App checken – doch es fehlt noch die entsprechende rechtliche Grundlage hierzulande. “Noch ist eine grenzüberschreitende Akzeptanz nicht gegeben”, daher seien die Gespräche mit dem deutschen Digitalministerium besonders wertvoll, erklärte Tursky.
Und noch ein wichtiges Anliegen brachte der Österreicher in Berlin vor: die Etablierung einer stabilen 5G-Verbindung im Deutschen Eck. Die kürzeste und verkehrsgünstige Straßen- und Eisenbahnverbindungen zwischen dem östlichen und dem westlichen Teil Österreichs führt über deutsches Staatsgebiet. Salzburg und Tirol sind bereits zu 95 Prozent mit mobilem 5G-Internet versorgt, dazwischen liegt Bayern mit 76-prozentiger Abdeckung. “Wer öfter über das große Deutsche Eck fährt, kennt die Problematik, dass plötzlich die Telefon- oder Internetverbindung ausfällt”, beklagt Tursky. Berlin habe ihm zugesichert, gemeinsam daran arbeiten zu wollen, die mobile Konnektivität sicherzustellen. vis
Die Familie eines schwedischen EU-Mitarbeiters, der im Iran inhaftiert ist, hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sich für seine Freilassung nach über 500 Tagen Haft wegen angeblicher Spionage einzusetzen, wie seine Familie am Sonntag mitteilte. EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Dienstag, dass die Inhaftierung von Johan Floderus wiederholt bei den Behörden der Islamischen Republik angesprochen worden sei.
“Die Familie, Freunde und Unterstützer von Johan Floderus fordern dringende internationale Aufmerksamkeit, um seine sofortige Freilassung und sichere Rückkehr nach Europa sicherzustellen”, schrieb die Familie am Sonntag anlässlich Floderus 33. Geburtstages. Sie sagten, dass Floderus ohne formelle Anklage im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten werde. Das Gefängnis ist für seine schlechten Zustände berüchtigt. Zahlreiche politische Gefangene sitzen dort ein. Auch Floderus Familie sieht ihn als politischen Gefangenen: “Er ist ein weiteres Opfer der alarmierenden Praxis des Iran, ausländische Staatsangehörige zu politischen Zwecken als Geiseln zu nehmen.” Sie vermuten, dass es das erste Mal ist, dass ein EU-Bediensteter im Iran auf diese Weise festgehalten wird.
Floderus gehe es der Familie zufolge schlecht. “Seine Bedürfnisse nach angemessenen Essensrationen, Spaziergängen im Freien, medizinischen Untersuchungen und vielem mehr werden (im Gefängnis) nicht respektiert”, schrieb sie. Zudem werde ihm die Kommunikation mit der schwedischen Botschaft in Teheran verweigert, mit Ausnahme einiger konsularischer Besuche. Sie sagten, dass Floderus seit Februar 2023 nur noch einmal im Monat kurz telefonieren dürfe. “Er musste in den Hungerstreik treten, um einige dieser Anrufe tätigen zu dürfen, die auf Englisch geführt und überwacht werden müssen.”
Die Beziehungen zwischen Stockholm und Teheran sind seit 2019 angespannt, als Schweden einen ehemaligen iranischen Beamten wegen seiner Beteiligung an den Massenhinrichtungen und Folterungen von politischen Gefangenen im Iran in den 1980er Jahren verhaftete. Er wurde letztes Jahr zu lebenslanger Haft verurteilt, woraufhin der Iran seinen Gesandten in Schweden aus Protest zurückrief.
Nach Angaben seiner Familie war Floderus in den Nahen Osten gereist, um Sprachen zu studieren, historische Stätten zu erkunden und im Auftrag der EU humanitäre Kooperationsprojekte im Iran zu unterstützen, und wurde im April 2022 verhaftet. rtr/lei
In ihrem Alltag diskutiert Heike Raab mit den Kabinettsmitgliedern von EU-Kommissaren, sitzt als Bevollmächtigte von Rheinland-Pfalz in der Europaministerkonferenz und tauscht sich im europäischen Ausschuss der Regionen mit Bürgermeistern, Landräten und Landespolitikerinnen aus der ganzen EU aus. All das ist mittlerweile ganz selbstverständlich für Heike Raab. Denn als Staatssekretärin des südwestlichen Bundeslandes kümmert sie sich um “basisdemokratische Europapolitik“, wie sie es nennt.
Raabs Job ist es, die Interessen von Rheinland-Pfalz durchzusetzen, und das nicht nur auf der europäischen Ebene. Sie koordiniert auch die Politik des Bundeslandes im Bundesrat und auf Bundesebene. Außerdem leitet sie die Rundfunkkommission der Länder. Raab ist viel unterwegs: von Sitzungen in Brüssel geht es zur Staatskanzlei in Mainz und dann in die Landesvertretung in Berlin.
Zu Hause ist Raab im pittoresken Cochem an der Mosel – wo die heute 58-Jährige auch aufgewachsen ist. Seit 2000 lebt sie wieder “dort, wo andere Urlaub machen”. Als sie dort Mitte der 1980er-Jahre ihr Abitur machte, öffneten sich gerade die Grenzen Europas mit dem Schengener Abkommen. “Das war eine Zeit, in der ich Europa als junge Frau erstmals ganz anders entdecken konnte”, sagt Raab. Dennoch war die Europäische Union noch ein abstraktes Gebilde für sie. Politisiert haben sie andere Themen. Sie engagierte sich unter anderem gegen eine Wiederaufbereitungsanlage für nukleare Brennelemente in der Eifel.
Nach der Schulzeit absolvierte sie eine Ausbildung zur Krankengymnastin. “Ich komme nicht aus einem Akademikerhaushalt“, erklärt Raab. “Bei uns war es normal, dass alle Kinder erst mal eine Berufsausbildung machen.” Erst danach studierte sie Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften und Spanisch. Und trat während des Studiums im Jahr 1989 in die SPD ein.
Nach dem Studium prägte ab 1992 die Politik ihr Leben: Sie war persönliche Referentin des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping, Landtagsabgeordnete in Mainz und medienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Vor ihrem jetzigen Job arbeitete Raab als Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Innenministerium.
Seit vielen Jahren betrachtet Raab insbesondere die Medienpolitik als ihr Thema. Sie will zum Beispiel journalistische Texte kennzeichnen lassen, die von einer künstlichen Intelligenz produziert wurden. “Das wäre eine wichtige, vertrauensbildende Maßnahme.” In diese Richtung zielt auch die derzeit verhandelte europäische Richtlinie zu künstlicher Intelligenz, sagt Raab.
Außerdem beschäftigt sie die Frage, wie sich Bürgerinnen und Bürger heute noch verlässlich informieren können. Denn die Tageszeitungen erreichen manche Menschen nicht mehr, stattdessen konsumieren sie von Fake News überflutete soziale Medien. Raabs Vision ist eine europäische, öffentliche Medienplattform, die der journalistischen Sorgfaltspflicht unterworfen ist. Sie steht dazu aktuell im engen Austausch mit europäischen Kollegen und Kolleginnen, sagt sie: “Das ist wichtig für die Demokratie. Und es ist für mich auch ein Thema, das mich immer wieder mit Energie auflädt.” Theresa Stoll