die Sozialdemokraten haben es nicht leicht derzeit, auch nicht im Europaparlament. Am Donnerstag mussten sie mitansehen, wie sich die EVP von Manfred Weber einfach über ihre wütenden Warnungen hinwegsetze und Änderungen am Entwaldungsgesetz beschloss, mithilfe der Liberalen und teils mit den Stimmen der extremen Rechten. Als hätte die S&D-Fraktion nicht tags zuvor mit dem Bruch des Bündnisses gedroht.
Die Christdemokraten demonstrierten damit, wie wenig Rücksicht sie auf ihren vermeintlichen Partner zu nehmen gedenken. Den Sozialdemokraten blieb nur, sich wie der SPD-Abgeordnete Bernd Lange über das “traurige Schauspiel” einer von technischen Problemen geplagten Abstimmung zu beklagen. Die EVP habe sich ein weiteres Mal auf die Stimmen der AfD gestützt und die pro-europäische Allianz “vor den Kopf gestoßen”, sagte der Chef der SPD-Gruppe, René Repasi.
Jetzt stehen die Sozialdemokraten vor der Wahl: Fügen sie sich in die neuen Kraftverhältnisse im Parlament? Oder kündigen sie die Zusammenarbeit auf und betreiben Fundamentalopposition? Der Flurschaden wäre enorm. Noch bleibt den Beteiligten etwas Zeit, eine für alle gesichtswahrende Lösung des Konflikts um die neue Kommission zu finden. Der Stichtag könnte der kommende Mittwoch sein: Am späten Nachmittag treffen sich die Fraktionsvorsitzenden zu ihrer regulären Sitzung, auf der Agenda steht (bislang) die ausstehende Evaluierung der designierten Kommissare.
Das EU-Parlament hat am Donnerstag wesentlichen Änderungen an der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten zugestimmt: Die Umsetzungsfrist wird um ein Jahr verschoben, sodass größere Unternehmen die Regeln ab Ende 2025, kleinere ab Mitte 2026 befolgen müssen. Für Produkte wie Kakao, Kaffee und Soja muss dann sichergestellt werden, dass sie nicht von Flächen stammen, die nach dem Jahr 2020 entwaldet wurdet. Einige EU-Mitgliedstaaten, Handelspartner und betroffene Unternehmen hatten sich mit Nachdruck für eine Verschiebung der Frist eingesetzt.
Darüber hinaus müssen für das Gesetz, das bereits 2023 von Kommission, Parlament und Rat verabschiedet worden und in Kraft getreten war, erneut Trilogverhandlungen eröffnet werden. Mehrere der Änderungsanträge erhielten eine Mehrheit aus EVP, den extrem rechten Parteien und einigen Renew-Abgeordneten, darunter auch von der FDP. Die Änderungsanträge hatte in der vergangenen Woche die deutsche Abgeordnete Christine Schneider (CDU) eingebracht.
Nach einer informellen Einigung mit der Renew-Fraktion unter der Leitung von Pascal Canfin und unter dem Druck weiterer Fraktionen hatte die EVP am Donnerstagmorgen sechs von 15 Änderungsanträgen wieder zurückgezogen. Diese wären noch deutlich weiter gegangen, hätten Händler von den Regeln ausgenommen und die Frist um zwei Jahre verschoben. Renew hatte sich im Gegenzug verpflichtet, das geänderte Gesetz anzunehmen und keine Stimmempfehlung für ihre Abgeordneten zu geben.
Bei den Änderungen geht es vor allem um eine Ergänzung des Länder-Benchmarkings, anhand dessen die Kommission Erzeugerländer je nach Entwaldungsrisiko bis Mitte 2025 in drei verschiedene Kategorien einteilen muss: “geringes”, “normales” und “hohes” Risiko. Auf dieser Basis gelten dann bestimmte Kontrollquoten für die betroffenen Produktgruppen. Die EVP hat nun eine vierte Kategorie für Länder “ohne Risiko” ins Spiel gebracht. Für diese sollen deutlich weniger strenge Anforderungen gelten.
“Wir wollen nicht diejenigen bestrafen, die schon ihre Hausaufgaben gemacht haben”, sagte Schneider bei einer Pressekonferenz. Für Länder, die ein nachhaltiges Waldmanagement nachweisen können, sei eine zusätzliche Überprüfung und Dokumentation unnötig.
Sozialdemokraten und Grüne stimmten gegen alle Änderungen. Beide Fraktionen hatten vor einer solchen Null-Risiko-Kategorie gewarnt: Die EVP wisse, dass diese Kategorie “unter den EU-Mitgliedstaaten hochumstritten ist”, sagte Delara Burkhardt, die das Gesetz für die S&D-Fraktion mitverhandelt hat. Denn: Auch die EU-Mitgliedstaaten würden in unterschiedliche Risikokategorien eingeteilt, der Binnenmarkt fragmentiert. Burkhardt hält es deshalb für unmöglich, dass erneute Verhandlungen mit dem Rat bis Jahresende abgeschlossen werden können. Das könnte dann bedeuten, dass die EUDR letztendlich in ihrer aktuellen Form zum 30. Dezember 2024 in Kraft tritt.
Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnemarktausschusses (IMCO), forderte die EU-Kommission auf, den Vorschlag für eine Verschiebung wieder zurückzuziehen. Mit diesem hätte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen “die Büchse der Pandora geöffnet”.
Cavazzini warnte: Ausnahmen für EU-Mitgliedstaaten in der Null-Risiko-Kategorie würden “nach hinten losgehen und die Verordnung mit der WTO unvereinbar machen“. Sie würden es ermöglichen, in den jeweiligen Region alte Mischwälder abzuholzen und dies durch das Pflanzen von Monokulturen auszugleichen. “Das ist katastrophal für die Biodiversität”, sagte sie.
Christine Schneider hingegen äußerte sich optimistisch, dass die Trilogverhandlungen bis Weihnachten abgeschlossen sein können. Applaus erhielt sie unter anderem vom europäischen Handelsverband Eurocommerce, der insbesondere die Verschiebung begrüßte. “Diese Zeit wird benötigt, um verbleibende Unsicherheiten bei der Umsetzung zu beseitigen, die Komplexität zu verringern und die Zulieferer in unseren Lieferketten vorzubereiten”, teilte der Verband mit.
Dass die Mehrheiten für einige Änderungsanträge nur mithilfe rechter Stimmen – inklusive der AfD – zustande kamen, scheint Schneider nicht weiter bedenklich zu finden. “Wir sind alle gewählte Mitglieder dieses Parlaments“, sagte sie.
Der wenig beachtete Wahlspruch der Republikaner für die Außenpolitik lautete “Frieden durch Stärke” und ist aus der Kampagne von Ronald Reagan recycelt. Auf den ersten Blick findet man darin Donald Trumps “America First”-Ideologie wieder. Auf den zweiten Blick allerdings mischen sich in Trumps Stärkephantasien immer auch wieder isolationistische Tendenzen. Wenn er zum Beispiel im Wahlkampf davon sprach, die USA aus militärischen Konflikten herauszuhalten. Hinzu kommt Trumps Aversion gegen multilaterale Institutionen.
Diese Uneindeutigkeit spiegelt sich auch in den Personalentscheidungen für sein Kabinett wider, vorrangig beim künftigen Außenminister Marco Rubio und seinem designierten Verteidigungsminister Pete Hegseth. Als Senator in Florida ist Rubio Teil von Trumps “Florida-Mafia”: außenpolitisch erfahren und durch seine Auftritte bei der Münchner Sicherheitskonferenz international gut vernetzt. In der Vergangenheit glaubte er an Bündnisse wie die Nato und an eine US-amerikanische militärische Überlegenheit.
Im Gegensatz zum Ex-Fox-News-Moderator Hegseth, einem ausgewiesenen Nato-Kritiker. In seinem Buch “The War on Warriors: Behind the Betrayal of the Men Who Keep Us Free” fällt der 44-jährige Veteran der Army National Guard von Minnesota ein harsches Urteil über die Europäer. Sie seien “outdated, outgunned, invaded, and impotent” und verdienten keine weitere Unterstützung der USA. (Lesen Sie hier ein ausführliches Porträt des angehenden Verteidigungsministers.)
Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz aus Florida, als Mitglied des US-Repräsentantenhauses auch im Dunstkreis der “Florida-Mafia”, ist ebenfalls kein Nato-Fan. Im Hinblick auf die Ukraine hatte Waltz im Wahlkampf erklärt, dass “die Ära der Blankochecks vorbei” sei.
Bei der Frage, wer die neue Trump-Administration beeinflussen könnte, fiel oft der Name “Project 2025”. Die 900-seitige Blaupause für eine Amtsübernahme enthält radikale Schritte im Bereich Sicherheits- und Außenpolitik: Rückzug der USA aus der Nato und aus multilateralen Institutionen und Reduzierung der US-Truppen in Europa. Bislang allerdings hatte Trump öffentlich erklärt, dass er das Papier der erzkonservativen Heritage Foundation weder kenne noch unterstütze. Was erst einmal nichts besagt, sondern von Trumps Unberechenbarkeit zeugt.
Nicht distanziert hat sich Trump vom 2021 gegründeten Thinktank American First Policy Institute (AFPI), in dem sich eine Vielzahl von früheren Mitarbeitern versammelt, unter anderem seine ehemalige Beraterin Kellyanne Conway und Ex-Heimatschutzminister Chad Wolf. Nach Informationen von Politico hat AFPI im Hintergrund gearbeitet, gilt aber als “erster Partner”, wenn es darum geht, Pläne und Personal für Trumps zweite Amtszeit bereitzustellen.
Zentrale Figuren sind Brooke Rollins, Direktorin des AFPI und Trumps ehemalige innenpolitische Beraterin Linda McMahon, Vorsitzende des AFPI-Beratergremiums und in Personalunion Vize-Vorsitzende von Trumps Transition-Team. “The America First Agenda” ist im Bereich Sicherheitspolitik weniger radikal als das “Project 2025”. Es zweifelt den Wert der Nato auch für die USA nicht grundsätzlich an, fordert aber von den Europäern mehr Engagement.
Unter dem Kapitel “American Leadership in the World” spricht die Agenda eine klare Drohung aus. Man werde die Bindungen nur zu denjenigen Nationen pflegen, die ihre Zwei-Prozent-Nato-Verpflichtung “einhalten oder sogar verstärken”. Und man werde prüfen, ob sie “Amerikas Vision, das kommunistische China zu bekämpfen, mittragen”. Ähnlich hatte sich Trump schon vor zwei Jahren geäußert. Beiden Agenden immanent ist eine Tendenz zum Isolationismus, der allerdings in der Geschichte der USA Tradition hat.
Für Marco Overhaus von der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik bedeutet der Wahlausgang, dass “wir als Europäer die transatlantischen Beziehungen radikal neu denken müssen, und zwar mit einem viel kleineren amerikanischen Beitrag“. So werde Trump versuchen, sich mit Putin über ein Ende des Kriegs in der Ukraine zu verständigen, über die Köpfe der Ukraine und der Europäer hinweg. Trump wolle, so Overhaus, “dass der europäische Teil der Nato seinem Verständnis von amerikanischen Interessen in Zukunft folgt”. Die Ukraine werde dafür ein erster Testfall sein.
Gerade die “America First Agenda” versucht nun eine Brücke zu schlagen zwischen den extremen Positionen des Maga-Flügels (“Make America Great Again”) rund um das “Project 2025” und den gemäßigten Republikanern. So gilt der neue Außenminister Rubio zwar als Hardliner gegenüber China und dem Iran. Gleichzeitig hat er in der Vergangenheit zusammen mit den Demokraten im Senat an einem Gesetz gearbeitet, um einen Präsidenten Trump daran zu hindern, aus der Nato auszutreten.
Politikwissenschaftler Overhaus weist jedoch darauf hin, dass sich nicht nur Rubio, sondern auch der neue Nationale Sicherheitsberater Waltz im Laufe der letzten Jahre gewandelt haben: von traditionellen Republikanern zu Verfechtern radikaler Positionen der Maga-Bewegung. Sowohl von Waltz wie von Rubio erwartet der Politikwissenschaftler Overhaus “keinen nennenswerten Widerstand gegen Trumps Agenda”. Auch einen Austritt aus der Nato dürfe man dann nicht mehr ausschließen.
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, hat am Donnerstag in Baku seine Vorschläge vorgestellt, wie die Abscheidung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR) aus der Atmosphäre marktreif und vor allem rentabel werden kann. Er schlägt sogenannte “Clean-up”-Zertifikate vor, die zusätzlich zu der herkömmlichen CO₂-Abgabe des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) das Versprechen beinhalten, das emittierte CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt der Atmosphäre wieder zu entziehen. Auf der COP29 erläuterte Edenhofer seine Vorstellungen.
Demnach hätten Unternehmen, die unter das ETS fallen, die Wahl. Sie können entweder reguläre Emissionsrechte kaufen oder Clean-up-Zertifikate, die mit einer Kohlenstoffschuld versehen sind. Für Letztere würden sie bei einer zentralen Stelle – Edenhofer schlägt die Gründung einer Kohlenstoff-Zentralbank vor – Sicherheiten hinterlegen, die sie nur zurückerhalten, wenn sie dafür sorgen, dass das emittierte CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt wieder der Atmosphäre entzogen wird.
Ein Entnahmezertifikat würde dabei keine zusätzlichen Emissionen über der Emissionsobergrenze des ETS – dem sogenannten Cap – ermöglichen, sondern ein reguläres Emissionsrecht eins zu eins ersetzen.
Dies hätte laut Edenhofer mehrere Vorteile:
Clean-up-Zertifikate seien interessant für Unternehmen, die davon ausgehen, dass CDR-Kosten in der Zukunft niedriger sind als die derzeitigen Kosten für die Emissionsminderung, erklärt Edenhofer. Risikokosten für CDR-Projekte würden sinken, Investitionen in CDR könnten steigen.
Die Hoffnung des Ansatzes: Privates Kapital würde den CDR-Hochlauf finanzieren. Denn öffentliche Mittel allein können die CO₂-Entnahmen, die in Europa für das Erreichen der Klimaziele nötig sind, kaum finanzieren. Im LULUCF-Sektor rechnet die EU mit einem Potenzial von bis zu 472 Megatonnen CO₂-Äquivalenten. Das entspricht 13 Prozent der Gesamtemissionen der EU von 2019. Für technologische CO₂-Entnahmen geht die EU von bis zu 606 Megatonnen CO₂e aus; das entspricht 17 Prozent der EU-Emission von 2019.
Diese Senkleistungen werden gebraucht, um auch nach der geplanten Klimaneutralität Europas im Jahr 2050 Restemissionen beispielsweise aus der Industrie oder der Landwirtschaft zu kompensieren. Bei geschätzten Kosten von bis zu 400 Euro pro Tonne CO₂ müssten die Länder mehrere hundert Milliarden Euro jährlich in Kohlenstoffsenken investieren.
Die Diskussionen dazu auf EU-Ebene laufen. Sowohl Klimakommissar Wopke Hoekstra als auch der Generaldirektor für die Klimapolitik Kurt Vandenberghe haben bereits unterstrichen, wie wichtig die Aufnahme von CO₂-Entnahmen in den Emissionshandel ist.
18.11.-19.11.2024
G20-Gipfel
Themen: Die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten kommen zu Beratungen zusammen. Infos
18.11.-19.11.2024
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Diskussion zur russischen Aggression gegen die Ukraine, zu den Beziehungen EU-USA und zur Lage im Nahen Osten. Vorläufige Tagesordnung
18.11.-19.11.2024
Informelle Ministertagung “Demografie”
Themen: Diskussion über die Mittel zur Verwirklichung der generationenübergreifenden Zusammenarbeit und die positiven Auswirkungen, die sie bei der Bewältigung der demografischen Herausforderungen haben kann. Infos
18.11.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zur Marktlage, insbesondere nach der Invasion in die Ukraine. Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:00-19:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN)
Themen: Meinungsaustausch mit der Europäischen Kommission zum Luftverkehrsabkommen, Öffentliche Anhörung zu Fahrgastrechten, Meinungsaustausch mit Florian Guillermet (Exekutivdirektor der Europäischen Agentur für Flugsicherheit). Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:00-18:45 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI)
Themen: Gedankenaustausch mit der Kommission über die Erntesituation und die Marktlage, spezifische Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zur Bereitstellung zusätzlicher Hilfe für von Naturkatastrophen betroffene Mitgliedstaaten, Gedankenaustausch mit der Kommission über das jüngste EuGH-Urteil zum Marokko-Abkommen. Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:00-17:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Internationalen Handel (INTA)
Themen: Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren, vierter Jahresbericht über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union. Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:00-17:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
Themen: Öffentliche Anhörung mit Claudia Buch (Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB), Wirtschaftsdialog und Meinungsaustausch mit Mihály Varga (ECOFIN-Präsident und Finanzminister von Ungarn). Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:30-19:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
Themen: Diskussion über die Lage in Georgien nach der Parlamentswahl am 26. Oktober 2024, Erläuterung des Erweiterungspakets 2024 durch Olivér Várhelyi (Mitglied der Kommission mit Zuständigkeit für Nachbarschaft und Erweiterung). Vorläufige Tagesordnung
19.11.2024
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
Themen: Verabschiedung der Verordnungen über das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit auf dem Unionsmarkt, der Verordnung über Umwelt-, Sozial- und Governance-Ratings (ESG) und zur Schaffung eines EU-Zertifizierungsrahmens für den Kohlenstoffabbau. Vorläufige Tagesordnung
19.11.2024
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten (Verteidigung)
Themen: Diskussion über die EU-Unterstützung für die Ukraine und über die Verteidigungsbereitschaft. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 09:00-18:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT)
Themen: Entlastung des Gesamthaushaltsplans der EU 2023, turnusmäßiger Wechsel eines Teils der Mitglieder des Rechnungshofs. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 09:00-16:00 Uhr
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
Themen: Abstimmung über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zur Leistung von Hilfe für Deutschland und Italien im Zusammenhang mit Überschwemmungen im Jahr 2024, über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer und über den Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans zum Gesamthaushaltsplan 2024. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 09:00-12:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL)
Themen: Europäischer Sozialfonds Plus nach 2027, Einsamkeit in der EU, Sozial- und beschäftigungspolitische Aspekte im Zusammenhang mit Umstrukturierungsprozessen und der notwendige Schutz von Arbeitsplätzen und Arbeitnehmerrechten. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 09:00-10:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Steuerfragen (FISC)
Themen: Gedankenaustausch mit Vertretern der Vereinten Nationen (UN), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Europäischen Kommission zum Stand und Zukunft der europäischen und internationalen Steuerpolitik. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten (Handel)
Themen: Diskussion zur Zukunft der EU-Handelspolitik unter besonderer Berücksichtigung der laufenden und festgefahrenen Verhandlungen, Stand der Dinge in den Handelsbeziehungen mit den USA. Vorläufige Tagesordnung
Das Bundeswirtschaftsministerium will von der Kommission eine Klarstellung zur Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe. “Für die Verbraucher ist auch ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der AFIR nicht gesichert, dass sie in jeder Ladesituation einen ‘angemessenen’ Preis bezahlen”, schreibt der scheidende Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) in einem Brief vom Donnerstag an die Generaldirektion Verkehr, der Table.Briefings vorliegt. Nicht selten sei an ein und derselben Ladesäule ein Preisunterschied von über 100 Prozent zwischen dem Ad-hoc-Preis und dem vertragsbasierten Ladepreis festzustellen.
“Ich wäre Ihnen daher dankbar, wenn Sie […] Wege aufzeigen könnten, wie und anhand welcher Kriterien die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten die Angemessenheit von Ladestrompreisen im Einzelfall nachvollziehbar überwachen und überprüfen können”, heißt es in dem Brief weiter. Mit dem Inkrafttreten der AFIR im April habe die Kommission zwar ein Frage-Antwort-Dokument veröffentlicht, das aber zur Preisangemessenheit keine Klarheit liefere.
Das BMWK verspricht sich von der besseren Überwachung auch ein einfacheres Laden von E-Autos im EU-Ausland. Die AFIR verbiete bereits Roaminggebühren. “Verbraucher haben jedoch auch so Schwierigkeiten, die Kosten des elektrischen Ladens im europäischen Ausland zu prognostizieren. Die so entstehende Unsicherheit erschwert das grenzüberschreitende Reisen mit Elektroautos in der EU unnötig und kann viele Menschen davon abhalten, sich in der nächsten Zeit für den Kauf eines Elektroautos zu entscheiden”, schreibt das Ministerium. ber/tho
Deutschland tut zu wenig, um Mähwiesen, die als Natura-2000-Schutzgebiete ausgewiesen sind, zu schützen. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem gestrigen Urteil. Die Bundesrepublik habe gegen ihre Verpflichtungen aus der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH) verstoßen, heißt es darin.
Deutschland habe es versäumt, “geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer Verschlechterung der durch das Natura-2000-Netz geschützten Lebensraumtypen 6510 und 6520″ zu treffen. Heißt konkret: Die Bundesrepublik hat zwischen 2006 und 2020 nicht genug gegen den Verlust von Flachland- und Berg-Mähwiesen unternommen, die in Ackerflächen umgewandelt wurden oder starker Düngung und häufigem Mähen anheimfielen.
Die Richter in Luxemburg gaben damit der Europäischen Kommission, die geklagt hatte, aber nicht in allen Belangen recht. Dass Deutschland es auch versäumt habe, aktualisierte Daten zu diesen Gebieten zu übermitteln – wie von der Kommission angeprangert – wies der EuGH ab. Dazu seien die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet.
Mit Blick auf das Urteil forderte Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (NABU), einen durch den Bund koordinierten Aktionsplan Schutzgebiete mit verbindlichen und spezifischen Zielen und Maßnahmen für alle Natura 2000-Gebiete. Hierfür müssten Bund und Länder die notwendigen Finanzmittel bereitstellen. Für die Agrarlandschaft sei deswegen auch in der EU-Agrarpolitik eine attraktive Honorierung von gesellschaftlichen Leistungen wie dem Schutz von artenreichen Wiesen dringend nötig, so Krüger weiter.
Der Urteilsspruch des EuGH geht auf eine Beschwerde zurück, die der NABU 2014 bei der EU-Kommission eingelegt hatte, weil Deutschland seinen Verpflichtungen bei artenreichem Grünland nicht nachgekommen sei. Die Kommission hatte infolgedessen 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, das nun zu dem EuGH-Urteil führte. heu
Es ist ein Testlauf und eine Premiere: Die EU-Kommission hat am Donnerstag finanzielle Beiträge von insgesamt 300 Millionen Euro für fünf grenzüberschreitende Beschaffungen von Rüstungsgütern genehmigt. Zum ersten Mal werde der EU-Haushalt genutzt, um die Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Beschaffung von Verteidigungsgütern zu unterstützen, sagt Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der EU-Kommission. Dies sei ein “Erfolg”.
Im Rahmen des Instruments zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (Edirpa) erhalten die fünf Projekte jeweils 60 Millionen Euro. Zwei Projekte sollen die gemeinsame Luft- und Raketenabwehrkapazitäten stärken. Neun Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Belgien, Griechenland und Ungarn, beschaffen gemeinsam Mistral-Luftverteidigungssysteme mit sehr geringer Reichweite. Sechs Mitgliedstaaten mit Deutschland an der Spitze bestellen zusammen IRIS-T SLM Mittelstrecken-Luftverteidigungssysteme.
Weitere Projekte betreffen die Beschaffung des Gemeinsamen Gepanzerten Fahrzeugsystems (CAVS), eines modernen gepanzerten Trägers für den geschützten Truppentransport. Mit dabei ist neben Finnland, Schweden, Lettland auch Deutschland. Zwei weitere Konsortien betreffen die gemeinsame Beschaffung von verschiedenen Arten von 155-mm-Artilleriemunition.
Die fünf ausgewählten Projekte haben zusammen einen Auftragswert von mehr als elf Milliarden Euro, was nach Darstellung der EU-Kommission die hohe Hebelwirkung der EU-Mittel veranschaulicht. Ohne Edirpa, so eine Sprecherin in Brüssel, wären die Beschaffungen nicht zustande gekommen.
Mit Edirpa finanziert die EU-Kommission nicht direkt Waffen, aber übernimmt zusätzliche Verwaltungskosten aus der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Nach Angaben von Vestager werden mit den Projekten kritische und dringende Lücken bei den Verteidigungsfähigkeiten geschlossen. Für die Mitgliedstaaten bringe die gemeinsame Beschaffung ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis und stärke zudem die Interoperabilität der Streitkräfte. Edirpa ist der Testlauf für das Europäische Programm für die Verteidigungsindustrie (Edip), das von EU-Parlament und Rat in den nächsten Monaten beschlossen werden soll.
Für Edip sind 1,5 Milliarden Euro reserviert, um Europas Verteidigungsindustrie zu stärken und mit gemeinsamen Projekten die Fragmentierung zu überwinden. Mit Blick auf die bevorstehenden Beratungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen ist von einer deutlichen Aufstockung der Mittel ab 2028 die Rede. Gesprochen wird über bis zu 500 Milliarden Euro, die über neue Einnahmen oder über den EU-Haushalt finanziert werden müssten. sti
Der Hauptverband der deutschen Bauindustrie sieht der anstehenden Reform der EU-Regeln zur öffentlichen Beschaffung mit hohen Erwartungen entgegen. Sie soll helfen, den aktuellen Wettbewerbsnachteil europäischer Unternehmen auszugleichen. Die aktuellen Regeln, wonach die Vergabe an das “wirtschaftlich günstigste Angebot” erfolgen müsse, würden von Behörden oft schlicht als Priorität für das billigste Angebot interpretiert, erklärte Alexander Tesche, Vorsitzender des Auslandbau-Ausschusses des Bauindustrieverbands und Chief Compliance Officer des Baukonzerns Strabag. Dieser Umstand bevorzuge Unternehmen aus Drittstaaten, die sich nicht an EU-Standards halten würden.
In ihren politischen Leitlinien hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, die EU-Regeln für die öffentliche Vergabe zu reformieren. Sie sollen einfacher werden und in strategisch wichtigen Sektoren auch eine Präferenz für europäische Anbieter beinhalten.
Die deutsche Bauindustrie sieht die Reform als Möglichkeit, einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen. “Unsere wichtigsten Handelspartner halten ihre Märkte für uns geschlossen”, sagte Tesche zu Table.Briefings. “Wir können nicht die einzigen sein, die ihren Markt offenlassen und dadurch unfairen Wettbewerb zulassen.” Das sei weder im Sinne der europäischen Steuerzahler noch im Sinne der deutschen und europäischen Bauindustrie.
Die Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen müssen aber nicht zwingend durch eine explizite Bevorzugung von EU-Unternehmen ausgeglichen werden. Die Bauindustrie argumentiert für ein CO₂-Schattenpreismodell, durch das der CO₂-Fußabdruck von Bauwerken über deren gesamte Lebenszeit in den Preis des Angebots mit einberechnet wird.
Zudem sollen aber Anbieter aus gewissen Ländern aus der öffentlichen Vergabe ausgeschlossen werden, findet die Bauindustrie. Gerade in osteuropäischen Ländern würden europäische Firmen oft von verdächtig niedrigen Angeboten von Unternehmen aus der Türkei oder China übertrumpft. Diese hielten sich aber oft nicht an europäische Standards, sagt Tesche. Die EU-Kommission solle Firmen den Zugang zum öffentlichen Auftragswesen verbieten, wenn diese aus Drittstaaten kommen, die ihre Beschaffungsmärkte nicht für EU-Firmen öffnen.
Das Reformprojekt wird in der neuen Kommission voraussichtlich von Stéphane Séjourné geleitet, Kommissionsvizepräsident für Wohlstand und Industriestrategie. In seiner Anhörung betonte er, qualitativen Kriterien stärkeres Gewicht verleihen zu wollen. jaa
Die Europäische Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von 797,72 Millionen Euro gegen Meta verhängt. Sie wirft dem Unternehmen vor, gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen zu haben. Meta habe seinen Online-Kleinanzeigendienst Facebook Marketplace mit seinem sozialen Netzwerk Facebook verknüpft und anderen Anbietern von Online-Kleinanzeigendiensten unfaire Handelsbedingungen auferlegt.
Eine Untersuchung der Kommission habe ergeben, dass Meta damit seine marktbeherrschende Stellung auf dem europäischen Markt für private soziale Netzwerke sowie auf den nationalen Märkten für Online-Display-Werbedienste in sozialen Medien missbraucht habe. Dabei habe Meta gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen.
Die Kommission forderte Meta auf, diese Verhaltensweisen einzustellen und das missbräuchliche Verhalten auch in Zukunft zu unterlassen. Bei der Festsetzung der Geldbuße hatte die Kommission nach eigenen Angaben die Dauer und die Schwere der Zuwiderhandlung sowie den damit verbundenen Umsatz von Facebook Marketplace berücksichtigt.
Zusätzlich betrachtete sie auch den Gesamtumsatz des Unternehmens “um eine ausreichende Abschreckungswirkung auf ein Unternehmen zu erzielen, das über so große Ressourcen wie Meta verfügt”.
Die Kommission hatte bereits im Juni 2021 ein förmliches Verfahren wegen möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Facebook eingeleitet. Die jetzt verhängte Geldbuße geht in den Gesamthaushaltsplan der EU ein. Diese Einnahmen sind nicht für bestimmte Ausgaben vorgesehen, vielmehr reduzieren sie die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt für das Folgejahr.
Markus Ferber, Sprecher der EVP-Fraktion im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) wies darauf hin, dass mit einer marktbeherrschenden Stellung immer eine besondere Verantwortung einhergehe, der Meta nicht gerecht geworden sei. Angesichts der jüngeren Bilanz der Kommission in Wettbewerbsverfahren gegen die Internetkonzerne bleibe aber zu hoffen, “dass die Kommission den Fall dieses Mal wasserdicht vorbereitet hat“, fügte er hinzu. “Eine abermalige Niederlage vor dem EuGH würde der Kommission nicht gut zu Gesicht stehen.” vis
die Sozialdemokraten haben es nicht leicht derzeit, auch nicht im Europaparlament. Am Donnerstag mussten sie mitansehen, wie sich die EVP von Manfred Weber einfach über ihre wütenden Warnungen hinwegsetze und Änderungen am Entwaldungsgesetz beschloss, mithilfe der Liberalen und teils mit den Stimmen der extremen Rechten. Als hätte die S&D-Fraktion nicht tags zuvor mit dem Bruch des Bündnisses gedroht.
Die Christdemokraten demonstrierten damit, wie wenig Rücksicht sie auf ihren vermeintlichen Partner zu nehmen gedenken. Den Sozialdemokraten blieb nur, sich wie der SPD-Abgeordnete Bernd Lange über das “traurige Schauspiel” einer von technischen Problemen geplagten Abstimmung zu beklagen. Die EVP habe sich ein weiteres Mal auf die Stimmen der AfD gestützt und die pro-europäische Allianz “vor den Kopf gestoßen”, sagte der Chef der SPD-Gruppe, René Repasi.
Jetzt stehen die Sozialdemokraten vor der Wahl: Fügen sie sich in die neuen Kraftverhältnisse im Parlament? Oder kündigen sie die Zusammenarbeit auf und betreiben Fundamentalopposition? Der Flurschaden wäre enorm. Noch bleibt den Beteiligten etwas Zeit, eine für alle gesichtswahrende Lösung des Konflikts um die neue Kommission zu finden. Der Stichtag könnte der kommende Mittwoch sein: Am späten Nachmittag treffen sich die Fraktionsvorsitzenden zu ihrer regulären Sitzung, auf der Agenda steht (bislang) die ausstehende Evaluierung der designierten Kommissare.
Das EU-Parlament hat am Donnerstag wesentlichen Änderungen an der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten zugestimmt: Die Umsetzungsfrist wird um ein Jahr verschoben, sodass größere Unternehmen die Regeln ab Ende 2025, kleinere ab Mitte 2026 befolgen müssen. Für Produkte wie Kakao, Kaffee und Soja muss dann sichergestellt werden, dass sie nicht von Flächen stammen, die nach dem Jahr 2020 entwaldet wurdet. Einige EU-Mitgliedstaaten, Handelspartner und betroffene Unternehmen hatten sich mit Nachdruck für eine Verschiebung der Frist eingesetzt.
Darüber hinaus müssen für das Gesetz, das bereits 2023 von Kommission, Parlament und Rat verabschiedet worden und in Kraft getreten war, erneut Trilogverhandlungen eröffnet werden. Mehrere der Änderungsanträge erhielten eine Mehrheit aus EVP, den extrem rechten Parteien und einigen Renew-Abgeordneten, darunter auch von der FDP. Die Änderungsanträge hatte in der vergangenen Woche die deutsche Abgeordnete Christine Schneider (CDU) eingebracht.
Nach einer informellen Einigung mit der Renew-Fraktion unter der Leitung von Pascal Canfin und unter dem Druck weiterer Fraktionen hatte die EVP am Donnerstagmorgen sechs von 15 Änderungsanträgen wieder zurückgezogen. Diese wären noch deutlich weiter gegangen, hätten Händler von den Regeln ausgenommen und die Frist um zwei Jahre verschoben. Renew hatte sich im Gegenzug verpflichtet, das geänderte Gesetz anzunehmen und keine Stimmempfehlung für ihre Abgeordneten zu geben.
Bei den Änderungen geht es vor allem um eine Ergänzung des Länder-Benchmarkings, anhand dessen die Kommission Erzeugerländer je nach Entwaldungsrisiko bis Mitte 2025 in drei verschiedene Kategorien einteilen muss: “geringes”, “normales” und “hohes” Risiko. Auf dieser Basis gelten dann bestimmte Kontrollquoten für die betroffenen Produktgruppen. Die EVP hat nun eine vierte Kategorie für Länder “ohne Risiko” ins Spiel gebracht. Für diese sollen deutlich weniger strenge Anforderungen gelten.
“Wir wollen nicht diejenigen bestrafen, die schon ihre Hausaufgaben gemacht haben”, sagte Schneider bei einer Pressekonferenz. Für Länder, die ein nachhaltiges Waldmanagement nachweisen können, sei eine zusätzliche Überprüfung und Dokumentation unnötig.
Sozialdemokraten und Grüne stimmten gegen alle Änderungen. Beide Fraktionen hatten vor einer solchen Null-Risiko-Kategorie gewarnt: Die EVP wisse, dass diese Kategorie “unter den EU-Mitgliedstaaten hochumstritten ist”, sagte Delara Burkhardt, die das Gesetz für die S&D-Fraktion mitverhandelt hat. Denn: Auch die EU-Mitgliedstaaten würden in unterschiedliche Risikokategorien eingeteilt, der Binnenmarkt fragmentiert. Burkhardt hält es deshalb für unmöglich, dass erneute Verhandlungen mit dem Rat bis Jahresende abgeschlossen werden können. Das könnte dann bedeuten, dass die EUDR letztendlich in ihrer aktuellen Form zum 30. Dezember 2024 in Kraft tritt.
Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnemarktausschusses (IMCO), forderte die EU-Kommission auf, den Vorschlag für eine Verschiebung wieder zurückzuziehen. Mit diesem hätte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen “die Büchse der Pandora geöffnet”.
Cavazzini warnte: Ausnahmen für EU-Mitgliedstaaten in der Null-Risiko-Kategorie würden “nach hinten losgehen und die Verordnung mit der WTO unvereinbar machen“. Sie würden es ermöglichen, in den jeweiligen Region alte Mischwälder abzuholzen und dies durch das Pflanzen von Monokulturen auszugleichen. “Das ist katastrophal für die Biodiversität”, sagte sie.
Christine Schneider hingegen äußerte sich optimistisch, dass die Trilogverhandlungen bis Weihnachten abgeschlossen sein können. Applaus erhielt sie unter anderem vom europäischen Handelsverband Eurocommerce, der insbesondere die Verschiebung begrüßte. “Diese Zeit wird benötigt, um verbleibende Unsicherheiten bei der Umsetzung zu beseitigen, die Komplexität zu verringern und die Zulieferer in unseren Lieferketten vorzubereiten”, teilte der Verband mit.
Dass die Mehrheiten für einige Änderungsanträge nur mithilfe rechter Stimmen – inklusive der AfD – zustande kamen, scheint Schneider nicht weiter bedenklich zu finden. “Wir sind alle gewählte Mitglieder dieses Parlaments“, sagte sie.
Der wenig beachtete Wahlspruch der Republikaner für die Außenpolitik lautete “Frieden durch Stärke” und ist aus der Kampagne von Ronald Reagan recycelt. Auf den ersten Blick findet man darin Donald Trumps “America First”-Ideologie wieder. Auf den zweiten Blick allerdings mischen sich in Trumps Stärkephantasien immer auch wieder isolationistische Tendenzen. Wenn er zum Beispiel im Wahlkampf davon sprach, die USA aus militärischen Konflikten herauszuhalten. Hinzu kommt Trumps Aversion gegen multilaterale Institutionen.
Diese Uneindeutigkeit spiegelt sich auch in den Personalentscheidungen für sein Kabinett wider, vorrangig beim künftigen Außenminister Marco Rubio und seinem designierten Verteidigungsminister Pete Hegseth. Als Senator in Florida ist Rubio Teil von Trumps “Florida-Mafia”: außenpolitisch erfahren und durch seine Auftritte bei der Münchner Sicherheitskonferenz international gut vernetzt. In der Vergangenheit glaubte er an Bündnisse wie die Nato und an eine US-amerikanische militärische Überlegenheit.
Im Gegensatz zum Ex-Fox-News-Moderator Hegseth, einem ausgewiesenen Nato-Kritiker. In seinem Buch “The War on Warriors: Behind the Betrayal of the Men Who Keep Us Free” fällt der 44-jährige Veteran der Army National Guard von Minnesota ein harsches Urteil über die Europäer. Sie seien “outdated, outgunned, invaded, and impotent” und verdienten keine weitere Unterstützung der USA. (Lesen Sie hier ein ausführliches Porträt des angehenden Verteidigungsministers.)
Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz aus Florida, als Mitglied des US-Repräsentantenhauses auch im Dunstkreis der “Florida-Mafia”, ist ebenfalls kein Nato-Fan. Im Hinblick auf die Ukraine hatte Waltz im Wahlkampf erklärt, dass “die Ära der Blankochecks vorbei” sei.
Bei der Frage, wer die neue Trump-Administration beeinflussen könnte, fiel oft der Name “Project 2025”. Die 900-seitige Blaupause für eine Amtsübernahme enthält radikale Schritte im Bereich Sicherheits- und Außenpolitik: Rückzug der USA aus der Nato und aus multilateralen Institutionen und Reduzierung der US-Truppen in Europa. Bislang allerdings hatte Trump öffentlich erklärt, dass er das Papier der erzkonservativen Heritage Foundation weder kenne noch unterstütze. Was erst einmal nichts besagt, sondern von Trumps Unberechenbarkeit zeugt.
Nicht distanziert hat sich Trump vom 2021 gegründeten Thinktank American First Policy Institute (AFPI), in dem sich eine Vielzahl von früheren Mitarbeitern versammelt, unter anderem seine ehemalige Beraterin Kellyanne Conway und Ex-Heimatschutzminister Chad Wolf. Nach Informationen von Politico hat AFPI im Hintergrund gearbeitet, gilt aber als “erster Partner”, wenn es darum geht, Pläne und Personal für Trumps zweite Amtszeit bereitzustellen.
Zentrale Figuren sind Brooke Rollins, Direktorin des AFPI und Trumps ehemalige innenpolitische Beraterin Linda McMahon, Vorsitzende des AFPI-Beratergremiums und in Personalunion Vize-Vorsitzende von Trumps Transition-Team. “The America First Agenda” ist im Bereich Sicherheitspolitik weniger radikal als das “Project 2025”. Es zweifelt den Wert der Nato auch für die USA nicht grundsätzlich an, fordert aber von den Europäern mehr Engagement.
Unter dem Kapitel “American Leadership in the World” spricht die Agenda eine klare Drohung aus. Man werde die Bindungen nur zu denjenigen Nationen pflegen, die ihre Zwei-Prozent-Nato-Verpflichtung “einhalten oder sogar verstärken”. Und man werde prüfen, ob sie “Amerikas Vision, das kommunistische China zu bekämpfen, mittragen”. Ähnlich hatte sich Trump schon vor zwei Jahren geäußert. Beiden Agenden immanent ist eine Tendenz zum Isolationismus, der allerdings in der Geschichte der USA Tradition hat.
Für Marco Overhaus von der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik bedeutet der Wahlausgang, dass “wir als Europäer die transatlantischen Beziehungen radikal neu denken müssen, und zwar mit einem viel kleineren amerikanischen Beitrag“. So werde Trump versuchen, sich mit Putin über ein Ende des Kriegs in der Ukraine zu verständigen, über die Köpfe der Ukraine und der Europäer hinweg. Trump wolle, so Overhaus, “dass der europäische Teil der Nato seinem Verständnis von amerikanischen Interessen in Zukunft folgt”. Die Ukraine werde dafür ein erster Testfall sein.
Gerade die “America First Agenda” versucht nun eine Brücke zu schlagen zwischen den extremen Positionen des Maga-Flügels (“Make America Great Again”) rund um das “Project 2025” und den gemäßigten Republikanern. So gilt der neue Außenminister Rubio zwar als Hardliner gegenüber China und dem Iran. Gleichzeitig hat er in der Vergangenheit zusammen mit den Demokraten im Senat an einem Gesetz gearbeitet, um einen Präsidenten Trump daran zu hindern, aus der Nato auszutreten.
Politikwissenschaftler Overhaus weist jedoch darauf hin, dass sich nicht nur Rubio, sondern auch der neue Nationale Sicherheitsberater Waltz im Laufe der letzten Jahre gewandelt haben: von traditionellen Republikanern zu Verfechtern radikaler Positionen der Maga-Bewegung. Sowohl von Waltz wie von Rubio erwartet der Politikwissenschaftler Overhaus “keinen nennenswerten Widerstand gegen Trumps Agenda”. Auch einen Austritt aus der Nato dürfe man dann nicht mehr ausschließen.
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, hat am Donnerstag in Baku seine Vorschläge vorgestellt, wie die Abscheidung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR) aus der Atmosphäre marktreif und vor allem rentabel werden kann. Er schlägt sogenannte “Clean-up”-Zertifikate vor, die zusätzlich zu der herkömmlichen CO₂-Abgabe des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) das Versprechen beinhalten, das emittierte CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt der Atmosphäre wieder zu entziehen. Auf der COP29 erläuterte Edenhofer seine Vorstellungen.
Demnach hätten Unternehmen, die unter das ETS fallen, die Wahl. Sie können entweder reguläre Emissionsrechte kaufen oder Clean-up-Zertifikate, die mit einer Kohlenstoffschuld versehen sind. Für Letztere würden sie bei einer zentralen Stelle – Edenhofer schlägt die Gründung einer Kohlenstoff-Zentralbank vor – Sicherheiten hinterlegen, die sie nur zurückerhalten, wenn sie dafür sorgen, dass das emittierte CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt wieder der Atmosphäre entzogen wird.
Ein Entnahmezertifikat würde dabei keine zusätzlichen Emissionen über der Emissionsobergrenze des ETS – dem sogenannten Cap – ermöglichen, sondern ein reguläres Emissionsrecht eins zu eins ersetzen.
Dies hätte laut Edenhofer mehrere Vorteile:
Clean-up-Zertifikate seien interessant für Unternehmen, die davon ausgehen, dass CDR-Kosten in der Zukunft niedriger sind als die derzeitigen Kosten für die Emissionsminderung, erklärt Edenhofer. Risikokosten für CDR-Projekte würden sinken, Investitionen in CDR könnten steigen.
Die Hoffnung des Ansatzes: Privates Kapital würde den CDR-Hochlauf finanzieren. Denn öffentliche Mittel allein können die CO₂-Entnahmen, die in Europa für das Erreichen der Klimaziele nötig sind, kaum finanzieren. Im LULUCF-Sektor rechnet die EU mit einem Potenzial von bis zu 472 Megatonnen CO₂-Äquivalenten. Das entspricht 13 Prozent der Gesamtemissionen der EU von 2019. Für technologische CO₂-Entnahmen geht die EU von bis zu 606 Megatonnen CO₂e aus; das entspricht 17 Prozent der EU-Emission von 2019.
Diese Senkleistungen werden gebraucht, um auch nach der geplanten Klimaneutralität Europas im Jahr 2050 Restemissionen beispielsweise aus der Industrie oder der Landwirtschaft zu kompensieren. Bei geschätzten Kosten von bis zu 400 Euro pro Tonne CO₂ müssten die Länder mehrere hundert Milliarden Euro jährlich in Kohlenstoffsenken investieren.
Die Diskussionen dazu auf EU-Ebene laufen. Sowohl Klimakommissar Wopke Hoekstra als auch der Generaldirektor für die Klimapolitik Kurt Vandenberghe haben bereits unterstrichen, wie wichtig die Aufnahme von CO₂-Entnahmen in den Emissionshandel ist.
18.11.-19.11.2024
G20-Gipfel
Themen: Die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten kommen zu Beratungen zusammen. Infos
18.11.-19.11.2024
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Diskussion zur russischen Aggression gegen die Ukraine, zu den Beziehungen EU-USA und zur Lage im Nahen Osten. Vorläufige Tagesordnung
18.11.-19.11.2024
Informelle Ministertagung “Demografie”
Themen: Diskussion über die Mittel zur Verwirklichung der generationenübergreifenden Zusammenarbeit und die positiven Auswirkungen, die sie bei der Bewältigung der demografischen Herausforderungen haben kann. Infos
18.11.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zur Marktlage, insbesondere nach der Invasion in die Ukraine. Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:00-19:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN)
Themen: Meinungsaustausch mit der Europäischen Kommission zum Luftverkehrsabkommen, Öffentliche Anhörung zu Fahrgastrechten, Meinungsaustausch mit Florian Guillermet (Exekutivdirektor der Europäischen Agentur für Flugsicherheit). Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:00-18:45 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI)
Themen: Gedankenaustausch mit der Kommission über die Erntesituation und die Marktlage, spezifische Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zur Bereitstellung zusätzlicher Hilfe für von Naturkatastrophen betroffene Mitgliedstaaten, Gedankenaustausch mit der Kommission über das jüngste EuGH-Urteil zum Marokko-Abkommen. Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:00-17:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Internationalen Handel (INTA)
Themen: Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren, vierter Jahresbericht über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union. Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:00-17:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
Themen: Öffentliche Anhörung mit Claudia Buch (Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB), Wirtschaftsdialog und Meinungsaustausch mit Mihály Varga (ECOFIN-Präsident und Finanzminister von Ungarn). Vorläufige Tagesordnung
18.11.2024 – 15:30-19:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
Themen: Diskussion über die Lage in Georgien nach der Parlamentswahl am 26. Oktober 2024, Erläuterung des Erweiterungspakets 2024 durch Olivér Várhelyi (Mitglied der Kommission mit Zuständigkeit für Nachbarschaft und Erweiterung). Vorläufige Tagesordnung
19.11.2024
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
Themen: Verabschiedung der Verordnungen über das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit auf dem Unionsmarkt, der Verordnung über Umwelt-, Sozial- und Governance-Ratings (ESG) und zur Schaffung eines EU-Zertifizierungsrahmens für den Kohlenstoffabbau. Vorläufige Tagesordnung
19.11.2024
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten (Verteidigung)
Themen: Diskussion über die EU-Unterstützung für die Ukraine und über die Verteidigungsbereitschaft. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 09:00-18:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT)
Themen: Entlastung des Gesamthaushaltsplans der EU 2023, turnusmäßiger Wechsel eines Teils der Mitglieder des Rechnungshofs. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 09:00-16:00 Uhr
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
Themen: Abstimmung über die Inanspruchnahme des Solidaritätsfonds der Europäischen Union zur Leistung von Hilfe für Deutschland und Italien im Zusammenhang mit Überschwemmungen im Jahr 2024, über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer und über den Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans zum Gesamthaushaltsplan 2024. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 09:00-12:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL)
Themen: Europäischer Sozialfonds Plus nach 2027, Einsamkeit in der EU, Sozial- und beschäftigungspolitische Aspekte im Zusammenhang mit Umstrukturierungsprozessen und der notwendige Schutz von Arbeitsplätzen und Arbeitnehmerrechten. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 09:00-10:30 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Steuerfragen (FISC)
Themen: Gedankenaustausch mit Vertretern der Vereinten Nationen (UN), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Europäischen Kommission zum Stand und Zukunft der europäischen und internationalen Steuerpolitik. Vorläufige Tagesordnung
21.11.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten (Handel)
Themen: Diskussion zur Zukunft der EU-Handelspolitik unter besonderer Berücksichtigung der laufenden und festgefahrenen Verhandlungen, Stand der Dinge in den Handelsbeziehungen mit den USA. Vorläufige Tagesordnung
Das Bundeswirtschaftsministerium will von der Kommission eine Klarstellung zur Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe. “Für die Verbraucher ist auch ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der AFIR nicht gesichert, dass sie in jeder Ladesituation einen ‘angemessenen’ Preis bezahlen”, schreibt der scheidende Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) in einem Brief vom Donnerstag an die Generaldirektion Verkehr, der Table.Briefings vorliegt. Nicht selten sei an ein und derselben Ladesäule ein Preisunterschied von über 100 Prozent zwischen dem Ad-hoc-Preis und dem vertragsbasierten Ladepreis festzustellen.
“Ich wäre Ihnen daher dankbar, wenn Sie […] Wege aufzeigen könnten, wie und anhand welcher Kriterien die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten die Angemessenheit von Ladestrompreisen im Einzelfall nachvollziehbar überwachen und überprüfen können”, heißt es in dem Brief weiter. Mit dem Inkrafttreten der AFIR im April habe die Kommission zwar ein Frage-Antwort-Dokument veröffentlicht, das aber zur Preisangemessenheit keine Klarheit liefere.
Das BMWK verspricht sich von der besseren Überwachung auch ein einfacheres Laden von E-Autos im EU-Ausland. Die AFIR verbiete bereits Roaminggebühren. “Verbraucher haben jedoch auch so Schwierigkeiten, die Kosten des elektrischen Ladens im europäischen Ausland zu prognostizieren. Die so entstehende Unsicherheit erschwert das grenzüberschreitende Reisen mit Elektroautos in der EU unnötig und kann viele Menschen davon abhalten, sich in der nächsten Zeit für den Kauf eines Elektroautos zu entscheiden”, schreibt das Ministerium. ber/tho
Deutschland tut zu wenig, um Mähwiesen, die als Natura-2000-Schutzgebiete ausgewiesen sind, zu schützen. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem gestrigen Urteil. Die Bundesrepublik habe gegen ihre Verpflichtungen aus der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH) verstoßen, heißt es darin.
Deutschland habe es versäumt, “geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer Verschlechterung der durch das Natura-2000-Netz geschützten Lebensraumtypen 6510 und 6520″ zu treffen. Heißt konkret: Die Bundesrepublik hat zwischen 2006 und 2020 nicht genug gegen den Verlust von Flachland- und Berg-Mähwiesen unternommen, die in Ackerflächen umgewandelt wurden oder starker Düngung und häufigem Mähen anheimfielen.
Die Richter in Luxemburg gaben damit der Europäischen Kommission, die geklagt hatte, aber nicht in allen Belangen recht. Dass Deutschland es auch versäumt habe, aktualisierte Daten zu diesen Gebieten zu übermitteln – wie von der Kommission angeprangert – wies der EuGH ab. Dazu seien die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet.
Mit Blick auf das Urteil forderte Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbunds Deutschland (NABU), einen durch den Bund koordinierten Aktionsplan Schutzgebiete mit verbindlichen und spezifischen Zielen und Maßnahmen für alle Natura 2000-Gebiete. Hierfür müssten Bund und Länder die notwendigen Finanzmittel bereitstellen. Für die Agrarlandschaft sei deswegen auch in der EU-Agrarpolitik eine attraktive Honorierung von gesellschaftlichen Leistungen wie dem Schutz von artenreichen Wiesen dringend nötig, so Krüger weiter.
Der Urteilsspruch des EuGH geht auf eine Beschwerde zurück, die der NABU 2014 bei der EU-Kommission eingelegt hatte, weil Deutschland seinen Verpflichtungen bei artenreichem Grünland nicht nachgekommen sei. Die Kommission hatte infolgedessen 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, das nun zu dem EuGH-Urteil führte. heu
Es ist ein Testlauf und eine Premiere: Die EU-Kommission hat am Donnerstag finanzielle Beiträge von insgesamt 300 Millionen Euro für fünf grenzüberschreitende Beschaffungen von Rüstungsgütern genehmigt. Zum ersten Mal werde der EU-Haushalt genutzt, um die Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Beschaffung von Verteidigungsgütern zu unterstützen, sagt Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der EU-Kommission. Dies sei ein “Erfolg”.
Im Rahmen des Instruments zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (Edirpa) erhalten die fünf Projekte jeweils 60 Millionen Euro. Zwei Projekte sollen die gemeinsame Luft- und Raketenabwehrkapazitäten stärken. Neun Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Belgien, Griechenland und Ungarn, beschaffen gemeinsam Mistral-Luftverteidigungssysteme mit sehr geringer Reichweite. Sechs Mitgliedstaaten mit Deutschland an der Spitze bestellen zusammen IRIS-T SLM Mittelstrecken-Luftverteidigungssysteme.
Weitere Projekte betreffen die Beschaffung des Gemeinsamen Gepanzerten Fahrzeugsystems (CAVS), eines modernen gepanzerten Trägers für den geschützten Truppentransport. Mit dabei ist neben Finnland, Schweden, Lettland auch Deutschland. Zwei weitere Konsortien betreffen die gemeinsame Beschaffung von verschiedenen Arten von 155-mm-Artilleriemunition.
Die fünf ausgewählten Projekte haben zusammen einen Auftragswert von mehr als elf Milliarden Euro, was nach Darstellung der EU-Kommission die hohe Hebelwirkung der EU-Mittel veranschaulicht. Ohne Edirpa, so eine Sprecherin in Brüssel, wären die Beschaffungen nicht zustande gekommen.
Mit Edirpa finanziert die EU-Kommission nicht direkt Waffen, aber übernimmt zusätzliche Verwaltungskosten aus der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Nach Angaben von Vestager werden mit den Projekten kritische und dringende Lücken bei den Verteidigungsfähigkeiten geschlossen. Für die Mitgliedstaaten bringe die gemeinsame Beschaffung ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis und stärke zudem die Interoperabilität der Streitkräfte. Edirpa ist der Testlauf für das Europäische Programm für die Verteidigungsindustrie (Edip), das von EU-Parlament und Rat in den nächsten Monaten beschlossen werden soll.
Für Edip sind 1,5 Milliarden Euro reserviert, um Europas Verteidigungsindustrie zu stärken und mit gemeinsamen Projekten die Fragmentierung zu überwinden. Mit Blick auf die bevorstehenden Beratungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen ist von einer deutlichen Aufstockung der Mittel ab 2028 die Rede. Gesprochen wird über bis zu 500 Milliarden Euro, die über neue Einnahmen oder über den EU-Haushalt finanziert werden müssten. sti
Der Hauptverband der deutschen Bauindustrie sieht der anstehenden Reform der EU-Regeln zur öffentlichen Beschaffung mit hohen Erwartungen entgegen. Sie soll helfen, den aktuellen Wettbewerbsnachteil europäischer Unternehmen auszugleichen. Die aktuellen Regeln, wonach die Vergabe an das “wirtschaftlich günstigste Angebot” erfolgen müsse, würden von Behörden oft schlicht als Priorität für das billigste Angebot interpretiert, erklärte Alexander Tesche, Vorsitzender des Auslandbau-Ausschusses des Bauindustrieverbands und Chief Compliance Officer des Baukonzerns Strabag. Dieser Umstand bevorzuge Unternehmen aus Drittstaaten, die sich nicht an EU-Standards halten würden.
In ihren politischen Leitlinien hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, die EU-Regeln für die öffentliche Vergabe zu reformieren. Sie sollen einfacher werden und in strategisch wichtigen Sektoren auch eine Präferenz für europäische Anbieter beinhalten.
Die deutsche Bauindustrie sieht die Reform als Möglichkeit, einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen. “Unsere wichtigsten Handelspartner halten ihre Märkte für uns geschlossen”, sagte Tesche zu Table.Briefings. “Wir können nicht die einzigen sein, die ihren Markt offenlassen und dadurch unfairen Wettbewerb zulassen.” Das sei weder im Sinne der europäischen Steuerzahler noch im Sinne der deutschen und europäischen Bauindustrie.
Die Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen müssen aber nicht zwingend durch eine explizite Bevorzugung von EU-Unternehmen ausgeglichen werden. Die Bauindustrie argumentiert für ein CO₂-Schattenpreismodell, durch das der CO₂-Fußabdruck von Bauwerken über deren gesamte Lebenszeit in den Preis des Angebots mit einberechnet wird.
Zudem sollen aber Anbieter aus gewissen Ländern aus der öffentlichen Vergabe ausgeschlossen werden, findet die Bauindustrie. Gerade in osteuropäischen Ländern würden europäische Firmen oft von verdächtig niedrigen Angeboten von Unternehmen aus der Türkei oder China übertrumpft. Diese hielten sich aber oft nicht an europäische Standards, sagt Tesche. Die EU-Kommission solle Firmen den Zugang zum öffentlichen Auftragswesen verbieten, wenn diese aus Drittstaaten kommen, die ihre Beschaffungsmärkte nicht für EU-Firmen öffnen.
Das Reformprojekt wird in der neuen Kommission voraussichtlich von Stéphane Séjourné geleitet, Kommissionsvizepräsident für Wohlstand und Industriestrategie. In seiner Anhörung betonte er, qualitativen Kriterien stärkeres Gewicht verleihen zu wollen. jaa
Die Europäische Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von 797,72 Millionen Euro gegen Meta verhängt. Sie wirft dem Unternehmen vor, gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen zu haben. Meta habe seinen Online-Kleinanzeigendienst Facebook Marketplace mit seinem sozialen Netzwerk Facebook verknüpft und anderen Anbietern von Online-Kleinanzeigendiensten unfaire Handelsbedingungen auferlegt.
Eine Untersuchung der Kommission habe ergeben, dass Meta damit seine marktbeherrschende Stellung auf dem europäischen Markt für private soziale Netzwerke sowie auf den nationalen Märkten für Online-Display-Werbedienste in sozialen Medien missbraucht habe. Dabei habe Meta gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen.
Die Kommission forderte Meta auf, diese Verhaltensweisen einzustellen und das missbräuchliche Verhalten auch in Zukunft zu unterlassen. Bei der Festsetzung der Geldbuße hatte die Kommission nach eigenen Angaben die Dauer und die Schwere der Zuwiderhandlung sowie den damit verbundenen Umsatz von Facebook Marketplace berücksichtigt.
Zusätzlich betrachtete sie auch den Gesamtumsatz des Unternehmens “um eine ausreichende Abschreckungswirkung auf ein Unternehmen zu erzielen, das über so große Ressourcen wie Meta verfügt”.
Die Kommission hatte bereits im Juni 2021 ein förmliches Verfahren wegen möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Facebook eingeleitet. Die jetzt verhängte Geldbuße geht in den Gesamthaushaltsplan der EU ein. Diese Einnahmen sind nicht für bestimmte Ausgaben vorgesehen, vielmehr reduzieren sie die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt für das Folgejahr.
Markus Ferber, Sprecher der EVP-Fraktion im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) wies darauf hin, dass mit einer marktbeherrschenden Stellung immer eine besondere Verantwortung einhergehe, der Meta nicht gerecht geworden sei. Angesichts der jüngeren Bilanz der Kommission in Wettbewerbsverfahren gegen die Internetkonzerne bleibe aber zu hoffen, “dass die Kommission den Fall dieses Mal wasserdicht vorbereitet hat“, fügte er hinzu. “Eine abermalige Niederlage vor dem EuGH würde der Kommission nicht gut zu Gesicht stehen.” vis