es schien schon, als sei der Vorstoß von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verpufft, den hohen Standard des Wolfes beim Artenschutz abzusenken. Aufseiten der Mitgliedstaaten hatte es im Frühjahr keine Mehrheit dafür gegeben. Nun tut sich etwas: Luxemburg hat angekündigt, sich für die Initiative einzusetzen. Damit wäre eine von zwei Bedingungen der qualifizierten Mehrheit erfüllt: Mindestens 15 Mitgliedstaaten wären dafür.
Da es aber vergleichsweise wenig Luxemburger gibt, reicht es noch nicht, um die zweite Bedingung zu erfüllen: Die Staaten müssen auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Daher verwundert die Nachricht, dass die ungarische Ratspräsidentschaft am Mittwoch auf EU-Botschafterebene erneut über den Schutz des Beutegreifers abstimmen will.
Letztlich müsste sich ein mitgliederstarkes Land für den Vorschlag der Kommission aussprechen, damit etwas in Bewegung kommt: etwa Deutschland oder Spanien. Teresa Ribera war in ihrer alten Rolle als Umweltministerin in Madrid genauso vehement gegen mehr Abschüsse wie ihre deutsche Ressortkollegin Steffi Lemke.
Bei ihren Anhörungen im Parlament dürfte die künftige Exekutiv-Vizepräsidentin Ribera mit unangenehmen Fragen rechnen, wenn sie dabei bleibt. Jetzt gibt es Gerüchte, die Bundesregierung könnte umschwenken und ihren Prüfvorbehalt aufgeben. Wenn das stimmt, dann gab vermutlich das Wahlergebnis im “Wolfsland” Brandenburg einen Anstoß.
Kommen Sie gut durch den Tag!
Einige Titel ändern sich, die Zuständigkeiten der neuen Kommissare für die Agrar- und Ernährungsthemen bleiben im Wesentlichen bestehen. Wie gehabt soll der Agrarkommissar – vorgeschlagen ist der Luxemburger Christophe Hansen (EVP) – für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständig sein und damit für beide Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Der Gesundheitskommissar – vorgeschlagen ist der Ungar Olivér Várhelyi – soll weiterhin auch Tierwohl und Lebensmittelsicherheit abdecken – inklusive der Themen Pflanzenschutz und Gentechnik.
Neu ist: Die Arbeit des Agrarkommissars Hansen soll der Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen beaufsichtigen – Raffaele Fitto. Der Italiener ist ein Vertrauter von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Mitglied ihrer Partei Fratelli d’Italia. In von der Leyens erster Amtszeit hatte das Agrarressort noch unter der Oberaufsicht von Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans gestanden. Ein Arrangement, das viel Konfliktpotenzial barg, auch weil Timmermans sich im Agrarbereich aktiv einbrachte und selbst Trilogverhandlungen führte.
Mit der geänderten Struktur mindert von der Leyen das Risiko, dass die Spanierin Teresa Ribera, die künftig als Vizepräsidentin die Umsetzung der Green-Deal-Ziele betreuen soll, für Bauern zu einer ähnlichen Reizfigur wird wie Timmermans. Auch die Aufwertung des Portfolios von Landwirtschaft zu “Landwirtschaft und Ernährung” sendet das Signal, dass bei Hansen die Fäden für den Politikbereich zusammen laufen – selbst wenn er faktisch keine neuen Zuständigkeiten bekommt.
Entsprechend beauftragt die Kommissionschefin Hansen in seinem Ernennungsschreiben damit, das Papier zur Vision der Landwirtschaft zu erarbeiten, das von der Leyen – basierend auf den Empfehlungen des Strategiedialogs – für die ersten 100 Tage der Amtszeit versprochen hat. Zum Vergleich: Die Farm-to-Fork-Strategie, die zuvor den Rahmen für die Agrar- und Ernährungspolitik vorgab, hatte noch die Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vorgelegt.
Die Erstellung des Visionspapiers will von der Leyen selbst direkt beaufsichtigen. Das Ernennungsschreiben zeigt, welche Empfehlungen des Strategiedialogs sie dabei besonders in den Blick nimmt. Etwa jene, GAP-Direktzahlungen “nachgerade an die kleinen Bauern” auszuzahlen. Im Vergleich zur Aussage im Bericht des Strategiedialogs ist dies eine Relativierung. Dort klang es so, als ob nur “bedürftige Bauern” noch auf die Flächenprämie hoffen könnten. “Kleine Bauernhöfe”, das könnte entsprechend der KMU-Definition immer noch bedeuten, dass Landwirte mit bis zu 250 Hektar Land weiter die Direktzahlung erhalten.
Hansen hat den Auftrag, die Umgestaltung der Direktzahlung im Hinblick auf den Beitritt der Ukraine zur EU anzustoßen. Mit dem Beitritt der riesigen Flächen kann die Direktzahlung nicht weitergehen wie bisher – darüber ist man sich einig. Die Abschmelzung, Umgestaltung oder Abschaffung der Flächenprämie im Laufe von bis zu zwei künftigen Förderperioden (bis zum Jahr 2042) steht zur Diskussion.
In der vergangenen Förderperiode wurden die Direktzahlung daran gebunden, dass die Bauern Ökoauflagen erfüllen. Diese sogenannte Konditionalität der Zahlungen wurde vom Strategischen Dialog zur Landwirtschaft infrage gestellt. Es wird erwartet, dass künftig auf ein Anreizmodell umgestellt wird. Nach dem Muster: Die Bauern bekommen zusätzliche Finanzhilfen, wenn sie bestimmte Ökodienstleistungen erfüllen.
Es wird damit gerechnet, dass die Kommission stärker gegen unfaire Handelspraktiken vorgeht. Darauf deutet hin, dass die Kommissionspräsidentin sich dazu bekannt hat, in dieser Sache mehr für die Bauern zu tun. Es müsse sichergestellt werden, dass sie ihre Produkte nicht unter Herstellungskosten verkaufen müssen. Hier sind Konflikte mit dem Handel zu erwarten.
Strittig dürfte auch sein, welche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel von der Kommission unterstützt werden. Was wird gefördert, über die Stilllegung von Flächen hinaus? Gibt es auch Geld für Bewässerung, für Umbau der Ställe zum Schutz der Tiere bei Hitze, für künstliche Verschattung der Weiden?
Daneben trägt sie dem Luxemburger Hansen auf, gemeinsam mit Handelskommissar Maroš Šefčovič auf mehr “Reziprozität” und gleiche Wettbewerbsbedingungen im internationalen Handel hinzuwirken. Gemeint sein dürfte, dass Anforderungen an Importe stärker an jene angeglichen werden, die für heimische Erzeuger gelten. Das hat auch der Strategiedialog gefordert, der handelsrechtliche Spielraum hierfür ist jedoch begrenzt.
Das Thema Tierwohl wird symbolisch aufgewertet und steht nun mit im Titel des nominierten Gesundheitskommissars Olivér Várhelyi. Die Kommission hatte Vorschläge für neue Regeln bei den Tiertransporten und zum Schutz von Hauskatzen und -hunden gemacht. Beide Vorschläge wurden vom Rat und Parlament noch nicht behandelt.
In die Kompetenz Várhelyis fiele auch der Pflanzenschutz. Der Mission Letter erwähnt nur die Kompetenzen für biologischen Pflanzenschutz. Eine umfassendere Reform würde auch die Anwendungsbestimmungen sowie Zulassungsverfahren umfassen. Auch die Nitratrichtlinie wird nicht erwähnt im Mission Letter. Dennoch gibt es Hinweise, dass die Kommission die Richtlinie anfassen könnte. Ausnahmeregelungen, von denen die Niederlande und Irland profitieren, laufen bald aus. Es gibt Überlegungen, mit welchen technischen Maßnahmen Regionen mit intensiver Weideviehhaltung höhere Düngereinträge erlaubt werden können.
Am 20. Oktober trifft die Bevölkerung Moldaus zwei Entscheidungen. Sie muss ihr neues Staatsoberhaupt aus insgesamt 17 Kandidatinnen und Kandidaten wählen. Und sie muss entscheiden, ob der geplante Beitritt zur Europäischen Union in der Verfassung verankert werden soll, um zu verhindern, dass künftige Regierungen die Republik von ihrem pro-europäischen Kurs abbringen könnten.
Moldau ist seit Juni 2022 EU-Beitrittskandidat, nachdem die Regierung im März desselben Jahres den Antrag auf Mitgliedschaft gestellt hatte. Der 2,5-Millionen-Einwohner-Staat ist einer der ärmsten Europas und besitzt zudem eine der kleinsten Streitkräfte der Welt – diese umfassen gerade einmal 7.000 Personen. Das ist überraschend angesichts der geopolitischen Lage im Osten Europas und 1.222 Kilometer mit der Ukraine geteilten Grenze.
Deshalb soll es nun schnell gehen: Schon 2030 soll Moldaus EU-Beitritt erfolgen, wenn es nach Chișinău geht. Bis dahin muss noch viel passieren. Konkret steht die Republik vor vier Herausforderungen:
Diese Faktoren beeinflussen einander. Eine fehlende konstante politische Linie behindert die Integrität staatlicher Gewalten – zu groß ist die Sorge vor Restriktionen einer neuen Regierung, die einen potenziell anderen politischen Kurs fährt. Korruption im politischen System öffnet wiederum Tor und Tür für russischen Einfluss. Das bestätigt auch Premierminister Dorin Recean: “Russland kann uns rein militärisch nichts anhaben, deshalb fokussiert Moskau sich auf hybride Attacken.”
Besonders stark greift Putins Einfluss in der autonomen Region Gagausien und im abtrünnigen, ausschließlich von Russland unterstützten De-facto-Regime Transnistrien. Beide Regionen verfügen über eigene Regierungen und sind den Desinformationskampagnen noch stärker ausgesetzt als der Rest des Landes.
Das angestrebte Narrativ beider Pole ist gleich: Ein friedliches und prosperierendes Moldau – sei es als Mitglied der Europäischen Union oder als Patenkind Putins. Für die EU steht an wichtigster Stelle, Moldau nicht an Russland zu verlieren. Deshalb sieht sie vorerst über mitunter offensichtliche Baustellen hinweg. Für Moldau würde die EU-Mitgliedschaft zwar nicht primär militärische, dafür aber ökonomische und politische Sicherheit bedeuten.
Umfragewerte, zum Beispiel vom International Republican Institute, zeigen derzeit einen Kurs Richtung EU – bis zu 65 Prozent Zustimmung werden prognostiziert – und Richtung Wiederwahl der pro-europäischen Präsidentin Maia Sandu. Doch wahrscheinlich werde Sandu die Präsidentschaft nicht in der ersten, sondern in der zweiten Runde gewinnen, sagt Osteuropawissenschaftlerin Anastasia Pociumban von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu Table.Briefings.
Interessant sollen die Parlamentswahlen im Juni nächsten Jahres werden, denn Sandus Partei PAS wird dort wahrscheinlich keine Mehrheit bekommen. Den Wahlkampf 2021 gewann die Partei eher mit innen- als außenpolitischen Themen. Doch aufgrund vieler Herausforderungen – Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, die daraus folgende Energie- und Wirtschaftskrise und über eine Million über Moldau geflüchtete Ukrainer – habe sie ihre Versprechen nicht einhalten können, sagt Pociumban. Zudem geht es den Menschen eher um Sandus Person als um ihre Partei, denn sie gilt als eine der wenigen großen politischen Persönlichkeiten des Landes, die nicht korrupt sind.
Den Moldauern selbst ist wichtig, dass ihr Land nicht zu vereinfacht betrachtet wird. Moldau sei nicht bloß ein Spielball zwischen zwei Großmächten, sondern besitze seine eigene Entscheidungs- und Handlungsmacht und sei durch die multiplen Krisen stets resilienter geworden: Das betonen Moldauerinnen und Moldauer immer wieder.
Die Recherchen zu diesem Bericht fanden im Rahmen einer von der Europäischen Kommission geförderten Journalistenreise nach Moldau und Rumänien statt.
25.09.2024 – 09:00-17:30 Uhr, Lamot (Belgien)
CEWEP Residues Conference – Ash to Resource
The Confederation of European Waste-to-Energy Plants (CEWEP) addresses topics such as environmental contribution, residues utilisation, and material recovery. INFOS & REGISTRATION
25.09.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Operative Nachhaltigkeitskommunikation & Green Claims
Der TÜV informiert über den aktuellen Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung hinsichtlich Standards für die Verwendung umweltbezogener Angaben für Produkte und Dienstleistungen. INFOS & ANMELDUNG
25.09.2024 – 10:30-11:45 Uhr, online
ECFR, Discussion Critical minerals and EU-Africa strategic partnerships: Where do we stand?
The European Council on Foreign Relations (ECFR) discusses the most pressing issues aiming to further promote the Europe-Africa dialogue, identify policy and implementation options, and set financial priorities. INFOS & REGISTRATION
25.09.2024 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Discussion Navigating Global Trade Dynamics and Geopolitical Challenges in 2040
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the influence of emerging markets, technological advancements, and policy responses to geopolitical tensions. INFOS & REGISTRATION
25.09.2024 – 18:00-22:00 Uhr, Berlin
“Die Zeit”, Konferenz Gemeinsam zur Ernährungswende: nachhaltig, nahrhaft, notwendig!
“Die Zeit” diskutiert Lösungsansätze für eine bewusste Ernährung für alle. INFOS & ANMELDUNG
25.09.2024 – 18:30-21:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
HE Hydrogen Europe Autumn Market 2024
Hydrogen Europe (HE) brings together members and stakeholders of the hydrogen sector. INFOS & REGISTRATION
26.09.2024 – 12:30-13:30 Uhr, online
HBS, Seminar Entering the EU’s new policy cycle: The European Green Deal at risk?
The Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) discusses the future of the European Green Deal. INFOS & REGISTRATION
26.09.2024 – 14:30-15:30 Uhr, online
Eurogas, Seminar Road Transport Policy: What Future for Renewable & Low-Carbon Gases?
Eurogas discusses the CO2 standards Regulation and potential reviews to include renewable fuels, in line with the Renewable Energy Directive. INFOS & REGISTRATION
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angekündigt, die Ausgabe von grünen Staatsanleihen im Globalen Süden finanziell unterstützen zu wollen. In Europa hätten sich Green Bonds als ein unglaublich wirkungsvolles Instrument zur Mobilisierung privater Investitionen erwiesen, sagte von der Leyen in New York beim Gipfel der Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) am Rande der UN-Generalversammlung. Doch wenn ein Entwicklungsland grüne Anleihen ausgebe, müsse es den Anlegern oft sehr hohe Zinsen zahlen.
Von der Leyen kündigte eine “Green Coupon Facility” an, mit der Europa einen Teil der Zinsen für Emittenten grüner Anleihen subventionieren will. So soll es Entwicklungsländern ermöglicht werden, Geld für den Aufbau der eigenen Wirtschaft zu beschaffen. Bereits vergangenes Jahr hatte von der Leyen die Global Green Bond Initiative ins Leben gerufen. Der mit einer Milliarde Euro durch europäische Entwicklungsbanken, die EIB und die UN ausgestattete Fonds soll das Investmentrisiko für grüne Anleihen senken und bis zu 20 Milliarden Euro privaten Kapitals für nachhaltige Investitionen mobilisieren.
Außerdem erklärte von der Leyen, sich am Dienstag in New York mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau und der Industrie zusammensetzen zu wollen, um für eine weltweite CO₂-Bepreisung zu werben und deren Möglichkeiten zu diskutieren. “Das Prinzip ist ebenso wirksam wie einfach: Wer Treibhausgase ausstößt, muss dafür bezahlen.”
Als dritten Schritt für die Unterstützung des Globalen Südens kündigte die EU-Kommissionspräsidentin eine Erweiterung der EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway an. “Wir werden unseren Partnern ein integriertes Angebot unterbreiten.” Wenn Europa beispielsweise in Industriekapazitäten im Globalen Süden investiere, werde man auch versuchen, Handelspartnerschaften voranzutreiben, um die Industrien in die europäischen Lieferketten zu integrieren. Auch bei Wirtschaftsreformen wolle man unterstützen, so von der Leyen. luk
Die EU-Kommission hat am gestrigen Montag Beratungen bei der WTO über ein chinesisches Anti-Subventionsverfahren gegen Milchprodukte aus der EU beantragt. Am 21. August hatte die chinesische Regierung eine Untersuchung gegen flüssige Milch, Rahm mit einem Fettanteil über zehn Prozent und verschiedene Käsesorten gestartet. Diese Produkte würden durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU und durch Maßnahmen auf nationaler Ebene übermäßig subventioniert, so das Argument Pekings.
In Brüssel geht man davon aus, dass das chinesische Vorgehen eine Reaktion auf die möglichen EU-Antisubventionszölle gegen chinesische Elektroautos sind, ähnlich wie die chinesischen Antidumpinguntersuchungen gegen europäisches Schweinefleisch und Brandy.
Die Kommission betont, es sei das erste Mal, dass sie so schnell gegen Untersuchungen von Drittstaaten vorgehe. “Wir beobachten ein Muster, dass China Handelsschutzmaßnahmen auf der Basis von fragwürdigen Anschuldigungen und ungenügender Evidenz startet”, sagt ein Kommissionssprecher. Die Kommission sei der Meinung, dass die chinesische Untersuchung gegen Milchprodukte nicht mit WTO-Regeln vereinbar sei. Zudem wolle man die Interessen der europäischen Milchbauern und die GAP vor “missbräuchlichen Verfahren” schützen.
Die beantragten Beratungen sind der erste Schritt im WTO-Streitschlichtungsverfahren. Führt dies nicht zum gewünschten Resultat, kann die EU nach 60 Tagen die Einrichtung eines Streitschlichtungspanels fordern. jaa
Trotz Milliarden an Fördergeldern jährlich bleiben Bio-Produkte in Europa ein Nischenmarkt. Die EU dürfte ihr Flächenziel von 25 Prozent Bio-Landbau bis 2030 deutlich verfehlen. Um das Ziel noch zu erreichen, müsste die Fläche doppelt so schnell wachsen wie bisher. Dieses Fazit zieht der EU-Rechnungshof in einem am Montag veröffentlichten Bericht. Mithilfe von GAP-Subventionen die Bio-Produktionsfläche zu steigern, sei alleine nicht zielführend, argumentieren die Rechnungsprüfer.
Mehr müsse dafür getan werden, die Nachfrage nach Bio-Produkten zu fördern und die Produktivität des Sektors zu steigern. “Anderenfalls laufen wir Gefahr, ein System mit Schlagseite zu schaffen, das vollständig von EU-Mitteln abhängig ist, anstelle einer florierenden Branche, die von gut informierten Verbrauchern getragen wird”, mahnt die zuständige Prüferin Keit Pentus-Rosimannus. Der Bericht empfiehlt deshalb, neben dem Flächenziel auch Ziele zu Produktion und Verbrauch von Bio-Produkten zu definieren.
Der Rechnungshof weist auch auf Mängel in der Umsetzung hin. Mitgliedstaaten hätten die Einhaltung der Regeln für den Öko-Landbau nicht immer sichergestellt, beispielsweise zur Fruchtfolge. Teils mussten Höfe deshalb mehr zugekaufte Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsetzen, berichten die Prüfer. So werde der Umweltnutzen der Förderung geschmälert. Sie empfehlen: Die EU sollte den Mitgliedstaaten stärker bei der effektiven Umsetzung zur Seite stehen und die Vorgaben aus der EU-Öko-Verordnung besser in die GAP-Förderprogramme integrieren.
Abschließend empfiehlt der Bericht, auch über 2030 hinaus bereits Ziele und Strategien für den Bio-Sektor festzulegen und künftig mehr Daten zur Wirksamkeit der Förderprogramme zu erfassen.
In ihren Ernennungsschreiben hat auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen den nominierten Kommissaren für Landwirtschaft und Tierschutz, Christophe Hansen und Olivér Várhelyi, die Förderung des Bio-Sektors aufgetragen. Der Strategiedialog Landwirtschaft empfiehlt – wie der Rechnungshof – eine Balance zwischen der Förderung von Produktion und Nachfrage nach Bio-Produkten herzustellen. jd
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat erneut gefordert, den Anwendungsstart der EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR) zu verschieben. Dass Kommissionschefin Ursula von der Leyen vergangene Woche offenbar intern bei einer EVP-Fraktionssitzung angekündigt hat, den Zeitplan noch einmal überprüfen zu wollen, sei ein “Hoffnungsschimmer am Firmament“, sagte Özdemir am Rande des EU-Agrarrats am Montag.
“Vor allem hoffe ich aber natürlich auch auf eine öffentliche Äußerung“, betonte er. Özdemir drängt, wie viele weitere Kritiker der EUDR, seit Monaten auf eine Verschiebung der Umsetzungsfrist. Vor wenigen Wochen hatte auch die Bundesregierung in einem Schreiben an die Europäische Kommission geschlossen einen Aufschub um sechs Monate gefordert. jd
Überraschende Wende: Beim sogenannten Autogipfel, einer Videokonferenz mit Vertretern der Automobilbranche, hat sich Robert Habeck am Montagnachmittag deren Forderung angeschlossen, die EU-Flottengrenzwerte schon im Jahr 2025 zu überprüfen – und somit ein Jahr früher als derzeit geplant.
Das bedeute aber nicht, “dass wir dadurch die Ziele automatisch schleifen”, sagte der Bundeswirtschaftsminister. Am Ziel, ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zuzulassen, müsse festgehalten werden, denn dies sei die Voraussetzung dafür, dass der Verkehrssektor im Jahr 2050 klimaneutral sei. Den Pfad bis 2035 könne man aber noch einmal anschauen, um auf die “veränderte Wirklichkeit” zu reagieren, sagte Habeck.
Die Automobilbranche drängt schon länger auf eine frühere Revision der Grenzwerte. Einzelne Hersteller wie Volkswagen fordern zudem, die Flottengrenzwerte kurzfristig abzuschwächen. Denn die CO₂-Höchstwerte, die vom nächsten Jahr an gelten, werden von einigen Konzernen verfehlt werden; diesen drohen dann hohe Strafzahlungen.
CDU und CSU unterstützten diese Forderung; im Dachverband der europäischen Automobilhersteller ACEA gab es dafür aber keine Mehrheit. Auch das Bundesumweltministerium hatte kürzlich betont, dass es für die Hersteller sehr wohl möglich sei, die Ziele zu erreichen.
Neue Kaufprämien soll es nicht geben. Unter den Teilnehmern habe Einigkeit bestanden, dass “Schnellschüsse” und “Strohfeuer” nicht hilfreich seien, sagte Habeck. Auch ohne finanzielle Unterstützung seien E-Autos schon wirtschaftlich.
Eine aktuelle Berechnung des Thinktanks Agora Verkehrswende widerspricht dieser Einschätzung allerdings teilweise: Demnach seien über eine Haltedauer von fünf Jahren gerechnet nur Fahrzeuge aus der oberen Mittelklasse und der Oberklasse E-Autos günstiger als vergleichbare Verbrenner. Bei Kleinwagen und spritsparenden Fahrzeugen seien E-Fahrzeuge dagegen noch nicht wirtschaftlich; eine Kaufprämie von 6000 Euro würde das ändern.
Gefordert worden war eine neue E-Auto-Prämie in Höhe von 6000 Euro im Vorfeld in einem SPD-Papier. CDU-Chef Friedrich Merz lehnte eine neue Kaufprämie ab, während CSU-Chef Markus Söder eine “intelligente Prämie” forderte, die vor allem deutschen Herstellern zugutekommen sollte – was im Gegensatz zu EU- und WTO-Vorgaben stehen dürfte. mkr
Im Streit um die mögliche Teilung der deutschen Stromgebotszone spricht sich ein Gutachten im Auftrag des baden-württembergischen Umweltministeriums für alternative Lösungen aus. Möglich sei zum Beispiel die regional unterschiedliche Vergütung von erneuerbaren Energien, Elektrolyseuren für die Wasserstoffproduktion und steuerbaren Kraftwerken im Rahmen von Kapazitätsmechanismen. “Vor einer Gebotszonentrennung in Deutschland sollten diese alternativen Instrumente zunächst geprüft und mit der Option des Gebotszonensplits abgewogen werden”, heißt es in dem am Montag in Berlin vorgestellten Gutachten.
Die grün-schwarze Landesregierung sieht sich damit auf einer Linie mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Das Gutachten bestätigt die ablehnende Haltung Stuttgarts gegenüber einer Gebotszonenteilung: “Mittel- bis langfristig kann nur der geplante Netzausbau die durch die Netzengpässe entstehenden Mehrkosten eines suboptimalen Kraftwerks- und Speichereinsatzes im Strommarkt wirksam reduzieren.”
Für Dezember werden ein Bericht und eine Empfehlung der europäischen Regulierungsagentur ACER zu einer möglichen Neuaufteilung der Strompreiszonen in der EU erwartet. Falls die deutsche Gebotszone geteilt würde, rechnen die Gutachter damit, “dass in der nördlichen Zone die durchschnittlichen Strompreise um etwa zehn Euro pro Megawattstunde (MWh) im Jahr 2025 und um sechs Euro im Jahr 2030 niedriger sein könnten als in der südlichen Zone”.
Für die Industrie in Baden-Württemberg seien “die Auswirkungen einer Gebotszonentrennung in ihrer heutigen Struktur im Großen und Ganzen relativ moderat”. Die Stromintensität der Industrie werde sich jedoch mit zunehmender Elektrifizierung stark verändern.
Stärkere Vorteile einer Gebotszonenteilung sehen die Gutachter jedoch bei weiter stockendem Netzausbau. “Die negativen Verteilungseffekte einer Trennung der Gebotszonen könnten dann durch die Einführung von Kompensationsmaßnahmen insbesondere für den Süden abgemildert werden.” Einige Experten sehen jedoch in der derzeitigen Situation positive Verteilungseffekte für die industriellen Zentren im Süden und Westen Deutschlands. ber
Er muss wohl gegen die meisten Animositäten im Europaparlament anreden: Raffaele Fitto von den rechtsnationalen Fratelli d’Italia. Dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem Italiener in der neuen Kommission einen Schlüsselposten zugeteilt hat, sorgt vor allem links von der EVP für Verstimmung. Was allerdings weniger an seiner Person als an der Ablehnung der Partei, die er vertritt, liegen dürfte.
Fitto wurde zum Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen ernannt. Darunter fällt auch die Zuständigkeit für die Verteilung der Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds und die Förderung armer, strukturschwacher Regionen. Gelder, die etwa ein Drittel des EU-Haushalts ausmachen, laufen künftig über Fittos Schreibtisch. Seine Arbeit soll, so heißt es im Mission Letter von der Leyens an Fitto, nicht weniger bewirken, als die “europäischen Volkswirtschaften und Gesellschaften nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen und besser auf künftige Herausforderungen vorzubereiten”.
Mit dem gewichtigen Posten für Fitto sichert sich von der Leyen auch die zuletzt gebröckelte Solidarität von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. Diese hatte sich aus Protest gegen vorherige Ausgrenzung bei der Verteilung von Schlüsselpositionen im Europäischen Rat bei der Wahl von der Leyens zur Kommissionspräsidentin enthalten. Mit Fitto als Vizepräsident erhält Meloni nun die Anerkennung, die sie sich für Italien gewünscht hatte. Auch die EKR-Fraktion wird mit der Ernennung Fittos besänftigt – was künftig bei knappen Abstimmungen im Parlament hilfreich sein könnte.
Denn wie EVP-Chef Manfred Weber ihn einmal treffend nannte: Fitto dient als Bindeglied. Von Juni 2019 bis Oktober 2022 war er selbst Co-Vorsitzender der EKR-Fraktion. Dann wechselte er ins Kabinett Melonis – wo er bislang als Minister für Europaangelegenheiten und die Regionen Süditaliens zuständig ist. Anders als anderen Neu-Kommissaren ist Fitto sein zugeteiltes Aufgabengebiet also nicht fremd.
Die vergangenen zwei Jahre war er in Italien bereits für die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds zuständig, für Italien immerhin rund 200 Milliarden Euro. Eine Aufgabe, die eher wenig mit dem Parteibuch zu tun hat, was Fitto – so wird gesagt – gute Kontakte mit den italienischen Sozialdemokraten bescherte.
Fitto ist einer der Wenigen der Fratelli d’Italia, der auf lange Erfahrung im politischen Betrieb, sowohl auf regionaler als auch auf nationaler und europäischer Ebene zurückblicken kann. 1969 in Maglie, einer Kleinstadt in der Provinz Lecce, geboren, beginnt seine politische Laufbahn bereits mit Anfang 20 in der Regionalpolitik Apuliens – damals noch als Mitglied der Democrazia Cristiana. Nach deren Zusammenbruch wandelt Fitto durch mehrere Nachfolgeparteien, bis er 2001 der Forza Italia von Silvio Berlusconi beitritt.
1999 zieht Fitto zum ersten Mal ins Europaparlament ein, legt sein Amt aber nur ein Jahr später nieder, weil er zum Präsidenten seiner Heimatregion Apulien gewählt worden war. 2006 zieht er als Abgeordneter ins nationale Parlament ein, wo er in der Regierung Berlusconis 2008 zum Minister für regionale Angelegenheiten aufsteigt. 2014 kehrt Fitto als Europaabgeordneter nach Brüssel zurück, wo er zunächst Teil der EVP wird.
Doch er überwirft sich mit Berlusconi, tritt 2015 aus dessen Forza Italia aus, gründet eine eigene Partei und wechselt auch im EU-Parlament das Lager – hinein in die EKR-Fraktion. Nachdem er 2019 ein Wahlbündnis mit Melonis Fratelli d’Italia bildete und für dieses erneut ins Europaparlament gewählt wird, geht seine Kleinpartei Direzione Italia in den Fratelli auf.
Mit Meloni verbindet Fitto ein vertrauensvolles Verhältnis. Mit ihr saß er bereits von 2008 an einige Zeit in einer Regierung. Wenig überraschend also, dass sie ihn als Regierungschefin in ihr Kabinett holte. Auf Fitto als Kandidaten für die EU-Kommission konnten sich die drei Koalitionsparteien in Rom schnell einigen. In Brüssel ist der 55-Jährige bestens vernetzt und wird auch dort über Parteigrenzen hinaus als verlässlich und sachorientiert geschätzt. Umgänglich sei er, heißt es, und ein überzeugter Europäer. Davon muss er nun nur noch die Skeptiker links der EVP überzeugen. Almut Siefert
es schien schon, als sei der Vorstoß von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verpufft, den hohen Standard des Wolfes beim Artenschutz abzusenken. Aufseiten der Mitgliedstaaten hatte es im Frühjahr keine Mehrheit dafür gegeben. Nun tut sich etwas: Luxemburg hat angekündigt, sich für die Initiative einzusetzen. Damit wäre eine von zwei Bedingungen der qualifizierten Mehrheit erfüllt: Mindestens 15 Mitgliedstaaten wären dafür.
Da es aber vergleichsweise wenig Luxemburger gibt, reicht es noch nicht, um die zweite Bedingung zu erfüllen: Die Staaten müssen auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Daher verwundert die Nachricht, dass die ungarische Ratspräsidentschaft am Mittwoch auf EU-Botschafterebene erneut über den Schutz des Beutegreifers abstimmen will.
Letztlich müsste sich ein mitgliederstarkes Land für den Vorschlag der Kommission aussprechen, damit etwas in Bewegung kommt: etwa Deutschland oder Spanien. Teresa Ribera war in ihrer alten Rolle als Umweltministerin in Madrid genauso vehement gegen mehr Abschüsse wie ihre deutsche Ressortkollegin Steffi Lemke.
Bei ihren Anhörungen im Parlament dürfte die künftige Exekutiv-Vizepräsidentin Ribera mit unangenehmen Fragen rechnen, wenn sie dabei bleibt. Jetzt gibt es Gerüchte, die Bundesregierung könnte umschwenken und ihren Prüfvorbehalt aufgeben. Wenn das stimmt, dann gab vermutlich das Wahlergebnis im “Wolfsland” Brandenburg einen Anstoß.
Kommen Sie gut durch den Tag!
Einige Titel ändern sich, die Zuständigkeiten der neuen Kommissare für die Agrar- und Ernährungsthemen bleiben im Wesentlichen bestehen. Wie gehabt soll der Agrarkommissar – vorgeschlagen ist der Luxemburger Christophe Hansen (EVP) – für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständig sein und damit für beide Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Der Gesundheitskommissar – vorgeschlagen ist der Ungar Olivér Várhelyi – soll weiterhin auch Tierwohl und Lebensmittelsicherheit abdecken – inklusive der Themen Pflanzenschutz und Gentechnik.
Neu ist: Die Arbeit des Agrarkommissars Hansen soll der Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen beaufsichtigen – Raffaele Fitto. Der Italiener ist ein Vertrauter von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Mitglied ihrer Partei Fratelli d’Italia. In von der Leyens erster Amtszeit hatte das Agrarressort noch unter der Oberaufsicht von Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans gestanden. Ein Arrangement, das viel Konfliktpotenzial barg, auch weil Timmermans sich im Agrarbereich aktiv einbrachte und selbst Trilogverhandlungen führte.
Mit der geänderten Struktur mindert von der Leyen das Risiko, dass die Spanierin Teresa Ribera, die künftig als Vizepräsidentin die Umsetzung der Green-Deal-Ziele betreuen soll, für Bauern zu einer ähnlichen Reizfigur wird wie Timmermans. Auch die Aufwertung des Portfolios von Landwirtschaft zu “Landwirtschaft und Ernährung” sendet das Signal, dass bei Hansen die Fäden für den Politikbereich zusammen laufen – selbst wenn er faktisch keine neuen Zuständigkeiten bekommt.
Entsprechend beauftragt die Kommissionschefin Hansen in seinem Ernennungsschreiben damit, das Papier zur Vision der Landwirtschaft zu erarbeiten, das von der Leyen – basierend auf den Empfehlungen des Strategiedialogs – für die ersten 100 Tage der Amtszeit versprochen hat. Zum Vergleich: Die Farm-to-Fork-Strategie, die zuvor den Rahmen für die Agrar- und Ernährungspolitik vorgab, hatte noch die Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vorgelegt.
Die Erstellung des Visionspapiers will von der Leyen selbst direkt beaufsichtigen. Das Ernennungsschreiben zeigt, welche Empfehlungen des Strategiedialogs sie dabei besonders in den Blick nimmt. Etwa jene, GAP-Direktzahlungen “nachgerade an die kleinen Bauern” auszuzahlen. Im Vergleich zur Aussage im Bericht des Strategiedialogs ist dies eine Relativierung. Dort klang es so, als ob nur “bedürftige Bauern” noch auf die Flächenprämie hoffen könnten. “Kleine Bauernhöfe”, das könnte entsprechend der KMU-Definition immer noch bedeuten, dass Landwirte mit bis zu 250 Hektar Land weiter die Direktzahlung erhalten.
Hansen hat den Auftrag, die Umgestaltung der Direktzahlung im Hinblick auf den Beitritt der Ukraine zur EU anzustoßen. Mit dem Beitritt der riesigen Flächen kann die Direktzahlung nicht weitergehen wie bisher – darüber ist man sich einig. Die Abschmelzung, Umgestaltung oder Abschaffung der Flächenprämie im Laufe von bis zu zwei künftigen Förderperioden (bis zum Jahr 2042) steht zur Diskussion.
In der vergangenen Förderperiode wurden die Direktzahlung daran gebunden, dass die Bauern Ökoauflagen erfüllen. Diese sogenannte Konditionalität der Zahlungen wurde vom Strategischen Dialog zur Landwirtschaft infrage gestellt. Es wird erwartet, dass künftig auf ein Anreizmodell umgestellt wird. Nach dem Muster: Die Bauern bekommen zusätzliche Finanzhilfen, wenn sie bestimmte Ökodienstleistungen erfüllen.
Es wird damit gerechnet, dass die Kommission stärker gegen unfaire Handelspraktiken vorgeht. Darauf deutet hin, dass die Kommissionspräsidentin sich dazu bekannt hat, in dieser Sache mehr für die Bauern zu tun. Es müsse sichergestellt werden, dass sie ihre Produkte nicht unter Herstellungskosten verkaufen müssen. Hier sind Konflikte mit dem Handel zu erwarten.
Strittig dürfte auch sein, welche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel von der Kommission unterstützt werden. Was wird gefördert, über die Stilllegung von Flächen hinaus? Gibt es auch Geld für Bewässerung, für Umbau der Ställe zum Schutz der Tiere bei Hitze, für künstliche Verschattung der Weiden?
Daneben trägt sie dem Luxemburger Hansen auf, gemeinsam mit Handelskommissar Maroš Šefčovič auf mehr “Reziprozität” und gleiche Wettbewerbsbedingungen im internationalen Handel hinzuwirken. Gemeint sein dürfte, dass Anforderungen an Importe stärker an jene angeglichen werden, die für heimische Erzeuger gelten. Das hat auch der Strategiedialog gefordert, der handelsrechtliche Spielraum hierfür ist jedoch begrenzt.
Das Thema Tierwohl wird symbolisch aufgewertet und steht nun mit im Titel des nominierten Gesundheitskommissars Olivér Várhelyi. Die Kommission hatte Vorschläge für neue Regeln bei den Tiertransporten und zum Schutz von Hauskatzen und -hunden gemacht. Beide Vorschläge wurden vom Rat und Parlament noch nicht behandelt.
In die Kompetenz Várhelyis fiele auch der Pflanzenschutz. Der Mission Letter erwähnt nur die Kompetenzen für biologischen Pflanzenschutz. Eine umfassendere Reform würde auch die Anwendungsbestimmungen sowie Zulassungsverfahren umfassen. Auch die Nitratrichtlinie wird nicht erwähnt im Mission Letter. Dennoch gibt es Hinweise, dass die Kommission die Richtlinie anfassen könnte. Ausnahmeregelungen, von denen die Niederlande und Irland profitieren, laufen bald aus. Es gibt Überlegungen, mit welchen technischen Maßnahmen Regionen mit intensiver Weideviehhaltung höhere Düngereinträge erlaubt werden können.
Am 20. Oktober trifft die Bevölkerung Moldaus zwei Entscheidungen. Sie muss ihr neues Staatsoberhaupt aus insgesamt 17 Kandidatinnen und Kandidaten wählen. Und sie muss entscheiden, ob der geplante Beitritt zur Europäischen Union in der Verfassung verankert werden soll, um zu verhindern, dass künftige Regierungen die Republik von ihrem pro-europäischen Kurs abbringen könnten.
Moldau ist seit Juni 2022 EU-Beitrittskandidat, nachdem die Regierung im März desselben Jahres den Antrag auf Mitgliedschaft gestellt hatte. Der 2,5-Millionen-Einwohner-Staat ist einer der ärmsten Europas und besitzt zudem eine der kleinsten Streitkräfte der Welt – diese umfassen gerade einmal 7.000 Personen. Das ist überraschend angesichts der geopolitischen Lage im Osten Europas und 1.222 Kilometer mit der Ukraine geteilten Grenze.
Deshalb soll es nun schnell gehen: Schon 2030 soll Moldaus EU-Beitritt erfolgen, wenn es nach Chișinău geht. Bis dahin muss noch viel passieren. Konkret steht die Republik vor vier Herausforderungen:
Diese Faktoren beeinflussen einander. Eine fehlende konstante politische Linie behindert die Integrität staatlicher Gewalten – zu groß ist die Sorge vor Restriktionen einer neuen Regierung, die einen potenziell anderen politischen Kurs fährt. Korruption im politischen System öffnet wiederum Tor und Tür für russischen Einfluss. Das bestätigt auch Premierminister Dorin Recean: “Russland kann uns rein militärisch nichts anhaben, deshalb fokussiert Moskau sich auf hybride Attacken.”
Besonders stark greift Putins Einfluss in der autonomen Region Gagausien und im abtrünnigen, ausschließlich von Russland unterstützten De-facto-Regime Transnistrien. Beide Regionen verfügen über eigene Regierungen und sind den Desinformationskampagnen noch stärker ausgesetzt als der Rest des Landes.
Das angestrebte Narrativ beider Pole ist gleich: Ein friedliches und prosperierendes Moldau – sei es als Mitglied der Europäischen Union oder als Patenkind Putins. Für die EU steht an wichtigster Stelle, Moldau nicht an Russland zu verlieren. Deshalb sieht sie vorerst über mitunter offensichtliche Baustellen hinweg. Für Moldau würde die EU-Mitgliedschaft zwar nicht primär militärische, dafür aber ökonomische und politische Sicherheit bedeuten.
Umfragewerte, zum Beispiel vom International Republican Institute, zeigen derzeit einen Kurs Richtung EU – bis zu 65 Prozent Zustimmung werden prognostiziert – und Richtung Wiederwahl der pro-europäischen Präsidentin Maia Sandu. Doch wahrscheinlich werde Sandu die Präsidentschaft nicht in der ersten, sondern in der zweiten Runde gewinnen, sagt Osteuropawissenschaftlerin Anastasia Pociumban von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu Table.Briefings.
Interessant sollen die Parlamentswahlen im Juni nächsten Jahres werden, denn Sandus Partei PAS wird dort wahrscheinlich keine Mehrheit bekommen. Den Wahlkampf 2021 gewann die Partei eher mit innen- als außenpolitischen Themen. Doch aufgrund vieler Herausforderungen – Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, die daraus folgende Energie- und Wirtschaftskrise und über eine Million über Moldau geflüchtete Ukrainer – habe sie ihre Versprechen nicht einhalten können, sagt Pociumban. Zudem geht es den Menschen eher um Sandus Person als um ihre Partei, denn sie gilt als eine der wenigen großen politischen Persönlichkeiten des Landes, die nicht korrupt sind.
Den Moldauern selbst ist wichtig, dass ihr Land nicht zu vereinfacht betrachtet wird. Moldau sei nicht bloß ein Spielball zwischen zwei Großmächten, sondern besitze seine eigene Entscheidungs- und Handlungsmacht und sei durch die multiplen Krisen stets resilienter geworden: Das betonen Moldauerinnen und Moldauer immer wieder.
Die Recherchen zu diesem Bericht fanden im Rahmen einer von der Europäischen Kommission geförderten Journalistenreise nach Moldau und Rumänien statt.
25.09.2024 – 09:00-17:30 Uhr, Lamot (Belgien)
CEWEP Residues Conference – Ash to Resource
The Confederation of European Waste-to-Energy Plants (CEWEP) addresses topics such as environmental contribution, residues utilisation, and material recovery. INFOS & REGISTRATION
25.09.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Operative Nachhaltigkeitskommunikation & Green Claims
Der TÜV informiert über den aktuellen Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung hinsichtlich Standards für die Verwendung umweltbezogener Angaben für Produkte und Dienstleistungen. INFOS & ANMELDUNG
25.09.2024 – 10:30-11:45 Uhr, online
ECFR, Discussion Critical minerals and EU-Africa strategic partnerships: Where do we stand?
The European Council on Foreign Relations (ECFR) discusses the most pressing issues aiming to further promote the Europe-Africa dialogue, identify policy and implementation options, and set financial priorities. INFOS & REGISTRATION
25.09.2024 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Discussion Navigating Global Trade Dynamics and Geopolitical Challenges in 2040
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the influence of emerging markets, technological advancements, and policy responses to geopolitical tensions. INFOS & REGISTRATION
25.09.2024 – 18:00-22:00 Uhr, Berlin
“Die Zeit”, Konferenz Gemeinsam zur Ernährungswende: nachhaltig, nahrhaft, notwendig!
“Die Zeit” diskutiert Lösungsansätze für eine bewusste Ernährung für alle. INFOS & ANMELDUNG
25.09.2024 – 18:30-21:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
HE Hydrogen Europe Autumn Market 2024
Hydrogen Europe (HE) brings together members and stakeholders of the hydrogen sector. INFOS & REGISTRATION
26.09.2024 – 12:30-13:30 Uhr, online
HBS, Seminar Entering the EU’s new policy cycle: The European Green Deal at risk?
The Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) discusses the future of the European Green Deal. INFOS & REGISTRATION
26.09.2024 – 14:30-15:30 Uhr, online
Eurogas, Seminar Road Transport Policy: What Future for Renewable & Low-Carbon Gases?
Eurogas discusses the CO2 standards Regulation and potential reviews to include renewable fuels, in line with the Renewable Energy Directive. INFOS & REGISTRATION
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angekündigt, die Ausgabe von grünen Staatsanleihen im Globalen Süden finanziell unterstützen zu wollen. In Europa hätten sich Green Bonds als ein unglaublich wirkungsvolles Instrument zur Mobilisierung privater Investitionen erwiesen, sagte von der Leyen in New York beim Gipfel der Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) am Rande der UN-Generalversammlung. Doch wenn ein Entwicklungsland grüne Anleihen ausgebe, müsse es den Anlegern oft sehr hohe Zinsen zahlen.
Von der Leyen kündigte eine “Green Coupon Facility” an, mit der Europa einen Teil der Zinsen für Emittenten grüner Anleihen subventionieren will. So soll es Entwicklungsländern ermöglicht werden, Geld für den Aufbau der eigenen Wirtschaft zu beschaffen. Bereits vergangenes Jahr hatte von der Leyen die Global Green Bond Initiative ins Leben gerufen. Der mit einer Milliarde Euro durch europäische Entwicklungsbanken, die EIB und die UN ausgestattete Fonds soll das Investmentrisiko für grüne Anleihen senken und bis zu 20 Milliarden Euro privaten Kapitals für nachhaltige Investitionen mobilisieren.
Außerdem erklärte von der Leyen, sich am Dienstag in New York mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau und der Industrie zusammensetzen zu wollen, um für eine weltweite CO₂-Bepreisung zu werben und deren Möglichkeiten zu diskutieren. “Das Prinzip ist ebenso wirksam wie einfach: Wer Treibhausgase ausstößt, muss dafür bezahlen.”
Als dritten Schritt für die Unterstützung des Globalen Südens kündigte die EU-Kommissionspräsidentin eine Erweiterung der EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway an. “Wir werden unseren Partnern ein integriertes Angebot unterbreiten.” Wenn Europa beispielsweise in Industriekapazitäten im Globalen Süden investiere, werde man auch versuchen, Handelspartnerschaften voranzutreiben, um die Industrien in die europäischen Lieferketten zu integrieren. Auch bei Wirtschaftsreformen wolle man unterstützen, so von der Leyen. luk
Die EU-Kommission hat am gestrigen Montag Beratungen bei der WTO über ein chinesisches Anti-Subventionsverfahren gegen Milchprodukte aus der EU beantragt. Am 21. August hatte die chinesische Regierung eine Untersuchung gegen flüssige Milch, Rahm mit einem Fettanteil über zehn Prozent und verschiedene Käsesorten gestartet. Diese Produkte würden durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU und durch Maßnahmen auf nationaler Ebene übermäßig subventioniert, so das Argument Pekings.
In Brüssel geht man davon aus, dass das chinesische Vorgehen eine Reaktion auf die möglichen EU-Antisubventionszölle gegen chinesische Elektroautos sind, ähnlich wie die chinesischen Antidumpinguntersuchungen gegen europäisches Schweinefleisch und Brandy.
Die Kommission betont, es sei das erste Mal, dass sie so schnell gegen Untersuchungen von Drittstaaten vorgehe. “Wir beobachten ein Muster, dass China Handelsschutzmaßnahmen auf der Basis von fragwürdigen Anschuldigungen und ungenügender Evidenz startet”, sagt ein Kommissionssprecher. Die Kommission sei der Meinung, dass die chinesische Untersuchung gegen Milchprodukte nicht mit WTO-Regeln vereinbar sei. Zudem wolle man die Interessen der europäischen Milchbauern und die GAP vor “missbräuchlichen Verfahren” schützen.
Die beantragten Beratungen sind der erste Schritt im WTO-Streitschlichtungsverfahren. Führt dies nicht zum gewünschten Resultat, kann die EU nach 60 Tagen die Einrichtung eines Streitschlichtungspanels fordern. jaa
Trotz Milliarden an Fördergeldern jährlich bleiben Bio-Produkte in Europa ein Nischenmarkt. Die EU dürfte ihr Flächenziel von 25 Prozent Bio-Landbau bis 2030 deutlich verfehlen. Um das Ziel noch zu erreichen, müsste die Fläche doppelt so schnell wachsen wie bisher. Dieses Fazit zieht der EU-Rechnungshof in einem am Montag veröffentlichten Bericht. Mithilfe von GAP-Subventionen die Bio-Produktionsfläche zu steigern, sei alleine nicht zielführend, argumentieren die Rechnungsprüfer.
Mehr müsse dafür getan werden, die Nachfrage nach Bio-Produkten zu fördern und die Produktivität des Sektors zu steigern. “Anderenfalls laufen wir Gefahr, ein System mit Schlagseite zu schaffen, das vollständig von EU-Mitteln abhängig ist, anstelle einer florierenden Branche, die von gut informierten Verbrauchern getragen wird”, mahnt die zuständige Prüferin Keit Pentus-Rosimannus. Der Bericht empfiehlt deshalb, neben dem Flächenziel auch Ziele zu Produktion und Verbrauch von Bio-Produkten zu definieren.
Der Rechnungshof weist auch auf Mängel in der Umsetzung hin. Mitgliedstaaten hätten die Einhaltung der Regeln für den Öko-Landbau nicht immer sichergestellt, beispielsweise zur Fruchtfolge. Teils mussten Höfe deshalb mehr zugekaufte Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsetzen, berichten die Prüfer. So werde der Umweltnutzen der Förderung geschmälert. Sie empfehlen: Die EU sollte den Mitgliedstaaten stärker bei der effektiven Umsetzung zur Seite stehen und die Vorgaben aus der EU-Öko-Verordnung besser in die GAP-Förderprogramme integrieren.
Abschließend empfiehlt der Bericht, auch über 2030 hinaus bereits Ziele und Strategien für den Bio-Sektor festzulegen und künftig mehr Daten zur Wirksamkeit der Förderprogramme zu erfassen.
In ihren Ernennungsschreiben hat auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen den nominierten Kommissaren für Landwirtschaft und Tierschutz, Christophe Hansen und Olivér Várhelyi, die Förderung des Bio-Sektors aufgetragen. Der Strategiedialog Landwirtschaft empfiehlt – wie der Rechnungshof – eine Balance zwischen der Förderung von Produktion und Nachfrage nach Bio-Produkten herzustellen. jd
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat erneut gefordert, den Anwendungsstart der EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR) zu verschieben. Dass Kommissionschefin Ursula von der Leyen vergangene Woche offenbar intern bei einer EVP-Fraktionssitzung angekündigt hat, den Zeitplan noch einmal überprüfen zu wollen, sei ein “Hoffnungsschimmer am Firmament“, sagte Özdemir am Rande des EU-Agrarrats am Montag.
“Vor allem hoffe ich aber natürlich auch auf eine öffentliche Äußerung“, betonte er. Özdemir drängt, wie viele weitere Kritiker der EUDR, seit Monaten auf eine Verschiebung der Umsetzungsfrist. Vor wenigen Wochen hatte auch die Bundesregierung in einem Schreiben an die Europäische Kommission geschlossen einen Aufschub um sechs Monate gefordert. jd
Überraschende Wende: Beim sogenannten Autogipfel, einer Videokonferenz mit Vertretern der Automobilbranche, hat sich Robert Habeck am Montagnachmittag deren Forderung angeschlossen, die EU-Flottengrenzwerte schon im Jahr 2025 zu überprüfen – und somit ein Jahr früher als derzeit geplant.
Das bedeute aber nicht, “dass wir dadurch die Ziele automatisch schleifen”, sagte der Bundeswirtschaftsminister. Am Ziel, ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zuzulassen, müsse festgehalten werden, denn dies sei die Voraussetzung dafür, dass der Verkehrssektor im Jahr 2050 klimaneutral sei. Den Pfad bis 2035 könne man aber noch einmal anschauen, um auf die “veränderte Wirklichkeit” zu reagieren, sagte Habeck.
Die Automobilbranche drängt schon länger auf eine frühere Revision der Grenzwerte. Einzelne Hersteller wie Volkswagen fordern zudem, die Flottengrenzwerte kurzfristig abzuschwächen. Denn die CO₂-Höchstwerte, die vom nächsten Jahr an gelten, werden von einigen Konzernen verfehlt werden; diesen drohen dann hohe Strafzahlungen.
CDU und CSU unterstützten diese Forderung; im Dachverband der europäischen Automobilhersteller ACEA gab es dafür aber keine Mehrheit. Auch das Bundesumweltministerium hatte kürzlich betont, dass es für die Hersteller sehr wohl möglich sei, die Ziele zu erreichen.
Neue Kaufprämien soll es nicht geben. Unter den Teilnehmern habe Einigkeit bestanden, dass “Schnellschüsse” und “Strohfeuer” nicht hilfreich seien, sagte Habeck. Auch ohne finanzielle Unterstützung seien E-Autos schon wirtschaftlich.
Eine aktuelle Berechnung des Thinktanks Agora Verkehrswende widerspricht dieser Einschätzung allerdings teilweise: Demnach seien über eine Haltedauer von fünf Jahren gerechnet nur Fahrzeuge aus der oberen Mittelklasse und der Oberklasse E-Autos günstiger als vergleichbare Verbrenner. Bei Kleinwagen und spritsparenden Fahrzeugen seien E-Fahrzeuge dagegen noch nicht wirtschaftlich; eine Kaufprämie von 6000 Euro würde das ändern.
Gefordert worden war eine neue E-Auto-Prämie in Höhe von 6000 Euro im Vorfeld in einem SPD-Papier. CDU-Chef Friedrich Merz lehnte eine neue Kaufprämie ab, während CSU-Chef Markus Söder eine “intelligente Prämie” forderte, die vor allem deutschen Herstellern zugutekommen sollte – was im Gegensatz zu EU- und WTO-Vorgaben stehen dürfte. mkr
Im Streit um die mögliche Teilung der deutschen Stromgebotszone spricht sich ein Gutachten im Auftrag des baden-württembergischen Umweltministeriums für alternative Lösungen aus. Möglich sei zum Beispiel die regional unterschiedliche Vergütung von erneuerbaren Energien, Elektrolyseuren für die Wasserstoffproduktion und steuerbaren Kraftwerken im Rahmen von Kapazitätsmechanismen. “Vor einer Gebotszonentrennung in Deutschland sollten diese alternativen Instrumente zunächst geprüft und mit der Option des Gebotszonensplits abgewogen werden”, heißt es in dem am Montag in Berlin vorgestellten Gutachten.
Die grün-schwarze Landesregierung sieht sich damit auf einer Linie mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Das Gutachten bestätigt die ablehnende Haltung Stuttgarts gegenüber einer Gebotszonenteilung: “Mittel- bis langfristig kann nur der geplante Netzausbau die durch die Netzengpässe entstehenden Mehrkosten eines suboptimalen Kraftwerks- und Speichereinsatzes im Strommarkt wirksam reduzieren.”
Für Dezember werden ein Bericht und eine Empfehlung der europäischen Regulierungsagentur ACER zu einer möglichen Neuaufteilung der Strompreiszonen in der EU erwartet. Falls die deutsche Gebotszone geteilt würde, rechnen die Gutachter damit, “dass in der nördlichen Zone die durchschnittlichen Strompreise um etwa zehn Euro pro Megawattstunde (MWh) im Jahr 2025 und um sechs Euro im Jahr 2030 niedriger sein könnten als in der südlichen Zone”.
Für die Industrie in Baden-Württemberg seien “die Auswirkungen einer Gebotszonentrennung in ihrer heutigen Struktur im Großen und Ganzen relativ moderat”. Die Stromintensität der Industrie werde sich jedoch mit zunehmender Elektrifizierung stark verändern.
Stärkere Vorteile einer Gebotszonenteilung sehen die Gutachter jedoch bei weiter stockendem Netzausbau. “Die negativen Verteilungseffekte einer Trennung der Gebotszonen könnten dann durch die Einführung von Kompensationsmaßnahmen insbesondere für den Süden abgemildert werden.” Einige Experten sehen jedoch in der derzeitigen Situation positive Verteilungseffekte für die industriellen Zentren im Süden und Westen Deutschlands. ber
Er muss wohl gegen die meisten Animositäten im Europaparlament anreden: Raffaele Fitto von den rechtsnationalen Fratelli d’Italia. Dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem Italiener in der neuen Kommission einen Schlüsselposten zugeteilt hat, sorgt vor allem links von der EVP für Verstimmung. Was allerdings weniger an seiner Person als an der Ablehnung der Partei, die er vertritt, liegen dürfte.
Fitto wurde zum Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen ernannt. Darunter fällt auch die Zuständigkeit für die Verteilung der Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds und die Förderung armer, strukturschwacher Regionen. Gelder, die etwa ein Drittel des EU-Haushalts ausmachen, laufen künftig über Fittos Schreibtisch. Seine Arbeit soll, so heißt es im Mission Letter von der Leyens an Fitto, nicht weniger bewirken, als die “europäischen Volkswirtschaften und Gesellschaften nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen und besser auf künftige Herausforderungen vorzubereiten”.
Mit dem gewichtigen Posten für Fitto sichert sich von der Leyen auch die zuletzt gebröckelte Solidarität von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. Diese hatte sich aus Protest gegen vorherige Ausgrenzung bei der Verteilung von Schlüsselpositionen im Europäischen Rat bei der Wahl von der Leyens zur Kommissionspräsidentin enthalten. Mit Fitto als Vizepräsident erhält Meloni nun die Anerkennung, die sie sich für Italien gewünscht hatte. Auch die EKR-Fraktion wird mit der Ernennung Fittos besänftigt – was künftig bei knappen Abstimmungen im Parlament hilfreich sein könnte.
Denn wie EVP-Chef Manfred Weber ihn einmal treffend nannte: Fitto dient als Bindeglied. Von Juni 2019 bis Oktober 2022 war er selbst Co-Vorsitzender der EKR-Fraktion. Dann wechselte er ins Kabinett Melonis – wo er bislang als Minister für Europaangelegenheiten und die Regionen Süditaliens zuständig ist. Anders als anderen Neu-Kommissaren ist Fitto sein zugeteiltes Aufgabengebiet also nicht fremd.
Die vergangenen zwei Jahre war er in Italien bereits für die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds zuständig, für Italien immerhin rund 200 Milliarden Euro. Eine Aufgabe, die eher wenig mit dem Parteibuch zu tun hat, was Fitto – so wird gesagt – gute Kontakte mit den italienischen Sozialdemokraten bescherte.
Fitto ist einer der Wenigen der Fratelli d’Italia, der auf lange Erfahrung im politischen Betrieb, sowohl auf regionaler als auch auf nationaler und europäischer Ebene zurückblicken kann. 1969 in Maglie, einer Kleinstadt in der Provinz Lecce, geboren, beginnt seine politische Laufbahn bereits mit Anfang 20 in der Regionalpolitik Apuliens – damals noch als Mitglied der Democrazia Cristiana. Nach deren Zusammenbruch wandelt Fitto durch mehrere Nachfolgeparteien, bis er 2001 der Forza Italia von Silvio Berlusconi beitritt.
1999 zieht Fitto zum ersten Mal ins Europaparlament ein, legt sein Amt aber nur ein Jahr später nieder, weil er zum Präsidenten seiner Heimatregion Apulien gewählt worden war. 2006 zieht er als Abgeordneter ins nationale Parlament ein, wo er in der Regierung Berlusconis 2008 zum Minister für regionale Angelegenheiten aufsteigt. 2014 kehrt Fitto als Europaabgeordneter nach Brüssel zurück, wo er zunächst Teil der EVP wird.
Doch er überwirft sich mit Berlusconi, tritt 2015 aus dessen Forza Italia aus, gründet eine eigene Partei und wechselt auch im EU-Parlament das Lager – hinein in die EKR-Fraktion. Nachdem er 2019 ein Wahlbündnis mit Melonis Fratelli d’Italia bildete und für dieses erneut ins Europaparlament gewählt wird, geht seine Kleinpartei Direzione Italia in den Fratelli auf.
Mit Meloni verbindet Fitto ein vertrauensvolles Verhältnis. Mit ihr saß er bereits von 2008 an einige Zeit in einer Regierung. Wenig überraschend also, dass sie ihn als Regierungschefin in ihr Kabinett holte. Auf Fitto als Kandidaten für die EU-Kommission konnten sich die drei Koalitionsparteien in Rom schnell einigen. In Brüssel ist der 55-Jährige bestens vernetzt und wird auch dort über Parteigrenzen hinaus als verlässlich und sachorientiert geschätzt. Umgänglich sei er, heißt es, und ein überzeugter Europäer. Davon muss er nun nur noch die Skeptiker links der EVP überzeugen. Almut Siefert