heute Abend veranstalten die europäischen Grünen in Brüssel eine große Wahlparty mit dem Titel “Choose courage”. Die beiden Spitzenkandidaten Terry Reintke und Bas Eickhout werden ihre Vision für Europa in den nächsten fünf Jahren vorstellen. Die Veranstaltung ist aber vor allem ein “Aufruf an alle Mitgliedsparteien, Partner, Aktivisten, die Zivilgesellschaft, Freiwillige und alle Unterstützer, die sich ein nachhaltiges, gerechtes und demokratisches Europa wünschen”.
Das klingt wie der Aufruf an die grünen Parteitruppen in einem politischen Kontext, in dem die Partei mit ihren Themen in die Defensive geraten ist. Bauernproteste, Inflation, die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine – die Gründe sind vielfältig. Dabei werden die Auswirkungen der globalen Erwärmung immer stärker spürbar.
“Bei den letzten Europawahlen 2019 gab es Klimamärsche und es war politisch kostspielig, sich gegen den Green Deal zu stellen. Heute ist es politisch profitabel”, sagt Philippe Lamberts, Co-Fraktionschef der Grünen im Europäischen Parlament. Die Grünen müssten also bei der Wahl “das Spiel ihres Lebens” liefern.
Kommen Sie gut ins Wochenende!
Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Bei ihrem Gipfel Mitte April vereinbarten die Staats- und Regierungschefs, die Arbeit im Rat und in der Kommission an allen nötigen Maßnahmen “unverzüglich fortzusetzen”, um wirklich integrierte europäische Kapitalmärkte zu schaffen. Der erste Punkt auf der Liste: Die “Harmonisierung der relevanten Aspekte der nationalen Insolvenzrahmen für Unternehmen”.
Doch hinter den entschlossen klingenden Formeln der Schlussfolgerungen verbergen sich starke politische Widerstände. Ökonomen drängen nicht erst seit dem aktuellen Vorstoß von Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron darauf, die rechtlichen Rahmen für Insolvenzen anzugleichen, um Anlegern Investitionen im EU-Ausland zu erleichtern und somit mehr Kapital grenzüberschreitend freizusetzen. Doch geschehen ist bislang wenig.
Eine Harmonisierung des Insolvenzrechts würde es Investoren erleichtern, das Ausfallrisiko einzuschätzen, wenn sie Aktien, Anleihen oder Fonds in anderen EU-Ländern kauften, sagt Sebastian Mack, Senior Policy Fellow am Jacques Delors Centre der Berliner Hertie School. “Die Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten unterscheiden sich aber erheblich, die Justizministerien tun sich sehr schwer, ihre vertrauten Systeme aufzugeben.” In den USA seien die Voraussetzungen deutlich besser, da der Rechtsraum dort weitgehend einheitlich sei.
In Europa ist das Insolvenzrecht bisher eine nationale Angelegenheit. Erste Anläufe für eine Konvergenz gab es bereits Anfang der 1960er-Jahre, doch echte Fortschritte blieben lange aus. Unter der Juncker-Kommission einigten sich die Mitgliedstaaten dann 2019 auf die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz. Diese setzte gemeinsame Prinzipien für die Prävention von Insolvenzen und erleichterte es den Schuldnern, im Rahmen der Restrukturierung ihre Schulden loszuwerden.
Im Dezember 2022 legte die EU-Kommission dann nach: Sie präsentierte einen Richtlinienvorschlag, der drei der wichtigsten Aspekte des Insolvenzrechts adressieren soll: die Verwertung von Vermögenswerten aus der Insolvenzmasse, die Effizienz des Verfahrens und die gerechte Berücksichtigung der Gläubiger.
Eineinhalb Jahre nach der Vorlage ist der Vorschlag aber kaum vorangekommen, weder im Rat noch im Europaparlament. Das Bundesjustizministerium in Berlin unterstütze zwar den Richtlinienvorschlag als eine Maßnahme zur Förderung der Konvergenz der nationalen Insolvenzsysteme, sagt eine Sprecherin des BMJ. Aber: “Am konkret vorgelegten Text besteht weitreichender Überarbeitungsbedarf.” Das verdeutlichten auch die Reaktionen der überwiegenden Anzahl der Mitgliedstaaten sowie der Verbände.
Bislang, so die BMJ-Sprecherin, sei die Ratsarbeitsgruppe nur mit einem Teil des Vorschlags befasst worden, der das Insolvenzanfechtungsrecht betreffe. “Das hier einhellig befürwortete Votum ging dahin, den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität für die Ausgestaltung des Rahmens zu geben.”
Auch im Europaparlament kommt der Richtlinienvorschlag bislang kaum voran. Der belgische Abgeordnete Pascal Arimont (EVP), Berichterstatter des federführenden Rechtsausschusses, hat seinen Bericht mehrfach verschoben und will ihn nun erst nach der Europawahl im Juni vorlegen. Einzig der Wirtschafts- und Währungsausschuss hat bislang eine Stellungnahme abgegeben, auf Initiative des SPD-Abgeordneten René Repasi.
Repasi sieht bei dieser Richtlinie “einen ganz klaren nationalen Reflex”. Jeder Mitgliedsstaat sehe sein Insolvenzrecht als das Beste an, sagt der Professor für Europarecht. Durch die 27 verschiedenen Insolvenzrechtsregime würden aber “Probleme geschaffen, die mit einer europäischen Lösung adressiert werden müssen”.
Aber auch von Interessenvertretern kommt Kritik am Vorschlag der EU-Kommission. Der Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) urteilt in einer ausführlichen Stellungnahme: “Wenngleich ein Zusammenrücken innerhalb der Europäischen Union und im Konkreten die weitere Harmonisierung im Insolvenzrecht zu begrüßen ist, sind jedoch Anlass und Ausgestaltung des Richtlinienvorschlags sehr kritisch zu hinterfragen”.
Auf das Ziel der Kapitalmarktunion können sich also alle einigen, doch die Umsetzung im Konkreten läuft gegen viele Widerstände. Dabei besteht durchaus Handlungsbedarf. Das zeigt sich besonders eindrücklich, wenn man die durchschnittliche Erlösquote in verschiedenen EU-Staaten betrachtet. Die Erlösquote bezeichnet den Anteil der Kreditsumme, den Kreditgeber bei einem Zahlungsausfall des Schuldners rückerstattet erhalten.
Laut einer Studie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) aus dem Jahr 2020 erhielten Kreditgeber in Griechenland nur fünf Prozent des verliehenen Kapitals zurück, während es in Luxemburg fast 75 Prozent waren. Auch bei den großen Ländern finden sich deutliche Unterschiede. In Deutschland erhalten Kreditgeber durchschnittlich 49 Prozent zurück, in Frankreich nur 34 Prozent, in Spanien jedoch 66 Prozent. Die Unterschiede gehen darauf zurück, dass jedes nationale Insolvenzrecht die Gläubigerhierarchie im Fall einer Zahlungsunfähigkeit anders regelt.
Dies ist ein Problem für die Kapitalmarktunion. Denn die Vorhersehbarkeit der Insolvenzregeln in einem Land sind ein zentraler Faktor für Investoren. Eine kürzlich erschienene Studie der französischen Nationalbank argumentiert, dass Finanzmarktinvestoren meist weniger Einsicht in die Solvabilität ihrer Investitionsziele haben als Banken. Die Unterschiede zwischen den nationalen Rechtssystemen wirkten deshalb als Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen.
Laut den Experten der französischen Nationalbank würde eine Harmonisierung der Insolvenzregeln helfen, einen pan-europäischen Markt für Finanzprodukte zu schaffen. Zudem würde sie Transaktionskosten reduzieren und Risikokosten senken.
Angesichts der festgefahrenen Situation hat der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta eine neue Alternative ins Spiel gebracht: ein “europäisches Unternehmensgesetzbuch”, in das dann auch ein harmonisiertes Börsen- und Insolvenzrecht einfließen soll. Letta spricht von einem “28. Regime“, das den 27 nationalen Rechtssystemen an die Seite gestellt werden solle. Die Betroffenen könnten dann wählen, welches für sie gilt. “Das kann ein Ausweg in vielen Feldern sein, wenn Staaten ihre jahrhundertealten Rechtstraditionen und -kulturen nicht aufgeben wollen”, sagte er der FAZ.
Der Vorschlag eines 28. EU-Regimes verdiene “nähere Prüfung“, heißt es dazu im BMJ. Dabei gelte es allerdings zu berücksichtigen, dass “das Insolvenzrecht aus Regelungen besteht, die allseitig wirken und dabei zwingend sind.” Das setze der Möglichkeit des Einsatzes eines auf Rechtswahl setzenden Modells Grenzen, die im Einzelnen auszuloten seien.
Makroökonomische Steuerung und das Ziel der Dekarbonisierung stehen in einem angespannten Verhältnis, das zeigte sich in der Inflationsepisode der vergangenen zwei Jahre. Ein Angebotsschock ließ zuerst die Energiepreise in die Höhe schnellen, was in den folgenden Monaten zu Preiserhöhungen bei allen anderen Produktgruppen führte.
Um der Inflation entgegenzuwirken, erhöhte die EZB die Zinsen. Die Inflation beruhigte sich, aber der Preis dafür waren stark erhöhte Investitionskosten, unter anderem für Dekarbonisierungsprojekte. Insbesondere die Windenergiebranche litt darunter, da sie hohe Kapitalkosten aufweist.
“Erneuerbare Energien haben in der Regel viel höhere Vorab-Investitionskosten und sind zu Beginn kapital-intensiver als fossile Energien”, sagt Grégory Claeys. Der Senior Fellow beim wirtschaftspolitischen Think-Tank Bruegel hat mit Kollegen ein neues Buch zum Zusammenspiel zwischen Makroökonomie und Dekarbonisierung herausgegeben. Die EU brauche viel mehr grüne Investitionen und eine auf Innovation getrimmte Industriepolitik, so die Autoren.
Doch wie soll das finanziert werden? Angesichts der angespannten Staatskassen und den neu eingeführten EU-Schuldenregeln könne man sich vonseiten der Mitgliedstaaten nicht viel erwarten. Mittelfristig komme man um ein europäisches Investitionsprogramm nicht herum, sagt Claeys. Seiner Meinung nach sollen dafür unter anderem die Einkünfte aus dem Emissionshandelssystem genutzt werden. Dies würde die Staatsfinanzen schonen.
Doch das ist einfacher gesagt als getan. Während der Buchpräsentation in Brüssel erinnerte die Direktorin der Generaldirektion Klima der EU-Kommission, Yvon Slingenberg, daran, dass die Kommission schon im Herbst 2022 einen europäischen Souveränitätsfonds vorgeschlagen hatte. Unter anderem sollte dieser durch Einkünfte aus dem Emissionshandel finanziert werden. Das sei aber für Mitgliedstaaten nicht akzeptabel gewesen.
“Finanzminister tendieren dazu, konservativ zu sein – auf ihre ganz eigene Art und Weise. Ich weiß nicht, ob Staatschefs von ihren Finanzministern gebrieft werden, oder sie waren zuvor selbst Finanzminister”, sagte sie in einer Anspielung auf Bundeskanzler Olaf Scholz.
Bruegel-Gründer Jean Pisani-Ferry warnte davor, sich zu stark auf die klassische Ökonomenantwort der CO₂-Bepreisung zu verlassen. Einige Ökonomen seien Befürworter dieses einzigen Instruments geworden. Aber: “Eine Ein-Instrument-Politik wird nicht genügen. Es braucht eine gemischte Strategie”, sagte der ehemalige Macron-Berater. Er erinnerte auch daran, dass CO₂-Preise ärmere Leute überproportional treffen würden.
Weil politischer Handlungsspielraum bei der Fiskalpolitik sowohl auf der Ausgabenseite wie auf der Einnahmeseite beschränkt scheint, werden vermehrt Stimmen laut, welche die Geldpolitik für die Dekarbonisierungsmission einspannen wollen. In der vergangenen Woche öffnete der französische Präsident Emmanuel Macron die Türe für diese Diskussion. “Wir müssen die theoretische und politische Debatte darüber [beginnen], wie wir in die Ziele der Europäischen Zentralbank zumindest ein Wachstumsziel oder sogar ein Ziel der Dekarbonisierung … aufnehmen können. Dies ist absolut unerlässlich“, sagte er während seiner Sorbonne-Rede.
Progressive NGOs und Think-Tanks versuchen das Thema schon länger an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch im gestern veröffentlichten “Green Industrial Deal” der europäischen Grünen ist die Forderung zu finden.
Claeys unterscheidet zwei Möglichkeiten, wie die EZB mehr Klimainvestitionen fördern könnte. Erstens könnte sie in ihrer Rolle als oberste Bankaufseherin grüne Kredite vorteilhafter bewerten als Kredite in fossile Energien. Dies könnte sie mit der Begründung tun, dass “stranded assets” ein Risiko für die Finanzstabilität darstellen. Zweitens könnte sie grüne Investitionen durch differenzierte Zinsen in ihrer Geldpolitik stärker fördern.
Während sich Claeys für die erste Option ausspricht, warnt er vor der zweiten. “Eine Bevorzugung grüner Investitionen in der Geldpolitik der Zentralbank ist sehr gefährlich im aktuellen institutionellen Rahmen”, sagte er. Um an der aktuellen Priorisierung der Preisstabilität zu rütteln, müssten die Verträge angepasst werden, und das sei politisch höchst anspruchsvoll.
Die EZB müsse sich überlegen, wie sie in Zukunft mit Angebotsschocks umgehen solle, zumal diese in Zukunft wegen des Klimawandels und der geopolitischen Spannungen gehäuft vorkommen dürften. Bei temporären Schocks, wie jenem vor zwei Jahren, müsse die EZB genauer überlegen, wie sie reagiere. Aber: “Man kann keine zyklischen Instrumente benutzen, um ein strukturelles, langfristiges Problem zu lösen”, sagte Claeys.
Stattdessen sollte die EU stärker auf öffentliche Entwicklungsbanken setzen. Die Europäische Investitionsbank (EIB), aber auch nationale Entwicklungsbanken wie die KfW seien ideal positioniert, um die Investitionen in die Dekarbonisierung anzukurbeln. “Die sind dafür da, mit strukturellen Problemen umzugehen”, argumentiert Claeys.
Die öffentlichen Entwicklungsbanken können ebenfalls Darlehen mit niedrigeren Zinsen für Transformationsprojekte anbieten, also das, was die Befürworter einer “grünen” Zentralbank erreichen wollen. Nur sei dieses Ziel effizienter und politisch einfacher über die Entwicklungsbanken zu erreichen. “Ich finde, man spricht nicht genug über die EIB”, sagt Claeys.
07.05.2024 – 09:00 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Debatten zur Ukraine, zu Palästina, zum Engagement der EU in fragilen Kontexten und zu laufenden Angelegenheiten. Vorläufige Tagesordnung
07.05.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (Sozialpolitik)
Themen: Allgemeine Ausrichtung zur Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, Billigung der Schlussfolgerungen zur Stärkung der wirtschaftlichen Stellung und finanziellen Unabhängigkeit von Frauen (auf dem Weg zu einer echten Gleichstellung von Frauen und Männern), Informationen des Vorsitzes und der Kommission zur Umsetzung des Beitritts der EU zum Übereinkommen von Istanbul (Sachstand). Vorläufige Tagesordnung
08.05.2024
EuGH-Urteil zu staatlichen Beihilfen
Themen: Ryanair ficht einen Beschluss der EU-Kommission von 2021 vor dem EuGH an, der Deutschland eine Umstrukturierungshilfe in Höhe von 321,2 Millionen Euro zur Wiederherstellung der Rentabilität der Charterfluggesellschaft Condor zubilligte. Klage
Die grünen Europaabgeordneten Bas Eickhout, Sara Matthieu und Michael Bloss haben am Donnerstag ein Papier mit ihrer Vision für eine nachhaltige europäische Industriepolitik vorgestellt. Darin fordern sie eine Politik, die sich nicht nur die CO₂-Emissionen in Industrieprozessen angeht, sondern die Transformation aktiv gestaltet und etwa Quoten für grüne Produkte schafft.
Sie fordern konkret:
Die drei Parlamentarier haben das Papier ohne vorherige Abstimmung innerhalb der Grünen-Fraktion im EU-Parlament oder der Europäischen Grünen Partei veröffentlicht. Mit Bas Eickhout gehört einer der beiden Grünen-Spitzenkandidaten für die Europawahl zu den Autoren. Der deutsche Abgeordnete Bloss sagte, er erhoffe sich eine Debatte über die Zukunft des Green Deals, der durch den “Green Industrial Deal” ergänzt werden solle. Als Bedingung für die Unterstützung einer zweiten Amtszeit von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will er das Papier nicht werten. luk
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend in Paris empfangen – wenige Tage vor dem Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Frankreich. Es handele sich bei dem Treffen von Macron und Scholz um ein privates Abendessen, teilte der Élysée-Palast mit, ohne weitere Details zu nennen.
Chinas Staats- und Parteichef Xi besucht am Montag und Dienstag nach fast fünf Jahren im Rahmen einer Europareise wieder Frankreich. Erwartet wird, dass Macron und Scholz sich über gemeinsame Positionen zum Besuch von Xi abstimmen werden. Scholz war bereits am Mittwoch in der französischen Hauptstadt eingetroffen, ohne dort aber offizielle Termine wahrzunehmen.
Der Besuch von Scholz in Paris ist Teil des Bemühens, Missklänge zwischen beiden Ländern auszuräumen, die zuletzt häufiger aufgetreten waren, und den Draht zwischen den beiden Spitzenpolitikern zu verbessern. Am Donnerstag gaben Berlin und Paris außerdem bekannt, dass Macron seinen im vergangenen Jahr wegen Unruhen in Frankreich abgesagten Staatsbesuch in Deutschland nun von 26. bis 28. Mai nachholt.
Am 26. Mai wird Macron mit militärischen Ehren im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt. Dann nehmen beide Präsidenten an einem Demokratiefest aus Anlass des 75. Geburtstag des Grundgesetzes und 35 Jahre friedliche Revolution in Ostdeutschland teil. Ende Mai ist zudem ein deutsch-französisches Ministertreffen im Gästehaus der Bundesregierung im brandenburgischen Meseberg geplant.
Erste Station von Xi in Frankreich am Montag ist Paris, wo neben bilateralen Gesprächen mit Macron auch ein Dreiertreffen mit Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geplant ist, wie der Élysée-Palast mitteilte. Eine Teilnahme von Scholz an den Gesprächen mit Xi sei nicht geplant, Frankreich stimme sich aber eng mit Deutschland ab, hieß es. Vor Macrons Besuch in China vor einem Jahr habe der französische Präsident sich vorab ebenfalls mit Scholz abgesprochen.
Macron will den anstehenden Staatsbesuch von Xi Jinping nutzen, um China in zentralen globalen Sicherheitsfragen stärker in den Fokus zu nehmen. Als Europäer sei es das Interesse, “zu erreichen, dass China sich für die Stabilität der internationalen Ordnung einsetzt”, sagte der Präsident in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem britischen Magazin The Economist. Ein destabilisierendes Russland oder ein in Konflikte eskalierender Mittlerer Osten seien nicht im Interesse Pekings. “Es muss daher mit China gearbeitet werden, um Frieden zu schaffen.”
Auch beim Klimaschutz und dem Problem einer Ausweitung von Atomwaffenprogrammen will Macron demnach stärker mit China, aber auch den USA zusammenarbeiten. “Es muss alles getan werden, um China bei den großen globalen Fragen einzubinden”, sagte Macron. Bei dem Besuch Xis am Montag und Dienstag in Frankreich geht es Frankreichs Präsidenten auch um die Wirtschaftsbeziehungen. Man brauche China gegenüber ein respektvolles Verhalten, das aber die eigenen Interessen schützt, so Macron. fpe/dpa/rtr
In der aktuellen Diskussion über Anreize für gemeinsame europäische Rüstungsbeschaffungen will der grüne Bundestags-Abgeordnete Anton Hofreiter einen zusätzlichen EU-Fonds etablieren. Dieser Fonds solle die neue “Buy European”-Strategie der EU befördern. “Wenn mehrere EU-Mitgliedstaaten eine gemeinsame Beschaffung durchführen, erhalten sie 20 Prozent der Kosten der Beschaffung aus dem Fonds erstattet”, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union Table.Briefings.
Im März ist die Europäische Strategie für die Verteidigungsindustrie (EDIS) verabschiedet worden. Die Strategie zielt darauf ab, die Defizite in der Verteidigungsbereitschaft der EU zu beheben und soll die Regierungen der Mitgliedstaaten ermuntern, Rüstungsgüter vermehrt bei europäischen Herstellern zu beschaffen, um die Abhängigkeit von den USA zu verringern. Über ein Finanzierungsprogramm stehen zwischen 2025 und 2027 rund 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zur Verfügung. Nicht viel Geld, wenn es um Waffenproduktion geht.
Offen ließ Hofreiter, welche Kriterien für diesen 20-prozentigen Rabatt gelten müssten, um “auf leichte und unbürokratische Weise gemeinsame Beschaffungen zu fördern”. Eines der Kriterien sollte sein, “dass mindestens 80 Prozent der Beschaffungssumme in Europa verausgabt wird”. In den letzten zwei Jahren sind rund 80 Prozent der europäischen Rüstungsgüter außerhalb der EU bestellt worden, davon allein 60 Prozent in den USA.
Die EU müsse bei der Finanzierung noch aktiver werden, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für Europäische Angelegenheiten im Bundestag. Nur so ließen sich Länder mit so unterschiedlichen Rüstungsindustrien wie Deutschland und Frankreich auf gemeinsame Vorhaben verpflichten. “Das ist die berühmte Karotte, die man der Industrie vor die Nase halten muss.”
Der Erfolg der Strategie wird auch davon abhängen, ob die Mitgliedstaaten und ihre Verteidigungsindustrien mitziehen. Ob es ein “Made in Europe” gibt, für das der französische Präsident Emmanuel Macron Ende April bei seiner zweiten Sorbonne-Rede geworben hat, liege nicht zuletzt an der Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich. nana
Die EU stellt dem Libanon über die nächsten drei Jahre Finanzhilfen in der Höhe von insgesamt einer Milliarde Euro zur Verfügung, wie Ursula von der Leyen am Donnerstag nach einem Treffen mit Premierminister Naji Mikati in Beirut bestätigte. Die Mittel sollen dazu dienen, den Libanon zu stabilisieren und die Zahl syrischer Flüchtlinge, die mit Booten nach Zypern übersetzen, zu reduzieren. Die Kommissionspräsidentin war zusammen mit Zyperns Präsident Nikos Christodoulides in den Libanon gereist.
Zwei Drittel der Mittel, beziehungsweise 736 Millionen Euro, sollen in die Steuerung der Migration und die Betreuung der syrischen Flüchtlinge fließen. Die Gelder sollen für Schulen und für das Gesundheitssystem zur Verfügung stehen. Unterstützung gibt es aber auch für Grenzbehörden und die Streitkräfte. Es gehe vor allem um die Bereitstellung von Ausrüstung und Ausbildung, sagte Ursula von der Leyen in Beirut. Teil der Vereinbarung ist auch, dass die EU legale Wege nach Europa offen hält und mithilft, Flüchtlinge aus dem Libanon in Mitgliedstaaten umzusiedeln, wie die Kommissionspräsidentin betonte.
Ein Drittel oder 264 Millionen Euro fließen über das EU-Instrument der Nachbarschaftspolitik (NIDICI) in Programme, die zur Stabilisierung des Landes beitragen sollen. Bei der EU-Kommission wird betont, dass die Mittel nicht aus Umschichtungen stammen. Es gehe um neue Gelder, die bei der jüngsten Revision des MFR unter anderem für den Bereich der Migration reserviert worden seien. Hintergrund der Hilfen nach dem Modell ähnlicher Vereinbarungen mit Tunesien oder Ägypten ist die Tatsache, dass in den letzten Monaten fast täglich Dutzende bis Hunderte Syrer aus dem gut 160 Kilometer entfernten Libanon mit Booten in Zypern angekommen sind. Die Behörden der Inselrepublik haben seit Anfang des Jahres 4000 Migranten gezählt, ein vielfaches mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres.
“Wir können nicht einfach weiter business as usual machen”, sagte Zyperns Präsident Christodoulidis. Die Situation sei weder für den Libanon noch für Zypern akzeptabel. Libanons Regierungschef Mikati zog ebenfalls klare Grenzen. Sein Land könne nicht zum “alternativen Heimatland” für syrische Flüchtlinge werden. Behörden und Sicherheitskräfte im Libanon haben zuletzt den Druck auf Syrer massiv erhöht, in ihre Heimat zurückzukehren. Libanons Regierungschef und Zyperns Präsident forderten beide, die Lage in Syrien mit Blick auf die Sicherheitslage neu zu evaluieren, ob Flüchtlinge nicht in bestimmte Regionen zurückkehren könnten. sti
Weniger als sechs Wochen vor den Europawahlen schaltet Renaissance einen Gang höher. Die Zusammensetzung der Liste, die von der Vorsitzenden der Renew-Fraktion, Valérie Hayer, angeführt wird, soll am heutigen Freitag in Paris bekannt gegeben werden, wie Brüsseler und Pariser Quellen bestätigen. Am darauffolgenden Montag will das Lager des französischen Präsidenten Emmanuel Macron dann das Programm vorstellen, einen Tag vor einer wichtigen Wahlveranstaltung in Paris. Die Idee sei es, bis zum Europatag am 9. Mai in “Schlachtordnung” zu sein, heißt es dort.
Der Kampf um die besten Listenplätze bei Renaissance dreht sich insbesondere um den Vorsitzenden des einflussreichen Umweltausschusses im Europaparlament, Pascal Canfin. Der ehemalige Minister des sozialistischen Präsidenten François Hollande hat die Verteidigung des Green Deal und speziell des Gesetzesvorschlags zur Wiederherstellung der Natur zu seinem politischen Steckenpferd gemacht.
Diese Position stellt Renaissance vor ein strategisches Problem: Soll sie Wähler aus dem Mitte-Links-Spektrum ansprechen, die für Umwelt- und Klimafragen empfänglich sind? Oder konservativere Wähler, die von diesem Diskurs eher abgeschreckt werden und für die Wut der Landwirte empfänglich sind?
Im Jahr 2019 war die Nominierung von Pascal Canfin “la surprise du chef” gewesen. Emmanuel Macron hatte ihn vor dem Hintergrund der Klimamärsche zur allgemeinen Überraschung rekrutiert. Als Präsident des WWF Frankreich wurde der ehemalige Grüne als Nummer zwei auf die Liste für die Europawahlen gesetzt. Damals ging es darum, dem französischen Grünen Yannick Jadot etwas entgegenzusetzen. Und damit sind wir wieder bei der Frage: Was tun mit dem grünen Joker, wenn sich der Wind zu drehen scheint?
Aus diesem Grund gehen die Aussagen der verschiedenen Gesprächspartner auseinander. Einige Quellen sehen Pascal Canfin auf dem vierten Platz. Seine Wiederwahl wäre ihm sicher. Andere sehen ihn eher am Ende der Liste, etwa auf Platz 15. Die Umfragen geben der Renaissance-Partei zwischen 15 und 20 Sitze.
Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung zu Pascal Canfin der Renaissance einen Aufschwung in den Umfragen ermöglicht. Bislang steht der Wahlkampf unter keinem guten Stern: Valerie Hayer liegt zwar in den Umfragen an zweiter Stelle, aber immer noch weit hinter Jordan Bardella, dem Kandidaten der Rassemblement National. Und der Abstand zum dritten Kandidaten, Raphaël Glucksmann, wird immer geringer. Der Sozialist spricht eben jene Mitte-Links-Wählerschaft an, die Canfin gewinnen sollte.
heute Abend veranstalten die europäischen Grünen in Brüssel eine große Wahlparty mit dem Titel “Choose courage”. Die beiden Spitzenkandidaten Terry Reintke und Bas Eickhout werden ihre Vision für Europa in den nächsten fünf Jahren vorstellen. Die Veranstaltung ist aber vor allem ein “Aufruf an alle Mitgliedsparteien, Partner, Aktivisten, die Zivilgesellschaft, Freiwillige und alle Unterstützer, die sich ein nachhaltiges, gerechtes und demokratisches Europa wünschen”.
Das klingt wie der Aufruf an die grünen Parteitruppen in einem politischen Kontext, in dem die Partei mit ihren Themen in die Defensive geraten ist. Bauernproteste, Inflation, die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine – die Gründe sind vielfältig. Dabei werden die Auswirkungen der globalen Erwärmung immer stärker spürbar.
“Bei den letzten Europawahlen 2019 gab es Klimamärsche und es war politisch kostspielig, sich gegen den Green Deal zu stellen. Heute ist es politisch profitabel”, sagt Philippe Lamberts, Co-Fraktionschef der Grünen im Europäischen Parlament. Die Grünen müssten also bei der Wahl “das Spiel ihres Lebens” liefern.
Kommen Sie gut ins Wochenende!
Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Bei ihrem Gipfel Mitte April vereinbarten die Staats- und Regierungschefs, die Arbeit im Rat und in der Kommission an allen nötigen Maßnahmen “unverzüglich fortzusetzen”, um wirklich integrierte europäische Kapitalmärkte zu schaffen. Der erste Punkt auf der Liste: Die “Harmonisierung der relevanten Aspekte der nationalen Insolvenzrahmen für Unternehmen”.
Doch hinter den entschlossen klingenden Formeln der Schlussfolgerungen verbergen sich starke politische Widerstände. Ökonomen drängen nicht erst seit dem aktuellen Vorstoß von Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron darauf, die rechtlichen Rahmen für Insolvenzen anzugleichen, um Anlegern Investitionen im EU-Ausland zu erleichtern und somit mehr Kapital grenzüberschreitend freizusetzen. Doch geschehen ist bislang wenig.
Eine Harmonisierung des Insolvenzrechts würde es Investoren erleichtern, das Ausfallrisiko einzuschätzen, wenn sie Aktien, Anleihen oder Fonds in anderen EU-Ländern kauften, sagt Sebastian Mack, Senior Policy Fellow am Jacques Delors Centre der Berliner Hertie School. “Die Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten unterscheiden sich aber erheblich, die Justizministerien tun sich sehr schwer, ihre vertrauten Systeme aufzugeben.” In den USA seien die Voraussetzungen deutlich besser, da der Rechtsraum dort weitgehend einheitlich sei.
In Europa ist das Insolvenzrecht bisher eine nationale Angelegenheit. Erste Anläufe für eine Konvergenz gab es bereits Anfang der 1960er-Jahre, doch echte Fortschritte blieben lange aus. Unter der Juncker-Kommission einigten sich die Mitgliedstaaten dann 2019 auf die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz. Diese setzte gemeinsame Prinzipien für die Prävention von Insolvenzen und erleichterte es den Schuldnern, im Rahmen der Restrukturierung ihre Schulden loszuwerden.
Im Dezember 2022 legte die EU-Kommission dann nach: Sie präsentierte einen Richtlinienvorschlag, der drei der wichtigsten Aspekte des Insolvenzrechts adressieren soll: die Verwertung von Vermögenswerten aus der Insolvenzmasse, die Effizienz des Verfahrens und die gerechte Berücksichtigung der Gläubiger.
Eineinhalb Jahre nach der Vorlage ist der Vorschlag aber kaum vorangekommen, weder im Rat noch im Europaparlament. Das Bundesjustizministerium in Berlin unterstütze zwar den Richtlinienvorschlag als eine Maßnahme zur Förderung der Konvergenz der nationalen Insolvenzsysteme, sagt eine Sprecherin des BMJ. Aber: “Am konkret vorgelegten Text besteht weitreichender Überarbeitungsbedarf.” Das verdeutlichten auch die Reaktionen der überwiegenden Anzahl der Mitgliedstaaten sowie der Verbände.
Bislang, so die BMJ-Sprecherin, sei die Ratsarbeitsgruppe nur mit einem Teil des Vorschlags befasst worden, der das Insolvenzanfechtungsrecht betreffe. “Das hier einhellig befürwortete Votum ging dahin, den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität für die Ausgestaltung des Rahmens zu geben.”
Auch im Europaparlament kommt der Richtlinienvorschlag bislang kaum voran. Der belgische Abgeordnete Pascal Arimont (EVP), Berichterstatter des federführenden Rechtsausschusses, hat seinen Bericht mehrfach verschoben und will ihn nun erst nach der Europawahl im Juni vorlegen. Einzig der Wirtschafts- und Währungsausschuss hat bislang eine Stellungnahme abgegeben, auf Initiative des SPD-Abgeordneten René Repasi.
Repasi sieht bei dieser Richtlinie “einen ganz klaren nationalen Reflex”. Jeder Mitgliedsstaat sehe sein Insolvenzrecht als das Beste an, sagt der Professor für Europarecht. Durch die 27 verschiedenen Insolvenzrechtsregime würden aber “Probleme geschaffen, die mit einer europäischen Lösung adressiert werden müssen”.
Aber auch von Interessenvertretern kommt Kritik am Vorschlag der EU-Kommission. Der Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) urteilt in einer ausführlichen Stellungnahme: “Wenngleich ein Zusammenrücken innerhalb der Europäischen Union und im Konkreten die weitere Harmonisierung im Insolvenzrecht zu begrüßen ist, sind jedoch Anlass und Ausgestaltung des Richtlinienvorschlags sehr kritisch zu hinterfragen”.
Auf das Ziel der Kapitalmarktunion können sich also alle einigen, doch die Umsetzung im Konkreten läuft gegen viele Widerstände. Dabei besteht durchaus Handlungsbedarf. Das zeigt sich besonders eindrücklich, wenn man die durchschnittliche Erlösquote in verschiedenen EU-Staaten betrachtet. Die Erlösquote bezeichnet den Anteil der Kreditsumme, den Kreditgeber bei einem Zahlungsausfall des Schuldners rückerstattet erhalten.
Laut einer Studie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) aus dem Jahr 2020 erhielten Kreditgeber in Griechenland nur fünf Prozent des verliehenen Kapitals zurück, während es in Luxemburg fast 75 Prozent waren. Auch bei den großen Ländern finden sich deutliche Unterschiede. In Deutschland erhalten Kreditgeber durchschnittlich 49 Prozent zurück, in Frankreich nur 34 Prozent, in Spanien jedoch 66 Prozent. Die Unterschiede gehen darauf zurück, dass jedes nationale Insolvenzrecht die Gläubigerhierarchie im Fall einer Zahlungsunfähigkeit anders regelt.
Dies ist ein Problem für die Kapitalmarktunion. Denn die Vorhersehbarkeit der Insolvenzregeln in einem Land sind ein zentraler Faktor für Investoren. Eine kürzlich erschienene Studie der französischen Nationalbank argumentiert, dass Finanzmarktinvestoren meist weniger Einsicht in die Solvabilität ihrer Investitionsziele haben als Banken. Die Unterschiede zwischen den nationalen Rechtssystemen wirkten deshalb als Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen.
Laut den Experten der französischen Nationalbank würde eine Harmonisierung der Insolvenzregeln helfen, einen pan-europäischen Markt für Finanzprodukte zu schaffen. Zudem würde sie Transaktionskosten reduzieren und Risikokosten senken.
Angesichts der festgefahrenen Situation hat der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta eine neue Alternative ins Spiel gebracht: ein “europäisches Unternehmensgesetzbuch”, in das dann auch ein harmonisiertes Börsen- und Insolvenzrecht einfließen soll. Letta spricht von einem “28. Regime“, das den 27 nationalen Rechtssystemen an die Seite gestellt werden solle. Die Betroffenen könnten dann wählen, welches für sie gilt. “Das kann ein Ausweg in vielen Feldern sein, wenn Staaten ihre jahrhundertealten Rechtstraditionen und -kulturen nicht aufgeben wollen”, sagte er der FAZ.
Der Vorschlag eines 28. EU-Regimes verdiene “nähere Prüfung“, heißt es dazu im BMJ. Dabei gelte es allerdings zu berücksichtigen, dass “das Insolvenzrecht aus Regelungen besteht, die allseitig wirken und dabei zwingend sind.” Das setze der Möglichkeit des Einsatzes eines auf Rechtswahl setzenden Modells Grenzen, die im Einzelnen auszuloten seien.
Makroökonomische Steuerung und das Ziel der Dekarbonisierung stehen in einem angespannten Verhältnis, das zeigte sich in der Inflationsepisode der vergangenen zwei Jahre. Ein Angebotsschock ließ zuerst die Energiepreise in die Höhe schnellen, was in den folgenden Monaten zu Preiserhöhungen bei allen anderen Produktgruppen führte.
Um der Inflation entgegenzuwirken, erhöhte die EZB die Zinsen. Die Inflation beruhigte sich, aber der Preis dafür waren stark erhöhte Investitionskosten, unter anderem für Dekarbonisierungsprojekte. Insbesondere die Windenergiebranche litt darunter, da sie hohe Kapitalkosten aufweist.
“Erneuerbare Energien haben in der Regel viel höhere Vorab-Investitionskosten und sind zu Beginn kapital-intensiver als fossile Energien”, sagt Grégory Claeys. Der Senior Fellow beim wirtschaftspolitischen Think-Tank Bruegel hat mit Kollegen ein neues Buch zum Zusammenspiel zwischen Makroökonomie und Dekarbonisierung herausgegeben. Die EU brauche viel mehr grüne Investitionen und eine auf Innovation getrimmte Industriepolitik, so die Autoren.
Doch wie soll das finanziert werden? Angesichts der angespannten Staatskassen und den neu eingeführten EU-Schuldenregeln könne man sich vonseiten der Mitgliedstaaten nicht viel erwarten. Mittelfristig komme man um ein europäisches Investitionsprogramm nicht herum, sagt Claeys. Seiner Meinung nach sollen dafür unter anderem die Einkünfte aus dem Emissionshandelssystem genutzt werden. Dies würde die Staatsfinanzen schonen.
Doch das ist einfacher gesagt als getan. Während der Buchpräsentation in Brüssel erinnerte die Direktorin der Generaldirektion Klima der EU-Kommission, Yvon Slingenberg, daran, dass die Kommission schon im Herbst 2022 einen europäischen Souveränitätsfonds vorgeschlagen hatte. Unter anderem sollte dieser durch Einkünfte aus dem Emissionshandel finanziert werden. Das sei aber für Mitgliedstaaten nicht akzeptabel gewesen.
“Finanzminister tendieren dazu, konservativ zu sein – auf ihre ganz eigene Art und Weise. Ich weiß nicht, ob Staatschefs von ihren Finanzministern gebrieft werden, oder sie waren zuvor selbst Finanzminister”, sagte sie in einer Anspielung auf Bundeskanzler Olaf Scholz.
Bruegel-Gründer Jean Pisani-Ferry warnte davor, sich zu stark auf die klassische Ökonomenantwort der CO₂-Bepreisung zu verlassen. Einige Ökonomen seien Befürworter dieses einzigen Instruments geworden. Aber: “Eine Ein-Instrument-Politik wird nicht genügen. Es braucht eine gemischte Strategie”, sagte der ehemalige Macron-Berater. Er erinnerte auch daran, dass CO₂-Preise ärmere Leute überproportional treffen würden.
Weil politischer Handlungsspielraum bei der Fiskalpolitik sowohl auf der Ausgabenseite wie auf der Einnahmeseite beschränkt scheint, werden vermehrt Stimmen laut, welche die Geldpolitik für die Dekarbonisierungsmission einspannen wollen. In der vergangenen Woche öffnete der französische Präsident Emmanuel Macron die Türe für diese Diskussion. “Wir müssen die theoretische und politische Debatte darüber [beginnen], wie wir in die Ziele der Europäischen Zentralbank zumindest ein Wachstumsziel oder sogar ein Ziel der Dekarbonisierung … aufnehmen können. Dies ist absolut unerlässlich“, sagte er während seiner Sorbonne-Rede.
Progressive NGOs und Think-Tanks versuchen das Thema schon länger an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch im gestern veröffentlichten “Green Industrial Deal” der europäischen Grünen ist die Forderung zu finden.
Claeys unterscheidet zwei Möglichkeiten, wie die EZB mehr Klimainvestitionen fördern könnte. Erstens könnte sie in ihrer Rolle als oberste Bankaufseherin grüne Kredite vorteilhafter bewerten als Kredite in fossile Energien. Dies könnte sie mit der Begründung tun, dass “stranded assets” ein Risiko für die Finanzstabilität darstellen. Zweitens könnte sie grüne Investitionen durch differenzierte Zinsen in ihrer Geldpolitik stärker fördern.
Während sich Claeys für die erste Option ausspricht, warnt er vor der zweiten. “Eine Bevorzugung grüner Investitionen in der Geldpolitik der Zentralbank ist sehr gefährlich im aktuellen institutionellen Rahmen”, sagte er. Um an der aktuellen Priorisierung der Preisstabilität zu rütteln, müssten die Verträge angepasst werden, und das sei politisch höchst anspruchsvoll.
Die EZB müsse sich überlegen, wie sie in Zukunft mit Angebotsschocks umgehen solle, zumal diese in Zukunft wegen des Klimawandels und der geopolitischen Spannungen gehäuft vorkommen dürften. Bei temporären Schocks, wie jenem vor zwei Jahren, müsse die EZB genauer überlegen, wie sie reagiere. Aber: “Man kann keine zyklischen Instrumente benutzen, um ein strukturelles, langfristiges Problem zu lösen”, sagte Claeys.
Stattdessen sollte die EU stärker auf öffentliche Entwicklungsbanken setzen. Die Europäische Investitionsbank (EIB), aber auch nationale Entwicklungsbanken wie die KfW seien ideal positioniert, um die Investitionen in die Dekarbonisierung anzukurbeln. “Die sind dafür da, mit strukturellen Problemen umzugehen”, argumentiert Claeys.
Die öffentlichen Entwicklungsbanken können ebenfalls Darlehen mit niedrigeren Zinsen für Transformationsprojekte anbieten, also das, was die Befürworter einer “grünen” Zentralbank erreichen wollen. Nur sei dieses Ziel effizienter und politisch einfacher über die Entwicklungsbanken zu erreichen. “Ich finde, man spricht nicht genug über die EIB”, sagt Claeys.
07.05.2024 – 09:00 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Debatten zur Ukraine, zu Palästina, zum Engagement der EU in fragilen Kontexten und zu laufenden Angelegenheiten. Vorläufige Tagesordnung
07.05.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (Sozialpolitik)
Themen: Allgemeine Ausrichtung zur Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, Billigung der Schlussfolgerungen zur Stärkung der wirtschaftlichen Stellung und finanziellen Unabhängigkeit von Frauen (auf dem Weg zu einer echten Gleichstellung von Frauen und Männern), Informationen des Vorsitzes und der Kommission zur Umsetzung des Beitritts der EU zum Übereinkommen von Istanbul (Sachstand). Vorläufige Tagesordnung
08.05.2024
EuGH-Urteil zu staatlichen Beihilfen
Themen: Ryanair ficht einen Beschluss der EU-Kommission von 2021 vor dem EuGH an, der Deutschland eine Umstrukturierungshilfe in Höhe von 321,2 Millionen Euro zur Wiederherstellung der Rentabilität der Charterfluggesellschaft Condor zubilligte. Klage
Die grünen Europaabgeordneten Bas Eickhout, Sara Matthieu und Michael Bloss haben am Donnerstag ein Papier mit ihrer Vision für eine nachhaltige europäische Industriepolitik vorgestellt. Darin fordern sie eine Politik, die sich nicht nur die CO₂-Emissionen in Industrieprozessen angeht, sondern die Transformation aktiv gestaltet und etwa Quoten für grüne Produkte schafft.
Sie fordern konkret:
Die drei Parlamentarier haben das Papier ohne vorherige Abstimmung innerhalb der Grünen-Fraktion im EU-Parlament oder der Europäischen Grünen Partei veröffentlicht. Mit Bas Eickhout gehört einer der beiden Grünen-Spitzenkandidaten für die Europawahl zu den Autoren. Der deutsche Abgeordnete Bloss sagte, er erhoffe sich eine Debatte über die Zukunft des Green Deals, der durch den “Green Industrial Deal” ergänzt werden solle. Als Bedingung für die Unterstützung einer zweiten Amtszeit von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will er das Papier nicht werten. luk
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend in Paris empfangen – wenige Tage vor dem Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Frankreich. Es handele sich bei dem Treffen von Macron und Scholz um ein privates Abendessen, teilte der Élysée-Palast mit, ohne weitere Details zu nennen.
Chinas Staats- und Parteichef Xi besucht am Montag und Dienstag nach fast fünf Jahren im Rahmen einer Europareise wieder Frankreich. Erwartet wird, dass Macron und Scholz sich über gemeinsame Positionen zum Besuch von Xi abstimmen werden. Scholz war bereits am Mittwoch in der französischen Hauptstadt eingetroffen, ohne dort aber offizielle Termine wahrzunehmen.
Der Besuch von Scholz in Paris ist Teil des Bemühens, Missklänge zwischen beiden Ländern auszuräumen, die zuletzt häufiger aufgetreten waren, und den Draht zwischen den beiden Spitzenpolitikern zu verbessern. Am Donnerstag gaben Berlin und Paris außerdem bekannt, dass Macron seinen im vergangenen Jahr wegen Unruhen in Frankreich abgesagten Staatsbesuch in Deutschland nun von 26. bis 28. Mai nachholt.
Am 26. Mai wird Macron mit militärischen Ehren im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt. Dann nehmen beide Präsidenten an einem Demokratiefest aus Anlass des 75. Geburtstag des Grundgesetzes und 35 Jahre friedliche Revolution in Ostdeutschland teil. Ende Mai ist zudem ein deutsch-französisches Ministertreffen im Gästehaus der Bundesregierung im brandenburgischen Meseberg geplant.
Erste Station von Xi in Frankreich am Montag ist Paris, wo neben bilateralen Gesprächen mit Macron auch ein Dreiertreffen mit Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geplant ist, wie der Élysée-Palast mitteilte. Eine Teilnahme von Scholz an den Gesprächen mit Xi sei nicht geplant, Frankreich stimme sich aber eng mit Deutschland ab, hieß es. Vor Macrons Besuch in China vor einem Jahr habe der französische Präsident sich vorab ebenfalls mit Scholz abgesprochen.
Macron will den anstehenden Staatsbesuch von Xi Jinping nutzen, um China in zentralen globalen Sicherheitsfragen stärker in den Fokus zu nehmen. Als Europäer sei es das Interesse, “zu erreichen, dass China sich für die Stabilität der internationalen Ordnung einsetzt”, sagte der Präsident in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem britischen Magazin The Economist. Ein destabilisierendes Russland oder ein in Konflikte eskalierender Mittlerer Osten seien nicht im Interesse Pekings. “Es muss daher mit China gearbeitet werden, um Frieden zu schaffen.”
Auch beim Klimaschutz und dem Problem einer Ausweitung von Atomwaffenprogrammen will Macron demnach stärker mit China, aber auch den USA zusammenarbeiten. “Es muss alles getan werden, um China bei den großen globalen Fragen einzubinden”, sagte Macron. Bei dem Besuch Xis am Montag und Dienstag in Frankreich geht es Frankreichs Präsidenten auch um die Wirtschaftsbeziehungen. Man brauche China gegenüber ein respektvolles Verhalten, das aber die eigenen Interessen schützt, so Macron. fpe/dpa/rtr
In der aktuellen Diskussion über Anreize für gemeinsame europäische Rüstungsbeschaffungen will der grüne Bundestags-Abgeordnete Anton Hofreiter einen zusätzlichen EU-Fonds etablieren. Dieser Fonds solle die neue “Buy European”-Strategie der EU befördern. “Wenn mehrere EU-Mitgliedstaaten eine gemeinsame Beschaffung durchführen, erhalten sie 20 Prozent der Kosten der Beschaffung aus dem Fonds erstattet”, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union Table.Briefings.
Im März ist die Europäische Strategie für die Verteidigungsindustrie (EDIS) verabschiedet worden. Die Strategie zielt darauf ab, die Defizite in der Verteidigungsbereitschaft der EU zu beheben und soll die Regierungen der Mitgliedstaaten ermuntern, Rüstungsgüter vermehrt bei europäischen Herstellern zu beschaffen, um die Abhängigkeit von den USA zu verringern. Über ein Finanzierungsprogramm stehen zwischen 2025 und 2027 rund 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zur Verfügung. Nicht viel Geld, wenn es um Waffenproduktion geht.
Offen ließ Hofreiter, welche Kriterien für diesen 20-prozentigen Rabatt gelten müssten, um “auf leichte und unbürokratische Weise gemeinsame Beschaffungen zu fördern”. Eines der Kriterien sollte sein, “dass mindestens 80 Prozent der Beschaffungssumme in Europa verausgabt wird”. In den letzten zwei Jahren sind rund 80 Prozent der europäischen Rüstungsgüter außerhalb der EU bestellt worden, davon allein 60 Prozent in den USA.
Die EU müsse bei der Finanzierung noch aktiver werden, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für Europäische Angelegenheiten im Bundestag. Nur so ließen sich Länder mit so unterschiedlichen Rüstungsindustrien wie Deutschland und Frankreich auf gemeinsame Vorhaben verpflichten. “Das ist die berühmte Karotte, die man der Industrie vor die Nase halten muss.”
Der Erfolg der Strategie wird auch davon abhängen, ob die Mitgliedstaaten und ihre Verteidigungsindustrien mitziehen. Ob es ein “Made in Europe” gibt, für das der französische Präsident Emmanuel Macron Ende April bei seiner zweiten Sorbonne-Rede geworben hat, liege nicht zuletzt an der Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich. nana
Die EU stellt dem Libanon über die nächsten drei Jahre Finanzhilfen in der Höhe von insgesamt einer Milliarde Euro zur Verfügung, wie Ursula von der Leyen am Donnerstag nach einem Treffen mit Premierminister Naji Mikati in Beirut bestätigte. Die Mittel sollen dazu dienen, den Libanon zu stabilisieren und die Zahl syrischer Flüchtlinge, die mit Booten nach Zypern übersetzen, zu reduzieren. Die Kommissionspräsidentin war zusammen mit Zyperns Präsident Nikos Christodoulides in den Libanon gereist.
Zwei Drittel der Mittel, beziehungsweise 736 Millionen Euro, sollen in die Steuerung der Migration und die Betreuung der syrischen Flüchtlinge fließen. Die Gelder sollen für Schulen und für das Gesundheitssystem zur Verfügung stehen. Unterstützung gibt es aber auch für Grenzbehörden und die Streitkräfte. Es gehe vor allem um die Bereitstellung von Ausrüstung und Ausbildung, sagte Ursula von der Leyen in Beirut. Teil der Vereinbarung ist auch, dass die EU legale Wege nach Europa offen hält und mithilft, Flüchtlinge aus dem Libanon in Mitgliedstaaten umzusiedeln, wie die Kommissionspräsidentin betonte.
Ein Drittel oder 264 Millionen Euro fließen über das EU-Instrument der Nachbarschaftspolitik (NIDICI) in Programme, die zur Stabilisierung des Landes beitragen sollen. Bei der EU-Kommission wird betont, dass die Mittel nicht aus Umschichtungen stammen. Es gehe um neue Gelder, die bei der jüngsten Revision des MFR unter anderem für den Bereich der Migration reserviert worden seien. Hintergrund der Hilfen nach dem Modell ähnlicher Vereinbarungen mit Tunesien oder Ägypten ist die Tatsache, dass in den letzten Monaten fast täglich Dutzende bis Hunderte Syrer aus dem gut 160 Kilometer entfernten Libanon mit Booten in Zypern angekommen sind. Die Behörden der Inselrepublik haben seit Anfang des Jahres 4000 Migranten gezählt, ein vielfaches mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres.
“Wir können nicht einfach weiter business as usual machen”, sagte Zyperns Präsident Christodoulidis. Die Situation sei weder für den Libanon noch für Zypern akzeptabel. Libanons Regierungschef Mikati zog ebenfalls klare Grenzen. Sein Land könne nicht zum “alternativen Heimatland” für syrische Flüchtlinge werden. Behörden und Sicherheitskräfte im Libanon haben zuletzt den Druck auf Syrer massiv erhöht, in ihre Heimat zurückzukehren. Libanons Regierungschef und Zyperns Präsident forderten beide, die Lage in Syrien mit Blick auf die Sicherheitslage neu zu evaluieren, ob Flüchtlinge nicht in bestimmte Regionen zurückkehren könnten. sti
Weniger als sechs Wochen vor den Europawahlen schaltet Renaissance einen Gang höher. Die Zusammensetzung der Liste, die von der Vorsitzenden der Renew-Fraktion, Valérie Hayer, angeführt wird, soll am heutigen Freitag in Paris bekannt gegeben werden, wie Brüsseler und Pariser Quellen bestätigen. Am darauffolgenden Montag will das Lager des französischen Präsidenten Emmanuel Macron dann das Programm vorstellen, einen Tag vor einer wichtigen Wahlveranstaltung in Paris. Die Idee sei es, bis zum Europatag am 9. Mai in “Schlachtordnung” zu sein, heißt es dort.
Der Kampf um die besten Listenplätze bei Renaissance dreht sich insbesondere um den Vorsitzenden des einflussreichen Umweltausschusses im Europaparlament, Pascal Canfin. Der ehemalige Minister des sozialistischen Präsidenten François Hollande hat die Verteidigung des Green Deal und speziell des Gesetzesvorschlags zur Wiederherstellung der Natur zu seinem politischen Steckenpferd gemacht.
Diese Position stellt Renaissance vor ein strategisches Problem: Soll sie Wähler aus dem Mitte-Links-Spektrum ansprechen, die für Umwelt- und Klimafragen empfänglich sind? Oder konservativere Wähler, die von diesem Diskurs eher abgeschreckt werden und für die Wut der Landwirte empfänglich sind?
Im Jahr 2019 war die Nominierung von Pascal Canfin “la surprise du chef” gewesen. Emmanuel Macron hatte ihn vor dem Hintergrund der Klimamärsche zur allgemeinen Überraschung rekrutiert. Als Präsident des WWF Frankreich wurde der ehemalige Grüne als Nummer zwei auf die Liste für die Europawahlen gesetzt. Damals ging es darum, dem französischen Grünen Yannick Jadot etwas entgegenzusetzen. Und damit sind wir wieder bei der Frage: Was tun mit dem grünen Joker, wenn sich der Wind zu drehen scheint?
Aus diesem Grund gehen die Aussagen der verschiedenen Gesprächspartner auseinander. Einige Quellen sehen Pascal Canfin auf dem vierten Platz. Seine Wiederwahl wäre ihm sicher. Andere sehen ihn eher am Ende der Liste, etwa auf Platz 15. Die Umfragen geben der Renaissance-Partei zwischen 15 und 20 Sitze.
Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung zu Pascal Canfin der Renaissance einen Aufschwung in den Umfragen ermöglicht. Bislang steht der Wahlkampf unter keinem guten Stern: Valerie Hayer liegt zwar in den Umfragen an zweiter Stelle, aber immer noch weit hinter Jordan Bardella, dem Kandidaten der Rassemblement National. Und der Abstand zum dritten Kandidaten, Raphaël Glucksmann, wird immer geringer. Der Sozialist spricht eben jene Mitte-Links-Wählerschaft an, die Canfin gewinnen sollte.