wohl selten war das Interesse an einer Wahl in Spanien außerhalb des Landes so groß wie diesmal. Welche Folgen sie im Land haben wird, ist noch nicht vorhersehbar. Dagegen lassen sich die Konsequenzen auf die Europapolitik an drei Punkten skizzieren:
Meine Kollegin Isabel Cuesta Camacho analysiert in ihrem Beitrag über den Tag danach, ob und wie das Patt im spanischen Parlament aufgelöst werden könnte.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis in eigener Sache: Heute starten unsere Kollegen vom Agrifood.Table unter der Leitung von Henrike Schirmacher mit ihrer ersten Ausgabe. Sie berichten über die Agrar- und Ernährungspolitik auf nationaler und europäischer Ebene und analysieren die Entwicklungen für alle, die in Politik, Unternehmen oder Verwaltungen im Agrar- und Lebensmittelsektor entscheiden müssen. Hier können Sie das Angebot kostenlos testen.
Viel Lebensfreunde wünscht Ihnen
Spanien steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Sowohl den rechten als auch den linken Parteien wird es schwerfallen, die für eine Parlamentsmehrheit von 176 Sitzen erforderlichen Bündnisse zu schließen. Alberto Núñez Feijóo, Vorsitzender der Volkspartei (PP) und Gewinner der Wahlen, hat dabei schlechtere Aussichten, Ministerpräsident zu werden, als sein Rivale Pedro Sánchez (PSOE).
Der Sozialist könnte sich das Amt erneut sichern, wenn er den Forderungen der separatistischen Parteien nachgibt. Junts per Catalunya, die Partei des Europaabgeordneten Carles Puigdemont, der seit fünf Jahren auf der Flucht vor der spanischen Justiz ist, könnte der Schlüssel zur Wiederwahl von Sánchez sein. Eine Koalition zwischen den großen Parteien, PP und PSOE, scheint dagegen ausgeschlossen.
Auf der Sitzung des Vorstandes seiner Partei am Montag erklärte Sánchez gestern, dass er weder mit einer Blockade noch mit einer Wiederholung der Wahlen rechne. Offenbar rechnet er sich gute Chancen aus, ein Regierungsbündnis auf die Beine zu stellen.
Die PSOE (122 Sitze) kommt gemeinsam mit dem Linksbündnis Sumar (31) auf 153 Sitze. Rechnen die bisherigen Koalitionspartner die Sitze ihrer nationalistischen Verbündeten aus der laufenden Legislaturperiode hinzu, kämen sie auf 167 Abgeordnete. Dazu zählen sieben Abgeordnete der Esquerra Republicana per Catalunya (ERC), sechs von der baskischen EH Bildu und einen vom Bloque Nacionalista Galego (BNG). Sie würden die fünf Abgeordneten der PNV (Plan Nacional Vasco) benötigen, um einen möglichen Mitte-Rechts-Block zu besiegen, der aus 171 Abgeordneten der PP (136), Vox (33), UPN (1) und der Coalición Canaria (1) besteht.
Um eine absolute Mehrheit von 176 Sitzen zu erreichen, bräuchte Sánchez daher die sieben Abgeordneten von Puigdemonts Partei Junts. Die zuständige Staatsanwaltschaft forderte am Montag den Richter des Obersten Gerichtshofs auf, erneut die Festnahme von Puigdemont und dem ehemaligen katalanischen Minister Antoni Comín anzuordnen. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof deren Immunität aufgehoben.
Junt-Spitzenkandidatin Miriam Nogueras machte aber klar, dass sie Bedingungen stellen wird: “Wir werden Pedro Sánchez nicht zum Präsidenten machen, wenn wir dafür nichts bekommen“, sagte sie. “Unsere Priorität ist Katalonien, nicht die Regierbarkeit des spanischen Staates.” Gabriel Rufián, Vorsitzender der ERC, forderte seinerseits baskische und katalanischen Separatisten auf, einen “hohen” Preis für eine erneute Amtszeit von Sánchez zu verlangen. “Der Separatismus kann der entscheidende Faktor sein”, sagte er.
Die PP legte bei diesen Wahlen stark zu, von 89 Abgeordneten im Jahr 2019 auf nun 136. Parteichef Feijóo blieb aber unter dem in Umfragen vorhergesagten Ergebnis von 145 bis 150 Sitzen. Die Angst vor einer Regierungsbeteiligung von Vox half offenbar PSOE und Sumar, ihre Anhänger zu mobilisieren.
2019 hatten die drei rechten Parteien PP, Vox und Ciudadanos noch zusammen 151 Sitze erreicht. Ciudadanos trat am Sonntag nach der verheerenden Niederlage bei den Regionalwahlen im Mai gar nicht mehr an, auch Vox büßte deutlich ein im Vergleich zu 2019.
Seit Feijóo im April 2022 Präsident der PP wurde, gelang es ihm zwar, der Partei einen deutlichen Schub zu geben. Doch die Suche nach Bündnispartnern fällt ihm schwer. “Seit heute Morgen stehe ich mit verschiedenen politischen Kräften in Kontakt, um eine stabile Regierung zu bilden”, sagte er nach Gesprächen mit UPN, Coalición Canaria, PNV und Vox.
Bis es eine neue Regierung gibt, bleibt Sánchez amtierender Regierungschef und somit auch für die EU-Ratspräsidentschaft zuständig. Die endgültige Auszählung der Stimmen wird vom bis 31. Juli von den Wahlvorständen der Provinzen vorgenommen, in denen auch die Stimmen aus dem Ausland gezählt werden. Am 17. August konstituieren sich das neue Parlament und der Senat.
In den Tagen nach Beginn der neuen Legislaturperiode wird König Felipe VI. die Fraktionsvorsitzenden zu Beratungen in den Zarzuela-Palast einladen und befragen, wer ihrer Meinung nach die größte Unterstützung für die Bildung einer Regierung hat. Bislang wurde stets der Chef der größten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt, allerdings könnte es wegen der fehlenden Mehrheitsoptionen für Feijóo diesmal anders sein. Erhält ein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, wird er als Ministerpräsident vereidigt. In einem zweiten Wahlgang, 48 Stunden später, reicht eine einfache Mehrheit der Ja-Stimmen.
Vom Krieg ohnehin schon gebeutelt, trifft der geplatzte Grain Deal die auf Export angewiesene ukrainische Landwirtschaft bis ins Mark. “Unserer Branche geht langsam das Geld aus”, sagt Alex Lissitsa, Chef der Agrar-Unternehmensgruppe IMC, der jetzt mit sinkenden Preisen für ukrainisches Getreide und steigenden Logistikkosten rechnet. “Der Erlös beim Verkauf von Winterweizen deckt noch nicht einmal die Produktionskosten”. Russland hingegen – ebenfalls globaler Getreideexporteur – gerät in die komfortable Lage, Weizen auf dem Weltmarkt zu höheren Preisen exportieren zu können.
Die Vereinten Nationen sowie China kritisierten Putin für das Aussetzen des Abkommens. Sie befürchten Hungersnöte, insbesondere in Afrika. Die Führung in Peking forderte Putin explizit auf, die Ausfuhren ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer wieder zuzulassen. Putin rechtfertigt den Stopp des Abkommens damit, dass sowieso nur ein geringer Teil der Ernte-Exporte armen Staaten im Rest der Welt zugutekämen. Russland habe kein Interesse daran, ukrainisches Getreide auf den Weltmarkt kommen zu lassen, sagt Tobias Heidland, Direktor für Internationale Entwicklung am Kieler Institut für Weltwirtschaft, im Interview mit Africa.Table. Dieses Geschäft wolle Putin selbst machen und er wolle diplomatisch von der Lebensmittel- und Düngemittelkrise profitieren.
Beide Länder haben nach Ende des Getreide-Abkommens erklärt, Schiffe, die die Häfen des anderen Landes anlaufen, als potenzielle Träger militärischer Fracht zu betrachten. Aktuell sieht es so aus, als schade sich Putin auch selbst. Deutlich weniger Schiffe steuern russische Häfen an. Dennoch erklärt Putin, Russland sei mit Blick auf eine Rekordernte bereit, ukrainische Getreidelieferungen zu ersetzen. Sollte der Weizenexport der Ukraine und Russlands über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt werden, würde das zu einem massiven Angebotsdefizit auf dem Weltmarkt führen, analysiert der Börsenmakler Kaack Terminhandel.
Aktuell wird Weizen, Raps und Gerste in der Ukraine gedroschen. “Niemand weiß, ob wir unsere Ernte in diesem Jahr überhaupt noch verkaufen können”, sagt Lissitsa. Die ukrainische Landwirtschaft sorge für bis zu 70 Prozent der Exporteinnahmen des Landes. “Die Russen treffen damit gezielt unsere Wirtschaft.”
Der Unternehmer zweifelt daran, ob in dieser Saison noch Waren über den Schwarzmeerhafen Odessa transportiert werden. Durch die russische Bombardierung sei es zu riskant für Reedereien, ihre Schiffe dorthin zu schicken. Weizen und Mais im Wert von rund 10 Millionen Euro lagerten am Schwarzen Meer, ohne Aussicht, verkauft zu werden. “Wir brauchen das Geld dringend, um im September Winterweizen säen zu können”, so Lissitsa. Hinzukommt, dass ab Oktober Lagerkapazitäten für die Ernte von Mais, Sojabohnen und Sonnenblumenkernen gebraucht werden.
Nun will die EU die Kapazitäten auf den alternativen Routen erhöhen. Dazu gehören: Transporte über Flüsse, mit Güterzügen oder Lastwagen. Seit die sogenannten Solidarity Lanes im Mai 2022 starteten, wurden 41 Millionen Tonnen Getreide, Öle und andere Agrarprodukte über die alternativen Routen aus der Ukraine ausgeführt. Beim Getreide macht das 60 Prozent aus, 40 Prozent des gesamten exportierten Getreides wiederum wurden dank der Schwarzmeer-Initiative verschifft. Das zeigen neue Daten der EU-Kommission.
Bezüglich der Transportroute über die Donau zum rumänischen Hafen Constanza ist Agrarunternehmer Lissitsa wenig optimistisch: “Kollegen, die Getreideterminals an der Donau besitzen, rechnen in den kommenden Sommermonaten mit Niedrigwasser.”
Komplikationen gibt es auch nach wie vor an der westlichen Grenze zu Polen und Ungarn. Bis zum 15. September gestattet die EU lediglich den Transit von vier landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Weizen, Mais, Rapssamen und Sonnenblumenkernen) durch fünf osteuropäische EU-Mitgliedstaaten. Neben Polen und Ungarn betrifft dies auch Bulgarien, Rumänien und die Slowakei. Bislang halten diese Staaten an einem Importverbot fest. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte, man wolle weiterhin eine Destabilisierung des Marktes verhindern.
Die Solidarity Lanes sind jedoch nicht nur für den Export wichtig, sie stellen die einzigen Wege für den Import von Hilfsgütern dar. Die EU baut bessere Verbindungsmöglichkeiten zwischen Polen und der Ukraine sowie zwischen Rumänien und der Republik Moldau aus, neben Straßen- geht es auch um Schienenverbindungen. Insgesamt seien in das Solidaritätsverkehrsprogramm gut eine Milliarde Euro investiert worden, so die EU-Kommission.
Schnell umsetzen lassen sich die Infrastrukturprogramme aber nicht. Hinzu kommen andere Schwierigkeiten, wie etwa der Mangel an Getreidewaggons in Europa. Flüsse lassen sich auch nicht so schnell ausbaggern, um größere Transportschiffe einzusetzen und auch die Zahl der Lastwagen, Lastwagenfahrer sowie der Straßenkapazitäten ist begrenzt. Russland blockiert also die effektivste Exportmöglichkeit der Ukraine und schneidet die Ukraine von etwa 8 bis 9 Milliarden US-Dollar an Einnahmen ab, während russische Exporteure höhere Preise erzielen und Russland damit auch höhere Einnahmen generieren kann.
Mangels Liquidität und fehlender Exportchancen ist es möglich, dass in diesem Jahr noch weniger Winterweizen in der Ukraine gesät und im darauffolgenden Jahr entsprechend noch weniger Getreide geerntet wird. Im Jahr 2022 ist die Getreideernte laut Agrarministerium in Kiew von 86 Millionen auf 50 Millionen Tonnen eingebrochen, berichtet der Bundesverband Der Agrarhandel (DAH). In diesem Jahr sei mit ähnlichen Mengen zu rechnen.
Ukrainische Landwirte schwenken auf Sonnenblumen und Soja um. Das schmälere zwar den Ertrag, aber erfordere auch nur halb so große Lager und Transportkapazitäten, sagt DAH-Geschäftsführer Martin Courbier. “Als kurzfristige Maßnahme sollte das zulässige LKW-Gesamtgewicht für grenzüberschreitende Transporte angehoben werden”, fordert er.
Ob das Getreide-Abkommen wieder aktiviert oder neu verhandelt werden kann – da gehen die Meinungen auseinander. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte noch vor der offiziellen Verkündung aus Moskau für das Ende des Abkommens: Die Initiative sei “Geschichte”. Auch deutsche regierungsnahe Kreise sind eher skeptisch, dass es eine Fortsetzung gibt.
Moskau hat in der Erklärung nicht ausgeschlossen, dass es eine Zukunft für die Schwarzmeer-Initiative geben kann. Seit dem verkündeten Ende zerstört die russische Armee aber systematisch den Hafen von Odessa – einen der drei ukrainischen Exporthäfen der Initiative.
Die Wirtschaftsanalystin Alexandra Prokopenko, die nach dem Verlassen Russlands 2022 nun am Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin forscht, sieht noch nicht das endgültige Ende für das Abkommen gekommen und verweist auf die Abhängigkeit des russischen Präsidenten Putin von der Türkei. Putin werde im August Erdogan treffen und sicher auch über das Getreide-Abkommen sprechen, schreibt sie.
Vor dem Treffen mit Erdoğan findet in dieser Woche das Russia-Africa-Economic-Forum in St. Petersbug statt und knapp vier Wochen später das BRICS-Treffen im südafrikanischen Johannesburg. Putin werde diese Treffen nutzen und die Ukraine sowie den Westen für das Ende des Grain Deals verantwortlich machen, vermuten deutsche Diplomaten. Zugleich sei das auch eine Chance für ihn, sich vielleicht als ein Gönner zu präsentieren und afrikanischen Staaten eigene Hilfe anzubieten. Immerhin hat Russland im vergangenen Jahr Rekordernten eingefahren.
Die vollständige Analyse lesen Sie bei den Kolleginnen und Kollegen des Agrifood.Table.
26.07.-27.07.2023, online
ASEW, Seminar Klimaneutralität mit CCUS & Carbon Dioxide Removal
Die Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) thematisiert innovative Lösungen für den Klimaschutz mit Fokus auf die Abscheidung und Speicherung (CCS) sowie die Nutzung (CCU) von CO2 als wegweisende Ansätze. INFOS & ANMELDUNG
26.07.2023 – 12:30-13:30 Uhr, online
KAS, Vortrag Russland im Fokus – Sicherheitspolitische Herausforderungen und Russland im zweiten Kriegsjahr
Der Russland- und Sicherheitspolitikexperte Nico Lange ist bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zu Gast, um über die Umsetzung der sicherheitspolitischen Zeitenwende und den Zustand der Bundeswehr und NATO zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG
26.06.2023 – 19:00-20:30 Uhr, online
FNF, Workshop Digitalisierung! Aber bitte richtig!
Auf der Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) geben Experten einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der Digitalisierung und diskutieren über die Rolle des Staates im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Privatsphäre. INFOS & ANMELDUNG
27.07.2023 – 09:00-12:00 Uhr, online
ZIA, Workshop Digital Transformation Done Right – So etablieren Sie eine nachhaltige Digitalisierungs- & Innovationskultur
Der Workshop des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) soll Digitalisierungsverantwortlichen und der Geschäftsführungs- und Vorstandsebene von Immobilienunternehmen vermitteln, welche Faktoren den Erfolg einer digitalen Transformation bestimmen sowie Best-Practice-Beispiele aufzeigen. INFOS & ANMELDUNG
Herr Lambsdorff, Russland hat vor kurzem Dutzende deutsche Diplomaten ausgewiesen, es muss drei Konsulate schließen. Dass Sie nun in wenigen Tagen als deutscher Botschafter in Moskau anfangen, ist das trotzdem ein positives Zeichen für deutsch-russische Beziehungen?
Deutschland und Russland haben auch in schwierigsten Zeiten diplomatische Beziehungen zueinander unterhalten, weil das eine Stabilisierung bestimmter Gesprächskanäle mit sich bringt. Und die sind gerade dann wichtig, wenn die Spannungen so sind wie im Moment. Insofern können Sie das als positives Zeichen sehen.
Gibt es denn noch gute Gesprächskanäle? Es wird doch eher darüber diskutiert, Russland etwa aus der OSZE auszuschließen. Damit würden direkte Gespräche noch seltener werden.
Es ist einfach wichtig, einander auch in einer schwierigen Lage zu verstehen, die Politik des jeweiligen Gegenübers zu analysieren und die Regierung zu Hause darüber zu unterrichten. Was die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen angeht, gibt es sehr unterschiedliche Ansichten. Persönlich glaube ich, dass es wichtig ist, bestimmte Foren zu erhalten, in denen auch Vertreter Russlands ihren Platz haben. Aber dass andere Länder das anders sehen können, kann ich nachvollziehen.
Was kann die Bundesregierung tun, um den Krieg in der Ukraine möglichst schnell zu beenden?
Derzeit geht es darum, gemeinsam mit den Verbündeten in der Europäischen Union und der Nato, der Ukraine weiter in ihrem legitimen Recht auf Selbstverteidigung zu helfen, mit dem Ziel, dass Russland von seiner militärischen Aggression ablässt. Das wird in der breiten demokratischen Mitte auch von allen so gesehen, die Union trägt das als größte Oppositionskraft ja mit.
Was bedeutet es Ihrer Meinung nach, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nun doch nicht zum BRICS-Staaten-Treffen nach Südafrika reist?
Ich kann über die Motive von Präsident Putin nicht spekulieren. Wir wissen aber aus Äußerungen der südafrikanischen Regierung, dass es in ihren Augen eine ausgesprochen heikle Situation war. Und allein die Tatsache, dass man dort das Römische Statut hochhält, zeigt, dass die regelbasierte Ordnung da, wo sie noch funktioniert, Wirkung entfaltet. Und wir als Deutsche haben jedes Interesse daran, genau diese regelbasierte Ordnung zu verteidigen, zu stützen und da, wo sie verletzt worden ist, wiederherzustellen. Das ist für uns als tief in Europa integriertes, global exportorientiertes Land mit begrenzten militärischen Mitteln absolut zentral.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll im Herbst eine neue Führung bekommen. Aus der Bundesregierung kommen nun inhaltliche Wünsche an die Kandidatinnen und Kandidaten. “Ich bin der Meinung, dass sich die Europäische Investitionsbank transnationaler aufstellen sollte”, sagte der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Sven Giegold, zu Table.Media. Es gebe hohen Investitionsbedarf in der grenzüberschreitenden Infrastruktur, “die EIB könnte und sollte hier ein Kompetenzzentrum bilden und bei der Finanzierung unter neuer Führung eine wichtige Rolle spielen”.
Giegold bezieht sich dabei auf Stromleitungen, Bahnverbindungen oder Telekomnetze, die auch zwischen den EU-Staaten oft lückenhaft ausgebaut sind. Die grenzüberschreitenden Projekte sind wegen fehlender technischer Kompatibilität und separaten Genehmigungsverfahren in den einzelnen Ländern oft komplex und langwierig, und damit auch wenig attraktiv für Investoren. Die EIB soll nach dem Willen des früheren Grünen-Europaabgeordneten Giegold mehr tun als bislang, um diese Hürden zu beseitigen. Innerhalb der Bundesregierung ist die Forderung aber noch nicht final abgestimmt.
Die Forderung hat dennoch Gewicht, schließlich ist Deutschland mit Frankreich und Italien größter Anteilseigner der EU-Förderbank mit Sitz in Luxemburg. Der langjährige Präsident Werner Hoyer tritt zum Jahresende ab, für seine Nachfolge gibt es bereits mehrere Bewerbungen. Die prominenteste: Die dänische EU-Kommissionsvize Margrethe Vestager. Ebenfalls beworben haben sich der frühere italienische Finanzminister Daniele Franco und die polnische EIB-Vizepräsidentin Teresa Czerwińska. Als weitere mögliche Kandidatin wird die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño gehandelt.
Die Bundesregierung will ihre Unterstützung einer Personalie auch daran knüpfen, ob diese ihre Forderungen zur strategischen Ausrichtung der Bank aufgreifen. Nach eigenen Angaben hat die EIB zwischen 2010 und 2022 bereits 105 grenzüberschreitende Projekte finanziert, mit Krediten in Höhe von rund 20 Milliarden Euro. Ein knappes Drittel der Mittel floss jeweils in Stromnetze und Straßen, knapp ein Viertel in Gasnetze.
Die Bank sieht sich selbst bereits “besonders gut positioniert”, um die Entwicklung grenzüberschreitender Infrastrukturen zu fördern, unter anderem durch technische Beratung und die enge Zusammenarbeit mit der EU-Kommission. Einige der größten Hindernisse könnten aber “nur von Regulierungsbehörden und Regierungen angegangen werden, da sie aus dem komplexen Regulierungsumfeld und mangelnder politischer Unterstützung resultieren”. tho
Die amerikanische Förderung durch den Inflation Reduction Act (IRA) zeigt erste Wirkung in der Solarindustrie. Der Schweizer Zellhersteller Meyer Burger wird Produktionsmaschinen von Bitterfeld-Wolfen in die USA umleiten. “Die Anlagen werden nun am Standort Colorado Springs installiert, um den geplanten Fertigstellungstermin der Zellfabrik im Jahr 2024 einzuhalten”, teilte das Unternehmen am Montag mit. Im Juni hatte der einzige Solarzellenhersteller Europas damit gedroht, seine Produktion wegen des IRA in die USA zu verlagern.
Bis 2032 könne Meyer Burger für das US-Werk mit Steuergutschriften von insgesamt 1,4 Milliarden Euro rechnen, teilte das Unternehmen gestern mit. Hinzu käme ein Paket aus weiteren Steuergutschriften, direkter Förderung sowie vergünstigten Strom- und Wassertarifen im Wert von 90 Millionen Euro der Stadt Colorado Springs und des Bundesstaates Colorado. Für den schnellstmöglichen Produktionsstart habe sich das Unternehmen eine ehemalige Halbleiterfabrik als Standort gesichert und einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen.
Experten hatten bereits vorausgesagt, dass ein Wettrennen um die IRA-Förderung entbrennen wird, bevor die Mittel aufgebraucht sind. Meyer Burger zeigte sich aber weiter offen für den Ausbau der Produktion in Deutschland. Erst Mitte Juli hatte das Unternehmen eine Zusage über 200 Millionen Euro aus dem EU-Innovation-Fund erhalten. Voraussetzung für die Erweiterung in Sachsen-Anhalt seien “günstige Marktbedingungen und sichere, faire Wettbewerbsbedingungen für europäische Solarhersteller in der EU”, hieß es gestern von Meyer Burger. ber
Die spanische Ratspräsidentschaft will die EU-Verbraucheragenda vorantreiben und drei wichtige Gesetzesvorhaben bis Jahresende abschließen. Bei der informellen Ministertagung “Wettbewerbsfähigkeit” in Bilbao haben die Delegationen der EU-Mitgliedstaaten die bisherigen Fortschritte positiv bewertet.
Ziel war unter anderem, die Neue Verbraucheragenda nach der Hälfte ihrer Laufzeit zu evaluieren. Die EU-Kommission hatte diese im November 2020 als strategischen Rahmen für die EU-Verbraucherschutzpolitik angenommen; sie läuft noch bis 2025. Die Bewertung der Mitgliedstaaten sei positiv ausgefallen, erklärte der spanische Staatssekretär Rafael Escudero. Man habe bereits über mögliche nächste Schritte über 2025 hinaus diskutiert.
EU-Justizkommissar Didier Reynders erklärte, die Verbraucherpolitik müsse nun noch besser um- und durchgesetzt werden. Dafür werde die EU noch enger mit dem Consumer Protection Cooperation Network (CPCN) zusammenarbeiten.
Das Thema nachhaltiger Konsum ist eine der Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft. Drei Gesetzesvorhaben befinden sich derzeit in den Verhandlungen: Escudero erklärte, die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel solle möglichst im September abgeschlossen werden. Den Gesetzesentwurf hatte die Kommission im März 2022 vorgelegt. Auch die Richtlinien zum Recht auf Reparatur und zu Green Claims, deren Entwürfe seit März dieses Jahres vorliegen, will Spanien noch bis Ende 2023 abschließen. “Darüber besteht ein sehr breiter Konsens unter den Mitgliedstaaten”, sagte der Staatssekretär nach dem informellen Treffen in Bilbao. leo
Europaabgeordnete mehrerer Parteien fordern von der EU-Kommission mehr Einsatz für russische Kriegsdienstverweigerer. “Wir sind der Ansicht, dass es die Pflicht der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten ist, russische Kriegsdienstverweigerer zu schützen und ihnen Asyl zu gewähren“, schrieben Parlamentarier von SPD, Liberalen, Linken und Grünen in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und Außenbeauftragten Josep Borrell. Man rufe zu Beratungen über die gemeinsame Visapolitik auf, um die Leitlinien und Asylverfahren entsprechend anzupassen.
Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören auch die deutschen Abgeordneten Udo Bullmann, Dietmar Köster und Matthias Ecke von der SPD, Cornelia Ernst von den Linken sowie Hannah Neumann und Erik Marquardt von den Grünen.
In dem Schreiben an die EU-Spitzenpolitiker verweisen die Abgeordneten unter anderem darauf, dass das russische Militärkommando Berichten zufolge mindestens 13 illegale Gefangenenlager in den besetzten ukrainischen Gebieten Luhansk und Donezk errichtet hat. In diesem seien demnach mehr als 600 Russen inhaftiert, die sich geweigert haben, am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine teilzunehmen.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland zitierte zu dem Thema Angaben des Bundesinnenministeriums, nach denen in Deutschland bis Ende April dieses Jahres 2485 männliche russische Staatsangehörige im wehrfähigen Alter von 18 bis 45 Jahren einen Antrag auf Asyl gestellt haben. 814 Fälle wurden demnach entschieden, davon 55 positiv und 88 negativ. In den verbleibenden 671 Fällen sei zu einer “formellen Verfahrenserledigung”, entweder durch “Entscheidungen im Dublin-Verfahren” oder durch die “Rücknahme des Asylantrags” gekommen, hieß es. dpa
Ende Juni kamen vier armenische Soldaten bei einem Angriff aserbaidschanischer Truppen ums Leben – direkt an der Waffenstillstandslinie in Bergkarabach. Laut der Regierung in Baku handelte es sich dabei um die Antwort auf armenischen Beschuss. Zeitlich fiel die Eskalation zusammen mit einem Zeichen der Hoffnung: Gerade erst war US-Außenminister Antony Blinken in Washington D.C. mit seinen Counterparts aus Armenien und Aserbaidschan zu Friedensgesprächen zusammengekommen.
Damit setzt sich ein Muster fort, das man im Konflikt um Bergkarabach seit längerem kennt: Signifikante Fortschritte auf höchster Ebene werden regelmäßig von Eskalationen begleitet – offensichtlich, um Druck aufzubauen.
Die Bundesregierung in Berlin könnte darauf einwirken, dass sich das ändert. Beispielsweise dadurch, dass die Anfang des Jahres eingerichtete, von Bundespolizist Markus Ritter geführte EU-Mission in Armenien (EUMA) endlich nicht nur die vorgesehene Einsatzstärke erreicht, sondern auch das nötige Equipment erhält, um alle Patrouillen wie geplant umzusetzen. Aktuell sind noch Fahrzeuge der EU-Mission in Georgien und in Armenien im Einsatz.
Auch seitens der EU-Diplomatie in Brüssel könnte Druck auf die Regierungschefs Armeniens, Nikol Paschinjan, und Aserbaidschans, Ilham Alijew, ausgeübt werden, um den Verhandlungsfaden von Washington wieder aufzunehmen. Schließlich werden international weiterhin große Hoffnungen auf einen Verhandlungsdurchbruch noch in diesem Jahr gehegt: Allein die EU hat seit 2022 fünf Treffen der Staats- und Regierungschefs beider Länder vermittelt.
Im Mai erkannte Armeniens Ministerpräsident Paschinjan zum ersten Mal an, dass Karabach aserbaidschanisches Hoheitsgebiet sei. Damit hat er einen der zentralen Streitpunkte in dem Konflikt abgeräumt. Allerdings führte seine Forderung internationaler Sicherheitsgarantien für die armenische Bevölkerung der Enklave zu deutlichem Widerspruch aus Baku.
Hier ist die EU gefragt, die sich seit vergangenem Jahr in eine überraschend zentrale Position gespielt hat. Ihrer Verantwortung für eine weitere Annäherung der Konfliktparteien aber kann sie nur durch weiteres Drängen auf Verhandlungen gerecht werden.
Eine wichtige Rolle dabei spielt seit Februar die EU-Beobachtungsmission EUMA mit ihren 100 unbewaffneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Mandat läuft noch bis 2025 – EUMA-Hauptsitz ist in Yeghegndsor, mit Außenstellen in Kapan, Goris, Jermuk, Martuni und Ijevan.
Neben regelmäßigen Patrouillen entlang der Grenze – allerdings ausschließlich auf armenischem Gebiet -, hat die Mission die Aufgabe, lokale Kommunikationskanäle und Deeskalationsmechanismen zwischen den Konfliktparteien aufzubauen. Außerdem unterstützt sie Bemühungen zur Demarkation der Grenze sowie trilaterale Gespräche mit Vertretern der EU, Armeniens und Aserbaidschans.
Die armenische Regierung in Eriwan hofft, dass die Mission allein durch ihre Präsenz im Grenzgebiet die Zahl der Zwischenfälle reduzieren und trotz ihrer überschaubaren Größe wie eine Art Schutzschirm wirken könnte. Die aserbaidschanische Führung in Baku hingegen hat sich wiederholt über die Mission beschwert – und sieht sie als potenzielles Störelement für den Dialogprozess. Um Spannungen zu vermeiden, informieren EUMA-Führung und der EU-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus und Georgien, Toivo Klaar, Baku regelmäßig im Voraus über geplante Routen für Beobachtungsfahrten.
Auch wenn die Mission noch nicht ihre volle Einsatzfähigkeit erreicht hat, zeigt sie bereits Präsenz an Schlüsselstellen der Grenze – und nimmt mitunter auch hochrangige EU-Besucherinnen und Besucher mit auf Patrouille, ein probates Mittel, um das Engagement der Mitgliedstaaten zu erhalten.
Deutschland leistet aktuell den größten personellen Beitrag für den Einsatz. Nicht allein stellt es den Missionsleiter, sondern auch etwa 15 Prozent des EUMA-Personals – das bei Weitem größte nationale Kontingent aller EU-Mitgliedstaaten. Berlin wird als neutral wahrgenommen – anders als Paris, das in Baku den Ruf hat, es handele im Namen der großen armenischen Gemeinschaft in Frankreich. Dieses Gewicht sollte die Bundesregierung nutzen, um nach Anerkennung des aserbaidschanischen Anspruchs auf Karabach durch Armeniens Ministerpräsident Paschinjans im Mai den so hoffnungsvoll begonnen Friedensprozess weiter zu stärken.
wohl selten war das Interesse an einer Wahl in Spanien außerhalb des Landes so groß wie diesmal. Welche Folgen sie im Land haben wird, ist noch nicht vorhersehbar. Dagegen lassen sich die Konsequenzen auf die Europapolitik an drei Punkten skizzieren:
Meine Kollegin Isabel Cuesta Camacho analysiert in ihrem Beitrag über den Tag danach, ob und wie das Patt im spanischen Parlament aufgelöst werden könnte.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis in eigener Sache: Heute starten unsere Kollegen vom Agrifood.Table unter der Leitung von Henrike Schirmacher mit ihrer ersten Ausgabe. Sie berichten über die Agrar- und Ernährungspolitik auf nationaler und europäischer Ebene und analysieren die Entwicklungen für alle, die in Politik, Unternehmen oder Verwaltungen im Agrar- und Lebensmittelsektor entscheiden müssen. Hier können Sie das Angebot kostenlos testen.
Viel Lebensfreunde wünscht Ihnen
Spanien steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Sowohl den rechten als auch den linken Parteien wird es schwerfallen, die für eine Parlamentsmehrheit von 176 Sitzen erforderlichen Bündnisse zu schließen. Alberto Núñez Feijóo, Vorsitzender der Volkspartei (PP) und Gewinner der Wahlen, hat dabei schlechtere Aussichten, Ministerpräsident zu werden, als sein Rivale Pedro Sánchez (PSOE).
Der Sozialist könnte sich das Amt erneut sichern, wenn er den Forderungen der separatistischen Parteien nachgibt. Junts per Catalunya, die Partei des Europaabgeordneten Carles Puigdemont, der seit fünf Jahren auf der Flucht vor der spanischen Justiz ist, könnte der Schlüssel zur Wiederwahl von Sánchez sein. Eine Koalition zwischen den großen Parteien, PP und PSOE, scheint dagegen ausgeschlossen.
Auf der Sitzung des Vorstandes seiner Partei am Montag erklärte Sánchez gestern, dass er weder mit einer Blockade noch mit einer Wiederholung der Wahlen rechne. Offenbar rechnet er sich gute Chancen aus, ein Regierungsbündnis auf die Beine zu stellen.
Die PSOE (122 Sitze) kommt gemeinsam mit dem Linksbündnis Sumar (31) auf 153 Sitze. Rechnen die bisherigen Koalitionspartner die Sitze ihrer nationalistischen Verbündeten aus der laufenden Legislaturperiode hinzu, kämen sie auf 167 Abgeordnete. Dazu zählen sieben Abgeordnete der Esquerra Republicana per Catalunya (ERC), sechs von der baskischen EH Bildu und einen vom Bloque Nacionalista Galego (BNG). Sie würden die fünf Abgeordneten der PNV (Plan Nacional Vasco) benötigen, um einen möglichen Mitte-Rechts-Block zu besiegen, der aus 171 Abgeordneten der PP (136), Vox (33), UPN (1) und der Coalición Canaria (1) besteht.
Um eine absolute Mehrheit von 176 Sitzen zu erreichen, bräuchte Sánchez daher die sieben Abgeordneten von Puigdemonts Partei Junts. Die zuständige Staatsanwaltschaft forderte am Montag den Richter des Obersten Gerichtshofs auf, erneut die Festnahme von Puigdemont und dem ehemaligen katalanischen Minister Antoni Comín anzuordnen. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof deren Immunität aufgehoben.
Junt-Spitzenkandidatin Miriam Nogueras machte aber klar, dass sie Bedingungen stellen wird: “Wir werden Pedro Sánchez nicht zum Präsidenten machen, wenn wir dafür nichts bekommen“, sagte sie. “Unsere Priorität ist Katalonien, nicht die Regierbarkeit des spanischen Staates.” Gabriel Rufián, Vorsitzender der ERC, forderte seinerseits baskische und katalanischen Separatisten auf, einen “hohen” Preis für eine erneute Amtszeit von Sánchez zu verlangen. “Der Separatismus kann der entscheidende Faktor sein”, sagte er.
Die PP legte bei diesen Wahlen stark zu, von 89 Abgeordneten im Jahr 2019 auf nun 136. Parteichef Feijóo blieb aber unter dem in Umfragen vorhergesagten Ergebnis von 145 bis 150 Sitzen. Die Angst vor einer Regierungsbeteiligung von Vox half offenbar PSOE und Sumar, ihre Anhänger zu mobilisieren.
2019 hatten die drei rechten Parteien PP, Vox und Ciudadanos noch zusammen 151 Sitze erreicht. Ciudadanos trat am Sonntag nach der verheerenden Niederlage bei den Regionalwahlen im Mai gar nicht mehr an, auch Vox büßte deutlich ein im Vergleich zu 2019.
Seit Feijóo im April 2022 Präsident der PP wurde, gelang es ihm zwar, der Partei einen deutlichen Schub zu geben. Doch die Suche nach Bündnispartnern fällt ihm schwer. “Seit heute Morgen stehe ich mit verschiedenen politischen Kräften in Kontakt, um eine stabile Regierung zu bilden”, sagte er nach Gesprächen mit UPN, Coalición Canaria, PNV und Vox.
Bis es eine neue Regierung gibt, bleibt Sánchez amtierender Regierungschef und somit auch für die EU-Ratspräsidentschaft zuständig. Die endgültige Auszählung der Stimmen wird vom bis 31. Juli von den Wahlvorständen der Provinzen vorgenommen, in denen auch die Stimmen aus dem Ausland gezählt werden. Am 17. August konstituieren sich das neue Parlament und der Senat.
In den Tagen nach Beginn der neuen Legislaturperiode wird König Felipe VI. die Fraktionsvorsitzenden zu Beratungen in den Zarzuela-Palast einladen und befragen, wer ihrer Meinung nach die größte Unterstützung für die Bildung einer Regierung hat. Bislang wurde stets der Chef der größten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt, allerdings könnte es wegen der fehlenden Mehrheitsoptionen für Feijóo diesmal anders sein. Erhält ein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, wird er als Ministerpräsident vereidigt. In einem zweiten Wahlgang, 48 Stunden später, reicht eine einfache Mehrheit der Ja-Stimmen.
Vom Krieg ohnehin schon gebeutelt, trifft der geplatzte Grain Deal die auf Export angewiesene ukrainische Landwirtschaft bis ins Mark. “Unserer Branche geht langsam das Geld aus”, sagt Alex Lissitsa, Chef der Agrar-Unternehmensgruppe IMC, der jetzt mit sinkenden Preisen für ukrainisches Getreide und steigenden Logistikkosten rechnet. “Der Erlös beim Verkauf von Winterweizen deckt noch nicht einmal die Produktionskosten”. Russland hingegen – ebenfalls globaler Getreideexporteur – gerät in die komfortable Lage, Weizen auf dem Weltmarkt zu höheren Preisen exportieren zu können.
Die Vereinten Nationen sowie China kritisierten Putin für das Aussetzen des Abkommens. Sie befürchten Hungersnöte, insbesondere in Afrika. Die Führung in Peking forderte Putin explizit auf, die Ausfuhren ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer wieder zuzulassen. Putin rechtfertigt den Stopp des Abkommens damit, dass sowieso nur ein geringer Teil der Ernte-Exporte armen Staaten im Rest der Welt zugutekämen. Russland habe kein Interesse daran, ukrainisches Getreide auf den Weltmarkt kommen zu lassen, sagt Tobias Heidland, Direktor für Internationale Entwicklung am Kieler Institut für Weltwirtschaft, im Interview mit Africa.Table. Dieses Geschäft wolle Putin selbst machen und er wolle diplomatisch von der Lebensmittel- und Düngemittelkrise profitieren.
Beide Länder haben nach Ende des Getreide-Abkommens erklärt, Schiffe, die die Häfen des anderen Landes anlaufen, als potenzielle Träger militärischer Fracht zu betrachten. Aktuell sieht es so aus, als schade sich Putin auch selbst. Deutlich weniger Schiffe steuern russische Häfen an. Dennoch erklärt Putin, Russland sei mit Blick auf eine Rekordernte bereit, ukrainische Getreidelieferungen zu ersetzen. Sollte der Weizenexport der Ukraine und Russlands über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt werden, würde das zu einem massiven Angebotsdefizit auf dem Weltmarkt führen, analysiert der Börsenmakler Kaack Terminhandel.
Aktuell wird Weizen, Raps und Gerste in der Ukraine gedroschen. “Niemand weiß, ob wir unsere Ernte in diesem Jahr überhaupt noch verkaufen können”, sagt Lissitsa. Die ukrainische Landwirtschaft sorge für bis zu 70 Prozent der Exporteinnahmen des Landes. “Die Russen treffen damit gezielt unsere Wirtschaft.”
Der Unternehmer zweifelt daran, ob in dieser Saison noch Waren über den Schwarzmeerhafen Odessa transportiert werden. Durch die russische Bombardierung sei es zu riskant für Reedereien, ihre Schiffe dorthin zu schicken. Weizen und Mais im Wert von rund 10 Millionen Euro lagerten am Schwarzen Meer, ohne Aussicht, verkauft zu werden. “Wir brauchen das Geld dringend, um im September Winterweizen säen zu können”, so Lissitsa. Hinzukommt, dass ab Oktober Lagerkapazitäten für die Ernte von Mais, Sojabohnen und Sonnenblumenkernen gebraucht werden.
Nun will die EU die Kapazitäten auf den alternativen Routen erhöhen. Dazu gehören: Transporte über Flüsse, mit Güterzügen oder Lastwagen. Seit die sogenannten Solidarity Lanes im Mai 2022 starteten, wurden 41 Millionen Tonnen Getreide, Öle und andere Agrarprodukte über die alternativen Routen aus der Ukraine ausgeführt. Beim Getreide macht das 60 Prozent aus, 40 Prozent des gesamten exportierten Getreides wiederum wurden dank der Schwarzmeer-Initiative verschifft. Das zeigen neue Daten der EU-Kommission.
Bezüglich der Transportroute über die Donau zum rumänischen Hafen Constanza ist Agrarunternehmer Lissitsa wenig optimistisch: “Kollegen, die Getreideterminals an der Donau besitzen, rechnen in den kommenden Sommermonaten mit Niedrigwasser.”
Komplikationen gibt es auch nach wie vor an der westlichen Grenze zu Polen und Ungarn. Bis zum 15. September gestattet die EU lediglich den Transit von vier landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Weizen, Mais, Rapssamen und Sonnenblumenkernen) durch fünf osteuropäische EU-Mitgliedstaaten. Neben Polen und Ungarn betrifft dies auch Bulgarien, Rumänien und die Slowakei. Bislang halten diese Staaten an einem Importverbot fest. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte, man wolle weiterhin eine Destabilisierung des Marktes verhindern.
Die Solidarity Lanes sind jedoch nicht nur für den Export wichtig, sie stellen die einzigen Wege für den Import von Hilfsgütern dar. Die EU baut bessere Verbindungsmöglichkeiten zwischen Polen und der Ukraine sowie zwischen Rumänien und der Republik Moldau aus, neben Straßen- geht es auch um Schienenverbindungen. Insgesamt seien in das Solidaritätsverkehrsprogramm gut eine Milliarde Euro investiert worden, so die EU-Kommission.
Schnell umsetzen lassen sich die Infrastrukturprogramme aber nicht. Hinzu kommen andere Schwierigkeiten, wie etwa der Mangel an Getreidewaggons in Europa. Flüsse lassen sich auch nicht so schnell ausbaggern, um größere Transportschiffe einzusetzen und auch die Zahl der Lastwagen, Lastwagenfahrer sowie der Straßenkapazitäten ist begrenzt. Russland blockiert also die effektivste Exportmöglichkeit der Ukraine und schneidet die Ukraine von etwa 8 bis 9 Milliarden US-Dollar an Einnahmen ab, während russische Exporteure höhere Preise erzielen und Russland damit auch höhere Einnahmen generieren kann.
Mangels Liquidität und fehlender Exportchancen ist es möglich, dass in diesem Jahr noch weniger Winterweizen in der Ukraine gesät und im darauffolgenden Jahr entsprechend noch weniger Getreide geerntet wird. Im Jahr 2022 ist die Getreideernte laut Agrarministerium in Kiew von 86 Millionen auf 50 Millionen Tonnen eingebrochen, berichtet der Bundesverband Der Agrarhandel (DAH). In diesem Jahr sei mit ähnlichen Mengen zu rechnen.
Ukrainische Landwirte schwenken auf Sonnenblumen und Soja um. Das schmälere zwar den Ertrag, aber erfordere auch nur halb so große Lager und Transportkapazitäten, sagt DAH-Geschäftsführer Martin Courbier. “Als kurzfristige Maßnahme sollte das zulässige LKW-Gesamtgewicht für grenzüberschreitende Transporte angehoben werden”, fordert er.
Ob das Getreide-Abkommen wieder aktiviert oder neu verhandelt werden kann – da gehen die Meinungen auseinander. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte noch vor der offiziellen Verkündung aus Moskau für das Ende des Abkommens: Die Initiative sei “Geschichte”. Auch deutsche regierungsnahe Kreise sind eher skeptisch, dass es eine Fortsetzung gibt.
Moskau hat in der Erklärung nicht ausgeschlossen, dass es eine Zukunft für die Schwarzmeer-Initiative geben kann. Seit dem verkündeten Ende zerstört die russische Armee aber systematisch den Hafen von Odessa – einen der drei ukrainischen Exporthäfen der Initiative.
Die Wirtschaftsanalystin Alexandra Prokopenko, die nach dem Verlassen Russlands 2022 nun am Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin forscht, sieht noch nicht das endgültige Ende für das Abkommen gekommen und verweist auf die Abhängigkeit des russischen Präsidenten Putin von der Türkei. Putin werde im August Erdogan treffen und sicher auch über das Getreide-Abkommen sprechen, schreibt sie.
Vor dem Treffen mit Erdoğan findet in dieser Woche das Russia-Africa-Economic-Forum in St. Petersbug statt und knapp vier Wochen später das BRICS-Treffen im südafrikanischen Johannesburg. Putin werde diese Treffen nutzen und die Ukraine sowie den Westen für das Ende des Grain Deals verantwortlich machen, vermuten deutsche Diplomaten. Zugleich sei das auch eine Chance für ihn, sich vielleicht als ein Gönner zu präsentieren und afrikanischen Staaten eigene Hilfe anzubieten. Immerhin hat Russland im vergangenen Jahr Rekordernten eingefahren.
Die vollständige Analyse lesen Sie bei den Kolleginnen und Kollegen des Agrifood.Table.
26.07.-27.07.2023, online
ASEW, Seminar Klimaneutralität mit CCUS & Carbon Dioxide Removal
Die Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) thematisiert innovative Lösungen für den Klimaschutz mit Fokus auf die Abscheidung und Speicherung (CCS) sowie die Nutzung (CCU) von CO2 als wegweisende Ansätze. INFOS & ANMELDUNG
26.07.2023 – 12:30-13:30 Uhr, online
KAS, Vortrag Russland im Fokus – Sicherheitspolitische Herausforderungen und Russland im zweiten Kriegsjahr
Der Russland- und Sicherheitspolitikexperte Nico Lange ist bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zu Gast, um über die Umsetzung der sicherheitspolitischen Zeitenwende und den Zustand der Bundeswehr und NATO zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG
26.06.2023 – 19:00-20:30 Uhr, online
FNF, Workshop Digitalisierung! Aber bitte richtig!
Auf der Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) geben Experten einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der Digitalisierung und diskutieren über die Rolle des Staates im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Privatsphäre. INFOS & ANMELDUNG
27.07.2023 – 09:00-12:00 Uhr, online
ZIA, Workshop Digital Transformation Done Right – So etablieren Sie eine nachhaltige Digitalisierungs- & Innovationskultur
Der Workshop des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) soll Digitalisierungsverantwortlichen und der Geschäftsführungs- und Vorstandsebene von Immobilienunternehmen vermitteln, welche Faktoren den Erfolg einer digitalen Transformation bestimmen sowie Best-Practice-Beispiele aufzeigen. INFOS & ANMELDUNG
Herr Lambsdorff, Russland hat vor kurzem Dutzende deutsche Diplomaten ausgewiesen, es muss drei Konsulate schließen. Dass Sie nun in wenigen Tagen als deutscher Botschafter in Moskau anfangen, ist das trotzdem ein positives Zeichen für deutsch-russische Beziehungen?
Deutschland und Russland haben auch in schwierigsten Zeiten diplomatische Beziehungen zueinander unterhalten, weil das eine Stabilisierung bestimmter Gesprächskanäle mit sich bringt. Und die sind gerade dann wichtig, wenn die Spannungen so sind wie im Moment. Insofern können Sie das als positives Zeichen sehen.
Gibt es denn noch gute Gesprächskanäle? Es wird doch eher darüber diskutiert, Russland etwa aus der OSZE auszuschließen. Damit würden direkte Gespräche noch seltener werden.
Es ist einfach wichtig, einander auch in einer schwierigen Lage zu verstehen, die Politik des jeweiligen Gegenübers zu analysieren und die Regierung zu Hause darüber zu unterrichten. Was die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen angeht, gibt es sehr unterschiedliche Ansichten. Persönlich glaube ich, dass es wichtig ist, bestimmte Foren zu erhalten, in denen auch Vertreter Russlands ihren Platz haben. Aber dass andere Länder das anders sehen können, kann ich nachvollziehen.
Was kann die Bundesregierung tun, um den Krieg in der Ukraine möglichst schnell zu beenden?
Derzeit geht es darum, gemeinsam mit den Verbündeten in der Europäischen Union und der Nato, der Ukraine weiter in ihrem legitimen Recht auf Selbstverteidigung zu helfen, mit dem Ziel, dass Russland von seiner militärischen Aggression ablässt. Das wird in der breiten demokratischen Mitte auch von allen so gesehen, die Union trägt das als größte Oppositionskraft ja mit.
Was bedeutet es Ihrer Meinung nach, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nun doch nicht zum BRICS-Staaten-Treffen nach Südafrika reist?
Ich kann über die Motive von Präsident Putin nicht spekulieren. Wir wissen aber aus Äußerungen der südafrikanischen Regierung, dass es in ihren Augen eine ausgesprochen heikle Situation war. Und allein die Tatsache, dass man dort das Römische Statut hochhält, zeigt, dass die regelbasierte Ordnung da, wo sie noch funktioniert, Wirkung entfaltet. Und wir als Deutsche haben jedes Interesse daran, genau diese regelbasierte Ordnung zu verteidigen, zu stützen und da, wo sie verletzt worden ist, wiederherzustellen. Das ist für uns als tief in Europa integriertes, global exportorientiertes Land mit begrenzten militärischen Mitteln absolut zentral.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll im Herbst eine neue Führung bekommen. Aus der Bundesregierung kommen nun inhaltliche Wünsche an die Kandidatinnen und Kandidaten. “Ich bin der Meinung, dass sich die Europäische Investitionsbank transnationaler aufstellen sollte”, sagte der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Sven Giegold, zu Table.Media. Es gebe hohen Investitionsbedarf in der grenzüberschreitenden Infrastruktur, “die EIB könnte und sollte hier ein Kompetenzzentrum bilden und bei der Finanzierung unter neuer Führung eine wichtige Rolle spielen”.
Giegold bezieht sich dabei auf Stromleitungen, Bahnverbindungen oder Telekomnetze, die auch zwischen den EU-Staaten oft lückenhaft ausgebaut sind. Die grenzüberschreitenden Projekte sind wegen fehlender technischer Kompatibilität und separaten Genehmigungsverfahren in den einzelnen Ländern oft komplex und langwierig, und damit auch wenig attraktiv für Investoren. Die EIB soll nach dem Willen des früheren Grünen-Europaabgeordneten Giegold mehr tun als bislang, um diese Hürden zu beseitigen. Innerhalb der Bundesregierung ist die Forderung aber noch nicht final abgestimmt.
Die Forderung hat dennoch Gewicht, schließlich ist Deutschland mit Frankreich und Italien größter Anteilseigner der EU-Förderbank mit Sitz in Luxemburg. Der langjährige Präsident Werner Hoyer tritt zum Jahresende ab, für seine Nachfolge gibt es bereits mehrere Bewerbungen. Die prominenteste: Die dänische EU-Kommissionsvize Margrethe Vestager. Ebenfalls beworben haben sich der frühere italienische Finanzminister Daniele Franco und die polnische EIB-Vizepräsidentin Teresa Czerwińska. Als weitere mögliche Kandidatin wird die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño gehandelt.
Die Bundesregierung will ihre Unterstützung einer Personalie auch daran knüpfen, ob diese ihre Forderungen zur strategischen Ausrichtung der Bank aufgreifen. Nach eigenen Angaben hat die EIB zwischen 2010 und 2022 bereits 105 grenzüberschreitende Projekte finanziert, mit Krediten in Höhe von rund 20 Milliarden Euro. Ein knappes Drittel der Mittel floss jeweils in Stromnetze und Straßen, knapp ein Viertel in Gasnetze.
Die Bank sieht sich selbst bereits “besonders gut positioniert”, um die Entwicklung grenzüberschreitender Infrastrukturen zu fördern, unter anderem durch technische Beratung und die enge Zusammenarbeit mit der EU-Kommission. Einige der größten Hindernisse könnten aber “nur von Regulierungsbehörden und Regierungen angegangen werden, da sie aus dem komplexen Regulierungsumfeld und mangelnder politischer Unterstützung resultieren”. tho
Die amerikanische Förderung durch den Inflation Reduction Act (IRA) zeigt erste Wirkung in der Solarindustrie. Der Schweizer Zellhersteller Meyer Burger wird Produktionsmaschinen von Bitterfeld-Wolfen in die USA umleiten. “Die Anlagen werden nun am Standort Colorado Springs installiert, um den geplanten Fertigstellungstermin der Zellfabrik im Jahr 2024 einzuhalten”, teilte das Unternehmen am Montag mit. Im Juni hatte der einzige Solarzellenhersteller Europas damit gedroht, seine Produktion wegen des IRA in die USA zu verlagern.
Bis 2032 könne Meyer Burger für das US-Werk mit Steuergutschriften von insgesamt 1,4 Milliarden Euro rechnen, teilte das Unternehmen gestern mit. Hinzu käme ein Paket aus weiteren Steuergutschriften, direkter Förderung sowie vergünstigten Strom- und Wassertarifen im Wert von 90 Millionen Euro der Stadt Colorado Springs und des Bundesstaates Colorado. Für den schnellstmöglichen Produktionsstart habe sich das Unternehmen eine ehemalige Halbleiterfabrik als Standort gesichert und einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen.
Experten hatten bereits vorausgesagt, dass ein Wettrennen um die IRA-Förderung entbrennen wird, bevor die Mittel aufgebraucht sind. Meyer Burger zeigte sich aber weiter offen für den Ausbau der Produktion in Deutschland. Erst Mitte Juli hatte das Unternehmen eine Zusage über 200 Millionen Euro aus dem EU-Innovation-Fund erhalten. Voraussetzung für die Erweiterung in Sachsen-Anhalt seien “günstige Marktbedingungen und sichere, faire Wettbewerbsbedingungen für europäische Solarhersteller in der EU”, hieß es gestern von Meyer Burger. ber
Die spanische Ratspräsidentschaft will die EU-Verbraucheragenda vorantreiben und drei wichtige Gesetzesvorhaben bis Jahresende abschließen. Bei der informellen Ministertagung “Wettbewerbsfähigkeit” in Bilbao haben die Delegationen der EU-Mitgliedstaaten die bisherigen Fortschritte positiv bewertet.
Ziel war unter anderem, die Neue Verbraucheragenda nach der Hälfte ihrer Laufzeit zu evaluieren. Die EU-Kommission hatte diese im November 2020 als strategischen Rahmen für die EU-Verbraucherschutzpolitik angenommen; sie läuft noch bis 2025. Die Bewertung der Mitgliedstaaten sei positiv ausgefallen, erklärte der spanische Staatssekretär Rafael Escudero. Man habe bereits über mögliche nächste Schritte über 2025 hinaus diskutiert.
EU-Justizkommissar Didier Reynders erklärte, die Verbraucherpolitik müsse nun noch besser um- und durchgesetzt werden. Dafür werde die EU noch enger mit dem Consumer Protection Cooperation Network (CPCN) zusammenarbeiten.
Das Thema nachhaltiger Konsum ist eine der Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft. Drei Gesetzesvorhaben befinden sich derzeit in den Verhandlungen: Escudero erklärte, die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel solle möglichst im September abgeschlossen werden. Den Gesetzesentwurf hatte die Kommission im März 2022 vorgelegt. Auch die Richtlinien zum Recht auf Reparatur und zu Green Claims, deren Entwürfe seit März dieses Jahres vorliegen, will Spanien noch bis Ende 2023 abschließen. “Darüber besteht ein sehr breiter Konsens unter den Mitgliedstaaten”, sagte der Staatssekretär nach dem informellen Treffen in Bilbao. leo
Europaabgeordnete mehrerer Parteien fordern von der EU-Kommission mehr Einsatz für russische Kriegsdienstverweigerer. “Wir sind der Ansicht, dass es die Pflicht der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten ist, russische Kriegsdienstverweigerer zu schützen und ihnen Asyl zu gewähren“, schrieben Parlamentarier von SPD, Liberalen, Linken und Grünen in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und Außenbeauftragten Josep Borrell. Man rufe zu Beratungen über die gemeinsame Visapolitik auf, um die Leitlinien und Asylverfahren entsprechend anzupassen.
Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören auch die deutschen Abgeordneten Udo Bullmann, Dietmar Köster und Matthias Ecke von der SPD, Cornelia Ernst von den Linken sowie Hannah Neumann und Erik Marquardt von den Grünen.
In dem Schreiben an die EU-Spitzenpolitiker verweisen die Abgeordneten unter anderem darauf, dass das russische Militärkommando Berichten zufolge mindestens 13 illegale Gefangenenlager in den besetzten ukrainischen Gebieten Luhansk und Donezk errichtet hat. In diesem seien demnach mehr als 600 Russen inhaftiert, die sich geweigert haben, am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine teilzunehmen.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland zitierte zu dem Thema Angaben des Bundesinnenministeriums, nach denen in Deutschland bis Ende April dieses Jahres 2485 männliche russische Staatsangehörige im wehrfähigen Alter von 18 bis 45 Jahren einen Antrag auf Asyl gestellt haben. 814 Fälle wurden demnach entschieden, davon 55 positiv und 88 negativ. In den verbleibenden 671 Fällen sei zu einer “formellen Verfahrenserledigung”, entweder durch “Entscheidungen im Dublin-Verfahren” oder durch die “Rücknahme des Asylantrags” gekommen, hieß es. dpa
Ende Juni kamen vier armenische Soldaten bei einem Angriff aserbaidschanischer Truppen ums Leben – direkt an der Waffenstillstandslinie in Bergkarabach. Laut der Regierung in Baku handelte es sich dabei um die Antwort auf armenischen Beschuss. Zeitlich fiel die Eskalation zusammen mit einem Zeichen der Hoffnung: Gerade erst war US-Außenminister Antony Blinken in Washington D.C. mit seinen Counterparts aus Armenien und Aserbaidschan zu Friedensgesprächen zusammengekommen.
Damit setzt sich ein Muster fort, das man im Konflikt um Bergkarabach seit längerem kennt: Signifikante Fortschritte auf höchster Ebene werden regelmäßig von Eskalationen begleitet – offensichtlich, um Druck aufzubauen.
Die Bundesregierung in Berlin könnte darauf einwirken, dass sich das ändert. Beispielsweise dadurch, dass die Anfang des Jahres eingerichtete, von Bundespolizist Markus Ritter geführte EU-Mission in Armenien (EUMA) endlich nicht nur die vorgesehene Einsatzstärke erreicht, sondern auch das nötige Equipment erhält, um alle Patrouillen wie geplant umzusetzen. Aktuell sind noch Fahrzeuge der EU-Mission in Georgien und in Armenien im Einsatz.
Auch seitens der EU-Diplomatie in Brüssel könnte Druck auf die Regierungschefs Armeniens, Nikol Paschinjan, und Aserbaidschans, Ilham Alijew, ausgeübt werden, um den Verhandlungsfaden von Washington wieder aufzunehmen. Schließlich werden international weiterhin große Hoffnungen auf einen Verhandlungsdurchbruch noch in diesem Jahr gehegt: Allein die EU hat seit 2022 fünf Treffen der Staats- und Regierungschefs beider Länder vermittelt.
Im Mai erkannte Armeniens Ministerpräsident Paschinjan zum ersten Mal an, dass Karabach aserbaidschanisches Hoheitsgebiet sei. Damit hat er einen der zentralen Streitpunkte in dem Konflikt abgeräumt. Allerdings führte seine Forderung internationaler Sicherheitsgarantien für die armenische Bevölkerung der Enklave zu deutlichem Widerspruch aus Baku.
Hier ist die EU gefragt, die sich seit vergangenem Jahr in eine überraschend zentrale Position gespielt hat. Ihrer Verantwortung für eine weitere Annäherung der Konfliktparteien aber kann sie nur durch weiteres Drängen auf Verhandlungen gerecht werden.
Eine wichtige Rolle dabei spielt seit Februar die EU-Beobachtungsmission EUMA mit ihren 100 unbewaffneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Mandat läuft noch bis 2025 – EUMA-Hauptsitz ist in Yeghegndsor, mit Außenstellen in Kapan, Goris, Jermuk, Martuni und Ijevan.
Neben regelmäßigen Patrouillen entlang der Grenze – allerdings ausschließlich auf armenischem Gebiet -, hat die Mission die Aufgabe, lokale Kommunikationskanäle und Deeskalationsmechanismen zwischen den Konfliktparteien aufzubauen. Außerdem unterstützt sie Bemühungen zur Demarkation der Grenze sowie trilaterale Gespräche mit Vertretern der EU, Armeniens und Aserbaidschans.
Die armenische Regierung in Eriwan hofft, dass die Mission allein durch ihre Präsenz im Grenzgebiet die Zahl der Zwischenfälle reduzieren und trotz ihrer überschaubaren Größe wie eine Art Schutzschirm wirken könnte. Die aserbaidschanische Führung in Baku hingegen hat sich wiederholt über die Mission beschwert – und sieht sie als potenzielles Störelement für den Dialogprozess. Um Spannungen zu vermeiden, informieren EUMA-Führung und der EU-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus und Georgien, Toivo Klaar, Baku regelmäßig im Voraus über geplante Routen für Beobachtungsfahrten.
Auch wenn die Mission noch nicht ihre volle Einsatzfähigkeit erreicht hat, zeigt sie bereits Präsenz an Schlüsselstellen der Grenze – und nimmt mitunter auch hochrangige EU-Besucherinnen und Besucher mit auf Patrouille, ein probates Mittel, um das Engagement der Mitgliedstaaten zu erhalten.
Deutschland leistet aktuell den größten personellen Beitrag für den Einsatz. Nicht allein stellt es den Missionsleiter, sondern auch etwa 15 Prozent des EUMA-Personals – das bei Weitem größte nationale Kontingent aller EU-Mitgliedstaaten. Berlin wird als neutral wahrgenommen – anders als Paris, das in Baku den Ruf hat, es handele im Namen der großen armenischen Gemeinschaft in Frankreich. Dieses Gewicht sollte die Bundesregierung nutzen, um nach Anerkennung des aserbaidschanischen Anspruchs auf Karabach durch Armeniens Ministerpräsident Paschinjans im Mai den so hoffnungsvoll begonnen Friedensprozess weiter zu stärken.