Table.Briefing: Europe

Moldau als Mahnung + Netzentgelt-Aufteilung + Zollstreit

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Ringen der Ampel um die Staatsfinanzen hat auch eine EU-Dimension. Die Kommission führt derzeit technische Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium über den Haushalt der Bundesrepublik, die durchaus pikant sind. In der Sache geht es darum, dass Deutschland gegen die neuen Euro-Stabilitätsregeln verstößt. Ausgerechnet Deutschland, dessen Finanzminister Christian Linder (FDP) bei der Debatte über die neuen Stabilitätsregeln ein Hardliner war. Er wollte durchsetzen, dass Mitgliedstaaten, die sich an den Regeln versündigen, binnen vier Jahren zurück auf den Weg der Tugend kommen müssen.

Damit durchsetzen konnte er sich nicht. Beschlossen wurde, dass Mitgliedstaaten nicht nur vier, sondern auch sieben Jahre Zeit bekommen können, um die Kriterien wieder einzuhalten. Dafür stehen sie dann aber unter umso strengerer Aufsicht der EU-Kommission. Genau das kann jetzt Deutschland passieren. Noch ist es nicht entschieden, aber es ist durchaus möglich, dass der Defizitsünder Deutschland ins Sieben-Jahres-Programm rutscht, weil die Haushaltslage so kritisch ist.

Peinlich ist zudem: Die Bundesregierung hatte in ihrem Austausch mit der EU-Kommission auf der Basis von 2023er-Konjunkturzahlen argumentiert. Der Kommission war das bitter aufgestoßen. Die Brüsseler Beamten haben aktuelle Daten zur Haushaltslage angemahnt. Die Wirtschaftslage der Bundesrepublik hat sich aber gegenüber dem Jahr 2023 verschlechtert.

Für Berlin ist auch das keine gute Nachricht: Damit wird das Bundesfinanzministerium noch mehr Mühe haben, die Kommission zu überzeugen, dass sie haushaltspolitisch auf dem richtigen Weg ist. Ich wünsche Ihnen, dass Sie weniger beschwert als Christian Lindner durch den Tag kommen.

Ihr
Markus Grabitz
Bild von Markus  Grabitz

Analyse

Moldau: Weshalb der knappe Sieg der Proeuropäer eine Mahnung für die EU ist

Ohne die Stimmen aus dem Ausland hätte es nicht geklappt: Maia Sandu konnte am Montag einen hauchdünnen Sieg für das Referendum melden, mit dem Moldaus Präsidentin das Ziel der EU-Integration unwiderruflich in der Verfassung festschreiben will. 50,5 Prozent stimmten am Ende für die proeuropäische Orientierung, wobei rund 13.000 Stimmen den Unterschied machten. Lange sah es bei der Auszählung nach einer Zitterpartie und einem negativen Ergebnis aus, bis die Stimmen von gut 200.000 Auslandsmoldauern hinzukamen, die zu 70 Prozent für die proeuropäische Verankerung ihrer Heimat stimmten.

Die Lesart drängt sich auf, dass die Stimmberechtigten im Ausland weniger den russischen Desinformationskampagnen ausgesetzt sind und sich deshalb deutlich proeuropäischer entschieden. Für Maia Sandu war die massive Einflussnahme Moskaus am Tag danach jedenfalls das große Thema: Sie sprach davon, dass kriminelle Gruppen im großen Stil Stimmen gekauft hätten, und prangerte die beispiellose Attacke demokratiefeindlicher Kräfte an.

Sandu muss noch in die Stichwahl am 3. November

Nach Angaben der Behörden in Chişinău soll Moskau mehr als 100 Millionen Euro eingesetzt haben, um das Referendum und die parallelen Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen. Dort liegt Maia Sandu mit rund 42 Prozent zwar deutlich vor dem prorussischen Herausforderer Alexandr Stoianoglo mit rund 26 Prozent. Die Amtsinhaberin hat aber angesichts des knappen Referendums keine einfache Ausgangslage vor der Stichwahl am 3. November.

Die Ergebnisse in Moldau sind in verschiedener Hinsicht eine Mahnung: Maia Sandu selbst warnte, sollten sich die Praktiken der Wählerbeeinflussung in ihrer Heimat auszahlen, könnten sie in anderen Ländern Schule machen. Für die EU ist das Ergebnis eine Warnung, dass Moldaus prowestliche Orientierung nicht garantiert ist und größere Anstrengungen nötig sein dürften. Fällt Moldau doch noch, hat das auch Auswirkungen auf die Ukraine oder auf Georgien.

Moskau wird nicht nachlassen

Moskau dürfte jedenfalls in den Bemühungen nicht nachlassen, das Land ganz in den russischen Einflussbereich zurückzuholen oder zumindest zu destabilisieren. Vor einer Woche hat die EU weitere Sanktionen gegen fünf Personen und eine Organisation verhängt, die für Handlungen verantwortlich gemacht werden, die Republik Moldau zu destabilisieren. Neu auf der Liste unter anderem Evghenia Gutul, Gouverneurin von Moldaus autonomem Gebiet Gagausien. Teil der russischen Desinformationskampagnen sind laut der zuständigen EU-Taskforce unter anderem Berichte, Maia Sandu wolle die Ukraine unterstützen, die separatistische Region Transnistrien anzugreifen oder Moldau als Standort für Asylzentren anbieten.

“Wir verurteilen aufs Schärfste die bösartigen Aktivitäten, Einmischungen und hybriden Operationen der Russischen Föderation, prorussischer Oligarchen und von Russland unterstützter lokaler Akteure”, sagte Michael Gahler, Leiter einer Wahlbeobachterdelegation des EU-Parlaments in Chişinău. Das Ziel Russlands sei es nach wie vor, den Wahlprozess, die Sicherheit, die Souveränität und die demokratischen Grundlagen der Republik Moldau sowie den freien Willen ihrer Bürger zu untergraben. Trotz der beispiellosen massiven, bösartigen und illegalen russischen Einmischung, insbesondere durch Stimmenkauf, hybride Angriffe und Desinformation habe sich das Volk der Republik Moldau für eine Zukunft in der EU entschieden.

Proeuropäer in Moldau haben noch viel Arbeit vor sich

Für den Grünen Abgeordneten Sergey Lagodinsky, Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten (AFET), zeigt das Ergebnis, “wie viel Arbeit noch vor uns und vor allem vor den demokratischen proeuropäischen Kräften in Moldau liegt”. Es brauche Überzeugungsarbeit und Arbeit gegen Einmischung aus Moskau. “Trotz massiver russischer Einschüchterung, Desinformation und versuchten Stimmenkauf, haben sich die Moldauerinnen und Moldauer nicht einschüchtern lassen, und für eine engere Anbindung an die EU gestimmt”, sagte der Sozialdemokrat Tobias Cremer, ebenfalls Teil der Wahlbeobachtungsmission.

In Moskau wies Kremlsprecher Dmitri Peskow den Vorwurf der Wählerbeeinflussung zurück und forderte Maia Sandu auf, Beweise für ihre Anschuldigungen vorzulegen.

  • AFET
  • EU-Beitritt
  • EU-Erweiterung
  • EU-Kommission
  • Moldau
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Netzentgelte: BMWK will Kosten neu aufteilen

Das Bundeswirtschaftsministerium will die Kosten für den Ausbau des europäischen Stromnetzes zwischen den Mitgliedstaaten neu aufteilen. Mit dem Netzausbau in der EU stelle sich “die Frage nach der Verteilung der Investitionskosten auf mehrere Mitgliedstaaten und zwischen den Netznutzern”, schreibt das BMWK in der Ausschreibung für externe Beratung zur “Weiterentwicklung des EU-Rahmens für Stromnetzplanung“.

Allein bis 2030 schätze die EU-Kommission die Kosten für den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze auf 582 Milliarden Euro. “Dabei sollte neu überlegt werden, welcher Teil der Investitionskosten über die Übertragungsnetzbetreiber auf nationale Netzkunden umgelegt wird, und inwieweit insbesondere Kosten grenzüberschreitender Investitionen breiter und überregional verteilt werden sollten”, schreibt das Ministerium.

Schweden stoppte Stromleitung nach Deutschland

Die Ausschreibung beantwortet noch nicht die Frage, ob die Neuordnung Deutschland be- oder entlasten würde. Weil die Bundesrepublik als starke Industrienation aber einer der größten Stromverbraucher der EU ist und bleiben wird, könnte es für Deutschland vorteilhaft sein, sich künftig stärker an Netzprojekten seiner Nachbarn zu beteiligen.

Schwedens Regierung zum Beispiel hatte im Juni die Genehmigung für das Leitungsprojekt Hansa PowerBridge gestoppt, das den Süden des Landes mit Deutschland verbinden sollte. “Dies würde zu höheren Preisen und einem instabileren Strommarkt in Schweden führen”, hatte Schwedens Energieministerin Ebba Busch gesagt. Die Kosten für das Projekt hätte dagegen Schweden tragen müssen. Womöglich setzt das BMWK darauf, mit einer Kostenbeteiligung für derartige Projekte den Zustrom von günstiger grüner Energie nach Deutschland zu erleichtern.

DG Energy dämpft Hoffnung auf mehr EU-Gelder

Die Neuaufteilung der Kosten würde aber voraussichtlich nur grenzüberschreitende Leitungen betreffen. Für die große Mehrheit der Projekte will sich das BMWK an der Diskussion um neue Finanzierungsquellen beteiligen. Untersuchen sollen die Gutachter mehrere Optionen:

  • Höhere Ausstattung und neue Verteilungsregeln für die Connecting Europe Facility (CEF)
  • Schaffung einer neuen EU-Fazilität zur Netzfinanzierung für Onshore- und Offshore-Leitungen
  • Weiterentwicklung der Rolle der Europäischen Investitionsbank (EIB)
  • Instrumente, um privates Kapital anzuziehen
  • Stärkere Nutzung von Engpasserlösen zur gesamteuropäischen Netzfinanzierung

Hoffnungen auf mehr Gelder aus Brüssel versucht die Generaldirektion Energie (DG Energy) allerdings schon im Vorfeld zu dämpfen. “Eine EU-Finanzierung wird als letztes Mittel für Investitionen mit hoher europäischer Priorität dienen, zum Beispiel für bestimmte Infrastrukturprojekte mit grenzüberschreitender Bedeutung”, schreiben die Beamten in einem internen Briefing zur Vorbereitung des designierten Kommissars Dan Jørgensen für die anstehende Anhörung im EU-Parlament.

Kritik an ACER und ENTSO-E

Das BMWK will außerdem Reformvorschläge für die europäische Netzplanung erarbeiten lassen. So erwägt das Ministerium, es künftig auch anderen Akteuren als den Übertragungsnetzbetreibern zu ermöglichen, Leitungsprojekte für die europäischen Netzentwicklungspläne (TYNDP) vorzuschlagen. Prüfen lassen will das BMWK zudem, ob mit der Netzplanung weiterhin die Regulierungsagentur ACER und die Netzbetreiberorganisation ENTSO-E betraut werden sollen.

Um den Netzausbau zu beschleunigen, lässt das BMWK eine stärkere Standardisierung von Netzkomponenten in Europa prüfen sowie EU-Ausbildungsprogramme und Verbesserungen im Vergaberecht. Zulieferer könnten durch mehr Bürgschaften und eine stärkere Rolle der EIB dabei unterstützt werden, ihre Produktionskapazitäten auszubauen.

  • EIB
  • Energie
  • Strommarkt
  • Stromnetze
  • Strompreis
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Ausgleichszölle: Wie das China-Dilemma der WTO gelöst werden könnte

Die Ausgleichszölle für chinesische Elektroautos können Anfang November in Kraft treten. Ob es tatsächlich dazu kommt, liegt in der Hand der EU-Kommission. Brüssel lässt Peking immer noch die Möglichkeit, am Verhandlungstisch für einen Ausweg zu werben. Ausgeschlossen ist das nicht. China genießt prominente Unterstützung. Insbesondere die deutsche Automobilindustrie spricht sich für eine Verhandlungslösung aus, da sie Gegenmaßnahmen befürchtet, von denen sie selbst betroffen sein könnte.

Taktisch befindet sich die EU in einer besseren Position als noch vor der vorläufigen Festlegung der Zölle am 4. Oktober. Den Vorschlag der chinesischen Seite, einen Mindestpreis von 30.000 Euro pro Fahrzeug festzulegen, lehnte die Kommission ab. Laut Medienberichten könnte ein Mindestpreis von 35.000 bis 40.000 Euro allerdings Erfolg haben. Klar ist, dass die EU China eine Verhandlungslösung teuer bezahlen ließe.

Abstrakter Mindestpreis ergibt wenig Sinn

Aufheben lassen sich die Ausgleichszölle problemlos. Denn verpflichtend sind sie nicht. Auch Mindestpreise für die Fahrzeuge seien mit WTO-Recht vereinbar, sagt Professor Christoph Herrmann von der Universität Passau, der am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht unterrichtet. Eine Ausgleichsmaßnahme könnten statt Zöllen auch Mindesteinfuhrpreise oder eine Preisverpflichtung bedeuten, die die Anbieter eingehen müssten.

Ein Mindesteinfuhrpreis ist ein gängiges Instrumentarium, das zum Beispiel auch bei Solarpaneelen angewendet wurde. Das Problem der Umgehungsgefahr ist aus Sicht der EU allerdings recht hoch. Bei Solarpaneelen laufen viele Strafverfahren.” Ein abstrakter Mindestpreis, wie zum Beispiel die 30.000 Euro, mache dagegen keinen Sinn. Ausgleichszölle seien da viel treffgenauer, weil sie auf den Transaktionswert jedes einzelnen Fahrzeugs abgestimmt seien, so Herrmann.

“Mit ihrem Vorgehen zeigt die EU, dass sie grundlegend anders mit ihrem Handelspartner China umgeht als die USA”, sagt Max Zenglein, Chefökonom bei Merics. Er hält das Vorgehen für vernünftig, auch wenn in der Debatte um eine Verhandlungslösung durchaus unterschiedlich argumentiert wird. “Die EU signalisiert China damit: Wir verstehen euer Wirtschaftssystem, aber wir sind in einer Situation, in der wir wirtschaftlich zunehmend unter Druck gesetzt werden. Das heißt nicht, dass wir alle Verbindungen kappen und die wirtschaftlichen Beziehungen beschädigen wollen.” 

China sieht Europa als schwachen Akteur

Seit Ende September gelten in den USA Zölle von 100 Prozent für E-Autos aus China. Die Begründung: Umfangreiche Subventionen und nicht marktkonforme Praktiken Chinas führen zu erheblichen Risiken von Überkapazitäten und wirken sich damit negativ auf die amerikanische Industrie aus. Die Regierung Biden vervierfachte damit die bereits bestehenden Zölle von 25 Prozent, die Donald Trump 2018 auf Basis von Section 301 des U.S. Trade Act von 1974 erlassen hatte. Das Instrument ermöglicht es den USA, unilateral und ohne zeitliche Begrenzung gegen einen anderen Staat vorzugehen. China protestierte, dass die Maßnahme nicht WTO-konform sei, was stimmt.

Dennoch gab es gegenüber den USA keine Drohgebärden Pekings – ganz anders als gegenüber der EU in der aktuellen Zolldebatte. Das spiegele Chinas Blick auf die USA und Europa wider, schließt Max Zenglein aus den unterschiedlichen Reaktionen. “Die Debatte um E-Auto-Zölle zeigt, dass China Europa als schwachen Akteur sieht, den man leicht aufschrecken und dem man drohen kann. Der Prozess wurde in Europa monatelang diskutiert, in aller Öffentlichkeit, und China hat in jeder Form versucht, seinen Einfluss geltend zu machen -durchaus erfolgreich”. Das Vorgehen der USA habe China im Gegensatz dazu – wenn auch protestierend – zur Kenntnis genommen.

Wie relevant sind die WTO-Regeln?

Für Europa sind die WTO-Regeln dagegen maßgebend. “Die EU achtet im Fall der Ausgleichszölle auf chinesische Elektroautos darauf, dass die Maßnahmen im weitesten Sinne WTO-konform sind. Auch China hat die Mechanismen in diesem Fall genutzt und über die WTO-Beschwerde eingereicht”, sagt Zenglein. Ein Blick ins Verzeichnis aktueller WTO-Beschwerden zeigt: Der Mechanismus wird zwischen den Parteien China, EU und USA rege genutzt. Aktuell liegen sechs Beschwerden Chinas gegen die EU vor, 18 gegen die USA. Und umgekehrt laufen zwölf Fälle der EU gegen China und 23 Fälle der USA gegen China. 

Die Akzeptanz und die Wahrung der WTO-Prinzipien sind allerdings selektiv, die Steuerungskraft der WTO dadurch zurückgegangen. Das liegt nicht nur an der Appellate-Body-Krise, sagt Herrmann. Insbesondere die USA wollten ihre Handelsbeziehungen zu China abseits des regelbasierten Systems regulieren, China umgekehrt auch. Zudem verstoßen auch die USA zum Beispiel mit dem Inflation Reduction Act gegen WTO-Prinzipien, da er die heimische Wirtschaft bevorteilt.

Ist das WTO-System überholt?

Während China um die Jahrtausendwende für viele Unternehmen aus den USA und Europa billige Werkbank war, produziert es heute selbst hochwertige Industriegüter und bringt diese auf den Weltmarkt. Doch nicht nur deswegen hat sich die Situation gewandelt. Auch politisch hat sich seit dem Jahr 2001, als China in die WTO aufgenommen wurde, vieles verändert. China wurde damals in die WTO aufgenommen, weil man annahm, dass sich das chinesische System zu einer liberalen Marktwirtschaft entwickelt. Tatsächlich aber zeigt es heute planwirtschaftliche Tendenzen unter einem zunehmend autoritären Regime.

Die Aufnahme Chinas in die WTO war allerdings keine rein politische Entscheidung, argumentiert Julian Hinz, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld und Leiter des Forschungszentrums Handelspolitik am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Schließlich seien auch andere autoritäre Regime Teil der WTO geworden. “Die WTO möchte den Handel auf eine regelbasierte Basis heben. Es ist eindeutig, dass China massiv staatlich in die Wirtschaft eingreift, aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Ausgleichszölle also gerechtfertigt, denn es geht um den Ausgleich unlauteren Wettbewerbs.”

Für einen Staatskapitalismus, wie ihn China praktiziert, gibt es aber keine Regeln im WTO-Recht. “Die Frage, was industriepolitisch erlaubt ist, ist nicht ausreichend geregelt. Die Staaten berufen sich daher zum Beispiel auf die nationale Sicherheit, um Zölle zu erheben“, sagt Herrmann. Die Folge handelspolitischer Zwangsmaßnahmen, wie sie aktuell im Streit um die E-Auto-Zölle zu beobachten ist, sei entsprechend problematisch. “Man muss damit rechnen, dass mehr Zölle kommen und Gegenmaßnahmen auch unschuldige Industrien treffen, wie zum Beispiel jetzt die Branntwein-Industrie.”

Möglichkeit multilateraler Abkommen

Ein Ausweg könnte eine Reform des Systems sein, die den veränderten Gegebenheiten Rechnung trägt. Das hält Max Zenglein von Merics aktuell allerdings nicht für realistisch. “Um ein neues System auszudiskutieren, müssten die großen Wirtschaftsblöcke zueinander finden und sich in gewissen Punkten einigen. Dafür ist aktuell nicht der richtige Zeitpunkt.”

Julian Hinz verweist auf die Möglichkeit multilateraler Abkommen, die nicht für alle verpflichtend sind. “Länder oder Länderblocks, wie beispielsweise die EU, könnten sich zu bestimmten Themen zusammenfinden und dort weiter liberalisieren, oder sich bestimmte Regeln auferlegen. Es könnte Gruppen oder Clubs geben, die sich in diesem Rahmen weiter öffnen.”

  • E-Autos
  • EU-Kommission
  • Inflation Reduction Act
  • WTO
  • Zölle

Termine

23.10.2024 – 09:00 Uhr, Berlin
BMWK 2. Europäischer Gipfel für bidirektionales Laden
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) lädt zum europäischen Austausch über bidirektionales Laden ein. ANMELDUNG VIA E-MAIL

23.10.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Mit KI effizient zur CSRD-Konformität?
Der TÜV präsentiert das KI-Tool “CSRD-Checker”. INFOS & ANMELDUNG

23.10.2024 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Discussion Advancing Climate Justice: Integrating Fairness into Policy and Practice
The Florence School of Regulation (FSR) addresses key aspects such as the distribution of responsibilities among nations, the role of ethical considerations in policy-making, and practical approaches to implementing fair climate actions. INFOS & REGISTRATION

23.10.2024 – 15:00-17:00 Uhr, online
ERCST, Presentation Including products further down the value chain in the EU CBAM
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) discusses the impact on downstream cost increases and the risk of value chain substitution for semi-manufactured and manufactured goods. INFOS & REGISTRATION

24.10.-26.10.2024, Berlin
HBS, Conference Progressive Perspectives of in Times of Polycrisis
The Hans-Böckler-Stiftung (HBS) addresses progressive perspectives to face the challenges of decarbonisation and demography. INFOS & REGISTRATION

24.10.2024 – 15:00-16:30 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Roundtable Finding common ground: The role of ICM technologies in decarbonization pathways
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) gathers various stakeholders with (opposing) views, intending to find common ground to move forward with developing and deploying ICM technologies  INFOS & REGISTRATION

24.10.2024 – 15:00-16:30 Uhr, online
HE, Podiumsdiskussion H2Talk on Market-Making Schemes for Clean Hydrogen Deployment
Hydrogen Europe (HE) explores global efforts to stimulate supply and unlock demand. INFOS & REGISTRATION

News

Rechnungshof: Warnung vor Doppelfinanzierung bei Corona-Aufbaufonds

Der Europäische Rechnungshof sieht ein wachsendes Risiko, dass EU-Gelder doppelt für dieselben Projekte ausgegeben werden. Grund ist der 648 Milliarden Euro schwere Corona-Aufbaufonds (Aufbau- und Resilienzfazilität, ARF), der sich mit anderen EU-Programmen in Bereichen wie Verkehr und Energieinfrastruktur überschneidet.

Im Bericht des Rechnungshofs heißt es, die bestehenden Kontrollmechanismen seien unzureichend, um Doppelfinanzierungen zu verhindern. Die ARF-Mittel sind erstmals nicht an tatsächliche Kosten, sondern an die Erreichung von Zielen geknüpft. Dadurch steige die Gefahr, dass Projekte sowohl aus dem Aufbaufonds als auch aus regulären EU-Programmen finanziert werden. Besonders problematisch sei, dass die Kontrollsysteme überwiegend auf Selbsterklärungen der Empfänger beruhen. Manuelle Prüfungen und inkompatible Software erschweren die Überwachung.

Steuergelder verschwendet

“Im Falle einer Doppelfinanzierung werden EU-Mittel missbräuchlich verwendet und Steuergelder verschwendet. Trotzdem sind die vorhandenen Schutzmechanismen unzureichend”, erläuterte Annemie Turtelboom, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Das Finanzierungsmodell der ARF sollte eine Vereinfachung bringen. “Vereinfachung sollte aber nicht bedeuten, dass die finanziellen Interessen der EU weniger gut geschützt sind.”

Die Prüfer kritisieren, dass der rechtliche Rahmen nicht an das neue Finanzierungsmodell der ARF angepasst wurde. Die EU-Kommission habe nur begrenzten Zugang zu Informationen und verlasse sich auf unzureichende Nachweise. Zwar habe die Kommission kürzlich zwei potenzielle Fälle von Doppelfinanzierung entdeckt, doch die Prüfer sehen dies als Zufall und als Hinweis auf grundlegende Mängel der Kontrollsysteme. vis

  • Finanzpolitik
  • Rechnungshof
  • Wiederaufbaufonds

Rahmenabkommen: Metsola und von der Leyen einigen sich auf neun Prinzipien

Grünes Licht für ein neues Rahmenabkommen zwischen Europäischem Parlament und Kommission: Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einigten sich auf Eckpunkte für die Überarbeitung der interinstitutionellen Vereinbarung.

Das bisherige Rahmenabkommen stammt aus dem Jahr 2010. Metsola und von der Leyen machten die Gespräche über das Rahmenabkommen zur Chefinnensache. Sie einigten sich auf neun Prinzipien, anhand derer das neue Abkommen nun ausverhandelt wird. Sie beschlossen zudem, dass die Arbeiten sofort beginnen sollen.

Dass die Einigung noch vor den Anhörungen der Kommissarsbewerber perfekt gemacht wurde, gilt als Signal der Kommission an das Parlament. Unter anderem geht es darum, das Recht des Parlaments zu stärken, Gesetzgebungsverfahren zu initiieren. Es sollen zudem Kriterien für Gesetzgebung im Not- und Schnellverfahren entwickelt werden. Das Parlament beklagt, dass es bei diesen Verfahren von Rat und Kommission, wie sie etwa zur Impfstoffbeschaffung während der Pandemie angewendet wurden, als Co-Gesetzgeber außen vor ist. mgr  

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  • Europäisches Parlament

Bodenüberwachungsgesetz: Parlament will Verhandlungen mit dem Rat aufnehmen

Am Montagabend hat der Umweltausschuss (ENVI) im Europäischen Parlament für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Rat zu zwei Vorschlägen aus der vergangenen Amtszeit gestimmt. Es handelt sich um das Bodenüberwachungsgesetz und die Reform der Abfallrahmenrichtlinie, die auch Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung betrifft.

Damit bekennen sich die Abgeordneten zur Verhandlungsposition, die das Parlament vor der Wahl verabschiedet hatte. Zu beiden Themen will Ungarn noch während seiner EU-Ratspräsidentschaft bis Ende Dezember Trilogverhandlungen mit dem Parlament führen.

Ob sie bis dahin auch abgeschlossen werden, muss sich erst zeigen. Beim Bodengesetz etwa wollen sowohl Parlament als auch Rat den Kommissionsvorschlag weiter abschwächen. Noch diese Woche soll der Startschuss für die Verhandlungen fallen. Möglich ist aber, dass Vorbehalte einzelner Länder, Parteien und Interessengruppen den Prozess verzögern. jd

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Asylzentren: Meloni will Albanien-Modell mit Erlass retten

Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will ihr Modell zur Unterbringung von Mittelmeer-Flüchtlingen außerhalb der EU mit einem neuen Erlass retten. Ihre Regierung verabschiedete dazu bei einer außerordentlichen Sondersitzung am Montagabend in Rom eine veränderte Regelung. Dabei geht es insbesondere darum, welche Heimatländer von Asylbewerbern künftig juristisch zuverlässig als sichere Herkunftsländer eingestuft werden können. Italien ist das erste Land, das außerhalb der EU über Asylanträge entscheiden will.

Ziel der rechten Koalition aus drei Parteien ist es, die eben erst eröffneten beiden Lager in Albanien trotz einer Niederlage vor Gericht weiter betreiben zu können. Nach Informationen der Tageszeitung La Repubblica gehört zu den wesentlichen Neuerungen auch, dass die Liste sicherer Herkunftsländer künftig im Regierungssitz festgelegt wird – also im Hause Meloni direkt. Bislang ist dafür das Außenministerium zuständig. Offiziell gab es dafür zunächst keine Bestätigung.

Bis zu 36.000 Asylanträge pro Jahr außerhalb von Italien

Aktuell stehen die Lager in Albanien wieder leer. Künftig soll dort aber pro Jahr über bis zu 36.000 Asylanträge entschieden werden. Ein Gericht in Rom hatte am Freitag verfügt, dass die erste Gruppe von Ankömmlingen – zwölf Männer aus Bangladesch und Ägypten – nach nur zwei Tagen wieder nach Italien gebracht werden mussten. Begründet wurde dies damit, dass beide Staaten keine sicheren Herkunftsländer seien, wie dies durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorgeschrieben sei. 

Die Listen werden innerhalb der EU Land für Land festgelegt. Eine gemeinsame europäische Liste gibt es nicht. In Italien umfasste sie bislang 21 Staaten. Jetzt wurden Nigeria, Kamerun und Kolumbien davon gestrichen – Ägypten und Bangladesch stehen aber weiterhin darauf. Die Liste soll regelmäßig aktualisiert werden. Unter Experten ist umstritten, ob der Erlass ausreicht, um die Bedenken der Justiz auszuräumen. Meloni hatte zuvor schon angekündigt, gegen die Entscheidung des Einwanderungsgerichts in Berufung zu gehen – notfalls bis zur obersten Instanz.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, man stehe in Kontakt mit den italienischen Behörden. Die Vereinbarung zwischen Italien und Albanien unterliege nationalem Recht. Zugleich sei es so, dass alle Maßnahmen Italiens vollständig im Einklang mit EU-Recht stehen müssten. dpa

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Presseschau

Referendum in Moldau angenommen: Knappe Mehrheit für EU-Beitritt – Baerbock erleichtert STUTTGARTER ZEITUNG
Stichwahl: Präsidentschaftswahlen in Moldau – Die EU muss helfen TAZ
Offenbar schwere Wahlmanipulation in Moldau: Was heißt das für den EU-Beitritt? TAGESSPIEGEL
EU biegt in die Erweiterungssackgasse DIE PRESSE
EU-Gipfel: Im Nebenzimmer berieten die Regierungschefs über Abschiebezentren außerhalb der EU – ohne Scholz WELT
Sind Rückführungszentren außerhalb der EU legal? EURONEWS
EU-Rechnungshof: Zahlt Brüssel zweimal für dieselben EU-Förderprojekte? FAZ
Gusenbauers Signa-Brief und die geheime Verschlussakte der EZB DIE PRESSE
Studie zu Steuervorteilen in EU: Milliarden-Subventionen für Verbrenner-Dienstwagen TAGESSCHAU
EU will mehr Hochwasser-Hilfe ermöglichen DIE PRESSE
Russlands Wirtschaft unter Druck: Putin-Freund Urban verliert wichtigen EU-Posten, Polen übernimmt ab 1.1.25 EU-Ratsvorsitz FR
EUGH-Verhandlung: Gegen grüne EU-Label für Atom und Gas: Prozess startet TAGEBLATT
Pflanzenzüchtung: EU-Patentamt in der Kritik: Patent auf kältetoleranten Mais bestätigt AGRARHEUTE
Online-Plattformen: Die EU kämpft gegen die Flut von Billigware aus China STUTTGARTER ZEITUNG
Digital Services Act: Warum sich Temu jetzt vor der EU-Kommission rechtfertigen muss WUV
Flüchtlingspolitik in Italien: Meloni will Albanien-Modell mit neuem Erlass durchsetzen SPIEGEL
Heftige Regenfälle in Italien: Mehrere Tausend Menschen wegen Hochwassers evakuiert SPIEGEL
Mamma mia: Geburtenrate in Italien vor historischem Tief MÜNSTERSCHE ZEITUNG
Abschieben mit Geert Wilders: Der Uganda-Plan der Niederlande steht ganz am Anfang N-TV
BRICS-Staate: Die Türkei sucht Nähe zu Russland und China DEUTSCHLANDFUNK
Erdoğan-Gegner Gülen im US-Exil gestorben: Das vergiftete Erbe des Imams SPIEGEL
US-Geheimdienst warnte Ungarn vor bewaffneter Aktion DIE PRESSE
Prozess zu einem der schlimmsten Umweltdesaster Brasiliens in London begonnen UNTERNEHMEN-HEUTE
Großbritannien verhängt Bußgeld in Millionenhöhe gegen VW ZEIT
Flandern verweigert fünf türkischen Imamen Arbeitserlaubnis BRF
Nordische Botschaften – Alle da: Royals aus Dänemark, Schweden und Norwegen feiern Jubiläum in Berlin WEB.DE
Neue Gleise sechs Jahre zu spät? Dänemark zweifelt an pünktlichem Schienenausbau zum Fehmarnbelt-Tunnel – jetzt reagiert die Bahn SHZ
Pandemie-Aufarbeitung: Slowakei – Verschwörungsideologen und Impfgegner an der Macht MDR
Schweiz und Österreich mit Forschungskooperation im Rüstungsbereich SARGANSERLÄNDER
Vertrauen der Österreicher in positive Entwicklung des Landes wird weniger VIENNA
Die Generalsekretärin der Grünen Schweiz, Rahel Estermann, geht NAU
Polen: Darum fährt auch eine “linke” Regierung harte Asyl-Linie NAU
Frankreich verkauft Rafale-Jets an Serbien, nicht an die Ukraine MERKUR
Doliprane: Frankreich stellt Auflagen für Verkauf von Sanofi-Tochter HANDELSBLATT
Griechische Tourismusarbeiter fordern bessere Löhne EURONEWS
Vulkanausbrüche in Island: Die Lava-Leugner von Grindavik TAGESSPIEGEL
Konjunktur in Luxemburg: Sorgenkind Bausektor TAGEBLATT

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Paula Pickert: Vertreterin der Genossenschaften in Brüssel

Leitet seit Kurzem das Brüsseler Büro des Deutschen Raiffeisenverbands: Paula Pickert.

Seit September 2024 leitet Paula Pickert die Geschicke des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) in der europäischen Hauptstadt. Sie folgt auf den langjährigen DRV-Funktionär Thomas Memmert, der sich nach 27 Jahren als Brüsseler Büroleiter in den Ruhestand verabschiedet hat. Bisher war Pickert in Berlin für den Genossenschaftsverband tätig, neben der Warenwirtschaft auch bereits im Bereich Public Affairs. Neu ist die Brüsseler EU-Blase für die studierte Agrarökonomin aber nicht.

Seit einem sechsmonatigen Praktikum beim Rat der EU fasziniere sie die europäische Politik mit ihrer Vielzahl an Akteuren aus verschiedenen Fachgebieten und Ländern, erzählt sie: “Alle haben unterschiedliche Vorstellungen von Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und Genossenschaften, müssen aber einen gemeinsamen Nenner finden.”

“Die richtigen Menschen im richtigen Moment zusammenbringen”

Ihre neue Aufgabe sieht Pickert vor allem in der wechselseitigen Kommunikation: Einerseits, den Verbandsmitgliedern im gesamten Bundesgebiet Prozesse und anstehende Herausforderungen in Brüssel näherzubringen. Andererseits, die Anliegen des DRV in Brüssel zu vertreten. “Oft geht es darum, im richtigen Moment die richtigen Menschen zusammenzubringen – da hilft es, dass ich das Team in Berlin gut kenne”, sagt sie.

Eine Besonderheit an der Arbeit in Brüssel ist für Pickert der Austausch mit Genossenschaftsverbänden aus anderen EU-Ländern, die wie der DRV im Dachverband Cogeca organisiert sind. “Geht es zum Beispiel daran, eine EU-Richtlinie national umzusetzen, klopfe ich ab: Wie macht Frankreich das, welche Ansätze gibt es in Portugal, was können wir davon lernen?”, erzählt sie. “Dieser Austausch ist für uns besonders wertvoll, gerade, weil es für Genossenschaften wegen der besonderen Geschäftsform oft spezifische Regelungen gibt.”

Faire Bedingungen auf dem europäischen Markt

Besonders genau wolle man beim DRV jetzt darauf schauen, wie die Empfehlungen des Strategischen Dialogs die Zukunft der europäischen Agrarpolitik beeinflussen, erzählt Pickert. Spannend seien die Empfehlungen des Verbändegremiums zum Beispiel beim Thema Finance und Kreditvergabe. “Die Genossenschaften bilden eine wichtige Schnittstelle zwischen Landwirten und dem Bankensektor”, erklärt sie. “Für uns ist das Thema deshalb zentral, und es ist gut, dass der Strategiedialog hervorhebt, dass verschiedene Finanzierungssysteme miteinander kohärent sein müssen.”

Kohärenz sei dem Verband auch darüber hinaus auf dem europäischen Binnenmarkt wichtig, betont Pickert: “Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen: Wenn schon nicht global, müssen wenigstens in der EU für alle Marktteilnehmer gleiche Anforderungen gelten.” So zum Beispiel in Bezug auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Anforderungen in der Tierhaltung, aber auch wettbewerbsfähige Betriebskosten im europäischen Vergleich.

“EU-Regeln zu unlauteren Handelspraktiken konsequenter umsetzen”

Außerdem wichtig für die Genossenschaften: Die mögliche Überarbeitung der EU-Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken (UTP). Für das kommende Jahr hat die Europäische Kommission einen Bewertungsbericht angekündigt, “wenn nötig” soll eine Reform der Richtlinie folgen. “Aber die UTP-Richtlinie muss nicht nur überarbeitet werden”, meint Pickert. “Wünschenswert wäre neben einer Erweiterung des Anwendungsbereichs eine deutliche Schärfung der Verbote.”

Daneben wolle sich der DRV in Brüssel für eine “Entschlackung der Bürokratie” einsetzen, erklärt sie. “Ich glaube, über das Ziel des Bürokratieabbaus sind sich alle Beteiligten einig, aber es muss auch wirklich umgesetzt werden”, mahnt Pickert. Dazu reiche es nicht aus, das Prinzip “one in, one out” umzusetzen, demzufolge neue Belastungen durch Erleichterungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Denn das bedeute Stillstand. “Ein wirklicher Abbau ist nur mit ‘one in, two out’ zu erreichen – da müssen wir hinkommen”, fordert sie. Julia Dahm

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  • Europäische Kommission
  • Landwirtschaft
  • UTP-Richtlinie

Europe.Table Redaktion

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    das Ringen der Ampel um die Staatsfinanzen hat auch eine EU-Dimension. Die Kommission führt derzeit technische Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium über den Haushalt der Bundesrepublik, die durchaus pikant sind. In der Sache geht es darum, dass Deutschland gegen die neuen Euro-Stabilitätsregeln verstößt. Ausgerechnet Deutschland, dessen Finanzminister Christian Linder (FDP) bei der Debatte über die neuen Stabilitätsregeln ein Hardliner war. Er wollte durchsetzen, dass Mitgliedstaaten, die sich an den Regeln versündigen, binnen vier Jahren zurück auf den Weg der Tugend kommen müssen.

    Damit durchsetzen konnte er sich nicht. Beschlossen wurde, dass Mitgliedstaaten nicht nur vier, sondern auch sieben Jahre Zeit bekommen können, um die Kriterien wieder einzuhalten. Dafür stehen sie dann aber unter umso strengerer Aufsicht der EU-Kommission. Genau das kann jetzt Deutschland passieren. Noch ist es nicht entschieden, aber es ist durchaus möglich, dass der Defizitsünder Deutschland ins Sieben-Jahres-Programm rutscht, weil die Haushaltslage so kritisch ist.

    Peinlich ist zudem: Die Bundesregierung hatte in ihrem Austausch mit der EU-Kommission auf der Basis von 2023er-Konjunkturzahlen argumentiert. Der Kommission war das bitter aufgestoßen. Die Brüsseler Beamten haben aktuelle Daten zur Haushaltslage angemahnt. Die Wirtschaftslage der Bundesrepublik hat sich aber gegenüber dem Jahr 2023 verschlechtert.

    Für Berlin ist auch das keine gute Nachricht: Damit wird das Bundesfinanzministerium noch mehr Mühe haben, die Kommission zu überzeugen, dass sie haushaltspolitisch auf dem richtigen Weg ist. Ich wünsche Ihnen, dass Sie weniger beschwert als Christian Lindner durch den Tag kommen.

    Ihr
    Markus Grabitz
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    Analyse

    Moldau: Weshalb der knappe Sieg der Proeuropäer eine Mahnung für die EU ist

    Ohne die Stimmen aus dem Ausland hätte es nicht geklappt: Maia Sandu konnte am Montag einen hauchdünnen Sieg für das Referendum melden, mit dem Moldaus Präsidentin das Ziel der EU-Integration unwiderruflich in der Verfassung festschreiben will. 50,5 Prozent stimmten am Ende für die proeuropäische Orientierung, wobei rund 13.000 Stimmen den Unterschied machten. Lange sah es bei der Auszählung nach einer Zitterpartie und einem negativen Ergebnis aus, bis die Stimmen von gut 200.000 Auslandsmoldauern hinzukamen, die zu 70 Prozent für die proeuropäische Verankerung ihrer Heimat stimmten.

    Die Lesart drängt sich auf, dass die Stimmberechtigten im Ausland weniger den russischen Desinformationskampagnen ausgesetzt sind und sich deshalb deutlich proeuropäischer entschieden. Für Maia Sandu war die massive Einflussnahme Moskaus am Tag danach jedenfalls das große Thema: Sie sprach davon, dass kriminelle Gruppen im großen Stil Stimmen gekauft hätten, und prangerte die beispiellose Attacke demokratiefeindlicher Kräfte an.

    Sandu muss noch in die Stichwahl am 3. November

    Nach Angaben der Behörden in Chişinău soll Moskau mehr als 100 Millionen Euro eingesetzt haben, um das Referendum und die parallelen Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen. Dort liegt Maia Sandu mit rund 42 Prozent zwar deutlich vor dem prorussischen Herausforderer Alexandr Stoianoglo mit rund 26 Prozent. Die Amtsinhaberin hat aber angesichts des knappen Referendums keine einfache Ausgangslage vor der Stichwahl am 3. November.

    Die Ergebnisse in Moldau sind in verschiedener Hinsicht eine Mahnung: Maia Sandu selbst warnte, sollten sich die Praktiken der Wählerbeeinflussung in ihrer Heimat auszahlen, könnten sie in anderen Ländern Schule machen. Für die EU ist das Ergebnis eine Warnung, dass Moldaus prowestliche Orientierung nicht garantiert ist und größere Anstrengungen nötig sein dürften. Fällt Moldau doch noch, hat das auch Auswirkungen auf die Ukraine oder auf Georgien.

    Moskau wird nicht nachlassen

    Moskau dürfte jedenfalls in den Bemühungen nicht nachlassen, das Land ganz in den russischen Einflussbereich zurückzuholen oder zumindest zu destabilisieren. Vor einer Woche hat die EU weitere Sanktionen gegen fünf Personen und eine Organisation verhängt, die für Handlungen verantwortlich gemacht werden, die Republik Moldau zu destabilisieren. Neu auf der Liste unter anderem Evghenia Gutul, Gouverneurin von Moldaus autonomem Gebiet Gagausien. Teil der russischen Desinformationskampagnen sind laut der zuständigen EU-Taskforce unter anderem Berichte, Maia Sandu wolle die Ukraine unterstützen, die separatistische Region Transnistrien anzugreifen oder Moldau als Standort für Asylzentren anbieten.

    “Wir verurteilen aufs Schärfste die bösartigen Aktivitäten, Einmischungen und hybriden Operationen der Russischen Föderation, prorussischer Oligarchen und von Russland unterstützter lokaler Akteure”, sagte Michael Gahler, Leiter einer Wahlbeobachterdelegation des EU-Parlaments in Chişinău. Das Ziel Russlands sei es nach wie vor, den Wahlprozess, die Sicherheit, die Souveränität und die demokratischen Grundlagen der Republik Moldau sowie den freien Willen ihrer Bürger zu untergraben. Trotz der beispiellosen massiven, bösartigen und illegalen russischen Einmischung, insbesondere durch Stimmenkauf, hybride Angriffe und Desinformation habe sich das Volk der Republik Moldau für eine Zukunft in der EU entschieden.

    Proeuropäer in Moldau haben noch viel Arbeit vor sich

    Für den Grünen Abgeordneten Sergey Lagodinsky, Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten (AFET), zeigt das Ergebnis, “wie viel Arbeit noch vor uns und vor allem vor den demokratischen proeuropäischen Kräften in Moldau liegt”. Es brauche Überzeugungsarbeit und Arbeit gegen Einmischung aus Moskau. “Trotz massiver russischer Einschüchterung, Desinformation und versuchten Stimmenkauf, haben sich die Moldauerinnen und Moldauer nicht einschüchtern lassen, und für eine engere Anbindung an die EU gestimmt”, sagte der Sozialdemokrat Tobias Cremer, ebenfalls Teil der Wahlbeobachtungsmission.

    In Moskau wies Kremlsprecher Dmitri Peskow den Vorwurf der Wählerbeeinflussung zurück und forderte Maia Sandu auf, Beweise für ihre Anschuldigungen vorzulegen.

    • AFET
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    • EU-Erweiterung
    • EU-Kommission
    • Moldau
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    Netzentgelte: BMWK will Kosten neu aufteilen

    Das Bundeswirtschaftsministerium will die Kosten für den Ausbau des europäischen Stromnetzes zwischen den Mitgliedstaaten neu aufteilen. Mit dem Netzausbau in der EU stelle sich “die Frage nach der Verteilung der Investitionskosten auf mehrere Mitgliedstaaten und zwischen den Netznutzern”, schreibt das BMWK in der Ausschreibung für externe Beratung zur “Weiterentwicklung des EU-Rahmens für Stromnetzplanung“.

    Allein bis 2030 schätze die EU-Kommission die Kosten für den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze auf 582 Milliarden Euro. “Dabei sollte neu überlegt werden, welcher Teil der Investitionskosten über die Übertragungsnetzbetreiber auf nationale Netzkunden umgelegt wird, und inwieweit insbesondere Kosten grenzüberschreitender Investitionen breiter und überregional verteilt werden sollten”, schreibt das Ministerium.

    Schweden stoppte Stromleitung nach Deutschland

    Die Ausschreibung beantwortet noch nicht die Frage, ob die Neuordnung Deutschland be- oder entlasten würde. Weil die Bundesrepublik als starke Industrienation aber einer der größten Stromverbraucher der EU ist und bleiben wird, könnte es für Deutschland vorteilhaft sein, sich künftig stärker an Netzprojekten seiner Nachbarn zu beteiligen.

    Schwedens Regierung zum Beispiel hatte im Juni die Genehmigung für das Leitungsprojekt Hansa PowerBridge gestoppt, das den Süden des Landes mit Deutschland verbinden sollte. “Dies würde zu höheren Preisen und einem instabileren Strommarkt in Schweden führen”, hatte Schwedens Energieministerin Ebba Busch gesagt. Die Kosten für das Projekt hätte dagegen Schweden tragen müssen. Womöglich setzt das BMWK darauf, mit einer Kostenbeteiligung für derartige Projekte den Zustrom von günstiger grüner Energie nach Deutschland zu erleichtern.

    DG Energy dämpft Hoffnung auf mehr EU-Gelder

    Die Neuaufteilung der Kosten würde aber voraussichtlich nur grenzüberschreitende Leitungen betreffen. Für die große Mehrheit der Projekte will sich das BMWK an der Diskussion um neue Finanzierungsquellen beteiligen. Untersuchen sollen die Gutachter mehrere Optionen:

    • Höhere Ausstattung und neue Verteilungsregeln für die Connecting Europe Facility (CEF)
    • Schaffung einer neuen EU-Fazilität zur Netzfinanzierung für Onshore- und Offshore-Leitungen
    • Weiterentwicklung der Rolle der Europäischen Investitionsbank (EIB)
    • Instrumente, um privates Kapital anzuziehen
    • Stärkere Nutzung von Engpasserlösen zur gesamteuropäischen Netzfinanzierung

    Hoffnungen auf mehr Gelder aus Brüssel versucht die Generaldirektion Energie (DG Energy) allerdings schon im Vorfeld zu dämpfen. “Eine EU-Finanzierung wird als letztes Mittel für Investitionen mit hoher europäischer Priorität dienen, zum Beispiel für bestimmte Infrastrukturprojekte mit grenzüberschreitender Bedeutung”, schreiben die Beamten in einem internen Briefing zur Vorbereitung des designierten Kommissars Dan Jørgensen für die anstehende Anhörung im EU-Parlament.

    Kritik an ACER und ENTSO-E

    Das BMWK will außerdem Reformvorschläge für die europäische Netzplanung erarbeiten lassen. So erwägt das Ministerium, es künftig auch anderen Akteuren als den Übertragungsnetzbetreibern zu ermöglichen, Leitungsprojekte für die europäischen Netzentwicklungspläne (TYNDP) vorzuschlagen. Prüfen lassen will das BMWK zudem, ob mit der Netzplanung weiterhin die Regulierungsagentur ACER und die Netzbetreiberorganisation ENTSO-E betraut werden sollen.

    Um den Netzausbau zu beschleunigen, lässt das BMWK eine stärkere Standardisierung von Netzkomponenten in Europa prüfen sowie EU-Ausbildungsprogramme und Verbesserungen im Vergaberecht. Zulieferer könnten durch mehr Bürgschaften und eine stärkere Rolle der EIB dabei unterstützt werden, ihre Produktionskapazitäten auszubauen.

    • EIB
    • Energie
    • Strommarkt
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    Ausgleichszölle: Wie das China-Dilemma der WTO gelöst werden könnte

    Die Ausgleichszölle für chinesische Elektroautos können Anfang November in Kraft treten. Ob es tatsächlich dazu kommt, liegt in der Hand der EU-Kommission. Brüssel lässt Peking immer noch die Möglichkeit, am Verhandlungstisch für einen Ausweg zu werben. Ausgeschlossen ist das nicht. China genießt prominente Unterstützung. Insbesondere die deutsche Automobilindustrie spricht sich für eine Verhandlungslösung aus, da sie Gegenmaßnahmen befürchtet, von denen sie selbst betroffen sein könnte.

    Taktisch befindet sich die EU in einer besseren Position als noch vor der vorläufigen Festlegung der Zölle am 4. Oktober. Den Vorschlag der chinesischen Seite, einen Mindestpreis von 30.000 Euro pro Fahrzeug festzulegen, lehnte die Kommission ab. Laut Medienberichten könnte ein Mindestpreis von 35.000 bis 40.000 Euro allerdings Erfolg haben. Klar ist, dass die EU China eine Verhandlungslösung teuer bezahlen ließe.

    Abstrakter Mindestpreis ergibt wenig Sinn

    Aufheben lassen sich die Ausgleichszölle problemlos. Denn verpflichtend sind sie nicht. Auch Mindestpreise für die Fahrzeuge seien mit WTO-Recht vereinbar, sagt Professor Christoph Herrmann von der Universität Passau, der am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht unterrichtet. Eine Ausgleichsmaßnahme könnten statt Zöllen auch Mindesteinfuhrpreise oder eine Preisverpflichtung bedeuten, die die Anbieter eingehen müssten.

    Ein Mindesteinfuhrpreis ist ein gängiges Instrumentarium, das zum Beispiel auch bei Solarpaneelen angewendet wurde. Das Problem der Umgehungsgefahr ist aus Sicht der EU allerdings recht hoch. Bei Solarpaneelen laufen viele Strafverfahren.” Ein abstrakter Mindestpreis, wie zum Beispiel die 30.000 Euro, mache dagegen keinen Sinn. Ausgleichszölle seien da viel treffgenauer, weil sie auf den Transaktionswert jedes einzelnen Fahrzeugs abgestimmt seien, so Herrmann.

    “Mit ihrem Vorgehen zeigt die EU, dass sie grundlegend anders mit ihrem Handelspartner China umgeht als die USA”, sagt Max Zenglein, Chefökonom bei Merics. Er hält das Vorgehen für vernünftig, auch wenn in der Debatte um eine Verhandlungslösung durchaus unterschiedlich argumentiert wird. “Die EU signalisiert China damit: Wir verstehen euer Wirtschaftssystem, aber wir sind in einer Situation, in der wir wirtschaftlich zunehmend unter Druck gesetzt werden. Das heißt nicht, dass wir alle Verbindungen kappen und die wirtschaftlichen Beziehungen beschädigen wollen.” 

    China sieht Europa als schwachen Akteur

    Seit Ende September gelten in den USA Zölle von 100 Prozent für E-Autos aus China. Die Begründung: Umfangreiche Subventionen und nicht marktkonforme Praktiken Chinas führen zu erheblichen Risiken von Überkapazitäten und wirken sich damit negativ auf die amerikanische Industrie aus. Die Regierung Biden vervierfachte damit die bereits bestehenden Zölle von 25 Prozent, die Donald Trump 2018 auf Basis von Section 301 des U.S. Trade Act von 1974 erlassen hatte. Das Instrument ermöglicht es den USA, unilateral und ohne zeitliche Begrenzung gegen einen anderen Staat vorzugehen. China protestierte, dass die Maßnahme nicht WTO-konform sei, was stimmt.

    Dennoch gab es gegenüber den USA keine Drohgebärden Pekings – ganz anders als gegenüber der EU in der aktuellen Zolldebatte. Das spiegele Chinas Blick auf die USA und Europa wider, schließt Max Zenglein aus den unterschiedlichen Reaktionen. “Die Debatte um E-Auto-Zölle zeigt, dass China Europa als schwachen Akteur sieht, den man leicht aufschrecken und dem man drohen kann. Der Prozess wurde in Europa monatelang diskutiert, in aller Öffentlichkeit, und China hat in jeder Form versucht, seinen Einfluss geltend zu machen -durchaus erfolgreich”. Das Vorgehen der USA habe China im Gegensatz dazu – wenn auch protestierend – zur Kenntnis genommen.

    Wie relevant sind die WTO-Regeln?

    Für Europa sind die WTO-Regeln dagegen maßgebend. “Die EU achtet im Fall der Ausgleichszölle auf chinesische Elektroautos darauf, dass die Maßnahmen im weitesten Sinne WTO-konform sind. Auch China hat die Mechanismen in diesem Fall genutzt und über die WTO-Beschwerde eingereicht”, sagt Zenglein. Ein Blick ins Verzeichnis aktueller WTO-Beschwerden zeigt: Der Mechanismus wird zwischen den Parteien China, EU und USA rege genutzt. Aktuell liegen sechs Beschwerden Chinas gegen die EU vor, 18 gegen die USA. Und umgekehrt laufen zwölf Fälle der EU gegen China und 23 Fälle der USA gegen China. 

    Die Akzeptanz und die Wahrung der WTO-Prinzipien sind allerdings selektiv, die Steuerungskraft der WTO dadurch zurückgegangen. Das liegt nicht nur an der Appellate-Body-Krise, sagt Herrmann. Insbesondere die USA wollten ihre Handelsbeziehungen zu China abseits des regelbasierten Systems regulieren, China umgekehrt auch. Zudem verstoßen auch die USA zum Beispiel mit dem Inflation Reduction Act gegen WTO-Prinzipien, da er die heimische Wirtschaft bevorteilt.

    Ist das WTO-System überholt?

    Während China um die Jahrtausendwende für viele Unternehmen aus den USA und Europa billige Werkbank war, produziert es heute selbst hochwertige Industriegüter und bringt diese auf den Weltmarkt. Doch nicht nur deswegen hat sich die Situation gewandelt. Auch politisch hat sich seit dem Jahr 2001, als China in die WTO aufgenommen wurde, vieles verändert. China wurde damals in die WTO aufgenommen, weil man annahm, dass sich das chinesische System zu einer liberalen Marktwirtschaft entwickelt. Tatsächlich aber zeigt es heute planwirtschaftliche Tendenzen unter einem zunehmend autoritären Regime.

    Die Aufnahme Chinas in die WTO war allerdings keine rein politische Entscheidung, argumentiert Julian Hinz, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld und Leiter des Forschungszentrums Handelspolitik am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Schließlich seien auch andere autoritäre Regime Teil der WTO geworden. “Die WTO möchte den Handel auf eine regelbasierte Basis heben. Es ist eindeutig, dass China massiv staatlich in die Wirtschaft eingreift, aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Ausgleichszölle also gerechtfertigt, denn es geht um den Ausgleich unlauteren Wettbewerbs.”

    Für einen Staatskapitalismus, wie ihn China praktiziert, gibt es aber keine Regeln im WTO-Recht. “Die Frage, was industriepolitisch erlaubt ist, ist nicht ausreichend geregelt. Die Staaten berufen sich daher zum Beispiel auf die nationale Sicherheit, um Zölle zu erheben“, sagt Herrmann. Die Folge handelspolitischer Zwangsmaßnahmen, wie sie aktuell im Streit um die E-Auto-Zölle zu beobachten ist, sei entsprechend problematisch. “Man muss damit rechnen, dass mehr Zölle kommen und Gegenmaßnahmen auch unschuldige Industrien treffen, wie zum Beispiel jetzt die Branntwein-Industrie.”

    Möglichkeit multilateraler Abkommen

    Ein Ausweg könnte eine Reform des Systems sein, die den veränderten Gegebenheiten Rechnung trägt. Das hält Max Zenglein von Merics aktuell allerdings nicht für realistisch. “Um ein neues System auszudiskutieren, müssten die großen Wirtschaftsblöcke zueinander finden und sich in gewissen Punkten einigen. Dafür ist aktuell nicht der richtige Zeitpunkt.”

    Julian Hinz verweist auf die Möglichkeit multilateraler Abkommen, die nicht für alle verpflichtend sind. “Länder oder Länderblocks, wie beispielsweise die EU, könnten sich zu bestimmten Themen zusammenfinden und dort weiter liberalisieren, oder sich bestimmte Regeln auferlegen. Es könnte Gruppen oder Clubs geben, die sich in diesem Rahmen weiter öffnen.”

    • E-Autos
    • EU-Kommission
    • Inflation Reduction Act
    • WTO
    • Zölle

    Termine

    23.10.2024 – 09:00 Uhr, Berlin
    BMWK 2. Europäischer Gipfel für bidirektionales Laden
    Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) lädt zum europäischen Austausch über bidirektionales Laden ein. ANMELDUNG VIA E-MAIL

    23.10.2024 – 10:00-11:00 Uhr, online
    TÜV, Seminar Mit KI effizient zur CSRD-Konformität?
    Der TÜV präsentiert das KI-Tool “CSRD-Checker”. INFOS & ANMELDUNG

    23.10.2024 – 14:00-15:00 Uhr, online
    FSR, Discussion Advancing Climate Justice: Integrating Fairness into Policy and Practice
    The Florence School of Regulation (FSR) addresses key aspects such as the distribution of responsibilities among nations, the role of ethical considerations in policy-making, and practical approaches to implementing fair climate actions. INFOS & REGISTRATION

    23.10.2024 – 15:00-17:00 Uhr, online
    ERCST, Presentation Including products further down the value chain in the EU CBAM
    The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) discusses the impact on downstream cost increases and the risk of value chain substitution for semi-manufactured and manufactured goods. INFOS & REGISTRATION

    24.10.-26.10.2024, Berlin
    HBS, Conference Progressive Perspectives of in Times of Polycrisis
    The Hans-Böckler-Stiftung (HBS) addresses progressive perspectives to face the challenges of decarbonisation and demography. INFOS & REGISTRATION

    24.10.2024 – 15:00-16:30 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    ERCST, Roundtable Finding common ground: The role of ICM technologies in decarbonization pathways
    The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) gathers various stakeholders with (opposing) views, intending to find common ground to move forward with developing and deploying ICM technologies  INFOS & REGISTRATION

    24.10.2024 – 15:00-16:30 Uhr, online
    HE, Podiumsdiskussion H2Talk on Market-Making Schemes for Clean Hydrogen Deployment
    Hydrogen Europe (HE) explores global efforts to stimulate supply and unlock demand. INFOS & REGISTRATION

    News

    Rechnungshof: Warnung vor Doppelfinanzierung bei Corona-Aufbaufonds

    Der Europäische Rechnungshof sieht ein wachsendes Risiko, dass EU-Gelder doppelt für dieselben Projekte ausgegeben werden. Grund ist der 648 Milliarden Euro schwere Corona-Aufbaufonds (Aufbau- und Resilienzfazilität, ARF), der sich mit anderen EU-Programmen in Bereichen wie Verkehr und Energieinfrastruktur überschneidet.

    Im Bericht des Rechnungshofs heißt es, die bestehenden Kontrollmechanismen seien unzureichend, um Doppelfinanzierungen zu verhindern. Die ARF-Mittel sind erstmals nicht an tatsächliche Kosten, sondern an die Erreichung von Zielen geknüpft. Dadurch steige die Gefahr, dass Projekte sowohl aus dem Aufbaufonds als auch aus regulären EU-Programmen finanziert werden. Besonders problematisch sei, dass die Kontrollsysteme überwiegend auf Selbsterklärungen der Empfänger beruhen. Manuelle Prüfungen und inkompatible Software erschweren die Überwachung.

    Steuergelder verschwendet

    “Im Falle einer Doppelfinanzierung werden EU-Mittel missbräuchlich verwendet und Steuergelder verschwendet. Trotzdem sind die vorhandenen Schutzmechanismen unzureichend”, erläuterte Annemie Turtelboom, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Das Finanzierungsmodell der ARF sollte eine Vereinfachung bringen. “Vereinfachung sollte aber nicht bedeuten, dass die finanziellen Interessen der EU weniger gut geschützt sind.”

    Die Prüfer kritisieren, dass der rechtliche Rahmen nicht an das neue Finanzierungsmodell der ARF angepasst wurde. Die EU-Kommission habe nur begrenzten Zugang zu Informationen und verlasse sich auf unzureichende Nachweise. Zwar habe die Kommission kürzlich zwei potenzielle Fälle von Doppelfinanzierung entdeckt, doch die Prüfer sehen dies als Zufall und als Hinweis auf grundlegende Mängel der Kontrollsysteme. vis

    • Finanzpolitik
    • Rechnungshof
    • Wiederaufbaufonds

    Rahmenabkommen: Metsola und von der Leyen einigen sich auf neun Prinzipien

    Grünes Licht für ein neues Rahmenabkommen zwischen Europäischem Parlament und Kommission: Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einigten sich auf Eckpunkte für die Überarbeitung der interinstitutionellen Vereinbarung.

    Das bisherige Rahmenabkommen stammt aus dem Jahr 2010. Metsola und von der Leyen machten die Gespräche über das Rahmenabkommen zur Chefinnensache. Sie einigten sich auf neun Prinzipien, anhand derer das neue Abkommen nun ausverhandelt wird. Sie beschlossen zudem, dass die Arbeiten sofort beginnen sollen.

    Dass die Einigung noch vor den Anhörungen der Kommissarsbewerber perfekt gemacht wurde, gilt als Signal der Kommission an das Parlament. Unter anderem geht es darum, das Recht des Parlaments zu stärken, Gesetzgebungsverfahren zu initiieren. Es sollen zudem Kriterien für Gesetzgebung im Not- und Schnellverfahren entwickelt werden. Das Parlament beklagt, dass es bei diesen Verfahren von Rat und Kommission, wie sie etwa zur Impfstoffbeschaffung während der Pandemie angewendet wurden, als Co-Gesetzgeber außen vor ist. mgr  

    • Europäische Kommission
    • Europäisches Parlament

    Bodenüberwachungsgesetz: Parlament will Verhandlungen mit dem Rat aufnehmen

    Am Montagabend hat der Umweltausschuss (ENVI) im Europäischen Parlament für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Rat zu zwei Vorschlägen aus der vergangenen Amtszeit gestimmt. Es handelt sich um das Bodenüberwachungsgesetz und die Reform der Abfallrahmenrichtlinie, die auch Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung betrifft.

    Damit bekennen sich die Abgeordneten zur Verhandlungsposition, die das Parlament vor der Wahl verabschiedet hatte. Zu beiden Themen will Ungarn noch während seiner EU-Ratspräsidentschaft bis Ende Dezember Trilogverhandlungen mit dem Parlament führen.

    Ob sie bis dahin auch abgeschlossen werden, muss sich erst zeigen. Beim Bodengesetz etwa wollen sowohl Parlament als auch Rat den Kommissionsvorschlag weiter abschwächen. Noch diese Woche soll der Startschuss für die Verhandlungen fallen. Möglich ist aber, dass Vorbehalte einzelner Länder, Parteien und Interessengruppen den Prozess verzögern. jd

    • ENVI
    • EU-Bodenüberwachungsgesetz
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    • Trilog
    • Umweltpolitik

    Asylzentren: Meloni will Albanien-Modell mit Erlass retten

    Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will ihr Modell zur Unterbringung von Mittelmeer-Flüchtlingen außerhalb der EU mit einem neuen Erlass retten. Ihre Regierung verabschiedete dazu bei einer außerordentlichen Sondersitzung am Montagabend in Rom eine veränderte Regelung. Dabei geht es insbesondere darum, welche Heimatländer von Asylbewerbern künftig juristisch zuverlässig als sichere Herkunftsländer eingestuft werden können. Italien ist das erste Land, das außerhalb der EU über Asylanträge entscheiden will.

    Ziel der rechten Koalition aus drei Parteien ist es, die eben erst eröffneten beiden Lager in Albanien trotz einer Niederlage vor Gericht weiter betreiben zu können. Nach Informationen der Tageszeitung La Repubblica gehört zu den wesentlichen Neuerungen auch, dass die Liste sicherer Herkunftsländer künftig im Regierungssitz festgelegt wird – also im Hause Meloni direkt. Bislang ist dafür das Außenministerium zuständig. Offiziell gab es dafür zunächst keine Bestätigung.

    Bis zu 36.000 Asylanträge pro Jahr außerhalb von Italien

    Aktuell stehen die Lager in Albanien wieder leer. Künftig soll dort aber pro Jahr über bis zu 36.000 Asylanträge entschieden werden. Ein Gericht in Rom hatte am Freitag verfügt, dass die erste Gruppe von Ankömmlingen – zwölf Männer aus Bangladesch und Ägypten – nach nur zwei Tagen wieder nach Italien gebracht werden mussten. Begründet wurde dies damit, dass beide Staaten keine sicheren Herkunftsländer seien, wie dies durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorgeschrieben sei. 

    Die Listen werden innerhalb der EU Land für Land festgelegt. Eine gemeinsame europäische Liste gibt es nicht. In Italien umfasste sie bislang 21 Staaten. Jetzt wurden Nigeria, Kamerun und Kolumbien davon gestrichen – Ägypten und Bangladesch stehen aber weiterhin darauf. Die Liste soll regelmäßig aktualisiert werden. Unter Experten ist umstritten, ob der Erlass ausreicht, um die Bedenken der Justiz auszuräumen. Meloni hatte zuvor schon angekündigt, gegen die Entscheidung des Einwanderungsgerichts in Berufung zu gehen – notfalls bis zur obersten Instanz.

    Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, man stehe in Kontakt mit den italienischen Behörden. Die Vereinbarung zwischen Italien und Albanien unterliege nationalem Recht. Zugleich sei es so, dass alle Maßnahmen Italiens vollständig im Einklang mit EU-Recht stehen müssten. dpa

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    Presseschau

    Referendum in Moldau angenommen: Knappe Mehrheit für EU-Beitritt – Baerbock erleichtert STUTTGARTER ZEITUNG
    Stichwahl: Präsidentschaftswahlen in Moldau – Die EU muss helfen TAZ
    Offenbar schwere Wahlmanipulation in Moldau: Was heißt das für den EU-Beitritt? TAGESSPIEGEL
    EU biegt in die Erweiterungssackgasse DIE PRESSE
    EU-Gipfel: Im Nebenzimmer berieten die Regierungschefs über Abschiebezentren außerhalb der EU – ohne Scholz WELT
    Sind Rückführungszentren außerhalb der EU legal? EURONEWS
    EU-Rechnungshof: Zahlt Brüssel zweimal für dieselben EU-Förderprojekte? FAZ
    Gusenbauers Signa-Brief und die geheime Verschlussakte der EZB DIE PRESSE
    Studie zu Steuervorteilen in EU: Milliarden-Subventionen für Verbrenner-Dienstwagen TAGESSCHAU
    EU will mehr Hochwasser-Hilfe ermöglichen DIE PRESSE
    Russlands Wirtschaft unter Druck: Putin-Freund Urban verliert wichtigen EU-Posten, Polen übernimmt ab 1.1.25 EU-Ratsvorsitz FR
    EUGH-Verhandlung: Gegen grüne EU-Label für Atom und Gas: Prozess startet TAGEBLATT
    Pflanzenzüchtung: EU-Patentamt in der Kritik: Patent auf kältetoleranten Mais bestätigt AGRARHEUTE
    Online-Plattformen: Die EU kämpft gegen die Flut von Billigware aus China STUTTGARTER ZEITUNG
    Digital Services Act: Warum sich Temu jetzt vor der EU-Kommission rechtfertigen muss WUV
    Flüchtlingspolitik in Italien: Meloni will Albanien-Modell mit neuem Erlass durchsetzen SPIEGEL
    Heftige Regenfälle in Italien: Mehrere Tausend Menschen wegen Hochwassers evakuiert SPIEGEL
    Mamma mia: Geburtenrate in Italien vor historischem Tief MÜNSTERSCHE ZEITUNG
    Abschieben mit Geert Wilders: Der Uganda-Plan der Niederlande steht ganz am Anfang N-TV
    BRICS-Staate: Die Türkei sucht Nähe zu Russland und China DEUTSCHLANDFUNK
    Erdoğan-Gegner Gülen im US-Exil gestorben: Das vergiftete Erbe des Imams SPIEGEL
    US-Geheimdienst warnte Ungarn vor bewaffneter Aktion DIE PRESSE
    Prozess zu einem der schlimmsten Umweltdesaster Brasiliens in London begonnen UNTERNEHMEN-HEUTE
    Großbritannien verhängt Bußgeld in Millionenhöhe gegen VW ZEIT
    Flandern verweigert fünf türkischen Imamen Arbeitserlaubnis BRF
    Nordische Botschaften – Alle da: Royals aus Dänemark, Schweden und Norwegen feiern Jubiläum in Berlin WEB.DE
    Neue Gleise sechs Jahre zu spät? Dänemark zweifelt an pünktlichem Schienenausbau zum Fehmarnbelt-Tunnel – jetzt reagiert die Bahn SHZ
    Pandemie-Aufarbeitung: Slowakei – Verschwörungsideologen und Impfgegner an der Macht MDR
    Schweiz und Österreich mit Forschungskooperation im Rüstungsbereich SARGANSERLÄNDER
    Vertrauen der Österreicher in positive Entwicklung des Landes wird weniger VIENNA
    Die Generalsekretärin der Grünen Schweiz, Rahel Estermann, geht NAU
    Polen: Darum fährt auch eine “linke” Regierung harte Asyl-Linie NAU
    Frankreich verkauft Rafale-Jets an Serbien, nicht an die Ukraine MERKUR
    Doliprane: Frankreich stellt Auflagen für Verkauf von Sanofi-Tochter HANDELSBLATT
    Griechische Tourismusarbeiter fordern bessere Löhne EURONEWS
    Vulkanausbrüche in Island: Die Lava-Leugner von Grindavik TAGESSPIEGEL
    Konjunktur in Luxemburg: Sorgenkind Bausektor TAGEBLATT

    Heads

    Paula Pickert: Vertreterin der Genossenschaften in Brüssel

    Leitet seit Kurzem das Brüsseler Büro des Deutschen Raiffeisenverbands: Paula Pickert.

    Seit September 2024 leitet Paula Pickert die Geschicke des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) in der europäischen Hauptstadt. Sie folgt auf den langjährigen DRV-Funktionär Thomas Memmert, der sich nach 27 Jahren als Brüsseler Büroleiter in den Ruhestand verabschiedet hat. Bisher war Pickert in Berlin für den Genossenschaftsverband tätig, neben der Warenwirtschaft auch bereits im Bereich Public Affairs. Neu ist die Brüsseler EU-Blase für die studierte Agrarökonomin aber nicht.

    Seit einem sechsmonatigen Praktikum beim Rat der EU fasziniere sie die europäische Politik mit ihrer Vielzahl an Akteuren aus verschiedenen Fachgebieten und Ländern, erzählt sie: “Alle haben unterschiedliche Vorstellungen von Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und Genossenschaften, müssen aber einen gemeinsamen Nenner finden.”

    “Die richtigen Menschen im richtigen Moment zusammenbringen”

    Ihre neue Aufgabe sieht Pickert vor allem in der wechselseitigen Kommunikation: Einerseits, den Verbandsmitgliedern im gesamten Bundesgebiet Prozesse und anstehende Herausforderungen in Brüssel näherzubringen. Andererseits, die Anliegen des DRV in Brüssel zu vertreten. “Oft geht es darum, im richtigen Moment die richtigen Menschen zusammenzubringen – da hilft es, dass ich das Team in Berlin gut kenne”, sagt sie.

    Eine Besonderheit an der Arbeit in Brüssel ist für Pickert der Austausch mit Genossenschaftsverbänden aus anderen EU-Ländern, die wie der DRV im Dachverband Cogeca organisiert sind. “Geht es zum Beispiel daran, eine EU-Richtlinie national umzusetzen, klopfe ich ab: Wie macht Frankreich das, welche Ansätze gibt es in Portugal, was können wir davon lernen?”, erzählt sie. “Dieser Austausch ist für uns besonders wertvoll, gerade, weil es für Genossenschaften wegen der besonderen Geschäftsform oft spezifische Regelungen gibt.”

    Faire Bedingungen auf dem europäischen Markt

    Besonders genau wolle man beim DRV jetzt darauf schauen, wie die Empfehlungen des Strategischen Dialogs die Zukunft der europäischen Agrarpolitik beeinflussen, erzählt Pickert. Spannend seien die Empfehlungen des Verbändegremiums zum Beispiel beim Thema Finance und Kreditvergabe. “Die Genossenschaften bilden eine wichtige Schnittstelle zwischen Landwirten und dem Bankensektor”, erklärt sie. “Für uns ist das Thema deshalb zentral, und es ist gut, dass der Strategiedialog hervorhebt, dass verschiedene Finanzierungssysteme miteinander kohärent sein müssen.”

    Kohärenz sei dem Verband auch darüber hinaus auf dem europäischen Binnenmarkt wichtig, betont Pickert: “Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen: Wenn schon nicht global, müssen wenigstens in der EU für alle Marktteilnehmer gleiche Anforderungen gelten.” So zum Beispiel in Bezug auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Anforderungen in der Tierhaltung, aber auch wettbewerbsfähige Betriebskosten im europäischen Vergleich.

    “EU-Regeln zu unlauteren Handelspraktiken konsequenter umsetzen”

    Außerdem wichtig für die Genossenschaften: Die mögliche Überarbeitung der EU-Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken (UTP). Für das kommende Jahr hat die Europäische Kommission einen Bewertungsbericht angekündigt, “wenn nötig” soll eine Reform der Richtlinie folgen. “Aber die UTP-Richtlinie muss nicht nur überarbeitet werden”, meint Pickert. “Wünschenswert wäre neben einer Erweiterung des Anwendungsbereichs eine deutliche Schärfung der Verbote.”

    Daneben wolle sich der DRV in Brüssel für eine “Entschlackung der Bürokratie” einsetzen, erklärt sie. “Ich glaube, über das Ziel des Bürokratieabbaus sind sich alle Beteiligten einig, aber es muss auch wirklich umgesetzt werden”, mahnt Pickert. Dazu reiche es nicht aus, das Prinzip “one in, one out” umzusetzen, demzufolge neue Belastungen durch Erleichterungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Denn das bedeute Stillstand. “Ein wirklicher Abbau ist nur mit ‘one in, two out’ zu erreichen – da müssen wir hinkommen”, fordert sie. Julia Dahm

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