Table.Briefing: Europe

Mercosur-Verhandlungen gehen weiter + CCS im Energiesektor + Bauernproteste in Europa

Liebe Leserin, lieber Leser,

die EU-Kommission lässt die Hoffnung nicht fahren, die Handelsgespräche mit den Mercosur-Staaten doch noch zu einem guten Ende zu führen. “Der Abschluss der Verhandlungen mit dem Mercosur vor dem Ende dieses Mandats ist in Reichweite”, sagte der zuständige Vizepräsident Valdis Dombrovskis nach dem informellen Treffen der EU-Handelsminister in Brüssel. Man arbeite daran, diese Gelegenheit “von großer geopolitischer Bedeutung” zu ergreifen.

Die Kommission hatte sich Anfang Dezember bereits kurz vor dem Ziel gewähnt. Doch dann beschloss der scheidende argentinische Präsident Alberto Ángel Fernández, die Entscheidung seinem Nachfolger Javier Milei zu überlassen. Die Verhandlungen wurden unterbrochen, doch inzwischen laufen sie wieder. Ob es diesmal gelingt, hängt aber nicht nur am Populisten Milei: Auch Emmanuel Macron hat erhebliche Bedenken – nicht zuletzt wegen der heimischen Bauern, die ohnehin schon auf den Barrikaden sind, wie Sie in der Analyse meiner Kollegin Claire Stam nachlesen können.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

EU-Kommission rechnet mit CO₂-Abscheidung aus Kraftwerken

Die Position von EU-Kommission und Mitgliedstaaten zur CO₂-Abscheidung ist eigentlich eindeutig. Sie soll auf jene Sektoren konzentriert werden, in denen anderweitige Maßnahmen zur CO₂-Reduktion nicht ausreichen. Zu diesen sogenannte “hard-to-abate”-Sektoren zählen vor allem Industrieanlagen wie die Zementproduktion. Der Energiesektor fällt explizit nicht darunter, da es dort mit erneuerbaren Energien kostengünstige Alternativen zu Fossilen gibt.

Umso mehr überrascht es, dass die Kommission davon ausgeht, CCS schon zeitnah zur Dekarbonisierung von Gas- und Kohlekraftwerken einsetzen zu müssen. Derzeit spielt CCS in der Energiewirtschaft praktisch keine Rolle. Schon 2040 müssten in der EU aber 26 bis 41 Millionen Tonnen CO₂ aus fossilen Kraftwerken abgeschieden werden. Ab 2050 müssten es sogar 55 Millionen Tonnen jährlich sein. Das geht aus einem Entwurf der Folgenabschätzung der Kommission zum Klimaziel 2040 vor, der Table.Media in Teilen vorliegt.

247 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr unterirdisch speichern

Insgesamt sollen laut dem 120-seitigen ersten Teil der Folgenabschätzung ab 2050 rund 450 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr abgeschieden werden aus:

  • Industrieprozessen: 136 MtCO₂
  • Biomasse-Kraftwerken und der Luft (BECCS & DACCS): 232 MtCO₂
  • Aufbereitung von Biogas zu Biomethan: 30 MtCO₂

Das abgeschiedene CO₂ soll anschließend unterirdisch gespeichert (247 Millionen Tonnen CO₂), für die Produktion von E-Fuels (147) oder für die Herstellung synthetischer Materialien (59) verwendet werden.

Für die Folgenabschätzung hat die Kommission drei Szenarien untersucht. Das mittlere bedeutet eine CO₂-Minderung um 88 Prozent bis 2040, die am unteren Ende dessen liegt, was Experten laut Kommission noch für geeignet halten, um auf dem 1,5-Grad-Pfad zu bleiben. Es entspricht einem Current-Policy-Szenario, in dem Klimagesetze aus dem Green Deal weiter gelten. Das untere Szenario entspricht demgegenüber einer linearen CO₂-Reduktion, die bis 2040 rund 78 Prozent entsprechen würde.

Folgenabschätzung favorisiert Klimaziel von minus 92 Prozent

Das dritte Szenario, das in der Folgenabschätzung favorisiert wird, würde eine CO₂-Minderung um 92 Prozent bis 2040 bedeuten. Bemerkenswert ist dies deshalb, weil die Kommission am 6. Februar nach jüngsten Berichten nur ein CO₂-Ziel von 90 Prozent vorschlagen wird.

Der Umstieg auf erneuerbare Energien würde Europa der Analyse zufolge auch deutlich unabhängiger von Energieeinfuhren machen. Bisweilen wird dagegen argumentiert, Europa werde künftig zu einem Großteil auf Wasserstoff von anderen Kontinenten angewiesen sein.

Abhängigkeit von Energieimporten sinkt um Faktor vier

Nach der Folgenabschätzung wird die Abhängigkeit von Energieimporten aber von aktuell 61 Prozent auf nur noch 15 Prozent im Jahr 2050 sinken – mehr als die Hälfte davon für die stoffliche Nutzung etwa in der Chemieindustrie. Bis die Einfuhren von CO₂-armem Wasserstoff eine nennenswerte Größenordnung erreichen, wird es nach Ansicht der Kommission noch lange dauern: “Die Einfuhren von RFNBOs [renewable fuels of non-biological origin] nehmen nach 2035 zu, aufgrund der immer noch relativ hohen Kosten aber nur in geringen Mengen.”

Allerdings hat die Entwicklung auch eine Kehrseite: “Die hohe Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Speichertechnologien und neuen Technologien kann zu neuen Abhängigkeiten von Rohstoff- oder Technologieimporten aus Nicht-EU-Ländern führen”. Um diesem Trend entgegenzuwirken, sind bereits wichtige Gesetze auf dem Weg – allen voran der Critical Raw Materials Act und der Net-Zero Industry Act.

Hohes 2040-Ziel bedingt schnellen Wasserstoff-Hochlauf

Synthetische Kraft- und Brennstoffe würden selbst zur Mitte des Jahrhunderts nur einen Anteil von sieben Prozent des Endenergieverbrauchs (39 Mtoe) ausmachen. Allerdings müsste der Hochlauf im favorisierten Pfad mit einer CO₂-Reduktion um 92 Prozent bis 2040 deutlich beschleunigt werden. Der Anteil von E-Fuels läge dann bei fünf Prozent (30 Mtoe) gegenüber drei Prozent (18 Mtoe) bei der CO₂-Minderung nach dem Current-Policy-Pfad.

Der weitaus überwiegende Teil der E-Fuels wird voraussichtlich im Verkehr benötigt, denn zu immer wieder kursierenden Meinungen, Wasserstoff für das Heizen von Gebäuden nutzen zu können, hat die Kommission eine eindeutige Meinung: “Der Verbrauch von RFNBOs im Gebäudesektor bleibt während des gesamten Zeitraums begrenzt.”

Der Landnutzungssektor (LULUCF) soll bei einem 90-Prozent-Reduktionsziel für 2040 bereits 317 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente im Jahr speichern. Für 2050 plant die Kommission mit 333 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten.

  • BECCS
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  • Erneuerbare Energien
  • EU-Klimapolitik
  • Grüner Wasserstoff
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Bauernproteste breiten sich in Europa aus – in der Kritik steht auch die Agrarpolitik der EU

Es ist Wut, die sich ausdrückt“, sagt Arnaud Rousseau, Präsident der mächtigen Fédération Nationale des Syndicats d’Exploitants Agricoles (FNSEA) am Montag im französischen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender France Inter. In Frankreich verstärken die Landwirte derzeit ihre Aktionen auf dem Land – insbesondere mit Blockaden auf den Autobahnen in Südfrankreich. Diese Aktionen würden “die ganze Woche so lange wie nötig” durchgeführt, warnt der Präsident der größten französischen Agrargewerkschaft.

Wie bei den deutschen Bauernprotesten geht es um Diesel: Die französischen Landwirte protestieren gegen das Ende der Steuerbefreiung für Agrardiesel, mit dem Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen angetrieben werden. Sie fürchten, dass der Preis im Laufe des Januars um 20 Cent von 1 Euro auf etwa 1,20 Euro pro Liter steigt. Außerdem fordern sie finanzielle Unterstützung vom Staat, da sich die epizootische hämorrhagische Krankheit, die die Rinderzucht vor allem im Südwesten des Landes befällt, weiter ausbreitet. Bisher wurden die Tierarztkosten der betroffenen Landwirte nicht erstattet. Die Bauern kämpfen mit Todesfällen und Fehlgeburten in ihren Herden. Beim Kälberverkauf müssen sie daher Umsatzeinbußen hinnehmen.

Französische Regierung ist im Dialog

Die Regierung kündigte an, bis Ende der Woche über die Unterstützung zu entscheiden, nachdem sich die Gewerkschaft am Montagabend mit Premierminister Gabriel Attal und Landwirtschaftsminister Marc Fesneau getroffen hatte. Die Landwirte fordert eine Debatte über:

  • Bürokratieabbau
  • die Entkoppelung von GAP-Hilfen von Agrarumweltmaßnahmen
  • die Industrieemissionsrichtlinie
  • Steuern auf Diesel für nicht straßengebundene Fahrzeuge
  • den Einsatz von Pestiziden.

Das Landwirtschaftsministerium versichert, dass der Green Deal nicht aufgegeben werde. Der Regierung in Paris läge zudem daran, dass der Vorschlag für Neue Genomische Techniken umgesetzt wird. Über das Gesetz stimmt am Mittwoch der Umweltausschuss des EU-Parlaments ab.

Paris in Alarmbereitschaft

Die französische Regierung ist seit mehreren Tagen in Alarmbereitschaft und hat beschlossen, ihren Gesetzentwurf zur Landwirtschaft um “einige Wochen” zu verschieben. So soll versucht werden, auf die Wut der Bauern zu reagieren. Attal und Fesneau stehen an vorderster Front und versuchen, den politischen Unmut zu entschärfen, der bei der Europawahl Stimmverluste bedeuten könnte. Staatschef Emmanuel Macron wird die Landwirtschaftsmesse besuchen, die ab dem 24. Februar in Paris stattfindet – ein Muss in der französischen Politik.

Das Nationale Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (INSEE) schätzt, dass die Landwirtschaft 2023 in Frankreich einen Umsatz von insgesamt 95,5 Milliarden Euro gemacht hat. Das ist etwa 0,8 Prozent weniger als im Vorjahr. 2021 lag der Wert noch bei 81,6 Milliarden Euro. Frankreichs Anteil an der Agrarproduktion der EU liegt bei 17 Prozent. Es ist das Mitgliedsland mit der größten Agrarproduktion vor Deutschland und Italien. Unterm Strich stiegen die Umsätze über die Dauer von zwei Jahren. Treiber war auch der Preisanstieg bei den Agrarrohstoffen.

Die jüngsten Zahlen des INSEE zeigen auch, dass sich die Gesamtsituation der Agrarbetriebe 2023 nicht verbessert hat. Der Anstieg der Kosten, insbesondere durch hohe Energie- und Düngemittelpreise, setzte sich fort, auch wenn die Teuerungsrate geringer war als im Vorjahr. Das Durchschnittseinkommen der Landwirte dürfte daher fallen. Innerhalb von 20 Jahren ist Frankreich vom 2. auf den 5. Platz der weltweiten Agrarexporteure zurückgefallen.

Mangelnde europäische “Kohärenz”

Die französischen Proteste laufen parallel zu den Protesten in Rumänien, den Niederlanden, Polen, Litauen und Deutschland. Arnaud Rousseau verweist auf den Green Deal, dessen “Vision eindeutig rückwärtsgewandt” sei, da er besage, “dass wir unsere Produktion in Europa zu einem Zeitpunkt senken müssen, während die Importe explodierten”. Besonders im Visier hat er die “Farm to Fork”-Strategie, die seit Beginn des Krieges in der Ukraine infrage gestellt wird. Landwirte verstünden nicht mehr den Sinn der Maßnahmen, sagt der FNSEA-Präsident. Als Konsequenz darauf herrsche “Unverständnis” darüber, was von den Landwirten verlangt werde.

Rousseau prangert mangelnde “Kohärenz” der europäischen Entscheidungen an: Man könne nicht auf der einen Seite Handelsabkommen schließen, durch die Produkte importiert würden, die nicht den europäischen Produktionsbedingungen entsprechen. Und auf der anderen Seite von den Bauern Produktionsbedingungen verlangen, die die Branche überfordere. Insbesondere, da die französische Landwirtschaft schon heute als sehr nachhaltig anerkannt sei, mahnt Rousseau.

  • Bauernproteste
  • Farm to Fork Strategie
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News

NZIA-Verhandlungen kommen nur schleppend voran

Der zweite Trilog zwischen Europaparlament, Rat und EU-Kommission über den Net-Zero Industry Act (NZIA) hat nur wenig Fortschritte gebracht. Die Unterhändler näherten sich am Montag in der besonders strittigen Frage des Anwendungsbereichs kaum an: Die Mitgliedstaaten beharren darauf, neben einer Liste von förderfähigen Netto-Null-Technologien eine zweite Liste “strategischer” Technologien aufzunehmen, für die weitere Vorteile gelten sollen. Das Parlament pocht hingegen auf einer einheitlichen Liste.

Der NZIA soll Investitionen in klimafreundliche Technologien wie Solaranlagen, Windräder oder Wärmepumpen in den EU-Staaten anlocken. Dafür sollen etwa die Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Das Europaparlament fordert aber deutlich kürzere Fristen als im Kommissionsvorschlag, die Mitgliedstaaten lehnen das ab. Hier habe es beim zweiten Trilog keine nennenswerte Annäherung gegeben, heißt es in Verhandlungskreisen. Auch bei der Frage, welche Kriterien neben dem Preis bei öffentlichen Ausschreibungen für solche Anlagen berücksichtigt werden sollen, habe es kaum Fortschritte gegeben.

Etwas angenähert haben sich die Beteiligten hingegen bei der Frage, welche Teile der Wertschöpfungskette der Hersteller ebenfalls berücksichtigt werden sollen. Weitgehend einig sind sie sich demnach bereits bei den Maßnahmen, wie mehr Fachkräfte ausgebildet werden sollen. Auch bei den Vorgaben zur Speicherung von CO₂ sei man sich im Großen und Ganzen einig, heißt es.

Die vielen offenen Fragen werfen Zweifel auf, ob die Verhandlungen wie geplant am 6. Februar abgeschlossen werden können. Die belgische Ratspräsidentschaft habe von den anderen Mitgliedstaaten bislang kaum Spielraum für Kompromisse bekommen, heißt es im Parlament. Der dritte Trilog ist bislang nur auf drei Stunden angesetzt. Sollte am 6. Februar keine Einigung zustande kommen, wird die Zeit knapp, den Rechtsakt vor der Europawahl zu verabschieden. tho

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EU-Umweltausschuss stimmt über Gentechnik ab

Der Umweltausschusses (ENVI) stimmt am heutigen Mittwoch über die von der EU-Kommission vorgeschlagene Lockerung der Regeln für neue Gentechniken ab. Eine Mehrheit für den Vorschlag ist offenbar wahrscheinlich, aber nicht garantiert, wie aus dem Kreis der zuständigen Abgeordneten zu hören ist. Innerhalb des Ausschusses stehen sich zwei Seiten gegenüber: Die konservative EVP sowie das rechtspopulistische und rechtsextreme Lager unterstützen den Vorschlag. Deutliche Kritik kommt dagegen von den Sozialdemokraten (S&D), Grünen und Linken. Die drei Fraktionen wollen gegen den Kompromisstext votieren, den Berichterstatterin Jessica Polfjärd zur Abstimmung stellt und der inhaltlich nah am Kommissionsvorschlag bleibt.

Entscheidend für den Ausgang sind damit die Liberalen. Während deren Verhandlungsführer Jan Huitema, wie auch die deutsche FDP, ein Befürworter neuer Züchtungstechniken ist und Polfjärds Entwurf unterstützt, gibt es dem Vernehmen nach auch abweichende Stimmen innerhalb der Fraktion. “Wie so oft ist die Renew-Fraktion in dieser Frage gespalten”, so Christophe Clergeau, Verhandlungsführer der Sozialdemokraten. Ob Huitema seine Fraktionskollegen hinter sich vereinen kann, dürfte den Ausschlag geben.

Kritiker unbeeindruckt von Kompromissvorschlag

An einzelnen Stellen war Polfjärd, die als Berichterstatterin dafür zuständig ist, Kompromisse innerhalb des Parlaments auszuhandeln, zuletzt noch einmal auf die Kritiker aus dem linken und grünen Lager zugegangen. So war sie davon abgerückt, die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen auch im Ökolandbau zu erlauben. Auch zusätzliche Lockerungen bei der Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut nahm die schwedische Abgeordnete zurück.

Überzeugen kann sie die Gegner des Vorschlags damit nicht. So sieht Sozialdemokrat Clergeau weiterhin einen Mangel an Transparenz für Verbraucher und Landwirte. “Der Verbraucher wird nicht wissen, was er isst, der Landwirt wird nicht wissen, was er anbaut”, betont er. Grüne und Sozialdemokraten hatten weitergehende Kennzeichnungspflichten nicht nur für gentechnisch verändertes Saatgut, sondern auch für verarbeitete Produkte gefordert. Auch der deutsche Abgeordnete Martin Häusling, Verhandlungsführer für die Grünen, stellte sich deutlich gegen den Vorschlag und warnte unter anderem vor negativen Folgen für den Ökolandbau. Kritisch sehen die beiden Abgeordneten auch das rasche Tempo, das die Berichterstatterin bei den Verhandlungen vorgelegt habe.

Enger Zeitplan

Dass der Gesetzesvorschlag zu neuen Züchtungstechniken noch vor Ende der Legislaturperiode in diesem Jahr verabschiedet wird, ist aber auch im Falle einer Zustimmung des Umweltausschusses eher unwahrscheinlich. Aufseiten des Parlaments müsste nach dem Umweltausschuss noch das Plenum zustimmen, und auch unter den EU-Mitgliedstaaten zeichnet sich bisher keine Einigung ab.

Zuletzt hatten sich in einem offenen Brief mehr als 1.000 Wissenschaftler für die Liberalisierung neuer Züchtungstechniken ausgesprochen. Auf der anderen Seite forderten eine Reihe deutscher Unternehmen aus der Lebensmittelbranche, weiterhin die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel sicherzustellen. cst/jd

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EU-Förderbank EIB investiert 49 Milliarden in Klimaschutz

Die Europäische Investitionsbank (EIB) unterstützt mit Nachdruck den grünen Wandel in Europa. Die EIB habe 2023 Rekordinvestitionen in Höhe von 49 Milliarden Euro für Projekte zum Klimaschutz und zur ökologischen Nachhaltigkeit bereitgestellt, teilte die Bank mit. Insgesamt habe das Finanzierungsvolumen der EIB-Gruppe im vergangenen Jahr 88 Milliarden Euro für mehr als 900 Projekte erreicht. Neben dem Klimaschutz seien die Gelder für Digitalisierung, neue Technologien, Innovation, Gesundheitsversorgung, bezahlbaren Wohnraum sowie Verkehrsinfrastruktur und städtische Mobilität ausgereicht worden.

Die neue Präsidentin der EIB, Nadia Calviño, führte in Brüssel aus, die EIB-Gruppe setze “in ganz Europa die Prioritäten der EU um”. Dies gelte besonders für die “Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und die Führungsrolle der EU bei grünen Technologien.” Mit 349 Milliarden Euro an grünen Investitionen, die seit 2021 mobilisiert wurden, sei die Gruppe auf dem besten Weg, ihr Ziel von einer Billion Euro an grünen Finanzierungen bis zum Ende des Jahrzehnts zu erreichen. Beispielsweise habe die Bank 2023 mehr als 21 Milliarden Euro im Rahmen von REPowerEU investiert. Die EU-Initiative zielt darauf ab, die Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen zu verringern.

8,4 Milliarden gehen in Nicht-EU-Länder

In einem von Instabilität geprägten Jahr stellte EIB Global, der für Investitionen außerhalb der EU zuständige Arm der Gruppe, 8,4 Milliarden Euro in Projekte außerhalb der EU. Fast die Hälfte davon ging in am wenigsten entwickelte Länder und fragile Staaten. Insgesamt mobilisierten die Finanzierungen von EIB Global im Rahmen der EU-Initiative “Global Gateway” Investitionen in Höhe von 27 Milliarden Euro. Zusätzlich zu den fast zwei Milliarden Euro, die seit der russischen Invasion für die Ukraine bereitgestellt wurden, richtete die Bank 2023 auch den EU4U-Fonds ein, um die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und den Wiederaufbau in der Ukraine zu stärken.

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit stellte die EIB-Gruppe 19,8 Milliarden Euro für Innovationen und 20 Milliarden Euro für kleine und mittlere Unternehmen sowie Midcap-Unternehmen bereit. Dies geht vor allem auf Finanzierungen des Europäischen Investitionsfonds (EIF) zurück, dem auf Risikofinanzierungen spezialisierten Anbieter der EIB-Gruppe, der im vergangenen Jahr Investitionen in Höhe von fast 15 Milliarden Euro unterzeichnete. Darin enthalten sind auch eine Milliarde Euro im Rahmen der European Tech Champions Initiative, mit der Start-ups im Bereich disruptiver Technologien gefördert werden, 19 Projekte davon im Bereich künstlicher Intelligenz.

EIB investiert antizyklisch

In einer Zeit schwieriger Investitionsbedingungen sei “die EIB-Gruppe bereit, ihre antizyklische Rolle wahrzunehmen”, indem sie den EU-Haushalt ergänze und die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten unterstütze, unterstrich die Präsidentin. Insgesamt sollen die Finanzierungen der Gruppe aus 2023 Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 320 Milliarden Euro unterstützen. Diese sollen 400.000 Unternehmen erreichen und 5,4 Millionen Arbeitsplätze sichern. cr

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Duda begnadigt verurteilte PiS-Politiker ein zweites Mal

Ex-Innenminister Mariusz Kamiński und sein früherer Staatssekretär Maciej Wasik müssten mit sofortiger Wirkung aus dem Gefängnis entlassen werden, sagte Polens Präsident Andrzej Duda am Dienstag in Warschau. Vor den Gefängnissen in Radom bei Warschau und Przytuly Stare im Nordosten des Landes, wo die beiden Politiker einsitzen, versammelten sich am Abend Demonstranten und forderten ihre Freilassung.

Duda hatte bereits vor knapp zwei Wochen bekanntgegeben, dass er bei Justizminister Adam Bodnar die Einleitung eines Begnadigungsverfahrens beantragt habe. Bodnar hatte am Dienstag auf diesen Antrag mit einer negativen Stellungnahme reagiert. Diese ist jedoch für den Präsidenten nicht bindend.

Der Streit über das Schicksal von Kamiński und Wasik ist in den vergangenen Wochen zu einem zentralen Punkt der Auseinandersetzung zwischen der Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk und der PiS mit ihrem Verbündeten Duda geworden. Die beiden Politiker waren am 9. Januar verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden, nachdem sie zunächst Schutz im Präsidentenpalast gesucht hatten. Die PiS bezeichnet die beiden als politische Gefangene.

Kamiński und Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief. Duda betonte am Dienstag erneut, aus seiner Sicht sei die Begnadigung aus dem Jahr 2015 weiter gültig.

Kamiński befindet sich seit Haftbeginn in Hungerstreik. Nach Angaben Dudas ist sein Gesundheitszustand schlecht. dpa

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Weber und Selenskyj fordern Freigabe von EU-Geld

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), haben eine Freigabe von 50 Milliarden Euro EU-Geld gefordert. Selenskyj sagte bei dem Treffen am Dienstag in Kiew, sein Land setze auf die Freigabe der mehrjährigen Finanzhilfen bei einer Sondersitzung des Europäischen Rats am 1. Februar. Gleichzeitig dankte der Staatschef den europäischen Partnern für die gewährte Unterstützung, insbesondere bei Flugabwehrsystemen.

Die Europäische Union müsse bei den Finanzhilfen liefern, sagte auch Weber. “Es gibt keine Option des Scheiterns in der nächsten Woche”, sagte der Vorsitzende der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament. “Das ist gut ausgegebenes Geld der europäischen Steuerzahler zur Stabilisierung der Ukraine.” Er selbst wolle mit seiner Reise der Ukraine die volle Unterstützung durch die Europäische Volkspartei zusichern.

Ebenso müsse Brüssel wie versprochen bis zum Frühjahr eine Million Artilleriegranaten im Nato-Kaliber 155 Millimeter liefern, sagte Weber. Eine Stärkung der Flugabwehr besonders für das südukrainische Gebiet Odessa sei auch erforderlich. “Als Deutscher möchte ich unterstreichen, dass die Lieferung von Taurus-Raketen jetzt benötigt wird, nicht in einigen Monaten oder Jahren”, sagte der CSU-Vertreter. Damit könne die ukrainische Armee die Infrastruktur Russlands hinter der Frontlinie angreifen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) will diese hochpräzisen Lenkflugkörper bislang nicht an Kiew abgeben.

Die Entscheidung über mehrjährige EU-Finanzhilfen für das angegriffene Land ist seit dem vergangenen Dezember blockiert. dpa

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Presseschau

Türkisches Parlament stimmt Nato-Beitritt Schwedens zu ZEIT
Schwedens Nato-Beitritt: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban lädt Amtskollegen Ulf Kristersson zu Gespräch ein TAGESSCHAU
Schweden hat Angst vor dem Krieg FAZ
Estland: Justizminister räumt Zweifel im Land an Ukraine-Hilfen ein N-TV
EVP-Chef Manfred Weber und Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj für Freigabe von EU-Geld ZDF
Italiens Regierung strebt Föderalisierung des Landes an FAZ
EU-Lieferkettenrichtlinie: Alle werden verlieren, wenn Brüssel hier ernst macht WIWO
Polens Ex-Innenminister Mariusz Kaminski zum zweiten Mal begnadigt MDR
EU-Kommission prüft Lufthansa-Einstieg bei ITA länger HANDELSBLATT
Immense Staatsschulden in Italien: Meloni will einen Teil des Tafelsilbers verkaufen SRF
Bauernproteste in Frankreich weiten sich aus MORGENPOST
Europaparlament lehnt Vorschlag für Thiacloprid-Höchstgehalte ab TOPAGRAR
Justizminister Marco Buschmann in Polen: Enge Kooperation wieder aufnehmen HANDELSBLATT
Amazon muss wegen Mitarbeiterüberwachung in Frankreich Strafe zahlen FAZ
Proteste in der Slowakei gegen die populistische Regierung: “Frust und Wut wachsen stetig” SÜDDEUTSCHE
Ungarn hält an umstrittenem Großprojekt Neusiedler See fest SALZBURGER NACHRICHTEN

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Eva van de Rakt – Dichterin und politische Denkerin bei der Böll-Stiftung

Eva van de Rakt ist Leiterin des Referats EU und Nordamerika der Heinrich-Böll-Stiftung.

Politik und Poesie, das sind zwei Tätigkeitsfelder, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Doch Eva van de Rakt weiß die beiden zu verbinden. Die Leiterin des Referats EU und Nordamerika der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichte 2019 ihren deutsch-tschechischen Gedichtband “Unter Oberflächen / Pod povrchy“. Die Vorstellung, dass dafür zwei separierte Parallelleben notwendig wären - Diskutieren am Tag, Dichten in der Nacht – erscheint van de Rakt ganz abwegig. Die Gedichte reflektierten ohne Frage einen Teil ihres tagtäglichen Schaffens, und nicht etwa ein abgesondertes Refugium, sagt sie.

Die Möglichkeiten der Kunst, erklärt die ausgebildete Tanzpädagogin, erweitere und schärfe den Blick, öffne ihn für die Vielfalt der Wirklichkeit. So gesehen sei die Poesie, zumindest ihrer Dynamik nach, dann doch überraschend nah an der politischen Bildung: “Die Bewegung, das Bewegtsein, aber auch das stetige Beobachten und Hinterfragen – all das kann in Gedichten zum Ausdruck kommen.” 

Langfristige Strategien entwickeln 

Es kommt darum auch nicht von ungefähr, dass die politische Stiftung, für die van de Rakt seit 2001 arbeitet, die deutschlandweit einzige ist, die nach einem Schriftsteller benannt worden ist. Nach vier Jahren als Büroleiterin in Brüssel ist sie nun zuständig für die politisch-strategische Ausrichtung des Referats EU und Nordamerika, für das sie ein Team in Berlin, sowie sieben Büros im Ausland betreut. Sie und ihre Mitarbeitenden sind damit beauftragt, politische Zielsetzungen auszuarbeiten, die nachhaltige Wirkung versprechen: “Wir haben das Privileg, dass wir nicht auf tagespolitische Ereignisse reagieren müssen.” 

Dabei haben sich für sie vier Themen als die zentralen Aufgaben der Zukunft herauskristallisiert: Die sozialökologische Transformation, die Zukunft des europäischen Projekts, die Wahrung von Demokratie und Menschenrechten sowie die Pflege der transatlantischen Beziehungen. Bearbeiten lassen sich diese Themen in Strategiepapieren und Langzeitstudien, aber auch in Diskussionsveranstaltungen, Konferenzen und Atlanten, mittels derer die Heinrich-Böll-Stiftung größere Breitenwirkung anstrebt.

Neben diesen in der Öffentlichkeit ausgetragenen Angelegenheiten stehen aber auch vertrauliche Formate: “Wir beobachten schrumpfende Handlungsspielräume für Partnerorganisationen, denen wir geschützte Räume zur Vernetzung und Strategieentwicklung bieten.” Das betreffe nicht nur Verbündete von außerhalb der EU, auch innerhalb der EU ist die Situation vielerorts so verschärft, dass unter Druck gesetzte Stimmen nach Hilfe fragen müssen.

Wie dem Rechtsruck entgegnen?

Eine der großen Fragen, die van de Rakt derzeit umtreibt, ist, wieso die von autoritären Regimen ausgehenden geopolitischen Risiken so lange ignoriert werden konnten und wie sich dies in Zukunft vermeiden lässt. Dafür muss der Finger auch dorthin gelegt werden, wo es weh tut, etwa auf die anti-demokratischen Tendenzen, die im Moment innerhalb der EU an Momentum gewinnen. Ohne eine Stärkung der EU sei es nur schwer vorstellbar, wie sich die europäischen Demokratien langfristig stabilisieren ließen: “Der Ernst der Lage ist trotz einer überall spürbaren Verrohung der politischen Kultur und trotz der Angriffe auf unsere Demokratien immer noch nicht bei allen angekommen.”

Bei der nächsten Europawahl im Juni 2024 drohe ein Rechtsruck, der hohe Risiken für die Zukunft der EU zur Folge haben könnte, sagt van de Rakt. Es komme nun darauf an, dass alle demokratische Parteien Verantwortung übernehmen und Allianzen bilden, um gemeinsam europäische Werte zu verteidigen. 

Die nötige Fahrtrichtung steht van de Rakt klar vor Augen. Sie wirbt für eine EU, die sich glaubwürdig und solidarisch für demokratische und sozialökologische Anliegen einsetzt. Das betrifft von Sicherheit und Verteidigung bis hin zu Migration, Klima und Energie fast alle Themenfelder.

Institutionelle Reformen hält van de Rakt hierbei für unumgänglich: “Die EU muss in vielen Bereichen handlungsfähiger und fit für zukünftige Erweiterungsrunden werden, wenn sie global nicht an Bedeutung verlieren will.” Doch hierfür müsse auch eine gemeinsame und respektvolle Sprache gefunden werden, die alle Beteiligten an Projekte solchen Ausmaßes glauben lässt. Mit den Gedichtbänden in der Aktentasche ist Eva van de Rakt für diese Herausforderungen bestens gewappnet. Julius Schwarzwälder

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die EU-Kommission lässt die Hoffnung nicht fahren, die Handelsgespräche mit den Mercosur-Staaten doch noch zu einem guten Ende zu führen. “Der Abschluss der Verhandlungen mit dem Mercosur vor dem Ende dieses Mandats ist in Reichweite”, sagte der zuständige Vizepräsident Valdis Dombrovskis nach dem informellen Treffen der EU-Handelsminister in Brüssel. Man arbeite daran, diese Gelegenheit “von großer geopolitischer Bedeutung” zu ergreifen.

    Die Kommission hatte sich Anfang Dezember bereits kurz vor dem Ziel gewähnt. Doch dann beschloss der scheidende argentinische Präsident Alberto Ángel Fernández, die Entscheidung seinem Nachfolger Javier Milei zu überlassen. Die Verhandlungen wurden unterbrochen, doch inzwischen laufen sie wieder. Ob es diesmal gelingt, hängt aber nicht nur am Populisten Milei: Auch Emmanuel Macron hat erhebliche Bedenken – nicht zuletzt wegen der heimischen Bauern, die ohnehin schon auf den Barrikaden sind, wie Sie in der Analyse meiner Kollegin Claire Stam nachlesen können.

    Ihr
    Till Hoppe
    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    EU-Kommission rechnet mit CO₂-Abscheidung aus Kraftwerken

    Die Position von EU-Kommission und Mitgliedstaaten zur CO₂-Abscheidung ist eigentlich eindeutig. Sie soll auf jene Sektoren konzentriert werden, in denen anderweitige Maßnahmen zur CO₂-Reduktion nicht ausreichen. Zu diesen sogenannte “hard-to-abate”-Sektoren zählen vor allem Industrieanlagen wie die Zementproduktion. Der Energiesektor fällt explizit nicht darunter, da es dort mit erneuerbaren Energien kostengünstige Alternativen zu Fossilen gibt.

    Umso mehr überrascht es, dass die Kommission davon ausgeht, CCS schon zeitnah zur Dekarbonisierung von Gas- und Kohlekraftwerken einsetzen zu müssen. Derzeit spielt CCS in der Energiewirtschaft praktisch keine Rolle. Schon 2040 müssten in der EU aber 26 bis 41 Millionen Tonnen CO₂ aus fossilen Kraftwerken abgeschieden werden. Ab 2050 müssten es sogar 55 Millionen Tonnen jährlich sein. Das geht aus einem Entwurf der Folgenabschätzung der Kommission zum Klimaziel 2040 vor, der Table.Media in Teilen vorliegt.

    247 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr unterirdisch speichern

    Insgesamt sollen laut dem 120-seitigen ersten Teil der Folgenabschätzung ab 2050 rund 450 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr abgeschieden werden aus:

    • Industrieprozessen: 136 MtCO₂
    • Biomasse-Kraftwerken und der Luft (BECCS & DACCS): 232 MtCO₂
    • Aufbereitung von Biogas zu Biomethan: 30 MtCO₂

    Das abgeschiedene CO₂ soll anschließend unterirdisch gespeichert (247 Millionen Tonnen CO₂), für die Produktion von E-Fuels (147) oder für die Herstellung synthetischer Materialien (59) verwendet werden.

    Für die Folgenabschätzung hat die Kommission drei Szenarien untersucht. Das mittlere bedeutet eine CO₂-Minderung um 88 Prozent bis 2040, die am unteren Ende dessen liegt, was Experten laut Kommission noch für geeignet halten, um auf dem 1,5-Grad-Pfad zu bleiben. Es entspricht einem Current-Policy-Szenario, in dem Klimagesetze aus dem Green Deal weiter gelten. Das untere Szenario entspricht demgegenüber einer linearen CO₂-Reduktion, die bis 2040 rund 78 Prozent entsprechen würde.

    Folgenabschätzung favorisiert Klimaziel von minus 92 Prozent

    Das dritte Szenario, das in der Folgenabschätzung favorisiert wird, würde eine CO₂-Minderung um 92 Prozent bis 2040 bedeuten. Bemerkenswert ist dies deshalb, weil die Kommission am 6. Februar nach jüngsten Berichten nur ein CO₂-Ziel von 90 Prozent vorschlagen wird.

    Der Umstieg auf erneuerbare Energien würde Europa der Analyse zufolge auch deutlich unabhängiger von Energieeinfuhren machen. Bisweilen wird dagegen argumentiert, Europa werde künftig zu einem Großteil auf Wasserstoff von anderen Kontinenten angewiesen sein.

    Abhängigkeit von Energieimporten sinkt um Faktor vier

    Nach der Folgenabschätzung wird die Abhängigkeit von Energieimporten aber von aktuell 61 Prozent auf nur noch 15 Prozent im Jahr 2050 sinken – mehr als die Hälfte davon für die stoffliche Nutzung etwa in der Chemieindustrie. Bis die Einfuhren von CO₂-armem Wasserstoff eine nennenswerte Größenordnung erreichen, wird es nach Ansicht der Kommission noch lange dauern: “Die Einfuhren von RFNBOs [renewable fuels of non-biological origin] nehmen nach 2035 zu, aufgrund der immer noch relativ hohen Kosten aber nur in geringen Mengen.”

    Allerdings hat die Entwicklung auch eine Kehrseite: “Die hohe Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Speichertechnologien und neuen Technologien kann zu neuen Abhängigkeiten von Rohstoff- oder Technologieimporten aus Nicht-EU-Ländern führen”. Um diesem Trend entgegenzuwirken, sind bereits wichtige Gesetze auf dem Weg – allen voran der Critical Raw Materials Act und der Net-Zero Industry Act.

    Hohes 2040-Ziel bedingt schnellen Wasserstoff-Hochlauf

    Synthetische Kraft- und Brennstoffe würden selbst zur Mitte des Jahrhunderts nur einen Anteil von sieben Prozent des Endenergieverbrauchs (39 Mtoe) ausmachen. Allerdings müsste der Hochlauf im favorisierten Pfad mit einer CO₂-Reduktion um 92 Prozent bis 2040 deutlich beschleunigt werden. Der Anteil von E-Fuels läge dann bei fünf Prozent (30 Mtoe) gegenüber drei Prozent (18 Mtoe) bei der CO₂-Minderung nach dem Current-Policy-Pfad.

    Der weitaus überwiegende Teil der E-Fuels wird voraussichtlich im Verkehr benötigt, denn zu immer wieder kursierenden Meinungen, Wasserstoff für das Heizen von Gebäuden nutzen zu können, hat die Kommission eine eindeutige Meinung: “Der Verbrauch von RFNBOs im Gebäudesektor bleibt während des gesamten Zeitraums begrenzt.”

    Der Landnutzungssektor (LULUCF) soll bei einem 90-Prozent-Reduktionsziel für 2040 bereits 317 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente im Jahr speichern. Für 2050 plant die Kommission mit 333 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten.

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    Bauernproteste breiten sich in Europa aus – in der Kritik steht auch die Agrarpolitik der EU

    Es ist Wut, die sich ausdrückt“, sagt Arnaud Rousseau, Präsident der mächtigen Fédération Nationale des Syndicats d’Exploitants Agricoles (FNSEA) am Montag im französischen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender France Inter. In Frankreich verstärken die Landwirte derzeit ihre Aktionen auf dem Land – insbesondere mit Blockaden auf den Autobahnen in Südfrankreich. Diese Aktionen würden “die ganze Woche so lange wie nötig” durchgeführt, warnt der Präsident der größten französischen Agrargewerkschaft.

    Wie bei den deutschen Bauernprotesten geht es um Diesel: Die französischen Landwirte protestieren gegen das Ende der Steuerbefreiung für Agrardiesel, mit dem Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen angetrieben werden. Sie fürchten, dass der Preis im Laufe des Januars um 20 Cent von 1 Euro auf etwa 1,20 Euro pro Liter steigt. Außerdem fordern sie finanzielle Unterstützung vom Staat, da sich die epizootische hämorrhagische Krankheit, die die Rinderzucht vor allem im Südwesten des Landes befällt, weiter ausbreitet. Bisher wurden die Tierarztkosten der betroffenen Landwirte nicht erstattet. Die Bauern kämpfen mit Todesfällen und Fehlgeburten in ihren Herden. Beim Kälberverkauf müssen sie daher Umsatzeinbußen hinnehmen.

    Französische Regierung ist im Dialog

    Die Regierung kündigte an, bis Ende der Woche über die Unterstützung zu entscheiden, nachdem sich die Gewerkschaft am Montagabend mit Premierminister Gabriel Attal und Landwirtschaftsminister Marc Fesneau getroffen hatte. Die Landwirte fordert eine Debatte über:

    • Bürokratieabbau
    • die Entkoppelung von GAP-Hilfen von Agrarumweltmaßnahmen
    • die Industrieemissionsrichtlinie
    • Steuern auf Diesel für nicht straßengebundene Fahrzeuge
    • den Einsatz von Pestiziden.

    Das Landwirtschaftsministerium versichert, dass der Green Deal nicht aufgegeben werde. Der Regierung in Paris läge zudem daran, dass der Vorschlag für Neue Genomische Techniken umgesetzt wird. Über das Gesetz stimmt am Mittwoch der Umweltausschuss des EU-Parlaments ab.

    Paris in Alarmbereitschaft

    Die französische Regierung ist seit mehreren Tagen in Alarmbereitschaft und hat beschlossen, ihren Gesetzentwurf zur Landwirtschaft um “einige Wochen” zu verschieben. So soll versucht werden, auf die Wut der Bauern zu reagieren. Attal und Fesneau stehen an vorderster Front und versuchen, den politischen Unmut zu entschärfen, der bei der Europawahl Stimmverluste bedeuten könnte. Staatschef Emmanuel Macron wird die Landwirtschaftsmesse besuchen, die ab dem 24. Februar in Paris stattfindet – ein Muss in der französischen Politik.

    Das Nationale Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (INSEE) schätzt, dass die Landwirtschaft 2023 in Frankreich einen Umsatz von insgesamt 95,5 Milliarden Euro gemacht hat. Das ist etwa 0,8 Prozent weniger als im Vorjahr. 2021 lag der Wert noch bei 81,6 Milliarden Euro. Frankreichs Anteil an der Agrarproduktion der EU liegt bei 17 Prozent. Es ist das Mitgliedsland mit der größten Agrarproduktion vor Deutschland und Italien. Unterm Strich stiegen die Umsätze über die Dauer von zwei Jahren. Treiber war auch der Preisanstieg bei den Agrarrohstoffen.

    Die jüngsten Zahlen des INSEE zeigen auch, dass sich die Gesamtsituation der Agrarbetriebe 2023 nicht verbessert hat. Der Anstieg der Kosten, insbesondere durch hohe Energie- und Düngemittelpreise, setzte sich fort, auch wenn die Teuerungsrate geringer war als im Vorjahr. Das Durchschnittseinkommen der Landwirte dürfte daher fallen. Innerhalb von 20 Jahren ist Frankreich vom 2. auf den 5. Platz der weltweiten Agrarexporteure zurückgefallen.

    Mangelnde europäische “Kohärenz”

    Die französischen Proteste laufen parallel zu den Protesten in Rumänien, den Niederlanden, Polen, Litauen und Deutschland. Arnaud Rousseau verweist auf den Green Deal, dessen “Vision eindeutig rückwärtsgewandt” sei, da er besage, “dass wir unsere Produktion in Europa zu einem Zeitpunkt senken müssen, während die Importe explodierten”. Besonders im Visier hat er die “Farm to Fork”-Strategie, die seit Beginn des Krieges in der Ukraine infrage gestellt wird. Landwirte verstünden nicht mehr den Sinn der Maßnahmen, sagt der FNSEA-Präsident. Als Konsequenz darauf herrsche “Unverständnis” darüber, was von den Landwirten verlangt werde.

    Rousseau prangert mangelnde “Kohärenz” der europäischen Entscheidungen an: Man könne nicht auf der einen Seite Handelsabkommen schließen, durch die Produkte importiert würden, die nicht den europäischen Produktionsbedingungen entsprechen. Und auf der anderen Seite von den Bauern Produktionsbedingungen verlangen, die die Branche überfordere. Insbesondere, da die französische Landwirtschaft schon heute als sehr nachhaltig anerkannt sei, mahnt Rousseau.

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    NZIA-Verhandlungen kommen nur schleppend voran

    Der zweite Trilog zwischen Europaparlament, Rat und EU-Kommission über den Net-Zero Industry Act (NZIA) hat nur wenig Fortschritte gebracht. Die Unterhändler näherten sich am Montag in der besonders strittigen Frage des Anwendungsbereichs kaum an: Die Mitgliedstaaten beharren darauf, neben einer Liste von förderfähigen Netto-Null-Technologien eine zweite Liste “strategischer” Technologien aufzunehmen, für die weitere Vorteile gelten sollen. Das Parlament pocht hingegen auf einer einheitlichen Liste.

    Der NZIA soll Investitionen in klimafreundliche Technologien wie Solaranlagen, Windräder oder Wärmepumpen in den EU-Staaten anlocken. Dafür sollen etwa die Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Das Europaparlament fordert aber deutlich kürzere Fristen als im Kommissionsvorschlag, die Mitgliedstaaten lehnen das ab. Hier habe es beim zweiten Trilog keine nennenswerte Annäherung gegeben, heißt es in Verhandlungskreisen. Auch bei der Frage, welche Kriterien neben dem Preis bei öffentlichen Ausschreibungen für solche Anlagen berücksichtigt werden sollen, habe es kaum Fortschritte gegeben.

    Etwas angenähert haben sich die Beteiligten hingegen bei der Frage, welche Teile der Wertschöpfungskette der Hersteller ebenfalls berücksichtigt werden sollen. Weitgehend einig sind sie sich demnach bereits bei den Maßnahmen, wie mehr Fachkräfte ausgebildet werden sollen. Auch bei den Vorgaben zur Speicherung von CO₂ sei man sich im Großen und Ganzen einig, heißt es.

    Die vielen offenen Fragen werfen Zweifel auf, ob die Verhandlungen wie geplant am 6. Februar abgeschlossen werden können. Die belgische Ratspräsidentschaft habe von den anderen Mitgliedstaaten bislang kaum Spielraum für Kompromisse bekommen, heißt es im Parlament. Der dritte Trilog ist bislang nur auf drei Stunden angesetzt. Sollte am 6. Februar keine Einigung zustande kommen, wird die Zeit knapp, den Rechtsakt vor der Europawahl zu verabschieden. tho

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    EU-Umweltausschuss stimmt über Gentechnik ab

    Der Umweltausschusses (ENVI) stimmt am heutigen Mittwoch über die von der EU-Kommission vorgeschlagene Lockerung der Regeln für neue Gentechniken ab. Eine Mehrheit für den Vorschlag ist offenbar wahrscheinlich, aber nicht garantiert, wie aus dem Kreis der zuständigen Abgeordneten zu hören ist. Innerhalb des Ausschusses stehen sich zwei Seiten gegenüber: Die konservative EVP sowie das rechtspopulistische und rechtsextreme Lager unterstützen den Vorschlag. Deutliche Kritik kommt dagegen von den Sozialdemokraten (S&D), Grünen und Linken. Die drei Fraktionen wollen gegen den Kompromisstext votieren, den Berichterstatterin Jessica Polfjärd zur Abstimmung stellt und der inhaltlich nah am Kommissionsvorschlag bleibt.

    Entscheidend für den Ausgang sind damit die Liberalen. Während deren Verhandlungsführer Jan Huitema, wie auch die deutsche FDP, ein Befürworter neuer Züchtungstechniken ist und Polfjärds Entwurf unterstützt, gibt es dem Vernehmen nach auch abweichende Stimmen innerhalb der Fraktion. “Wie so oft ist die Renew-Fraktion in dieser Frage gespalten”, so Christophe Clergeau, Verhandlungsführer der Sozialdemokraten. Ob Huitema seine Fraktionskollegen hinter sich vereinen kann, dürfte den Ausschlag geben.

    Kritiker unbeeindruckt von Kompromissvorschlag

    An einzelnen Stellen war Polfjärd, die als Berichterstatterin dafür zuständig ist, Kompromisse innerhalb des Parlaments auszuhandeln, zuletzt noch einmal auf die Kritiker aus dem linken und grünen Lager zugegangen. So war sie davon abgerückt, die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen auch im Ökolandbau zu erlauben. Auch zusätzliche Lockerungen bei der Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut nahm die schwedische Abgeordnete zurück.

    Überzeugen kann sie die Gegner des Vorschlags damit nicht. So sieht Sozialdemokrat Clergeau weiterhin einen Mangel an Transparenz für Verbraucher und Landwirte. “Der Verbraucher wird nicht wissen, was er isst, der Landwirt wird nicht wissen, was er anbaut”, betont er. Grüne und Sozialdemokraten hatten weitergehende Kennzeichnungspflichten nicht nur für gentechnisch verändertes Saatgut, sondern auch für verarbeitete Produkte gefordert. Auch der deutsche Abgeordnete Martin Häusling, Verhandlungsführer für die Grünen, stellte sich deutlich gegen den Vorschlag und warnte unter anderem vor negativen Folgen für den Ökolandbau. Kritisch sehen die beiden Abgeordneten auch das rasche Tempo, das die Berichterstatterin bei den Verhandlungen vorgelegt habe.

    Enger Zeitplan

    Dass der Gesetzesvorschlag zu neuen Züchtungstechniken noch vor Ende der Legislaturperiode in diesem Jahr verabschiedet wird, ist aber auch im Falle einer Zustimmung des Umweltausschusses eher unwahrscheinlich. Aufseiten des Parlaments müsste nach dem Umweltausschuss noch das Plenum zustimmen, und auch unter den EU-Mitgliedstaaten zeichnet sich bisher keine Einigung ab.

    Zuletzt hatten sich in einem offenen Brief mehr als 1.000 Wissenschaftler für die Liberalisierung neuer Züchtungstechniken ausgesprochen. Auf der anderen Seite forderten eine Reihe deutscher Unternehmen aus der Lebensmittelbranche, weiterhin die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel sicherzustellen. cst/jd

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    EU-Förderbank EIB investiert 49 Milliarden in Klimaschutz

    Die Europäische Investitionsbank (EIB) unterstützt mit Nachdruck den grünen Wandel in Europa. Die EIB habe 2023 Rekordinvestitionen in Höhe von 49 Milliarden Euro für Projekte zum Klimaschutz und zur ökologischen Nachhaltigkeit bereitgestellt, teilte die Bank mit. Insgesamt habe das Finanzierungsvolumen der EIB-Gruppe im vergangenen Jahr 88 Milliarden Euro für mehr als 900 Projekte erreicht. Neben dem Klimaschutz seien die Gelder für Digitalisierung, neue Technologien, Innovation, Gesundheitsversorgung, bezahlbaren Wohnraum sowie Verkehrsinfrastruktur und städtische Mobilität ausgereicht worden.

    Die neue Präsidentin der EIB, Nadia Calviño, führte in Brüssel aus, die EIB-Gruppe setze “in ganz Europa die Prioritäten der EU um”. Dies gelte besonders für die “Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und die Führungsrolle der EU bei grünen Technologien.” Mit 349 Milliarden Euro an grünen Investitionen, die seit 2021 mobilisiert wurden, sei die Gruppe auf dem besten Weg, ihr Ziel von einer Billion Euro an grünen Finanzierungen bis zum Ende des Jahrzehnts zu erreichen. Beispielsweise habe die Bank 2023 mehr als 21 Milliarden Euro im Rahmen von REPowerEU investiert. Die EU-Initiative zielt darauf ab, die Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen zu verringern.

    8,4 Milliarden gehen in Nicht-EU-Länder

    In einem von Instabilität geprägten Jahr stellte EIB Global, der für Investitionen außerhalb der EU zuständige Arm der Gruppe, 8,4 Milliarden Euro in Projekte außerhalb der EU. Fast die Hälfte davon ging in am wenigsten entwickelte Länder und fragile Staaten. Insgesamt mobilisierten die Finanzierungen von EIB Global im Rahmen der EU-Initiative “Global Gateway” Investitionen in Höhe von 27 Milliarden Euro. Zusätzlich zu den fast zwei Milliarden Euro, die seit der russischen Invasion für die Ukraine bereitgestellt wurden, richtete die Bank 2023 auch den EU4U-Fonds ein, um die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und den Wiederaufbau in der Ukraine zu stärken.

    Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit stellte die EIB-Gruppe 19,8 Milliarden Euro für Innovationen und 20 Milliarden Euro für kleine und mittlere Unternehmen sowie Midcap-Unternehmen bereit. Dies geht vor allem auf Finanzierungen des Europäischen Investitionsfonds (EIF) zurück, dem auf Risikofinanzierungen spezialisierten Anbieter der EIB-Gruppe, der im vergangenen Jahr Investitionen in Höhe von fast 15 Milliarden Euro unterzeichnete. Darin enthalten sind auch eine Milliarde Euro im Rahmen der European Tech Champions Initiative, mit der Start-ups im Bereich disruptiver Technologien gefördert werden, 19 Projekte davon im Bereich künstlicher Intelligenz.

    EIB investiert antizyklisch

    In einer Zeit schwieriger Investitionsbedingungen sei “die EIB-Gruppe bereit, ihre antizyklische Rolle wahrzunehmen”, indem sie den EU-Haushalt ergänze und die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten unterstütze, unterstrich die Präsidentin. Insgesamt sollen die Finanzierungen der Gruppe aus 2023 Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 320 Milliarden Euro unterstützen. Diese sollen 400.000 Unternehmen erreichen und 5,4 Millionen Arbeitsplätze sichern. cr

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    • REPowerEU

    Duda begnadigt verurteilte PiS-Politiker ein zweites Mal

    Ex-Innenminister Mariusz Kamiński und sein früherer Staatssekretär Maciej Wasik müssten mit sofortiger Wirkung aus dem Gefängnis entlassen werden, sagte Polens Präsident Andrzej Duda am Dienstag in Warschau. Vor den Gefängnissen in Radom bei Warschau und Przytuly Stare im Nordosten des Landes, wo die beiden Politiker einsitzen, versammelten sich am Abend Demonstranten und forderten ihre Freilassung.

    Duda hatte bereits vor knapp zwei Wochen bekanntgegeben, dass er bei Justizminister Adam Bodnar die Einleitung eines Begnadigungsverfahrens beantragt habe. Bodnar hatte am Dienstag auf diesen Antrag mit einer negativen Stellungnahme reagiert. Diese ist jedoch für den Präsidenten nicht bindend.

    Der Streit über das Schicksal von Kamiński und Wasik ist in den vergangenen Wochen zu einem zentralen Punkt der Auseinandersetzung zwischen der Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk und der PiS mit ihrem Verbündeten Duda geworden. Die beiden Politiker waren am 9. Januar verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden, nachdem sie zunächst Schutz im Präsidentenpalast gesucht hatten. Die PiS bezeichnet die beiden als politische Gefangene.

    Kamiński und Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief. Duda betonte am Dienstag erneut, aus seiner Sicht sei die Begnadigung aus dem Jahr 2015 weiter gültig.

    Kamiński befindet sich seit Haftbeginn in Hungerstreik. Nach Angaben Dudas ist sein Gesundheitszustand schlecht. dpa

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    Weber und Selenskyj fordern Freigabe von EU-Geld

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), haben eine Freigabe von 50 Milliarden Euro EU-Geld gefordert. Selenskyj sagte bei dem Treffen am Dienstag in Kiew, sein Land setze auf die Freigabe der mehrjährigen Finanzhilfen bei einer Sondersitzung des Europäischen Rats am 1. Februar. Gleichzeitig dankte der Staatschef den europäischen Partnern für die gewährte Unterstützung, insbesondere bei Flugabwehrsystemen.

    Die Europäische Union müsse bei den Finanzhilfen liefern, sagte auch Weber. “Es gibt keine Option des Scheiterns in der nächsten Woche”, sagte der Vorsitzende der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament. “Das ist gut ausgegebenes Geld der europäischen Steuerzahler zur Stabilisierung der Ukraine.” Er selbst wolle mit seiner Reise der Ukraine die volle Unterstützung durch die Europäische Volkspartei zusichern.

    Ebenso müsse Brüssel wie versprochen bis zum Frühjahr eine Million Artilleriegranaten im Nato-Kaliber 155 Millimeter liefern, sagte Weber. Eine Stärkung der Flugabwehr besonders für das südukrainische Gebiet Odessa sei auch erforderlich. “Als Deutscher möchte ich unterstreichen, dass die Lieferung von Taurus-Raketen jetzt benötigt wird, nicht in einigen Monaten oder Jahren”, sagte der CSU-Vertreter. Damit könne die ukrainische Armee die Infrastruktur Russlands hinter der Frontlinie angreifen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) will diese hochpräzisen Lenkflugkörper bislang nicht an Kiew abgeben.

    Die Entscheidung über mehrjährige EU-Finanzhilfen für das angegriffene Land ist seit dem vergangenen Dezember blockiert. dpa

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    Türkisches Parlament stimmt Nato-Beitritt Schwedens zu ZEIT
    Schwedens Nato-Beitritt: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban lädt Amtskollegen Ulf Kristersson zu Gespräch ein TAGESSCHAU
    Schweden hat Angst vor dem Krieg FAZ
    Estland: Justizminister räumt Zweifel im Land an Ukraine-Hilfen ein N-TV
    EVP-Chef Manfred Weber und Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj für Freigabe von EU-Geld ZDF
    Italiens Regierung strebt Föderalisierung des Landes an FAZ
    EU-Lieferkettenrichtlinie: Alle werden verlieren, wenn Brüssel hier ernst macht WIWO
    Polens Ex-Innenminister Mariusz Kaminski zum zweiten Mal begnadigt MDR
    EU-Kommission prüft Lufthansa-Einstieg bei ITA länger HANDELSBLATT
    Immense Staatsschulden in Italien: Meloni will einen Teil des Tafelsilbers verkaufen SRF
    Bauernproteste in Frankreich weiten sich aus MORGENPOST
    Europaparlament lehnt Vorschlag für Thiacloprid-Höchstgehalte ab TOPAGRAR
    Justizminister Marco Buschmann in Polen: Enge Kooperation wieder aufnehmen HANDELSBLATT
    Amazon muss wegen Mitarbeiterüberwachung in Frankreich Strafe zahlen FAZ
    Proteste in der Slowakei gegen die populistische Regierung: “Frust und Wut wachsen stetig” SÜDDEUTSCHE
    Ungarn hält an umstrittenem Großprojekt Neusiedler See fest SALZBURGER NACHRICHTEN

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    Eva van de Rakt – Dichterin und politische Denkerin bei der Böll-Stiftung

    Eva van de Rakt ist Leiterin des Referats EU und Nordamerika der Heinrich-Böll-Stiftung.

    Politik und Poesie, das sind zwei Tätigkeitsfelder, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Doch Eva van de Rakt weiß die beiden zu verbinden. Die Leiterin des Referats EU und Nordamerika der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichte 2019 ihren deutsch-tschechischen Gedichtband “Unter Oberflächen / Pod povrchy“. Die Vorstellung, dass dafür zwei separierte Parallelleben notwendig wären - Diskutieren am Tag, Dichten in der Nacht – erscheint van de Rakt ganz abwegig. Die Gedichte reflektierten ohne Frage einen Teil ihres tagtäglichen Schaffens, und nicht etwa ein abgesondertes Refugium, sagt sie.

    Die Möglichkeiten der Kunst, erklärt die ausgebildete Tanzpädagogin, erweitere und schärfe den Blick, öffne ihn für die Vielfalt der Wirklichkeit. So gesehen sei die Poesie, zumindest ihrer Dynamik nach, dann doch überraschend nah an der politischen Bildung: “Die Bewegung, das Bewegtsein, aber auch das stetige Beobachten und Hinterfragen – all das kann in Gedichten zum Ausdruck kommen.” 

    Langfristige Strategien entwickeln 

    Es kommt darum auch nicht von ungefähr, dass die politische Stiftung, für die van de Rakt seit 2001 arbeitet, die deutschlandweit einzige ist, die nach einem Schriftsteller benannt worden ist. Nach vier Jahren als Büroleiterin in Brüssel ist sie nun zuständig für die politisch-strategische Ausrichtung des Referats EU und Nordamerika, für das sie ein Team in Berlin, sowie sieben Büros im Ausland betreut. Sie und ihre Mitarbeitenden sind damit beauftragt, politische Zielsetzungen auszuarbeiten, die nachhaltige Wirkung versprechen: “Wir haben das Privileg, dass wir nicht auf tagespolitische Ereignisse reagieren müssen.” 

    Dabei haben sich für sie vier Themen als die zentralen Aufgaben der Zukunft herauskristallisiert: Die sozialökologische Transformation, die Zukunft des europäischen Projekts, die Wahrung von Demokratie und Menschenrechten sowie die Pflege der transatlantischen Beziehungen. Bearbeiten lassen sich diese Themen in Strategiepapieren und Langzeitstudien, aber auch in Diskussionsveranstaltungen, Konferenzen und Atlanten, mittels derer die Heinrich-Böll-Stiftung größere Breitenwirkung anstrebt.

    Neben diesen in der Öffentlichkeit ausgetragenen Angelegenheiten stehen aber auch vertrauliche Formate: “Wir beobachten schrumpfende Handlungsspielräume für Partnerorganisationen, denen wir geschützte Räume zur Vernetzung und Strategieentwicklung bieten.” Das betreffe nicht nur Verbündete von außerhalb der EU, auch innerhalb der EU ist die Situation vielerorts so verschärft, dass unter Druck gesetzte Stimmen nach Hilfe fragen müssen.

    Wie dem Rechtsruck entgegnen?

    Eine der großen Fragen, die van de Rakt derzeit umtreibt, ist, wieso die von autoritären Regimen ausgehenden geopolitischen Risiken so lange ignoriert werden konnten und wie sich dies in Zukunft vermeiden lässt. Dafür muss der Finger auch dorthin gelegt werden, wo es weh tut, etwa auf die anti-demokratischen Tendenzen, die im Moment innerhalb der EU an Momentum gewinnen. Ohne eine Stärkung der EU sei es nur schwer vorstellbar, wie sich die europäischen Demokratien langfristig stabilisieren ließen: “Der Ernst der Lage ist trotz einer überall spürbaren Verrohung der politischen Kultur und trotz der Angriffe auf unsere Demokratien immer noch nicht bei allen angekommen.”

    Bei der nächsten Europawahl im Juni 2024 drohe ein Rechtsruck, der hohe Risiken für die Zukunft der EU zur Folge haben könnte, sagt van de Rakt. Es komme nun darauf an, dass alle demokratische Parteien Verantwortung übernehmen und Allianzen bilden, um gemeinsam europäische Werte zu verteidigen. 

    Die nötige Fahrtrichtung steht van de Rakt klar vor Augen. Sie wirbt für eine EU, die sich glaubwürdig und solidarisch für demokratische und sozialökologische Anliegen einsetzt. Das betrifft von Sicherheit und Verteidigung bis hin zu Migration, Klima und Energie fast alle Themenfelder.

    Institutionelle Reformen hält van de Rakt hierbei für unumgänglich: “Die EU muss in vielen Bereichen handlungsfähiger und fit für zukünftige Erweiterungsrunden werden, wenn sie global nicht an Bedeutung verlieren will.” Doch hierfür müsse auch eine gemeinsame und respektvolle Sprache gefunden werden, die alle Beteiligten an Projekte solchen Ausmaßes glauben lässt. Mit den Gedichtbänden in der Aktentasche ist Eva van de Rakt für diese Herausforderungen bestens gewappnet. Julius Schwarzwälder

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