die Pandemie liegt nicht lange zurück. Und doch stehen die Mitgliedstaaten auf der Bremse, wenn es darum geht, die Lehren aus dieser Zeit zu ziehen. Am Donnerstag treffen sich die Co-Gesetzgeber im informellen Vermittlungsverfahren (“Trilog”), um letzte Hand an das Binnenmarkt-Notfall-Instrument zu legen.
Es soll die Funktionsweise des Binnenmarktes auch in Krisensituationen wie einer Pandemie oder einem sonstigen Ausnahmezustand gewährleisten. Das Parlament will durchsetzen, dass Krankenschwestern, Techniker etwa für Beatmungsgeräte oder Spezialisten für Kernkraftwerke im Krisenfall die Grenze von einem Mitgliedstaat in den anderen passieren können.
2020 und 2021 war das in Phasen von Ausgangssperren teilweise nicht möglich. An der deutsch-französischen Grenze kam es vor, dass Krankenschwestern und Ärzte nicht zum Dienst erscheinen konnten.
Nach der letzten Abstimmungsrunde zum Single Market Emergency Instrument (SMEI) auf Botschafterebene ist nun zu befürchten, dass die Mitgliedstaaten sich quer stellen. Sie wollen an ihren nationalen Registrierungsverfahren festhalten.
Andreas Schwab (CDU), Binnenmarktexperte und SMEI-Berichterstatter, hat dafür kein Verständnis. Er warnt davor, dass der Trilog am Donnerstag, bei dem eigentlich die letzten Hürden aus dem Weg geräumt werden sollten, misslingen könnte: “Solange den Mitgliedstaaten ihre Privilegien wichtiger sind als die Sicherheitsversorgung ihrer Bürger, wird dieser Vorschlag scheitern.”
Das Mercosur-Handelsabkommen steht vorläufig vor dem Aus. Wie Table.Media aus Verhandlungskreisen erfahren hat, sieht die EU-Kommission keine Chancen mehr, beim Mercosur-Gipfel am 7. Dezember in Brasilien eine Einigung zu verkünden. Kanzler Olaf Scholz und Brasiliens Präsident Lula erklärten bei den deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen in Berlin gestern zwar das Abkommen zwar nicht ausdrücklich für gescheitert.
Da die EU-Kommission auf EU-Seite die Verhandlungen führt, wäre es nicht die Kompetenz des Kanzlers gewesen, die Gespräche für beendet zu erklären. Aber aus Kreisen der EU-Verhandlungsdelegation verlautete am Morgen, dass die geplante Reise nach Brasilien zu letzten Verhandlungen und für den Abschluss abgesagt wurde. “In Rio de Janeiro wird es keine Erklärung geben.“
Eigentlich wollte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Treffen mit der Mercosur-Gruppe in Rio de Janeiro am Donnerstag die Vereinbarung unterzeichnen. Doch das seit 2019 fertig ausgehandelte Abkommen zwischen der EU auf der einen Seite und Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay auf der anderen Seite scheiterte sowohl am Widerstand aus Argentinien als auch an fehlender Unterstützung von französischer Seite.
Die argentinische Regierung, die in wenigen Tagen abgelöst wird, hatte signalisiert, dass sie nicht zu einem Abschluss bereit ist. Ein Sprecher des brasilianischen Außenministeriums hatte bereits am Wochenende klargestellt, die Angelegenheit an die neue Regierung in Argentinien zu übergeben. Der Rechtspopulist Javier Milei, der sich selbst als Anarcho-Kapitalist bezeichnet, tritt sein Amt wenige Tage nach dem Mercosur-Gipfel am 10. Dezember an.
Am Samstag hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron auf der Klimakonferenz COP28 sein “Nein” zu dem Abkommen deutlich gemacht: “Ich kann von unseren Landwirten, unseren Industriellen in Frankreich und überall sonst in Europa nicht verlangen, dass sie sich um die Dekarbonisierung bemühen, während ich plötzlich alle Zölle abschaffe, um Waren einzuführen, die diesen Regeln nicht unterliegen.”
Im Hinblick auf zwischenzeitlich erfolgte Anpassungen des Textes sagte er: “Ein paar Sätze wurden am Anfang und am Ende des Textes hinzugefügt, um Frankreich zu gefallen – aber das funktioniert nicht.” Wie zu hören ist, nimmt Macron Rücksicht auf die Landwirte seines Landes. Die französischen Bauern befürchteten, dass Importe von südamerikanischem Rindfleisch ihnen das Leben schwer machen würden.
Über das Wochenende hatte das Verhandlungsteam um EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis noch versucht, das Abkommen zu retten. Wie in Brüssel zu hören war, “saßen die Verhandler auf gepackten Koffern”. Brasiliens Präsident Lula, der das Abkommen selbst mit ausgehandelt hatte, flog direkt von der Klimakonferenz zu den Deutsch-Brasilianischen Regierungskonsultationen nach Berlin.
Lula bemühte sich in Berlin, weiter Optimismus verbreiten. “Ich bin Brasilianer, ich gebe nicht auf.” Darum werde er am Donnerstag wie geplant zum Treffen nach Rio de Janeiro reisen. “Ich gehe in Sitzungen, um andere zu überzeugen”, sagte Lula. “Ich hoffe, dass die Winde günstig sind und die Menschen ein offenes Herz haben.” Entscheidend sei, dass der französische Präsident Emmanuel Macron seinen Widerstand aufgebe. Ihm hat Lula nach eigenen Angaben bei einem Telefonat kürzlich den Rat gegeben: “Rede mit deiner Frau.”
Scholz wollte die Hoffnung offiziell ebenfalls noch nicht aufgeben. Er hoffe, dass es “zügig finalisiert” werde. Der Kanzler machte aber deutlich, dass die Hindernisse dabei groß sind. Er bitte alle Beteiligten “um größtmöglichen Pragmatismus und größtmögliche Kompromissbereitschaft”.
Brasilien hat derzeit die Präsidentschaft in der Mercosur-Gruppe inne. Nach dem Mercosur-Gipfel übernimmt Paraguay turnusmäßig die Präsidentschaft in der Mercosur-Gruppe. Während sich Brasilien unter Lula stark für das Freihandelsabkommen eingesetzt hat, ist die Unterstützung aus dem kleineren Land Paraguay nicht gewiss. Bernd Lange (SPD), Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, geht davon aus, dass Mercosur nun mindestens ein Jahr auf Eis liegt: “Nach der Europawahl und der Bildung der neuen EU-Kommission wird es hoffentlich einen neuen Anlauf für das wichtige Abkommen geben.”
Er sei überzeugt, dass das Abkommen “sowohl für die EU als auch für die Mercosur-Länder von Vorteil sein und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen” würde. Der Wert des Abkommens gehe über einzelne Wirtschaftssektoren hinaus und sei “geopolitischer Natur”.
Unterhändler der Mercosur-Staaten und der EU-Kommission, die für die Handelsabkommen zuständig ist, hatten es von 2016 bis Juni 2019 fertig ausverhandelt. Es war aber wegen der Regierung Bolsonaro und wegen dessen Missachtung des Pariser Klimaschutzabkommens umstritten. Die politische Einigung umfasst die Bereiche Zölle, Ursprungsregeln, Beseitigung von technischen Handelshemmnissen, Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen, geistiges Eigentum, Nachhaltigkeit sowie ein Kapitel zu SMEs.
Mit dem Abkommen wollten die EU und Südamerika die größte Handelszone der Welt schaffen, mit mehr als 720 Millionen Verbrauchern. Mit der EU sowie Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay wären fast 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte abdeckt gewesen.
2022 hatte die EU ein leichtes Handelsbilanzdefizit in den Wirtschaftsbeziehungen zu den Mercosur-Staaten. Die Importe der EU aus den Mercosur-Staaten umfassten Waren und Dienstleistungen von insgesamt 63,1 Milliarden Euro. Die EU-Staaten exportierten für 55,8 Milliarden Euro. Das Defizit machte 7,3 Milliarden Euro aus. Mit Malte Kreutzfeldt
344.132 Beiträge auf Telegram, Reddit, Youtube und X (früher Twitter) wurden von der Grundrechteagentur für eine genauere Prüfung herangezogen. Die Inhalte waren auf Bulgarisch, Schwedisch, Italienisch und Deutsch. Denn diese Sprachen gelten innerhalb der Hatespeech-Forschung als weniger gut untersucht. Zudem gingen die Forscher davon aus, dass sich sowohl gesellschaftlich als auch regulatorisch die gewählten Sprachräume vor dem Inkrafttreten des Digital Services Acts deutlich unterscheiden.
Jeweils gut 400 als wahrscheinliche Hassbeiträge eingestufte Postings pro Sprache wurden genauer untersucht. Die Kategorien: geschlechtsbezogene Diskriminierung und Inhalte, die sich gegen Menschen afrikanischer Herkunft richten sowie gegen Juden und Roma.
Die Befunde des Berichts seien allerdings nur ein Teil des Ausschnitts, warnt die EU-Behörde selbst: Die Auswertung habe auf Basis dessen stattgefunden, was wahrscheinlich bereits die Moderationsfilter der Plattformen und vielleicht sogar schon menschliche Moderatoren passiert habe. Und doch geben sie einen Einblick in das, was auf den Plattformen passiert.
Bei gut der Hälfte der untersuchten Posts fanden die Forscher nach näherer Begutachtung Elemente von Hatespeech, so der Bericht der Grundrechteagentur: 85 Prozent von ihnen enthielten beleidigende Sprache, 39 Prozent Verunglimpfungen, 29 Prozent verbreiteten negative Stereotype. 59 Prozent der Beiträge gehörten dabei zu mehr als einer Kategorie.
In einigen Fällen, insbesondere bei negativen Stereotypen, sei nicht unbedingt beleidigende Sprache verwendet worden. Neun Prozent klassifizierten die Forscher als Gewaltaufrufe. Aufrufe zu Hass oder Diskriminierung fanden sie bei acht beziehungsweise fünf Prozent der untersuchten Beiträge.
47 Prozent der identifizierten Hass-Postings klassifizierten die Forscher als Belästigung gegen eine oder mehrere bestimmte Personen – davon richteten sich zwei Drittel gegen Frauen. Insgesamt würden Frauen dreimal so häufig Ziel von Hass im Netz wie Menschen afrikanischer Abstammung, so die Forscher. Zugleich aber seien jene Beiträge, die sich gegen diese Gruppe richten, besonders hasserfüllt – knapp vor Beiträgen, die Juden diskriminierten.
Allerdings scheinen Hass und Hetze keineswegs auf breite Zustimmung auf den Plattformen zu stoßen. “Die 500 hasserfülltesten Beiträge auf X erhielten durchschnittlich einen Retweet und nur etwas mehr als 1 Prozent mehr als 10 Retweets”, heißt es in dem Bericht. Im Durchschnitt erhielten diese Beiträge 2.400 Ansichten, so der Bericht, allerdings vor allem durch wenige Ausreißer nach oben bedingt. Die Hälfte der Hassbeiträge wurde weniger als 228-mal aufgerufen. Auffällig aber auch: besonders viele Zugriffe erhielten Gewaltaufrufe (über 5.900).
Von Gegenrede war für die Grundrechteagentur wenig zu finden. Nur auf 4 Prozent der untersuchten Posts gab es Antworten, die als solche klassifiziert werden konnten. Die größte Menge davon war auf X zu finden. Deutschland fiel dabei etwas aus dem Rahmen: Hier hätten immerhin 10 Prozent der Posts eine Entgegnung erfahren – doppelt so viele wie in Schweden, Bulgarien und Italien. Am häufigsten gebe es Gegenrede bei Posts, die Juden diskriminierten.
Die FRA hat ergänzend eine Befragung in Auftrag gegeben, inwiefern junge Menschen mit Migrationshintergrund Onlinehass begegnet sind. Am häufigsten betroffen: Menschen mit nordafrikanischen Vorfahren in den Niederlanden. 29 Prozent der 16-24-Jährigen gaben an, dass ihnen derartige Inhalte auf Facebook, Instagram, X oder TikTok begegnet seien. Die zweitgrößte Gruppe sind Deutsche mit Wurzeln südlich der Sahara (19 Prozent), gefolgt von jenen in Finnland (18 Prozent).
Die Untersuchung fand noch vor dem Inkrafttreten des Digital Services Act statt. Dennoch dürfte sie den Durchsetzungsbehörden einige Hinweise darauf geben, wo die Plattformen genauer hinschauen müssen. Die Grundrechteagentur betont, dass es oft ein schmaler Grat zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und den Rechten der Betroffenen sei. Algorithmen seien mit ihren verzerrten Datengrundlagen, mit denen sie selbst Stereotypen reproduzierten, kaum in der Lage, dies verlässlich zu beurteilen. Und auch die menschlichen Content-Moderatoren wären für diese Aufgabe oftmals nicht ausreichend ausgebildet.
06.12.-07.12.2023, Brüssel (Belgien)
CBE JU, Conference CBE JU Stakeholder Forum 2023
The Circular Bio-based Europe Joint Undertaking (CBE JU) is organising its first stakeholder event that will be guided by the theme ‘What next for the European bio-based sector?’ and features an exhibition on bio-based solutions developed by CBE JU-funded projects. INFO & REGISTRATION
06.12.2023 – 15:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
FES, Presentation Global Launch of the World Nuclear Industry Status Report 2023
The Friedrich-Ebert-Foundation (FES), Heinrich-Böll-Foundation and German Federal Office for the Safety of Nuclear Waste Management host a presentation with a diverse speakers line up to launch the World Nuclear Industry Status Report 2023 which provides a comprehensive overview of nuclear power plant data. INFO & REGISTRATION
06.12.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
HWK Frankfurt-Rhein-Main, Seminar Kreislaufwirtschaft – Konkrete Ansätze im Betrieb
Bei der Handwerkskammer (HWK) Frankfurt-Rhein-Main stellen Referentinnen und Referenten zehn Ansätze der Kreislaufwirtschaft für Geschäftsprozesse vor. Betriebe berichten, wie diese in der Praxis umgesetzt werden können. ANMELDUNG
06.12.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
TI, Podiumsdiskussion Ein Jahr nach Katar-Gate: Sind wir besser gegen strategische Korruption gewappnet?
Transparency International (TI) diskutiert unter anderem mit dem Europaabgeordneten Daniel Freund (Bündnis 90/Die Grünen), dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner und Tagesschau-Redakteurin Silvia Stöber, welche Konsequenzen aus Katar-Gate hierzulande und auf europäischer Ebene gezogen wurden und wie unsere Demokratie gegen strategische Korruption gerüstet ist. INFOS & ANMELDUNG
07.12.-08.12.2023, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Competition Law 2023
The annual European Law Academy (ERA) conference aims at providing legal practitioners with a comprehensive update on the most important developments in the field of antitrust law and merger control at both EU and national levels. INFO & REGISTRATION
07.12.-08.12.2023, Brüssel (Belgien)
ERA, Conference Annual Conference on EU Financial Regulation and Supervision
The European Law Academy (ERA) will provide an update concerning the regulatory framework of EU financial regulation and supervision, including consumer finance, payments, open and digital finance as well as sustainable finance. INFO & REGISTRAION
07.12.2023 – 09:00-18:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
SolarPower Europe, Conference Sustainable Solar Europe 2023
The conference brings together industry players, academics, and policymakers and aims to provide a 360 degree perspective of the topic of sustainability in the solar PV sector with dedicated sessions on supply chain transparency, regulatory frameworks for sustainable PV manufacturing, innovations in floating solar, and agrivoltaics.
INFOS & ANMELDUNG
07.12.2023 – 10:00-17:30 Uhr, online
CINEA, Presentation Innovation Fund 2023 Call Info Day
The European Climate, Infrastructure and Environment Executive Agency (CINEA) and the European Commission’s DG Climate Action inform about the Innovation Fund 2023 Call which will cover sectors including decarbonisation, cleantech manufacturing, maritime and energy-intensive industries to guide the participants through the novelties of this call, and present lessons learned from previous calls. INFO & REGISTRATION
07.12.2023 – 10:00-17:15 Uhr, Leipzig
Deutsche Gesellschaft, Symposium Europa als (sächsischer) Bildungsmotor? – Barrieren und Potenziale
Das Theodor-Litt-Symposium erörtert Barrieren, Erfordernisse sowie Potenziale der europapolitischen Bildung und definiert zukünftige Aufgaben für Politik und Gesellschaft mit Blick auf Sachsen sowie deutschlandweite und internationale Entwicklungen. INFOS & ANMELDUNG
07.12.2023 – 12:24-13:00 Uhr, online
EAB, Vortrag Die EU und der Westbalkan
Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zur Europawahl interviewt die Europäische Akademie Berlin (EAB) Doris Pack, die von 1989 bis 2014 im Europaparlament saß und als ehemalige ständige Berichterstatterin für Bosnien-Herzegowina eine Kennerin der Balkanstaaten ist. INFOS
Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert eine unzureichende Umsetzung des Digital Services Act (DSA) durch Betreiber. Die Verbraucherschützer haben mehrere Online-Plattformen und Suchmaschinen nach dem Zufallsprinzip unter die Lupe genommen und dabei geprüft, ob diese den Vorschriften aus dem DSA nachkommen. Doch das ist aus Sicht des Verbandes nach einer stichprobenhaften Prüfung bei jeweils unterschiedlichen Anbietern bislang nur unzureichend geschehen.
So heißt es in dem Vzbv-Bericht zur Untersuchung, die von Mitte Oktober bis Mitte November stattfand: “Alle vier untersuchten Anbieter (Amazon, Booking, Google Shopping, Youtube) kommen dem Dark-Patterns-Verbot im DSA nicht oder nicht ausreichend nach.” Außerdem: “Drei der vier geprüften Anbieter gestalten die Beendigung eines Service bzw. die Löschung eines Kontos schwieriger als die Anmeldung bzw. Erstellung.” Die Verbraucherschützer fordern Nachbesserungen von den Anbietern.
Doch es gab auch Lob: Die Plattformen bemühten sich, ihre komplizierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – so wie vom DSA vorgeschrieben – nicht nur juristen-, sondern auch menschenverständlich zu formulieren. Insbesondere Booking und Google Search würden das hinbekommen. Bei anderen Anbietern sei hier noch Luft nach oben.
Als noch zu kompliziert oder unzureichend umgesetzt betrachten die Verbraucherschützer auch die Vorschriften zur Transparenz bei Werbung. Und auch beim Profiling würden die Regeln nicht eingehalten: Es sei auffällig, “dass bei drei der vier untersuchten Anbieter (Amazon, Booking.com, Zalando) das Profiling standardmäßig aktiviert ist und von den Verbraucher:innen aktiv abgewählt werden muss. Lediglich bei Google Suche findet keine anbieterseitige Vorauswahl statt”.
Die Vzbv-Vorständin Ramona Pop zeigt sich entsprechend entsetzt: “Es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit Unternehmen die geltenden Gesetze missachten oder nur halbherzig umsetzen.” Die Verbraucherschützer rufen Betroffene auf, sich aktiv bei ihnen zu melden, um Missstände zu berichten.
Wichtig sei es nun, dass “die Bundesregierung auch national eine möglichst zentrale und schlagkräftige Aufsicht aller Online-Plattform einrichte”. Dass das dafür nötige Digitale-Dienste-Gesetz wie vorgesehen bis zum 17.02.2024 den Weg durch Kabinett, Bundestag und Bundesrat schafft, ist inzwischen jedoch zeitlich nahezu unmöglich, auch wenn eine Kabinettsbefassung noch im Dezember stattfinden soll. fst
Der Europäische Rechnungshof bemängelt fehlenden Wettbewerb im öffentlichen Beschaffungswesen. In einem Sonderbericht des Hofs heißt es, in den vergangenen zehn Jahren sei der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch nationale, regionale und lokale Behörden in der gesamten EU deutlich zurückgegangen. Immer weniger Unternehmen hätten in der Zeit zwischen 2011 und 2021 an Vergabeverfahren teilgenommen, um öffentlichen Stellen ihre Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen anzubieten. Stattdessen hätten sich die Behörden häufig direkt an bestimmte Unternehmen gewandt.
Helga Berger, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs, forderte die Europäische Kommission auf, “einen Aktionsplan vorzulegen, um die wichtigsten Wettbewerbshindernisse auszuräumen und öffentliche Aufträge für Unternehmen attraktiver zu machen”. Berger verwies in diesem Zusammenhang auf eine Reform des EU-Regelwerks für öffentliche Aufträge in 2014. Mit den neuen Vorschriften sollten die öffentlichen Vergabeverfahren attraktiver werden, um den Wettbewerb zu stärken und für den Einsatz der Steuergelder das bestmögliche Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen.
Tatsächlich aber habe sich die Dauer der Verfahren sogar verlängert, und es gebe weiterhin Probleme mit mangelnder Transparenz. Dies gelte insbesondere für den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu den Aufträgen. Laut Sonderbericht hat 2021 der Anteil der Verfahren mit nur einem Bieter einen Höchststand erreicht. Danach seien 42 Prozent aller Aufträge in Ausschreibungen vergeben worden, an denen nur ein Unternehmen teilgenommen hat. Damit habe sich der Anteil solcher Vergabeverfahren in der gesamten EU im Prüfzeitraum nahezu verdoppelt.
Gleichzeitig sei die Zahl der Unternehmen, die Angebote eingereicht hätten, von durchschnittlich knapp sechs auf drei pro Verfahren und damit um fast die Hälfte zurückgegangen. Für die Vergabe öffentlicher Aufträge hätten sich die Behörden zudem häufig direkt an ein oder mehrere Unternehmen gewandt, um sie zur Einreichung eines Angebots aufzufordern, ohne eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen.
Solche Direktvergaben seien zwar unter bestimmten Umständen zulässig, schränkten jedoch den Wettbewerb ein und sollten die Ausnahme bleiben. Direktvergaben hätten jedoch in fast allen Mitgliedstaaten zugenommen und machten rund 16 Prozent aller im Jahr 2021 gemeldeten Vergabeverfahren aus. Berger unterstrich, der jetzt vom Hof vorgelegte Bericht sei “ein Weckruf an die EU-Kommission, aber auch an die Mitgliedstaaten, hier dringend Abhilfe zu schaffen”. cr
Wie viel Krise geht noch? Diese Frage möchten wir mit Ihnen und einem der wichtigsten Steuerleute der deutschen Außenpolitik, dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Thomas Bagger, diskutieren. Und zwar am Dienstag, dem 5. Dezember, von 10.30 Uhr bis 11.30 Uhr. An dem digitalen Gespräch nehmen auch die Table.Media-Redaktionsleiter für Afrika, Agrifood, Berlin, China, Europa, Forschung, Klima, Research und Sicherheit teil. Hier können Sie sich kostenlos anmelden. sb
Es sind zwei Ereignisse der vergangenen Wochen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Der rechtsextreme Geert Wilders gewinnt mit einem Rekordergebnis die niederländischen Parlamentswahlen – auch weil die Konservativen erstmals nicht mehr ausschlossen, mit ihm eine Koalition zu schmieden. Parallel dazu scheiterte die EU-Pflanzenschutzverordnung für weniger Pestizide im Europaparlament, weil die Konservativen mit den Rechtsextremen kooperierten.
Was beide Ereignisse verbindet? Sie werfen ein Schlaglicht darauf, was nach der Europawahl am 9. Juni droht: Dass die Brandmauer nach Rechtsaußen im Europaparlament fällt. Und eine Kooperation von Konservativen und Rechtsextremen sich normalisiert. Die Folgen für das europäische Einigungsprojekt der EU wären verheerend – besonders aber für ihre ambitionierte Umwelt- und Klimagesetzgebung, den Green Deal. Diese droht völlig ins Stocken zu geraten oder gar rückabgewickelt zu werden.
Als “Europe’s man on the moon moment” bezeichnete die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, den Green Deal. In nicht weniger als 30 Jahren soll unser fossiles Wirtschaftssystem europaweit umgebaut werden. Das Besondere: Mit von der Leyen nahm eine Konservative den Impuls auf, den viele Wähler*innen mit starken grünen Wahlergebnissen gesetzt hatten. Fridays For Future hatte besonders in Deutschland die Europawahl zu einer Klimawahl gemacht – und den Grünen ein Rekordergebnis von 20,5 Prozent beschert.
Von der Leyens Green Deal war im Rat der Mitgliedstaaten immer umstritten. Was aber entscheidend war: Im Parlament trugen die Konservativen am Ende stets die Gesetzesvorhaben mit. Doch seit einigen Monaten weht bei diesen der Wind aus einer anderen Richtung. Europaweit dreht sich in Zeiten von hohen Energiepreisen die Stimmung gegen Klimaschutz. Die Klimapolitik ist ins Fahrwasser eines Kulturkampfes geraten. Sie wird von breiten Bevölkerungskreisen als sozial ungerechtes Elitenprojekt wahrgenommen, das ihnen mit Verboten aufgezwungen wird.
Für den zunehmenden Widerstand gegen den Green Deal steht vor allem Manfred Weber, Chef der konservativen EVP-Fraktion. Er liebäugelt offen mit der rechtskonservativen EKR-Fraktion. Jener Fraktion, der die faschistische Partei Fratelli d’Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angehört. Der informelle Weber-Meloni-Pakt wirkt sich bereits negativ aus: Das Renaturierungsgesetz (NRL) als eine der Säulen des Green Deal konnte nur mit einschneidenden Verwässerungen im letzten Moment gerettet werden. Beim Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 konnte ein vollständiges Absägen gerade so verhindert werden, während die EU-Pflanzenschutzverordnung (SUR) jetzt komplett scheiterte.
Mit den Wahlen droht eine Zäsur: Europäische Umfragen prognostizieren, dass am 9. Juni die Grünen die Hälfte ihrer Sitze verlieren und die EKR-Fraktion beziehungsweise die rechtsextreme ID, der auch die AfD angehört, ein Viertel hinzugewinnen. Das reicht nicht für eine absolute Mehrheit. Aber mithilfe von Abweichler*innen aus anderen Fraktionen droht allen weiteren Gesetzesvorhaben des Green Deal das Aus. Oder gar seine Rückabwicklung.
So soll 2027 der zweite Emissionshandel – für Gebäude und Verkehr – europaweit in Kraft treten. Ein zentraler Hebel, um Verbrenner-Autos sowie Öl- und Gasheizungen über marktwirtschaftliche Preisanreize schrittweise durch klimafreundliche Alternativen zu ersetzen. Der Preissprung wird an den Zapfsäulen und auf den Gasrechnungen spürbar sein. Schon heute ist absehbar, wie der Weber-Meloni-Pakt reagieren wird: Per Parlamentsmehrheit die EU-Kommission dazu drängen, durch eine Notfallverordnung den Marktlenkungsmechanismus auszusetzen.
Europas Zivilgesellschaft scheint noch nicht die Brisanz der Lage erkannt zu haben. Und erst recht nicht viele Bürger*innen. Das müssen wir dringend ändern. Indem wir ihnen die Relevanz ihres Urnengangs aufzeigen und das proeuropäische Lager der Wähler*innen gegen den drohenden Rechtsruck mobilisieren. Im Fokus stehen zum einen Erstwähler*innen. Da das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt wurde, umfasst jene Kohorte gleich sieben Jahrgänge. Den Rechtsaußen-Parteien dürfen wir nicht länger Tiktok, Instagram und Youtube überlassen. Diese fluteten dort bei den vergangenen Landtagswahlen junge Menschen mit Desinformation und rechten Narrativen.
Gleichzeitig muss es uns gelingen, “stay at home Europeans” zu adressieren. Menschen, die von ihrer Grundeinstellung proeuropäisch sind, aber der Wahl so wenig Relevanz beimessen, dass sie der Wahl fernbleiben. Drei Botschaften sind für sie wichtig.
Denn neben allen Warnungen müssen wir die Wähler*innen mit einer Vision für Europa begeistern. Einem Europa, das sich traut, ein Klimageld für die Europäer*innen einzuführen, damit Ökologie und Soziales zusammen gehen. Das sich traut, einen Europäischen Inflation Reduction Act aufzulegen, damit der Wirtschaftsumbau wie in den USA finanziert werden kann. Das sich traut, die Energieversorgung so schnell wie möglich auf 100 Prozent Erneuerbare umzubauen.
Wir müssen jetzt anfangen, breite zivilgesellschaftliche Bündnisse zu bauen, die alle Europäer*innen dazu bringen, ihr Kreuz am 9. Juni zu setzen. Denn es geht um viel.
die Pandemie liegt nicht lange zurück. Und doch stehen die Mitgliedstaaten auf der Bremse, wenn es darum geht, die Lehren aus dieser Zeit zu ziehen. Am Donnerstag treffen sich die Co-Gesetzgeber im informellen Vermittlungsverfahren (“Trilog”), um letzte Hand an das Binnenmarkt-Notfall-Instrument zu legen.
Es soll die Funktionsweise des Binnenmarktes auch in Krisensituationen wie einer Pandemie oder einem sonstigen Ausnahmezustand gewährleisten. Das Parlament will durchsetzen, dass Krankenschwestern, Techniker etwa für Beatmungsgeräte oder Spezialisten für Kernkraftwerke im Krisenfall die Grenze von einem Mitgliedstaat in den anderen passieren können.
2020 und 2021 war das in Phasen von Ausgangssperren teilweise nicht möglich. An der deutsch-französischen Grenze kam es vor, dass Krankenschwestern und Ärzte nicht zum Dienst erscheinen konnten.
Nach der letzten Abstimmungsrunde zum Single Market Emergency Instrument (SMEI) auf Botschafterebene ist nun zu befürchten, dass die Mitgliedstaaten sich quer stellen. Sie wollen an ihren nationalen Registrierungsverfahren festhalten.
Andreas Schwab (CDU), Binnenmarktexperte und SMEI-Berichterstatter, hat dafür kein Verständnis. Er warnt davor, dass der Trilog am Donnerstag, bei dem eigentlich die letzten Hürden aus dem Weg geräumt werden sollten, misslingen könnte: “Solange den Mitgliedstaaten ihre Privilegien wichtiger sind als die Sicherheitsversorgung ihrer Bürger, wird dieser Vorschlag scheitern.”
Das Mercosur-Handelsabkommen steht vorläufig vor dem Aus. Wie Table.Media aus Verhandlungskreisen erfahren hat, sieht die EU-Kommission keine Chancen mehr, beim Mercosur-Gipfel am 7. Dezember in Brasilien eine Einigung zu verkünden. Kanzler Olaf Scholz und Brasiliens Präsident Lula erklärten bei den deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen in Berlin gestern zwar das Abkommen zwar nicht ausdrücklich für gescheitert.
Da die EU-Kommission auf EU-Seite die Verhandlungen führt, wäre es nicht die Kompetenz des Kanzlers gewesen, die Gespräche für beendet zu erklären. Aber aus Kreisen der EU-Verhandlungsdelegation verlautete am Morgen, dass die geplante Reise nach Brasilien zu letzten Verhandlungen und für den Abschluss abgesagt wurde. “In Rio de Janeiro wird es keine Erklärung geben.“
Eigentlich wollte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Treffen mit der Mercosur-Gruppe in Rio de Janeiro am Donnerstag die Vereinbarung unterzeichnen. Doch das seit 2019 fertig ausgehandelte Abkommen zwischen der EU auf der einen Seite und Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay auf der anderen Seite scheiterte sowohl am Widerstand aus Argentinien als auch an fehlender Unterstützung von französischer Seite.
Die argentinische Regierung, die in wenigen Tagen abgelöst wird, hatte signalisiert, dass sie nicht zu einem Abschluss bereit ist. Ein Sprecher des brasilianischen Außenministeriums hatte bereits am Wochenende klargestellt, die Angelegenheit an die neue Regierung in Argentinien zu übergeben. Der Rechtspopulist Javier Milei, der sich selbst als Anarcho-Kapitalist bezeichnet, tritt sein Amt wenige Tage nach dem Mercosur-Gipfel am 10. Dezember an.
Am Samstag hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron auf der Klimakonferenz COP28 sein “Nein” zu dem Abkommen deutlich gemacht: “Ich kann von unseren Landwirten, unseren Industriellen in Frankreich und überall sonst in Europa nicht verlangen, dass sie sich um die Dekarbonisierung bemühen, während ich plötzlich alle Zölle abschaffe, um Waren einzuführen, die diesen Regeln nicht unterliegen.”
Im Hinblick auf zwischenzeitlich erfolgte Anpassungen des Textes sagte er: “Ein paar Sätze wurden am Anfang und am Ende des Textes hinzugefügt, um Frankreich zu gefallen – aber das funktioniert nicht.” Wie zu hören ist, nimmt Macron Rücksicht auf die Landwirte seines Landes. Die französischen Bauern befürchteten, dass Importe von südamerikanischem Rindfleisch ihnen das Leben schwer machen würden.
Über das Wochenende hatte das Verhandlungsteam um EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis noch versucht, das Abkommen zu retten. Wie in Brüssel zu hören war, “saßen die Verhandler auf gepackten Koffern”. Brasiliens Präsident Lula, der das Abkommen selbst mit ausgehandelt hatte, flog direkt von der Klimakonferenz zu den Deutsch-Brasilianischen Regierungskonsultationen nach Berlin.
Lula bemühte sich in Berlin, weiter Optimismus verbreiten. “Ich bin Brasilianer, ich gebe nicht auf.” Darum werde er am Donnerstag wie geplant zum Treffen nach Rio de Janeiro reisen. “Ich gehe in Sitzungen, um andere zu überzeugen”, sagte Lula. “Ich hoffe, dass die Winde günstig sind und die Menschen ein offenes Herz haben.” Entscheidend sei, dass der französische Präsident Emmanuel Macron seinen Widerstand aufgebe. Ihm hat Lula nach eigenen Angaben bei einem Telefonat kürzlich den Rat gegeben: “Rede mit deiner Frau.”
Scholz wollte die Hoffnung offiziell ebenfalls noch nicht aufgeben. Er hoffe, dass es “zügig finalisiert” werde. Der Kanzler machte aber deutlich, dass die Hindernisse dabei groß sind. Er bitte alle Beteiligten “um größtmöglichen Pragmatismus und größtmögliche Kompromissbereitschaft”.
Brasilien hat derzeit die Präsidentschaft in der Mercosur-Gruppe inne. Nach dem Mercosur-Gipfel übernimmt Paraguay turnusmäßig die Präsidentschaft in der Mercosur-Gruppe. Während sich Brasilien unter Lula stark für das Freihandelsabkommen eingesetzt hat, ist die Unterstützung aus dem kleineren Land Paraguay nicht gewiss. Bernd Lange (SPD), Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, geht davon aus, dass Mercosur nun mindestens ein Jahr auf Eis liegt: “Nach der Europawahl und der Bildung der neuen EU-Kommission wird es hoffentlich einen neuen Anlauf für das wichtige Abkommen geben.”
Er sei überzeugt, dass das Abkommen “sowohl für die EU als auch für die Mercosur-Länder von Vorteil sein und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen” würde. Der Wert des Abkommens gehe über einzelne Wirtschaftssektoren hinaus und sei “geopolitischer Natur”.
Unterhändler der Mercosur-Staaten und der EU-Kommission, die für die Handelsabkommen zuständig ist, hatten es von 2016 bis Juni 2019 fertig ausverhandelt. Es war aber wegen der Regierung Bolsonaro und wegen dessen Missachtung des Pariser Klimaschutzabkommens umstritten. Die politische Einigung umfasst die Bereiche Zölle, Ursprungsregeln, Beseitigung von technischen Handelshemmnissen, Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen, geistiges Eigentum, Nachhaltigkeit sowie ein Kapitel zu SMEs.
Mit dem Abkommen wollten die EU und Südamerika die größte Handelszone der Welt schaffen, mit mehr als 720 Millionen Verbrauchern. Mit der EU sowie Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay wären fast 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte abdeckt gewesen.
2022 hatte die EU ein leichtes Handelsbilanzdefizit in den Wirtschaftsbeziehungen zu den Mercosur-Staaten. Die Importe der EU aus den Mercosur-Staaten umfassten Waren und Dienstleistungen von insgesamt 63,1 Milliarden Euro. Die EU-Staaten exportierten für 55,8 Milliarden Euro. Das Defizit machte 7,3 Milliarden Euro aus. Mit Malte Kreutzfeldt
344.132 Beiträge auf Telegram, Reddit, Youtube und X (früher Twitter) wurden von der Grundrechteagentur für eine genauere Prüfung herangezogen. Die Inhalte waren auf Bulgarisch, Schwedisch, Italienisch und Deutsch. Denn diese Sprachen gelten innerhalb der Hatespeech-Forschung als weniger gut untersucht. Zudem gingen die Forscher davon aus, dass sich sowohl gesellschaftlich als auch regulatorisch die gewählten Sprachräume vor dem Inkrafttreten des Digital Services Acts deutlich unterscheiden.
Jeweils gut 400 als wahrscheinliche Hassbeiträge eingestufte Postings pro Sprache wurden genauer untersucht. Die Kategorien: geschlechtsbezogene Diskriminierung und Inhalte, die sich gegen Menschen afrikanischer Herkunft richten sowie gegen Juden und Roma.
Die Befunde des Berichts seien allerdings nur ein Teil des Ausschnitts, warnt die EU-Behörde selbst: Die Auswertung habe auf Basis dessen stattgefunden, was wahrscheinlich bereits die Moderationsfilter der Plattformen und vielleicht sogar schon menschliche Moderatoren passiert habe. Und doch geben sie einen Einblick in das, was auf den Plattformen passiert.
Bei gut der Hälfte der untersuchten Posts fanden die Forscher nach näherer Begutachtung Elemente von Hatespeech, so der Bericht der Grundrechteagentur: 85 Prozent von ihnen enthielten beleidigende Sprache, 39 Prozent Verunglimpfungen, 29 Prozent verbreiteten negative Stereotype. 59 Prozent der Beiträge gehörten dabei zu mehr als einer Kategorie.
In einigen Fällen, insbesondere bei negativen Stereotypen, sei nicht unbedingt beleidigende Sprache verwendet worden. Neun Prozent klassifizierten die Forscher als Gewaltaufrufe. Aufrufe zu Hass oder Diskriminierung fanden sie bei acht beziehungsweise fünf Prozent der untersuchten Beiträge.
47 Prozent der identifizierten Hass-Postings klassifizierten die Forscher als Belästigung gegen eine oder mehrere bestimmte Personen – davon richteten sich zwei Drittel gegen Frauen. Insgesamt würden Frauen dreimal so häufig Ziel von Hass im Netz wie Menschen afrikanischer Abstammung, so die Forscher. Zugleich aber seien jene Beiträge, die sich gegen diese Gruppe richten, besonders hasserfüllt – knapp vor Beiträgen, die Juden diskriminierten.
Allerdings scheinen Hass und Hetze keineswegs auf breite Zustimmung auf den Plattformen zu stoßen. “Die 500 hasserfülltesten Beiträge auf X erhielten durchschnittlich einen Retweet und nur etwas mehr als 1 Prozent mehr als 10 Retweets”, heißt es in dem Bericht. Im Durchschnitt erhielten diese Beiträge 2.400 Ansichten, so der Bericht, allerdings vor allem durch wenige Ausreißer nach oben bedingt. Die Hälfte der Hassbeiträge wurde weniger als 228-mal aufgerufen. Auffällig aber auch: besonders viele Zugriffe erhielten Gewaltaufrufe (über 5.900).
Von Gegenrede war für die Grundrechteagentur wenig zu finden. Nur auf 4 Prozent der untersuchten Posts gab es Antworten, die als solche klassifiziert werden konnten. Die größte Menge davon war auf X zu finden. Deutschland fiel dabei etwas aus dem Rahmen: Hier hätten immerhin 10 Prozent der Posts eine Entgegnung erfahren – doppelt so viele wie in Schweden, Bulgarien und Italien. Am häufigsten gebe es Gegenrede bei Posts, die Juden diskriminierten.
Die FRA hat ergänzend eine Befragung in Auftrag gegeben, inwiefern junge Menschen mit Migrationshintergrund Onlinehass begegnet sind. Am häufigsten betroffen: Menschen mit nordafrikanischen Vorfahren in den Niederlanden. 29 Prozent der 16-24-Jährigen gaben an, dass ihnen derartige Inhalte auf Facebook, Instagram, X oder TikTok begegnet seien. Die zweitgrößte Gruppe sind Deutsche mit Wurzeln südlich der Sahara (19 Prozent), gefolgt von jenen in Finnland (18 Prozent).
Die Untersuchung fand noch vor dem Inkrafttreten des Digital Services Act statt. Dennoch dürfte sie den Durchsetzungsbehörden einige Hinweise darauf geben, wo die Plattformen genauer hinschauen müssen. Die Grundrechteagentur betont, dass es oft ein schmaler Grat zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und den Rechten der Betroffenen sei. Algorithmen seien mit ihren verzerrten Datengrundlagen, mit denen sie selbst Stereotypen reproduzierten, kaum in der Lage, dies verlässlich zu beurteilen. Und auch die menschlichen Content-Moderatoren wären für diese Aufgabe oftmals nicht ausreichend ausgebildet.
06.12.-07.12.2023, Brüssel (Belgien)
CBE JU, Conference CBE JU Stakeholder Forum 2023
The Circular Bio-based Europe Joint Undertaking (CBE JU) is organising its first stakeholder event that will be guided by the theme ‘What next for the European bio-based sector?’ and features an exhibition on bio-based solutions developed by CBE JU-funded projects. INFO & REGISTRATION
06.12.2023 – 15:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
FES, Presentation Global Launch of the World Nuclear Industry Status Report 2023
The Friedrich-Ebert-Foundation (FES), Heinrich-Böll-Foundation and German Federal Office for the Safety of Nuclear Waste Management host a presentation with a diverse speakers line up to launch the World Nuclear Industry Status Report 2023 which provides a comprehensive overview of nuclear power plant data. INFO & REGISTRATION
06.12.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
HWK Frankfurt-Rhein-Main, Seminar Kreislaufwirtschaft – Konkrete Ansätze im Betrieb
Bei der Handwerkskammer (HWK) Frankfurt-Rhein-Main stellen Referentinnen und Referenten zehn Ansätze der Kreislaufwirtschaft für Geschäftsprozesse vor. Betriebe berichten, wie diese in der Praxis umgesetzt werden können. ANMELDUNG
06.12.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
TI, Podiumsdiskussion Ein Jahr nach Katar-Gate: Sind wir besser gegen strategische Korruption gewappnet?
Transparency International (TI) diskutiert unter anderem mit dem Europaabgeordneten Daniel Freund (Bündnis 90/Die Grünen), dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner und Tagesschau-Redakteurin Silvia Stöber, welche Konsequenzen aus Katar-Gate hierzulande und auf europäischer Ebene gezogen wurden und wie unsere Demokratie gegen strategische Korruption gerüstet ist. INFOS & ANMELDUNG
07.12.-08.12.2023, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Competition Law 2023
The annual European Law Academy (ERA) conference aims at providing legal practitioners with a comprehensive update on the most important developments in the field of antitrust law and merger control at both EU and national levels. INFO & REGISTRATION
07.12.-08.12.2023, Brüssel (Belgien)
ERA, Conference Annual Conference on EU Financial Regulation and Supervision
The European Law Academy (ERA) will provide an update concerning the regulatory framework of EU financial regulation and supervision, including consumer finance, payments, open and digital finance as well as sustainable finance. INFO & REGISTRAION
07.12.2023 – 09:00-18:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
SolarPower Europe, Conference Sustainable Solar Europe 2023
The conference brings together industry players, academics, and policymakers and aims to provide a 360 degree perspective of the topic of sustainability in the solar PV sector with dedicated sessions on supply chain transparency, regulatory frameworks for sustainable PV manufacturing, innovations in floating solar, and agrivoltaics.
INFOS & ANMELDUNG
07.12.2023 – 10:00-17:30 Uhr, online
CINEA, Presentation Innovation Fund 2023 Call Info Day
The European Climate, Infrastructure and Environment Executive Agency (CINEA) and the European Commission’s DG Climate Action inform about the Innovation Fund 2023 Call which will cover sectors including decarbonisation, cleantech manufacturing, maritime and energy-intensive industries to guide the participants through the novelties of this call, and present lessons learned from previous calls. INFO & REGISTRATION
07.12.2023 – 10:00-17:15 Uhr, Leipzig
Deutsche Gesellschaft, Symposium Europa als (sächsischer) Bildungsmotor? – Barrieren und Potenziale
Das Theodor-Litt-Symposium erörtert Barrieren, Erfordernisse sowie Potenziale der europapolitischen Bildung und definiert zukünftige Aufgaben für Politik und Gesellschaft mit Blick auf Sachsen sowie deutschlandweite und internationale Entwicklungen. INFOS & ANMELDUNG
07.12.2023 – 12:24-13:00 Uhr, online
EAB, Vortrag Die EU und der Westbalkan
Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zur Europawahl interviewt die Europäische Akademie Berlin (EAB) Doris Pack, die von 1989 bis 2014 im Europaparlament saß und als ehemalige ständige Berichterstatterin für Bosnien-Herzegowina eine Kennerin der Balkanstaaten ist. INFOS
Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert eine unzureichende Umsetzung des Digital Services Act (DSA) durch Betreiber. Die Verbraucherschützer haben mehrere Online-Plattformen und Suchmaschinen nach dem Zufallsprinzip unter die Lupe genommen und dabei geprüft, ob diese den Vorschriften aus dem DSA nachkommen. Doch das ist aus Sicht des Verbandes nach einer stichprobenhaften Prüfung bei jeweils unterschiedlichen Anbietern bislang nur unzureichend geschehen.
So heißt es in dem Vzbv-Bericht zur Untersuchung, die von Mitte Oktober bis Mitte November stattfand: “Alle vier untersuchten Anbieter (Amazon, Booking, Google Shopping, Youtube) kommen dem Dark-Patterns-Verbot im DSA nicht oder nicht ausreichend nach.” Außerdem: “Drei der vier geprüften Anbieter gestalten die Beendigung eines Service bzw. die Löschung eines Kontos schwieriger als die Anmeldung bzw. Erstellung.” Die Verbraucherschützer fordern Nachbesserungen von den Anbietern.
Doch es gab auch Lob: Die Plattformen bemühten sich, ihre komplizierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – so wie vom DSA vorgeschrieben – nicht nur juristen-, sondern auch menschenverständlich zu formulieren. Insbesondere Booking und Google Search würden das hinbekommen. Bei anderen Anbietern sei hier noch Luft nach oben.
Als noch zu kompliziert oder unzureichend umgesetzt betrachten die Verbraucherschützer auch die Vorschriften zur Transparenz bei Werbung. Und auch beim Profiling würden die Regeln nicht eingehalten: Es sei auffällig, “dass bei drei der vier untersuchten Anbieter (Amazon, Booking.com, Zalando) das Profiling standardmäßig aktiviert ist und von den Verbraucher:innen aktiv abgewählt werden muss. Lediglich bei Google Suche findet keine anbieterseitige Vorauswahl statt”.
Die Vzbv-Vorständin Ramona Pop zeigt sich entsprechend entsetzt: “Es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit Unternehmen die geltenden Gesetze missachten oder nur halbherzig umsetzen.” Die Verbraucherschützer rufen Betroffene auf, sich aktiv bei ihnen zu melden, um Missstände zu berichten.
Wichtig sei es nun, dass “die Bundesregierung auch national eine möglichst zentrale und schlagkräftige Aufsicht aller Online-Plattform einrichte”. Dass das dafür nötige Digitale-Dienste-Gesetz wie vorgesehen bis zum 17.02.2024 den Weg durch Kabinett, Bundestag und Bundesrat schafft, ist inzwischen jedoch zeitlich nahezu unmöglich, auch wenn eine Kabinettsbefassung noch im Dezember stattfinden soll. fst
Der Europäische Rechnungshof bemängelt fehlenden Wettbewerb im öffentlichen Beschaffungswesen. In einem Sonderbericht des Hofs heißt es, in den vergangenen zehn Jahren sei der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch nationale, regionale und lokale Behörden in der gesamten EU deutlich zurückgegangen. Immer weniger Unternehmen hätten in der Zeit zwischen 2011 und 2021 an Vergabeverfahren teilgenommen, um öffentlichen Stellen ihre Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen anzubieten. Stattdessen hätten sich die Behörden häufig direkt an bestimmte Unternehmen gewandt.
Helga Berger, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs, forderte die Europäische Kommission auf, “einen Aktionsplan vorzulegen, um die wichtigsten Wettbewerbshindernisse auszuräumen und öffentliche Aufträge für Unternehmen attraktiver zu machen”. Berger verwies in diesem Zusammenhang auf eine Reform des EU-Regelwerks für öffentliche Aufträge in 2014. Mit den neuen Vorschriften sollten die öffentlichen Vergabeverfahren attraktiver werden, um den Wettbewerb zu stärken und für den Einsatz der Steuergelder das bestmögliche Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen.
Tatsächlich aber habe sich die Dauer der Verfahren sogar verlängert, und es gebe weiterhin Probleme mit mangelnder Transparenz. Dies gelte insbesondere für den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu den Aufträgen. Laut Sonderbericht hat 2021 der Anteil der Verfahren mit nur einem Bieter einen Höchststand erreicht. Danach seien 42 Prozent aller Aufträge in Ausschreibungen vergeben worden, an denen nur ein Unternehmen teilgenommen hat. Damit habe sich der Anteil solcher Vergabeverfahren in der gesamten EU im Prüfzeitraum nahezu verdoppelt.
Gleichzeitig sei die Zahl der Unternehmen, die Angebote eingereicht hätten, von durchschnittlich knapp sechs auf drei pro Verfahren und damit um fast die Hälfte zurückgegangen. Für die Vergabe öffentlicher Aufträge hätten sich die Behörden zudem häufig direkt an ein oder mehrere Unternehmen gewandt, um sie zur Einreichung eines Angebots aufzufordern, ohne eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen.
Solche Direktvergaben seien zwar unter bestimmten Umständen zulässig, schränkten jedoch den Wettbewerb ein und sollten die Ausnahme bleiben. Direktvergaben hätten jedoch in fast allen Mitgliedstaaten zugenommen und machten rund 16 Prozent aller im Jahr 2021 gemeldeten Vergabeverfahren aus. Berger unterstrich, der jetzt vom Hof vorgelegte Bericht sei “ein Weckruf an die EU-Kommission, aber auch an die Mitgliedstaaten, hier dringend Abhilfe zu schaffen”. cr
Wie viel Krise geht noch? Diese Frage möchten wir mit Ihnen und einem der wichtigsten Steuerleute der deutschen Außenpolitik, dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Thomas Bagger, diskutieren. Und zwar am Dienstag, dem 5. Dezember, von 10.30 Uhr bis 11.30 Uhr. An dem digitalen Gespräch nehmen auch die Table.Media-Redaktionsleiter für Afrika, Agrifood, Berlin, China, Europa, Forschung, Klima, Research und Sicherheit teil. Hier können Sie sich kostenlos anmelden. sb
Es sind zwei Ereignisse der vergangenen Wochen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Der rechtsextreme Geert Wilders gewinnt mit einem Rekordergebnis die niederländischen Parlamentswahlen – auch weil die Konservativen erstmals nicht mehr ausschlossen, mit ihm eine Koalition zu schmieden. Parallel dazu scheiterte die EU-Pflanzenschutzverordnung für weniger Pestizide im Europaparlament, weil die Konservativen mit den Rechtsextremen kooperierten.
Was beide Ereignisse verbindet? Sie werfen ein Schlaglicht darauf, was nach der Europawahl am 9. Juni droht: Dass die Brandmauer nach Rechtsaußen im Europaparlament fällt. Und eine Kooperation von Konservativen und Rechtsextremen sich normalisiert. Die Folgen für das europäische Einigungsprojekt der EU wären verheerend – besonders aber für ihre ambitionierte Umwelt- und Klimagesetzgebung, den Green Deal. Diese droht völlig ins Stocken zu geraten oder gar rückabgewickelt zu werden.
Als “Europe’s man on the moon moment” bezeichnete die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, den Green Deal. In nicht weniger als 30 Jahren soll unser fossiles Wirtschaftssystem europaweit umgebaut werden. Das Besondere: Mit von der Leyen nahm eine Konservative den Impuls auf, den viele Wähler*innen mit starken grünen Wahlergebnissen gesetzt hatten. Fridays For Future hatte besonders in Deutschland die Europawahl zu einer Klimawahl gemacht – und den Grünen ein Rekordergebnis von 20,5 Prozent beschert.
Von der Leyens Green Deal war im Rat der Mitgliedstaaten immer umstritten. Was aber entscheidend war: Im Parlament trugen die Konservativen am Ende stets die Gesetzesvorhaben mit. Doch seit einigen Monaten weht bei diesen der Wind aus einer anderen Richtung. Europaweit dreht sich in Zeiten von hohen Energiepreisen die Stimmung gegen Klimaschutz. Die Klimapolitik ist ins Fahrwasser eines Kulturkampfes geraten. Sie wird von breiten Bevölkerungskreisen als sozial ungerechtes Elitenprojekt wahrgenommen, das ihnen mit Verboten aufgezwungen wird.
Für den zunehmenden Widerstand gegen den Green Deal steht vor allem Manfred Weber, Chef der konservativen EVP-Fraktion. Er liebäugelt offen mit der rechtskonservativen EKR-Fraktion. Jener Fraktion, der die faschistische Partei Fratelli d’Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angehört. Der informelle Weber-Meloni-Pakt wirkt sich bereits negativ aus: Das Renaturierungsgesetz (NRL) als eine der Säulen des Green Deal konnte nur mit einschneidenden Verwässerungen im letzten Moment gerettet werden. Beim Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 konnte ein vollständiges Absägen gerade so verhindert werden, während die EU-Pflanzenschutzverordnung (SUR) jetzt komplett scheiterte.
Mit den Wahlen droht eine Zäsur: Europäische Umfragen prognostizieren, dass am 9. Juni die Grünen die Hälfte ihrer Sitze verlieren und die EKR-Fraktion beziehungsweise die rechtsextreme ID, der auch die AfD angehört, ein Viertel hinzugewinnen. Das reicht nicht für eine absolute Mehrheit. Aber mithilfe von Abweichler*innen aus anderen Fraktionen droht allen weiteren Gesetzesvorhaben des Green Deal das Aus. Oder gar seine Rückabwicklung.
So soll 2027 der zweite Emissionshandel – für Gebäude und Verkehr – europaweit in Kraft treten. Ein zentraler Hebel, um Verbrenner-Autos sowie Öl- und Gasheizungen über marktwirtschaftliche Preisanreize schrittweise durch klimafreundliche Alternativen zu ersetzen. Der Preissprung wird an den Zapfsäulen und auf den Gasrechnungen spürbar sein. Schon heute ist absehbar, wie der Weber-Meloni-Pakt reagieren wird: Per Parlamentsmehrheit die EU-Kommission dazu drängen, durch eine Notfallverordnung den Marktlenkungsmechanismus auszusetzen.
Europas Zivilgesellschaft scheint noch nicht die Brisanz der Lage erkannt zu haben. Und erst recht nicht viele Bürger*innen. Das müssen wir dringend ändern. Indem wir ihnen die Relevanz ihres Urnengangs aufzeigen und das proeuropäische Lager der Wähler*innen gegen den drohenden Rechtsruck mobilisieren. Im Fokus stehen zum einen Erstwähler*innen. Da das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt wurde, umfasst jene Kohorte gleich sieben Jahrgänge. Den Rechtsaußen-Parteien dürfen wir nicht länger Tiktok, Instagram und Youtube überlassen. Diese fluteten dort bei den vergangenen Landtagswahlen junge Menschen mit Desinformation und rechten Narrativen.
Gleichzeitig muss es uns gelingen, “stay at home Europeans” zu adressieren. Menschen, die von ihrer Grundeinstellung proeuropäisch sind, aber der Wahl so wenig Relevanz beimessen, dass sie der Wahl fernbleiben. Drei Botschaften sind für sie wichtig.
Denn neben allen Warnungen müssen wir die Wähler*innen mit einer Vision für Europa begeistern. Einem Europa, das sich traut, ein Klimageld für die Europäer*innen einzuführen, damit Ökologie und Soziales zusammen gehen. Das sich traut, einen Europäischen Inflation Reduction Act aufzulegen, damit der Wirtschaftsumbau wie in den USA finanziert werden kann. Das sich traut, die Energieversorgung so schnell wie möglich auf 100 Prozent Erneuerbare umzubauen.
Wir müssen jetzt anfangen, breite zivilgesellschaftliche Bündnisse zu bauen, die alle Europäer*innen dazu bringen, ihr Kreuz am 9. Juni zu setzen. Denn es geht um viel.