bis zur Europawahl sind es noch genau sechs Monate, aber die Liberalen beginnen bereits am heutigen Dienstag mit dem Schaulaufen: Beim Global Europe Forum im Brüsseler Europaparlament werden sich etliche der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aus den Mitgliedstaaten präsentieren, darunter die FDP-Spitzenfrau Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Die geplante Präsenz liberaler Staats- und Regierungschefs bröckelte zuletzt hingegen, nachdem Emmanuel Macron angesichts der Regierungskrise zu Hause seine Teilnahme absagen musste. Gestern ist die französische Premierministerin Élisabeth Borne nach 20 Monaten als Regierungschefin zurückgetreten. Mit Blick auf die Europawahlen will Macron nun die Regierung umbauen, wie meine Kollegin Claire Stam berichtet.
In vielen Mitgliedstaaten haben sich die meisten Parteien der liberalen Familie personell weitgehend sortiert, nicht so auf EU-Ebene: Noch ist unklar, mit welcher Aufstellung sie in den Wahlkampf zieht. Renew-Fraktionschef Stéphane Séjourné sympathisiert mit der Idee, einzelne Kandidaten aufs Schild zu heben, für die Kommissionsspitze ebenso wie für den Europäischen Rat und das Europaparlament. Aber es gibt weiter Widerstand in der reichlich heterogenen Parteienfamilie. 2019 waren die Liberalen mit einem Spitzenteam angetreten. Erst bei einem ALDE-Kongress im März wollen sich die liberalen Wortführer um Macron zusammenraufen.
Entsprechend offen ist auch, welche Rolle Charles Michel dabei zugewiesen wird. Der amtierende Präsident des Europäischen Rates hatte am Wochenende erklärt, für seine Partei Mouvement Réformateur (MR) bei der Wahl antreten zu wollen. Man habe die Ambitionen Michels zur Kenntnis genommen, heißt es nüchtern bei den Liberalen in Brüssel, aber niemand könne sich einfach per Interview zum Spitzenkandidaten erklären. Es gibt also noch einiges zu diskutieren bei den Liberalen.
Es ist das Ende einer langen Hängepartie in Paris: Premierministerin Élisabeth Borne hat ihren Rücktritt eingereicht. Präsident Emmanuel Macron akzeptierte dies und dankte Borne bei X (ehemals Twitter) “von ganzem Herzen” für ihr Engagement. Wann eine neue Regierung steht und wer sie anführen wird, ist noch unklar. Borne hatte das Amt der Premierministerin seit dem 16. Mai 2022 inne.
Mit einer neuen Regierung will Macron sechs Monate vor den Europawahlen ein Signal des Wandels und der Erneuerung senden, wie ein Insider aus Paris Table.Media sagte. Dieses Signal ist nach zwei Reformen, die für das Präsidentenlager schlecht gelaufen sind, mehr als notwendig: die Rentenreform, die zu wochenlangen, teils gewalttätigen Protesten im ganzen Land geführt hat.
Heftige Kritik gab es auch an dem neuen Einwanderungsgesetz, das unter starkem Druck der extremen Rechten kurz vor Weihnachten verabschiedet wurde, woraufhin ein politischer Aufschrei in Frankreich folgte. Es war erwartet worden, dass Macron nach den Schwierigkeiten mit dem Immigrationsgesetz die Regierung neu aufstellt.
Der französische Staatschef hatte sich in den vergangenen Tagen ausführlich beraten lassen vom Wirtschaftsminister, dem germanophilen Bruno Le Maire, vom ehemaligen Premierminister Édouard Philippe sowie von François Bayrou, dem Chef der Modem, der Partei der französischen Liberalen. Bayrou hat maßgeblich zum Sieg Emmanuel Macrons bei den Präsidentschaftswahlen beigetragen.
Am Sonntag sprach er sich für einen “politischen Wechsel” aus, er sei “notwendig”. “Wir haben das Ende einer Sequenz mit schwierigen Gesetzestexten erreicht: Es gibt zwangsläufig eine neue Periode, die sich öffnet”, sagte Bayrou dem französischen Nachrichtensender BFM-TV. “Die Herausforderung besteht heute darin, das Vertrauen wieder aufzubauen.”
Die Regierung unter Macron steckt bereits seit anderthalb Jahren in der schwierigen Situation, keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu haben. Sie ist für ihre Vorhaben daher auf Stimmen der Opposition angewiesen. Premierministerin Borne versuchte unermüdlich, Kompromisse zu finden. Einen verlässlichen Partner im Parlament fand die Regierung aber nicht. Macrons Kernprojekt der Rentenreform drückte die Regierung letztlich ohne Endabstimmung in der Nationalversammlung durch.
Für das Präsidentenlager besteht dringender Handlungsbedarf, da die extreme Rechte in den Umfragen an der Spitze steht. 37 Prozent der Franzosen halten die Chefin des Rassemblement National, Marine Le Pen, für die politische Persönlichkeit, die am ehesten in der Lage ist, “sich um das Leben von Menschen wie ihnen zu kümmern”. Dies geht aus einer Umfrage für BFM-TV hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Der Präsident der Republik verliert seinerseits an Boden. Im Januar 2024 vertrauten ihm nur 28 Prozent der französischen Wähler, während es im April 2022 noch 40 Prozent waren, wie eine Befragung für die Wirtschaftszeitung “Les Échos“ ergab. Emmanuel Macron profitiert von “keiner Dynamik”, “er ist festgefahren, ohne Wind in den Segeln, er kommt nicht mehr voran”, stellt Bernard Sananès fest, Präsident des zuständigen Meinungsforschungsinstituts Elabe.
Eine weitere politische Persönlichkeit macht wenige Monate vor den Europawahlen von sich reden: der Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann (S&D). “Wir müssen ihn ernst nehmen”, sagte ein Pariser Berater von der Regierungspartei Renaissance, die der Renew-Fraktion im Europaparlament angehört.
Und das aus gutem Grund: Der Europaabgeordnete scheint der Kandidat zu sein, der dem Präsidentenlager in seiner pro-europäischen Haltung am ehesten Konkurrenz machen kann. Wenn es keine Überraschungen gibt, wird der Publizist Glucksmann diesen Monat von der Parti socialiste nominiert werden, um erneut die Liste für die Europawahl im Juni anzuführen.
Seit mehreren Monaten liegt der Europaabgeordnete in den Umfragen mit zehn Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz, vor allen anderen linken Listen. Für die Wochenzeitung “Le Point”, wäre Glucksmann die “neue Hoffnung für die Linke”. Der Berater aus Paris erinnert aber auch daran, dass der Europaabgeordnete 2019 bereits “auf den Titelseiten vieler Zeitschriften” zu sehen gewesen sei und am Ende nur 6,2 Prozent der Stimmen erhalten habe. Mit dpa
Wer hat den längeren Atem im Konflikt um die Ukraine: die westlichen Helfer oder Moskau? Eigentlich müsste der Fall klar sein im Verhältnis zwischen den mächtigsten Volkswirtschaften der Welt und Russland. Doch während der russische Präsident Wladimir Putin sein Land im Alleingang auf Kriegswirtschaft gebracht hat, tun sich die westlichen Verbündeten Kiews schwer, die Widerstandskraft der Ukraine nachhaltig zu stärken.
Russland soll bereits nordkoreanische Raketen in der Ukraine eingesetzt haben und wird demnächst auch aus dem Iran Kurzstreckenraketen erhalten. Trotz eigener Produktionsprobleme eröffnet Moskau für sich also weitere Bezugsquellen für Munition und Waffen. Auf der anderen Seite steht die Ukraine, die auf den Westen angewiesen ist und bei der Munition sparsamer als Russland vorgehen muss. Denn die EU hängt mit der versprochenen Lieferung von einer Million Schuss Artilleriemunition bis März 2024 hinterher. Laut Wall Street Journal verbraucht die russische Armee aktuell 10.000 Schuss Artilleriemunition pro Tag, während die Ukraine 2.000 Schuss abfeuern kann.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton stieß im Frühsommer 2023 mit seiner Forderung auf Kritik, die Europäer müssten es Russland gleichtun und die Verteidigungsindustrie ebenfalls auf Kriegswirtschaft trimmen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius wies damals nicht nur den Begriff zurück, sondern auch die Vorstellung, dass Europas Wirtschaft den Bedürfnissen der Rüstungsindustrie untergeordnet werden müsste. Doch der Ton ändert sich.
Putin steigere Russlands Rüstungsproduktion erheblich, nach offiziellen Angaben um mehr als 60 Prozent, sagte Pistorius kürzlich in einem Interview mit der “Welt am Sonntag”. Die Nato und Deutschland hätten Nachholbedarf, müssten in “fünf bis acht Jahren” bereit sein. Gemeint war eine mögliche Konfrontation mit Russland.
Moskau hat jedenfalls eine Budgetplanung für die kommenden drei Jahre vorgenommen, die dem Militär große Anteile sichert. Allein in diesem Jahr sind mehr als sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Kriegsmaschinerie vorgesehen. 2025 und 2026 soll der Anteil ebenfalls hoch bleiben. Auch wenn die Planung von zu hohen Einnahmen aus dem Exporthandel mit Öl ausgeht, so dürfte die Prämisse Putins – die Ukraine niederzuringen – erhalten bleiben.
Langfristig sei das keine gute Entwicklung für Russland, sagt die Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Alexandra Prokopenko im Gespräch mit Table.Media. Die ehemalige Mitarbeiterin der russischen Zentralbank hatte Russland nach Kriegsbeginn im Februar 2022 verlassen und arbeitet heute als Analystin für das Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin. “Wenn sogenannte nichtproduktive Sektoren, zu denen auch die Verteidigungsindustrie gehört, zu stark finanziert werden, bremst das die Entwicklung in anderen Bereichen“, erläutert Prokopenko.
Der Arbeitskräftemangel in Russland, der mit der Einberufung für den Krieg, der kriegsbedingten Auswanderung hunderttausender gut qualifizierter Menschen und der Abwerbung der Arbeitskräfte in die Rüstungsbranche zusammenhängt, zeigt bereits die ersten Probleme. Kurzfristig werden sie sich aber nicht spürbar auf die russische Volkswirtschaft auswirken. Kurzfristig sieht es eher für die Ukraine düster aus.
Die jüngsten Raketen- und Drohnenangriffe zielen, wie befürchtet, auf die zivile Kritische Infrastruktur. Russland versucht mit Masse die verbesserte ukrainische Luftverteidigung zu umgehen. Im Gegenzug bekommt die Ukraine von Deutschland und anderen Nato-Staaten weitere Luftverteidigungssysteme. Bei dem eilig von Kiew ersuchten Nato-Ukraine-Treffen am Mittwoch, 10. Januar, soll es noch einmal explizit um dieses Thema gehen.
Die zwei Jahre Krieg haben sowohl die Ukraine als auch Russland dazu genutzt, ihre Drohnen-Flotten zu erweitern und zu entwickeln. Verteidigung in und aus der Luft wird entsprechend die nächste Phase des Krieges stark prägen. Dass Europa die Ukraine für und vor der Frühjahrsoffensive 2023 nicht so gut gestärkt hat, wie es das hätte tun können, hängt nicht nur mit fehlenden eigenen Fertigungskapazitäten für Munition zusammen. Laut EU-Kommissar Thierry Breton exportiert Europas Rüstungsindustrie nach wie vor einen guten Teil der Produktion in Drittstaaten. Der Franzose wollte die Möglichkeit haben, die Firmen zu verpflichten, ihre Exporte zugunsten der Ukraine zu priorisieren. Doch die Mitgliedstaaten lehnten dies ab.
Frankreich und andere wiederum verhinderten, dass mit EU-Mitteln Geschosse von Herstellern außerhalb der EU eingekauft wurden. Infrage gekommen wären etwa südkoreanische Hersteller. Zudem hätten die EU-Mitglieder nur zögerlich auf die Rahmenverträge mit Rheinmetall und Co. reagiert und bisher erst wenige Bestellungen platziert, heißt es zudem in Brüssel.
Das Beispiel Munition zeigt gut, dass die Solidarität für die Ukraine zuweilen an den wirtschaftlichen Interessen der EU-Staaten endet. Thierry Breton bleibt aber zuversichtlich, dass bis zum Frühling die Produktionskapazität für Artilleriegeschosse auf eine Million pro Jahr ausgebaut werden kann. Auch das Ziel von einer Million Geschosse für die Ukraine könnte mit Verspätung erreicht werden.
Mittelfristig sieht die Perspektive für die Ukraine besser aus. EU-Ratspräsident Charles Michel hat für den 1. Februar einen Sondergipfel einberufen. Dort dürften die 50 Milliarden Euro Finanz- und Wirtschaftshilfen für die Ukraine im zweiten Anlauf beschlossen werden. 26 Mitgliedstaaten wollen dies notfalls außerhalb des EU-Haushalts tun, wenn Viktor Orbán weiterhin blockiert.
Grundsätzlich zeigt zwar auch die Nato keine Ermüdungserscheinungen: “Wir stehen an der Seite der Ukraine so lange wie nötig”, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem letzten Nato-Ukraine-Rat. Die Nato-Staaten haben bilateral der Ukraine Militärhilfe in Höhe von 100 Milliarden Euro zugesagt, wobei die Hälfte inzwischen von den europäischen Verbündeten kommt.
Im April feiert das Bündnis sein 75-Jähriges Jubiläum und für Juli ist in Washington der nächste Gipfel geplant. Den will Joe Biden auch für seinen Wahlkampf nutzen. Die Nato-Staaten werden es sich vor diesem Hintergrund kaum leisten können, in ihrer Unterstützung nachzulassen. In Washington könnte auch Mark Rutte als derzeitiger Favorit im Rennen um die Nachfolge von Stoltenberg den Posten des Nato-Generalsekretärs formell übernehmen. Der bisherige niederländische Regierungschef steht fest an der Seite der Ukraine.
Die USA allein werden jedoch wahrscheinlich nicht so schnell weitere große Hilfspakete der Ukraine liefern. Zumindest würden sie nicht so hoch wie 2022 und 2023 ausfallen, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses vergangene Woche. Eine wachsende Rolle kommt also der EU zu. Zwar ist der Plan des EU-Außenbeauftragten, Josep Borrell, die Finanzierung der Militärhilfe mit 20 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre abzusichern, gescheitert. Die EU dürfte aber bald eine erste jährliche Tranche von fünf Milliarden Euro beschließen. Zudem hat Berlin allein acht Milliarden Euro an Hilfe zugesagt. Dieses Jahr dürfte die Ukraine also weitere Leopard-Kampfpanzer, Luftverteidigungssysteme und die ersten F-16 Kampfflugzeuge bekommen. Eine Koalition mit den USA, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Großbritannien bildet derzeit ukrainische Piloten für die Maschine aus.
Für die EU und andere Staaten stellt sich die Frage, wie Russland weiter ökonomisch unter Druck gesetzt werden kann. Nach zwölf Sanktionspaketen gelingt es Moskau noch immer, Schlupflöcher zu finden. Wirtschaftsexpertin Alexandra Prokopenko sagt deshalb: “In diesem Jahr wird es nicht nur um neue Sanktionen, sondern um deren Durchsetzung gehen.” Russische Unternehmen und die Regierung würden erhebliche Kräfte darauf aufwenden, die Sanktionen zu umgehen. “Ich denke, der Westen müsste aktiver an die Staaten herantreten, die Russland dabei helfen, also Kasachstan, Kirgistan, Vereinigte Arabische Emirate und die Türkei.”
Die Forschungszusammenarbeit zwischen der EU und China hat in den vergangenen Jahren weiter zugenommen. Das ergab eine aktuelle Studie zu gemeinsamen Publikationen europäischer und chinesischer Forschender zu Digitalthemen und Künstlicher Intelligenz in verschiedenen Fachdisziplinen. Seit 2011 ist der Output an Ko-Publikationen demnach konstant gestiegen. Mit 65 Prozent entfiel der mit Abstand größte Teil der Tech-Themenkooperation auf die Angewandten Wissenschaften – also Forschung, die auf praxisrelevante Lösungen ausgerichtet ist – gefolgt von den Naturwissenschaften (18 Prozent).
Die Studie ist Teil des EU-Projektes Reconnect China, das ermitteln soll, auf welchen Feldern eine Zusammenarbeit der EU mit China “wünschenswert, möglich oder unmöglich ist”. Dazu untersuchen die Forschenden Kooperationen in Wissenschaft und Technologie, Wirtschaft und Handel sowie Governance und Außenpolitik, mit einem Fokus auf die wichtigsten Disziplinen und Institutionen in China und der EU sowie Großbritannien, Norwegen und der Schweiz (EU-27/AC). Oberziel ist es, unabhängiges Wissen für einen resilienten Umgang mit der Volksrepublik zu schaffen – also eine höhere China-Kompetenz, auch in Spezialgebieten.
Die Autoren durchkämmten dazu die wissenschaftliche Zitationsdatenbank “Web of Science” des Datenkonzerns Clarivate – und zwar mit Keywords, die auf digitale Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen und Big Data abzielten. Die gesamte Studie dreht sich daher ausschließlich um diese Tech-Aspekte, zu denen es Kooperationen in verschiedensten Fachbereichen gab: Die Forschenden stießen für den untersuchten Zeitraum 2011 bis 2022 auf Zigtausende Ko-Publikationen, die in irgendeiner Form mit ihrem Schwerpunkt zu tun hatten.
Zwar liegen die US-Amerikaner noch immer vorn – doch publizieren die USA seit 2021 immer weniger mit China. Im Jahr 2022 übertrafen die Ko-Publikationen zwischen Europa und China laut der Studie bereits jene der USA und Chinas. “Wir glauben, dass dieser Abwärtstrend unter anderem auch mit der größeren geopolitischen Lage und der angespannten Situation zwischen China und den USA zu tun hat”, sagt Philipp Brugner, einer der Autoren der Studie, im Gespräch mit Table.Media.
“Das Interesse Chinas ist daher, verstärkt nach Europa zu schauen, weil wir in der Forschungskooperation noch zugänglicher sind und die Rhetorik gegenüber China noch nicht so harsch ist”, sagt Brugner. “Wir müssen uns dieses Interesses sehr bewusst sein – und wenn es Anfragen gibt, sehr viel bewusster hinschauen, als wir das in den letzten Jahren getan haben.”
Es geht darum, Missbrauch auszuschließen: Gerade die digitalen Anwendungen, um die es in der Studie geht, könnten leicht für Überwachung oder militärische Zwecke außerhalb des vereinbarten Forschungszwecks genutzt werden. Das Thema hat auch in Europa die politische Ebene erreicht: Voraussichtlich am 24. Januar wird die EU-Kommission ein Paket zur wirtschaftlichen Sicherheit vorlegen, das auch Empfehlungen zur Forschung und ein Weißbuch zur zivil-militärischen Forschung enthalten soll.
Brugner glaubt aber nicht, dass Europa sich bei der Forschungskooperation so deutlich von China abwenden wird, wie die USA es derzeit tun, sondern eher eine Balance wahren wird. “Wir werden künftig sehr selektiv vorgehen, glaube ich.” Die Autoren empfehlen ein größeres Bewusstsein für Risiken, mit dem Ziel informierte Entscheidungen zu treffen. Sie sprechen sich aber ausdrücklich nicht für einen Stopp der Zusammenarbeit aus.
Die Ko-Publikationen in den Angewandten Wissenschaften konzentrierten sich laut der Studie vor allem auf folgende Sub-Fachgebiete:
In den Naturwissenschaften dominierten Physik und Astronomie die Zusammenarbeit (sieben Prozent). Ein weiteres bedeutsames Feld war die Klinische Medizin (ebenfalls sieben Prozent).
Die Forschenden gingen aber auch noch der Frage nach, wer mit wem kooperiert. Sie fanden 17.000 Einrichtungen in der EU-27/AC sowie in China, die an gemeinsamen Publikationen beteiligt sind. In Europa gehören dazu vor allem Universitäten und Institute aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Die Autoren konzentrierten sich dann auf die aktivsten Institutionen.
Dabei fiel ihnen auf, dass auf chinesischer Seite die staatliche Akademie der Wissenschaften dominiert (mit über 4.600 Ko-Publikationen zwischen 2011 und 2022), gefolgt von der Pekinger Tsinghua-Universität (gut 1.900) und der Shanghaier Jiaotong-Universität (knapp 1.600).
In Europa kooperieren derweil vor allem Universitäten aus Großbritannien. 44 Prozent der Ko-Publikationen zwischen der EU-27/AC und China hatten mindestens einen Autor oder eine Autorin aus dem Vereinigten Königreich – mehr als Deutschland (15 Prozent) und Frankreich (11 Prozent) zusammen. Und unter den Top 25 an den Ko-Publikationen mit China beteiligten Universitäten finden sich in der Studie ganze sechs außerhalb Großbritanniens, darunter die Technische Universität München, die Schweizer ETH Zürich, die Delft University of Technology aus den Niederlanden sowie drei skandinavische Unis.
“Die hohe Beteiligung Großbritanniens hat uns überrascht”, sagt Mitautor Gábor Szüdi. Das liegt seiner Ansicht nach am hohen Niveau und guten Ruf der dortigen Hochschulen und an der englischen Sprache, nicht so sehr an politischen Präferenzen. Die intensivste bilaterale Zusammenarbeit stellten die Forschenden zwischen der Universität Oxford und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften fest, mit 189 Ko-Publikationen. Eine dynamische Beziehung stellten die Forscher auch zwischen der TU München und der Shanghaier Tongji-Universität fest, mit 61 gemeinsamen Veröffentlichungen.
Die chinesischen Forschenden suchten ihre Kooperationspartner nicht speziell in politisch geneigten Staaten wie etwa Ungarn, sagt Szüdi. “Sie wollen mit den Allerbesten kooperieren, auch in Deutschland oder den Niederlanden.” Generell ist die Kooperation auf einige wenige Länder und Institute konzentriert. In Osteuropa kooperieren etwa nur wenige Institute mit China; eine große Ausnahme ist die sehr aktive Polnische Akademie der Wissenschaften.
Letzteres entspricht einer Beobachtung, die die Autoren in den Daten gemacht haben. “Wir vermuten, dass gezielt Partnerschaften mit Universitäten eingegangen werden, deren Name vielleicht nicht insgesamt der größte ist, die aber in einer Nischendisziplin- oder Technologie führend sind”, sagt Brugner. Das könne für beide Seiten lohnend sein.
Doch er warnt auch: Generell müsse man “mit dieser Art von Intelligence besser umgehen lernen, das heißt verstehen, dass manche Anfragen nicht zufällig passieren”. China beobachte den Forschungs- und Technologiesektor Europas, und klopfe dann sehr gezielt dort an, “wo eventuell noch ein fehlendes Puzzleteil für Forschung und Entwicklung zum Durchbruch eigener technologischer Reife zu holen ist”.
10.01.2024 – 08:45-16:00 Uhr, Berlin
VDE, Seminar Künstliche Intelligenz in Medizinprodukten
Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) stellt mit Blick auf den kommenden EU Artificial Intelligence Act den Umgang mit Software für Medizinprodukte vor, die auf künstlicher Intelligenz basiert. INFOS
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Bei der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutieren Migrationsforscher Ruud Koopmans und die Landesvorsitzende der FDP Hamburg, Sonja Jacobsen, über Herausforderungen, Chancen und Lösungen im Kontext von Zuwanderung, Integration und Abschiebungen. INFOS & ANMELDUNG
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The German Council on Foreign Relation (DGAP) brings together experts to assess some of the geopolitical challenges facing Germany in the new year, including the upcoming elections in the United States and the European Parliament, Russia’s war of aggression and the climate crisis. INFO & REGISTRATION
Der Ex-Linken-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Europaabgeordnete Fabio de Masi sowie der frühere SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, werden Spitzenkandidaten der neu gegründeten Partei. Das gab die nun offiziell “Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – für Vernunft und Gerechtigkeit” getaufte Vereinigung am Montag bekannt. Zuvor war bereits angenommen worden, dass die beiden Politiker bei der Europawahl antreten.
Vorsitzende sind Wagenknecht selbst und die frühere Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. Als Generalsekretär fungiert Christian Leye; Schatzmeister wird der Unternehmer Ralph Suikat, Geschäftsführer der ehemalige Geschäftsführer der NRW-Linken Lukas Schön. Als stellvertretenden Vorsitzenden stellte die Partei den Unternehmer und Politik-Neuling Shervin Haghsheno vor.
De Masi war durch seine Recherchen im Cum-Ex-Skandal erstmals einem größeren Publikum bekannt geworden. Er gilt als ausgewiesener Finanzexperte. Im vergangenen Jahr war er aus der Linken ausgetreten. Als Motivation, nun wieder parteipolitisch aktiv zu werden, nannte er seine “politische Verantwortung”, der Ampelkoalition, “die mit ihrer desaströsen Politik die Erntehelfer der AfD in diesem Land sind”, etwas entgegensetzen zu wollen, sowie “die Beharrlichkeit von Sahra Wagenknecht”. De Masi war früher wissenschaftlicher Mitarbeiter von Wagenknecht und hatte 2018 gemeinsam mit ihr die Plattform “Aufstehen” gegründet. Über BSW sagte er: “Wir streben an, Volkspartei zu sein.”
Geisel saß von 2014 bis 2020 für die Sozialdemokraten als Oberbürgermeister im Rathaus von Düsseldorf. Nach 40 Jahren SPD-Mitgliedschaft hatte er sich vergangene Woche mit den Worten verabschiedet, dass seine “sozialdemokratischen Grundsätze” im BSW eher vertreten seien als in der SPD. Als weitere Gründe für seinen Wechsel nannte er: den schlechten Zustand des “Modell Deutschlands”; der schwindende soziale Zusammenhalt; und die Abkehr von der Friedenspolitik eines Willy Brandts. Der ehemalige Ruhrgas-Manager kritisierte die Wirtschaftssanktionen gegen Russland und will sich gegen das Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 einsetzen.
Laut de Masi steht noch nicht fest, welcher Fraktion man sich im Europaparlament anschließen will. Als ehemalige Linke vermied Wagenknecht eine Einordnung der Partei als klar links, eine Integration in die Europäische Linke (EL) gilt daher als unwahrscheinlich. Programmatisch orientiert BSW sich in ihrem 4-seitigen Parteiprogramm vorerst am Gründungsmanifest des fast gleichnamigen Vorläufervereins.
Die vollständige Kandidatenliste für das EP will die Partei auf dem Gründungsparteitag am 27. Januar verabschieden. Wagenknecht kündigte dazu personell “weitere Überraschungen” an. Hinsichtlich des Namens solle BSW bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 Bestand haben, erst danach solle eine Bezeichnung gefunden werden, die unabhängig von ihrer Person ist. ds
Das schwedische Unternehmen Northvolt darf in Heide eine Batteriefabrik bauen. Die EU-Kommission genehmigte am Montag in Brüssel Fördermittel und Garantien von Bund und Land in Höhe von 902 Millionen Euro. Es ist das größte Industrieprojekt in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten. “Ich bin sehr, sehr froh, dass dies heute geschieht”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Verkündung der Entscheidung in Brüssel der Nachrichtenagentur dpa.
Northvolt wird in der Fabrik im Kreis Dithmarschen ab 2026 Batteriezellen für E-Autos herstellen. Mit dem Werk will sich die deutsche Autoindustrie unabhängiger von bisher dominanten Zulieferern aus Asien und allen voran China machen. Hohe Marktanteile haben etwa die südkoreanischen Elektronikkonzerne Samsung und LG sowie der chinesische Konzern CATL, der seit rund einem Jahr auch in einem Werk in Thüringen produziert.
Durch die 4,5 Milliarden Euro teure Investition sollen zudem 3.000 Arbeitsplätze entstehen. Bund und Land fördern das Projekt mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen Garantien über weitere 202 Millionen Euro. Von den Fördermitteln entfallen etwa 564 Millionen Euro auf den Bund und bis zu 137 Millionen Euro auf das Land. Northvolt selbst habe in das Bauvorhaben bereits rund 100 Millionen Euro an eigenen Mitteln investiert, heißt es. fpe
Die Böden in der Europäischen Union und weltweit werden zu wenig geschützt. Zu dem Ergebnis kommen die Heinrich-Böll-Stiftung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der TMG Think Tank im sogenannten Bodenatlas. Den haben die drei Akteure an diesem Dienstag veröffentlicht. Zum ersten Mal seit 2015 legen sie damit ein Dokument vor, das unter anderem den Zustand landwirtschaftlicher Böden in den Blick nimmt und den Ruf nach einer EU-weiten Rechtsform für den Bodenschutz lauter werden lässt.
“Nachhaltige Bodennutzung darf kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss konkret durchgesetzt werden, beispielsweise durch verbindliche Definitionen und strengere Kontrollen der ‘guten fachlichen Praxis’ in der Landwirtschaft”, heißt es im Bodenatlas. Die EU brauche ein eigenständiges europäisches Bodenschutzrecht und dürfe sich nicht nur auf ein Gesetz für das Monitoring des Bodens beschränken, fordern die Autoren.
Mit Blick auf den im Sommer 2023 vorgestellten Gesetzentwurf des Soil Monitoring Law der EU-Kommission kritisieren Heinrich-Böll-Stiftung, BUND und TMG Think Tank, dass dieser weder quantitative Ziele noch konkrete Maßnahmen beinhalte. Statt auf Bodenschutz ziele das Gesetz lediglich darauf ab, die europaweite Bestandsaufnahme der Bodengesundheit zu vereinheitlichen.
Kritik üben die Autoren auch am einzigen einheitlichen Rechtsrahmen für Bodenschutz auf EU-Ebene – der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). So seien auch die Bodenschutzmaßnahmen innerhalb der GAP unzureichend und brächten zu wenig Veränderung, monieren die Autoren.
Die anstehende Reformrunde der GAP müsse dem Bodenschutz deshalb mehr Gewicht verleihen, heißt es im Bodenatlas. “Landwirtschaftliche Praktiken, um Böden zu schützen und nachhaltiger zu nutzen, müssen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und des deutschen Bodenschutzrechts stärker gefördert werden”, fordern die Autoren. Für die neue Förderperiode der GAP, die 2028 beginnt, sollten deshalb verpflichtende Mindeststandards zum Schutz der Böden beitragen und Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen eingeschränkt werden.
Neben der Forderung nach mehr Bodenschutz auf EU-Ebene blicken die Organisationen im Bodenatlas auch auf Themen wie Desertifikation oder Stickstoffdünger, die die Böden aktuell belasten. Außerdem erörtern sie, was der großflächige Ankauf von Ackerland für kleine und mittlere Betriebe bedeutet. heu
Was es heißt, sich für die EU zu entscheiden, hat Dominik Hierlemann 2004 unmittelbar zu spüren bekommen. Im Jahr, in dem Polen EU-Mitglied wurde, lebte und promovierte der heute 47-Jährige dort. Der Beitritt habe das Land enorm verändert: “Das Leben in Polen war damals völlig anders. Wir im westlichen Europa verstehen oft nicht, wie groß die Transformationsleistung der mittelosteuropäischen Länder ist und was das für die Menschen bedeutet.” Mit großem Interesse habe er deshalb auch Mitte Oktober nach Polen geschaut, als sich die politische Mitte um Donald Tusk bei den Parlamentswahlen durchsetzte.
Nicht nur aus persönlichen Motiven fiel sein Blick auf das Ereignis – auch beruflich war die Wahl für Hierlemann interessant: Er arbeitet als Senior Advisor bei der Bertelsmann Stiftung und ist in Projekten wie dem EU Democracy Reform Observatory aktiv. Das Wahlergebnis in Polen habe ihn nicht überrascht, wie er sagt: “Ich war davon überzeugt, dass die polnische Zivilgesellschaft irgendwann aufstehen und sich das nicht länger gefallen lassen wird.”
In Polen sieht Hierlemann einen Schritt in die richtige Richtung – insgesamt allerdings sei die EU demokratiepolitisch eher auf Abwegen unterwegs. Besonders kritisch sieht Hierlemann die Initiativen, den EU-Bürgerinnen und Bürgern Partizipation zu ermöglichen. Das Angebot, sagt der studierte Politikwissenschaftler, sei dabei nicht das Problem. Mit der europäischen Bürgerinitiative, Konsultationen oder dem Europäischen Bürgerpanel biete die EU mehr Beteiligungsmöglichkeiten als die meisten Mitgliedstaaten. Aber: “Die Verfahren sind weitgehend unbekannt, werden kaum genutzt und sind wenig effektiv.”
Die Institutionen der EU täten sich schon lange schwer, die europäische Öffentlichkeit angemessen zu erreichen. Ansatzpunkte zur Verbesserung bestehen für Hierlemann generell darin, “endlich eine europäische Debatte zu bekommen“. Potenzial sieht er speziell bei Europawahlen: “Das ist das alte Leid, Europawahlen sind nationale Debatten vor dem Hintergrund europäischer Wahlen.” Die Ideen von transnationalen Wahlkreisen und europäischen Spitzenkandidaten sieht er als mögliche Hebel zur Verbesserung der demokratischen Legitimität der EU.
Doch auch über Wahlen hinaus sollte EU-Bürgern mehr und bessere Mitbestimmung gewährt werden, um eine breite europäische Öffentlichkeit zu schaffen. “Die bisherigen Beteiligungsverfahren haben meist nur die Gruppe der ohnehin schon überzeugten Europäer und Europhilen erreicht”, sagt Hierlemann. Für ihn ist klar, was es braucht: mehr direkte Einflussoptionen bei kritischen Themen wie Migration und Integration. “Sie sprechen die Öffentlichkeit nur an, wenn diese das Gefühl hat, dass es die aktuellen und wichtigen Fragen sind, in die sie einbezogen wird.” Orientiert an Beteiligungsmöglichkeiten in Mitgliedstaaten wie Irland solle die EU in der Zukunft eine “Beteiligungsinfrastruktur” entwickeln.
Dominik Hierlemann unterstützt die Politik dabei als Experte der Bertelsmann Stiftung. Wichtig ist ihm aber gleichzeitig, dass die Organisation durch Beteiligungsprojekte in regelmäßigem Austausch mit der Zivilgesellschaft steht. “Das ist besonders für das Thema Bürgerbeteiligung spannend, weil wir – etwas zugespitzt formuliert – nicht nur Schlaumeiern, sondern auch selbst umsetzen.” Jasper Bennink
bis zur Europawahl sind es noch genau sechs Monate, aber die Liberalen beginnen bereits am heutigen Dienstag mit dem Schaulaufen: Beim Global Europe Forum im Brüsseler Europaparlament werden sich etliche der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aus den Mitgliedstaaten präsentieren, darunter die FDP-Spitzenfrau Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Die geplante Präsenz liberaler Staats- und Regierungschefs bröckelte zuletzt hingegen, nachdem Emmanuel Macron angesichts der Regierungskrise zu Hause seine Teilnahme absagen musste. Gestern ist die französische Premierministerin Élisabeth Borne nach 20 Monaten als Regierungschefin zurückgetreten. Mit Blick auf die Europawahlen will Macron nun die Regierung umbauen, wie meine Kollegin Claire Stam berichtet.
In vielen Mitgliedstaaten haben sich die meisten Parteien der liberalen Familie personell weitgehend sortiert, nicht so auf EU-Ebene: Noch ist unklar, mit welcher Aufstellung sie in den Wahlkampf zieht. Renew-Fraktionschef Stéphane Séjourné sympathisiert mit der Idee, einzelne Kandidaten aufs Schild zu heben, für die Kommissionsspitze ebenso wie für den Europäischen Rat und das Europaparlament. Aber es gibt weiter Widerstand in der reichlich heterogenen Parteienfamilie. 2019 waren die Liberalen mit einem Spitzenteam angetreten. Erst bei einem ALDE-Kongress im März wollen sich die liberalen Wortführer um Macron zusammenraufen.
Entsprechend offen ist auch, welche Rolle Charles Michel dabei zugewiesen wird. Der amtierende Präsident des Europäischen Rates hatte am Wochenende erklärt, für seine Partei Mouvement Réformateur (MR) bei der Wahl antreten zu wollen. Man habe die Ambitionen Michels zur Kenntnis genommen, heißt es nüchtern bei den Liberalen in Brüssel, aber niemand könne sich einfach per Interview zum Spitzenkandidaten erklären. Es gibt also noch einiges zu diskutieren bei den Liberalen.
Es ist das Ende einer langen Hängepartie in Paris: Premierministerin Élisabeth Borne hat ihren Rücktritt eingereicht. Präsident Emmanuel Macron akzeptierte dies und dankte Borne bei X (ehemals Twitter) “von ganzem Herzen” für ihr Engagement. Wann eine neue Regierung steht und wer sie anführen wird, ist noch unklar. Borne hatte das Amt der Premierministerin seit dem 16. Mai 2022 inne.
Mit einer neuen Regierung will Macron sechs Monate vor den Europawahlen ein Signal des Wandels und der Erneuerung senden, wie ein Insider aus Paris Table.Media sagte. Dieses Signal ist nach zwei Reformen, die für das Präsidentenlager schlecht gelaufen sind, mehr als notwendig: die Rentenreform, die zu wochenlangen, teils gewalttätigen Protesten im ganzen Land geführt hat.
Heftige Kritik gab es auch an dem neuen Einwanderungsgesetz, das unter starkem Druck der extremen Rechten kurz vor Weihnachten verabschiedet wurde, woraufhin ein politischer Aufschrei in Frankreich folgte. Es war erwartet worden, dass Macron nach den Schwierigkeiten mit dem Immigrationsgesetz die Regierung neu aufstellt.
Der französische Staatschef hatte sich in den vergangenen Tagen ausführlich beraten lassen vom Wirtschaftsminister, dem germanophilen Bruno Le Maire, vom ehemaligen Premierminister Édouard Philippe sowie von François Bayrou, dem Chef der Modem, der Partei der französischen Liberalen. Bayrou hat maßgeblich zum Sieg Emmanuel Macrons bei den Präsidentschaftswahlen beigetragen.
Am Sonntag sprach er sich für einen “politischen Wechsel” aus, er sei “notwendig”. “Wir haben das Ende einer Sequenz mit schwierigen Gesetzestexten erreicht: Es gibt zwangsläufig eine neue Periode, die sich öffnet”, sagte Bayrou dem französischen Nachrichtensender BFM-TV. “Die Herausforderung besteht heute darin, das Vertrauen wieder aufzubauen.”
Die Regierung unter Macron steckt bereits seit anderthalb Jahren in der schwierigen Situation, keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu haben. Sie ist für ihre Vorhaben daher auf Stimmen der Opposition angewiesen. Premierministerin Borne versuchte unermüdlich, Kompromisse zu finden. Einen verlässlichen Partner im Parlament fand die Regierung aber nicht. Macrons Kernprojekt der Rentenreform drückte die Regierung letztlich ohne Endabstimmung in der Nationalversammlung durch.
Für das Präsidentenlager besteht dringender Handlungsbedarf, da die extreme Rechte in den Umfragen an der Spitze steht. 37 Prozent der Franzosen halten die Chefin des Rassemblement National, Marine Le Pen, für die politische Persönlichkeit, die am ehesten in der Lage ist, “sich um das Leben von Menschen wie ihnen zu kümmern”. Dies geht aus einer Umfrage für BFM-TV hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Der Präsident der Republik verliert seinerseits an Boden. Im Januar 2024 vertrauten ihm nur 28 Prozent der französischen Wähler, während es im April 2022 noch 40 Prozent waren, wie eine Befragung für die Wirtschaftszeitung “Les Échos“ ergab. Emmanuel Macron profitiert von “keiner Dynamik”, “er ist festgefahren, ohne Wind in den Segeln, er kommt nicht mehr voran”, stellt Bernard Sananès fest, Präsident des zuständigen Meinungsforschungsinstituts Elabe.
Eine weitere politische Persönlichkeit macht wenige Monate vor den Europawahlen von sich reden: der Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann (S&D). “Wir müssen ihn ernst nehmen”, sagte ein Pariser Berater von der Regierungspartei Renaissance, die der Renew-Fraktion im Europaparlament angehört.
Und das aus gutem Grund: Der Europaabgeordnete scheint der Kandidat zu sein, der dem Präsidentenlager in seiner pro-europäischen Haltung am ehesten Konkurrenz machen kann. Wenn es keine Überraschungen gibt, wird der Publizist Glucksmann diesen Monat von der Parti socialiste nominiert werden, um erneut die Liste für die Europawahl im Juni anzuführen.
Seit mehreren Monaten liegt der Europaabgeordnete in den Umfragen mit zehn Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz, vor allen anderen linken Listen. Für die Wochenzeitung “Le Point”, wäre Glucksmann die “neue Hoffnung für die Linke”. Der Berater aus Paris erinnert aber auch daran, dass der Europaabgeordnete 2019 bereits “auf den Titelseiten vieler Zeitschriften” zu sehen gewesen sei und am Ende nur 6,2 Prozent der Stimmen erhalten habe. Mit dpa
Wer hat den längeren Atem im Konflikt um die Ukraine: die westlichen Helfer oder Moskau? Eigentlich müsste der Fall klar sein im Verhältnis zwischen den mächtigsten Volkswirtschaften der Welt und Russland. Doch während der russische Präsident Wladimir Putin sein Land im Alleingang auf Kriegswirtschaft gebracht hat, tun sich die westlichen Verbündeten Kiews schwer, die Widerstandskraft der Ukraine nachhaltig zu stärken.
Russland soll bereits nordkoreanische Raketen in der Ukraine eingesetzt haben und wird demnächst auch aus dem Iran Kurzstreckenraketen erhalten. Trotz eigener Produktionsprobleme eröffnet Moskau für sich also weitere Bezugsquellen für Munition und Waffen. Auf der anderen Seite steht die Ukraine, die auf den Westen angewiesen ist und bei der Munition sparsamer als Russland vorgehen muss. Denn die EU hängt mit der versprochenen Lieferung von einer Million Schuss Artilleriemunition bis März 2024 hinterher. Laut Wall Street Journal verbraucht die russische Armee aktuell 10.000 Schuss Artilleriemunition pro Tag, während die Ukraine 2.000 Schuss abfeuern kann.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton stieß im Frühsommer 2023 mit seiner Forderung auf Kritik, die Europäer müssten es Russland gleichtun und die Verteidigungsindustrie ebenfalls auf Kriegswirtschaft trimmen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius wies damals nicht nur den Begriff zurück, sondern auch die Vorstellung, dass Europas Wirtschaft den Bedürfnissen der Rüstungsindustrie untergeordnet werden müsste. Doch der Ton ändert sich.
Putin steigere Russlands Rüstungsproduktion erheblich, nach offiziellen Angaben um mehr als 60 Prozent, sagte Pistorius kürzlich in einem Interview mit der “Welt am Sonntag”. Die Nato und Deutschland hätten Nachholbedarf, müssten in “fünf bis acht Jahren” bereit sein. Gemeint war eine mögliche Konfrontation mit Russland.
Moskau hat jedenfalls eine Budgetplanung für die kommenden drei Jahre vorgenommen, die dem Militär große Anteile sichert. Allein in diesem Jahr sind mehr als sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Kriegsmaschinerie vorgesehen. 2025 und 2026 soll der Anteil ebenfalls hoch bleiben. Auch wenn die Planung von zu hohen Einnahmen aus dem Exporthandel mit Öl ausgeht, so dürfte die Prämisse Putins – die Ukraine niederzuringen – erhalten bleiben.
Langfristig sei das keine gute Entwicklung für Russland, sagt die Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Alexandra Prokopenko im Gespräch mit Table.Media. Die ehemalige Mitarbeiterin der russischen Zentralbank hatte Russland nach Kriegsbeginn im Februar 2022 verlassen und arbeitet heute als Analystin für das Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin. “Wenn sogenannte nichtproduktive Sektoren, zu denen auch die Verteidigungsindustrie gehört, zu stark finanziert werden, bremst das die Entwicklung in anderen Bereichen“, erläutert Prokopenko.
Der Arbeitskräftemangel in Russland, der mit der Einberufung für den Krieg, der kriegsbedingten Auswanderung hunderttausender gut qualifizierter Menschen und der Abwerbung der Arbeitskräfte in die Rüstungsbranche zusammenhängt, zeigt bereits die ersten Probleme. Kurzfristig werden sie sich aber nicht spürbar auf die russische Volkswirtschaft auswirken. Kurzfristig sieht es eher für die Ukraine düster aus.
Die jüngsten Raketen- und Drohnenangriffe zielen, wie befürchtet, auf die zivile Kritische Infrastruktur. Russland versucht mit Masse die verbesserte ukrainische Luftverteidigung zu umgehen. Im Gegenzug bekommt die Ukraine von Deutschland und anderen Nato-Staaten weitere Luftverteidigungssysteme. Bei dem eilig von Kiew ersuchten Nato-Ukraine-Treffen am Mittwoch, 10. Januar, soll es noch einmal explizit um dieses Thema gehen.
Die zwei Jahre Krieg haben sowohl die Ukraine als auch Russland dazu genutzt, ihre Drohnen-Flotten zu erweitern und zu entwickeln. Verteidigung in und aus der Luft wird entsprechend die nächste Phase des Krieges stark prägen. Dass Europa die Ukraine für und vor der Frühjahrsoffensive 2023 nicht so gut gestärkt hat, wie es das hätte tun können, hängt nicht nur mit fehlenden eigenen Fertigungskapazitäten für Munition zusammen. Laut EU-Kommissar Thierry Breton exportiert Europas Rüstungsindustrie nach wie vor einen guten Teil der Produktion in Drittstaaten. Der Franzose wollte die Möglichkeit haben, die Firmen zu verpflichten, ihre Exporte zugunsten der Ukraine zu priorisieren. Doch die Mitgliedstaaten lehnten dies ab.
Frankreich und andere wiederum verhinderten, dass mit EU-Mitteln Geschosse von Herstellern außerhalb der EU eingekauft wurden. Infrage gekommen wären etwa südkoreanische Hersteller. Zudem hätten die EU-Mitglieder nur zögerlich auf die Rahmenverträge mit Rheinmetall und Co. reagiert und bisher erst wenige Bestellungen platziert, heißt es zudem in Brüssel.
Das Beispiel Munition zeigt gut, dass die Solidarität für die Ukraine zuweilen an den wirtschaftlichen Interessen der EU-Staaten endet. Thierry Breton bleibt aber zuversichtlich, dass bis zum Frühling die Produktionskapazität für Artilleriegeschosse auf eine Million pro Jahr ausgebaut werden kann. Auch das Ziel von einer Million Geschosse für die Ukraine könnte mit Verspätung erreicht werden.
Mittelfristig sieht die Perspektive für die Ukraine besser aus. EU-Ratspräsident Charles Michel hat für den 1. Februar einen Sondergipfel einberufen. Dort dürften die 50 Milliarden Euro Finanz- und Wirtschaftshilfen für die Ukraine im zweiten Anlauf beschlossen werden. 26 Mitgliedstaaten wollen dies notfalls außerhalb des EU-Haushalts tun, wenn Viktor Orbán weiterhin blockiert.
Grundsätzlich zeigt zwar auch die Nato keine Ermüdungserscheinungen: “Wir stehen an der Seite der Ukraine so lange wie nötig”, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem letzten Nato-Ukraine-Rat. Die Nato-Staaten haben bilateral der Ukraine Militärhilfe in Höhe von 100 Milliarden Euro zugesagt, wobei die Hälfte inzwischen von den europäischen Verbündeten kommt.
Im April feiert das Bündnis sein 75-Jähriges Jubiläum und für Juli ist in Washington der nächste Gipfel geplant. Den will Joe Biden auch für seinen Wahlkampf nutzen. Die Nato-Staaten werden es sich vor diesem Hintergrund kaum leisten können, in ihrer Unterstützung nachzulassen. In Washington könnte auch Mark Rutte als derzeitiger Favorit im Rennen um die Nachfolge von Stoltenberg den Posten des Nato-Generalsekretärs formell übernehmen. Der bisherige niederländische Regierungschef steht fest an der Seite der Ukraine.
Die USA allein werden jedoch wahrscheinlich nicht so schnell weitere große Hilfspakete der Ukraine liefern. Zumindest würden sie nicht so hoch wie 2022 und 2023 ausfallen, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses vergangene Woche. Eine wachsende Rolle kommt also der EU zu. Zwar ist der Plan des EU-Außenbeauftragten, Josep Borrell, die Finanzierung der Militärhilfe mit 20 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre abzusichern, gescheitert. Die EU dürfte aber bald eine erste jährliche Tranche von fünf Milliarden Euro beschließen. Zudem hat Berlin allein acht Milliarden Euro an Hilfe zugesagt. Dieses Jahr dürfte die Ukraine also weitere Leopard-Kampfpanzer, Luftverteidigungssysteme und die ersten F-16 Kampfflugzeuge bekommen. Eine Koalition mit den USA, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Großbritannien bildet derzeit ukrainische Piloten für die Maschine aus.
Für die EU und andere Staaten stellt sich die Frage, wie Russland weiter ökonomisch unter Druck gesetzt werden kann. Nach zwölf Sanktionspaketen gelingt es Moskau noch immer, Schlupflöcher zu finden. Wirtschaftsexpertin Alexandra Prokopenko sagt deshalb: “In diesem Jahr wird es nicht nur um neue Sanktionen, sondern um deren Durchsetzung gehen.” Russische Unternehmen und die Regierung würden erhebliche Kräfte darauf aufwenden, die Sanktionen zu umgehen. “Ich denke, der Westen müsste aktiver an die Staaten herantreten, die Russland dabei helfen, also Kasachstan, Kirgistan, Vereinigte Arabische Emirate und die Türkei.”
Die Forschungszusammenarbeit zwischen der EU und China hat in den vergangenen Jahren weiter zugenommen. Das ergab eine aktuelle Studie zu gemeinsamen Publikationen europäischer und chinesischer Forschender zu Digitalthemen und Künstlicher Intelligenz in verschiedenen Fachdisziplinen. Seit 2011 ist der Output an Ko-Publikationen demnach konstant gestiegen. Mit 65 Prozent entfiel der mit Abstand größte Teil der Tech-Themenkooperation auf die Angewandten Wissenschaften – also Forschung, die auf praxisrelevante Lösungen ausgerichtet ist – gefolgt von den Naturwissenschaften (18 Prozent).
Die Studie ist Teil des EU-Projektes Reconnect China, das ermitteln soll, auf welchen Feldern eine Zusammenarbeit der EU mit China “wünschenswert, möglich oder unmöglich ist”. Dazu untersuchen die Forschenden Kooperationen in Wissenschaft und Technologie, Wirtschaft und Handel sowie Governance und Außenpolitik, mit einem Fokus auf die wichtigsten Disziplinen und Institutionen in China und der EU sowie Großbritannien, Norwegen und der Schweiz (EU-27/AC). Oberziel ist es, unabhängiges Wissen für einen resilienten Umgang mit der Volksrepublik zu schaffen – also eine höhere China-Kompetenz, auch in Spezialgebieten.
Die Autoren durchkämmten dazu die wissenschaftliche Zitationsdatenbank “Web of Science” des Datenkonzerns Clarivate – und zwar mit Keywords, die auf digitale Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen und Big Data abzielten. Die gesamte Studie dreht sich daher ausschließlich um diese Tech-Aspekte, zu denen es Kooperationen in verschiedensten Fachbereichen gab: Die Forschenden stießen für den untersuchten Zeitraum 2011 bis 2022 auf Zigtausende Ko-Publikationen, die in irgendeiner Form mit ihrem Schwerpunkt zu tun hatten.
Zwar liegen die US-Amerikaner noch immer vorn – doch publizieren die USA seit 2021 immer weniger mit China. Im Jahr 2022 übertrafen die Ko-Publikationen zwischen Europa und China laut der Studie bereits jene der USA und Chinas. “Wir glauben, dass dieser Abwärtstrend unter anderem auch mit der größeren geopolitischen Lage und der angespannten Situation zwischen China und den USA zu tun hat”, sagt Philipp Brugner, einer der Autoren der Studie, im Gespräch mit Table.Media.
“Das Interesse Chinas ist daher, verstärkt nach Europa zu schauen, weil wir in der Forschungskooperation noch zugänglicher sind und die Rhetorik gegenüber China noch nicht so harsch ist”, sagt Brugner. “Wir müssen uns dieses Interesses sehr bewusst sein – und wenn es Anfragen gibt, sehr viel bewusster hinschauen, als wir das in den letzten Jahren getan haben.”
Es geht darum, Missbrauch auszuschließen: Gerade die digitalen Anwendungen, um die es in der Studie geht, könnten leicht für Überwachung oder militärische Zwecke außerhalb des vereinbarten Forschungszwecks genutzt werden. Das Thema hat auch in Europa die politische Ebene erreicht: Voraussichtlich am 24. Januar wird die EU-Kommission ein Paket zur wirtschaftlichen Sicherheit vorlegen, das auch Empfehlungen zur Forschung und ein Weißbuch zur zivil-militärischen Forschung enthalten soll.
Brugner glaubt aber nicht, dass Europa sich bei der Forschungskooperation so deutlich von China abwenden wird, wie die USA es derzeit tun, sondern eher eine Balance wahren wird. “Wir werden künftig sehr selektiv vorgehen, glaube ich.” Die Autoren empfehlen ein größeres Bewusstsein für Risiken, mit dem Ziel informierte Entscheidungen zu treffen. Sie sprechen sich aber ausdrücklich nicht für einen Stopp der Zusammenarbeit aus.
Die Ko-Publikationen in den Angewandten Wissenschaften konzentrierten sich laut der Studie vor allem auf folgende Sub-Fachgebiete:
In den Naturwissenschaften dominierten Physik und Astronomie die Zusammenarbeit (sieben Prozent). Ein weiteres bedeutsames Feld war die Klinische Medizin (ebenfalls sieben Prozent).
Die Forschenden gingen aber auch noch der Frage nach, wer mit wem kooperiert. Sie fanden 17.000 Einrichtungen in der EU-27/AC sowie in China, die an gemeinsamen Publikationen beteiligt sind. In Europa gehören dazu vor allem Universitäten und Institute aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Die Autoren konzentrierten sich dann auf die aktivsten Institutionen.
Dabei fiel ihnen auf, dass auf chinesischer Seite die staatliche Akademie der Wissenschaften dominiert (mit über 4.600 Ko-Publikationen zwischen 2011 und 2022), gefolgt von der Pekinger Tsinghua-Universität (gut 1.900) und der Shanghaier Jiaotong-Universität (knapp 1.600).
In Europa kooperieren derweil vor allem Universitäten aus Großbritannien. 44 Prozent der Ko-Publikationen zwischen der EU-27/AC und China hatten mindestens einen Autor oder eine Autorin aus dem Vereinigten Königreich – mehr als Deutschland (15 Prozent) und Frankreich (11 Prozent) zusammen. Und unter den Top 25 an den Ko-Publikationen mit China beteiligten Universitäten finden sich in der Studie ganze sechs außerhalb Großbritanniens, darunter die Technische Universität München, die Schweizer ETH Zürich, die Delft University of Technology aus den Niederlanden sowie drei skandinavische Unis.
“Die hohe Beteiligung Großbritanniens hat uns überrascht”, sagt Mitautor Gábor Szüdi. Das liegt seiner Ansicht nach am hohen Niveau und guten Ruf der dortigen Hochschulen und an der englischen Sprache, nicht so sehr an politischen Präferenzen. Die intensivste bilaterale Zusammenarbeit stellten die Forschenden zwischen der Universität Oxford und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften fest, mit 189 Ko-Publikationen. Eine dynamische Beziehung stellten die Forscher auch zwischen der TU München und der Shanghaier Tongji-Universität fest, mit 61 gemeinsamen Veröffentlichungen.
Die chinesischen Forschenden suchten ihre Kooperationspartner nicht speziell in politisch geneigten Staaten wie etwa Ungarn, sagt Szüdi. “Sie wollen mit den Allerbesten kooperieren, auch in Deutschland oder den Niederlanden.” Generell ist die Kooperation auf einige wenige Länder und Institute konzentriert. In Osteuropa kooperieren etwa nur wenige Institute mit China; eine große Ausnahme ist die sehr aktive Polnische Akademie der Wissenschaften.
Letzteres entspricht einer Beobachtung, die die Autoren in den Daten gemacht haben. “Wir vermuten, dass gezielt Partnerschaften mit Universitäten eingegangen werden, deren Name vielleicht nicht insgesamt der größte ist, die aber in einer Nischendisziplin- oder Technologie führend sind”, sagt Brugner. Das könne für beide Seiten lohnend sein.
Doch er warnt auch: Generell müsse man “mit dieser Art von Intelligence besser umgehen lernen, das heißt verstehen, dass manche Anfragen nicht zufällig passieren”. China beobachte den Forschungs- und Technologiesektor Europas, und klopfe dann sehr gezielt dort an, “wo eventuell noch ein fehlendes Puzzleteil für Forschung und Entwicklung zum Durchbruch eigener technologischer Reife zu holen ist”.
10.01.2024 – 08:45-16:00 Uhr, Berlin
VDE, Seminar Künstliche Intelligenz in Medizinprodukten
Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) stellt mit Blick auf den kommenden EU Artificial Intelligence Act den Umgang mit Software für Medizinprodukte vor, die auf künstlicher Intelligenz basiert. INFOS
10.01.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
EUI, Discussion The physical security of critical energy infrastructure
The European University Institute (EUI) aims at assessing the current challenges related to the physical protection of critical energy infrastructure and how such protection can be enhanced. INFO & REGISTRATION
10.01.2024 – 18:00-19:30 Uhr, Chemnitz
KAS, Vortrag Was weiß Moskau? Weltbild und Arbeit der russischen Geheimdienste im In- und Ausland
In Kooperation mit der Technischen Universität Chemnitz beleuchtet die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) die Arbeit von Geheimdiensten und widmet sich der Frage, wie und mit welchem Weltbild russische Spione agieren. INFOS & ANMELDUNG
10.01.2024 – 20:00-21:30 Uhr, online
FNF, Diskussion Zuwanderung und Integration: Wie schaffen wir das?
Bei der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutieren Migrationsforscher Ruud Koopmans und die Landesvorsitzende der FDP Hamburg, Sonja Jacobsen, über Herausforderungen, Chancen und Lösungen im Kontext von Zuwanderung, Integration und Abschiebungen. INFOS & ANMELDUNG
11.01.2024 – 08:30-09:30 Uhr, online
DGAP, Discussion Morning Briefing on Geopolitical Challenges
The German Council on Foreign Relation (DGAP) brings together experts to assess some of the geopolitical challenges facing Germany in the new year, including the upcoming elections in the United States and the European Parliament, Russia’s war of aggression and the climate crisis. INFO & REGISTRATION
Der Ex-Linken-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Europaabgeordnete Fabio de Masi sowie der frühere SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, werden Spitzenkandidaten der neu gegründeten Partei. Das gab die nun offiziell “Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – für Vernunft und Gerechtigkeit” getaufte Vereinigung am Montag bekannt. Zuvor war bereits angenommen worden, dass die beiden Politiker bei der Europawahl antreten.
Vorsitzende sind Wagenknecht selbst und die frühere Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. Als Generalsekretär fungiert Christian Leye; Schatzmeister wird der Unternehmer Ralph Suikat, Geschäftsführer der ehemalige Geschäftsführer der NRW-Linken Lukas Schön. Als stellvertretenden Vorsitzenden stellte die Partei den Unternehmer und Politik-Neuling Shervin Haghsheno vor.
De Masi war durch seine Recherchen im Cum-Ex-Skandal erstmals einem größeren Publikum bekannt geworden. Er gilt als ausgewiesener Finanzexperte. Im vergangenen Jahr war er aus der Linken ausgetreten. Als Motivation, nun wieder parteipolitisch aktiv zu werden, nannte er seine “politische Verantwortung”, der Ampelkoalition, “die mit ihrer desaströsen Politik die Erntehelfer der AfD in diesem Land sind”, etwas entgegensetzen zu wollen, sowie “die Beharrlichkeit von Sahra Wagenknecht”. De Masi war früher wissenschaftlicher Mitarbeiter von Wagenknecht und hatte 2018 gemeinsam mit ihr die Plattform “Aufstehen” gegründet. Über BSW sagte er: “Wir streben an, Volkspartei zu sein.”
Geisel saß von 2014 bis 2020 für die Sozialdemokraten als Oberbürgermeister im Rathaus von Düsseldorf. Nach 40 Jahren SPD-Mitgliedschaft hatte er sich vergangene Woche mit den Worten verabschiedet, dass seine “sozialdemokratischen Grundsätze” im BSW eher vertreten seien als in der SPD. Als weitere Gründe für seinen Wechsel nannte er: den schlechten Zustand des “Modell Deutschlands”; der schwindende soziale Zusammenhalt; und die Abkehr von der Friedenspolitik eines Willy Brandts. Der ehemalige Ruhrgas-Manager kritisierte die Wirtschaftssanktionen gegen Russland und will sich gegen das Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 einsetzen.
Laut de Masi steht noch nicht fest, welcher Fraktion man sich im Europaparlament anschließen will. Als ehemalige Linke vermied Wagenknecht eine Einordnung der Partei als klar links, eine Integration in die Europäische Linke (EL) gilt daher als unwahrscheinlich. Programmatisch orientiert BSW sich in ihrem 4-seitigen Parteiprogramm vorerst am Gründungsmanifest des fast gleichnamigen Vorläufervereins.
Die vollständige Kandidatenliste für das EP will die Partei auf dem Gründungsparteitag am 27. Januar verabschieden. Wagenknecht kündigte dazu personell “weitere Überraschungen” an. Hinsichtlich des Namens solle BSW bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 Bestand haben, erst danach solle eine Bezeichnung gefunden werden, die unabhängig von ihrer Person ist. ds
Das schwedische Unternehmen Northvolt darf in Heide eine Batteriefabrik bauen. Die EU-Kommission genehmigte am Montag in Brüssel Fördermittel und Garantien von Bund und Land in Höhe von 902 Millionen Euro. Es ist das größte Industrieprojekt in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten. “Ich bin sehr, sehr froh, dass dies heute geschieht”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Verkündung der Entscheidung in Brüssel der Nachrichtenagentur dpa.
Northvolt wird in der Fabrik im Kreis Dithmarschen ab 2026 Batteriezellen für E-Autos herstellen. Mit dem Werk will sich die deutsche Autoindustrie unabhängiger von bisher dominanten Zulieferern aus Asien und allen voran China machen. Hohe Marktanteile haben etwa die südkoreanischen Elektronikkonzerne Samsung und LG sowie der chinesische Konzern CATL, der seit rund einem Jahr auch in einem Werk in Thüringen produziert.
Durch die 4,5 Milliarden Euro teure Investition sollen zudem 3.000 Arbeitsplätze entstehen. Bund und Land fördern das Projekt mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen Garantien über weitere 202 Millionen Euro. Von den Fördermitteln entfallen etwa 564 Millionen Euro auf den Bund und bis zu 137 Millionen Euro auf das Land. Northvolt selbst habe in das Bauvorhaben bereits rund 100 Millionen Euro an eigenen Mitteln investiert, heißt es. fpe
Die Böden in der Europäischen Union und weltweit werden zu wenig geschützt. Zu dem Ergebnis kommen die Heinrich-Böll-Stiftung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der TMG Think Tank im sogenannten Bodenatlas. Den haben die drei Akteure an diesem Dienstag veröffentlicht. Zum ersten Mal seit 2015 legen sie damit ein Dokument vor, das unter anderem den Zustand landwirtschaftlicher Böden in den Blick nimmt und den Ruf nach einer EU-weiten Rechtsform für den Bodenschutz lauter werden lässt.
“Nachhaltige Bodennutzung darf kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss konkret durchgesetzt werden, beispielsweise durch verbindliche Definitionen und strengere Kontrollen der ‘guten fachlichen Praxis’ in der Landwirtschaft”, heißt es im Bodenatlas. Die EU brauche ein eigenständiges europäisches Bodenschutzrecht und dürfe sich nicht nur auf ein Gesetz für das Monitoring des Bodens beschränken, fordern die Autoren.
Mit Blick auf den im Sommer 2023 vorgestellten Gesetzentwurf des Soil Monitoring Law der EU-Kommission kritisieren Heinrich-Böll-Stiftung, BUND und TMG Think Tank, dass dieser weder quantitative Ziele noch konkrete Maßnahmen beinhalte. Statt auf Bodenschutz ziele das Gesetz lediglich darauf ab, die europaweite Bestandsaufnahme der Bodengesundheit zu vereinheitlichen.
Kritik üben die Autoren auch am einzigen einheitlichen Rechtsrahmen für Bodenschutz auf EU-Ebene – der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). So seien auch die Bodenschutzmaßnahmen innerhalb der GAP unzureichend und brächten zu wenig Veränderung, monieren die Autoren.
Die anstehende Reformrunde der GAP müsse dem Bodenschutz deshalb mehr Gewicht verleihen, heißt es im Bodenatlas. “Landwirtschaftliche Praktiken, um Böden zu schützen und nachhaltiger zu nutzen, müssen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und des deutschen Bodenschutzrechts stärker gefördert werden”, fordern die Autoren. Für die neue Förderperiode der GAP, die 2028 beginnt, sollten deshalb verpflichtende Mindeststandards zum Schutz der Böden beitragen und Schlupflöcher und Ausnahmeregelungen eingeschränkt werden.
Neben der Forderung nach mehr Bodenschutz auf EU-Ebene blicken die Organisationen im Bodenatlas auch auf Themen wie Desertifikation oder Stickstoffdünger, die die Böden aktuell belasten. Außerdem erörtern sie, was der großflächige Ankauf von Ackerland für kleine und mittlere Betriebe bedeutet. heu
Was es heißt, sich für die EU zu entscheiden, hat Dominik Hierlemann 2004 unmittelbar zu spüren bekommen. Im Jahr, in dem Polen EU-Mitglied wurde, lebte und promovierte der heute 47-Jährige dort. Der Beitritt habe das Land enorm verändert: “Das Leben in Polen war damals völlig anders. Wir im westlichen Europa verstehen oft nicht, wie groß die Transformationsleistung der mittelosteuropäischen Länder ist und was das für die Menschen bedeutet.” Mit großem Interesse habe er deshalb auch Mitte Oktober nach Polen geschaut, als sich die politische Mitte um Donald Tusk bei den Parlamentswahlen durchsetzte.
Nicht nur aus persönlichen Motiven fiel sein Blick auf das Ereignis – auch beruflich war die Wahl für Hierlemann interessant: Er arbeitet als Senior Advisor bei der Bertelsmann Stiftung und ist in Projekten wie dem EU Democracy Reform Observatory aktiv. Das Wahlergebnis in Polen habe ihn nicht überrascht, wie er sagt: “Ich war davon überzeugt, dass die polnische Zivilgesellschaft irgendwann aufstehen und sich das nicht länger gefallen lassen wird.”
In Polen sieht Hierlemann einen Schritt in die richtige Richtung – insgesamt allerdings sei die EU demokratiepolitisch eher auf Abwegen unterwegs. Besonders kritisch sieht Hierlemann die Initiativen, den EU-Bürgerinnen und Bürgern Partizipation zu ermöglichen. Das Angebot, sagt der studierte Politikwissenschaftler, sei dabei nicht das Problem. Mit der europäischen Bürgerinitiative, Konsultationen oder dem Europäischen Bürgerpanel biete die EU mehr Beteiligungsmöglichkeiten als die meisten Mitgliedstaaten. Aber: “Die Verfahren sind weitgehend unbekannt, werden kaum genutzt und sind wenig effektiv.”
Die Institutionen der EU täten sich schon lange schwer, die europäische Öffentlichkeit angemessen zu erreichen. Ansatzpunkte zur Verbesserung bestehen für Hierlemann generell darin, “endlich eine europäische Debatte zu bekommen“. Potenzial sieht er speziell bei Europawahlen: “Das ist das alte Leid, Europawahlen sind nationale Debatten vor dem Hintergrund europäischer Wahlen.” Die Ideen von transnationalen Wahlkreisen und europäischen Spitzenkandidaten sieht er als mögliche Hebel zur Verbesserung der demokratischen Legitimität der EU.
Doch auch über Wahlen hinaus sollte EU-Bürgern mehr und bessere Mitbestimmung gewährt werden, um eine breite europäische Öffentlichkeit zu schaffen. “Die bisherigen Beteiligungsverfahren haben meist nur die Gruppe der ohnehin schon überzeugten Europäer und Europhilen erreicht”, sagt Hierlemann. Für ihn ist klar, was es braucht: mehr direkte Einflussoptionen bei kritischen Themen wie Migration und Integration. “Sie sprechen die Öffentlichkeit nur an, wenn diese das Gefühl hat, dass es die aktuellen und wichtigen Fragen sind, in die sie einbezogen wird.” Orientiert an Beteiligungsmöglichkeiten in Mitgliedstaaten wie Irland solle die EU in der Zukunft eine “Beteiligungsinfrastruktur” entwickeln.
Dominik Hierlemann unterstützt die Politik dabei als Experte der Bertelsmann Stiftung. Wichtig ist ihm aber gleichzeitig, dass die Organisation durch Beteiligungsprojekte in regelmäßigem Austausch mit der Zivilgesellschaft steht. “Das ist besonders für das Thema Bürgerbeteiligung spannend, weil wir – etwas zugespitzt formuliert – nicht nur Schlaumeiern, sondern auch selbst umsetzen.” Jasper Bennink