wer folgt auf Stéphane Séjourné? Die Beförderung des Vorsitzenden der liberalen Renew-Fraktion zum französischen Außenminister hat seine Kollegen im Europaparlament auf dem falschen Fuß erwischt. Bei der heutigen Fraktionssitzung in Straßburg wollen sie nun über die Nachfolge beraten. Bereits am Wochenende sondierten die Delegationen die Optionen.
Die französische Renaissance-Delegation hat sich noch nicht positioniert, ob sie weiter die Führungsrolle beansprucht. Als wahrscheinlichste Variante gilt bislang, dass der erste Stellvertreter Séjournés, Malik Azmani, die Aufgabe nicht nur interimistisch übernimmt. Die Amtszeit endet ohnehin bereits in sechs Monaten, mit den Europawahlen im Juni. Der Niederländer hat Interesse signalisiert. Azmani und seine Mitstreiter bemühen sich überdies, Bedenken in der Fraktion hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit der Partei VVD mit dem Radikalen Geert Wilders in Den Haag zu zerstreuen – eine Kooperation stehe nicht an.
Schon einen Schritt weiter bei der Personalsuche ist die SPD: Die Führungsgremien der Partei werden heute die Liste für die Europawahl beschließen, mit Katarina Barley als Frontfrau. Am Mittwoch endet dann auch die Frist für Bewerber, die die europäischen Sozialdemokraten in die Wahl führen wollen. Bislang der einzige Bewerber: Arbeitskommissar Nicolas Schmit.
Und noch in eigener Sache: Wenn Sie die Inhalte von Table.Media ebenso gerne hören wie lesen, empfehlen wir unseren neuen Podcast Table.Today. Heute geht es los mit einem Gespräch unseres neuen Chefredakteurs Michael Bröcker mit Bundesfinanzminister Christian Lindner. Auch Europa wird bei Table.Today immer wieder Thema sein.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche!
Im Streit um eine mögliche Teilung der deutschen Strompreiszone hat Europas Energie-Regulierungsagentur ACER eine weitere Möglichkeit gefunden, den Bund unter Druck zu setzen. Wie nun bekannt wurde, hat die Bundesregierung deshalb die Agentur im vergangenen September vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg verklagt. Veröffentlicht wurde die Klageschrift kürzlich im Europäischen Amtsblatt.
Bei einer Aufteilung der deutschen Gebotszone drohen höhere Strompreise in Bundesländern mit geringer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Dies bedeute eine “strukturelle Benachteiligung für die industriellen Zentren im Süden und Westen Deutschlands“, heißt es in einem Beschluss von Bayern, Nordrhein-Westfalen und vier weiteren Landesregierungen aus dem vergangenen Jahr.
Hintergrund für die mögliche Spaltung sind europäische Vorgaben zum grenzüberschreitenden Stromhandel. Die EU will einen reibungslosen Binnenmarkt sicherstellen, damit günstige Elektrizität aus jedem Mitgliedstaat auch bei Verbrauchern aus anderen europäischen Ländern ankommt. Bisher drehte sich die Auseinandersetzung zwischen ACER und Deutschland um die 70-Prozent-Regel.
Bis Ende 2025 muss Deutschland sein Stromnetz so weit ausbauen, dass Leitungsengpässe beseitigt werden. Das Ziel: 70 Prozent der Kapazität grenzüberschreitender Leitungen sollen für den europäischen Stromhandel zur Verfügung stehen. Wichtig ist dabei: Die verfügbaren Übertragungskapazitäten sind nicht statisch. Die Netzbetreiber müssen sie immer wieder neu berechnen, nach technischen Regeln, die ACER festlegt.
Aus Sicht der Bundesregierung verstieß die Agentur aber bei ihrer Entscheidung zu den Kapazitätsberechnungsmethoden gegen europäisches Recht. “Der Mitgliedsstaat [werde] de facto zu einer Neukonfiguration seiner Gebotszone gezwungen, wenn er interne Netzelemente nicht mehr in der Kapazitätsberechnung berücksichtigen kann”, heißt es in der erstmals im Dezember veröffentlichten Klageschrift. Sie wurde nun auch im Europäischen Amtsblatt vom 3. Januar publiziert.
Auch wenn sich der Streit vordergründig nur um höhere technische Anforderungen dreht, sehen Experten darin eine politische Strategie der europäischen Regulierer. Das Aufrechterhalten der deutschen Strompreiszone soll so teuer werden, dass sich der Bund zur Teilung gezwungen sieht. Einen konkreten Plan für bis zu vier deutsche Preiszonen hatte ACER bereits 2022 vorgelegt.
Die Festlegung der Agentur führe dazu, dass mehr Stromleitungen in Deutschland zu “internen Netzelementen” erklärt werden, sagt der Berater Christoph Maurer von Consentec. Auf diesen Abschnitten dürften die Netzbetreiber den Stromfluss anders als bei kritischen grenzüberschreitenden Verbindungen gar nicht einschränken, wenn es um den europäischen Stromhandel geht. Dadurch könne es auf dem Elektrizitätsmarkt vermehrt zu Handelsgeschäften kommen, die technisch gar nicht umgesetzt werden können.
Die Netzbetreiber müssten dann womöglich häufiger die Leistung von Kraftwerken hoch- und herunterfahren, um das Netz stabil zu halten. Maurer befürchtet, dass dieser Redispatch durch die verschärfte ACER-Entscheidung unnötig in die Höhe getrieben wird. Die Kosten dafür könnten die Vorteile aus dem intensiveren europäischen Handel überwiegen – letztlich würde es für deutsche Stromkunden teurer. Im Jahr 2022 lagen die Redispatch-Kosten nach Angaben der Netzbetreiber bereits bei 2,8 Milliarden Euro.
Die Reaktionen auf die Wahlen in Taiwan sorgen für neue Spannungen zwischen China und den USA. Am Samstagabend hatte US-Außenminister Antony Blinken über X (vormals Twitter) dem neuen Präsidenten William Lai (Lai Ching-te) zu seinem Wahlsieg gratuliert. Das chinesische Außenministerium sprach hierzu von einem “falschen Signal” und einem Bruch der Zusicherung, keine offiziellen politischen Beziehungen mit der taiwanischen Regierung aufzubauen. Es kritisierte auch weitere Staaten für ihre positiven Reaktionen auf die Wahlen in Taiwan, darunter Japan.
Im Anschluss an die Wahlen erreichte am Sonntagabend eine Delegation ehemaliger hochrangiger US-Regierungsbeamter Taiwan. Gemeinsam mit Laura Rosenberger, der Vorsitzenden der US-Vertretung in Taiwan (dem American Institute Taipei) wollen sie eine Reihe führender taiwanischer Politiker treffen. Die Delegation reist nicht im Namen der US-Regierung.
Deutschland meldete sich ebenfalls mit Glückwünschen, ging aber nicht so weit wie Blinken, der Lai beim Namen nannte und die Wahl eine Präsidentschaftswahl. Das Auswärtige Amt gratulierte dagegen nur “den Gewählten”, vermied das Wort “Präsident” und entging damit möglicherweise der Kritik Pekings. “Wir gratulieren allen Wählerinnen und Wählern, den Kandidatinnen und Kandidaten, die an diesen Wahlen teilgenommen haben, sowie den Gewählten”, teilte das Auswärtige Amt am Sonntag wörtlich mit.
Andererseits betonte ein Sprecher am Sonntag auch die Wichtigkeit der demokratischen Wahl und nannte Taiwan dabei einen “eigenständigen Staat”. Deutschland setze sich für den Erhalt des Status quo und Vertrauensbildung ein. Es sei an einer Vertiefung der Zusammenarbeit mit Taiwan interessiert. Die französische Regierung äußerte sich ähnlich, ebenso ein Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes.
Der bisherige Vizepräsident William Lai war am Samstag zu Taiwans neuem Präsidenten gewählt worden (mehr dazu lesen Sie bei den Kollegen von China.Table). Lai und seine Partei DPP setzen weiter auf die internationale Einbindung Taiwans. Das gilt vor allem in Richtung USA, dem stärksten und traditionell engsten Partner. Aber auch für die EU und Deutschland bieten sich hier große Chancen, sagt die Sinologin Josie-Marie Perkuhn von der Universität Trier. “Die DPP setzt klar auf Europa als Partner.”
Themen für die Partnerschaft seien die Sicherheit von Lieferketten, der Ausbau der Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung und die Gewinnung grüner Energie. Kurz vor der Wahl habe Taiwans Regierung dazu zwei große Programme beschlossen: “Beide Initiativen zielen ganz klar auf Europa”, sagt Perkuhn.
Und Brüssel scheint willens, die Zusammenarbeit auszubauen. “Wir sind uns mit Taiwan einig, dass der Status quo in den Beziehungen nicht einseitig und schon gar nicht mit Gewalt verändert werden darf”, sagt Michael Gahler, außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Vorsitzender der Taiwan-Freundschaftsgruppe des EU-Parlaments. “Im Rahmen des Möglichen werden wir den Ausbau der Beziehungen betreiben. Als Europäisches Parlament haben wir seit langem den Abschluss eines bilateralen Investitionsabkommens gefordert.” Leonardo Pape, Michael Radunski, Finn Mayer-Kuckuk
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wirft Berlin und Brüssel vor, sich nicht adäquat auf eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump und die etwaigen Folgen vorzubereiten. “Es beschwert mich, wie sorglos die EU und vor allem der größte Mitgliedstaat mit einer solchen potenziellen Herausforderung umgehen”, sagte Merz im Interview mit Table.Media.
Wenn die Bundesregierung nach dem Verfassungsgerichtsurteil 200 Stunden Krisensitzung brauche, um “geradezu läppische und dann immer noch umstrittene Entscheidungen” zu treffen, dann stelle er sich schon die Frage: “Haben die eigentlich verstanden, was da zurzeit auf der Welt passiert?” Und er frage sich, ob Willy Brandt, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder, Helmut Kohl oder Angela Merkel sich in einer solchen Situation mit einer solchen Arglosigkeit gestritten hätten, statt sich mit den Staatschefs in Europa zusammenzusetzen. “Für mich hat das etwas Schlafwandlerisches.”
Europa müsse sich auf alle Möglichkeiten vorbereiten. “Die Europäer müssen einen Plan A mit Amerika und einen Plan B ohne Amerika haben, und zwar sehr schnell”, so Merz. Deutschland stehe vor der Herausforderung, Sicherheitspolitik wieder strategisch zu denken. Dabei gebe es nicht auf alle Fragen schon Antworten. Für ihn gelte: “Si vis pacem, para bellum – Wer Frieden will, muss zum Krieg bereit sein.” Und Berlin müsse dazu beitragen, Europa endlich “weltpolitikfähig” zu machen, wie Jean-Claude Juncker es ausgedrückt habe.
Merz forderte zudem Marschflugkörper für die Ukraine. Er betont, er würde der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung stellen. “Diese Marschflugkörper könnten die Kertsch-Brücke zur Halbinsel Krim zerstören, dem wichtigsten Nachschubweg für die russischen Invasionsstreitkräfte.” Bundeskanzler Olaf Scholz aber bleibe der deutschen Bevölkerung die Antwort darauf schuldig, warum er diese Waffe nicht liefert. “Ist das noch Taktik? Oder ist es Ignoranz? Er bleibt uns allen, auch mir, jede Antwort auf diese Frage schuldig”, kritisiert Merz. steb
Die EVP hat Ambitionen, nach der Europawahl im Juni nicht nur den Kommissionspräsidenten, sondern auch den Ratspräsidenten zu stellen. Derzeit würden zwölf von 27 Mitgliedstaaten von Politikern der Parteienfamilie regiert, sagte ein hochrangiger Vertreter. Weitere könnten hinzukommen: In Bulgarien stehe im März die Übergabe an Marija Gabriel an, die der EVP angehört. Möglicherweise könnten die Christdemokraten auch die Parlamentswahlen in Portugal für sich entscheiden. Wenn die EVP an der Schwelle zur Mehrheit im Rat stehe, werde sie auch um das Amt des Ratspräsidenten kämpfen, heißt es in der Partei.
Als möglicher Anwärter auf das Amt des Ratspräsidenten wird Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis gehandelt. Entsprechende Spekulationen der Nachrichtenagentur Bloomberg sind nicht abwegig. Die zweite Amtszeit des 64-jährigen Christdemokraten, der der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen angehört, endet am 21. Dezember. Als Donald Tusk 2019 sein Amt als ständiger Ratspräsident aufgab, hatte er Ioannis bereits als potenziellen Nachfolger ins Spiel gebracht. Ioannis lehnte seinerzeit mit Hinweis auf seine Verpflichtungen in Rumänien ab.
Die Mitgliedstaaten aus Ost- und Mitteleuropa gingen 2019 leer aus bei der Besetzung der Topjobs in der EU und erheben den Anspruch, nach den Europawahlen 2024 zum Zuge zu kommen. Seit 2004 stellt die christdemokratische Parteienfamilie EVP die oder den Kommissionspräsidenten. Sie beansprucht das Amt auch diesmal. Es wird damit gerechnet, dass Amtsinhaberin Ursula von der Leyen in den nächsten Wochen ihre Kandidatur anmeldet. mgr
Die belgische EU-Ratspräsidentschaft will für eine bessere Koordinierung der Sozialsysteme in der EU sorgen. Ziel ist, die Personenfreizügigkeit im Binnenmarkt zu verbessern und bürokratische Hemmnisse bei der kurzzeitigen Entsendung von Mitarbeitern im Dienstleistungsbereich abzubauen. Die Initiative Belgiens zielt darauf, wieder Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen über die Verordnung 883 zu bringen.
In den letzten Jahren hatten etwa die Behörden Belgiens, Frankreichs und Österreichs viele Handwerker und andere Dienstleister aus Deutschland verärgert, die Aufträge im EU-Ausland erledigen wollten. Wenn die Arbeitnehmer nicht die A1-Bescheinigung vorweisen konnten, mussten sie vielfach Bußgelder zahlen. Mit einer A1-Bescheinigung können erwerbstätige Personen nachweisen, dass für sie das Recht des Entsendestaates oder die Vorschriften eines ausländischen Staates maßgebend sind. Eine deutsche A1-Bescheinigung dokumentiert in diesen Fällen, dass die im Ausland erwerbstätige Person weiter dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt.
Die beiden EU-Abgeordneten Dennis Radtke und Andreas Schwab (beide CDU) begrüßen die Initiative Belgiens ausdrücklich. “Wir brauchen Rechtssicherheit für Beschäftigte und Unternehmen”, sagte Sozialexperte Radtke. Es sei ein Armutszeugnis, dass man in fünf Jahren Verhandlungen keinen Kompromiss zustande gebracht habe. “Arbeitnehmer brauchen Klarheit und Transparenz bei ihren Ansprüchen, die Unternehmen eine unbürokratische Handhabung bei den sogenannten A1 Bescheinigungen.”
Schwab forderte, den Binnenmarkt krisenresistent machen. In der Corona-Krise habe man erlebt, wie schnell die Mitgliedstaaten Grenzkontrollen wieder eingeführt haben, und “damit das wirtschaftliche Herzstück Europas fast zum Erliegen kam.” Schwab ist Berichterstatter für den Vorschlag der Kommission für ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt.
Er und Radtke fordern: “Krisenrelevantes Personal wie Ärzte und Krankenschwestern müssen im Notfall künftig die Grenzregionen durch Vorzeigen eines einfachen QR-Codes – ohne das viel kritisierte A1-Formular – passieren können.” Angaben zum Arbeits- oder Gesundheitsstatus müssten endlich online und per einheitlichen Formularen erfolgen. Dies müsse die Kommission jetzt vorbereiten, damit die digitalen Schnellspuren für die nächste Krise einsatzbereit seien. mgr
In der EU sind laut dem Verband Wind Europe 2023 so viele Windkraftanlagen neu gebaut worden wie noch nie zuvor in einem Jahr. Die errichtete Leistung von 17 Gigawatt liege leicht über dem Wert des Vorjahres, aber weit unter den 30 Gigawatt pro Jahr, die die EU für das Erreichen ihrer Klima- und Energiesicherheitsziele für 2030 rechnerisch bauen müsse.
Der Anteil der Windenergie an der gesamten Stromerzeugung in Europa betrug laut dem Verband im vergangenen Jahr 19 Prozent. Von den 17 Gigawatt Leistung seien 14 Gigawatt an Land errichtet worden, drei Gigawatt Leistung auf See. Deutschland hat demnach die meisten neuen Windkapazitäten gebaut, gefolgt von den Niederlanden und Schweden.
Um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen, hatte die EU-Kommission im Oktober ein Windkraftpaket vorgestellt. So sollen etwa die nationalen Genehmigungsverfahren stärker digitalisiert werden. Von der Beantragung bis zum Bau von Windrädern dauert es derzeit europaweit mehrere Jahre. Die Maßnahmen würden dazu beitragen, den jährlichen Zubau zu erhöhen, so Wind Europe. Entscheidend sei die Umsetzung auf nationaler Ebene. dpa/tho
Mukhtar Babayew wurde jüngst zum designierten Präsidenten für die UN-Klimakonferenz in Baku im November ernannt. Der 55-jährige Umweltminister Aserbaidschans blickt auf eine lange Karriere in der Öl- und Gasindustrie zurück. In der internationalen Klimapolitik ist er ein eher unbeschriebenes Blatt. Dass erneut ein ehemaliger Öl- und Gasmanager die Klimagespräche leiten wird, ruft viel Kritik hervor.
Auf der letztjährigen COP in Dubai repräsentierte Babayew zwar sein Land. Doch er ist erst seit 2018 Umweltminister. An den COP26 und COP27 hatte Babayew nicht teilgenommen. Als COP-Präsident ist es seine Aufgabe, die Verhandlungen zu leiten und Kompromisse auszuarbeiten. Dafür braucht es ein enges Netz an diplomatischen Beziehungen und Verhandlungsgeschick – beides hat Babayew noch nicht unter Beweis gestellt.
Während der Klimakonferenz in Dubai sagte er, “angesichts der immer deutlicher werdenden Auswirkungen des Klimawandels erkennen wir die Notwendigkeit an, unsere Anstrengungen zu bündeln, die globale Zusammenarbeit zu fördern und sicherzustellen, dass unsere Maßnahmen dem Ernst der Lage gerecht werden”.
Doch das im Jahr 2023 erneuerte nationale Klimaziel (NDC) von Aserbaidschan ist nicht allzu ambitioniert. Die Treibhausgasemissionen sollen bis zum Jahr 2050 um 40 Prozent reduziert werden. Der Anteil der Erneuerbaren an den installierten Energiekapazitäten soll von 16,5 Prozent (2022) bis Ende des Jahrzehnts auf 30 Prozent steigen.
Gleichzeitig weitet das Land seine Öl- und Gasproduktion aus. Über das nächste Jahrzehnt soll die Förderung um gut ein Drittel erhöht werden. Ein Großteil der Gasexporte geht nach Europa. Die EU bezieht sieben Prozent ihrer Pipeline-Importe aus Aserbaidschan. Das Land will die Ausfuhren auf den europäischen Markt bis 2027 verdoppeln, wie Reuters berichtet. Die Abhängigkeit Aserbaidschans von fossilen Rohstoffen ist sehr hoch. Die Öl- und Gasindustrie macht schon heute 92,5 Prozent der Exporteinnahmen des Landes und etwas unter 50 Prozent des BIP aus.
Babayew stammt aus Baku, studierte Politikwissenschaften in Moskau und Außenwirtschaftsbeziehungen in Aserbaidschan. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1992 schloss er sich schnell dem staatlichen Öl- und Gaskonzern Socar an, für den er 26 Jahre arbeitete. Ab 2007 leitete er die damals gegründete Umweltabteilung des Unternehmens. Bis 2010 war es seine Aufgabe, die Umweltbelastungen der Förderung zu verringern und beispielsweise die Bodenverseuchung nach jahrzehntelanger Förderung zu bereinigen. Die Ziele seiner Abteilung standen teils im Widerspruch zur Socar-Strategie, die Produktion massiv auszuweiten.
Auf einer ersten Socar-Konferenz zur Bereinigung verseuchten Bodens im Jahr 2008 warnte Babayew, “dass sich der starke Rückgang der Ölpreise negativ auf künftige Maßnahmen auswirken könnte”, wie Wikileaks aus US-Botschaftsdepeschen zitiert. Generell ist über Babayew wegen der unfreien Presse in Aserbaidschan wenig bekannt. In den Archiven internationaler Medien wie Bloomberg, der New York Times und der Financial Times taucht sein Name bis zur COP28 gar nicht auf.
Babayews Ernennung, die rein formell noch zum Start der COP29 vom COP-Plenum bestätigt werden muss, hat viel Kritik nach sich gezogen. Erneut werde ein ehemaliger Manager eines Öl- und Gaskonzerns COP-Präsident, “das bringt uns näher an den Abgrund”, sagte Collin Rees von Oil Change International der AFP. “Jetzt ist ein ehemaliger Ölmanager aus einem autoritären Petrostaat dafür verantwortlich, die Antwort der Welt auf die [Klima-]Krise zu finden, die fossile Unternehmen verursacht haben”, sagte Alice Harrison, Leiterin der Kampagne für fossile Brennstoffe bei Global Witness.
Allerdings gibt es auch andere Reaktionen. Die COP29 werde nicht so “nervenaufreibend”, wie die COP28, sagt der ehemalige Verhandler, Kaveh Guilanpour, der BBC. “Auf diplomatischer Ebene werden die Finanzfragen schwierig sein, aber ich denke, dass die Aufgabe der Präsidentschaft insgesamt einfacher sein wird”, so Guilanpour. Der Klimajournalist Ed King schrieb auf Twitter, “es lohnt sich, Babayew und seinem Team eine Chance zu geben, bevor man sich auf sie stürzt.” Es gäbe nur wenige Länder, die alle Kriterien erfüllten. Doch aufgrund seiner Vergangenheit als Öl- und Gasmanagers wird Babayew ebenso wie sein Vorgänger Sultan Al Jaber im besonderen Fokus stehen. Nico Beckert
wer folgt auf Stéphane Séjourné? Die Beförderung des Vorsitzenden der liberalen Renew-Fraktion zum französischen Außenminister hat seine Kollegen im Europaparlament auf dem falschen Fuß erwischt. Bei der heutigen Fraktionssitzung in Straßburg wollen sie nun über die Nachfolge beraten. Bereits am Wochenende sondierten die Delegationen die Optionen.
Die französische Renaissance-Delegation hat sich noch nicht positioniert, ob sie weiter die Führungsrolle beansprucht. Als wahrscheinlichste Variante gilt bislang, dass der erste Stellvertreter Séjournés, Malik Azmani, die Aufgabe nicht nur interimistisch übernimmt. Die Amtszeit endet ohnehin bereits in sechs Monaten, mit den Europawahlen im Juni. Der Niederländer hat Interesse signalisiert. Azmani und seine Mitstreiter bemühen sich überdies, Bedenken in der Fraktion hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit der Partei VVD mit dem Radikalen Geert Wilders in Den Haag zu zerstreuen – eine Kooperation stehe nicht an.
Schon einen Schritt weiter bei der Personalsuche ist die SPD: Die Führungsgremien der Partei werden heute die Liste für die Europawahl beschließen, mit Katarina Barley als Frontfrau. Am Mittwoch endet dann auch die Frist für Bewerber, die die europäischen Sozialdemokraten in die Wahl führen wollen. Bislang der einzige Bewerber: Arbeitskommissar Nicolas Schmit.
Und noch in eigener Sache: Wenn Sie die Inhalte von Table.Media ebenso gerne hören wie lesen, empfehlen wir unseren neuen Podcast Table.Today. Heute geht es los mit einem Gespräch unseres neuen Chefredakteurs Michael Bröcker mit Bundesfinanzminister Christian Lindner. Auch Europa wird bei Table.Today immer wieder Thema sein.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche!
Im Streit um eine mögliche Teilung der deutschen Strompreiszone hat Europas Energie-Regulierungsagentur ACER eine weitere Möglichkeit gefunden, den Bund unter Druck zu setzen. Wie nun bekannt wurde, hat die Bundesregierung deshalb die Agentur im vergangenen September vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg verklagt. Veröffentlicht wurde die Klageschrift kürzlich im Europäischen Amtsblatt.
Bei einer Aufteilung der deutschen Gebotszone drohen höhere Strompreise in Bundesländern mit geringer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Dies bedeute eine “strukturelle Benachteiligung für die industriellen Zentren im Süden und Westen Deutschlands“, heißt es in einem Beschluss von Bayern, Nordrhein-Westfalen und vier weiteren Landesregierungen aus dem vergangenen Jahr.
Hintergrund für die mögliche Spaltung sind europäische Vorgaben zum grenzüberschreitenden Stromhandel. Die EU will einen reibungslosen Binnenmarkt sicherstellen, damit günstige Elektrizität aus jedem Mitgliedstaat auch bei Verbrauchern aus anderen europäischen Ländern ankommt. Bisher drehte sich die Auseinandersetzung zwischen ACER und Deutschland um die 70-Prozent-Regel.
Bis Ende 2025 muss Deutschland sein Stromnetz so weit ausbauen, dass Leitungsengpässe beseitigt werden. Das Ziel: 70 Prozent der Kapazität grenzüberschreitender Leitungen sollen für den europäischen Stromhandel zur Verfügung stehen. Wichtig ist dabei: Die verfügbaren Übertragungskapazitäten sind nicht statisch. Die Netzbetreiber müssen sie immer wieder neu berechnen, nach technischen Regeln, die ACER festlegt.
Aus Sicht der Bundesregierung verstieß die Agentur aber bei ihrer Entscheidung zu den Kapazitätsberechnungsmethoden gegen europäisches Recht. “Der Mitgliedsstaat [werde] de facto zu einer Neukonfiguration seiner Gebotszone gezwungen, wenn er interne Netzelemente nicht mehr in der Kapazitätsberechnung berücksichtigen kann”, heißt es in der erstmals im Dezember veröffentlichten Klageschrift. Sie wurde nun auch im Europäischen Amtsblatt vom 3. Januar publiziert.
Auch wenn sich der Streit vordergründig nur um höhere technische Anforderungen dreht, sehen Experten darin eine politische Strategie der europäischen Regulierer. Das Aufrechterhalten der deutschen Strompreiszone soll so teuer werden, dass sich der Bund zur Teilung gezwungen sieht. Einen konkreten Plan für bis zu vier deutsche Preiszonen hatte ACER bereits 2022 vorgelegt.
Die Festlegung der Agentur führe dazu, dass mehr Stromleitungen in Deutschland zu “internen Netzelementen” erklärt werden, sagt der Berater Christoph Maurer von Consentec. Auf diesen Abschnitten dürften die Netzbetreiber den Stromfluss anders als bei kritischen grenzüberschreitenden Verbindungen gar nicht einschränken, wenn es um den europäischen Stromhandel geht. Dadurch könne es auf dem Elektrizitätsmarkt vermehrt zu Handelsgeschäften kommen, die technisch gar nicht umgesetzt werden können.
Die Netzbetreiber müssten dann womöglich häufiger die Leistung von Kraftwerken hoch- und herunterfahren, um das Netz stabil zu halten. Maurer befürchtet, dass dieser Redispatch durch die verschärfte ACER-Entscheidung unnötig in die Höhe getrieben wird. Die Kosten dafür könnten die Vorteile aus dem intensiveren europäischen Handel überwiegen – letztlich würde es für deutsche Stromkunden teurer. Im Jahr 2022 lagen die Redispatch-Kosten nach Angaben der Netzbetreiber bereits bei 2,8 Milliarden Euro.
Die Reaktionen auf die Wahlen in Taiwan sorgen für neue Spannungen zwischen China und den USA. Am Samstagabend hatte US-Außenminister Antony Blinken über X (vormals Twitter) dem neuen Präsidenten William Lai (Lai Ching-te) zu seinem Wahlsieg gratuliert. Das chinesische Außenministerium sprach hierzu von einem “falschen Signal” und einem Bruch der Zusicherung, keine offiziellen politischen Beziehungen mit der taiwanischen Regierung aufzubauen. Es kritisierte auch weitere Staaten für ihre positiven Reaktionen auf die Wahlen in Taiwan, darunter Japan.
Im Anschluss an die Wahlen erreichte am Sonntagabend eine Delegation ehemaliger hochrangiger US-Regierungsbeamter Taiwan. Gemeinsam mit Laura Rosenberger, der Vorsitzenden der US-Vertretung in Taiwan (dem American Institute Taipei) wollen sie eine Reihe führender taiwanischer Politiker treffen. Die Delegation reist nicht im Namen der US-Regierung.
Deutschland meldete sich ebenfalls mit Glückwünschen, ging aber nicht so weit wie Blinken, der Lai beim Namen nannte und die Wahl eine Präsidentschaftswahl. Das Auswärtige Amt gratulierte dagegen nur “den Gewählten”, vermied das Wort “Präsident” und entging damit möglicherweise der Kritik Pekings. “Wir gratulieren allen Wählerinnen und Wählern, den Kandidatinnen und Kandidaten, die an diesen Wahlen teilgenommen haben, sowie den Gewählten”, teilte das Auswärtige Amt am Sonntag wörtlich mit.
Andererseits betonte ein Sprecher am Sonntag auch die Wichtigkeit der demokratischen Wahl und nannte Taiwan dabei einen “eigenständigen Staat”. Deutschland setze sich für den Erhalt des Status quo und Vertrauensbildung ein. Es sei an einer Vertiefung der Zusammenarbeit mit Taiwan interessiert. Die französische Regierung äußerte sich ähnlich, ebenso ein Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes.
Der bisherige Vizepräsident William Lai war am Samstag zu Taiwans neuem Präsidenten gewählt worden (mehr dazu lesen Sie bei den Kollegen von China.Table). Lai und seine Partei DPP setzen weiter auf die internationale Einbindung Taiwans. Das gilt vor allem in Richtung USA, dem stärksten und traditionell engsten Partner. Aber auch für die EU und Deutschland bieten sich hier große Chancen, sagt die Sinologin Josie-Marie Perkuhn von der Universität Trier. “Die DPP setzt klar auf Europa als Partner.”
Themen für die Partnerschaft seien die Sicherheit von Lieferketten, der Ausbau der Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung und die Gewinnung grüner Energie. Kurz vor der Wahl habe Taiwans Regierung dazu zwei große Programme beschlossen: “Beide Initiativen zielen ganz klar auf Europa”, sagt Perkuhn.
Und Brüssel scheint willens, die Zusammenarbeit auszubauen. “Wir sind uns mit Taiwan einig, dass der Status quo in den Beziehungen nicht einseitig und schon gar nicht mit Gewalt verändert werden darf”, sagt Michael Gahler, außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Vorsitzender der Taiwan-Freundschaftsgruppe des EU-Parlaments. “Im Rahmen des Möglichen werden wir den Ausbau der Beziehungen betreiben. Als Europäisches Parlament haben wir seit langem den Abschluss eines bilateralen Investitionsabkommens gefordert.” Leonardo Pape, Michael Radunski, Finn Mayer-Kuckuk
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wirft Berlin und Brüssel vor, sich nicht adäquat auf eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump und die etwaigen Folgen vorzubereiten. “Es beschwert mich, wie sorglos die EU und vor allem der größte Mitgliedstaat mit einer solchen potenziellen Herausforderung umgehen”, sagte Merz im Interview mit Table.Media.
Wenn die Bundesregierung nach dem Verfassungsgerichtsurteil 200 Stunden Krisensitzung brauche, um “geradezu läppische und dann immer noch umstrittene Entscheidungen” zu treffen, dann stelle er sich schon die Frage: “Haben die eigentlich verstanden, was da zurzeit auf der Welt passiert?” Und er frage sich, ob Willy Brandt, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder, Helmut Kohl oder Angela Merkel sich in einer solchen Situation mit einer solchen Arglosigkeit gestritten hätten, statt sich mit den Staatschefs in Europa zusammenzusetzen. “Für mich hat das etwas Schlafwandlerisches.”
Europa müsse sich auf alle Möglichkeiten vorbereiten. “Die Europäer müssen einen Plan A mit Amerika und einen Plan B ohne Amerika haben, und zwar sehr schnell”, so Merz. Deutschland stehe vor der Herausforderung, Sicherheitspolitik wieder strategisch zu denken. Dabei gebe es nicht auf alle Fragen schon Antworten. Für ihn gelte: “Si vis pacem, para bellum – Wer Frieden will, muss zum Krieg bereit sein.” Und Berlin müsse dazu beitragen, Europa endlich “weltpolitikfähig” zu machen, wie Jean-Claude Juncker es ausgedrückt habe.
Merz forderte zudem Marschflugkörper für die Ukraine. Er betont, er würde der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung stellen. “Diese Marschflugkörper könnten die Kertsch-Brücke zur Halbinsel Krim zerstören, dem wichtigsten Nachschubweg für die russischen Invasionsstreitkräfte.” Bundeskanzler Olaf Scholz aber bleibe der deutschen Bevölkerung die Antwort darauf schuldig, warum er diese Waffe nicht liefert. “Ist das noch Taktik? Oder ist es Ignoranz? Er bleibt uns allen, auch mir, jede Antwort auf diese Frage schuldig”, kritisiert Merz. steb
Die EVP hat Ambitionen, nach der Europawahl im Juni nicht nur den Kommissionspräsidenten, sondern auch den Ratspräsidenten zu stellen. Derzeit würden zwölf von 27 Mitgliedstaaten von Politikern der Parteienfamilie regiert, sagte ein hochrangiger Vertreter. Weitere könnten hinzukommen: In Bulgarien stehe im März die Übergabe an Marija Gabriel an, die der EVP angehört. Möglicherweise könnten die Christdemokraten auch die Parlamentswahlen in Portugal für sich entscheiden. Wenn die EVP an der Schwelle zur Mehrheit im Rat stehe, werde sie auch um das Amt des Ratspräsidenten kämpfen, heißt es in der Partei.
Als möglicher Anwärter auf das Amt des Ratspräsidenten wird Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis gehandelt. Entsprechende Spekulationen der Nachrichtenagentur Bloomberg sind nicht abwegig. Die zweite Amtszeit des 64-jährigen Christdemokraten, der der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen angehört, endet am 21. Dezember. Als Donald Tusk 2019 sein Amt als ständiger Ratspräsident aufgab, hatte er Ioannis bereits als potenziellen Nachfolger ins Spiel gebracht. Ioannis lehnte seinerzeit mit Hinweis auf seine Verpflichtungen in Rumänien ab.
Die Mitgliedstaaten aus Ost- und Mitteleuropa gingen 2019 leer aus bei der Besetzung der Topjobs in der EU und erheben den Anspruch, nach den Europawahlen 2024 zum Zuge zu kommen. Seit 2004 stellt die christdemokratische Parteienfamilie EVP die oder den Kommissionspräsidenten. Sie beansprucht das Amt auch diesmal. Es wird damit gerechnet, dass Amtsinhaberin Ursula von der Leyen in den nächsten Wochen ihre Kandidatur anmeldet. mgr
Die belgische EU-Ratspräsidentschaft will für eine bessere Koordinierung der Sozialsysteme in der EU sorgen. Ziel ist, die Personenfreizügigkeit im Binnenmarkt zu verbessern und bürokratische Hemmnisse bei der kurzzeitigen Entsendung von Mitarbeitern im Dienstleistungsbereich abzubauen. Die Initiative Belgiens zielt darauf, wieder Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen über die Verordnung 883 zu bringen.
In den letzten Jahren hatten etwa die Behörden Belgiens, Frankreichs und Österreichs viele Handwerker und andere Dienstleister aus Deutschland verärgert, die Aufträge im EU-Ausland erledigen wollten. Wenn die Arbeitnehmer nicht die A1-Bescheinigung vorweisen konnten, mussten sie vielfach Bußgelder zahlen. Mit einer A1-Bescheinigung können erwerbstätige Personen nachweisen, dass für sie das Recht des Entsendestaates oder die Vorschriften eines ausländischen Staates maßgebend sind. Eine deutsche A1-Bescheinigung dokumentiert in diesen Fällen, dass die im Ausland erwerbstätige Person weiter dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt.
Die beiden EU-Abgeordneten Dennis Radtke und Andreas Schwab (beide CDU) begrüßen die Initiative Belgiens ausdrücklich. “Wir brauchen Rechtssicherheit für Beschäftigte und Unternehmen”, sagte Sozialexperte Radtke. Es sei ein Armutszeugnis, dass man in fünf Jahren Verhandlungen keinen Kompromiss zustande gebracht habe. “Arbeitnehmer brauchen Klarheit und Transparenz bei ihren Ansprüchen, die Unternehmen eine unbürokratische Handhabung bei den sogenannten A1 Bescheinigungen.”
Schwab forderte, den Binnenmarkt krisenresistent machen. In der Corona-Krise habe man erlebt, wie schnell die Mitgliedstaaten Grenzkontrollen wieder eingeführt haben, und “damit das wirtschaftliche Herzstück Europas fast zum Erliegen kam.” Schwab ist Berichterstatter für den Vorschlag der Kommission für ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt.
Er und Radtke fordern: “Krisenrelevantes Personal wie Ärzte und Krankenschwestern müssen im Notfall künftig die Grenzregionen durch Vorzeigen eines einfachen QR-Codes – ohne das viel kritisierte A1-Formular – passieren können.” Angaben zum Arbeits- oder Gesundheitsstatus müssten endlich online und per einheitlichen Formularen erfolgen. Dies müsse die Kommission jetzt vorbereiten, damit die digitalen Schnellspuren für die nächste Krise einsatzbereit seien. mgr
In der EU sind laut dem Verband Wind Europe 2023 so viele Windkraftanlagen neu gebaut worden wie noch nie zuvor in einem Jahr. Die errichtete Leistung von 17 Gigawatt liege leicht über dem Wert des Vorjahres, aber weit unter den 30 Gigawatt pro Jahr, die die EU für das Erreichen ihrer Klima- und Energiesicherheitsziele für 2030 rechnerisch bauen müsse.
Der Anteil der Windenergie an der gesamten Stromerzeugung in Europa betrug laut dem Verband im vergangenen Jahr 19 Prozent. Von den 17 Gigawatt Leistung seien 14 Gigawatt an Land errichtet worden, drei Gigawatt Leistung auf See. Deutschland hat demnach die meisten neuen Windkapazitäten gebaut, gefolgt von den Niederlanden und Schweden.
Um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen, hatte die EU-Kommission im Oktober ein Windkraftpaket vorgestellt. So sollen etwa die nationalen Genehmigungsverfahren stärker digitalisiert werden. Von der Beantragung bis zum Bau von Windrädern dauert es derzeit europaweit mehrere Jahre. Die Maßnahmen würden dazu beitragen, den jährlichen Zubau zu erhöhen, so Wind Europe. Entscheidend sei die Umsetzung auf nationaler Ebene. dpa/tho
Mukhtar Babayew wurde jüngst zum designierten Präsidenten für die UN-Klimakonferenz in Baku im November ernannt. Der 55-jährige Umweltminister Aserbaidschans blickt auf eine lange Karriere in der Öl- und Gasindustrie zurück. In der internationalen Klimapolitik ist er ein eher unbeschriebenes Blatt. Dass erneut ein ehemaliger Öl- und Gasmanager die Klimagespräche leiten wird, ruft viel Kritik hervor.
Auf der letztjährigen COP in Dubai repräsentierte Babayew zwar sein Land. Doch er ist erst seit 2018 Umweltminister. An den COP26 und COP27 hatte Babayew nicht teilgenommen. Als COP-Präsident ist es seine Aufgabe, die Verhandlungen zu leiten und Kompromisse auszuarbeiten. Dafür braucht es ein enges Netz an diplomatischen Beziehungen und Verhandlungsgeschick – beides hat Babayew noch nicht unter Beweis gestellt.
Während der Klimakonferenz in Dubai sagte er, “angesichts der immer deutlicher werdenden Auswirkungen des Klimawandels erkennen wir die Notwendigkeit an, unsere Anstrengungen zu bündeln, die globale Zusammenarbeit zu fördern und sicherzustellen, dass unsere Maßnahmen dem Ernst der Lage gerecht werden”.
Doch das im Jahr 2023 erneuerte nationale Klimaziel (NDC) von Aserbaidschan ist nicht allzu ambitioniert. Die Treibhausgasemissionen sollen bis zum Jahr 2050 um 40 Prozent reduziert werden. Der Anteil der Erneuerbaren an den installierten Energiekapazitäten soll von 16,5 Prozent (2022) bis Ende des Jahrzehnts auf 30 Prozent steigen.
Gleichzeitig weitet das Land seine Öl- und Gasproduktion aus. Über das nächste Jahrzehnt soll die Förderung um gut ein Drittel erhöht werden. Ein Großteil der Gasexporte geht nach Europa. Die EU bezieht sieben Prozent ihrer Pipeline-Importe aus Aserbaidschan. Das Land will die Ausfuhren auf den europäischen Markt bis 2027 verdoppeln, wie Reuters berichtet. Die Abhängigkeit Aserbaidschans von fossilen Rohstoffen ist sehr hoch. Die Öl- und Gasindustrie macht schon heute 92,5 Prozent der Exporteinnahmen des Landes und etwas unter 50 Prozent des BIP aus.
Babayew stammt aus Baku, studierte Politikwissenschaften in Moskau und Außenwirtschaftsbeziehungen in Aserbaidschan. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1992 schloss er sich schnell dem staatlichen Öl- und Gaskonzern Socar an, für den er 26 Jahre arbeitete. Ab 2007 leitete er die damals gegründete Umweltabteilung des Unternehmens. Bis 2010 war es seine Aufgabe, die Umweltbelastungen der Förderung zu verringern und beispielsweise die Bodenverseuchung nach jahrzehntelanger Förderung zu bereinigen. Die Ziele seiner Abteilung standen teils im Widerspruch zur Socar-Strategie, die Produktion massiv auszuweiten.
Auf einer ersten Socar-Konferenz zur Bereinigung verseuchten Bodens im Jahr 2008 warnte Babayew, “dass sich der starke Rückgang der Ölpreise negativ auf künftige Maßnahmen auswirken könnte”, wie Wikileaks aus US-Botschaftsdepeschen zitiert. Generell ist über Babayew wegen der unfreien Presse in Aserbaidschan wenig bekannt. In den Archiven internationaler Medien wie Bloomberg, der New York Times und der Financial Times taucht sein Name bis zur COP28 gar nicht auf.
Babayews Ernennung, die rein formell noch zum Start der COP29 vom COP-Plenum bestätigt werden muss, hat viel Kritik nach sich gezogen. Erneut werde ein ehemaliger Manager eines Öl- und Gaskonzerns COP-Präsident, “das bringt uns näher an den Abgrund”, sagte Collin Rees von Oil Change International der AFP. “Jetzt ist ein ehemaliger Ölmanager aus einem autoritären Petrostaat dafür verantwortlich, die Antwort der Welt auf die [Klima-]Krise zu finden, die fossile Unternehmen verursacht haben”, sagte Alice Harrison, Leiterin der Kampagne für fossile Brennstoffe bei Global Witness.
Allerdings gibt es auch andere Reaktionen. Die COP29 werde nicht so “nervenaufreibend”, wie die COP28, sagt der ehemalige Verhandler, Kaveh Guilanpour, der BBC. “Auf diplomatischer Ebene werden die Finanzfragen schwierig sein, aber ich denke, dass die Aufgabe der Präsidentschaft insgesamt einfacher sein wird”, so Guilanpour. Der Klimajournalist Ed King schrieb auf Twitter, “es lohnt sich, Babayew und seinem Team eine Chance zu geben, bevor man sich auf sie stürzt.” Es gäbe nur wenige Länder, die alle Kriterien erfüllten. Doch aufgrund seiner Vergangenheit als Öl- und Gasmanagers wird Babayew ebenso wie sein Vorgänger Sultan Al Jaber im besonderen Fokus stehen. Nico Beckert