das Chaos ist perfekt: Heute Vormittag stimmt das EU-Parlament nicht nur über eine spätere Umsetzungsfrist der EU-Regeln für entwaldungsfreie Lieferketten ab – das Gesetz dazu trat bereits im Juni 2023 in Kraft trat. Die Verordnung könnte zudem deutlich abgeschwächt werden, sollten die 15 Änderungsanträge der EVP auch nur teilweise Zustimmung erhalten.
Da Grüne und Sozialdemokraten die Änderungen deutlich ablehnen, würde die EVP sie wohl nur mit Stimmen rechter Parteien wie der AfD durchsetzen können. In diesem Fall droht anschließend eine Blockade: Das Parlament müsste die Änderungen im Trilogverfahren mit dem Rat verhandeln. Unter den Mitgliedstaaten gäbe es jedoch wahrscheinlich keine Mehrheit.
Grüne und Sozialdemokraten warnen vor der Unsicherheit, die die Situation für betroffene Unternehmen und Handelspartner schafft – und werfen der EVP widersprüchliches Verhalten vor. Schließlich war es der EVP-Parteikollege und designierte Agrarkommissar Christophe Hansen, der die Verordnung als Berichterstatter verhandelt hatte. Auch informelle Absprachen mit Liberalen und Sozialdemokraten scheint die EVP nicht eingehalten zu haben.
Eine klare Perspektive gibt es nur in einem Fall: Erhält keiner der Änderungsanträge, sondern lediglich die Verschiebung eine Mehrheit (was wahrscheinlich ist), kann diese direkt in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten haben bereits zugestimmt.
Wie man es auch wendet: Die großen Verlierer werden jene Unternehmen sein, die sich auf den ursprünglichen Plan verlassen haben und bereits ab Ende 2024 startklar gewesen wären.
Der Machtkampf im Europaparlament um die neue Kommission hat sich am Mittwoch deutlich zugespitzt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen empfing die Fraktionsvorsitzenden von EVP, S&D und Renew gestern im Berlaymont, um die Wogen zu glätten. Das eineinhalbstündige Gespräch mit Manfred Weber, Iratxe García Pérez und Valérie Hayer habe kein konkretes Ergebnis gebracht, hieß es im Anschluss aus dem Parlament, man wolle aber weiter miteinander sprechen.
Am Abend traf auch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die Fraktionsvorsitzenden. Bis zur geplanten Abstimmung über die neue Kommission am 27. November sei noch Zeit, sagte Metsola, das Parlament sei “fest entschlossen, die neue Kommission zu installieren”. Die ersten Monate einer neuen Legislaturperiode seien immer schwierig, “aber es ist wichtig, dass wir zusammenarbeiten”, sagte die EVP-Politikerin.
Zuvor hatten die Sozialdemokraten kaum verhohlen damit gedroht, der neuen Kommission die Zustimmung zu verweigern und die Zusammenarbeit mit der EVP aufzukündigen. Die Christdemokraten unter Manfred Weber hätten durch dessen “unverantwortliches Verhalten” die Vereinbarung der pro-europäischen Fraktionen nach der Europawahl gebrochen, hieß es in einer Erklärung der S&D-Fraktion. “In den vergangenen Tagen haben wir gesehen, dass die Führung der EVP bereit ist, die Stabilität der europäischen Institutionen zu riskieren, und das in einem schwierigen geopolitischen Klima.”
Der Konflikt entzündet sich an der ausstehenden Abstimmung über die sechs Vizepräsidenten der EU-Kommission und den ungarischen Kandidaten Olivér Várhelyi, doch die Wurzeln reichen tiefer. Bei den Sozialdemokraten heißt es, die Schmerzgrenze sei erreicht. Die EVP habe in den vergangenen Wochen teils unverhohlen mit den Rechtsaußen-Fraktionen gestimmt, etwa in der Venezuela-Resolution oder bei einer Entschließung zum Haushalt Ende Oktober. Die pro-europäische Mehrheit könne nicht funktionieren, so S&D-Fraktionsvize Kathleen Van Brempt, “wenn die EVP weiterhin die Grenzen überschreitet, indem sie mit extremen Parteien zusammenarbeitet”.
Das Fass zum Überlaufen aus S&D-Sicht brachten die verbalen Attacken aus Reihen der EVP gegen die designierte Vizepräsidentin Teresa Ribera bei der Anhörung am Dienstagabend. Die spanischen PP-Abgeordneten warfen der noch amtierenden sozialistischen Umweltministerin eine Mitverantwortung für die Flutkatastrophe in Valencia vor. Gestern forderte PP-Chef Alberto Núñez Feijóo Ministerpräsident Pedro Sánchez auf, Ribera als Kandidatin zurückzuziehen.
In EVP-Kreisen hieß es, Ribera solle sich der Anhörung im Parlament in Madrid am kommenden Mittwoch stellen und reinen Tisch machen, bevor sie Vizepräsidentin werde. Der Auftritt der designierten Vizepräsidentin habe überdies auch Fachpolitiker nicht überzeugt. Sozialisten und Liberale müssten nun ihre institutionelle Verantwortung wahrnehmen. Weber besteht weiter darauf, über alle sieben offenen Kommissionspersonalien im Paket abzustimmen.
Die Sozialdemokraten sehen die Abstimmung über die neue Kommission als den stärksten Hebel, den sie noch haben, um die EVP auf eine Zusammenarbeit mit sich und den Liberalen zu verpflichten. Konkret fordern sie dem Vernehmen nach, dass die EVP umgehend den Weg freimacht für fünf der sechs Vizepräsidenten, einschließlich Riberas. Die eigene Zustimmung zum italienischen Kandidaten Raffaele Fitto knüpft die S&D daran, dass er kein Vizepräsident wird. Der designierte Gesundheitskommissar Várhelyi soll bestimmte Zuständigkeitsbereiche abgeben, etwa für Reproduktionsmedizin und Pandemiemanagement.
Die Liberalen teilen viele der Kritikpunkte der S&D an den Christdemokraten, bemühen sich aber zu vermitteln. Fraktionschefin Valérie Hayer forderte gestern eine “Koalitionsvereinbarung zwischen den zentralen Gruppen dieses Hauses, um den unverantwortlichen Spielen ein für alle Mal ein Ende zu setzen”. Der eigentliche Sinn der Anhörungen sei durch die “politischen Spiele” beschädigt worden.
Weber und von der Leyen wollen sich aber nicht allein an S&D, Liberale und Grüne binden. Die Christdemokraten befinden sich in einer starken Position, weil ohne sie keine Mehrheiten im Parlament möglich sind. Die Option, mit den rechten Fraktionen zu kooperieren, gibt ihr einen starken Hebel in die Hand, um Zugeständnisse von Sozialdemokraten und Liberalen zu bekommen.
In der EVP heißt es, S&D habe die neuen Mehrheiten noch nicht realisiert. In der vergangenen Legislatur seien die Christdemokraten in der Position gewesen, dass Mitte-Links eigene Mehrheiten habe organisieren können. Heute sei es umgekehrt.
Die Erwartungen an den ersten europäischen Wohnungskommissar Dan Jørgensen sind hoch. Immerhin haben die gestiegenen Wohn- und Lebenshaltungskosten laut einer Nachwahlbefragung viele Wähler in diesem Sommer bei den Europawahlen mobilisiert. “Eine europäische Finanzierung kann nicht alles lösen”, versuchte Jørgensen in seiner Anhörung die Hoffnungen etwas einzufangen. Denn die EU hat bei dem Thema fast keine eigenen Kompetenzen.
Einer der Hebel, den die Union beim Thema Wohnen hat: Geld. Der grüne Haushaltspolitiker Rasmus Andresen fordert daher, im kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen mehr Mittel für die Schaffung von sozialem und leistbarem Wohnraum zu mobilisieren, in Form eines Fonds: “Gerade, wenn wir über die Frage von gesellschaftlichem Zusammenhalt sprechen, ist Wohnen ein Thema, wo sich die EU beweisen und auch Geld in die Hand nehmen muss“, sagte Andresen zu Table.Briefings.
Ob das gelingt, ist eine andere Frage: Das Geld für den kommenden EU-Haushalt ist schon jetzt heftig umstritten. Prominent war etwa zuletzt die Forderung des finnischen Ex-Präsidenten Sauli Niinistö, bis zu 20 Prozent des EU-Budgets für den Bereich Krisenvorsorge bereitzustellen. Jørgensen hat sich in der Hinsicht nicht eindeutig geäußert im Hearing. Was er stattdessen versprochen hat: Die Mittel im Kohäsionsfonds für Wohnen auf rund 14 Milliarden Euro zu verdoppeln.
Allerdings ist der aktuelle Kohäsionsfonds schon ausgearbeitet und die Mittel sind in der Verteilung auch schon festgelegt. Doch Andresen glaubt: Diese könnten durchaus umgeschichtet werden, denn es werde nicht immer alles abgerufen. “Wenn es da Spielraum gibt, sollten wir das ermöglichen”, findet er. Der Vorteil: Diese Maßnahme ließe sich recht schnell umsetzen.
Abgerufen werden müssen die Gelder natürlich dennoch. Und: 14 Milliarden sind im Vergleich zu den hohen Kosten für sozialen und bezahlbaren Wohnbau nur etwas mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die High-Level Task Force bezifferte die Investitionslücke im Bereich bezahlbares Wohnen 2018 in einer viel beachteten Studie auf rund 57 Milliarden Euro jährlich. Seither hat sich bei dem Punkt nach Sicht von Experten wenig an der eklatanten Unterfinanzierung geändert, wenn die Bedarfe dafür nicht sogar noch größer geworden sind.
Das weiß auch Jørgensen. In seiner Anhörung betonte er: “Wir werden das Problem nicht alleine mit staatlichen Geldern lösen können.” Man brauche Geld von privaten Investoren. “Im besten Fall sammeln wir für jeden staatlichen Euro drei, vier oder fünf private Euros ein“, sagte der designierte Kommissar für Energie und Wohnen.
Doch wie kann das gelingen? Zentral hierfür ist die paneuropäische Investitionsplattform, die Jørgensen mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) aufbauen will. Die Arbeiten dazu laufen bereits, aus Kreisen der EIB hieß es, dass man im 1. Quartal 2025 eine solche Plattform in den Grundzügen konzipiert haben will.
Schon jetzt vergibt die EIB Kredite, um bezahlbaren Wohnraum und energetische Sanierungen zu ermöglichen. Für die paneuropäische Investitionsplattform sollen bestenfalls auch nationale Förderbanken und andere Stakeholder mit ins Boot geholt werden, um noch mehr Projekte zu finanzieren, so der Mission Letter an Jørgensen.
Der Vorteil einer Finanzierung über die EIB: Die Kredite sind recht günstig. Denn die EIB kommt dank ihres Triple-AAA-Ratings leicht an Geld und hat auch einen langfristigen Horizont bei der Rückzahlung. Allerdings: Die EIB stellt bisher nie die Gesamtsumme bereit, die Kreditnehmer müssen eine Kofinazierung leisten.
Die finanzielle Messlatte für EIB-Projekte liege derzeit aber so hoch, dass viele Investoren gar nicht berücksichtigt werden könnten, kritisiert Andreas Ibel, Präsident von Build Europe, der private Bauträger auf europäischer Ebene vertritt: “Aktuell werden vor allem quartiersplanerische Projekte und große Konzerne gefördert. Der Mittelstand findet nicht statt.” Seine Forderung: den Zugang auch für kleinere Träger öffnen.
Das fände auch Barbara Steenbergen wichtig. Sie leitet das Brüsseler Büro der International Union of Tenants (IUT). Doch bei der Frage, wer prioritär gefördert werden soll, hat die Mieterschützerin ganz andere Vorstellungen als Ibel. Sie sagt gegenüber Table.Briefings: “Die Finanzierung muss in erster Linie an gemeinnützige und nicht-profitorientierte Träger gehen.” Auch diese würden gerne mehr in dem Bereich tun und würden sich sehr über Hilfen der EIB freuen. Denn, so findet sie: “Wir haben den Wohnungssektor in den vergangenen Jahren viel zu sehr den privaten Trägern überlassen. Wir sehen, wozu das geführt hat: Es gibt kaum leistbaren Wohnraum mehr.”
Eine weitere mögliche Stellschraube, um mehr Wumms in die europäische Förderung zu bekommen: eine Änderung der Kofinanzierungsregeln, findet Haushaltspolitiker Andresen. Zumindest für gemeinnützigen Wohnbau. “Gerade für klamme Kommunen ist es schwer, die benötigten Eigenmittel zu mobilisieren. Da werden willige Akteure, die gerne günstigen Wohnraum schaffen würden, durch die Vorgaben zu den Eigenmitteln derzeit ausgebremst.”
Doch wie viel kann die paneuropäische Investitionsplattform überhaupt bringen? Da gehen die Urteile auseinander. Steenbergen findet: “Das könnte sehr viel bewegen, gerade wenn die gemeinnützigen und sozialen Träger bevorzugt gefördert werden.” Ibel dagegen sagt: “Finanzierung ist nicht das Wichtigste. Was uns mehr bringt, das wären weniger Belastungen, vor allem keine neuen Richtlinien und weniger Steuern.”
Zwar hat die EU beim Thema Steuern keine Gesetzgebungskompetenz. Doch Ibel begrüßt, dass Jørgensen auch den Dialog zwischen den Staaten verbessern will. Er hofft vor allem, dass die Beispiele aus Spanien, Luxemburg oder Kanada Schule machen – dort wurde die Umsatzsteuer auf Mietwohnungsbau zuletzt entweder abgesenkt oder ganz abgeschafft. “Da in den Austausch zu kommen, das wäre ein zentraler Baustein”, sagt Ibel.
Ins Gespräch kommen, das will der designierte Wohnungskommissar Jørgensen schon bald. Er hat angekündigt, in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit in den Dialog mit allen relevanten Stakeholdern im Wohnungsbereich zu treten. Die Ergebnisse sollen dann in den ersten europäischen Plan für bezahlbares Wohnen und die europäische Wohnungsbaustrategie einfließen.
15.11.2024 – 14:30-16:00 Uhr, Baku (Aserbaidschan)
FSR, Panel Discussion Enhancing NDCs 3.0: The Role of Carbon Markets in Emission Reductions and Removals
The Florence School of Regulation (FSR) explores different pathways to enhance NDCs through carbon markets. INFOS & REGISTRATION
15.11.2024 – 17:30-20:30 Uhr, Potsdam
KAS, Vortrag Wie weiter in Nahost?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beschäftigt sich mit der aktuellen politischen Situation im Nahen Osten. INFOS & ANMELDUNG
19.11.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
FSR, Panel Discussion How to ensure a sustainable agricultural trade regime
The Florence School of Regulation (FSR) explores the critical importance of sustainable agricultural trade and its benefits for the environment, economy, and society. INFOS & REGISTRATION
In der Affäre um die mögliche Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament hat die Staatsanwaltschaft einen fünfjährigen Verlust des passiven Wahlrechts für die Rechtsnationale Marine Le Pen gefordert. Le Pen könnte bei einer solchen Strafe zeitweise nicht mehr in öffentliche Ämter gewählt werden. Die Anklage verlangte, die Strafe vorläufig anzuwenden – also bereits nach dem Urteilsspruch und nicht erst nach einem möglicherweise langjährigen Lauf durch die gerichtlichen Instanzen.
Der Zeitung “Le Monde” zufolge warf Le Pen der Anklagebehörde vor, “die Franzosen ihrer Möglichkeit zu berauben, für wen sie wollen zu stimmen”. 2027 steht in Frankreich die nächste Präsidentschaftswahl an. Staatschef Emmanuel Macron kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Erwartet wird hingegen, dass Frankreichs führende Rechtsnationale Le Pen, die Macron zweimal in der Stichwahl bezwang, auch 2027 für ihr Rassemblement National ins Rennen gehen will. dpa
Die Regierungen in Berlin und Paris haben vereinbart, sich über “bewährte Verfahren” zur Förderung von Elektrofahrzeugen und technischen Innovationen in diesem Bereich auszutauschen. So steht es in einem Papier, das das französische Energieministerium am Dienstag veröffentlicht hat. Es geht auf einen Austausch der Ministerin Agnès Pannier-Runacher mit dem Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold am Rande des Energierates Mitte Oktober in Luxemburg zurück.
Frankreich hatte Anfang des Jahres eine Förderung für E-Autos eingeführt, die an die CO2-Emissionen bei der Herstellung gebunden ist und damit viele chinesische Autos ausschließt. Frankreichs Industrieminister Marc Ferracci spricht sich für eine EU-weite Kaufprämie für E-Autos aus.
Das Papier ergänzt einen Aktionsplan zur Flexibilisierung der Stromsysteme beider Länder vom Mai um zusätzliche Prioritäten, darunter eine flexible Elektrifizierung des Verkehrs. Gemeinsam wollen die beiden Länder zum Beispiel daran arbeiten, Strompreise für das Beladen von E-Autos dann zu senken, wenn viel erneuerbare Energien im System sind. Ein weiterer Schwerpunkt ist das bidirektionale Laden. Dazu hatte das BMWK wenige Tage nach dem Energierat eine europäische Konferenz in Berlin organisiert. ber
Das geplante US-Gesetz zu vernetzten Fahrzeugen (Notice of Proposed Rulemaking, NPRM) soll nach Informationen des Verbands der Automobilindustrie noch von der Biden-Administration umgesetzt werden. Es stellt umfangreiche neue Anforderungen an die Hersteller. Möglich sei, dass das geplante Gesetz unter der künftigen Trump-Regierung sogar noch weiter verschärft werden könnte.
Das vom US-Handelsministerium vorgeschlagene Gesetz zielt darauf ab, den Einsatz bestimmter Technologien aus China und Russland in vernetzten Fahrzeugen zu verbieten. Konkret sollen Komponenten für Fahrzeugvernetzungssysteme (VCS) und automatisierte Fahrsysteme (ADS) aus diesen Ländern vom US-Markt ausgeschlossen werden. Dieses Verbot betrifft sowohl den Import als auch den Verkauf entsprechender Hard- und Software in den USA. Ziel des Ministeriums ist es, potenzielle Cyberangriffe durch Manipulation oder Datendiebstahl aus Fahrzeugen zu verhindern.
“Dies hat erhebliche Rückwirkungen auf die Lieferketten und kann zu Verzögerungen in der Entwicklung neuer Modelle, temporär fehlenden Ausstattungsmerkmalen und steigenden Preisen für Kundinnen und Kunden führen”, sagte VDA-Geschäftsführer Marcus Bollig.
Das NPRM verlangt von allen Herstellern, die Herkunft sicherheitsrelevanter Komponenten zu prüfen und gegebenenfalls zu ersetzen. Das betrifft europäische Hersteller genauso wie US-Konzerne wie Tesla. Die Umsetzung erfolgt stufenweise: Software darf ab dem Modelljahr 2027 nicht mehr aus den betroffenen Ländern stammen, für Hardware gilt dies ab 2030. Tesla drängt seine Zulieferer bereits seit dem Frühjahr, Teile außerhalb Chinas und Taiwans zu produzieren.
“Die vorgeschlagenen Fristen sind zu kurz“, kritisierte Bollig. Zudem fordert der VDA, Hard- und Software ab 2030 gleichzeitig zu regulieren, da sonst mehrfach umgestellt werden müsse. Weitere Forderungen betreffen die Behandlung bestehender Fahrzeuge und den Schutz vor ungewollten Einschränkungen für Verbraucher und Hersteller. “Sicherheit ist im ureigenen Interesse der deutschen Automobilindustrie”, sagte Bollig, doch die Umsetzung müsse realistisch bleiben.
Bollig verwies darauf, dass von Komponenten, die in europäischen Fahrzeugen verbaut sind, weder eine Gefahr für die persönliche noch eine nationale Sicherheit ausgehe. “Auch europäische und deutsche Regulatorik baut auf höchste Sicherheitsstandards”, erläuterte Bollig. Die für europäische Automobile verpflichtenden Cybersecurity Management Systeme stellten die Cybersicherheit von Fahrzeugen sicher – unabhängig von der Herkunft ihrer Komponenten. vis
Bewegung in Sachen eDeclaration: Die Kommission hat am Mittwoch einen Vorschlag für eine Verordnung für ein digitales, einheitliches Meldeportal für Unternehmen mit mobilen Beschäftigten vorgelegt. Das soll den Bürokratieaufwand und auch die Kosten für Unternehmen reduzieren, die ihre Beschäftigten grenzüberschreitend in die EU entsenden.
Kerninhalt: Statt diverser verschiedener nationaler Systeme soll es künftig ein einheitliches Erscheinungsbild geben. Außerdem einen auf 30 Informationen verschlankten digitalen Fragebogen. Hier können die Firmen die Angaben zu der Entsendung ihrer Beschäftigten eintragen – die sogenannte eDeclaration. Nach einer Analyse der Kommission dauert es bisher je nach Empfängerland zwischen rund 15 Minuten (Ungarn) bis zu 1 Stunde und 15 Minuten (Griechenland), eine Entsendedeklaration auszufüllen. Denn die Anforderungen seind von Land zu Land verschieden. Die eDeclaration soll im Schnitt 73 Prozent weniger Zeit in Anspruch nehmen.
Sven Giegold, scheidender Staatssekretär im BMWK, zeigte sich gegenüber Table.Briefings “hocherfreut”, dass der Vorstoß nun noch in den letzten Tagen des alten Colleges auf den Weg gebracht wurde. “Das ist das Nummer eins Thema der Unternehmen in Deutschland, wenn es um Bürokratie in Europa geht.” Hier werde es nun konkrete Verbesserungen geben. Tatsächlich haben Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände schon lange auf die Einführung der eDeclaration gedrängt. Entsprechend zufrieden zeigte sich etwa BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter: “Dies würde erheblich zu dem Ziel beitragen, den unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für Unternehmen im Binnenmarkt zu verringern.” Er hofft deswegen auf eine rasche Einigung über den Vorschlag.
Allerdings: Das Meldeportal ist auf freiwilliger Basis angedacht, jeder Mitgliedsstaat entscheidet über die Teilnahme. Daher betont Kampeter: “Wir ermutigen so viele Mitgliedstaaten wie möglich, diesen Vorschlag umzusetzen.” Deutschland und acht anderen Staaten, darunter Polen, Ungarn, Portugal und Tschechien, haben sich bereits in einer gemeinsamen Erklärung zur eDeclaration bekannt.
Scharfe Kritik kam dagegen von Gewerkschaften. Der Europäische Gewerkschaftsbund ETUC hatte schon Anfang November gewarnt, dass es sich bei der Verordnung nur um die Reduzierung von Auflagen drehe und der “Perspektive von Arbeitnehmern, Gewerkschaften und Durchsetzungsstellen nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt” worden sei. Die 14 Millionen Euro, die Unternehmen in der Union dadurch einsparen könnten, stünden nicht im Verhältnis zu den sozialen Kosten des Kommissionsplans.
“Eine weitere Deregulierung dieses Prozesses ist in höchstem Maße unverantwortlich“, kritisierte ETUC-Vize-Generalsekretärin Isabelle Schömann am Mittwoch. Bereits jetzt seien entsandte Arbeitnehmer weitverbreiteten Missständen ausgesetzt, von der Nichtzahlung der Löhne bis hin zu unsicheren Arbeitsbedingungen. lei
Mehrere Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU kritisieren die Absage der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung am 2. Dezember. Aufgrund des Endes der Ampelkoalition habe Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) das Treffen abgesagt, was man mit großem Unverständnis zur Kenntnis nehme, schreiben Andreas Jung, Armin Laschet, zwei weitere Unionsabgeordnete und der französische Politiker Frédéric Petit in einem gestern veröffentlichten Papier.
Aufgrund der Auflösung der Assemblée nationale habe im Juni keine Sitzung stattfinden können. Nun drohe eine anderthalbjährige Periode ohne Versammlung. “Eine erneute Absage ist ein völlig falsches Signal in einer aufgewühlten Zeit”, schrieben die Abgeordneten. Mit Energie, Außen- und Sicherheitspolitik und europäischen Angelegenheiten hätten für die nächste Sitzung viele wichtigen Themen auf der Tagesordnung gestanden. ber
Mit einem KI-Whitepaper hat Dänemark einen Leitfaden für die verantwortungsvolle Anwendung von KI im öffentlichen und privaten Sektor vorgelegt. In enger Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Verwaltung und privaten Unternehmen wie Microsoft entstand eine detaillierte Anleitung. Sie soll sicherstellen, dass KI-Systeme den Anforderungen des AI Acts entsprechen. “Dieses Whitepaper ist eine praktische Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Entwicklung von KI-Assistenten“, erklärte Ella Liebmann, Botschaftsrätin für Öffentliche Digitalisierung an der dänischen Botschaft in Berlin im Gespräch mit Table.Briefings.
Das Whitepaper formuliert klare Richtlinien für den sicheren Einsatz von KI. Die enthaltene Checkliste umfasst neun Schritte. Darunter sind die Definition des KI-Einsatzbereichs, die technische Plattform, die Datenverarbeitung sowie kontinuierliche Qualitätssicherung und Nachverfolgung. “Das Whitepaper transformiert die Anforderungen des AI Acts und der DSGVO in einen operativen Leitfaden”, sagte Liebmann. Das Dokument ist als Werkzeug für alle Organisationen gedacht, die KI-Assistenten entwickeln und einsetzen – von kleinen Unternehmen bis hin zu großen Konzernen.
Dänemark hat eine nationale Strategie für Künstliche Intelligenz als Teil seiner Digitalstrategie entwickelt. Mit der will das Land eine Vorreiterrolle bei der verantwortungsvollen Entwicklung und Nutzung von KI einnehmen. Das Whitepaper stellt eine dänische Interpretation der EU-Vorgaben dar. Liebmann betonte: “Dies ist eine Einladung zum Wissensaustausch und Dialog.” Dänemark wolle aktiv mit anderen EU-Mitgliedstaaten – insbesondere mit Deutschland – zusammenarbeiten, um eine einheitliche Umsetzung der KI-Verordnung sicherzustellen. Deutschland, sagte Liebmann, sei ein zentraler Partner für die digitale Wettbewerbsfähigkeit Europas. “Für uns ist es wichtig, dass Deutschland in den KI-Sektor investiert und hier vorangeht.”
Das Whitepaper widmet sich auch den ethischen und rechtlichen Anforderungen an KI-Systeme, speziell in Bezug auf den Schutz sensibler Daten und die Vermeidung von Diskriminierung. Gerade hat Amnesty International Dänemark vorgeworfen, durch den Einsatz von KI zur Betrugserkennung im Sozialsystem Überwachung und Diskriminierung zu fördern, anstatt die Rechte der Bedürftigen zu schützen.
Das soll besser werden. “Eine gründliche Analyse der vorhandenen Daten auf Bias und Relevanz ist eine notwendige Voraussetzung“, erklärte Liebmann. Das Whitepaper sieht dafür auch ein KI-Reallabor (Regulatory Sandbox) vor, das die Möglichkeit bietet, KI-Systeme unter Realbedingungen zu testen. “Eine Regulatory Sandbox hilft privaten und öffentlichen Institutionen, KI-Lösungen regelkonform zu entwickeln und umzusetzen.” Dänemark plant, die erarbeiteten Standards mit anderen EU-Staaten zu teilen, um einheitliche und robuste Ansätze für die Nutzung von KI innerhalb Europas zu fördern. vis
Nicht immer mehr Regulierung, sondern “eine konsequente Umsetzung ist das Gebot der Stunde“. Diese Empfehlung gibt der Brüsseler Thinktank Cerre in seinem neuen Whitepaper “Ambitions for Europe 2024 – 2029“. Die Autoren nennen gezielte Maßnahmen zur Stärkung der europäischen Politik. Die Vorschläge konzentrieren sich auf eine präzisere Regulierung, die Europas Widerstandskraft und Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten geopolitischer Unsicherheit und digitaler Transformation verbessern sollen.
Eine innovative und wettbewerbsfähige EU-Wirtschaft könne nicht auf der Regulierung von Technologien aufgebaut werden, die anderswo entwickelt wurden – der “Silicon Valley-Effekt” erweise sich weiterhin als stärker als der “Brüssel-Effekt”. “Die EU muss ein robustes Umfeld für eigene Innovationen schaffen, auch weil sie den globalen Druck auf die Lieferketten, der ihre Wachstumsziele gefährdet, nicht länger ignorieren kann”, schreiben die Autoren.
Eine kohärente und strategisch abgestimmte Politik sei unerlässlich, um die ehrgeizigen Ziele für Klimaneutralität und technologische Führerschaft zu erreichen. Cerre verweist darauf, dass die Regulierung bisher oft durch widersprüchliche Vorschriften, unklare Finanzierungsmechanismen und eine unübersichtliche regulatorische Landschaft belastet werde. In Zeiten multipler Krisen und erhöhter geopolitischer Spannungen sei dies kontraproduktiv.
Die Autoren identifizieren neun Ambitionen. Dazu zählen der Aufbau robuster digitaler Infrastrukturen, ein faires und sicheres Online-Ökosystem, eine wettbewerbsfähige Datenwirtschaft. Dazu gehören ebenfalls ein gerechter und effizienter EU-Emissionshandel sowie die Entwicklung eines resilienten Energie- und Mobilitätssystems. Schließlich ist sei auch ein europäischer Mobilitätsdatenraum ein Schwerpunkt, um den öffentlichen Verkehr in Europa nachhaltiger und effektiver zu gestalten. vis
Die Verlängerung der Eucap-Mission kommt zu einem für Europa günstigen Zeitpunkt: In Mali zeigen sich erste Zeichen einer gewissen Ernüchterung der russischen Militärkooperation. Wurden die Söldner der Wagner-Truppe bei ihrer Ankunft im Dezember 2021 noch wie Retter gefeiert, ist der Heiligenschein weg. Dutzende Russen und malische Soldaten starben im Juli im äußersten Norden im Gefecht mit Tuareg-Rebellen und Dschihadisten. Das war praktisch das erste Mal, dass Wagner gegen einen echten Gegner, Mann gegen Mann, kämpfen musste. Ein Sandsturm in der Wüste verhinderte, dass die Russen ihre Drohnen aufsteigen lassen konnten – ihre Hauptwaffe gegen häufig schlecht bewaffnete Dschihadisten.
Es ist zu früh, von Spannungen zwischen Wagner und der malischen Regierung zu sprechen, die teuer für die Söldnerdienste bezahlt. Aber ein paar lange Gesichter gibt es schon, zumal bei einem Anschlag von Dschihadisten am Flughafen Bamako im September auch von Wagner wenig zu sehen war. Die Russen haben dort eine Basis, tauchten aber stundenlang nicht auf, als Kämpfer auf dem Flughafengelände unterwegs waren. Noch ein Beispiel: Seit Wochen ist ein Konvoi von Wagner-Kämpfern und malischen Soldaten im Norden unterwegs, um die Juli-Niederlage wiedergutzumachen. Doch es gibt keinen Angriff, man hört stattdessen von logistischen Problemen. Offensichtlich sind die Söldner nicht mehr so risikofreudig wie bisher. Die malischen Erwartungen waren von vornherein unrealistisch: Was sollten rund 1.000 bis 1.200 Wagner-Söldner besser machen als einst mehr als 5.000 französische Soldaten im Sahel?
Der Umgang mit Malis Militärregierung und ihrem panafrikanischen Power-Trip war in den letzten Jahren schwierig. Insbesondere Frankreich hat die Beziehungen fast auf null heruntergefahren. Doch es steht für Europa zu viel auf dem Spiel, um jetzt den Kontakt abzubrechen. Bestes Beispiel ist die Migration: Rund 200.000 Malier sind aus dem Zentrum des Landes, wo der Konflikt mit Dschihadisten wütet, in das Nachbarland Mauretanien geflohen. Die Flucht ist ein direktes Resultat des Wagner-Einsatzes, weil die Russen dort mit der malischen Armee gegen Dschihadisten kämpfen und häufig nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheiden. Sie töteten im März 2022 mehr als 500 Menschen in dem von Dschihadisten kontrollierten Dorf Moura. Die meisten Opfer waren nach Angaben der Vereinten Nationen Zivilisten.
Von Mauretanien versuchen dann viele Flüchtlinge, per Boot auf die Kanarischen Inseln zu kommen. Malier sind dieses Jahr zum ersten Mal unter den Top 3 der Ankömmlinge dort. Die Wiederwahl von Donald Trump dürfte diesen Trend noch verstärken, da die Vereinigten Staaten die ebenfalls boomende Fluchtroute mit Turkish Airlines von Mauretanien nach Nicaragua schließen dürften und dann mehr Migranten auf die Boote nach Spanien ausweichen.
Die Mandats-Verlängerung ist für die EU ein Weg, um mit Mali im Gespräch zu bleiben und sich als Alternative zu Russland anzubieten. Wagner wird irgendwann scheitern, das ist klar. Dann wird es gut sein, wenn Europa weiter in dem Sahel-Land präsent ist. Das neue Mandat ist auch noch aus einem anderen Grund ein wichtiger Schritt: Endlich hat sich Europa ein wenig von der unbeliebten ehemaligen Kolonialmacht Frankreich gelöst, die eigentlich Eucap eher nicht fortsetzen wollte. Frankreich hatte 2022 seine Ausbilder von der Mission abgezogen, als der Streit mit der Junta eskalierte. Damals zog die französische Armee auch aus Nord-Mali ab und musste später die Nachbarn Burkina Faso und Niger verlassen.
Seitdem hat Paris Druck auf die EU ausgeübt, die Beziehungen zu den Juntas zu reduzieren und auch die EU-Trainingsmission für das malische Militär, EUTM, zu Fall gebracht. Spanien hatte diese eigentlich fortsetzen wollen, aber nicht die Konfrontation mit Frankreich gewagt. Dass die übrigen EU-Mitglieder nun Eucap verlängern wollen, ist eine erste willkommene Emanzipierung von Paris im Sahel.
Ulf Laessing ist Leiter der Regionalprogrammes Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali.
das Chaos ist perfekt: Heute Vormittag stimmt das EU-Parlament nicht nur über eine spätere Umsetzungsfrist der EU-Regeln für entwaldungsfreie Lieferketten ab – das Gesetz dazu trat bereits im Juni 2023 in Kraft trat. Die Verordnung könnte zudem deutlich abgeschwächt werden, sollten die 15 Änderungsanträge der EVP auch nur teilweise Zustimmung erhalten.
Da Grüne und Sozialdemokraten die Änderungen deutlich ablehnen, würde die EVP sie wohl nur mit Stimmen rechter Parteien wie der AfD durchsetzen können. In diesem Fall droht anschließend eine Blockade: Das Parlament müsste die Änderungen im Trilogverfahren mit dem Rat verhandeln. Unter den Mitgliedstaaten gäbe es jedoch wahrscheinlich keine Mehrheit.
Grüne und Sozialdemokraten warnen vor der Unsicherheit, die die Situation für betroffene Unternehmen und Handelspartner schafft – und werfen der EVP widersprüchliches Verhalten vor. Schließlich war es der EVP-Parteikollege und designierte Agrarkommissar Christophe Hansen, der die Verordnung als Berichterstatter verhandelt hatte. Auch informelle Absprachen mit Liberalen und Sozialdemokraten scheint die EVP nicht eingehalten zu haben.
Eine klare Perspektive gibt es nur in einem Fall: Erhält keiner der Änderungsanträge, sondern lediglich die Verschiebung eine Mehrheit (was wahrscheinlich ist), kann diese direkt in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten haben bereits zugestimmt.
Wie man es auch wendet: Die großen Verlierer werden jene Unternehmen sein, die sich auf den ursprünglichen Plan verlassen haben und bereits ab Ende 2024 startklar gewesen wären.
Der Machtkampf im Europaparlament um die neue Kommission hat sich am Mittwoch deutlich zugespitzt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen empfing die Fraktionsvorsitzenden von EVP, S&D und Renew gestern im Berlaymont, um die Wogen zu glätten. Das eineinhalbstündige Gespräch mit Manfred Weber, Iratxe García Pérez und Valérie Hayer habe kein konkretes Ergebnis gebracht, hieß es im Anschluss aus dem Parlament, man wolle aber weiter miteinander sprechen.
Am Abend traf auch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die Fraktionsvorsitzenden. Bis zur geplanten Abstimmung über die neue Kommission am 27. November sei noch Zeit, sagte Metsola, das Parlament sei “fest entschlossen, die neue Kommission zu installieren”. Die ersten Monate einer neuen Legislaturperiode seien immer schwierig, “aber es ist wichtig, dass wir zusammenarbeiten”, sagte die EVP-Politikerin.
Zuvor hatten die Sozialdemokraten kaum verhohlen damit gedroht, der neuen Kommission die Zustimmung zu verweigern und die Zusammenarbeit mit der EVP aufzukündigen. Die Christdemokraten unter Manfred Weber hätten durch dessen “unverantwortliches Verhalten” die Vereinbarung der pro-europäischen Fraktionen nach der Europawahl gebrochen, hieß es in einer Erklärung der S&D-Fraktion. “In den vergangenen Tagen haben wir gesehen, dass die Führung der EVP bereit ist, die Stabilität der europäischen Institutionen zu riskieren, und das in einem schwierigen geopolitischen Klima.”
Der Konflikt entzündet sich an der ausstehenden Abstimmung über die sechs Vizepräsidenten der EU-Kommission und den ungarischen Kandidaten Olivér Várhelyi, doch die Wurzeln reichen tiefer. Bei den Sozialdemokraten heißt es, die Schmerzgrenze sei erreicht. Die EVP habe in den vergangenen Wochen teils unverhohlen mit den Rechtsaußen-Fraktionen gestimmt, etwa in der Venezuela-Resolution oder bei einer Entschließung zum Haushalt Ende Oktober. Die pro-europäische Mehrheit könne nicht funktionieren, so S&D-Fraktionsvize Kathleen Van Brempt, “wenn die EVP weiterhin die Grenzen überschreitet, indem sie mit extremen Parteien zusammenarbeitet”.
Das Fass zum Überlaufen aus S&D-Sicht brachten die verbalen Attacken aus Reihen der EVP gegen die designierte Vizepräsidentin Teresa Ribera bei der Anhörung am Dienstagabend. Die spanischen PP-Abgeordneten warfen der noch amtierenden sozialistischen Umweltministerin eine Mitverantwortung für die Flutkatastrophe in Valencia vor. Gestern forderte PP-Chef Alberto Núñez Feijóo Ministerpräsident Pedro Sánchez auf, Ribera als Kandidatin zurückzuziehen.
In EVP-Kreisen hieß es, Ribera solle sich der Anhörung im Parlament in Madrid am kommenden Mittwoch stellen und reinen Tisch machen, bevor sie Vizepräsidentin werde. Der Auftritt der designierten Vizepräsidentin habe überdies auch Fachpolitiker nicht überzeugt. Sozialisten und Liberale müssten nun ihre institutionelle Verantwortung wahrnehmen. Weber besteht weiter darauf, über alle sieben offenen Kommissionspersonalien im Paket abzustimmen.
Die Sozialdemokraten sehen die Abstimmung über die neue Kommission als den stärksten Hebel, den sie noch haben, um die EVP auf eine Zusammenarbeit mit sich und den Liberalen zu verpflichten. Konkret fordern sie dem Vernehmen nach, dass die EVP umgehend den Weg freimacht für fünf der sechs Vizepräsidenten, einschließlich Riberas. Die eigene Zustimmung zum italienischen Kandidaten Raffaele Fitto knüpft die S&D daran, dass er kein Vizepräsident wird. Der designierte Gesundheitskommissar Várhelyi soll bestimmte Zuständigkeitsbereiche abgeben, etwa für Reproduktionsmedizin und Pandemiemanagement.
Die Liberalen teilen viele der Kritikpunkte der S&D an den Christdemokraten, bemühen sich aber zu vermitteln. Fraktionschefin Valérie Hayer forderte gestern eine “Koalitionsvereinbarung zwischen den zentralen Gruppen dieses Hauses, um den unverantwortlichen Spielen ein für alle Mal ein Ende zu setzen”. Der eigentliche Sinn der Anhörungen sei durch die “politischen Spiele” beschädigt worden.
Weber und von der Leyen wollen sich aber nicht allein an S&D, Liberale und Grüne binden. Die Christdemokraten befinden sich in einer starken Position, weil ohne sie keine Mehrheiten im Parlament möglich sind. Die Option, mit den rechten Fraktionen zu kooperieren, gibt ihr einen starken Hebel in die Hand, um Zugeständnisse von Sozialdemokraten und Liberalen zu bekommen.
In der EVP heißt es, S&D habe die neuen Mehrheiten noch nicht realisiert. In der vergangenen Legislatur seien die Christdemokraten in der Position gewesen, dass Mitte-Links eigene Mehrheiten habe organisieren können. Heute sei es umgekehrt.
Die Erwartungen an den ersten europäischen Wohnungskommissar Dan Jørgensen sind hoch. Immerhin haben die gestiegenen Wohn- und Lebenshaltungskosten laut einer Nachwahlbefragung viele Wähler in diesem Sommer bei den Europawahlen mobilisiert. “Eine europäische Finanzierung kann nicht alles lösen”, versuchte Jørgensen in seiner Anhörung die Hoffnungen etwas einzufangen. Denn die EU hat bei dem Thema fast keine eigenen Kompetenzen.
Einer der Hebel, den die Union beim Thema Wohnen hat: Geld. Der grüne Haushaltspolitiker Rasmus Andresen fordert daher, im kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen mehr Mittel für die Schaffung von sozialem und leistbarem Wohnraum zu mobilisieren, in Form eines Fonds: “Gerade, wenn wir über die Frage von gesellschaftlichem Zusammenhalt sprechen, ist Wohnen ein Thema, wo sich die EU beweisen und auch Geld in die Hand nehmen muss“, sagte Andresen zu Table.Briefings.
Ob das gelingt, ist eine andere Frage: Das Geld für den kommenden EU-Haushalt ist schon jetzt heftig umstritten. Prominent war etwa zuletzt die Forderung des finnischen Ex-Präsidenten Sauli Niinistö, bis zu 20 Prozent des EU-Budgets für den Bereich Krisenvorsorge bereitzustellen. Jørgensen hat sich in der Hinsicht nicht eindeutig geäußert im Hearing. Was er stattdessen versprochen hat: Die Mittel im Kohäsionsfonds für Wohnen auf rund 14 Milliarden Euro zu verdoppeln.
Allerdings ist der aktuelle Kohäsionsfonds schon ausgearbeitet und die Mittel sind in der Verteilung auch schon festgelegt. Doch Andresen glaubt: Diese könnten durchaus umgeschichtet werden, denn es werde nicht immer alles abgerufen. “Wenn es da Spielraum gibt, sollten wir das ermöglichen”, findet er. Der Vorteil: Diese Maßnahme ließe sich recht schnell umsetzen.
Abgerufen werden müssen die Gelder natürlich dennoch. Und: 14 Milliarden sind im Vergleich zu den hohen Kosten für sozialen und bezahlbaren Wohnbau nur etwas mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die High-Level Task Force bezifferte die Investitionslücke im Bereich bezahlbares Wohnen 2018 in einer viel beachteten Studie auf rund 57 Milliarden Euro jährlich. Seither hat sich bei dem Punkt nach Sicht von Experten wenig an der eklatanten Unterfinanzierung geändert, wenn die Bedarfe dafür nicht sogar noch größer geworden sind.
Das weiß auch Jørgensen. In seiner Anhörung betonte er: “Wir werden das Problem nicht alleine mit staatlichen Geldern lösen können.” Man brauche Geld von privaten Investoren. “Im besten Fall sammeln wir für jeden staatlichen Euro drei, vier oder fünf private Euros ein“, sagte der designierte Kommissar für Energie und Wohnen.
Doch wie kann das gelingen? Zentral hierfür ist die paneuropäische Investitionsplattform, die Jørgensen mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) aufbauen will. Die Arbeiten dazu laufen bereits, aus Kreisen der EIB hieß es, dass man im 1. Quartal 2025 eine solche Plattform in den Grundzügen konzipiert haben will.
Schon jetzt vergibt die EIB Kredite, um bezahlbaren Wohnraum und energetische Sanierungen zu ermöglichen. Für die paneuropäische Investitionsplattform sollen bestenfalls auch nationale Förderbanken und andere Stakeholder mit ins Boot geholt werden, um noch mehr Projekte zu finanzieren, so der Mission Letter an Jørgensen.
Der Vorteil einer Finanzierung über die EIB: Die Kredite sind recht günstig. Denn die EIB kommt dank ihres Triple-AAA-Ratings leicht an Geld und hat auch einen langfristigen Horizont bei der Rückzahlung. Allerdings: Die EIB stellt bisher nie die Gesamtsumme bereit, die Kreditnehmer müssen eine Kofinazierung leisten.
Die finanzielle Messlatte für EIB-Projekte liege derzeit aber so hoch, dass viele Investoren gar nicht berücksichtigt werden könnten, kritisiert Andreas Ibel, Präsident von Build Europe, der private Bauträger auf europäischer Ebene vertritt: “Aktuell werden vor allem quartiersplanerische Projekte und große Konzerne gefördert. Der Mittelstand findet nicht statt.” Seine Forderung: den Zugang auch für kleinere Träger öffnen.
Das fände auch Barbara Steenbergen wichtig. Sie leitet das Brüsseler Büro der International Union of Tenants (IUT). Doch bei der Frage, wer prioritär gefördert werden soll, hat die Mieterschützerin ganz andere Vorstellungen als Ibel. Sie sagt gegenüber Table.Briefings: “Die Finanzierung muss in erster Linie an gemeinnützige und nicht-profitorientierte Träger gehen.” Auch diese würden gerne mehr in dem Bereich tun und würden sich sehr über Hilfen der EIB freuen. Denn, so findet sie: “Wir haben den Wohnungssektor in den vergangenen Jahren viel zu sehr den privaten Trägern überlassen. Wir sehen, wozu das geführt hat: Es gibt kaum leistbaren Wohnraum mehr.”
Eine weitere mögliche Stellschraube, um mehr Wumms in die europäische Förderung zu bekommen: eine Änderung der Kofinanzierungsregeln, findet Haushaltspolitiker Andresen. Zumindest für gemeinnützigen Wohnbau. “Gerade für klamme Kommunen ist es schwer, die benötigten Eigenmittel zu mobilisieren. Da werden willige Akteure, die gerne günstigen Wohnraum schaffen würden, durch die Vorgaben zu den Eigenmitteln derzeit ausgebremst.”
Doch wie viel kann die paneuropäische Investitionsplattform überhaupt bringen? Da gehen die Urteile auseinander. Steenbergen findet: “Das könnte sehr viel bewegen, gerade wenn die gemeinnützigen und sozialen Träger bevorzugt gefördert werden.” Ibel dagegen sagt: “Finanzierung ist nicht das Wichtigste. Was uns mehr bringt, das wären weniger Belastungen, vor allem keine neuen Richtlinien und weniger Steuern.”
Zwar hat die EU beim Thema Steuern keine Gesetzgebungskompetenz. Doch Ibel begrüßt, dass Jørgensen auch den Dialog zwischen den Staaten verbessern will. Er hofft vor allem, dass die Beispiele aus Spanien, Luxemburg oder Kanada Schule machen – dort wurde die Umsatzsteuer auf Mietwohnungsbau zuletzt entweder abgesenkt oder ganz abgeschafft. “Da in den Austausch zu kommen, das wäre ein zentraler Baustein”, sagt Ibel.
Ins Gespräch kommen, das will der designierte Wohnungskommissar Jørgensen schon bald. Er hat angekündigt, in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit in den Dialog mit allen relevanten Stakeholdern im Wohnungsbereich zu treten. Die Ergebnisse sollen dann in den ersten europäischen Plan für bezahlbares Wohnen und die europäische Wohnungsbaustrategie einfließen.
15.11.2024 – 14:30-16:00 Uhr, Baku (Aserbaidschan)
FSR, Panel Discussion Enhancing NDCs 3.0: The Role of Carbon Markets in Emission Reductions and Removals
The Florence School of Regulation (FSR) explores different pathways to enhance NDCs through carbon markets. INFOS & REGISTRATION
15.11.2024 – 17:30-20:30 Uhr, Potsdam
KAS, Vortrag Wie weiter in Nahost?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beschäftigt sich mit der aktuellen politischen Situation im Nahen Osten. INFOS & ANMELDUNG
19.11.2024 – 14:00-15:30 Uhr, online
FSR, Panel Discussion How to ensure a sustainable agricultural trade regime
The Florence School of Regulation (FSR) explores the critical importance of sustainable agricultural trade and its benefits for the environment, economy, and society. INFOS & REGISTRATION
In der Affäre um die mögliche Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament hat die Staatsanwaltschaft einen fünfjährigen Verlust des passiven Wahlrechts für die Rechtsnationale Marine Le Pen gefordert. Le Pen könnte bei einer solchen Strafe zeitweise nicht mehr in öffentliche Ämter gewählt werden. Die Anklage verlangte, die Strafe vorläufig anzuwenden – also bereits nach dem Urteilsspruch und nicht erst nach einem möglicherweise langjährigen Lauf durch die gerichtlichen Instanzen.
Der Zeitung “Le Monde” zufolge warf Le Pen der Anklagebehörde vor, “die Franzosen ihrer Möglichkeit zu berauben, für wen sie wollen zu stimmen”. 2027 steht in Frankreich die nächste Präsidentschaftswahl an. Staatschef Emmanuel Macron kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Erwartet wird hingegen, dass Frankreichs führende Rechtsnationale Le Pen, die Macron zweimal in der Stichwahl bezwang, auch 2027 für ihr Rassemblement National ins Rennen gehen will. dpa
Die Regierungen in Berlin und Paris haben vereinbart, sich über “bewährte Verfahren” zur Förderung von Elektrofahrzeugen und technischen Innovationen in diesem Bereich auszutauschen. So steht es in einem Papier, das das französische Energieministerium am Dienstag veröffentlicht hat. Es geht auf einen Austausch der Ministerin Agnès Pannier-Runacher mit dem Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold am Rande des Energierates Mitte Oktober in Luxemburg zurück.
Frankreich hatte Anfang des Jahres eine Förderung für E-Autos eingeführt, die an die CO2-Emissionen bei der Herstellung gebunden ist und damit viele chinesische Autos ausschließt. Frankreichs Industrieminister Marc Ferracci spricht sich für eine EU-weite Kaufprämie für E-Autos aus.
Das Papier ergänzt einen Aktionsplan zur Flexibilisierung der Stromsysteme beider Länder vom Mai um zusätzliche Prioritäten, darunter eine flexible Elektrifizierung des Verkehrs. Gemeinsam wollen die beiden Länder zum Beispiel daran arbeiten, Strompreise für das Beladen von E-Autos dann zu senken, wenn viel erneuerbare Energien im System sind. Ein weiterer Schwerpunkt ist das bidirektionale Laden. Dazu hatte das BMWK wenige Tage nach dem Energierat eine europäische Konferenz in Berlin organisiert. ber
Das geplante US-Gesetz zu vernetzten Fahrzeugen (Notice of Proposed Rulemaking, NPRM) soll nach Informationen des Verbands der Automobilindustrie noch von der Biden-Administration umgesetzt werden. Es stellt umfangreiche neue Anforderungen an die Hersteller. Möglich sei, dass das geplante Gesetz unter der künftigen Trump-Regierung sogar noch weiter verschärft werden könnte.
Das vom US-Handelsministerium vorgeschlagene Gesetz zielt darauf ab, den Einsatz bestimmter Technologien aus China und Russland in vernetzten Fahrzeugen zu verbieten. Konkret sollen Komponenten für Fahrzeugvernetzungssysteme (VCS) und automatisierte Fahrsysteme (ADS) aus diesen Ländern vom US-Markt ausgeschlossen werden. Dieses Verbot betrifft sowohl den Import als auch den Verkauf entsprechender Hard- und Software in den USA. Ziel des Ministeriums ist es, potenzielle Cyberangriffe durch Manipulation oder Datendiebstahl aus Fahrzeugen zu verhindern.
“Dies hat erhebliche Rückwirkungen auf die Lieferketten und kann zu Verzögerungen in der Entwicklung neuer Modelle, temporär fehlenden Ausstattungsmerkmalen und steigenden Preisen für Kundinnen und Kunden führen”, sagte VDA-Geschäftsführer Marcus Bollig.
Das NPRM verlangt von allen Herstellern, die Herkunft sicherheitsrelevanter Komponenten zu prüfen und gegebenenfalls zu ersetzen. Das betrifft europäische Hersteller genauso wie US-Konzerne wie Tesla. Die Umsetzung erfolgt stufenweise: Software darf ab dem Modelljahr 2027 nicht mehr aus den betroffenen Ländern stammen, für Hardware gilt dies ab 2030. Tesla drängt seine Zulieferer bereits seit dem Frühjahr, Teile außerhalb Chinas und Taiwans zu produzieren.
“Die vorgeschlagenen Fristen sind zu kurz“, kritisierte Bollig. Zudem fordert der VDA, Hard- und Software ab 2030 gleichzeitig zu regulieren, da sonst mehrfach umgestellt werden müsse. Weitere Forderungen betreffen die Behandlung bestehender Fahrzeuge und den Schutz vor ungewollten Einschränkungen für Verbraucher und Hersteller. “Sicherheit ist im ureigenen Interesse der deutschen Automobilindustrie”, sagte Bollig, doch die Umsetzung müsse realistisch bleiben.
Bollig verwies darauf, dass von Komponenten, die in europäischen Fahrzeugen verbaut sind, weder eine Gefahr für die persönliche noch eine nationale Sicherheit ausgehe. “Auch europäische und deutsche Regulatorik baut auf höchste Sicherheitsstandards”, erläuterte Bollig. Die für europäische Automobile verpflichtenden Cybersecurity Management Systeme stellten die Cybersicherheit von Fahrzeugen sicher – unabhängig von der Herkunft ihrer Komponenten. vis
Bewegung in Sachen eDeclaration: Die Kommission hat am Mittwoch einen Vorschlag für eine Verordnung für ein digitales, einheitliches Meldeportal für Unternehmen mit mobilen Beschäftigten vorgelegt. Das soll den Bürokratieaufwand und auch die Kosten für Unternehmen reduzieren, die ihre Beschäftigten grenzüberschreitend in die EU entsenden.
Kerninhalt: Statt diverser verschiedener nationaler Systeme soll es künftig ein einheitliches Erscheinungsbild geben. Außerdem einen auf 30 Informationen verschlankten digitalen Fragebogen. Hier können die Firmen die Angaben zu der Entsendung ihrer Beschäftigten eintragen – die sogenannte eDeclaration. Nach einer Analyse der Kommission dauert es bisher je nach Empfängerland zwischen rund 15 Minuten (Ungarn) bis zu 1 Stunde und 15 Minuten (Griechenland), eine Entsendedeklaration auszufüllen. Denn die Anforderungen seind von Land zu Land verschieden. Die eDeclaration soll im Schnitt 73 Prozent weniger Zeit in Anspruch nehmen.
Sven Giegold, scheidender Staatssekretär im BMWK, zeigte sich gegenüber Table.Briefings “hocherfreut”, dass der Vorstoß nun noch in den letzten Tagen des alten Colleges auf den Weg gebracht wurde. “Das ist das Nummer eins Thema der Unternehmen in Deutschland, wenn es um Bürokratie in Europa geht.” Hier werde es nun konkrete Verbesserungen geben. Tatsächlich haben Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände schon lange auf die Einführung der eDeclaration gedrängt. Entsprechend zufrieden zeigte sich etwa BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter: “Dies würde erheblich zu dem Ziel beitragen, den unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für Unternehmen im Binnenmarkt zu verringern.” Er hofft deswegen auf eine rasche Einigung über den Vorschlag.
Allerdings: Das Meldeportal ist auf freiwilliger Basis angedacht, jeder Mitgliedsstaat entscheidet über die Teilnahme. Daher betont Kampeter: “Wir ermutigen so viele Mitgliedstaaten wie möglich, diesen Vorschlag umzusetzen.” Deutschland und acht anderen Staaten, darunter Polen, Ungarn, Portugal und Tschechien, haben sich bereits in einer gemeinsamen Erklärung zur eDeclaration bekannt.
Scharfe Kritik kam dagegen von Gewerkschaften. Der Europäische Gewerkschaftsbund ETUC hatte schon Anfang November gewarnt, dass es sich bei der Verordnung nur um die Reduzierung von Auflagen drehe und der “Perspektive von Arbeitnehmern, Gewerkschaften und Durchsetzungsstellen nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt” worden sei. Die 14 Millionen Euro, die Unternehmen in der Union dadurch einsparen könnten, stünden nicht im Verhältnis zu den sozialen Kosten des Kommissionsplans.
“Eine weitere Deregulierung dieses Prozesses ist in höchstem Maße unverantwortlich“, kritisierte ETUC-Vize-Generalsekretärin Isabelle Schömann am Mittwoch. Bereits jetzt seien entsandte Arbeitnehmer weitverbreiteten Missständen ausgesetzt, von der Nichtzahlung der Löhne bis hin zu unsicheren Arbeitsbedingungen. lei
Mehrere Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU kritisieren die Absage der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung am 2. Dezember. Aufgrund des Endes der Ampelkoalition habe Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) das Treffen abgesagt, was man mit großem Unverständnis zur Kenntnis nehme, schreiben Andreas Jung, Armin Laschet, zwei weitere Unionsabgeordnete und der französische Politiker Frédéric Petit in einem gestern veröffentlichten Papier.
Aufgrund der Auflösung der Assemblée nationale habe im Juni keine Sitzung stattfinden können. Nun drohe eine anderthalbjährige Periode ohne Versammlung. “Eine erneute Absage ist ein völlig falsches Signal in einer aufgewühlten Zeit”, schrieben die Abgeordneten. Mit Energie, Außen- und Sicherheitspolitik und europäischen Angelegenheiten hätten für die nächste Sitzung viele wichtigen Themen auf der Tagesordnung gestanden. ber
Mit einem KI-Whitepaper hat Dänemark einen Leitfaden für die verantwortungsvolle Anwendung von KI im öffentlichen und privaten Sektor vorgelegt. In enger Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Verwaltung und privaten Unternehmen wie Microsoft entstand eine detaillierte Anleitung. Sie soll sicherstellen, dass KI-Systeme den Anforderungen des AI Acts entsprechen. “Dieses Whitepaper ist eine praktische Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Entwicklung von KI-Assistenten“, erklärte Ella Liebmann, Botschaftsrätin für Öffentliche Digitalisierung an der dänischen Botschaft in Berlin im Gespräch mit Table.Briefings.
Das Whitepaper formuliert klare Richtlinien für den sicheren Einsatz von KI. Die enthaltene Checkliste umfasst neun Schritte. Darunter sind die Definition des KI-Einsatzbereichs, die technische Plattform, die Datenverarbeitung sowie kontinuierliche Qualitätssicherung und Nachverfolgung. “Das Whitepaper transformiert die Anforderungen des AI Acts und der DSGVO in einen operativen Leitfaden”, sagte Liebmann. Das Dokument ist als Werkzeug für alle Organisationen gedacht, die KI-Assistenten entwickeln und einsetzen – von kleinen Unternehmen bis hin zu großen Konzernen.
Dänemark hat eine nationale Strategie für Künstliche Intelligenz als Teil seiner Digitalstrategie entwickelt. Mit der will das Land eine Vorreiterrolle bei der verantwortungsvollen Entwicklung und Nutzung von KI einnehmen. Das Whitepaper stellt eine dänische Interpretation der EU-Vorgaben dar. Liebmann betonte: “Dies ist eine Einladung zum Wissensaustausch und Dialog.” Dänemark wolle aktiv mit anderen EU-Mitgliedstaaten – insbesondere mit Deutschland – zusammenarbeiten, um eine einheitliche Umsetzung der KI-Verordnung sicherzustellen. Deutschland, sagte Liebmann, sei ein zentraler Partner für die digitale Wettbewerbsfähigkeit Europas. “Für uns ist es wichtig, dass Deutschland in den KI-Sektor investiert und hier vorangeht.”
Das Whitepaper widmet sich auch den ethischen und rechtlichen Anforderungen an KI-Systeme, speziell in Bezug auf den Schutz sensibler Daten und die Vermeidung von Diskriminierung. Gerade hat Amnesty International Dänemark vorgeworfen, durch den Einsatz von KI zur Betrugserkennung im Sozialsystem Überwachung und Diskriminierung zu fördern, anstatt die Rechte der Bedürftigen zu schützen.
Das soll besser werden. “Eine gründliche Analyse der vorhandenen Daten auf Bias und Relevanz ist eine notwendige Voraussetzung“, erklärte Liebmann. Das Whitepaper sieht dafür auch ein KI-Reallabor (Regulatory Sandbox) vor, das die Möglichkeit bietet, KI-Systeme unter Realbedingungen zu testen. “Eine Regulatory Sandbox hilft privaten und öffentlichen Institutionen, KI-Lösungen regelkonform zu entwickeln und umzusetzen.” Dänemark plant, die erarbeiteten Standards mit anderen EU-Staaten zu teilen, um einheitliche und robuste Ansätze für die Nutzung von KI innerhalb Europas zu fördern. vis
Nicht immer mehr Regulierung, sondern “eine konsequente Umsetzung ist das Gebot der Stunde“. Diese Empfehlung gibt der Brüsseler Thinktank Cerre in seinem neuen Whitepaper “Ambitions for Europe 2024 – 2029“. Die Autoren nennen gezielte Maßnahmen zur Stärkung der europäischen Politik. Die Vorschläge konzentrieren sich auf eine präzisere Regulierung, die Europas Widerstandskraft und Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten geopolitischer Unsicherheit und digitaler Transformation verbessern sollen.
Eine innovative und wettbewerbsfähige EU-Wirtschaft könne nicht auf der Regulierung von Technologien aufgebaut werden, die anderswo entwickelt wurden – der “Silicon Valley-Effekt” erweise sich weiterhin als stärker als der “Brüssel-Effekt”. “Die EU muss ein robustes Umfeld für eigene Innovationen schaffen, auch weil sie den globalen Druck auf die Lieferketten, der ihre Wachstumsziele gefährdet, nicht länger ignorieren kann”, schreiben die Autoren.
Eine kohärente und strategisch abgestimmte Politik sei unerlässlich, um die ehrgeizigen Ziele für Klimaneutralität und technologische Führerschaft zu erreichen. Cerre verweist darauf, dass die Regulierung bisher oft durch widersprüchliche Vorschriften, unklare Finanzierungsmechanismen und eine unübersichtliche regulatorische Landschaft belastet werde. In Zeiten multipler Krisen und erhöhter geopolitischer Spannungen sei dies kontraproduktiv.
Die Autoren identifizieren neun Ambitionen. Dazu zählen der Aufbau robuster digitaler Infrastrukturen, ein faires und sicheres Online-Ökosystem, eine wettbewerbsfähige Datenwirtschaft. Dazu gehören ebenfalls ein gerechter und effizienter EU-Emissionshandel sowie die Entwicklung eines resilienten Energie- und Mobilitätssystems. Schließlich ist sei auch ein europäischer Mobilitätsdatenraum ein Schwerpunkt, um den öffentlichen Verkehr in Europa nachhaltiger und effektiver zu gestalten. vis
Die Verlängerung der Eucap-Mission kommt zu einem für Europa günstigen Zeitpunkt: In Mali zeigen sich erste Zeichen einer gewissen Ernüchterung der russischen Militärkooperation. Wurden die Söldner der Wagner-Truppe bei ihrer Ankunft im Dezember 2021 noch wie Retter gefeiert, ist der Heiligenschein weg. Dutzende Russen und malische Soldaten starben im Juli im äußersten Norden im Gefecht mit Tuareg-Rebellen und Dschihadisten. Das war praktisch das erste Mal, dass Wagner gegen einen echten Gegner, Mann gegen Mann, kämpfen musste. Ein Sandsturm in der Wüste verhinderte, dass die Russen ihre Drohnen aufsteigen lassen konnten – ihre Hauptwaffe gegen häufig schlecht bewaffnete Dschihadisten.
Es ist zu früh, von Spannungen zwischen Wagner und der malischen Regierung zu sprechen, die teuer für die Söldnerdienste bezahlt. Aber ein paar lange Gesichter gibt es schon, zumal bei einem Anschlag von Dschihadisten am Flughafen Bamako im September auch von Wagner wenig zu sehen war. Die Russen haben dort eine Basis, tauchten aber stundenlang nicht auf, als Kämpfer auf dem Flughafengelände unterwegs waren. Noch ein Beispiel: Seit Wochen ist ein Konvoi von Wagner-Kämpfern und malischen Soldaten im Norden unterwegs, um die Juli-Niederlage wiedergutzumachen. Doch es gibt keinen Angriff, man hört stattdessen von logistischen Problemen. Offensichtlich sind die Söldner nicht mehr so risikofreudig wie bisher. Die malischen Erwartungen waren von vornherein unrealistisch: Was sollten rund 1.000 bis 1.200 Wagner-Söldner besser machen als einst mehr als 5.000 französische Soldaten im Sahel?
Der Umgang mit Malis Militärregierung und ihrem panafrikanischen Power-Trip war in den letzten Jahren schwierig. Insbesondere Frankreich hat die Beziehungen fast auf null heruntergefahren. Doch es steht für Europa zu viel auf dem Spiel, um jetzt den Kontakt abzubrechen. Bestes Beispiel ist die Migration: Rund 200.000 Malier sind aus dem Zentrum des Landes, wo der Konflikt mit Dschihadisten wütet, in das Nachbarland Mauretanien geflohen. Die Flucht ist ein direktes Resultat des Wagner-Einsatzes, weil die Russen dort mit der malischen Armee gegen Dschihadisten kämpfen und häufig nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheiden. Sie töteten im März 2022 mehr als 500 Menschen in dem von Dschihadisten kontrollierten Dorf Moura. Die meisten Opfer waren nach Angaben der Vereinten Nationen Zivilisten.
Von Mauretanien versuchen dann viele Flüchtlinge, per Boot auf die Kanarischen Inseln zu kommen. Malier sind dieses Jahr zum ersten Mal unter den Top 3 der Ankömmlinge dort. Die Wiederwahl von Donald Trump dürfte diesen Trend noch verstärken, da die Vereinigten Staaten die ebenfalls boomende Fluchtroute mit Turkish Airlines von Mauretanien nach Nicaragua schließen dürften und dann mehr Migranten auf die Boote nach Spanien ausweichen.
Die Mandats-Verlängerung ist für die EU ein Weg, um mit Mali im Gespräch zu bleiben und sich als Alternative zu Russland anzubieten. Wagner wird irgendwann scheitern, das ist klar. Dann wird es gut sein, wenn Europa weiter in dem Sahel-Land präsent ist. Das neue Mandat ist auch noch aus einem anderen Grund ein wichtiger Schritt: Endlich hat sich Europa ein wenig von der unbeliebten ehemaligen Kolonialmacht Frankreich gelöst, die eigentlich Eucap eher nicht fortsetzen wollte. Frankreich hatte 2022 seine Ausbilder von der Mission abgezogen, als der Streit mit der Junta eskalierte. Damals zog die französische Armee auch aus Nord-Mali ab und musste später die Nachbarn Burkina Faso und Niger verlassen.
Seitdem hat Paris Druck auf die EU ausgeübt, die Beziehungen zu den Juntas zu reduzieren und auch die EU-Trainingsmission für das malische Militär, EUTM, zu Fall gebracht. Spanien hatte diese eigentlich fortsetzen wollen, aber nicht die Konfrontation mit Frankreich gewagt. Dass die übrigen EU-Mitglieder nun Eucap verlängern wollen, ist eine erste willkommene Emanzipierung von Paris im Sahel.
Ulf Laessing ist Leiter der Regionalprogrammes Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali.